Adrian Frutiger – Schriften: Das Gesamtwerk 9783034609890

A world of typeface design The international creation of typefaces after 1950 was decisively influenced by the Swiss t

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Adrian Frutiger – Schriften: Das Gesamtwerk
 9783034609890

Table of contents :
Adrian Frutiger – Der Maß-Geber
Die Schrift ist ein Werkzeug
Der Weg zum Buch
Buchaufbau und Gebrauch
Adrian Frutiger’s Lehrer und Förderer
Président
Delta
Phoebus
Element-Grotesk
Federduktus
Ondine
Méridien
Caractères Lumitype
Univers
Egyptienne F
Opéra
Alphabet Orly
Apollo
Alphabet Entreprise Francis Bouygues
Concorde
Serifen-Grotesk / Gespannte Grotesk
Alphabet Algol
Serifa
OCR-B
Univers IBM Composer
Alphabet EDF- GDF
Katalog
Devanagari /Tamil
Alpha BP
Documenta
Alphabet Facom
Alphabet Roissy
Alphabet Brancher
Iridium
Alphabet Métro
Alphabet Centre Georges Pompidou
Frutiger
Glypha
Icone
Breughel
Dolmen
Tiemann
Versailles
Linotype Centennial
Avenir
Westside
Vectora
Linotype Didot
Herculanum
Shiseido
Frutiger Capitalis
Pompeijana
Rusticana
Frutiger Stones / Frutiger Symbols
Frutiger Neonscript
Nami
Synopsis Frutiger-Schriften
Schriftherstellung
Handsatz
Fotosatz Photon-Lumitype
Maschinensatz Einzelbuchstabenguss
Fotosatz Monophoto
Maschinensatz Zeilenguss
Optical Character Recognition OCR
Schreibsatz
Anreibesatz
Fotosatz Linofilm
Lichtsatz CRT
Lasersatz
Digitalsatz
Signete und Wortmarken
1957-1960
1961-1964
1965-1971
1972-1978
1979-1983
1984-1990
1991-2008
Anhang
Anmerkungen
Biografie
Auszeichnungen
Vorträge
Ausstellungen
Publikationen von Adrian Frutiger
Fachartikel von Adrian Frutiger
Filme /Videos
Radio-Interviews
Publikationen zu Adrian Frutiger’s Werk
Fachartikel zu Adrian Frutiger’s Werk
Schriften von Adrian Frutiger
Schrifthersteller
Wirkungsstätten und Personen
Zusammenarbeit mit Firmen
Bild- und Bildquellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Dank
Impressum

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Adrian Frutiger – Schriften. Das Gesamtwerk

Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie

ADRIAN FRUTIGER

SCHRIFTEN.  DAS GESAMTWERK Herausgegeben von Heidrun Osterer und Philipp Stamm

Birkhäuser Basel · Boston · Berlin

Inhaltsverzeichnis

6

Adrian Frutiger – Der Maß-Geber Kurt Weidemann

12 Adrian Frutiger’s Lehrer und Förderer Beruflicher Weg

134 Alphabet Orly Eine Signalisation ohne System

7

Die Schrift ist ein Werkzeug Adrian Frutiger

8

Der Weg zum Buch

26

138 Apollo Produktionsschritte zur Apollo Die Formensprache der Apollo Die Buchschrift Apollo Vermarktung der Apollo Schriftenvergleich

10 Buchaufbau und Gebrauch

Président Allgemeines zur Président Latines, Runic, Etienne, Renaissance Schriften für Karten Grundformen des & Zusätze zur Président Schriftenvergleich

36 Delta Der ‹ Stil Delta › 38

Phoebus Allgemeines zur Phoebus Zierschriften Klebsatzverfahren Typophane Schriftenvergleich

46 Element-Grotesk Ein neuer Schriftansatz 48 Federduktus Versuche und Entwürfe

148 Alphabet Entreprise Francis Bouygues Zusammenarbeit 150 Concorde Entstehung der Concorde Die dynamische Serifenlose Das Statische in der dynamischen Concorde 156 Serifen-Grotesk / Gespannte Grotesk Eine Inzise für den Werksatz Das Humane in der Grotesk 160 Alphabet Algol Schrift für eine Computersprache

234 Iridium Herleitung der Iridium Die edle Form in der Schrift D. Stempel AG Der Mensch und seine Zeichen Schriftenvergleich 244 Alphabet Métro Die Métro in London und Paris Univers als Basis der Métro Der Pfeil 248 Alphabet Centre Georges Pompidou Die Schrift Centre Georges Pompidou CGP 250 Frutiger Eine Signalisationsschrift wird zur Druckschrift Die Fotosatzschrift Frutiger Vergleich Concorde, Roissy, Frutiger Frutiger LT PostScript Die Frutiger der ‹ form › und der Post Eine echte Kursive zur Grotesk Ist die Frutiger Next wirklich eine Frutiger ? Die digitalen Versionen Plagiate der Frutiger Grauwert einer Schrift Schriftenvergleich Zurück zur Signalisationsschrift – Astra Frutiger

50

Ondine Allgemeines zur Ondine Formale Herleitung zur Ondine Skripten bei Deberny & Peignot Marktsegmente bei Deberny & Peignot Schriftenvergleich

162 Serifa Der Anfang der Serifa Entwürfe zur Serifa 12 Thesen zur Serifa Die Gruppe der serifenbetonten Schriften Werbemassnahmen zur Serifa Schriftenvergleich

60

Méridien Entwurf der Méridien Le Mariage de Figaro Rhythmus und Proportion Die Vielzahl von Originalen Dualismus der Formen in der Natur Schriftenvergleich

176 OCR-B Weltweite Standardisierung Maschinenlesbare Schriften Zeichenerkennung Formfindung der OCR-B Anwendungen Schriftenvergleich

276 Icone Satztechnische Entwicklung Das Verzerren von Schrift Kreativer Gegenschlag Schriftenvergleich

74

Caractères Lumitype Allgemeines zur Lumitype Klassifikation Lumitype Möglichkeiten der Photon-Lumitype Schriftensortiment Lumitype Geviert und Einheiten

190 Univers IBM  Composer Zusammenarbeit mit IBM Schriftqualität im Schreibsatz Schriftentwurf für den Composer

286 Breughel Schriftentwürfe zur Breughel Bezug zur Jenson Eine digitalisierungsfreundliche Schrift Zeilenabstand einer Schrift Schriftenvergleich

88

Univers Das Konzept Univers Historische Bezüge Univers-Schemata Statische Grotesk Antique Presse und Univad Nichtlateinische Schriften Ausbau der Univers Linotype Univers Univers original versus digital Univers-Adaptionen Frutiger’s Gedanken zur neuen Linotype Univers Schriftenvergleich

118 Egyptienne F Eine neue Fotosatzschrift Herleitung der Egyptian Problematik des Fotosatzes Ausbau und Adaption zur Egyptienne F Formale Unterschiede der Versionen Qualität einer etwas untypischen Schrift Schriftenvergleich 130 Opéra Das Entstehen der Opéra Formale Besonderheiten

198 Alphabet EDF- GDF Architektur und Schrift 202 Katalog Entwurf einer kräftigen Zeitungsschrift 206 Devanagari / Tamil Schriften indischer Kulturräume Indo-europäische Schrift Die indischen Schriften Die Arbeit an der neuen Deva­na¯­gar¯ı Eine lineare Tamil-Schrift 214 Alpha BP Bessere Futura oder eigenständige Schrift ? 218 Documenta Eine ausgewogenere OCR-Schrift 220 Alphabet Facom Kataloggestaltung und Hausschrift 224 Alphabet Roissy Projekte rund ums Fliegen Lesbarkeit und Schriftwahl Eindeutige Zeichenerkennung Informationstechnologien 230 Alphabet Brancher Eine Schrift, dickflüssig wie Honig

268 Glypha Serifa versus Glypha Unterschiede zur Serifa Schriftenvergleich

296 Dolmen ‹ Delta › und ‹ Dolmen › Bogeneinlauf bei der ‹ Dolmen › Ein weiteres ‹ Dolmen ›-Projekt 302 Tiemann Die Tiemann-Antiqua bei der ‹ Zeit › Die neo-klassizistische Antiqua Schriftenvergleich 308 Versailles Historisch ‹ richtige › Latine Die Gestalt der Bogenenden Latine-Schriften der ITC bei Linotype Bestimmen der Laufweite Schriftenvergleich 318 Linotype Centennial Der Anspruch von Linotype Charakterisierung von Schrift Eine klassizistische Standardschrift 100 Jahre Linotype-Setzmaschine Zwei Designgrössen Schriftenvergleich

330 Avenir Avenir – eine humane lineare Grotesk Studie zur linearen Grotesk Frühe geometrische Serifenlose Neue konstruierte Grotesk New Wave und Techno Herstellung und Vermarktung Schriftenvergleich Avenir Next 346 Westside Das Konsequente in der Westside Die Untergruppe Italienne Schriftenvergleich 352 Vectora Allgemeines zur Vectora American Gothics als Basis Grösse und Wirkung einer Schrift Schriftenvergleich 362 Linotype Didot Die Entstehung der Linotype Didot Designgrössen Die Original-Vorlagen Ornamente und Zierschnitte Schriftenvergleich 370 Herculanum ‹Type before Gutenberg › Historische Betrachtung zur Herculanum Die TBG -Schriftpakete Schriftenvergleich 378 Shiseido Ein Hauch von einer Schrift 380 Frutiger Capitalis Eine weitere römische Schrift Frutiger Capitalis Signs 384 Pompeijana Fortsetzung ‹Type before Gutenberg › Gestaltung der Pompeijana Schriftenvergleich 390 Rusticana ‹Type before Gutenberg › zum Dritten Formänderungen der Strichenden Schriftenvergleich 396 Frutiger Stones / Frutiger Symbols Vom Stein zur Schrift Frutiger Symbols 400 Frutiger Neonscript Eine Neon-Leuchtschrift 402 Nami Ein halbes Jahrhundert bis zur Realisation Schriftenvergleich 408 Synopsis Frutiger-Schriften Schriftklassifikation Formprinzipien Proportionen Strichstärken Formbetrachtungen Satz- und Sonderzeichen Ziffern Kursive

Schriftherstellung  2 4 Handsatz  5 8 Fotosatz Photon-Lumitype  8 6 Maschinensatz Einzelbuchstabenguss  8 7 Fotosatz Monophoto 129 Maschinensatz Zeilenguss 175 Optical Character Recognition OCR 189 Schreibsatz 223 Anreibesatz 233 Fotosatz Linofilm 275 Lichtsatz CRT 317 Lasersatz 361 Digitalsatz

 Signete und Wortmarken 128 1957  –1960 196 1961  –1964 232 1965  –1971 274 1972  –1978 316 1979  –1983 360 1984  –1990 406 1991  – 2008

Anhang 423 Anmerkungen 442 Biografie 442 Auszeichnungen 442 Vorträge 443 Ausstellungen 444 Publikationen von Adrian Frutiger 444 Fachartikel von Adrian Frutiger 445 Filme / Videos 445 Radio-Interviews 446 Publikationen zu Adrian Frutiger’s Werk 446 Fachartikel zu Adrian Frutiger’s Werk 448 Schriften von Adrian Frutiger 448 Schrifthersteller 450 Wirkungsstätten und Personen 450 Zusammenarbeit mit Firmen 452 Bild- und Bildquellenverzeichnis 454 Literaturverzeichnis 458 Dank 459 Impressum

Kurt Weidemann

Adrian Frutiger – Der Maß-Geber

Mit der Erfindung des Handgießinstrumentes durch Gutenberg wurde nichts Geringeres ge­ schaffen als die industrielle Fertigung eines Produktes, des Bleibuchstabens, in beliebiger Zahl bei gleichbleibender Qualität zur Ablösung des Mittelalters durch die Neuzeit. Die Schreib­ meister wurden von den Setzmeistern abgelöst. Nach dieser Erfindung hat es noch mal ein halbes Jahrtausend gedauert, bis der Bleisatz durch den Lichtsatz, durch die lichtgeschwinden­ Übertragungsmedien, verdrängt wurde. Das Endprodukt war immer noch der Buchstabe auf dem Papier. Und eine lichtgeschwinde Auffassungsgabe des Menschen wurde damit nicht mit­ geliefert. Die Gehirnsubstanz blieb nicht weit von Adam und Eva entfernt. Ein a ist ein a und blieb ein a. An der Schwelle zu dieser Halbjahrtausendwende steht auch ein bedeutender Name: Ad­ rian Frutiger. Als Maßnehmer und Maßgeber bei allem, was mit Schrift zusammenhängt. In seiner Diplomarbeit 1951 hat er in neun Holztafeln die Schriften des Abendlandes – von der grie­chischen Lapidarschrift bis zur humanistischen Minuskel und Kursive – Buchstabe neben Buchstabe hineingeschnitten. Schon in dieser Arbeit sah man, dass er den Raum, die Proportion­ und die Ordnung vorbestimmend beherrscht. Damals ist seine Leidenschaft für die Krite­rien der Lesbarkeit und die Schönheit der Form berufsprägend geworden. Während seiner Zeit in Frank­reich entstanden Schriften wie Méridien, Serifa, Iridium und Linotype Centennial, die den Zeitgeist geprägt haben und ihre Gültigkeit bis heute bestätigt bekommen. Um die Jahrhundertmitte begann die Arbeit und die Herausgabe der Schriftfamilie mit dem­ Namen Univers. Eine mit 21 Schnitten geordnete und systematisierte Serie in dieser Form war ein neuer Denkansatz. Vom Plakat bis zum kleinsten Beipackzettel ist jeder Bedarfs- und Anwendungsbereich durch diese 21 Schnitte zu bedienen. Am Anfang jeder von einer hoch­ spezialisierten Berufsgruppe betreuten Drucksache steht die Schriftwahl und ihre Gestaltung. Sowohl für den alten Bleisatz als auch für den Lichtsatz und den Composer bestimmte diese Schrift die Schnittstelle und den Wendepunkt nach dem halben Jahrtausend. Sie ist sowohl Schluss­stein wie auch Grundstein dieses Wendepunktes. Wenn die Überlebensdauer ein wich­ tiges Kriterium für die Kunst ist, dann gehört die Schriftkunst auch dazu. Und insbesondere eine, die keine modischen Auffälligkeiten zeigt und braucht. Bei Adrian Frutiger hat es auch immer einen nahtlosen Übergang zwischen angewandter und freier Kunst gegeben. Die Zeichenvorräte seiner indischen Schrift, seiner Logotypen und Hexagone haben auch in seinen Skulpturen, Reliefs und Holzschnitten eine freie und eigen­ willige Ausprägung gefunden. Sie sind vom gleichen Formsinn und Ausdruckswillen wie seine angewandte Kunst. Alles, was in seinen Arbeiten Form bekommt und annimmt, hat vorher seinen Kenntnisreichtum und seine Denkkraft passiert. Dabei ist Adrian Frutiger immer ein großer Selbst­bescheidener geblieben, der in seiner Werktreue im Dienst an der Schrift und am Wort und in seinem Erfindungsreichtum in Form und Material immer Maß-Geber geworden und geblieben ist.



Vo r wo rt

Adrian Frutiger

Die Schrift ist ein Werkzeug

Im Blei habe ich die Schrift und ihre Fähigkeit, mit immer denselben Lettern die ganze geistige Welt lesbar werden zu lassen, zuerst erlebt. Damit erwachte in mir das Bedürfnis, die bestmö­ gliÂ�che Lesbarkeit zu entwickeln. Schnell kam die Zeit, in der ein Text nicht mehr mit Bleibuch­ staben, sondern durch einen Lichtstrahl gesetzt wurde. Die Aufgabe, die Schriften der alten Meister vom Hoch- in den Flachdruck umzudenken, war für mich die beste Schulung. Als es jeÂ�doch um den Grotesk-Stil ging, hatte ich meine eigene Vorstellung: Es entstand die Â�UniversFaÂ�milie. Die technischen Fortschritte gingen rasch voran. Die elektronische Bildübertragung brachte die groben Treppenstufen und später die Vektorisierung der Umrisse. Für mein Formen­ geÂ�fühl war das eine Leidenszeit. Doch später, mit Kurvenprogramm und LaserÂ�Â�belichÂ�tung, scheint mir, dieser Weg durch die Wüste sei zu Ende gegangen. Andere Aufgaben kamen auf mich zu. Ich wurde mit der OCR-B vor das Problem gestellt, BuchÂ�staben sowohl fürs menschliche Auge als auch für die Maschine lesbar zu gestalten, was sozusagen eine ethische Auseinandersetzung war, die mich anders zu denken lehrte. Mit den SiÂ�gnalisationskonzepten für die Flughäfen und die Métro von Paris habe ich die Schrift auch in grossen Dimensionen erlebt und bearbeitet. Dabei kam ich zur Erkenntnis, dass Lesbarkeit in allen Grössen denselben Gesetzen von Innen- und Zwischenräumen folgt. Als ich angefragt wurde, über die Schriften Indiens nachzudenken, war mein Erstaunen gross über diese neue Welt. Erst als ich begann, die Zeichen zu kalligrafieren und zu zeichnen, entdeckte ich die tief­ liegenÂ�den BeÂ�ziehungen der indo-europäischen Kultur. Sehr bald begriff ich, dass meine Auf­ gabe nur daÂ�rin bestehen konnte, die westliche Erfahrung von 500 Jahren Satz- und Druck­ technik zu übermitteln. Meine indischen Berufsfreunde mussten von da an ihren eigenen Weg finden. Die Entstehung der Lettern, diese fortwährende Vereinfachung des Bildzeichens zum Laut­ Â�zeichen, hat mich stets stark beschäftigt. Vom Zeichen als Ausdruck einer Signatur, einer Marke, vor allem aber als Verschlüsselung im Symbol, war ich immer fasziniert. Dieser Hang zum Buchstaben und zum Zeichen brachte mich in die kommerzielle Welt der Logotypen als FirÂ�menbild. Im Verlaufe meines Berufslebens erlangte ich Wissen und Handfertigkeit. Das ErÂ�rungene und Erlebte an die nächste Generation weiterzugeben, wurde zum Bedürfnis. Im Mai 1968 trat eine geistige Veränderung ein. Die Studenten liessen in ihrer Ungeduld das Hand­ werk Â�beiseite und versuchten, die Probleme mit dem alleinigen Intellekt zu lösen. Ich selber konÂ�nte mich nie mit dem Wort allein, ohne Hände und Werkzeug, ausdrücken. So habe ich mein Vermächtnis in Büchern aufgezeichnet und aufgeschrieben. Auf meinem Berufsweg lernte ich zu verstehen, dass die Schönheit und die Lesbarkeit – und bis zu einem gewissen Grade die Banalität – sehr nahe beieinander liegen: Die gute Schrift ist diejenige, die sich aus dem Bewusstsein des Lesers zurückzieht, um dem Geist des Schreiben­ den und dem Verstehen des Lesenden alleiniges Werkzeug zu sein.

Auszug aus↜: ‹â†œAdrian Frutiger. Denken und Schaffen einer Typographie↜›

Das vorliegende Werk ist aus vielen Gesprächen enstanden, die drei Berufsfreunde in meinem Atelier in Bremgarten bei Bern während zwei Jahren mit mir geführt haben. Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm haben durch ihre subtile, aber auch direkte Art zu fragen und zu diskutieren seit langen Jahren tief versteckte Erinnerungen in mir wach gerufen. Dafür bin ich ihnen dankbar. Wir trafen uns einmal im Monat und besprachen mein Schriftschaffen mit kleinen Ausnahmen in chronologischer Reihenfolge. So durchlief ich quasi nochmals mein gan­ zes BeÂ�Â�rufsleben, begonnen mit der Schule in Zürich über meine Zeit bei Debernyâ•›&↜Peignot bis zur Linotype. Ohne die vielen Gespräche zwischen Fachpersonen, Berufsfreunden und Â�aussenstehenden Beratern wäre dieses Buch nicht entstanden. Mein Dank geht an Heidrun Â�Osterer und Philipp Stamm, an die genannten Berufsfreunde sowie an Silvia Werfel, welche die TransÂ�Â�Â�kripÂ�tionen der Gespräche in gutes Deutsch umwandelte.



Vo r wo r t



Einleitung

Der Weg zum Buch

Dass wir das hier vorliegende Buch verfassen durften, verdanken wir mehreren Umständen und glücklicher Fügung. Als wir im Jahr 1999 vom Verlag Syndor Press angefragt wurden, die Ge­staltung des von Erich Alb geplanten Buches über das Schriftschaffen Adrian Frutiger’s zu übernehmen, fühlten wir uns geehrt und sagten freudig zu, nicht ahnend, was aus diesem Pro­ ­­jekt noch werden sollte – nämlich eine über viele Jahre hinweg lebensprägende Aufgabe. Den Beginn fand das Projekt 1994 an einem Festmahl anlässlich des Linotype-Schriftenwett­ bewerbs, in dessen Verlauf Friedrich Friedl im Gespräch mit Adrian Frutiger diesen aufforderte, seine Berufserinnerungen aufzuschreiben. Dieser tat wie ihm geheissen und der Syndor Press Verlag in Cham, Schweiz, Herausgeber aller Bücher von Adrian Frutiger zwischen 1996 und 2001, nahm die Planung einer mehrbändigen Werkausgabe auf. Deren erster Band, Frutiger’s freies künstlerisches Werk umfassend, erschien 1998 mit dem Titel ‹Formen und Gegenformen›. Der zweite Band, sein Schriftschaffen beinhaltend, war 1999 inhaltlich so weit gediehen, dass wir als Gestal­ter involviert wurden. Während der Entwürfe zum gestalterischen Konzept stellten sich uns mit der vertieften Beschäftigung des Schriftschaffens von Adrian Frutiger viele inhaltliche Fragen. Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm diskutierten und analysierten zwischen 2001 und 2003 in intensiven Gesprächen mit Adrian Frutiger die Herkunft und Entstehung seiner Schriften. Diese Gespräche wurden auf Band aufgezeichnet. Wir begaben uns 2001 auf eine einmonatige Recherchereise durch Frankreich, England und Deutschland, um in Bibliotheken, Museen, An­ ti­quariaten sowie öffentlichen und privaten Sammlungen so viel Material und Informatio­nen wie möglich zu sammeln. Auch suchten wir Personen auf, die mit Adrian Frutiger zusammen arbeiteten oder in Kontakt standen, und vertieften in teilweise langen und eindrücklichen Ge­ sprächen unser Wissen über das Lebenswerk Adrian Frutiger’s. In Diskussionen mit Erich Alb versuchten wir, auf das Buchkonzept Einfluss zu nehmen. Nicht immer gelang dies, aber das Projekt machte Fortschritte – bis zu dem Moment, als der Syn­dor­ Press Verlag Ende 2001 aufgelöst werden musste. Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon viel­ besser mit dem weitreichenden Stoff vertraut und entschieden uns in Absprache mit Erich Alb und Adrian Frutiger, das Buchprojekt auf eigene Faust weiterzuführen. Die gesammelten Berufsunterlagen von Adrian Frutiger wurden vom Syndor Press Verlag in unser Büro nach Basel verfrachtet, damit für das Buch jederzeit die Originale zur Konsulta­ tion und Reproduktion zur Verfügung stehen konnten. Um einen Überblick über all das Mate­ rial zu bekommen und es entsprechend den Kapiteln im Buch zu ordnen, begannen wir, die Un­terlagen von Adrian Frutiger wie auch diejenigen, welche wir auf unserer Recherchereise gesammelt hatten, in einer Archivliste zu erfassen. Es stand die Frage im Raum, was mit all dem interessanten und historisch wichtigen Material in der Zukunft passiert. Auch bereitete eine Gruppe von sechs Personen ab Oktober 2002 in vielen Sitzungen während zwei Jahren die Gründung der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie vor, als deren Gründer Ad­ rian Frutiger zeichnet. Parallel dazu arbeiteten wir weiter an dem Buch. Wir begannen grundlegend von vorne, warfen vielVorgedachtes über den Haufen und erarbeiteten das Inhalts- und das Gestaltungskon­ zept komplett neu. Einzig das Buchformat wurde vom ersten Band der ursprünglich geplanten Buch­reihe übernommen. Unser Konzept präsentierten wir Adrian Frutiger, Erich Alb und Rudolf Barmettler. Die Reaktion war sehr positiv, und vor allem Adrian Frutiger war dankbar, dass ‹sein› Werk auf einem so guten Weg war. Die Gründung der Stiftung zog sich hin und brauchte viel Energie und Zeit, weshalb das Buch etwas in den Hintergrund rückte. Aber auch weitere Recherchereisen und Gespräche dräng­­ten sich auf, um die immer präziser werdenden und immer mehr in die Tiefe gehenden Fragen beantworten zu können. Die Firma Linotype öffnete ihr Archiv und übergab uns die noch vorhandenen Original- und Reinzeichnungen von Adrian Frutiger’s Schriften für das Ar­chiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie. Wir stellten Untersuchungen zu Schriftform und Schriftgeschichte an, beurteilten das vorliegende Material immer wieder neu, liessen die Bleisatzschriften Adrian Frutiger’s bei Rainer Gerstenberg in Darmstadt neu 

E i n l eit u n g

giessen und in einer Handsetzerei in Basel zum Alphabet setzen und auf Barytpapier abziehen. Unsere Mitarbeiter haben die Schriften eingescannt und in vielen Stunden für die Abbildung im Buch vorbereitet. Von Linotype neu herausgegebene Schriften Adrian Frutiger’s bewirkten suk­zessive eine Erweiterung des Buchumfangs. Und dann galt es noch, einen Verlag für das Werk zu suchen und den Vertrag vorzubereiten. Immer wieder Fragen und Diskussionen. Viele Ver­zögerungen ergaben sich, viele Klärungen waren nötig – bis hin zu der Frage, wer denn nun Autor dieses Buches sei. Der Begehrlichkeiten gab es viele. Die Fortsetzung der Arbeit am Buch wurde immerhin gesichert, als die Stiftung einen Teil der Kosten übernahm – unser Büro für Gestaltung war schon längst zum Erliegen gekommen. Die Transkriptionen der Gespräche wurden von uns in einem ersten Schritt bearbeitet und an die Fachjournalistin Silvia Werfel weitergegeben, welche die gesprochene Sprache Adrian Fru­ ti­ger’s in einen zusammenhängenden Text übersetzte. Im Sommer 2007 konnte endlich der Ver­lagsvertrag mit Birkhäuser geschlossen werden, und wir begannen, die ergänzenden Texte zu verfassen, in welchen die Schriften Adrian Frutiger’s in ein erweitertes Umfeld von Schriftge­ schichte und zeitgenössischem Schriftschaffen gestellt werden. Die mit der Zeit eintreffenden Texte von Silvia Werfel überarbeiteten und komplettierten wir. Das vorhandene Bildmaterial für die Kapitel war zu diesem Zeitpunkt bereits sondiert, ausgewählt und ins Layout eingebaut worden. Dass das Projekt mit dem nun vorliegenden Buch ein gutes Ende gefunden hat, verdanken wir in erster Linie der grossen Geduld und dem Wohlwollen Adrian Frutiger’s, der alle Kapitel ge­lesen und seine Korrekturen angebracht hat. Des Weiteren danken möchten wir der Stiftung, die unsere Arbeit zwar immer wieder in Frage gestellt, sich aber doch finanziell engagiert hat; der Linotype, in deren Firmenarchiv wir jederzeit uneingeschränkt recherchieren durften, Sil­ via Werfel, welche die Sprache Adrian Frutiger’s subtil erfasst und eine gute Grundlage für die Texte geliefert hat; Erich Alb und Bruno Pfäffli, welche aus zwei ganz verschiedenen Warten das Buch mit hoher Qualität lektoriert haben; den Übersetzern und Lektoren der englischen und französischen Ausgabe, hier besonders Paul Shaw, der die Texte in der bereits auf Englisch übersetzten Version kritisch in Frage gestellt hat und noch die eine oder andere Verbesserung bewirkte; dem Birkhäuser Verlag für seine Wertschätzung und Unterstützung unserer Arbeit und natürlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns trotz geringer Entschädigung engagiert unterstützt haben, die unsere Ideen umgesetzt und eigene Ideen eingebracht haben. Auch die weltweite Unterstützung – sei es mit weiterführenden Informationen und Unterlagen oder moralisch –, die wir immer wieder erfahren durften, hat uns die Kraft gegeben, dieses Werk­ in den drei vorliegenden Sprachausgaben bis zum Schluss weiterzuführen. Zu Adrian Fruti­ger’s 80. Geburtstag im Frühling sollte es herauskommen – wir haben es doch noch bis zum Herbst des selben Jahres geschafft. Basel, im Juli 2008 Heidrun Osterer und Philipp Stamm



E i n l eit u n g



Einleitung

Buchaufbau und Gebrauch

Buchstruktur Das vorliegende Buch ist in die Bereiche Schrift­kapitel, Erklärungen zu den Satztechniken und Sig­netsei­ten ge­ gliedert. Sie sind in chronologische Reihenfolge gebracht. Um das Schriftschaffen Adrian Frutiger’s transpa­rent nachvollziehen zu können, ist für die Abfolge der Schrift­ kapitel der Zeitpunkt des Schriftentwurfs (nicht das Her­ ausgabejahr oder die ­Produk­tion, die in manchen Fällen stark vom Entwurfszeitpunkt abweicht) massge­bend. Da die Entwürfe selten datiert sind und die Kor­res­pondenz nicht immer Auskunft gibt, kann die Reihen­folge in einzel­ nen Fällen nicht abschliessend bestimmt werden. Viele Schriften sind zudem parallel entstanden. Aufbau der Schriftkapitel Der Aufbau innerhalb der Kapitel ist weitgehend chrono­ logisch bestimmt, von der Idee einer Schrift über ihre Ent­­­­stehung bis zur Herausgabe und Vermarktung. Für die Untersuchungen am Ende jedes Kapitels (Mustertext, Schriftvermassung, Schrif­tenvergleich, Höhen­vergleich) kommt die digitalisierte Schrift zum Einsatz, in welcher auch die Figurenverzeichnisse aller vorhandenen Schrift­ schnitte abgebildet sind. Kapiteltitel Nicht in allen Schriften von Adrian Frutiger sind Minus­ keln vorhanden. Um eine optische Kohärenz im Buch zu gewährleisten, werden die Titel der Kapitel in Majuskeln ge­setzt. Kolumnentitel Adrian Frutiger’s Schriften sind den Bereichen Werksatz­ schrift, Akzidenzschrift, Signalisationsschrift, Firmen­ schrift und Schriftentwurf zugeordnet, ersichtlich neben der Seitenzahl. Zusätzlich sind Signete und Wortmarken sowie Schriftherstellung unterschieden. Seiten zu den Satztechniken Viele seiner Schriften hat Adrian Frutiger mit Blick auf die jeweils aktuelle Satztechnik entworfen, begonnen bei der Egyptienne F über die OCR-B bis hin zur Frutiger Neon­ script. Damit auch der mit der Technik nicht so vertraute Leser die Beweggründe Frutiger’s beim Entwurf einer Schrift nachvollziehen kann, werden die wichtigsten Satz­ techniken in diesem Buch kurz vorgestellt. Sie sind je­­nen Schriften vorangestellt, bei denen sie zum ersten Mal re­levant werden. Signetseiten Die zahlreichen Signete und Wortmarken von Adrian Fru­ ­­ti­ger und seiner Mitarbeiter sind sehr schwer zu datie­ren. Vielfach existieren die Firmen nicht mehr oder sie besit­ zen kein Firmenarchiv. Oftmals ist nicht einmal mehr zu eruieren, für wen ein Entwurf angefertigt wurde und ob er reali­siert ist oder nicht. Aus diesem Grund sind die Sig­­nete in unregelmässigen Zeitabständen auf Einzel­ seiten zusammengefasst. Die Einteilung und Angaben sind den Umständen entsprechend so genau wie mög­ lich vorgenommen.

10

E i n l eit u n g

Breite Textspalte Die Texte geben über weite Strecken den originalen Wort­ laut Adrian Frutiger’s aus den Gesprächen mit Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm wieder. Sie sind von den Herausgebern auf die Richtigkeit der genannten Daten, Namen und anderer Sachverhalte bestmöglich ge­prüft und auch mit solchen Informationen er­­gänzt. Zu­ sätzlich sind die Texte bei Bedarf um Zitate Frutiger’s aus anderen Quellen erweitert. Für die in der Ich-Form geschriebenen Texte kommt die Egyptienne F zur Anwendung. Die zum Zeitpunkt der Aus­wahl 2002 ein wenig in Verges­senheit geratene Schrift sollte auf diesem Weg zu neuer Wertschätzung kommen – zwischenzeitlich hat sie sich in der Schweiz jedoch zur beliebten Magazinschrift entwickelt. Schmale Textspalte Die Texte der schmalen Spalte sind in der sachlich geo­ me­trischen Avenir gehalten. Verfasst von den Heraus­ gebern, beleuchten sie die weiteren Zusammenhänge von Fru­ti­ger’s Schriftschaffen in Bezug auf Umfeld, Ent­ stehung und Anwendung seiner Schriften wie auch der Schriftgeschichte und Technik.

Alphabetvergleich Jedes Kapitel enthält zum Vergleich das Figurenverzeich­ nis in der ursprünglichen Schriftform und im digitalen Font. Mustertext  Zur Veranschaulichung des Satzbildes besitzen die di­gi­ tal vorliegenden Schriften je eine Seite mit dreisprachi­ gem Mustertext in verschiedenen Grössen. Die Grössen sind zwischen den Kapiteln optisch angeglichen. In Lauf­ weite und Zeilenabstand sind sie individuell aufeinan­der abgestimmt. Die jeweiligen Angaben dazu befin­den sich unterhalb des Satzmusters. Schriftvermassung Bei Schriften mit mehreren Schriftschnitten werden die Proportionen von Höhe zu Breite des normalen Schnitts sowie die Fetten und Lagen angegeben. Für die Berech­ nung der Proportionen wird bei der Versalhöhe ein fester Wert von 10 cm angenommen. Vermasst werden die Buch­ stabenproportionen von H n o und auch die Stärken von vertikalen zu horizontalen Strichen. Schriftenvergleich Beim Schriftenvergleich, welcher jeweils eine Schrift von Adrian Fruti­ger mit zwei verwandten Schriften anderer Gestalter in Ver­gleich stellt, erfolgt die Auswahl zum einen nach ge­meinsamen Merk­malen von Anmutung und Form und zum anderen nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung. Dabei spielt die Druckschrif­tenklassifikation nicht immer eine Rolle. Wesentliche formale Unterschiede der Schrif­ ten Adrian Fruti­ger’s zu den anderen Schriften wer­den anhand von aus­gewähl­ten Zeichen aufgezeigt. Höhenvergleich  In umfangreicheren Kapiteln bekommen die Schriftenver­ gleiche einen Höhenvergleich zur Seite gestellt. Für die Ver­massung der Schrifthöhen (rote Zahlen) wird die Schrift auf eine Versalhöhe von 1 cm gebracht. Zusätzlich wird das proportionale Verhält­nis von Ober- und Unterlän­ ge­ zur x-Höhe angegeben (schwarze Zahlen).

Beruflicher Weg

Adrian Frutiger’s Lehrer und Förderer

Aufgreifen

Am 24. Mai 1928 in Unterseen bei Interlaken (Schweiz) geboren, wächst Adrian Frutiger als zweit­jüngstes Kind zusam­men mit seinen Geschwistern Charlotte, Roland und Erich auf. ­Seine Mutter Johanna, Tochter eines Bäckers / Konditors, zieht die Kinder auf und führt den Haus­halt. Sein Vater Johann, Sohn eines Zimmermanns, hat zu dieser Zeit eine Anstellung in einem Tuchgeschäft in Unterseen.1 Der Ort liegt, von Interlaken durch die Aare getrennt, im Talboden zwischen dem Brienzersee im Osten und dem Thunersee im Wes­ten. Gegen Süden richtet sich der Blick auf das imposante Bergpanorama der Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau und gegen Norden begrenzen die Voralpen den Horizont. Die weite Welt ist fern und mit dem mondänen Interlaken doch sehr nah. 1934 eröffnet der Vater dort eine kleine Handweberei, die Oberländer Webstube, worauf die Familie in den Kurort zieht. Das Wohnhaus liegt direkt an den Bahngleisen. Hinter dem Haus ist das Gaswerk mit Kohlensilos und Hängekränen zu sehen, und in kurzer Entfernung befindet sich die Talstation einer Drahtseilbahn. Aus dem Fenster beobachtet Adrian Frutiger gerne die Szenerie. Im Nachhin­ein empfindet er den täglichen Kontakt mit mechanischen Vorgängen, seine intensive Beschäftigung mit einer Modelldampfmaschine und das früh geweckte Interesse für Elek­trizität als eine natürliche Schulung. Auch die vom Vater erworbene, einfache Jacquard-Maschine, welche auf dem Webstuhl aufgebaut das halbautomatische Weben ermöglicht, weckt sein Interesse. Mit Hilfe von selbst gemachten Lochkarten können die vom Vater über Jahre hinweg gesammelten Webmuster viel leichter gewoben werden. Umbenannt in Frutiger Heimtextil wird das Geschäft vom jüngeren Bruder Erich bis 2006 weitergeführt. Mitte der 1980er Jahre gestaltet Adrian Frutiger für den Familien­ betrieb das Signet /01/, eines von rund hundert Signeten und Wortmarken. 1935 beginnt seine Schulzeit. Während der ersten Jahre löst dies bei ihm keine Begeisterung aus. Mit der Pubertät geht jedoch eine Veränderung in ihm vor: Er bekommt Freude am Lesen, Zeichnen und Malen. Besonders fesseln ihn die mit Federzeichnungen illustrierten Jugendbücher von Ernst Eberhard. Eine dieser Geschichten handelt von einem Knaben, der durch seine Hilfsbereitschaft zu einer grösseren Erbschaft kommt, was ihm den Besuch der Kunstgewerbeschule in Bern ermöglicht, und sie endet mit dessen Abreise nach Italien, um dort das Studium fortzusetzen. Diese Geschichte fasziniert Adrian Frutiger so stark, dass er an­ Ernst Eberhard schreibt, der in Unter­seen lebt und als Sekundarlehrer arbeitet. Der Antwortbrief mit einer Einladung zu einem Besuch ist in einer für Adrian Frutiger wunderbaren Handschrift geschrieben, welche er in der Folge zu imitieren beginnt. Eberhard rät ihm, beim Zeichnen die Natur genauer zu beobachten. Bei den jährlichen Besuchen erhält Adrian Frutiger eine kriti­sche Auseinandersetzung zu seinen Zeichnungen. Dieser väterliche Freund wird sein erster Förderer. 1948, als sich Adrian Frutiger während seiner Lehre mit den Kirchen am Thuner­ see beschäftigt, entsteht zudem eine tiefe Freundschaft zu seinem früheren Primarlehrer Franz Knuchel und seiner Frau Leny. Von ihnen an­geregt, liest er klassische Literatur. Besonders die Werke von Hermann Hesse ‹Der Steppenwolf›, ‹Narziss und Goldmund› sowie ‹Das Glasperlen­ spiel› hinterlassen einen starken Eindruck bei ihm. Schon als Jugendlicher verspürt er ein Verlangen nach Weite und Ferne, doch immer bleibt ihm auch die Heimat wichtig. So gestaltet er später, seit bald zwanzig Jahren in Paris lebend, zum Beispiel im Auftrag von Franz Knuchel den Umschlag für das ‹Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee 1971›2. Gegen Ende der Sekundarschule nimmt Adrian Frutiger’s Interesse für Schrift konkrete Formen an. Etwas sträubt sich in ihm gegen das strikte Auf und Ab der ‹Hulliger-Schrift› /02/. Diese vom Basler Lehrer Paul Hulliger entwickelte Schulschrift wird 1926 an den Basler Schulen und 1936 in zehn Kantonen der Schweiz eingeführt. Sie ist eine Reformation der deutschen Schulschrift von Ludwig Sütterlin. Adrian Frutiger richtet die verbundene, nach rechts geneig­ te­ Schrift auf und gestaltet seine Handschrift nach dem Vorbild von Ernst Eberhard runder und fliessender /03/. Im Alter von 15 Jahren ist der Berufswunsch gefasst, doch der Vater spricht sich gegen den ‹Hungerberuf› eines Kunstmalers aus. Für ein Studium ist auch kaum Geld vorhanden. Es entspricht dem damals weit verbreiteten Sicherheitsdenken, als der Vater sagt: «Zuerst lernst du einen Beruf, danach kannst du machen, was du willst.» 3 Da Adrian Frutiger sein Taschen12

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Signet für Frutiger Heimtextil – um 1985 von Adrian Frutiger für die Weberei und das Tuch­geschäft der Familie entworfen.

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Die 1926 vom Basler Lehrer Paul Hulliger eingeführte Schulschrift erlernt Adrian Frutiger in der Sekundarschule in Interlaken.

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Adrian Frutiger’s Handschrift im Alter von 13 (oben) und 15 (unten) – sie ist aufrechter, runder und fliessender geworden (verkleinert).

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‹Die Kirchen am Thunersee› – Einband und Doppelseite von Adrian Frutiger’s Abschlussarbeit der Schriftsetzerlehre 1948.

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geld als Ausläufer der Confiserie Deuschle in Interlaken aufbessert, ist es ein nahe liegender Gedanke, den Inhaber um eine Lehrstelle anzufragen. Doch Ernst Eberhard überzeugt ihn, einen mehr künstlerischen Beruf zu erlernen. Adrian Frutiger bewirbt sich bei Ernst Jordi, einem Freund von Ernst Eberhard und Leiter der Offizin Otto Schlaefli, Buch- und Kunstdrucke­ rei AG in Interlaken. Zwar hat die Offizin bereits einen anderen Schriftsetzerlehrling, der Klein­ ­betrieb macht aber eine Ausnahme und nimmt ihn auf. Einerseits zeugt es von einer gewissen Normalität in der kriegsverschonten Schweiz, dass sich der 15-Jährige mitten im Zweiten Weltkrieg für die Schriftsetzer- und gegen die bereits zugesprochene Kondi­torlehre entscheiden kann. Andererseits ist die Ausnahme gerade auch da­durch bedingt, dass der Kriegsdienst einen Mangel an Arbeitskräften hervorruft. Mit Begeisterung sagt Adrian Frutiger zu, doch auch diesmal stösst er bei seinem Vater auf heftigen Widerstand. Für ihn gehören alle Druckerei­ arbeiter zu den ‹Sozialisten›. Während der vierjährigen Schriftsetzerlehre von 1944 bis 1948 besucht Adrian Frutiger die Gewerbeschule in Bern. Auf Empfehlung der Schulleitung gewährt ihm die Lehrfirma einen zusätzlichen Schultag pro Woche für den Besuch des Zeichen- und Holzschneide-Unterrichts. Aufgefallen ist Adrian Frutiger «durch seine ernsthafte Arbeit, seine ungewöhnliche schöpferische Anlage und seine ausserordentliche Initia­tive».4 Sein Fachlehrer für Typografie heisst Walter Zerbe. Bekannt wird dieser vor allem durch das gemeinsam mit Leo Davidshofer verfass­ te­ Buch ‹Satztechnik und Gestaltung› /05/. Es ist das Schweizerische Fach- und Lehr­buch für Schriftsetzer, 1945 herausgegeben und verlegt durch den Bildungsverband Schweize­rischer Buchdrucker.5 Bereits während der Lehrzeit realisiert Adrian Frutiger selbst zwei Publikationen. Im vier­­­ten Lehrjahr entsteht an der Gewerbeschule in Bern das Buch ‹Die Rede des jungen Hediger›.6­ Im Frühling 1948 stellt er zudem als Abschlussarbeit der Schriftsetzerlehre ‹Die Kirchen am Thunersee› /04/ vor. Der Druckereileiter Ernst Jordi schreibt das Geleit­wort: «Das vor­­liegende Werklein ist vor allem als eine selbständige Arbeit in Wort und Gestaltung – gleichsam als Gesellenstück – unse­res jungen Freundes und Mitarbeiters, Adrian Frutiger, zu werten. Auf Fahrten und Wanderungen hat er sich den heimeligen und zugleich schönsten Bauwerken unse­rer engeren Heimat, den Kirchen am Thunersee, zugewandt. Mit viel Liebe und Fleiß hat er sie gezeichnet, in Holz geschnitten und sich in der Folge auch mit deren Geschichte vertraut gemacht. Es erfüllte uns mit Freude und Stolz, dem Werden dieses Bändchens beizuwohnen und der Drucklegung den Weg ebnen zu helfen. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß dem jungen Werkmann daraus eine erste Stufe erwachsen möge, auf der er weitere aufbauen kann, um sich allmählich ins Reich der Künste emporzuschwingen. Daß es ihm gelinge, dies hohe Ziel zu erreichen, wünsche ich ihm von Herzen. Gott grüß die Kunst!»7 Gesetzt ist das Buch im Handsatz aus Rudolf und Paul Koch’s Fraktur-Schrift Claudius 8. Unter Verwendung von ­Adrian Frutiger’s zwölf Holzschnitten wird es in einer Auflage von 1000 Exemplaren gedruckt, von denen 25 als bibliophile Ausgaben in Leinen gebunden, nummeriert und von Hand koloriert sind. Den Titel hat Adrian Frutiger zudem selbst kalligrafiert.9 Nach dem erfolgreichen Abschluss der Schriftsetzerlehre nimmt Adrian Frutiger für ein halbes Jahr eine Anstellung als Handsetzer bei der Grossdruckerei Gebr. Fretz AG in Zürich an. Sein Ziel ist jedoch der Eintritt in die Kunstgewerbeschule in Zürich.

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Lehrbuch für Schriftsetzer von 1945 mitverfasst von Walter Zerbe, Adrian Frutiger’s Fachlehrer an der Gewerbeschule in Bern.

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Weidenzweig von Adrian Frutiger 1949 in der Tradition des chinesischen und japanischen Langholzschnitts.

Anreichern

Bald 21-jährig beginnt Adrian Frutiger im Frühjahr 1949 mit der Weiterbildung. Nach Max B. Kämpf 10 ist Adrian Frutiger der zweite Schüler, der sich zum Schriftgrafiker ausbilden lässt. Ein anderer ehemaliger Zürcher Schüler und späterer Schriftentwerfer ist Hans Eduard ­Meier, von dem 1968 die Syntax-­Antiqua veröffentlicht wird. Adrian Frutiger nimmt in der Woche an mehreren Schriftkursen von Alfred Willimann teil. Nach einiger Zeit bittet er um eine Änderung des Stundenplans, damit er auch Walter Käch’s Unterricht bei den Schriftenmalern besuchen kann. Daneben belegt er verschiedene Zeichenfächer wie Gegenstands-, figür­liches und perspek­ tivisches Zeichnen. Doch am meisten spricht ihn das Pflanzenzeichnen und Holzschneiden bei 14

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Lapidarschrift – 1949 von Adrian Frutiger während seiner Weiter­bildung zum Schrift­gestalter in Zürich in Stein graviert.

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Antiqua von Nicolas Jenson um 1470 – die Gleichmässigkeit des Schriftbildes ist für Adrian Frutiger ein Vorbild.

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Karl Schmid an /06/. Im Herbst 1949 beginnt Adrian Frutiger Lapidarschriften in heimische, von der Sihl geschliffene Kieselsteine zu gravieren /07/. Adrian Frutiger’s Lehrer für Schriftschreiben, Alfred Willimann, ist Bildhauer, Grafiker und Typograf und seit 1930 Lehrer für Zeichnen und Schrift an der Kunstgewerbeschule Zürich. Er ist zudem massgeblich am Unterricht der berühmten Fachklasse für Fotografie von Hans Finsler beteiligt.11 Als Gestalter ist Alfred Willimann Autodidakt.Aus familiären und finanziellen­ Grün­den kann er nur ein Jahr an der Kunstgewerbeschule in Zürich lernen. Über Alfred Willi­ mann /09/ schreibt Adrian Frutiger in seinen Aufzeichnungen: «Als ich mich Alfred Willi­mann mit meinem Kirchenbüchlein vorstellte, empfing er mich mit einem gutmüti­gen Lächeln und sagte so etwas wie: Du bist ja von der alten Schriftsetzergilde und den Bildlimachern bereits verdorben. Damit ließ er mich einige Wochen sitzen … Ich folgte ihm trotzdem in alle vier Vor­ bereitungsklassen, welche je vier Stunden Schriftschreiben als Pflichtfach hatten. Ich hörte ihm zu und sah ihm über die Schulter, wenn er am Schülerpult den andern das Schriftschreiben­ erklärte. Ich bekam dabei mit Staunen Einblick in eine ganz neue Welt des Schriftverständnis­ ses,­ grundverschieden von dem, was ich in der Berufsschule als Setzerlehrling mitbekommen hatte. Ich verbrachte die erste Zeit in Zürich wie in einem Irrgarten. Alles, was ich als Setzer und Holzschneider gelernt hatte, schien mir so armselig und naiv, volkstümelnd und ein wenig kitschig zu sein. Der erste Empfang Willimanns hatte mich in meinem jungen Berufsstolz gekränkt; ich habe später begriffen, daß er mich mit Absicht vor den Kopf stoßen wollte, um mich von Anfang an aufzurütteln.»12 Alfred Willimann’s Lehre baut auf der Schrift­geschichte auf, die er anhand von Beispielen erläutert. Er schreibt die historischen Schriften mit flach gehal­tener Kreide, die Breitfeder imitierend, an die Wandtafel und erklärt anschliessend die Federhaltung, die Strichführung und den Rhythmus der verschiede­nen Schriftbeispiele. Für ihn bedeutet Schriftschreiben eine Art von zweidimensionaler Archi­tektur, wie Frutiger sagt. Nicht schwarz auftragen, sondern weiss zudecken, um das Licht des ­weissen Blattes aktiv werden zu lassen, ist für Alfred Willimann die Wesensart des Schriftschrei­bens. Das Licht, das Weiss von Innenraum und Zwischenraum, wird in der Folge ein wich­tiger Aspekt des gesamten Schriftschaffens von Adrian Frutiger. Ebenfalls im Schrift­unterricht bei Willimann lernt er die Qualität des Abstrichs verstehen. Damit dieser Spannung und Leben erhält, muss beim Schreiben mit der Breitfeder zu Beginn und am Ende Druck gegeben werden, ohne dass die Strichenden Plattfüsse bilden /12/. Die so entstehende Taillierung des Abstrichs findet sich in einigen Schriften und Schriftentwürfen von Adrian Frutiger. Anders als Alfred Willimann kann Walter Käch /13/ eine mehrjährige Ausbildung zum Gra­ ­fiker an der Kunstgewerbeschule Zürich absolvieren. Gegen Ende seiner Lehrzeit im Jahr 1920 unterrichten in Zürich drei der grössten europäischen Persönlichkeiten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts den entscheidenden Umbruch in der Schriftausbildung mitbewirkt haben. Ein einmaliger Glücksfall für Walter Käch, denn Fritz Helmut Ehmcke, Rudolf von Larisch und Anna Simons sind nur für etwa ein Jahr in Zürich. Anna Simons, der ehemaligen Schülerin von Edward Johnston, ist es zu verdanken, dass dessen fundamentales Buch ‹Writing and Illumi­ na­ting and Lettering›13 von 1906 ins Deutsche übersetzt vorliegt. 1910 erscheint das Buch unter dem Titel ‹Schreibschrift, Zierschrift & angewandte Schrift›14. Auch vom Österreicher Rudolf von Larisch stammen mehrere Fachbücher, unter anderem das Standardwerk ‹Unterricht in ornamentaler Schrift›15 von 1905. Der Titel bezeichnet treffend Larisch’s Ansatz, die Schrift als Möglichkeit des grafischen Ausdrucks zu verstehen, während Edward Johnston und Anna Simons beim Schriftschreiben den Aspekt der Leseschrift stärker gewichten. Der Grafiker und Schriftentwerfer Fritz Helmut Ehmcke, wie Anna Simons aus Deutschland, ist ebenfalls als Fachautor bekannt: 1911 veröffentlicht er die Publikation ‹Ziele des Schriftunterrichts›16. Nach dem Ende des Studiums 1921 begleitet Walter Käch als Assistent Fritz Helmut Ehmcke an die Kunstgewerbeschule in München und bleibt für ein Jahr. Von 1940 bis 1967 ist er in Zürich Lehrer für Schrift.17 Auch er veröffentlicht in der Folge Standardwerke der Schriftgestaltung: 1949, zur Zeit von Adrian Frutiger’s Weiterbildung, erscheint das Ringbuch ‹Schriften Lettering Ecritures› /17/ und 1956 ‹Rhythmus und Proportion in der Schrift› /14/.18 16

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Alfred Willimann, Adrian Frutiger’s Lehrer für Schriftgeschichte und Schriftschreiben an der Kunstgewerbe­ schule in Zürich.

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Wortmarken von Alfred Willimann für Bauschreiner Karl Steiner (oben), für Lignoplast (Mitte) und für die Lack- und Farbenfabrik Gromalto (unten).

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Plakattitel von Alfred Willimann zu einer Ausstellung über römische Porträtplastik im Kunsthaus Zürich, gestaltet 1953 in Lapidarform.

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Anweisungen für richtiges Schrift-­ schreiben von Alfred Willimann aus dem Schriftunterricht an der Kunstgewerbeschule in Zürich. a d ria n F ru t iger

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Walter Käch unterteilt den Textteil seines früheren Buches in die Kapitel geschriebene Schrift und gezeichnete Schrift. Bei den gezeichneten Schriften zeigt er zur Veranschaulichung Beispiele in Umrissdarstellung. Zum Vorbild Capitalis Monumentalis stellt er die mit richtig beziehungsweise mit falsch bezeichnete Groteskform in Vergleich /16/. Viele der aufgeführten Formprinzipien nimmt Adrian Frutiger auf. Sie prägen seinen Formenkanon. Auch in Bezug auf die optischen Gesetzmässigkeiten in den Buchstabenformen greift er auf die Erkenntnisse seiner Lehrer zurück, er verfeinert diese jedoch bereits ab 1953 bei der Univers. Nicht immer ist Adrian Frutiger mit Walter Käch gleicher Meinung: «Ein Grund zu Auseinandersetzungen war die Konzeption des Rhythmus in einer Schriftzeile. Ich versuchte, auf einer Vergrösserung der Antiqua von Nicolas Jenson nachzuweisen, daß die Innenräume (Punzen) der Kleinbuchstaben in ihrer Breite identisch sind mit den Räumen zwischen den Buchstaben. Es schien mir, daß Jenson (wie auch Gutenberg) das Gitterschema der Textur als Grundstruktur genommen hat. Damit war Käch nicht einverstanden. Er lehrte, die Zwischenräume enger zu halten, was bestimmt berechtigt ist für das Beschriften. Mein Anliegen war jedoch die Leseschrift. Ich habe später alle meine Serifenschriften nach diesem Konzept gezeichnet, um Unebenheiten im Lesefluß zu vermeiden.»19 Frutiger’s Wertschätzung für die in Venedig um 1470 von Nicolas Jenson geschnittene Antiqua /08/ entsteht im Unterricht von Alfred Willimann. Es ist die Regel­ mässigkeit des Schriftbilds, welche für Adrian Frutiger vorbildlich ist, und nicht die einzelnen Buchstabenformen. Die Qualität liegt im Zusammenspiel von Form und Gegenform. «Die Buchstaben sollen wie Glieder einer Kette an­­ein­andergereiht stehen.» 20 Über die Schriftgestalt hätten seine beiden Lehrer an der Kunst­­gewer­be­schule in Zürich unterschiedliche Auffas­sungen vertreten, sagt Adrian Frutiger. Beide finden jedoch ihre Grundlage in der Schriftgeschichte. Alfred Willimann gestaltet seine Wortmarken und Schrifttitel oft in einer linearen Groteskform /10/. Sein historischer Bezug ist die Lapidar der griechischen und römischen Antike des 5. bis 2. Jahrhunderts vor Christus, basierend auf den Grundformen Kreis, Quadrat, Dreieck und Doppelquadrat /11/. Eine ganz andere Richtung der Grotesk vertritt Walter Käch in seinem Schriftunterricht. Er greift auf die römische ­Unziale und Halb­unziale des 4. und 5. Jahrhunderts nach Christus zurück, deren Buchstaben in den Breiten ein angeglichenes Prinzip aufweisen /15/. Diese Angleichung in den Proportionen findet sich wieder in den Groteskschriften des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel in der Akzidenz Grotesk. Walter Käch definiert als Prinzip das Gleichmass der Buchstaben im Raster. Stilis­tisch handelt es sich um statische Schriften mit den Grundformen Rechteck, Oval und Dreieck. Der Strichkontrast ist in diesen Schriften ausgeprägter als bei der Lapidarform. Und wie bei der mit flacher Federhaltung geschriebenen Unziale schliessen die Bogen die Form. Dabei sind die Bogenenden bei Walter Käch’s Schriftzeichnungen horizontal geschnitten /17/, was eine Neue­rung gegenüber den meisten bestehenden Grotesk-Schriften darstellt. Es ist ein Merkmal, das wir auch in Adrian Frutiger’s Groteskentwurf /19/, den er bei Walter Käch in den Jahren 1950–51 zeichnet, wiederfinden. Der Entwurf bildet 1953 bei Deberny &  Peignot in Paris die Basis für das Schriftkonzept Univers. «In meinem Kopf war immer der Plan der Gesamt­heit, von Beginn an. Dies fing schon bei Käch an. Schon Käch lehrte uns an die Schriftfamilie zu denken.»21 Adrian Fruti­ ger­ führt bei seiner ersten Groteskschrift Walter Käch’s Richtung fort. Er verändert und ver­ fei­nert die Schrift aber wesentlich, auch durch Emil Ruder’s Vorschlag, die Punzen zu öffnen.­ Bei der Concorde, seiner zweiten Grotesk, welche er zusammen mit André Gürtler 1961–64 ent­ wirft, weisen die differierenden Buchstabenproportionen eher in Richtung von Alfred Willi­ mann’s Schriftverständnis. Seine Weiterbildung an der Kunstgewerbeschule in Zürich beendet Adrian Frutiger mit der Ab­schluss­arbeit, an welcher er etwa ein Jahr arbeitet. Er nimmt sich der ­Schriftgeschichte an und schneidet 15 historische Schriftformen spiegelverkehrt in 9 Holztafeln /18/. Damit die Betonungen in den Buchstaben an die richtigen Stellen zu liegen kommen, kalligrafiert er die Schriften in gewohnter Schreibweise mit wasserlöslicher Farbe auf gut geleimtes Papier, fixiert dieses auf den Buchenholztafeln und überträgt das Schriftbild durch Anpressen in der Kupfer­ druckpresse. 1951 wird seine Abschlussarbeit mit dem Titel ‹Schrift Ecriture Lettering›22 /17/ 18

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Walter Käch, Adrian Frutiger’s Lehrer für Schriftzeichnen an der Kunst­ gewerbeschule in Zürich, beim Abrieb einer Capitalis Monumentalis.

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Walter Käch’s Lehrbuch ‹Rhythmus und Proportion› von 1956 beinhaltet Untersuchungen zur römischen Capitalis Monumentalis.

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Die Unziale mit gerader Federlage geschrieben, bildet bei Walter Käch eine wesentliche Grundlage für die Gestaltung der Groteskform.

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Anleitung aus ‹Schriften Lettering Ecritures› von Walter Käch – das Vorbild für die richtige Schriftform ist die römische Capitalis.

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Innenseiten mit gezeichneter Grotesk und Einband von Walter Käch’s Buch ‹Schriften Lettering Écritures› aus dem Jahr 1949.



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und mit einem kurzen dreisprachigen Text von Alfred Willimann vom Bildungsverband Schweizerischer Buchdrucker in Zürich veröffentlicht. Der als Leporello produzierte Druck bildet die zweite Stufe – um das Bild von Ernst Jordi auf­zugreifen –, auf die Adrian Frutiger in der ­Folge aufbauen kann. Die Diplomarbeit ermöglicht ihm den Schritt in die Ferne – nach Paris. Die Broschüre sendet er an bekannte Fachleute und zur Bewerbung an mehrere Schriftgiessereien in Europa. Von Charles Peignot, dem Inhaber der Fonderies Deberny &  Peignot in Paris erhält er eine Anstellung für ein Jahr. Vom Gedanke Peignot’s, dass dieser einen Schriftgestalter für die künftige Mitwirkung bei der neuen Fotosetzmaschine Lumitype benötigt, ahnt Adrian Frutiger zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Schliesslich werden es mehr als acht Jahre bei Deberny &  Peignot und insgesamt vierzig Jahre in Frankreich.

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Emil Ruder, Lehrer für Typografie an der Kunstgewerbeschule Basel und Mentor von Adrian Frutiger, beeinflusst die Gestalt der Univers.

Weitergeben

Im Spätsommer 1952 nimmt der 24-jährige Adrian Frutiger seine Arbeit als Schriftgestalter bei Deberny &  Peignot auf, die eine der renommiertesten Schriftgiessereien in Europa ist. Nach ers­ten realisierten Akzidenzschriften und einigen Schriftentwürfen, die nicht umgesetzt werden, entsteht von 1954 bis 1957 mit der Méridien seine erste bedeutende Werksatzschrift im Latine-Stil. Charles Peignot und dessen Sohn Rémy bringen ihm diesen französischen Schriftstil nahe. Es ist eine sehr intensive Zeit für Adrian Frutiger, einerseits kann er das bisher Gelernte umsetzen und andererseits erfahren sein Wissen und seine Kenntnisse eine stetige Erweiterung durch den Einblick in die Schriftproduktion für den Bleisatz und ab 1954 auch für den Fotosatz. Parallel zu seiner Anstellung bei Deberny &  Peignot beginnt Adrian Frutiger ab 1952 an der­ École Estienne, der Berufsschule für das grafische Gewerbe, zu unter­richten. Der Leiter Robert Ranc, ein Freund von Charles Peignot, engagiert ihn vorerst für einen Abendkurs. Später findet eine Erweiterung des Schriftunterrichts statt, zusätzlich lehrt er nun an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs. Insgesamt sind es eineinhalb Tage pro Woche. Seinen Unterricht gliedert Adrian Frutiger in die drei Teile: Schriftgeschichte und Schreiben historischer Schriftformen, Schriftzeichnen sowie die Lehre der Zeichen und Symbole. Aus dem Unterricht entsteht die von Horst Heiderhoff bearbeitete Trilogie ‹Der Mensch und seine Zeichen›23 /23/. Diese bietet eine elementare Auseinandersetzung mit Zeichen. Im ersten Band 1978 schreibt er: «… daß Zeichen mit nicht geschlossenen Flächen eher abstrakte Emp­fin­dun­gen hervorrufen, hingegen geschlossene, umschriebene Flächen Erinnerungen an Objekte wecken.»24 Zur Ver­deutlichung zeigt er das Kreuz als abstraktestes Zeichen, das keine räumliche Interpretation zulässt. Dem gegenüber steht das Quadrat, welches sich sofort als Darstel­lung eines Innen­ raums oder Kubus anbietet /22/. Seine Erkenntnisse gibt Adrian Frutiger auch in mehreren Büchern weiter, hier sei nur das 1980 erschienene Buch ‹Type Sign Symbol›25 /23/ erwähnt. Dazu kommen unzählige Fachartikel und viele Vorträge, die durch eine leicht verständliche, plaka­ tive Darstellung der Thematik geprägt sind. Dies ist eine Qualität, die ihn auszeichnet. Gleichzeitig findet sich in manchen seiner Bücher eine Simplifizierung, wo Detailgenauig­keit und Tiefe notwendig wären. Internationale Bekanntheit erlangt Adrian Frutiger mit dem Schriftkonzept Univers, das er ab 1953 aus seinem Groteskentwurf /19/ weiterentwickelt. Erstmals überhaupt entsteht eine Schriftfamilie, welche von Anfang an 21 aufeinander abgestimmte Schriftschnitte vorsieht. Ein wichtiger Mentor ist ihm dabei Emil Ruder. Mit dem bekannten Typografen, Lehrer und späte­ ren Direktor der Allgemeinen Gewerbeschule Basel hat er sich bereits während seiner Weiter­ bildung zum Gedankenaustausch und zur kritischen Begutachtung der Arbeiten getroffen. Emil Ruder, ebenfalls ehemaliger Schüler von Käch und Willimann, wird für Adrian Frutiger ein weiterer Förderer und väterlicher Freund. «Sein Einfluss auf meine Arbeit als Schriftzeichner­ ist eindeutig. Bei jeder unserer Begegnungen war er mir Massstab. In Anerkennung und Kritik war er aufbauend, anspornend und immer wieder wegweisend auf diese Linie hin, die er als ­Klassik bezeichnete. Sein Ziel war, das tief Menschliche der Vergangenheit zu respektie­ren, von allzu persönlichen Eigenheiten abzusehen, nach Möglichkeit auf reine Werte hinzuarbeiten, 22

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Wegweisend: ‹TM-Sonder­nummer Univers› 1/ 1961 (oben), Emil Ruder’s ‹Typographie – Ein Gestaltungs­ lehrbuch› von 1967 (unten, Reprint).

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Ungeschlossene Formen wirken abstrakt, geschlossene Formen objekthaft, was für die Gestaltung von Piktogrammen wichtig ist.

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Publikationen zur Zeichenlehre, zum gestalterischen Schaffen und zum künstlerischen Schaffen von Adrian Frutiger.

die Blei­bendes für die Zukunft in sich tragen. Dies hat Emil Ruder gekonnt und bewirkt, und ich bin ihm dafür unendlich dankbar. Genugtuung und Freude bereitete es mir, wenn er, Jahre nach den Besprechungen meiner ersten Entwürfe, mit den gegossenen Schriften seine typogra­ fi­schen Schöpfungen herausbrachte.»26 Zusammen mit seinen Schülern der Typo­gra­fie­klasse an der Kunstgewerbeschule Basel trägt Emil Ruder viel zum Erfolg der Univers bei. Wesentlichen Anteil daran hat auch Rudolf Hostettler, der Redaktor der Fachzeitschrift ‹Typo­graphi­ sche Monatsblätter›, welche von der Gewerkschaft herausgegeben wird. In der ‹Sonder­nummer Univers› 1/ 1961 wird umfassend über das Schrift­konzept berichtet /21/. Mit dieser Ausgabe wird zudem die Monotype-Version der ­Univers über viele Jahre zur alleinigen Schrift der ‹TM›. Auch sein 1967 veröffentlichtes dreisprachiges Standardwerk ‹Typographie – Ein Gestaltungslehrbuch›27 /21/ setzt Emil Ruder in der Univers. Das Vorwort schreibt Adrian Frutiger. Adrian Frutiger hat seinen schriftgestalterischen Erfahrungsschatz konsequent erweitert.­ Immer ist er in die wesentlichen satztechnischen Erneuerungen involviert, sei es mit der Foto­ setz­maschine Lumitype, für die er klassische Schriften umzeichnet und eigene entwirft, sei es mit der ECMA 28, für die er ab 1963 die computerlesbare Schrift OCR-B entwickelt, sei es beim­ Composersatz von IBM oder ab 1968 bei den verschiedenen digitalen Satzverfahren von Linotype. Aufgaben wie die Entwicklung des Orientierungssystems für den Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle veranlassen den inzwischen 42-Jährigen zur grundsätzlichen Untersuchung­ der Zeichenerkennung. Es entsteht 1970 die Schrift Alphabet Roissy, die zum Qualitätsstandard von Signalisationsschriften wird und 1976 in abgewandelter Form bei Linotype als Frutiger er­­scheint. In Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Herstel­ lern entstehen bis zur Herausgabe des vorliegenden Buches 12 Akzidenzschriften, 27 Werksatz­ ­schriften, 8 Signalisationsschriften und 5 Firmenschriften. Einen wichtigen Bestandteil seines schriftgestalterischen Schaffens bilden auch die nicht realisierten Schriftentwürfe. Die Schriften, insbesondere die Werksatzschriften, von Adrian Frutiger weisen wiederkehrende, für ihn charakteristische Merkmale auf. Es ist das Schriftbild insgesamt, das geprägt ist durch Ausgewogenheit und Gleichmässigkeit. Dazu meint er im Gespräch: «Man kön­n­te das einen Stil, eine persönliche Form-Konvention nennen, die ich schwer umschreiben kann und bei der ich schwer sagen kann, woher sie kommt. Eine Mischung aus der Erziehung der beiden Persönlichkeiten, die ich als Lehrer hatte, und bestimmt ist auch meine Persönlich­keit dazugekommen. Ein Mix. Und ich nenne immer die Chance, dass das Germanische mit dem Lateinischen zusammen eine Mischung und einen ganz persönlichen Ausdruck ergeben hat.»29

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Schriftherstellung

H   andsatz

Initiales Président Seite 26 Initiales Phoebus Seite 38 Ondine Seite 50 Méridien Seite 60 Univers Seite 88 Antique   Presse Seite 102 Serifa Seite 162

Als Johannes Gutenberg um 1455 das Setzen und Drucken mit beweglichen Lettern erfindet (in Korea seit dem 14. Jahrhundert bekannt), revolutio­niert er von Deutschland ausgehend das gesamte Schriftund Druckwesen. Seine Methode zur Herstel­lung der Let­­tern, des Satzes sowie des Druckes werden bis weit ins 19. Jahrhundert hinein kaum verbessert. Es ent­steht ein ganz neuer Wirtschaftszweig, das Druck­ gewer­be, mit wei­terer Arbeitsteilung: Giesse­reien kommen auf, Set­ze­­reien, Druckereien sowie Zu­­lie­­fer­ betriebe, die unter anderem Pressen, Papier, Farben und Werk­­­­zeuge produzieren. Am Anfang der Schriftherstellung steht die Originalzeichnung /01/. Bei Adrian Frutiger’s Arbeitgeber, der französischen Schriftgiesserei Fonderies Deberny & Peignot, wird sie in einer Versalhöhe von zirka 10 cm seitenrichtig mit schwarzer Tusche auf stabilem weissem Kar­ton ­ angefertigt. Je­­des Zeichen bekommt die Breite und Dickte, die es be­­nötigt. Zur Überprüfung von Wir­kung und Qua­li­tät werden die Original­ zeich­nun­gen fotogra­fisch verkleinert und zu Wörtern

zu­­sammengestellt, wobei die Originale so lange mit Deckweiss und Tusche korrigiert werden, bis das ver­ ­­­klei­nerte Ergebnis allen Ansprüchen möglicher Wort­ ­­­kom­binationen genügt. In einem nächsten Arbeitsschritt wird die Matrize, die Mutterform der zu giessenden Lettern, angefertigt, wofür es drei verschiedene Herstellungsverfahren gibt. Bei der ersten Art, der geprägten Matrize, wird die fertige Originalzeichnung fotografisch auf die spätere Buchstabengrösse reduziert, auf eine Zink­­platte ge­ätzt und mithilfe einer transparenten Ge­­­latinefolie seitenverkehrt auf den rohen, an der Stirn­­seite geglätteten Stahlblock übertragen. Die Buch­staben­kontur kann nun von Hand direkt in den Stahl­klotz graviert und das Buchstabenbild mit ­Feilen, Sticheln und Gegenpunzen erhaben ausgearbeitet werden. Zur Prüfung des Buchstabenbildes wird ein Russabzug angefertigt. Der Stahl­buchstabe, Stem­­pel genannt, wird dafür über eine Kerzenflamme ge­­halten, worauf sich am Schriftbild Russ absetzt. Aufgedrückt auf ein Blatt Papier, ergibt sich ein ge-

naues Abbild des Buch­stabens. Ist dieser in Ordnung, folgt das Härten des Stempels. Nun kann er in einen Kupferblock geschlagen werden /04/; das Ergebnis ist die Mutterform der Lettern: die Ma­­trize. Dies ist die älteste Form der Matrizenherstellung. Die zweite Methode, galvanische Matrize genannt, erlaubt das Gravieren des Buch­stabenbildes von Hand in den weniger harten Bleiklotz. Da sich das erhabene Buchstabenbild nun aber nicht in Metall schlagen lässt, wird das so genannte Zeugoriginal in ein galvanisches Nickelbad gehängt, wo sich unter Einsatz von Strom das Nickel an der Buchstabenform absetzt /07/. Die auf diese ­Weise entstehende negative Buchstabenform wird in ­einen Zinkblock eingegossen und wird so zur Matrize für den Guss der Lettern /08/. Beim dritten Verfahren, der gebohrten Matrize, dient eine Messingplatte, auf welcher das Buchstabenbild vergrössert eingraviert ist, als Vorlage /03/. Die Messingplatte (Schablone) wird in den Pantografen ge­ spannt, an dessen anderem Ende sich ein Metallklotz

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Originalzeichung der Univers (schwarze Tusche auf Karton) mit Dicktenlinien für den Handsatz von Debery & Peignot.

Fotografische Vergrösserung der Reinzeichung auf Karton geklebt und nach dieser Kartonschablone gebohrte Messingschablone.

Durch Nachfahren der Messing­ schablone mit dem Pantografen wird vom Buchstabenbild verkleinert die Matrize gebohrt.

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Gebohrter und bearbeiteter Stahl­stempel, geschlagene Kupfer­ matrize roh und justiert, gegossene Buchstaben (v. r. n. l.).

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s ch R I F Ther s t ellu n g

befindet. Wird mit dem Führungsstift in der vertief­ ten Gravur der Schablone entlanggefahren, über­ trägt ein spitzer Bohrer das Buchstabenbild in der vorher am Pantografen eingestellten Grösse auf den Metallklotz. Von einer Schablone werden meist meh­ rere Schriftgrade graviert. Dieses Verfahren ist da­ mals weit verbreitet, weil sehr wirtschaftlich, je­­doch handwerklich mit Kompromissen verbunden. Wie fein der Bohrer auch ist, er erlaubt nicht, rechte oder spitze Winkel bis aufs Äusserste auszubohren. Die­ se müssen von Hand nachbearbeitet werden /06/. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich mit dem Pantografen auch erhabene Buch­staben­bilder (Stem­ ­pel) gravieren lassen, um von diesen mittels Galva­ nisierung Matrizen zu gewinnen. Als Vorlage dienen erhabene Messingschablonen /05/. Sind die Matrizen hergestellt, werden sie justiert, so dass die negative Bildfläche überall die gleiche ­Tiefe aufweist und die Schriftlinie parallel zu den Schmal­ ­seiten des Bleiklötzchens läuft. Es muss bis zu einem Hundertstel Millimeter genau gearbeitet werden,

wobei die Justiernadel als empfindliches Messinstru­ ment wertvolle Hilfe leistet. Nach Fertigstellung der Matrizen kann der Guss der Bleilettern erfolgen. An die Stelle des Handgiess­ apparates treten Mitte des 19.  Jahrhunderts me­­cha­ ni­sche Giess­­­­apparate bis hin zur vollautomatischen Komplett-Giessmaschine, welche die Lettern nicht nur in grosser Geschwindigkeit giesst, sondern auch den Giesszapfen entfernt und alle Flächen glät­­tet. Eine solche Maschine produziert bis zu 40 000 Buch­ staben pro Tag. Schwierig zu giessen und zu setzen sind Überhänge, also Lettern, deren Buchstabenbild über den Bleiklotz hinausragt, denn diese brechen leicht ab. Sie dienen der Un­­ter­­schneidung des Buch­ stabens, damit beim Setzen nicht ein zu grosser Weissraum zum nächsten Buchstaben entsteht. Ins­ besondere bei Kursiven wird dies angewendet, aber auch bei manchen Buchstaben aufrechter Schriften, zum Beispiel T oder f. Die gegossenen Lettern können nun gesetzt werden. Ein Al­­pha­bet für den Handsatz besteht aus knapp

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Bei der erhöhten Schablone wird das Buchstabenbild umfahren und durch Wegfräsen ein Stempel graviert.

Mit dem Pantografen gebohrte Stempel müssen in den Ecken mit dem Stichel von Hand nach­ bearbeitet werden.

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Galvanische Matrize: gebohrter Zeugschnitt (links) und rohe Matrize nach 10-tägigem galva­ nischem Nickelbad (rechts).

Hinter­gossene und justierte Nickelmatrize (links) und gegossene Grosskegelbuchstaben (rechts).



120 Zeichen. In der Regel setzt ein Handsetzer etwa 1500 Zeichen pro Stunde in 10 pt. Bei kleineren Schrift­ graden und komplexen Texten reduziert sich diese Leistung. Schon frühzeitig wird versucht, die Arbeit des Handsetzers zu beschleunigen. Sowohl grosse Setzkästen als auch die zweckmässige An­­ord­nung der ­Fächer nach der Häufigkeit vorkommender Buch­ ­­staben tragen zur Mehrleistung bei. Ferner werden nicht nur Ligaturen gegossen, sondern auch Logo­ typen, das heisst häufig ge­brauch­te Wörter und Sil­­ben auf einen Block. In der Wiener Staatsdruckerei war für ein solches System ein Setzkasten mit 1248 Fächern vorhanden. Zu Gutenberg’s Zeiten brin­­gen es die Set­zer auf eine weit geringere Setzleistung. Mit dessen Typenumfang von etwa 290 Zei­­chen in­­ klusive unterschiedlich breiten Buchstaben und Liga­ ­turen für Buch­sta­ben­paare ist jedoch eine subtilere Stufe der Typografie möglich. Zur Stempelfertigung bei Deberny & Peignot in Paris hat auch Adrian Frutiger einen Artikel verfasst (siehe Seite 99).

sch R I FT h e r ste llu ng

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Schriftname Initiales Président President •

Arbeitgeber Deberny & Peignot 

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1952 | 1954

Satztechnik Handsatz Fotosatz Lumitype | Photon Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Mit viel Tatendrang und einem Rucksack voller Wissen kam ich als junger Mann im Spätsommer 1952 nach Paris. Das war schon ein ordentliches Gepäck, was mir Alfred Willimann und Walter Käch während meiner Zeit an der Kunstgewerbeschule in Zürich mitgegeben haben. Meine Diplom­­arbeit 1 hatte ich an etwa zwölf grosse europäische Schriftgiessereien geschickt. Charles Peignot stellte mich daraufhin ein, ich bekam einen Vertrag für ein Jahr. Als ich bei Deberny &  Peignot anfing, hat die Giesserei zu 80 Prozent von der Futura gelebt, die damals in Frankreich Europe hiess. Es gab auch viele Fantasieschriften, schattierte und um­­stochene. Was fehlte, war eine neue Visitenkartenschrift. Die Verkäufer sagten, eine solche müsse zuerst gemacht werden, weil die alten Kartenschriften abgenützt seien, aber eine der sichersten Anlagen blieben. Gerade kleinere Druckereien hätten dafür immer Bedarf. Zu jener Zeit hiessen die meist aus Versalien bestehenden Kartenschriften in Frankreich ‹Initiales›2. So eine Schrift war das Erste, was ich für Deberny &  Peignot machte. Etwa zehn verschiedene Latines 3 bestanden im Schriftmusterbuch von D &P. Bei meinem Entwurf der Président orien­tierte ich mich an den Latins Larges /09/. Etwas anderes als eine Latine kam nicht in Frage. Ich habe mich ­intensiv damit beschäftigt, denn ich kannte diese Formen noch nicht, fand sie aber faszinierend. Die Latines wurden überwiegend im Akzidenzbereich verwendet, besonders für Briefköpfe und Visitenkarten, aber auch zur Beschriftung von Fassaden /04/. Es wurde auch fast eine Mode, dass Esswarengeschäfte Latines verwendeten /03/. Ihr Vorteil war, dass man sie eng und breit, dick und dünn gravieren oder malen ­konnte. Ähnlich wie die Grotesk-Schrift war sie einfach zu modifizieren. Ent­standen sind die Latines wohl etwa Mitte des 19. Jahrhunderts, als eine Art weichere Didot. Die Serifen waren nicht rechtwinklig angesetzt, sie zeigten eine konkave Wölbung. In der Zeit des Jugendstils gab es zahlreiche Abwandlungen, auch bei D &P, mit sehr viel Firlefanz. Das Minuskel-c verlief beispielsweise mit einem Schwänzchen nach innen, und wo irgend möglich hatten die Buchstaben eingeschwungene Enden /09/. Die Président ist eine Art Remake. Es ging nicht darum, eine stilistisch neue Schrift zu erfinden. Deberny &  Peignot brauchte als Erstes einfach nur eine sauber geschnittene Kartenschrift mit normaler, fast kräftiger Strichstärke. Der Fett-fein-Kontrast der Président ist im Vergleich zu einer Latine allerdings etwas geringer, Visitenkartenschriften brauchen doch eine gewisse Kraft. Charles Peignot liess mich machen, er wünschte sich aber von Anfang an Buchstabenvarianten /22/. Ein Setzer müsse Spielraum haben, sagte er. Peignot wollte ausserdem Ligaturen, hochgestellte Buchstaben für Abkürzungen und Logotypen, also oft verwendete, auf einen Block gegossene Begriffe wie ‹Rue›, ‹Avenue›, ‹Boulevard› oder ‹Place› /01/. Das war etwas ­Neues – es lag ihm wirklich am Herzen, den Setzern die Arbeit zu erleichtern. Zuerst zeichnete ich mit spitzem Bleistift einige Buchstaben auf Transparentpapier, ein H, zwei bis drei Vokale, drei bis vier Konsonanten. Es gab kein ‹OHamburgefons› wie später 26

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Hersteller Schnitte – Deberny & Peignot 1 – Deberny & Peignot | Photon Inc. 1 – D. Stempel AG | Linotype • 1 – Linotype • 1 URW++ • 1

Allgemeines zur Président Bereits mit seinem ersten Alphabet, der Majuskelschrift Initiales Président, schafft Adrian Frutiger ein beständiges und nahezu ausgereif­tes Werk. Der von Charles Peignot gewählte Schriftname ist auch im Vergleich mit anderen Kartenschrif­ten kaum zu hoch gegriffen; so tragen die Kartenschriften der Giesserei Flinsch 4 Namen wie Aristo­krat, Baron, Baronesse, Kavalier und eine Schrift der Haas’schen Schriftgiesserei heisst Chevalier. Formale Ausgangslage der Initiales Président bilden die Latine-Schriften. Frutiger nennt die Latins Larges /09/. Zu er­­wäh­nen gilt es auch die Caractères Antiques Latinés /08/, eine Art Grotesk mit drei­eckig verstärkten Endun­­­ gen. Die Président hat mit dieser den geringen Strichkontrast gemeinsam. In Francis Thibaudeau’s Druckschriftenklassifikation von 1924 /07/ werden die Latines als Unter­gruppe der Elzévirs 5 aufgeführt, welche zu dieser Zeit in Frank­reich ­ge­samthaft für die Renaissance- und Übergangs-Antiqua stehen. Die nach Didot benannten klassizistischen Anti­ qua bilden die zwei­­te der vier Hauptgruppen. Die bei­den weiteren Hauptgruppen ­Egyptienne und Grotesk – Letztere in Frankreich mit Antique 6 bezeichnet – sind neben den Latines die we­­sent­lichen Erneuerungen im Schrift­ schaf­fen des 19. Jahr­­­­hun­derts. Auch in der Illus­tration des Registertitelblattes ‹Latines› im Band 2 des Schriftmusterbuches ‹Spécimen Général› der Fonderies Deberny & Peignot von 1926 ist ‹Elzévirs› genannt.7 Der Verweis auf das gleichnamige Register in Band 1 zeigt wiederum auf, dass die Latine-Schriften als Neue­rung der klassizistischen Antiqua auch eine Rückbesinnung auf das ältere Schriftschaffen darstellen. Die Latines können teilweise im Bestreben der Neo-Renais­ sance-Erneue­­­rungsbewegung 8 gesehen werden, die im 19. Jahrhundert eine Abkehr von der blutleeren, klassizis­ tisch geprägten Buchtypografie forderte. Im deutschsprachi­gen Raum spielen die Latines in den 1940er und 1950er Jahren, zur Zeit der Aus­bildung Fru­ti­ ger’s, keine Rolle mehr. In Frankreich hingegen wa­­ren und blieben sie aktuell. Die Initiales Président, 1954 bei Deberny & Peignot als Akzidenzschrift für Handsatz rea­ lisiert und 1965 auf Lumitype-Fotosatz adaptiert, bleibt denn auch nicht Frutiger’s einzige Latine-Schrift. Heute wird sie von den Schrift­herstellern Linotype als auch von URW++ unter dem Namen President in digita­ler Form vertrieben.

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Innenseiten des vierseitigen Prospektes ‹Le Président› von 1958 mit Mustertext, den erhältlichen Schriftgrössen und einem Anwendungsbeispiel.

Messestand von Deberny & Peignot an der Fachmesse TPG 1956 in Paris – Beschriftung in der Initiales Président.

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Breite, kontrastreiche LatineSchrift aus dem 19. Jahrhundert auf einer Mauer in Paris – ‹Plakatieren verboten›.

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Ende des 19. Jahrhunderts sind Latine-Schriften für Firmen­ beschrif­tungen auf Papier und an Fassaden sehr beliebt.



Pr É s i de nt

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in Deutschland. Die Entwürfe waren ungefähr 24 pt gross. In dieser Grösse konnte ich die Form auf einen Blick kontrollieren. Das wurde meine typische Arbeitsweise. Neben meinem Studio war die Klischeefabrikation, dort gab es auch eine fotografische Repro. Meistens habe ich da angefragt, ob ich meine Skizzen mal schnell in den Vergrösse­rungsapparat schieben könne. Anschliessend habe ich die Formen von Hand nachgezeichnet, mit Tusche auf Karton, und mit weisser Deckfarbe korrigiert. Alles ohne Zirkel. Diese Schwarz-Weiss-Zeichnungen waren mindestens 10 cm gross. Bei kleineren wäre man mit der Hand nicht drumherum gekommen, das wäre zu knifflig gewesen. Es musste ungefähr so gross sein wie ein Apfel oder eine Frucht, dass man richtig daran arbeiten konnte. So hatte ich es bei Walter Käch an der Kunstgewerbe­ schule in Zürich gelernt. Bei der Président liess ich für mich zusätzlich alles wieder auf 24 pt verkleinern und klebte es zusammen, um zu sehen, ob es passt. Dickte, Fleisch und optische Schriftlinie habe ich gleich mitbestimmt, eine Disziplin, die mir ebenfalls Walter Käch beigebracht hatte. Ich lieferte also saubere Zeichnungen für etwa zehn Probebuchstaben, nach denen eine Mes­sing­ schablone für die kleinen bis mittleren und eine für die grossen Schriftgrade graviert wurde. Man hat das unterschiedlich gezeichnet: Die kleinen Grade waren etwas kräftiger gehalten, die grösseren ein wenig dünner. Mit dem Pantograf wurden dann Stahlstempel vorgeschnitten und davon Russabzüge gemacht, die ich gemeinsam mit Marcel Mouchel, dem Leiter der Gravurabteilung, prüfte. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir Fehler noch ausmerzen, denn der Stahl war noch nicht hart. Am Ende wurde der Stempel gehärtet, die Matrize geschlagen, justiert und in die Angussmaschine gegeben. Im Gegensatz zu den deutschen Schriftgiessereien ­wurde in Frankreich noch in Stahl gestochen. In Deutschland ging man damals dazu über, Matrizen

Latines, Runic, Etienne, Renaissance Das Interesse an den Latines – eine Schriftform des 19. Jahrhunderts mit spitzen Serifen – muss bedeutend gewesen sein, treten sie doch nahezu gleichzeitig und in identischer oder zu­ ­mindest äusserst ähnlicher Form in Frankreich, England, Deutsch­land und Holland auf. Das erste Beispiel, ­welches der holländische Schriftenexperte Gerrit W. Ovink fin­det, ist ein Schriftmuster­blatt der Latines grasses 9 von 1854 aus der Schrift­giesserei Laurent & Deberny in Paris. Ein ande­­res frühes Beispiel der­selben Schriftgiesserei zeigt das Buch ‹Nine­teenth Century Ornamented Type­faces› der Britin Nicolete Gray. Es han­delt sich um die Lettres Latines 10 aus dem Jahr 1855; im Schriftmusterbuch ‹Spécimen Général› der Fonderies Deberny & Peignot von 1926 als Initiales Latines Noires bezeichnet. Trotz dieser frühen Nachweise in Paris kann die Herkunft der Latines bis heute nicht eindeutig geklärt werden, zumal das 1926 veröffentlichte ‹Handbuch der Schriftarten›11 eine Schmale Renaissance der Schriftgiesserei W. Woellmer, Berlin, auf 1830 datiert. In Frankreich als Latines bekannt, heissen diese Schriften in England Latin, Antique oder Runic und in Deutschland Etienne, Renaissance oder Latines. Einzige gemeinsame Merk­male der Latine-Schriften sind spitze Serifen /05/ und in den Proportionen angeglichene Zeichenbreiten. An­sons­ten gibt es bedeutende Unterschiede. So können die ­Latines Akzidenz- und Titelsatzschriften sein, aber auch Werksatz­schriften. Ebenfalls stark unterschiedlich

H

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Die Latines können von schmal bis breit und von kontrastreich bis kontrastarm sein (im Verhältnis von Abstrich zu Querstrich). /05/

Serifenformen v.l.n.r. : Renaissance-Antiqua, BarockAntiqua, klassizistische Antiqua und zwei Arten von Latines, mit und ohne gekehlte Serifen.

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Francis Thibaudeau’s Klassifikation der Druckschriften von 1924 führt die Latines als Untergruppe der Elzévir-Schriften auf.

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kann der Strichkontrast ausfallen: sehr ausgeprägt, vergleichbar einer klassizistischen Antiqua, aber auch nur gering, ähnlich einer Grotesk /06/. Während die französischen Latines eigentlich immer ge­ ­kehlte Übergänge vom Stamm zur Serife und nur schwach konkave Serifen aufweisen, sind die Serifen der engli­ schen Runic und Antique meist stark konkav. Dagegen handelt es sich bei den englischen Latins um serifen­be­ tonte Titelsatzschriften mit Dreiecksserifen und flacher Basis. Bekannte Beispiele sind die noch heute erhält­li­ chen ­Latin Condensed und Latin Wide. Leider kann nicht grundsätzlich vom Namen auf die Serifenform geschlossen werden, da eine formale Systema­tik nicht er­­ken­nbar ist. Das gilt auch für Deutschland: So können ­gleicharti­ge oder gar identische Schriften je nach Schrift­gies­serei un­­terschiedlich bezeichnet sein. Im Schriftmusterbuch von Deberny & Peignot,1926, sind neben den Caractères Antiques Latinés /08/ dreizehn mit Latines bezeichnete Schriften aufgeführt. In weib­­­li­cher Pluralform werden sie als Latines, in männ­­­licher als Latins benannt – je nachdem, ob ‹Lettres› bzw. ‹Initiales› oder ‹Caractères› davor steht. Das Spektrum der Latines reicht von mager über normal bis fett und von eng, schmal, normal bis breit. Nur zwei Latines sind geneigt. Im Schriftmusterbuch ‹compo dp› von 1961 ist noch etwa die Hälfte der ursprünglichen Latines vorhanden /09/, dafür sind mit Méridien, Initiales Président,Tiffany 12 /18/, Cristal und Phoebus gleich fünf neue aufgeführt.

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Mögliche Inspirations­quellen für die Président: Caractères Antiques Latinés aus dem zweibändigen Schriftmusterbuch von D & P, 1926, und Latins Larges (unten).

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Ältere, noch aktuelle Latines im Handsatz-Schrift­musterbuch ‹compo dp› von Deberny & Peignot, ca. 1961.



P r É s ident

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Schriften für Karten Bekannte, noch heute erhältliche Kartenschriften sind beispielsweise die Chevalier, 1944 von Emil A. Neukomm; die Monotype Spartan 13, die Cop­ ­perplate Gothic, 1903 von Fre­deric W. Goudy, sowie die Engravers Roman14, 1899 von Robert Wiebking. Kartenschriften ­wollen Würde ausstrahlen, ihre Wirkung soll elegant und seriös sein. Als Inbegriff edelster Schriftund Druckkunst gel­ten die Gravur-Schriften und die im Kupferstich gedruck­­ten Briefbögen und Visitenkarten, von denen nicht wenige zusätzlich mit aufwändiger Prägung versehen sind. An dieser Qua­li­­tät wollen sich die Schriftgies­sereien mes­­sen. Hier­aus resultiert eine Viel­zahl an Kar­ten­­­schrif­ten, die in den Katalo­gen oftmals in sepa­ ratem Register aufgeführt werden. Die Anmutung einer Gravurschrift nimmt Adrian Frutiger mit seinem Entwurf ‹Rhone› /10/ auf. Jedoch wird nicht diese – teils schraffierte – Latine realisiert, sondern die schlich­­tere Président. Typisch für die Kartenschriften im Stile der Latines und Grotesk sind die breite Zeichen­ anlage und der Satz in Versalien und Kapitälchen. Im Prospekt von Deberny & Peignot, ca. 1948 erschienen /18/, werden be­­lieb­­te Englische Schreibschriften wie die Calligraphi­ques noires gezeigt, umstochene oder schraf­ fierte Schrif­­­ten wie die Initiales Typogravure und einige serifenlose, unter anderem die Simples Larges. Einzige Latine-Schrift ist die Initiales Tiffany. Andere Latine-Schrif­ ten ge­­nüg­­­en den dama­li­gen Ansprüchen an eine zeitge­ mässe Kartenschrift anscheinend nicht mehr.

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Frutiger’s Entwurf einer Kartenschrift mit Anlehnung an die schraffierte Schrift Initiales Typogravure – ca. 1952/53.

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Drei Grundformen von Et-Zeichen : Roman-Majuskelform (links), Italic-Majuskelform (Mitte) sowie Italic-Minuskelform (rechts).

Kalligrafische und gezeichnete Et-Form: Aldus 1954 vom Kalligrafen und Schriftgestalter Hermann Zapf (links) – Président (rechts).

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Roman-Majuskel-& der Clearface Gothic 1907 mit formalem Bezug zu Ziffern (links), Italic-Majuskelform bei Goudy Sans 1929 (rechts).

Frutiger schafft sein typisches Et-Zeichen, indem er Strichführung und Punzen anderen alpha­ numerischen Zeichen angleicht.

Die sechsseitige Faltkarte zeigt Anwendungsbeispiele von Akzidenzschriften – Deberny &  Peignot, ca. 1948.

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3B &

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Das Et-Zeichen des Zürcher Lehrers Walter Käch im Vergleich zum Et-Zeichen seines Schülers Adrian Frutiger.

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Im Gegensatz zur Président hat das Et-Zeichen der Univers die Form des Minuskel-t und in der unteren Punze zwei rechte Winkel.

André Gürtler, Frutiger’s Mitarbeiter der 1960er Jahre, gestaltet 1966 zu seiner Egyptienne 505 ein Et-Zeichen basierend auf der Unzial-E-Form.

& & 30

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&

Grundformen des & Das Et-Zeichen, eine Ligatur der Buchstaben e und t, wird in lateinischen Texten anstelle des Wortes ‹et› (und) sowie oftmals auch als Ersatz der Buchstaben e und t innerhalb von Wörtern verwendet. In der deutschen Sprache darf gemäss ‹Duden› das EtZeichen ausschliesslich bei Firmenbezeichnun­gen angewendet werden 15 – was jedoch kaum befolgt wird. Bei den Druckschriften sind drei Grundtypen von & vorherrschend /11/. Die weitaus meisten aufrechten ­Schnit­te haben die ge­­­schlaufte Roman-Majuskelform, bei den kursiven Schnitten gibt es zusätzlich die Italic-Majuskelform und die Italic-Minus­kel­form. Davon existieren selbst­ ver­­ständlich eine Vielzahl von Abwandlungen.16 Von Schriftgestaltern wird immer wieder versucht, eine mehr gezeichnete als geschriebene Form zu schaffen. Diese soll klar und schlicht sein, ähnlich dem Linien­­ver­ lauf und den Punzen von Buchstaben und Ziffern. Eine solche – sich an der geschlauften Form orientieren­de, aber vereinfachte Form – hat zum Beispiel die Clearface Gothic /13/ des Amerikaners Morris Fuller Benton von 1907. Eine Form, welche Frutiger’s Lehrer Walter Käch an der Kunstgewerbeschule in Zürich lehrt /15/. Dage­gen nimmt der Amerikaner Frederic W. Goudy bei der ­Goudy Sans 1929 die Italic-Majuskelform /13/ auf. Auch Adrian Frutiger entwirft sein ­Et-Zeichen in der ­Italic­Majuskelform. Im Gegensatz zu Goudy schliesst er aber die untere Punze und schafft dadurch eine moderne Form – sein charakteristisches Markenzeichen.

zu bohren, auch in den kleineren Graden (zur Herstellung von Matrizen siehe Seite 24 Schrift­ herstellung Handsatz sowie Seite 129 Schriftherstellung Maschinensatz Zeilenguss). Von diesen zehn Grundbuchstaben ausgehend, habe ich das ganze Alphabet gezeichnet. Drei bis vier Monate habe ich acht Stunden täglich gearbeitet, bis alles fertig war, mit fran­ zösischen und nordischen Ligaturen und Akzenten. Die Initiales Président hat nur Versalien und Kapitälchen. Diese wurden im Prinzip von derselben Schablone gefertigt. Es gab zum Bei­ spiel den Schriftgrad 12 pt mit drei Schriftbildgrössen, œil 1, 2 und 3 /21/. Für einen Anfangs­ buch­staben nahm man also 12 pt œil 1 und für die restlichen Buchstaben eines Namens 12 pt œil 2 mit dem kleineren Bild. Kapitälchen einzusetzen war in Frankreich ganz normal und ­üb­lich. Die Kunden bestanden darauf. Schliesslich wurde von den gefertigten Grossbuchstaben ein Probesatz gegossen und daraus einiges gesetzt. Charles Peignot musste natürlich alles absegnen. Über Formen wurde nicht mehr diskutiert, ich hätte nichts aus der Hand gegeben, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, es stimmt. Aber experimentiert habe ich viel, besonders mit dem Et-Zeichen. Die klas­ sische Form hat mir nie zugesagt, in der Bewegung fand ich sie zu kompliziert. Ich wollte, dass alle Zeichen den gleichen Duktus haben /14/, und fand am Ende diese spezielle neue Form. Dem musste Peignot erst zustimmen, denn das Et-Zeichen ist im Französischen besonders wichtig. ‹& Cie› wird immer mit einem Et-Zeichen geschrieben. Ich habe natürlich in Jan Tschichold’s Buch ‹Formenwandlungen der et-Zeichen› nachgesehen, welche Formen es überhaupt gibt. Für mich war das Ganze vor allem eine Frage der Innenformen. Es ging darum, dass die Innen­­ formen jederzeit mit einem B verglichen werden könnten. Ich wollte das & zurückhaltend und eher streng gestalten, während es zum Beispiel für Hermann Zapf, der ja Schriftgestalter und



Pr É s i de nt

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Kalligraf ist und zur selben Zeit wie ich arbeitete, gute Gelegenheit bot, der Fantasie freien Lauf zu lassen /12/. Das H und das O sind optisch etwa so breit wie hoch. Die Ziffern schliesslich sollten den gleichen Duktus wie die Buchstaben haben, nur geringfügig schmaler laufen. Zwischen der Null und dem Versal-O gibt es daher keinen ­grossen Unterschied /34/. Beide sind aus demselben Prinzip heraus entstanden. Ich wollte so viel Weiss­raum wie möglich, deshalb ist die 2 so hoch angesetzt – vielleicht ein bisschen schülerhaft. Das A zeigt durch die grosse Breite deutlich Latine-Einfluss. Das K fällt etwas heraus, es ist anders als bei den Latines /25/. Die Schenkel sind optisch gleichlang und berühren den Stamm nicht. Auch dies ist eine Frage der Innenräume und der Bewegung. Bei mir gibt es nie angesetzte Striche, die wie angeklebt wirken. Es läuft immer aus einem anderen Strich heraus /28/. Vielleicht ist das typisch für die Schule von Alfred Willimann. Für ihn war die griechische Lapidarschrift mit ihren ganz einfachen klaren Formen die einzig wahre Schrift. Mit Schriftgeschichte beschäftigte ich mich zu Beginn aber kaum. Dazu bin ich erst gekommen, als ich etwa zwei Jahre später für die Fotosetzmaschine Lumitype all die klassischen Schriften nachzuzeichnen hatte. Am Ende gab es die Initiales Président in 8, 12, 16, 20 und auch – das war ungewöhnlich, hatte aber kommerzielle Gründe – in 24 pt. Die Grade 8 und 12 pt bestanden jeweils aus œil 1, 2 und 3 /21/. Ein zusätzlicher magerer und fetter Schnitt war hier überflüssig. Es ge­hörten aber Ligaturen dazu wie zum Beispiel LA, und auf meine Bitte hin wurden sogar Überhänge, so ge­ nannte ‹sortes crénées› /22/, für Kombinationen wie etwa VA gegossen, was an­­­sons­ten nur bei kursiven Schriften üblich war. Ich habe das vorgeschlagen, weil ich von Käch und Willimann so erzogen wurde, dass der Zwischenraum zwischen den Buchstaben wichtig, wenn nicht so­

Zusätze zur Président Adrian Frutiger erwähnt im Gespräch 17, dass bei der Initiales Président auf Wunsch von Charles Peignot Alter­nativfiguren geschaffen werden. Er nennt schmale und breite Buchstaben­varianten, zum Beispiel E und U. Wahrscheinlich kommt es nur ­teilweise dazu. Zwar existiert eine alternative V-Form /26/, welche unten rund ist und somit formal zwischen U und V steht. Auch sind im Schriftmusterbuch ‹compo dp› zwei R und O abgebildet; bei der schmalen O-Form handelt es sich aber um die Null /19/. Eigentliche schmale und ­breite Formen sind in der Président nicht enthalten. Hingegen werden auf Block gegossene Wörter in Corps 8 œil 2 und 3 angeboten. Der Prospekt ‹Le Président› von 1958 zeigt die vier Wörter ‹Rue›, ‹Avenue›, ‹Boulevard› und ‹Place›; die Buchstaben AV sind dort sehr stark unter­ schnitten /01/. Im Prospekt ‹Initiales Fantaisies› von 1956 dagegen sind die gleichen vier Wörter viel weniger unter­ ­­schnitten /22/. Möglicherweise handelt es sich dabei um abgesetzte Wörter und nicht um auf Block ge­­­­gos­se­ne. Gut ausgeglichen sind sie weder im einen noch im ande­ ren Prospekt. Die hochgestellten Buchstaben (supérieures) sind in den französischen Drucksachen sehr gebräuchlich /22/. Abkürzungen wie MME MLLE NO ST 1ER und 2EME werden damit gesetzt. Gerade bei Brief­bogen und Visitenkarten gilt es speziell auf eine hervorragende Typografie zu achten, da sie repräsentati­ve Funktion ha­­ben. Insbesondere Lö­ cher reissende Buch­­staben­kombi­na­tionen sind störend.

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Initiales Président aus ‹compo dp› – in der ersten Zeile zwei unter­­­ schied­liche R, in der dritten Zeile zwei unterschiedliche O.

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/21/

Versalien mit viel seitlichem Fleisch sind – für ein besseres Aus­gleichen – auch überhängend gegossen worden.

Das Schriftbild der Schriftgrade 12 und 8 pt (Kegelhöhe) gab es jeweils in den drei Grössen ‹œil 1, 2, 3›.

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D & P lieferte oft benötigte Wörter auf Block gegossen, hoch­gestellte Lettern (supérieures) sowie Versalien mit Überhang (sortes crénées).

c. 12 œil 1

c. 12 œil 2

c. 12 œil 3

HHH

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Das jeweils kleinere Schriftbild ergab innerhalb eines Schrift­ grades die Kapitälchen des nächst grösseren Schriftbildes.

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Lettern mit Überhang (sortes crénées), Buchstaben also, welche breiter sind als der Schriftkegel /20/ sollen dies verhindern. Doch auch hier zeigt das Muster, die Visitenkarte im Prospekt ‹Le Président› /01/, keine ausgeglichenen Wortbilder. Löchrige Buchstabenpaare nur verengt zu setzen genügt nicht, gleichzeitig sind zu eng wirkende Paare zu spationieren, zu erweitern. Die Président ist auf die Kegelstärken Corps 24, 20, 16, 12 und 8 gegossen. Das Schriftbild ist jedoch merklich grösser als gewohnt, da es sich bei der Président um eine Schrift ohne Minuskeln und damit ohne Ober- und Unterlängen handelt. Die Majuskeln füllen daher die gesamte Ausdehnung des Kegels. Bei 12 und 8 pt sind jeweils drei Schriftbilder (œil 1, 2, 3) vorhanden /21/. Ein Verfahren – auch andere Schriftenhersteller nutzen dies bei ihren Kartenschriften –, das ermöglicht, zu den Versalien Kapitälchen und dazu nochmals Kapitälchen zu setzen. Durch die selbe Kegelstärke bei allen drei ‹œil› ist gewährleistet, dass die Grundlinie eingehalten bleibt, ohne zusätzlich Blei unter- und überzulegen /23/. Anwendung findet ‹œil 3› beispielsweise in ‹am› bei Ortsnamen wie ‹Frankfurt am Main›.

gar wichtiger als der Innenraum war. Die Schriftgiesser haben das sofort akzeptiert, nachdem ich ihnen gezeigt hatte, wie unschön es aussieht, wenn ein V ohne Überhang neben einem A steht – das gibt ein riesiges Loch. Natürlich gab es auch ein normal gegossenes V für die anderen Kombinationen. Die Initiales Président wurde in Frankreich sehr gut aufgenommen. Ihr Name kam von Charles Peignot. Ich war damals noch zu wenig im französischen Leben zu Hause und bin dieser Lebensart zum ersten Mal begegnet – für mich ein ganz starkes innerliches Erlebnis. So hatte ich das grosse Glück, mein Metier im schweizerdeutschen, alemannischen Umfeld zu erlernen und es dann im romanischen auszuüben – ein Reichtum, den man wahrscheinlich in all meinen Schriften spürt. Für mich war das ein sehr schöner Auftrag gewesen, denn es ging gleich um höchste Qualität. Die Président sollte ein Ausdrucksmittel für Persönlichkeiten sein und so schön und ausgeglichen wie möglich. Ich vergass sie schnell, bei alledem, was nachher noch kam. Wenn ich sie jetzt wieder sehe, staune ich richtig. Sie zeigt schon deutlich meinen Stil – eine Mischung aus dem Einfluss meiner beiden Lehrer und meiner ganz eigenen persönlichen Form-Idee. Es geht nicht um Konvention oder um ein Ideal, das wäre zu philosophisch. Wenn eine Schrift gut stand, spürte ich einfach eine grosse Zufriedenheit. Der kleinste Fehler stach mir blitzschnell ins Auge. Ich habe das Gefühl, in mir war das ‹Bild› der Schrift bereits eine fertige Sache, als ich von der Kunstgewerbeschule kam. Natürlich habe ich noch viel dazugelernt, aber der Stil war doch schon da.

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/27/

Bereits in der ersten Schrift wird Frutiger’s Formprinzip deutlich – kein Sporn beim G, keine Störung der Punze durch den Q-Schweif.

Die K-Form der Président ist typisch für Frutiger’s Schriften – aber ohne die versetzten Schenkel eher atypisch für die Latines.

Ursprünglich existierte zusätzlich zum U und V eine formal dazwischenliegende Alternativfigur ; heute nicht mehr enthalten.

Probetext Fotosatz, 1964/65: Erst mehr als zehn Jahre nach dem Bleisatz wurde die Président auf Photon-Lumitype angeboten.

K

G Q

U

V

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Im Gegensatz zur Italian Old Style von F. W. Goudy (links) sind M R W in der Président (rechts) aus einer Bewegung heraus geschaffen.

Zur Gravur der drei Grössen 12 pt œil 1 (links), œil 2 (Mitte) und œil 3 (rechts) – hier auf gleiche Grösse gebracht – gab es eine Vorlage.

Das Majuskel-A (braun) im Vergleich zum vergrösserten Kapitälchen-A (schwarz) der digitalen Président von Linotype.

MRW MRW /31/

/32/

/33/

Die beiden R-Formen im Handsatz mit vertikalem und eher diagonalem Spielbein sowie die heutige Form der Linotype Library.

Vergleich der Œ-Ligatur im Bleisatz und digital – die Form ist in der ursprünglichen Fassung wesentlich breiter.

In der aktuellen Version ist beim J der Bogen feiner, beim K der Zwischenraum enger, beim N links oben die Serife deutlich feiner.

R

Œ

A

JKN PR É s I DE NT

33

/34/

Figurenübersicht der Initiales Président im Handsatz von Deberny & Peignot.



Schriftenvergleich Die Président wird zur Augus­tea der Italiener Alessandro Butti / Aldo Novarese sowie zur Friz Quadrata des Schweizers Ernst Friz in Vergleich gesetzt. Alle drei Schriften weisen Serifenformen auf, welche im Bereich der Latine-Schriften zu finden sind. Auch besitzen sie ähnliche Zeichenformen und nur geringen Fett-fein-Kontrast. Die drei Schriften sind der Gruppe der Inzisen zuzuordnen, welche sich von den Inschriften in Stein und Metall herleiten. Die Président verfügt über die für eine Latine-Schrift typischen angeglichenen Zeichenbreiten. Ganz anders die Augustea, deren Proportionsprinzip sichtbar auf der römischen Capitalis beruht. E, F und S sind schmal, während H, N und O auf Quadrat und Kreis beruhen. Die Friz Quadrata hat ebenfalls variierende Zeichenbreiten, jedoch nicht nach dem römischen Prinzip. Das S ist breiter angelegt, das N etwas schmaler. Die Schattenachse verläuft bei der Augustea und bei der Président senkrecht, jene der Friz Quadrata da­gegen ist leicht geneigt. Generell wirken Augustea und Friz Quad­ ­rata durch die auslaufenden Endungen bei K und R dy­­na­ ­­­mischer. Dies wird noch verstärkt durch die Asymmetrie im Y. Augustea und Président sind Majuskelschriften; zur Friz Quadrata existieren auch Minuskeln. Für diesen Schriften­ ­­­­vergleich wurde die Augustea Open in eine ‹Plain› umgewandelt, da der normale Schnitt der Augustea zwar im Handsatz, jedoch nicht digital erhältlich ist.

/35/

Zwar sind die Buchstabenformen relativ ähnlich, doch das Probewort ‹Hofstainberg› zeigt deutlich die Breite der Président.

Augustea Alessandro Butti  / Aldo Novarese 1951

Président Adrian Frutiger 1954 K Serifen gekehlt, abgesetzte   Arme, unten mit Endserife

HOFSTAINBERG Friz Quadrata Ernst Friz 1965

34

AKZ I D E N Z sch R I FT

M gespreizte Schäfte, Scheitel mit Serifen

Q breitovale Form,   mittig ansetzender Schweif flach auslaufend

R Abstrich aus   dem Bogen heraus gerundet

S relativ breite   Form, eher   flache Kurve

Y kurzer Stamm, symmetrische Form mit Kopfserifen

4 Scheitel nur leicht abgeflacht, tiefer Querbalken mit Halbserife

8 zweigeschossige Form, dünne Taille

KMQR SY48

Font-Herstellung : Digitalisiert durch   Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

President ™ Linotype 1 Schriftschnitt

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com

Regular

68 pt | – 30

54 pt | –15

36 pt | –10

24 pt | – 5

15 pt | 19 pt | – 5



10.5 pt | 13 pt | – 3

8 pt | 10.2 pt | 5

6 pt | 8 pt | 10

P r É s ident

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Schriftentwurf

Delta 1952

/01/

Alfred Willimann’s 1953 realisiertes Plakat zeigt eine archaische Lateinschrift.

/02/

Zwei undatierte Bleistiftzeichnungen einer Ein-Alphabet-Schrift (Originalgrösse) etwa 1952/53 – konzipiert sind fünf Schnitte.

/03/

Studien zur Ein-Alphabet-Schrift mit Kombinationen verschiedener Formen von Gross- und Kleinbuchstaben.

/04/

Basierend auf Adrian Frutiger’s Entwurf ‹Delta› realisiert Joan Barjau 1991–1997 das Alphabet Jeune Adrian.

/05/

Klebsatz des Schriftentwurfs ‹Delta› in zwei Fassungen – ausgetauscht sind A und E; m n und u weisen rundere Bogen auf (rechts).

36

SCH R I FTE N TWU R F

Der ‹Stil Delta› Einer seiner ersten Schriftentwürfe /05/ ist zugleich jener, den Adrian Frutiger als seinen aus dem Innersten heraus entstandenen Stil nennt; die Form, welche er als die natürlichste empfindet. Beim Vergleich der beiden Entwürfe zu dieser Ein-Alphabet-Schrift fällt auf, dass nur die Buchstaben a und e von der Majuskel- zur Minuskelform wechseln. Trotzdem entsteht der Eindruck, dass ein Majuskel- (links) und ein Minuskelalphabet vorliegt (rechts). Auch die runderen Formen der Zeichen in der rechten Variante tragen dazu bei. Bereits in einem frühen Stadium des Entwurfs bezieht Adrian Frutiger mehrere Fetten und Weiten in die Planung ein /02/, eine Disziplin, welche Frutiger im Unterricht bei Walter Käch in Zürich kennenlernt. Die Suche nach einer Ein-Alphabet-Schrift führt auf Initiative von Charles Peignot zu einigen Treffen mit Cassandre, um auf Basis von dessen Schrift Peignot /07/ einige Versuche auf der Lumitype zu unternehmen /06/. Die Majuskelversion ist leicht offener gehalten, der mittlere Versuch zeigt dazu passende Kleinbuchstaben, während die untere Variante Gross- und Kleinbuchstaben mischt mit teilweise neuen Zeichenformen. Die Lumitype-Technik befindet sich noch im Versuchsstadium: beim VersalI der oberen und beim m der mittleren Variante ist wahrscheinlich ein Fehler in der Zurichtung passiert. Der ‹Stil Delta› begleitet Frutiger sein ganzes Leben hindurch, bis 2007 endlich von Linotype die darauf basierende Schrift Nami (siehe Seite 402) realisiert wird.

Die Entwicklung des Übergangs von den Majuskel- zu den Minuskelformen hat mich immer besonders interessiert. Bei der ‹Delta› /05/, einer meiner frühesten Entwürfe, dachte ich an die Reduktion auf ein Alphabet, wie es im 5. Jahrhundert vorlag.1 Eine Buchstabenzeile sollte Kleinbuchstabencharakter haben, trotz des ‹grossen› G, R und T darin. Für einige Buchstaben skizzierte ich verschiedene Formen› /03/. Den Namen ‹Delta› gab ich der Schrift, weil mir das Wort gefiel, es klingt klassisch und passt zu den Formen. Ihr Stil – man könnte ihn Unzial-Grotesk nennen – ist mir das ganze Leben nachgegangen. Charles Peignot hatte immer von einer neuartigen Schrift geträumt, welche Gross- und Kleinbuchstaben in einem Alphabet vereint. Er hielt die Peignot /07/ für genial, wollte aber weitergehen und brachte A. M. Cassandre mit mir zusammen. Er dachte wohl, Cassandre mit seinem Genie und ich mit meinem Wissen über Typografie, das könne noch was geben. So trafen wir uns 1954 / 55 drei- oder viermal. Meiner Ansicht nach hätte eine neue Schrift auf der Basis einer klassischen Schrift aufgebaut sein müssen. Ich hatte den Gedanken, ausgehend von der Peignot die Unzial- und Halbunzialformen in eine Gegenwartsschrift umzuwandeln. Da kam Cassandre nicht mit. Er ging auf meine Vorschläge gar nicht richtig ein. Wir haben immer ein wenig aneinander vorbeigeredet. Cassandre war ein Künstler; er nahm die Buchstaben und spielte mit ihnen. Auch seine Sprache war die eines Künstlers, der den Kopf voller Bilder hat. Seine Schrift Bifur ist ja wie ein Bild /07/. Ich aber war der Typograf, der im Buchstaben ein Skelett sah, das in Beziehung zu anderen Zeichen steht. Es gibt drei Muster mit einem Text von Charles Baudelaire /06/, das waren Fotosatz-Versuche auf der Lumitype, welche aufgrund der Gespräche mit Cassandre entstanden; er war jedoch mit keinem der Ergebnisse einverstanden.

/07/

A. M. Cassandre in seinem Atelier (oben) – von ihm stammen die Peignot 1937 und die durch Minuskeln ergänzte Touraine 1947 (Mitte) sowie die Bifur 1929 (unten). /06/

Probesatz einer serifenlosen Schrift auf Basis der Peignot mit Varianten von Gross- und Kleinbuchstaben.

D E LTA

37

Schriftname Initiales Phoebus

Arbeitgeber Deberny & Peignot

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1953  | 1953

Satztechnik Handsatz Fotosatz Starlettograph

Hersteller – Deberny & Peignot – Deberny & Peignot

Schnitte 1 1

PHOEBUS Die Initiales Phoebus war im Vergleich zur Initiales Président, die viel Zeit in Anspruch nahm, sehr schnell gemacht. Als die Arbeit begann, hatte ich bereits eine Mitarbeiterin, die nach meinen Skizzen die Zeichnungen ausführte. Es war nur ein Versalalphabet, im Grunde also nicht viel Arbeit. Charles Peignot wollte einfach etwas in seinem Schrift­muster­buch, das in den Bereich Zierschriften1 ging. So war die Mode damals, man denke nur zum Beispiel an die Graphique von Hermann Eidenbenz /08/. Diese Schrift kannte Peignot und bat mich, es mal in dieser Richtung zu probieren. Er suchte ja immer das Aussergewöhnliche – als Bereicherung des sonst sehr klassischen Angebots von Deberny &  Peignot. Ob ich ähnliche Schriften studiert habe, weiss ich nicht mehr, aber ich erinnere mich an die Luna /08/, vielleicht habe ich die ‹Encyclopaedia of Typefaces›2 zu Rate gezogen, ich bin da nicht sicher. Es war auch nicht so, dass Charles Peignot ganz klar eine schattierte Schrift haben wollte. Er bat mich nur um ein paar Vorschläge zu einer weiteren Fantasie-Schrift. Dahinter steckte die Konkurrenz zur Fonderie Olive. Ich zeichnete versuchsweise auch eine schattierte schmale Grotesk ‹Rodin hat uns› /05/. Das war mir aber letztlich zu konventionell. Man hätte, damit es spezieller wird, zusätzlich eine Kursive, eine Halbfette und so weiter machen müssen.  Die kursive Latine-Form reizte mich viel mehr; an allen An- und Abstrichen bestanden Gelegenheiten, noch ein kleines Dreieck anzubringen. Ich fing an, eine Versalschrift mit tiefen Schatten zu skizzieren, aber geradestehend sah sie banal aus; also versuchte ich eine Kursive. Die Schrift gewann durch die Schräglage der Zeichenform im Gegensatz zur Schräge der in die Tiefe laufenden Schatten an Dynamik. Ich sah die Buchstabenformen vor meinem inneren Auge und skizzierte direkt die tiefen Schatten nach Gefühl. Das hat geklappt; ein grösserer Schatten wäre zu klotzig geworden, bei einem dünneren wäre die Schrift nicht richtig zum Vorschein gekommen. Es war wirklich eine gefühlsmässige Sache. Intuitiv. Dass Serifen sein mussten, war klar und ebenso, dass es eine Schrift im Stil der Latine sein sollte, mit schrägen Serifen unten nach rechts zeigend und oben nach links. Das Versal-I zum Beispiel wäre ohne das kleine Dreieck oben regelrecht zusammengefallen. Die konturenlose Phoebus, deren Form das Auge selbst vervollständigt, war ganz nach Peignot’s Geschmack. Ihm gefiel, dass die Schrift nur aus Schatten bestand, sie schien irgendwie in der Luft zu stehen. Trotzdem stimmen die Buchstabenformen, das sieht man an einem Wort wie ‹Lumineux› /03/. Bei der Phoebus stammt die Reinzeichnung, Tusche auf Bristolkarton, wie gesagt von meiner Mitarbeiterin. Sie war tüchtig, für die Winkel hat sie sich wahrscheinlich ein Winkelmass angefertigt, damit alle gleich waren. Ansonsten verlief es wie schon bei der Président. Jeder Buchstabe wurde erst fotografisch verkleinert, dann wurde alles auseinandergeschnitten und passend aufgeklebt. In der Verkleinerung konnte man gut erkennen, ob Striche womöglich zu fett oder zu fein und ob Buchstaben zu eng oder zu breit geraten waren. Die Striche 38

AKZ I D E N Z sch R I FT

Allgemeines zur Phoebus  Zur Initiales Phoebus exis­ tieren kei­ne Entwurfs- oder Reinzeichnungen mehr. Es ist jedoch eine Studie zu einer schmalen, halbfetten Gro­ tesk erhalten. Der Entwurf ‹Rodin hat uns› /05/ besteht aus einer schattierten Schrift ohne Kontur. Im Unter­ schied zur Gill Shadow oder zur Memphis Luna /08/ legt Adrian Frutiger bei seinem Schriftentwurf die Schatten­ tiefe in gleicher Breite wie den Buchstabenabstand an. Interessant an diesem Entwurf ist auch die Variation ein­ zelner Buchstaben. Fruti­ger zeichnet zwei verschiedene N-Formen, eine Majuskel- und eine Minuskelform und passt das A formal der Minuskelform des N an. Es zeigt eine Formverwandtschaft zum A der Phoebus, welches in der oberen linken Ecke abgerundet wird. Auch die Formvarianten von M und N der Phoebus sind aus dem Entwurf abgeleitet. Zur Bewerbung neuer Schriften werden von den Schrift­ herstellern in den Fachzeitschriften vielfach Werbeanzei­ gen geschaltet. Eine besondere Art des Marketing findet sich in der Fachzeitschrift ‹Caractère› 3. Rémy Peignot präsentiert dort im redaktionellen Teil in losen Abstän­ den eine ‹Parade typographique› genannte Übersicht über die neu herausgekommenen Schriften von Deberny ­ & ­Peignot /02/. Auf vier bis sechs Seiten publiziert er in speziell gestalteten Beispielen die Einsatzbereiche der beworbenen Schriften /12/. Eine sehr schöne Anwendung der Phoebus ist auf der Titelseite der französi­schen Fach­ zeitschrift ‹Ca­ractère› 12 / 1954 /01/ zu sehen. Es ist anzu­ neh­men, dass für diese Gestaltung Rémy Peignot verant­ wort­lich zeichnet, jedoch findet sich im ganzen Heft kein Verweis auf den Urheber. Aus einem Beitrag in der deutschen Fachzeitschrift ‹Der Polygraph› von 1955/56 geht hervor, dass die Phoebus 1953 auf den Markt kommt, Président und ­Ondine 1954. Anhand der Gesamtheit der konsultierten Unter­lagen und dem Gespräch mit Adrian Frutiger kann ange­nommen werden, dass er zuerst die Président gezeichnet hat, da­ nach Phoebus und Ondine, weshalb dieser Reihenfolge der Vorzug gegeben wird.4 Die Schreibweise des Namens ‹Phoebus› ist bei ­Deberny & Peignot uneinheitlich, ohne oe-Ligatur geschrieben in einem Inserat 1954 /12/, mit œ in einem Inserat 1955 /11/. Speziell für das vorliegende Buch erstellt Bruno Maag auf Initiative von Erich Alb und finanziert durch Linotype eine digitale Beta-Version der Phoebus. Es ist beabsich­ tigt, den Font fertigzustellen und zu veröffentlichen.

/01/

/02/

Umschlagtitelseite der kleinformatigen französischen Fachzeitschrift ‹Caractère›, Nr. 12, 1954, gestaltet von Rémy Peignot.

Deberny & Peignot’s Rubrik ‹Parade typographique›, redigiert und gestaltet von Rémy Peignot – ‹Caractère›, Nr. 3, 1955.

/03/

Die Buchstabenformen wirken trotz ungewohnter Schwarz-WeissVerteilung sehr ausgewogen, ruhig und deutlich.



Phoe b us



39

zur Angabe von Dickte und Linien mussten ganz dünn sein, dann konnte man am Ende mit dem Stahllineal und einem fein geschliffenen Skalpell exakt schneiden und erhielt einen ziemlich genauen Satz. Das blieb meine spezielle Arbeitstechnik. Ich habe viel ausgeschnitten, und wenn ich falsch geschnitten hatte, musste ich es eben wieder neu machen. Für mich war das der kürzeste und beste Weg. Nie hätte ich es gewagt, mit der Reinzeichnung direkt in die Schriftgiesserei zu gehen. Ich musste mir erst einen Gesamteindruck verschaffen. Dazu habe ich die Buchstaben zu Wörtern und ganzen Sätzen zusammengeklebt, ich wollte ja sehen, wie sie im Zusammenspiel wirken. Die Phoebus erhielt auch ein paar Buchstaben-Alternativen, für M und N entwarf ich jeweils eine Gross- und eine Kleinbuchstabenform /13/. V und W zeigen, weil sie nicht spitz ver­­laufen, ebenfalls eine Annäherung an die Kleinbuchstaben /14/. Das kam aus dem Grund­ gedanken der Schrift Peignot von A. M. Cassandre, der ganz konsequent mit dieser Mischung spielte. Die Phoebus war natürlich nur in grösseren Graden anwendbar, sie wurde in 48, 36, 30, 24 und 18 Punkt geschnitten, kleiner war nicht sinnvoll. Ungefähr zwei Monate habe ich daran gearbeitet. Damals lief bereits einiges parallel, denn ich war auch schon mit der Méridien beschäftigt. Etwa von 9 bis 18 Uhr sass ich in der Firma, zu Hause ging das Suchen weiter. Mein Motor lief ständig. Das war mir aber damals gar nicht bewusst. Dann kam noch der Fotosatz mit der Lumitype dazu, der Motor wurde immer stärker und neue Erkenntnisse brachten andere Ansichten und neue Möglichkeiten. Als ich anfing, hatten Deberny &  Peignot wohl insgesamt 450 Mitarbeiter. Zunächst war ich hier der einzige Schriftzeichner. Es gab mindestens fünfzehn Graveure, ungefähr hundert Schriftgiesser und einen ganzen Saal voll Teilerinnen; diese Frauen haben die gegossenen

/04/

/05/

Monogramm Deberny & Peignot – Gestaltung vermutlich von Rémy Peignot ; Inseratkopf in ‹La France Graphique›, Nr. 45, 1950.

Schriftentwurf einer nicht realisierten Akzidenzschrift von Adrian Frutiger – Fotopapier, ca. 1953.

Zierschriften Neben den klassischen Werksatzschriften führen Deberny & Peignot auch äusserst präg­nante Akzi­ denzschriften bedeutender Gestalter in ihrem Schriften­ sortiment. Erwähnt seien die Bifur 1929, die Acier Noir 1936 und die Peignot 1937, alle drei von A. M. Cassandre; die Initia­les Film /06/ 1934, eine serifenlose schattierte Schrift mit Hintergrundraster von Marcel Jacno und die Initiales Floride 1939 von Imre Reiner. Adrian Frutiger’s Initiales Phoebus von 1953 darf sicher­ lich zu den prägnantesten Zierschriften des 20. Jahrhun­ derts gezählt werden. Gleichzeitig führt die Phoebus die Tradition der schat­tierten Latines-Schriften des 19. Jahr­ hunderts fort. Im Register ‹Caractères Éclairés›, Band 2 des Schriftmusterbuches von De­berny & Peignot 1926, werden rund zwei Dutzend schattierte oder umstochene Schriften gezeigt, fast die ­Hälfte von ihnen Latines. Doch weder in diesem noch im Schriftmusterbuch ‹compo dp› von 1961 sind ausser der Initiales Phoebus rein schat­tier­ ­te Schrif­ten (only shadow) enthalten. Bekannte – heute erhältliche – rein schattierte Schriften sind die beiden Serifenlosen Gill Sans Shadow /08/, 1936 von Eric Gill, ehemals in drei Fassungen5, und die 1935 von Robert H. Middleton geschaffene Umbra 6 /23/. Für die Schriftgiesserei D. Stempel AG in Frank­­furt am Main ent­wirft ­Rudolf Wolf 1937, basierend auf seiner serifen­ betonten Memphis, die Mem­­phis Luna 7 /08/. Ein Jahr vor der Phoebus kommt sodann die Stridon /09/ der Pariser Schriftgiesserei Fondery Warnery et Cie auf den Markt.

/06/

Auszug des reichen Angebotes an älteren schattierten Schriften aus dem Schriftmuster­buch ‹compo dp› von 1961.

40

AKZ I D E N Z sch R I FT

Im Gegensatz zu den oben erwähnten Schriften ist die Stridon – wie die Phoebus – eine schräg­gestellte schat­ tierte Schrift. Im Zusammenhang mit der Initiales Phoebus speziell von Interesse ist das Monogramm d & p /04/ in einem Inserat von Deberny & Peignot, erschienen in der Fach­zeit­schrift ‹La France Graphique›, Nr. 45 von 1950. Wie bei Frutiger’s Phoebus handelt es sich um Buchstaben einer kursiven schattierten Latine, es sind jedoch Kleinbuchstaben in einer um­stochen-plastischen Form. Der Winkel ist nahe­ ­zu gleich, auch die Schattenform hat etwa denselben Winkel und dieselbe Ausdehnung. Ein dazu passendes Alphabet ist nicht aufzufinden, wahrscheinlich sind es von Rémy Peignot gezeichnete Lettern. Ob sie Adrian Frutiger als Inspiration dienen, bleibt offen.

Typen gemäss dem Giesszettel zu Schriftpaketen für die Druckereien zusammengestellt, mit allen Buchstaben in der gewünschten Anzahl. Dazu kamen die Leute in der ­Klischeefabrikation und im obersten Stockwerk das Atelier für Blindprägungen und Stanzfolien. Mit der École Estienne hatten wir eine sehr gute Schule für Gravur vor Ort. Aus eigenem Antrieb bildete Peignot gleich zehn junge Graveure aus, denn ihm schwebte vor, einen Pool von Fachleuten zu schaffen und so auch für andere Giessereien Schriften zu schneiden. Deshalb suchte er auch Kontakte zu deutschen Firmen. Er fand es dumm, dass jede Giesserei ihre eigenen Spezialisten hatte. Nur weil wir so viele gute Graveure hatten, konnte dann die Univers so schnell realisiert werden. Leider haben diese hervorragenden Fachleute später ihren Arbeitsplatz verloren, denn aus dem Pool wurde nichts. Als der Fotosatz kam, mussten aber Zeichner eingestellt werden. Der Name Phoebus stammt wahrscheinlich von Rémy Peignot, er suchte wohl eine Bezeichnung, die mit Licht zu tun hat. Umbra oder Luna zum Beispiel – alle diese Schriftnamen haben mit Licht zu tun. Im Französischen ist Phoebus nicht gerade geläufig, aber man spürt ein bisschen den geschichtlichen Hintergrund. Phoebus ist der Beiname des Gottes Apollo aus der griechischen Mythologie und bedeutet ‹der Reine›, ‹der Lichte›. Es gab ja auch die Kinoplakate von Jan Tschichold aus den Zwanzigerjahren für den Phoe­ bus-Palast, ein Kino in München.8 Damals propagierte Tschichold noch die ‹Neue Typografie› und die Grotesk. Später hat er rechtsumkehrt gemacht, was sein gutes Recht war. Ich will sogar sagen, dass es auf eine sehr grosszügige Person hindeutet, dass er zu seinem Wandel gestanden ist. 1933 verlor er seine Anstellung als Lehrer für Typografie und Kalligrafie an der Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker in München – die Nationalsozialisten waren für seine Entlassung verantwortlich – und emigrierte nach Basel. Er arbeitete beim Verlag Benno

/07/

Initiales Cristal von Rémy Peignot, realisiert 1953 in der Klebsatz­ technik ‹Typophane› – ab 1955 auch im Handsatz erhältlich.

/09/

Schrift Stridon realisiert 1952 von der Fonderie Warnery Paris ; Inserat in ‹Bulletin Officiel des Cours professionnels›, Nr. 138, 1955.

/08/

Auswahl schattierter Schriften der 1930er und 1940er Jahre ; Gill Sans Shadow und Memphis Luna ohne Kontur, Riccardo und Graphique mit Kontur, Profil zusätzlich umstochen.

Gill Shadow



Phoe b us

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/10/

Inserat Starlettograph – Titelsatz­ gerät für stufenloses Skalieren mit Belichtung auf Fotomaterial  – ‹Caractère›, 1963.

/11/

Inserat mit Marketing-Text zur Initiales Phoebus  – ‹Bulletin Officiel des Cours professionnels›, Nr. 138, 1955.

/12/

Seiten der ‹Parade typographique› von Deberny & Peignot mit den neu erschienenen Handsatz- und Typophane-Schriften – ‹Caractère›, Nr. 3, 1954.

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AKZ I D E N Z sch R I FT

Klebsatzverfahren Typophane Adrian Frutiger’s frühe Akzidenzschriften Initiales Président, Initiales Phoebus und Ondine werden alle im Handsatz produziert. ­Andere gleichzeitig bei Deberny & Peignot realisierte Akzidenz­ schrif­­­ten kommen dagegen im Klebsatzverfahren ‹Typo­ phane› her­­­­aus, welches als Vorläufer des erfolgreichen ‹Transfer Lettering› von Letraset und Mecanorma gelten kann (vgl. Anreibesatz Seite 223). Mit ‹Typophane› wird den grafischen Ateliers und den Werbeagenturen ein einfaches Mittel für Titelsatz an die Hand gegeben. Charles Peignot erkennt frühzeitig die Zeichen der Zeit und glaubt an den Erfolg der verschie­ denen neuen Satzverfahren. Mit Inseraten und Artikeln in den französischen Fachzeitschriften sowie mit Messe­ auftritten wird dafür geworben. Die ersten vier Schriften, welche Deberny & Peignot auf ‹Typophane› anbietet, sind die Initiales Cristal /07/ von Rémy Peignot 1953, die Améthyste und die Bolide von Georges Vial 1954 und die Chaillot von Marcel Jacno 1954 /12/. Die Initiales Cristal kommt 1955 zusätzlich im Handsatz heraus und wird später – wie unter anderem auch die Phoebus und die Méridien – als Fotosatzschrift für das Titelsatzgerät ‹Starlettograph› vermarktet /10/. Bei diesem Satzgerät handelt es sich eigentlich um den ‹Starsettograph› der H. Berthold AG Berlin, für den D & P die Vertriebsrechte in Frankreich hat. Auch das spätere Modell ‹Staromat› wird von Deberny & Peignot auf dem französischen Makt angeboten.

Schwabe und hatte einen kleinen Lehrauftrag an der Gewerbeschule in Basel, danach beim Birkhäuser Verlag, bei Penguin Books in London und wiederum in Basel beim Pharmakonzern Roche. Als ich ihn kennenlernte, war er schon ganz auf die klassische Seite gewechselt. Man weiss nicht, was in einem Menschen so vorgeht. Tschichold fühlte sich am Ende in der Klassik einfach mehr zu Hause. Für mich ist die klassische Typografie etwas Bleibendes, trotzdem war ich damals typografisch schon vollkommen auf Emil Ruder’s Seite. Das kommt sicher von meiner ganzen Erziehung und Ausbildung – bei Williman etwa –, wenngleich ich in meiner Lehrzeit im Klassischen aufgewachsen bin. Obwohl wir unterschiedliche Grundsätze hatten, bin ich mit Jan Tschichold sehr gut ausgekommen. Aber ich habe ihn wahrscheinlich mehr geschätzt als er mich. Die Phoebus zu entwerfen, machte mir Spass, aber von Erfolg konnte keine Rede sein. Ihr Verkauf entsprach nicht den Erwartungen. Trotzdem bereicherte sie das Schriftenangebot von Deberny &  Peignot im günstigen Sinne. Alles in allem war dies ein arbeitsreiches Jahr. Zwischen­ durch habe ich Rémy Peignot noch bei der Reinzeichnung seiner Versalschrift Initiales Cristal /07/ geholfen. Diese sehr zarte Schrift funktionierte gut in grösseren Graden, sie wurde aber als Titelschrift leider nur selten eingesetzt. Immerhin hatte Rémy so seine eigene Schrift, das war für ihn eine Genugtuung und mich hat es gefreut. Ich habe ihn gerne unterstützt, zumal er mir auch oft geholfen hat.

/13/

/14/

/15/

Alternativ zu den eckigen Majuskelformen von M und N sind runde Minuskelformen vorhanden, ähnlich der Anmutung einer Unziale.

Die rund­­ gehaltenen Majuskeln A V W und die Minuskel­formen von M und N vermitteln den Charakter einer geschriebenen Schrift.

Vereinigt wird zudem die Eckigkeit der Versal-Serifenform mit der Serifenausrichtung der Gemeinen – oben nach links, unten nach rechts.

Mm Nn

AVW

/16/

/17/

/18/

Ähnlich der alter­nativen Form der Initiales Président ist auch das V der Initiales Phoebus unten rund gestaltet.

Die Phoebus zeigt einen deutlichen Strichkontrast der Abstriche zu den Haarstrichen, die Strichstärke selbst ist nicht einheitlich.

Das typische Frutiger-& strahlt auch bei der schattierten Schrift Phoebus eine grosse Selbstverständlichkeit aus.

V

Hno

&

/19/

/20/

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Président, Phoebus und Cristal haben gemeinsam die kon­trastie­ renden oberen und unteren Innenräume in den Ziffern 5 und 2.

Das Versal-I und die Ziffer 1 sind in der Phoebus formal identisch. Ebenfalls die gleiche Form weisen das Versal-O und die Null auf.

Letter M der Initiales Phoebus in Kegelgrösse 36 pt – 2006 erfolgt ein Nachguss der Type ab OriginalMatrizen von Deberny & Peignot.

52  52  52 I 1 O0



Phoe b us

43

/22/

Figurenübersicht der Initiales Phoebus im Handsatz von Deberny & Peignot.

   

                 

Schriftenvergleich Das 19. Jahrhundert ist reich an diversen Arten von schattierten Schriften. Eine kon­turlose schattierte Schrift ist aber in Nicolete Gray’s Stan­dardwerk ‹Nineteenth Century Ornamented Typefaces› nicht abge­ bildet. Möglicherweise gehören also die drei serifenlosen Schattenschriften um 1930, die Plastica von 1929, die Gill Sans Shadow von 1932/1936 /08/ und die Umbra von 1935 /23/ sowie die serifenbeton­te Memphis Luna von 1937 zur ersten Gene­ration dieses Typus.9 Die drei unten gezeigten Schriften weisen zusätzlich zur Schriftart einen weiteren grundlegenden Unter­schied auf. Bei der Umbra ist die ausgesparte Strich­stärke äusserst fein gehalten, dafür wirft sie einen umso tieferen Schat­ten. Ein angeglichenes Verhält­nis von Aussparung zu Schatten­ tiefe zeigt dagegen die Memphis Luna. Sie unter­scheidet sich somit nicht nur durch die betonten Serifen und die anderen Charakter. Bei der Initiales Phoebus variieren die Strichstärken und die Schattentiefe liegt zwischen jener der anderen zwei Schriften. Frutiger wählt zu­dem für die Phoebus dreieckige Serifen und eine Neigung /22/. Die druckenden Elemente sind formal schlicht gehalten und höchstens einmal abgewinkelt. Sie sind immer flächig, nie linear. Besonders beim K zeigt sich die hohe Qualität von Frutiger’s An­satz. Das Ende des oberen Arms wird durch die ­Serife nochmals ge­fasst ohne dass ein zu komplexer Innen­raum entsteht. Ein Vergleich von Original und digitaler Beta-Version der Phoebus zeigt im Detail keine getreue Entsprechung.10

/23/

Als Digitalfont erhältlich von den drei Schriften ist einzig die Umbra; die Memphis Luna muss als Scan und die Phoebus als digitale Beta-Version gezeigt werden.

Hofstainberg U   mbra R  obert Hunter Middleton 1  932

AG KMOS56

M   emphis Luna R  udolf Wolf 1  937

HOFSTAINBERG P  hoebus  Adrian Frutiger 1  954

AGKMOS56 A asymmetrische, oben gerundete Form

44

AKZ I D E N Z sch R I FT

G Schaft ohne Sporn

K Arme berühren nicht den Schaft

M leicht gespreizte Schenkel, deutlicher Strichkontrast bei Auf- und Abstrichen

O Schattenform innen und aussen überlappen sich

S in der Diagonale durchgehende Schattenform

5 Querbalken mit Serife

6 diagonale Form, Kreis wirkt geometrisch linear

Font-Herstellung : Beta-Version Dalton Maag / Linotype

Phoebus™ Linotype 1 Schriftschnitt

Font-Format : OpenType

ABCDEFGHIJKLMmN nOPQ RS TUVWX YZ&  12 34 5678 90

A B C D E F G  H I J K L M m  N n P Q R S T U  V W X Y Z &  1234567890 Regular

YOU mAY ASK WHY SO mAnY DIFFER EnT TYPEFACES. THEY ALL S ERVE THE SAmE PURPOSE BUT THEY EXPRESS mAn’S DIVERSITY. IT’S THE SAmE DIVERSITY WE FInD In WInE. I OnCE SAW A LIST OF mÉDOC WInES FEATURInG SIXTY DIFFEREnT mÉDOCS ALL OF THE SA mE YEAR. ALL OF THEm WERE WInES BUT EACH WAS DIFFEREnT FROm THE OTHERS. IT’S THE nUAnCES TH AT ARE ImPORTAnT. THE SAmE IS TRUE FOR TYPEFACES. POURQUOI TAnT D’ALPHA  BETS DIFFÉREnTS ! TOUS SERVEnT AU mÊmE BUT, mAIS AUSSI À EXPRImER La DIVE  RSITÉ DE L’HOmmE. C’EST CETTE mÊmE DIVERSITÉ QUE nOUS RETROUVOnS DAnS  LES VInS DE mÉDOC. J’AI PU, Un JOUR, RELEVER SOIXAnTE CRUS, TOUS DE LA mÊmE  AnnÉE. IL S’AGISSAIT CERTES DE VInS, mAIS TOUS ÉTAIEnT DIFFÉREnTS. TOUT EST  DAnS LA nUAnCE DU BOUQUET. IL En EST DE mÊmE POUR LES CARACTÈRES ! SIE FRA GEn SICH, WARUm ES nOTWEnDIG IST, SO VIELE SCHRIFTEn ZUR VERFÜGUnG ZU HA BEn. SIE DIEnEn ALLE ZUm SELBEn, ABER mACHEn DIE VIEL­FALT DES mens CHEn AUS. DIESE VIELFALT IST WIE BEIm WEIn. ICH HABE EInmAL EInE wei nKARTE STUDIERT mIT SECHZIG mÉDOC-WEInEn AUS DEm SELBEn JAHR. da  S IST AUSnAHmSLOS WEIn, ABER DOCH nICHT ALLES DER GLEICHE WEIn. ES HAT EBEn GLEICHWOHL nU­AnCEn. SO IST ES AUCH mIT DER SCHRIFT. YOU m AY ASK WHY SO mAnY DIFFEREnT TYPE­­FACES. THEY ALL SERVE THE SAmE pURPOSE BUT THEY EXPRESS mAn’S DIVERSITY. IT’S THE SAmE DIVERSITY. WE FInD In WInE. I OnCE SAW A LIST OF mÉDOC WInES FEATURING SIXTY DI 

66 pt | –35

40 pt | –25

31 pt | –10

23 pt | –5

15.5 pt | 19 pt | 0



FFEREnT mÉDOCS ALL OF THE SAmE YEAR. ALL OF THEm WERE WInES BUT EACH WAS DIFFERE  nT FROm THE OTHERS. IT’S THE nUAnCES THA  T ARE ImPORTAnT. THE SAmE IS TRUE FOR TY  PEFACES. POURQUOI TAnT D’ALPHABETS DIFFÉ  REnTS ! TOUS SERVEnT AU mÊmE BUT, mAIS A USSI À EXPRImER La DIVERSITÉ DE L’HOmmE. C’EST CETTE mÊmE DIVERSITÉ QUE nOUS RETR  OUVOnS DAnS LES VInS DE mÉDOC. J’AI PU, Un JOUR, RELEVER soixante crus, tous de la m

10 pt | 13 pt | 2

7 pt | 10.2 pt | 10

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Phoe b us

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Schriftentwurf

E   lement-Grotesk 1953

/01/

Skizze zu einem aus Elementen bestehenden Alphabet – auf dem unteren Blatt sind die Nega­­tiv­­ formen der Elemente dargestellt.

/02/

Veränderte Buchstabenbreiten durch das Einsetzen von weiteren, gleichen Elementen.

/03/

Mit den Elementen werden auch Buchstabenverbindungen möglich.

46

s c h R I F T e n t w U rf

Ein neuer Schriftansatz Dieser aus Elementen bestehende Alphabetentwurf ist die Suche nach einer Titelschrift, welche dem Anspruch Charles Peignot’s nach einer neuartigen Schrift gerecht werden soll. Die durch Werbeagenturen bedingte, verstärkte Nachfrage nach individuellen Titelschriften ruft sein Verlangen hervor, durch welches Adrian Frutiger zu immer neuen Schriftentwürfen animiert wird. Eine erste Skizze /01/ zeigt die Aufteilung der Buchstaben in vertikale Elemente, welche in einer weiteren Stufe in Negativformen umgesetzt sind. Ein Problem entsteht bei Zeichen mit diagonalen Linien, sie sind durch Einsetzen von Elementen nicht erweiterbar. Frutiger probiert verschiedene Weiten für das K und Elemente für das M aus, entfernt sich damit aber vom Konzept. Mit dem Probeguss weniger Elemente können Worte wie ‹Houtife› /02/ gesetzt werden. Interessant ist die Möglichkeit, Buchstaben miteinander zu verbinden, wodurch die Wörter Logo-Charakter bekommen /03/. Dieser Schriftentwurf enthält Ähnlichkeiten zum Entwurf ‹Rodin hat uns›, ein zur gleichen Zeit entstandener Versuch zu einer Titelschrift, welcher in der Initiales Phoebus mündet (siehe Seite 40). In den Detailfragen wird die ‹Element-Grotesk› 1 – wohl aus finanziellen wie umsetzungstechnischen Gründen – nicht weiter ausgearbeitet; die Frage nach der Vereinheitlichung der Formen oder auch den Zeichenabständen bleibt ungelöst.

Auf meiner Suche nach neuen Ideen für Alphabete trieb mich Charles Peignot zu immer neuen Höhenflügen. In der ersten Zeit meiner Tätigkeit für Deberny & Peignot war ich ja frei und suchte in allen Richtungen. So kam es auch zu diesem Versuch. Die Idee war, eine Schablonen-Schrift für den Titelsatzbereich zu entwerfen. Marcel Jacno, der für Deberny & Peignot mehrere Alphabete gezeichnet hatte, machte eine solche, die grossen Erfolg hatte.2 Sie kam 1954 unter dem Namen Chaillot 3 /04/ heraus, jedoch nur für das Anreibeverfahren ‹Typophane› – (zur Schriftherstellung Anreibesatz siehe Seite 223). Die Quadrate auf dem karierten Papier gaben mir bei meinem Entwurf die Möglichkeit, mit Bauelementen Buchstaben zu gestalten. Ich skizzierte das ganze Alphabet mit Gross- und Kleinbuchstaben auf solches Papier /01/, um zu sehen, in wie viele und welche Elemente man die Buchstaben einteilen kann. Auf einem zweiten Blatt habe ich die einzelnen Elemente dann zusammengetragen. Es hat sich eine ganz neue Möglichkeit geboten, verschiedene Weiten zu setzen, indem man einzelne Grundelemente mehrfach einsetzt /02/. Charles Peignot zeigte ich eine Klebarbeit von ein paar Worten, und mit Marcel Mouchel, unserem Graveur, habe ich einige dieser stabenartigen Einzelelemente graviert, von denen dann Probeabzüge gemacht wurden /02/. Die x-Höhe wurde gleichzeitig zur Versalhöhe /07/, was aber noch nichts mit der Suche nach einer Ein-Alphabet-Schrift zu tun hat. Die Formen einzelner Zeichen, aussen rund und innen eckig, haben sich aus dem System ergeben. Teilweise konnten die Gross- und Kleinbuchstaben mit den gleichen Elementen gesetzt werden /06/, was den enormen Umfang an Einzelelementen wieder etwas reduzierte. Eine Schablonenschrift ist es schlussendlich aber nicht geworden. Die Schrift wurde auch nie realisiert. Es ist schon etwas gewagt, die Buchstaben in ihre Einzelteile zu zerlegen. Vor allem die Setzer hätten wohl keine Freude daran gehabt.

/04/

Chaillot von Marcel Jacno, für das Typophane­Klebsatzverfahren produzierte Schrift, 1954 bei Deberny & Peignot erschienen.

/05/

Die Gill Cameo Ruled 1930, eine Handsatztype von Eric Gill, bei der die vertikale Einteilung ein rein dekoratives Element ist.

/07/

Nach der Skizze (linke Seite) konstruierte Positiv­ und Negativ­ formen ohne Begrenzungslinien zwischen den Elementen.

/06/

Zu Buchstaben zusammengefügte Elemente (rechts), nach Formen aufgeteilt (unten) und entsprechend dem Blatt (linke Seite) nummeriert.

15

14

*1

16

3

*2

9

12

1

E L E M E n T- G R O T E S K

47

Schriftentwurf

F   ederduktus 1953

/02/

Adrian Frutiger in seinem Büro bei Deberny & Peignot in Paris, 1955 – auf seinem Tisch ein Entwurf zur ‹Federduktus› und Jan Tschichold’s ‹Meisterbuch der Schrift›.

/01/

Mit der Breitfeder geschriebener Schriftentwurf, etwa 1953–54 – zwei Textzeilen sind ebenfalls beim Entwurf der ‹Delta› enthalten.

/03/

Logotype aus den frühen 1950er Jahren für die Bijouterie Kirchhofer im schweizeri­schen Inter­laken – noch heute in Gebrauch.

48

s c h R I F T e n t w U rf

Versuche und Entwürfe Adrian Frutiger sucht in vielen Richtungen, um neue Alphabete für Deberny & Peignot zu kreieren. Basis und Quelle seiner Studien und Entwür­ fe sind vorwiegend historische Schriftformen. Mit ihnen befasst er sich bereits während des Unterrichts in Zürich bei Alfred Willimann – was 1951 in seiner Diplom­arbeit mün­det (siehe Seite 20) –, und sie dienen auch als Grund­ lage für den vorliegenden Entwurf ‹Federduktus›. Wie bei der römi­schen Unziale und Halbunziale sind auf sei­ nem kalligra­fier­ten Blatt Gross- und Kleinbuchsta­ben­­­­ formen mitein­ander gemischt /01/. Bei der Umsetzung des geschriebenen Entwurfs in eine Werksatzschrift greift Frutiger nur die Kleinbuchsta­ben­ form auf /04/ und in einer ­Entwurfsvariante sind lediglich r und s leicht verändert. Insgesamt be­sitzt die­se ­Variante leicht höhere Oberlängen und hat eine feinere Strich­ stärke. Als die von Charles Peignot ­gesuch­te leben­dige Schreibschrift kann sie aber nicht bestehen. Interessant ist der Vergleich der mit Breitfeder geschrie­ benen Zeile «l’incomplet sera complété» /01/ mit der Zeile gleichen Inhalts im Entwurf zur ‹Delta› (siehe ­Seite 36). Im Gegensatz zum Schriftschreiben, das Frutiger bei Al­fred Willimann lernt, kommt in diesem Entwurf das Schriftzeichnen zur An­­wen­dung, ehemals Gegenstand des Unterrichts bei Walter Käch. Duktus und Strichkon­ trast sind bei der mit dem Bleistift gezeichneten Schrift willentlich festgeleg­te Parameter und resultieren nicht, wie bei der ‹Federduktus›, aus der Federhaltung.

Dieser Entwurf, basierend auf dem Schreiben mit der Breitfeder, entstand in meiner frühen Zeit bei Deberny &  Peignot. Die Suche nach neuen Akzidenzschriften liess mich die Feder zur Hand nehmen, mit welcher ich einige Zeilen probierte /01/. Ausgangspunkt war der Wunsch Charles Peignot’s nach Schreibschriften im Stile der Mistral von Roger Excoffon, die bei der Fonderie Olive herauskam. Peignot ist ein Geschäftsmann gewesen, er wollte den Druckereien die Möglichkeit geben, ihren Kunden etwas Neues anzubieten, denn der Kauf eines Minimums 1 war nicht sehr teuer. Realisiert wurde sie dennoch nicht. Es war eine mühsame Suche. Am Jugendstil mit seiner Schriftenvielfalt konnte ich mich nicht orientieren, diese Schriften galten als altmodisch. Immer wieder kam ich auf die klassi­ schen Formen zurück. Es ist mir nie gelungen, eine schwungvolle Schreibschrift zu machen, wie sie Peignot wollte. Ich war nicht fähig, etwas Vergleichbares zu den Schriften von ­Excoffon zu gestalten. Mir liegt auch die Feder mehr als der Pinsel. Durch die Versuche mit der ­Breitfeder ergaben sich die unzialen und halbunzialen Formen. Von den bes­ten Zeichen fertigte ich einen Klebsatz /04/, um die Wirkung der Zeichen, welche sich nur in Details unterschei­den, zu testen. Einen Entwurf hatte ich an der Wand hinter meinem Schreibtisch aufgehängt /02/. All diese Versuche führten schlussendlich zur Ondine, welche 1954 realisiert wurde. Der Schriftzug für die Firma eines Bekannten in meiner Heimat Interlaken entstand in dieser Zeit der Schreibversuche /03/. Später gestaltete ich noch weitere Zeichen dazu. Ob aber für Kirchhofer ein ganzes Alphabet realisiert wurde, habe ich nicht mehr in Erinnerung. Jeden­ falls wird der Schriftzug heute noch verwendet.

/04/

Undatierter Probesatz der ‹Federduktus› mit Variante und jeweiliger Übersicht der ver­ wendeten Zeichen.



F e d e r d u k tus

49

Schriftname Ondine Formal Script 421 •

Arbeitgeber Deberny & Peignot

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1953  | 1954

Satztechnik Handsatz Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Deberny & Peignot – D. Stempel AG | Linotype – Adobe | Linotype Bitstream • URW++

Schnitte 1 1 1 1 3

ON DIN E In meinem zweiten Pariser Jahr beauftragte mich Charles Peignot, eine kräftige Schreibschrift im Stil der Mistral /05/ zu gestalten. Diese Schrift von Roger Excoffon erschien 1953 bei der Fonderie Olive in Marseille und war auf Anhieb ein Erfolg. Peignot wollte ihr etwas Eigenes entgegensetzen, denn im eher klassisch ausgerichteten Programm von Deberny &  Peignot fehlte so ein dekoratives Alphabet.1 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich mit Schreibschriften nicht befasst, aber aus meiner Lehrzeit war mir die Legende /05/ von F.  H. Ernst Schneidler in guter Erinnerung. Daran anknüpfend machte ich – immer im Austausch mit Peignot’s Sohn Rémy – erste Versuche mit der Breitfeder. Die ersten Entwürfe wollte ich Charles Peignot nicht zeigen. Ich pickte mir die am besten gelungenen Formen heraus. Diese nun aber mit Deckweiss und schwarzer Farbe auszumalen, hätte mir viel zu lange gedauert; also schrieb ich die Buchstaben mit der Breitfeder auf Transparentpapier und vergrösserte sie unter dem Vergrösserungsapparat (die Versalien hatten dann eine Höhe von etwa 20 cm). Davon habe ich exakte Zeichnungen erstellt, übertrug mittels weissem Pauspapier die Schrift auf schwarzen Halbkarton, nahm dann meine Schere zur Hand und schnitt die Buchstaben aus. So konnte ich sie vor mir ausbreiten: Wenn ein Detail nicht stimmte, habe ich etwas abgeschnitten oder notfalls den Buchstaben neu gemacht. Auf diese Weise erhielt ich ruckzuck eine Schwarz-Weiss-Vorlage: meine schnelle Art der Reinzeichnung. Nur Rémy Peignot, der sein Büro neben meinem hatte und die Schriftproben gestaltete, wusste, dass ich so arbeitete. Das Ausschneiden liegt mir anscheinend im Blut. Mein Name deutet ja auch aufs FrutigTal im Berner Oberland, wo Scherenschnitte Tradition haben. Meine freien, künstlerischen Arbeiten 2 habe ich alle aus Papier geschnitten. Am Ausschneiden hatte ich jedenfalls immer viel mehr Freude als am sauberen Zeichnen. Natürlich habe ich auch mit dem Stift ganz exakt gearbeitet. Ausschneiden funktioniert gut bei einer runden Fantasieschrift wie der Ondine, aber sobald Serifen hinzukommen, klappt es mit der Schere nicht mehr. Für Charles Peignot habe ich dann Wörter zusammengestellt, alles sauber auf Karton geklebt und auch gleich Linie und Dickte angegeben. Er entschied auf der Stelle, die Schrift zur Probe zu gravieren. Ihm gefielen vor allem die breiten und schmalen Buchstaben-Varianten /13/ sowie die Qu-Ligaturen /14/. Die Gravur war einfach, gar nicht zu vergleichen mit der Président. Allerdings stellte ich beim ersten Anguss fest, dass die optisch richtige Positionierung auf der Schriftlinie der Gemeinen schwierig war. Die meist spitzen Fussteile, besonders die scharf nach unten gerichteten bei m und n, habe ich mindestens dreimal geändert. Schliesslich wurde die Ondine auch in grossen Graden geschnitten und gegossen. Für Fantasie­schrif­ ten ging man gerne bis zu fünf Cicero, also 60 pt hoch /03/, für den Satz von Kleinpla­katen bei­­­ spielsweise. Es gab aber zur Ondine keine Holzbuchstaben, obwohl wir bei Deberny &  Peignot solche hatten, die jedoch nicht bei uns gefertigt wurden. 50

AKZ I D E N Z sch R I FT

Allgemeines zur Ondine Undine oder französisch On­di­ne ist die Bezeichnung für Wassernymphe. Vermut­ lich eine Schöpfung des späten Mittelalters, wird diese erstmals erwähnt bei Paracelsus Mitte des 16. Jahrhun­ derts in dessen Werk ‹Liber de Nymphis›.3 Durch die kantige Anmutung ist auch in Frutiger’s Schrift Ondine ein Bezug zum Spätmittelalter zu finden. Jedoch sind in ihr diverse historische Bezüge und Merkmale er­ kennbar, von der Majuskelkursiv der römischen Anti­ke über die Halbkursiv bis hin zur späten gotischen Kursiv /04/. Die Ondine ist keine Nachbildung einer histo­rischen Schriftform, vielmehr kann hier von einem eigent­lichen Stilpluralismus gesprochen werden. Im Gegensatz zu den prägenden Skripten der 1950er Jahre wie beispielsweise Mistral, Choc, Bolide /07/ mit ihrem individuellen, spontanen Ausdruck wirkt die Ondine eher streng und hart. Dies liegt unter anderem an den spitzen, scharfkantigen Enden, aber auch am unver­ bundenen und für eine Skript eher ungewöhnlichen, auf­ rechten Schriftbild. Frutiger schreibt die Zeichenformen der Ondine mit der Breitfeder, vergrössert sie und schneidet die Zeichen mit der Schere aus. Möglicherweise ist Letzteres mit ein Grund, weshalb bis auf wenige Ausnahmen alle geschlos­ senen Zeichenformen eine Öffnung bekommen. Er ge­ staltet zusätzlich zu den Standardfiguren einige Alter­ nativ­zeichen /13/, welche in den heutigen Fonts leider nicht mehr enthalten sind. Die Ondine, 1953 bei Deberny & Peignot in Paris als Ak­ zidenzschrift für Handsatz realisiert, wird in acht Schrift­ graden von 12 bis 60 Didotpunkt angeboten /03/ und ist noch heute erhältlich.4 Obwohl ihr anfänglich kein Erfolg beschieden ist, wird sie 1981 von der D. Stempel AG in Frankfurt am Main übernommen und für die Fotosatz­ maschinen der Mergenthaler-Linotype-Gruppe sowie alle weiteren satztechnischen Entwicklungen adaptiert. Erst wieder mit dem Projekt ‹Type-before-Gutenberg› (siehe Seite 370 ) veröffentlicht Frutiger ab den 1990er Jahren historisch basierende Schreibschriften. Erhältlich ist die Ondine derzeit als Stan­­dardzeichensatz sowie als CE-Font (Central European) bei Linotype und Adobe. Bei URW++ sind es drei Schnitte, eine normale, eine Outline- und eine Relief-Variante. Bitstream’s Fas­ sung ohne Lizenz­recht heisst Formal Script 421. Die Ver­ sionen der Hersteller unterscheiden sich in einigen Zei­ chen­ erheblich – auch vom Original.

/02/

Schriftentwurf aus den frühen 1950er Jahren – mit der Ondine wie auch der Méridien italique formal ver­wandt.

/03/

Präsentation der Ondine mit Früchtestill­leben aus dem Schriftmusterbuch ‹compo dp› von Deberny &  Peignot, 1961.

/01/

Dem Entwurf der Ondine, mit Breitfeder geschrieben und stark vergrössert, folgt das Schneiden aus schwarzem Halbkarton.



Ondine

51

Interessanterweise sind in den ersten Entwürfen zur Ondine /02/ schon Grundzüge späterer Schriften sichtbar. Es gibt da Hinweise auf die Italic-Form der Méridien. Darin zeigt sich wohl einfach meine eigene Art, meine ‹Handschrift›. Den Namen Ondine fand Rémy Peignot, ein Foto inspirierte ihn dazu. Es zeigt eine junge Frau mit wallendem langem Haar im Wasser, eine Nixe, Nymphe, eine Undine eben. Dieses Bild findet sich dann auch auf der Titelseite des Prospektes /08/, der später häufig in Fachzeitschriften abgebildet wurde. Formal ist die Ondine ein Mischling. Als Ausgangspunkt für die Grossbuchstaben nahm ich die Unziale /04/, entwarf aber gleich auch Buchstaben-Alternativen, die eher auf den frühen römischen Versal-Handschriften basierten. Die Gemeinen zeigen Elemente der Unziale, der karo­lingischen, der gotischen Minuskel und auch eine gewisse Nähe zu Schneidler’s Legende /05/, die für mich immer noch eine der besten Schriften ihrer Art ist. Typisch an der Ondine ist der Versuch, die Kleinbuchstaben nach Möglichkeit als offene Gesten zu zeichnen. Ausser bei b und p klappte das bei allen Gemeinen, bei den Ziffern sowieso. Die Innenräume der Buchstaben sind wirklich ein besonderes Detail der Ondine. Nur die Versalien A B D, die 8 und das Et-Zeichen /17/ haben eine geschlossene Form. Eigentlich hätte ich am liebsten alle Zeichen mit einer Öffnung gehabt. Es sollte Luft hineinkommen. Beim B und beim D war das praktisch unmöglich, aber beim O, einer ebenfalls typischen geschlossenen Form, habe ich doch oben links eine Lücke gelassen. Ich fand, das liesse die Schrift besser atmen. Die Ondine hatte wie erwähnt auch Buchstaben-Alternativen: Das E gab es in zwei Ausführungen (Unziale und Rustica), und für die Versalien M N U V zeichnete ich zwei Weiten bzw. Dickten /13/. So etwas zu entwickeln, machte mir Spass; Peignot war auf solche Sachen ohnehin ganz erpicht. Heutzutage werden Satzschriften von handschriftlichem Charakter oft­

Formale Herleitung zur Ondine Die Ondine hat meh­ rere historische Quellen, die bis in die Antike – zu den Anfängen der geschriebenen lateinischen Schrift – zurück­ reichen. So finden sich forma­le Übereinstimmungen zur römischen Majuskelkursiv /04/, zum Beispiel bei M und N. Ein wesent­licher Ausgangspunkt für die Majuskeln liegt in der Unziale /04/. Ein typisches Merkmal dafür ist die runde Majuskelform des E, welche denn auch alternativ die Handsatz-Version der Ondine /10/ bereichert. Die Unziale, eine Weiterentwicklung der oben erwähnten römischen Majuskelkursiv, steht am Übergang von der Grossbuchstaben- zur Kleinbuchstabenschrift.5 Deutlich erkennbar ist dies in den Ansätzen von Ober- und Unter­ längen und in einigen Minuskelformen wie a und d. Prägnant für die Kleinbuchstaben und mehr noch für die gesamte Anmutung der Ondine sind die geschriebene Halbkursiv und gotische Kursiv sowie die Druck­schrift Civilité A2 von Robert Grandjean /04/. Die spitz enden­den Abstriche und das Hochziehen der Bögen aus diesen sind übereinstimmende Merkmale mit Frutiger’s Schrift, wie auch das dunkle Schriftbild und der starke Strichkontrast weitere Gemeinsamkeiten sind. Mit ihren vielen formalen Bezügen kann die Ondine als historisierende Schrift bezeichnet werden, sie wird aber wohl gerade dadurch als eine eigenständige Schrift wahr­ genommen.

/05/

Bekannte und sehr erfolgreiche Skripten: Legende von F.  H. E. Schneidler, 1937, und Mistral von R. Excoffon, 1953.

/06/

Weitere bekannte Skripten: Brush von R. Smith, 1942 Bravo von E. A. Neukomm, 1945 Impuls von P. Zimmermann, 1954 Choc von R. Excoffon, 1955

Brush /04/

Historische Handschriften: Römische Majuskelkursiv, 2. Jh. Unziale, frühe Form, 4. /5. Jh. Halbkursiv, um 700 Gotische Kursiv, Mitte 15. Jh. Civilité, Druckschrift, Mitte 16. Jh.

52

AKZ I D E N Z sch R I FT

Choc

Skripten bei Deberny & Peignot Ein Trend der 1940er und 1950er Jahre geht hin zur flüchtigen Spontanität ge­ schriebener Schriften. Mit diesen unbeschwert und indi­ viduell wirkenden Schriften soll die starre Uniformiertheit, die Zucht und Ordnung der Kriegs- und ­Nachkriegsjahre des Zweiten Weltkrieges durchbrochen werden. Der Pin­ sel ist dazu das ent­spre­­chende Werkzeug und wird zum be­­lieb­ten, oft ge­nutzten Schreibutensil dieser Zeit.6 Frutiger jedoch setzt bei seinem Entwurf der Ondine bei histo­rischen, mit der Breitfeder geschriebenen Formen an, liegt damit aber nicht im Trend. Gegen die be­liebten pinselartigen Schriften Mistral /05/ und Choc /06/ der Fon­­­derie Olive kann sich die Ondine damals nicht durch­ setzen. Erst seit den 1990er Jahren wird sie oft verwendet, ins­be­sondere für Firmenauftritte und Ladenbeschrif­ tungen asiatischer und arabischer Herkunft. Zur gleichen Zeit wie die Ondine kommen bei Deberny &  Peignot die Pinselschriften Bolide und Améthyste /07/ von Georges Vial heraus. Im Schriftenkatalog ‹compo dp› von 1961 sind zwar neben der Ondine weitere Schriften handschriftlicher Art wie Scribe /09/, Jacno und Contact /07/ enthalten, nicht jedoch die erwähnten Pinselschriften. Denn diese sind nicht in Blei, sondern in der Technik ‹Typo­ phane›7 hergestellt, was wesentlich schneller und güns­ti­ ­­­­ger ist. Es scheint, als hätte Deberny & Peignot den Er­­­­­folg dieser Schriften erst in der einfacheren Technik prü­fen wol­­­len. Möglicherweise wurde aber auch gezielt ein Markt ausserhalb der Druckereien angepeilt.

mals mit Zeichen-Alternativen ausgestattet, um der Handschrift möglichst nahe zu kommen. Solche Gedanken spielten bei der Ondine keine Rolle. Ich hatte auch nie das Bedürfnis, eine verbundene Handschrift zu entwerfen. Zur Bleisatz-Zeit war so etwas extrem aufwendig und etwa dreimal so teuer wie eine normale Schrift. Excoffon hat seine Mistral /05/ so gebaut, mit Anschlüssen, die haargenau zusammenpassen. Für seine Zeit war das ein richtiges Kunstwerk. Für mich bestand aber eine Druckschrift immer aus einzelnen, unverbundenen Elementen. Roger Excoffon arbeitete ohnehin ganz anders als ich. Wir waren übrigens gute Freunde und trafen uns in Paris immer im Bistro nebenan, aber das durften ‹die Alten› nicht wissen. Er war Maler und Grafiker und kam erst durch seinen Schwiegervater  8 zum Schriftentwurf. Frei von theoretischen wie historischen Fachkenntnissen machte er sich mit kreativem Wagemut ans Gestalten, schuf auf der Basis der eigenen Handschrift dynamische Pinselschriften für den Akzidenzbereich wie die Mistral und die Choc /06/, aber auch eine ungewöhnliche Grotesk wie die Antique Olive (siehe Seite 355) mit ihren eigenwilligen Proportionen. Die Ondine kam sehr schnell auf den Markt. Offen gestanden, mir war dabei nie ganz wohl. Ich hatte immer das Gefühl, meinen Lehrern etwas zu Leide zu tun, Willimann noch mehr als Käch. Mein Schriftgewissen plagte mich. Ich sagte Peignot, ich könne einfach nicht über meinen Schatten springen und dass er nichts von mir verlangen könne, was ich nicht machen könne. Ich habe an der Ondine höchstens sechs Wochen gearbeitet. Im Grunde empfand ich es als Zeit- und Kraftverschwendung. Ich wusste, dass sie gegen die Mistral nicht ankommen würde, nicht in Frankreich, aber Peignot war es egal, er wollte einfach eine geschriebene Schrift. Tatsächlich konnte sich die Ondine gegen die starke Konkurrenz damals nicht durchsetzen. Sie war den Franzosen auch irgendwie fremd. Man kannte diese Art, mit der Breitfeder zu

/07/

/08/

Aus dem Schriftenprogramm von Deberny &  Peignot: Jacno von M. Jacno, 1950 Contact von I. Reiner, 1952  Bolide von G. Vial, 1954 Améthyste von G. Vial, 1954

Titelseite des vierseitigen Schrift­musterprospektes Ondine von 1956 mit Figurenverzeich­nis und Muster­text.



O ndine

53

schreiben, nicht. Frankreich ging kalligrafisch den Weg der Calligraphiques noires /12/ weiter, die im 19. Jahrhundert mit der Spitzfeder entstanden.9 Ich wollte beileibe keine historische Schrift gestalten, sondern, ausgehend von der verinnerlichten Schriftentwicklung, etwas Modernes erschaffen. Das Wichtigste waren für mich die Kleinbuchstaben, den dazu gehörenden Grossbuchstaben musste ich den gleichen Rhythmus geben. Komisch, dass später häufiger die Versalien eingesetzt wurden. Der Misserfolg der Ondine damals bedeutete für die Giesserei kein grosses ‹Unglück›. Mir gegenüber äusserte niemand Kritik. Die einzige Firma, welche die Ondine für ihr Corporate Design übernahm, war am Ende eine Senf-Fabrik in Dijon, die sie dann auf allen Tuben hatte. Ich habe darüber immer gelacht und sie meine Senf-Schrift genannt. Interessant, dass die Schrift jetzt solchen Erfolg hat. Richtig klassifizieren lässt sich die Ondine nicht, sie hat viele ungewöhnliche Eigenheiten, aber genau das zieht die Menschen heute wohl an. Freie Schriften mit Schreibcharakter scheinen ‹in› zu sein, wohl ein Trend hin zu bewegten, persönlichen Schriften.

Marktsegmente bei Deberny & Peignot Der Schwer­ punkt des Schriftenangebotes bei Deberny & Peignot liegt traditionsgemäss bei Mengensatzschriften für den Handsatz. Durch das Aufkommen der Setzmaschinen von Mergenthaler Linotype und Monotype bricht jedoch im 20. Jahrhundert dieser Markt mehr und mehr weg. Auch verschieben sich ab den 1950er Jahren die Gestaltungs­ arbeiten von den Druckereien zu den gra­fi­schen Ateliers. Deberny & Peignot reagiert auf diese Entwicklung mit zweierlei Massnahmen: Einerseits wird mit der Adaption der Fotosetzmaschine Photon-Lumitype (siehe Seite 58) in den ­satztechnischen Bereich investiert ; auch wird das Buch­stabentransfer­ verfahren ‹Typophane› eingeführt (siehe Seite 223). Andererseits wird versucht, den Bereich der Titelsatz­ schriften für den Akzidenzbereich voranzutreiben, des­sen Marktführer der Konkurrent Fonderie Olive in Marseille ist. So entstehen einige Alphabete verschiedener Schrift­ gestalter für diesen zwischenzeitlich wichtigen Be­­­­reich bei Deberny & Peignot. Ein Inserat von 1956 /09/ verweist neben dem Schriften­ angebot auf weitere Standbeine, unter anderem auf den Verkauf von Druckmaschinen, von satz- und drucktech­ nischen Einrichtungen sowie Kleinmöbeln von Produzen­ ten aus Europa und den USA. Ausserdem wird Akzidenz­ satz für Kunden (Composition) im hauseigenen ‹Atelier de composition› angeboten als auch die Herstellung von Klischees (Sicoplast) beworben.

/09/

/10/

Ganzseitiges Inserat mit einem Auszug des umfassenden Angebotes von Deberny & Peignot in ‹La France Graphique›, 1956.

Testabzug der Haas’schen Schrift­ giesserei vom 11.9.1975 mit Dicktenlinien, inklusive Alternativ­ figuren und Ligaturen.

/11/

Die verkürzten Dicktenlinien rechts vom Minuskel-f und der ffLigatur zeigen die einzigen beiden Überhänge in der Ondine auf.

54

AKZ I D E N Z sch R I FT

/12/

Innendoppelseite des vierseitigen Prospekts ‹Ondine / Calligraphiques noires› von 1956.

/13/

Ausschnitt der Rückseite des Schriftmusters von 1956: U V E M N sind zusätzlich als Alternativ­ buchstaben erhältlich.

/14/

/15/

/16/

/17/

In den aktu­el­len Versionen von Bitstream und Linotype sind die beiden Qu-Ligaturen leider nicht mehr enthalten.

Verschiedene Œ-Ligaturen : im Handsatz (links) die runde Form des Unzial-E, bei Bitstream (Mitte) und Linotype (rechts) das Capitalis-E.

Die fl-Ligatur der Linotype-Version (rechts) ist keine eigenständige Form, sondern wurde aus f und l zusammengefügt.

Nur wenige Figuren haben einen geschlossenen Innenraum (Punze). Die Ziffern sind deutlich kleiner als die Versalien.

ŒŒ

flfl

fl

/18/

/19/

Näher am Original (links) ist die Version Bitstream; jene der Linotype ist spitzer, die Winkel sind steiler, der p-Bogen ist abgetrennt.

Die spitzen Enden der Abstriche mit anderen Zeichen auf die optische Schriftlinie zu bringen, ist eine Herausforderung.

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jpqy

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55

Schriftenvergleich Die Druckschriften-Klassifikation DIN 16518 enthält zwei Gruppen für Schriften mit ge­­­­schrie­ ­be­ner Anmutung: Gruppe VIII Schreibschrif­ten und Grup­ pe IX Handschriftliche Antiqua. «Schreibschriften nennt man die zur Drucktype gewordenen lateinischen Schulund Kanzleischriften.» «Handschriftliche Antiqua werden die Schriften genannt, die – von der Antiqua oder deren Kursiv herkommend – das Alphabet in einer persönlichen Weise handschriftlich abwandeln.»10 Die Zu­­teilung der Schriften mit Schreibduktus ist jedoch selbst für Fachleu­ te äusserst schwierig. Beispielsweise finden wir in ‹Tech­ nische Grundlagen zur Satz­her­stellung› von Hans Rudolf Bosshard die Legende den Schreibschriften zugeordnet, die Ondine jedoch – trotz eindeutiger Formverwandt­ schaft in den Minuskeln – den Handschriftlichen Antiqua. Der Unterschied liegt hierbei in den Majuskeln, schwung­ voll im Stil einer Schönschrift bei der Legende, streng wie von Hand geschriebene Druckbuchstaben bei der On­dine. Bosshard ist sich der generellen Problema­tik be­ ­­­­wusst und macht denn auch einen Vorschlag einer neu­­en Klassifikation 11, in welcher er sich für das Zusam­men­füh­ren der beiden Gruppen ausspricht. Alle drei unten gezeigten Breitfederschriften weisen ein aufrechtes Schriftbild und teilweise ähnliche Figuren auf. In der Anmutung wirkt die Ondine sehr gleichmässig im Gegensatz zur Legende und Palomba; der Unterschied von den Majuskeln zu den Minuskeln ist formal gering, die x-Höhe – typisch für Frutiger – recht hoch.

/20/

Figurenübersicht der Ondine im Handsatz von Deberny & Peignot.



/21/

Im Vergleich zu den anderen beiden Schreibschriften wirkt die Ondine sehr gleichmässig und eher statisch.

Hofstainberg

DK W a d k n 5 8

Hofstainberg

DK Wa d k n 5 8

Legende F.  H. Ernst Schneidler 1937

Palomba Georg Trump 1954

Hofstainberg Ondine Adrian Frutiger 1954

D KWa d k n 5 8 D vertikale, strenge Anmutung

56

AKZ I D E N Z sch R I FT

K Abstrich endet schräg, Diagonale oben eingebogen

W Ausdehnung sehr breit, Diagonale links leicht konkav

a diagonale Form, hohe x-Höhe, Punze unten offen

d unziale Form, Punze offen

k Oberlänge über Versalhöhe, unverbundene Form

n5 8 Abstriche enden obere Punze nahezu spitzig, offen feine Haarstriche

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Ondine ™ Linotype 1 Schriftschnitt (+ CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com

 A B C D E F G H I J K LM N ÅH BI JÇKDLÈMFÑ G  Ô P Q R Š T Ü   O P Q R S T U V W X Y Z &   VÆWŒ X¥ Y$ Z£ & ¤

 abc defghijklmnopqrs  t uv wx y z ß 1 2 3 4 5 67 8 9 0

 Pourquoi tant

12 3 4 5 6 7 8 9 0 åbç dé fghij  k l m ñ ô p q r  štüv wxyzß  fiflæœøłð [ . , : ; ·’/- –—] ( ¿¡ “« ‹ › »” ! ? ) {§°%@‰*†} 

Regular

 d’Alphabets différ

ents ! Tous servent au mêm e but, mais aussi à exprimer la diversit é de l’homme. C’est cette même diversité que nous retro uvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever s oixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la n uance du bouquet. Il en est de même pour les caractère s! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same dive rsity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixt y different Médocs all of the same year. All of them were wines but ea ch was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! T ous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’hom me. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans l 75 pt | –10

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a nuance du bouquet. Il en est de même p our les caractères ! Sie fragen sich, waru m es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Mens  chen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selbe  n Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber d och nicht alles der gleiche Wein. Es hat e

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O ndine

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Schriftherstellung

Fotosatz Photon-Lumitype

Méridien Seite 60 Caractères Lumitype Seite 74 Univers Seite 88 Egyptienne F Seite 118 Algol Seite 160

Die Fotosetzmaschine ‹Lumitype› wird von den französischen Ingenieuren René Higonnet und Louis Moyroud erfunden und in Cambridge, Mass. (USA) und Paris entwickelt. In den USA heisst sie ‹Photon›. Ursprünglich arbeitet Higonnet als Patentanwalt, ohne dem Bereich der Drucktechnik ein besonderes Interesse zu widmen. Auf die Idee zur Entwicklung einer Fotosetzmaschine kommt der Hobbyfotograf 1944 beim Besuch einer Offsetdruckerei. Dort wird für die Belichtung der Druckplatte im Bleisatz gesetzter Text verwendet, welcher auf Barytpapier gedruckt und mit einer Reprokamera auf Film aufgenommen als Belichtungsvorlage dient. Higonnet hat die Idee, die Buchstaben auf einer Glasscheibe anzubringen, welche während der Belichtung präzise und schnell dreht. Als Fotograf weiss er, dass es Blitzlicht von nur einer millionsten Sekunde Dauer gibt. Eine Scheibe mit einem Durchmesser von 20 cm und einer Drehgeschwindigkeit von 10 Umdrehungen pro Sekunde bewegt sich in einer millionstel Sekunde um etwa 6 µm weiter. Dabei entsteht eine

Unschärfe, die vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen wird. Belichtet der Stroboskop-Blitz pro Umdrehung wenigstens ein Schriftzeichen, sind in der Stunde 36 000 Belichtungen möglich. Damit überbietet die Lumitype um ein Vielfaches den Maschinensatz, welcher es auf 6500 gegossene Zeichen pro Stunde bringt. Im Ingenieur Louis Moyroud findet René Higonnet einen ideenreichen und hartnäckig arbeitenden Partner; noch 1944 melden sie in Frankreich ihr erstes Patent an. Die Entwickler kommen bald darauf, dass es mehr bedarf als einer standfesten Belichtung eines einzelnen, sich auf einer drehenden Scheibe befindlichen Zeichens durch ultraschnelle Fotografie. Eine ganze Folge von Zeichen muss sich schnell verarbeiten lassen, die ausserdem scharf fotografiert in der gewünschten Reihenfolge präzise auf der Grundlinie platziert sind /01/. Die Buchstaben und Wörter von unterschiedlicher, vordefinierter Breite müssen sauber zueinander stehen und das Ausschliessen auf die volle Zeilenbreite muss gelöst werden. Ein besonde-

res Problem ist die eindeutige Identifikation des gewünschten Zeichens und die schnelle Berechnung seiner Abmessung. Es bedarf eines Umrechnungselements, um den relativen in einen absoluten Wert zu übersetzen, den die Maschine in verschiedenen Grössen umsetzen kann. Die Lösung dafür erarbeiten René Higonnet und Louis Moyroud zwischen 1946 und 19 48, und sie stellt eine ihrer wichtigsten Erfindungen dar. Mit Hilfe von Vannevar Bush sowie Bill Garth und dessen Firma Lithomat (später Photon Inc.) wird die Entwicklung in den USA vorangetrieben. Finanziert von Mitgliedern der American Newspaper Association (ANPA), beginnt die Graphic Arts Research Foundation mit dem Forschungsprogramm zur Entwicklung der Fotosetzmaschine. Anstatt eine einfache, schnelle und preiswerte Maschine zu wollen, stellen die Förderer 19 Anforderungspunkte für eine damals einmalige typografische Leistung auf. Zum Beispiel wird das einfache Mischen mehrerer Schriften und der linienhaltende Schriftgrössenwechsel gefordert.

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Seite aus dem Arbeitsheft von Louis Moyroud – eingeklebt sind erste Probebelichtungen mit Stroboskop-Blitz vom Mai 1944.

Industrieller Prototyp der PhotonLumitype aus dem Jahr 1949 – die Abdeckung der Belichtungseinheit ist aufgeklappt.

Das Konstruktionsschema zeigt den Weg des Lichtblitzes im ersten industriellen Prototyp der Photon-Lumitype auf. Matrizenscheibe Fotozelle Steuerlampe Prisma

Kommutator

Objektivrad Bewegliche Linse

Reihensteuerung Film

Blitzlampe Belichtungsfenster

Zeilenvorschub

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Objektivscheibe der PhotonLumitype mit 12 verschiedenen Objektiven für die Belichtung der Schriftgrössen von 5 bis 48 pt.

Die Lumitype-Schriftscheibe enthält auf 7 Ringen insgesamt 14 Schriftschnitte und auf einem Ring die Sonderzeichen.

Blick von rechts in die geöffnete Belichtungseinheit der Photon 100 von 1954 mit der austauschbaren Schriftscheibe (links).

SCH R I FT H E R STE LLU NG

Die ganze Ent­­wicklung wird dadurch verzögert und macht das Ergebnis teuer und störanfällig. 1951 wird in den USA die Photon 100 lanciert /06/. Die Eingabe­station (Tas­ter) und die Ausgabestation (Be­ lichtungseinheit) sind voneinander getrennt /07/. Die Eingabe­station besteht aus einer Befehlstas­ta­tur, einem Lochstreifenstanzer und einer Schreibma­schi­ ­ne. In der Belichtungseinheit befindet sich eine rotie­ rende Glasscheibe (später durch Kunststoff ersetzt) als Schriftträger /05/. Der Stroboskop-Blitz wird so gerichtet und fokussiert, dass sein Licht nur auf den angesteuerten Buchstaben trifft. 12 Objektive /04/ und hinter ihnen angebrachte, bewegli­che Prismen lenken den Lichtstrahl auf eine Filmrolle und belich­ ten das Buchstabenbild. Eine Scheibe enthält 16 (bei der Lumitype sind es 14), miteinander kombinierbare Alphabe­­te, insgesamt befinden sich 17 280 Zeichen auf einer Scheibe, was ausserordentliche typogra­ fische Möglichkeiten bietet. Durch die Zusammen­ arbeit mit der tradi­­tions­­­­rei­­­chen französischen Schrift­ ­giesserei De­­berny & Peig­­not ver­­­­bes­sern sich Durch­

satz und Qua­lität der Textausgabe. Leider gehen die französische Lumi­­type und die amerikanische Photon getrennte Wege bei der Weiterentwicklung. Generell legt Photon Inc. in Cambridge, Massachusetts, etwas weniger Wert auf die typografische Qualität als Lumi­ type in Paris. Während in Cambridge Bleischriften anderer Her­steller kopiert und unter geändertem Namen herausgebracht werden, fördert man in Paris Neu­­schöpfungen und eine ordentliche Um­­zeichnung der Originalschriften. Die Reinzeichnun­­gen für die Lumitype werden in 11 cm Versalhöhe erstellt /08/, im Un­terschied zu jenen für die Photon, welche höher sind, aber keine Akzente auf den Versalien zulas­ sen. Während der Gestalter beim Entwerfen einer Schrift für den Fotosatz der Monotype oder Linotype auf die Einteilung der Zeichen in das 18-Einheiten-Sys­tem be­­schränkt ist, stehen bei der Lumitype 36 Einheiten zur Verfügung – also eine feinere Einteilung. Auch überhängende Buchstaben sind kein Problem mehr. Beim Erstellen der Originalzeichnung ist jedoch den

Eigenschaften der Fototechnik stark Rechnung zu tragen: An der Schrift­­form selbst gilt es, die spitzwink­ ligen Einschnitte zu erweitern, da diese bei der Be­­ lichtung gerne zulaufen. Im Gegensatz dazu werden durch die ungenü­gen­de Ausleuchtung des Schrift­­ negativs die rechtwinkligen Ecken gerundet belich­ tet. Durch das Ansetzen von Spitzen ­kann der Schrift­ zeichner dem entgegenwirken. Probleme bereiten auch sehr feine Haarlinien, welche beim Belichten nicht die nö­­ti­­ge Dichte (Schwärze) er­hal­ten und bei der Plattenkopie wegzubrechen dro­­hen. Sie müssen kräfti­ger ge­zeichnet werden. Die Kamera zur Aufnahme der Originale und deren Belichtung auf die Schrift­­­­scheibe ist auf einem stoss­ sicheren Granitblock aufgebaut. Zwei bis drei Stun­ den konzentrier­ter Arbeit von mehreren Personen sind nötig, bis eine Scheibe – Zeichen für Zeichen von Hand eingepasst – belichtet und entwickelt ist. Jede Scheibe wird individuell hergestellt, und jeder Kunde kann seine eigene Schrift- und Zeichenzusam­ menstellung wählen.

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Die Lumitype-Anlage mit der Eingabeeinheit in der Mitte sowie der Belichtungseinheit auf der rechten Seite.

Von Adrian Frutiger für die Lumi­ type konzipiertes Schema der Höhen­ linien zur Platzierung der Zeichen.



s c h R I F T h er s te l l u n g

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Schriftname Méridien Latine• Meridien•• Latin 725•••

Arbeitgeber Deberny & Peignot

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf | Herausgabe 1953 | 1957

Satztechnik Fotosatz Lumitype Fotosatz Photon Handsatz Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller Schnitte – Deberny & Peignot 4 – Photon Inc.• 4 – Deberny & Peignot 3 | 4 – D. Stempel AG | Linotype•• 6 – Adobe | Linotype•• 6 Bitstream••• 6

M É RI DI E N Der Anstoss zur Méridien kam 1953 von Rémy, dem Sohn von Charles Peignot. Nachdem wir mit der Président eine moderne Latine-Schrift für den Akzidenzbereich neu im Programm hatten, sollte nun auch eine Latine-Textschrift für kürzeren Mengensatz entworfen werden. Rémy sagte, es sei doch schade, mit meinen Fähigkeiten Fantasieschriften zu gestalten, man solle mein Talent doch besser für klassische Schriften verwenden. Einer der Beweg­gründe, eine solche Schrift ins Programm zu nehmen, war vielleicht auch, dass der Konkurrent in Mar­seille, die Fonderie Olive, 1951 die Vendôme /02/ von François Ganeau herausbrachte – eine moderne, gute, kräf­tige und auch erfolgreiche Textschrift mit einigen Latine-Anklängen. Sie wirkt mit ihren geraden Strichen aber eher hart, das Elegante der Latine-Schriften kommt bei ihr nicht zum Ausdruck. Die Méridien ist demgegenüber viel eleganter und feiner. Diese schöne klassische Schrift zu zeichnen, war eine wunderbare Aufgabe. Das erste Jahr bei Deberny &  Peignot war ja die Zeit des Kennenlernens, des Abtastens. Charles Peignot, ein Mann mit Weitblick, hatte mich 1952 eingestellt, weil er damals bereits vor hatte, die ­LumitypeProduktion für Europa zu übernehmen. Also brauchte er jemanden, der für diese neuartige Fotosatzmaschine die Schriftgestaltung übernahm. Aus diesem Grund holte er mich nach Paris – was er mir jedoch nicht sagte. Bis es so weit war, wurde ich mit allerlei ­‹Lückenfül­lern› beschäftigt  – dem Zeichnen der Kartenschrift, der Fantasieschriften und der Arbeit an der Bleisatz-Méridien. Zuerst habe ich den normalen, so genannt mageren Schnitt entwickelt, in der Zeit zwischen Januar und Mai 1954.1 Ich hatte mit Rémy viel über den Schriftcharakter diskutiert, wir stu­ dierten auch gemeinsam alte Druckschriften, so dass ich die Schrift schon fertig im Kopf hat­ te, als ich zu skizzieren anfing, wie immer etwa 24 pt gross, auf Transparentpapier mit einem sehr harten Bleistift für die Kontur und einem weicheren Stift für die Fläche. Die ersten Buchstaben waren ein paar Gemeine, ‹mondegvr›, und die Versalien H und O. Für die Korrekturen benutzte ich ein scharfes Messer; ich habe nie radiert, sondern immer gekratzt, geschabt. Für die Reinzeichnung mit einer x-Höhe von 8 cm hatte ich einen Trick. Anstatt zigmal dieselben Abstriche zu zeichnen, habe ich einen einzigen perfekten Abstrich gemacht, ein Klischee fertigen und davon in der Abziehpresse etwa hundert Abzüge auf Kunst­­­druck­papier drucken lassen. Anschliessend habe ich nach Bedarf ausgeschnitten und zusammengeklebt und dann mit schwarzer Farbe auf Karton sauber die Bogen angesetzt. Nach dem normalen Schnitt der Méridien begann gleich das Umzeichnen der klassischen Handsatzschriften wie Bodoni und Garamont 2 für die Fotosatzmaschine Lumitype. Den halb­ fetten und den fetten Schnitt der Méridien vollständig zu übernehmen, hatte ich somit keine Zeit. Gemeinsam mit dem Leiter der Gravurabteilung Marcel Mouchel bestimmte ich die Grund­ buchstaben und die Fetten; dann hat er den gesamten Zeichensatz fertiggestellt. Eine Kursive wurde zu Beginn nur für die Lumi­type realisiert, im Bleisatz kam sie erst später dazu. 60

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Entwurf der Méridien Der Name ‹Méridien› wird von Rémy Peignot gewählt, welcher die Schrift mit dem Süden in Verbindung bringt. ‹Méridien› oder deutsch ‹Meridian› ist die Mittagslinie oder der Äquator; in der Geografie sind Meridiane die Pole verbindende, den Erd­­­äquator rechtwinklig schneidende Linien.3 Entspre­ chend gestaltet Rémy Peignot Ende der 1950er Jahre die wunderschönen Pros­pekte zur Bekanntmachung der Méridien mit einer aufgeklappten Weltkugel, welche durch die Zeichnung der Längengrade definiert wird, die sich über die Erdbegrenzung hinaus bis zum Rand des Formates ziehen /39/. Die ersten Entwurfszeichnungen /03–08/ dürfen nicht aus­­­schliesslich im Zusam­menhang mit der Méridien ge­­ sehen werden – in ihnen sind entscheidende Schritte für Frutiger’s Schriftschaffen ablesbar. Sehr deutlich ist in den Minuskeln /03/ der Einfluss der humanistischen Anti­ qua zu sehen. Ober- und Unterlängen sind ausgeprägt. Die kleinen Innenräume beim a und e sowie der Duktus und die Proportionen sind eindeutige Merkmale. Auch der unbetonte Beginn des Bogens beim a findet seinen Ur­­sprung in der humanistischen Antiqua. Beim Minuskela zeigt sich neben diesem Einfluss auch jener von Walter Käch, sichtbar am runden Übergang des Bauches in den Stamm. Doch beim Entwerfen der Méridien überwindet Frutiger diesen Einfluss und folgt auch hier dem Beispiel der humanistischen Minuskel /10/. Insgesamt aber findet er seine eigene Form für das a, indem er den Bauch grös­ ­ser zeichnet und damit die beiden Punzen einander an­gleicht. Dieses a wird zum Charakteristikum für alle Werk­ satzschriften Frutiger’s. Interessant ist auch die Formsuche bei den Serifen, wel­ che, einseitig ausgerichtet, im Entwurf ‹novipa› /08/ an die Phoebus erinnern. Dieser Entwurf mit den verkürz­ten Unter­­längen und dem eckigen Einlauf des a-Bogens in den Stamm kann bereits als Vorstufe zur Méridien be­­­ trach­­tet werden. 1954 wird mit der Handsatz-Méridien begonnen; erst 1959 sind die drei aufrechten Schnitte fertig, die Kursive sogar erst 1966. Im Fotosatz Lumitype dagegen sind die vier Schnitte bereits 1957 realisiert. Nach Auflösung von Deberny & Peignot 4 wird die Méridien bei der D. Stempel AG für den Fotosatz von Linotype auf sechs Schnitte er­­­ weitert. Sie ist heute digital als PostScript-,TrueType- und OpenType-Font erhältlich. Bei Bitstream erscheint sie als Plagiat unter dem Namen Latin 725.

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Satzmuster Méridien demi-gras im Handsatz (vergrössert) – durch die niedrige Versalhöhe integrieren sich die Versalien ins Schriftbild.

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Handsatz-Schriftmusterbuch ‹compo dp› von Deberny &  Peignot, 1961 – Titel in Méridien; Musterseiten der Vendôme von der konkurrierenden Fonderie Olive, Marseille.



M É ri d ie n

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Bleistiftzeichnung, undatiert (Originialgrösse): Die Minuskeln e und a haben für Frutiger un­typische, sehr kleine Innenräume.

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Bleistiftzeichnung, undatiert (verkleinert): Entwurf einer Kursive mit Merkmalen der späteren Méridien italique.

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Bleistiftzeichnung, undatiert (verkleinert): Der Schriftentwurf zeigt Formverwandtschaft zur Ondine und zur Méridien italique.

Blaupause, etwa 1953 (stark verkleinert): Nur sehr wenige frühe Zeichnungen zeigen Frutiger’s Suche nach der typischen a-Form.

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Bleistiftzeichnung, undatiert (leicht ver­­kleinert): Méridien gras, erstellt mit weichem Stift für die Form und hartem Stift für die Kontur.

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Bleistiftzeichnung, undatiert (stark verkleinert): Entwurf einer der Méridien ähnlichen Schrift in acht Schnitten – die Serifen der Geraden sind jedoch asymme­ trisch.

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Le Mariage de Figaro In der Méridien wird das erste in Europa auf Lumitype gesetzte Buch, ‹La Folle Journée ou Le Mariage de Figaro›, gedruckt /09/. Die Auswahl dieses Textes er­­folgt nicht zufällig. Es handelt sich um ein Lustspiel, ge­­schrieben 1775–78 von Pierre Augustin Caron de Beau­­marchais 5, welcher damit gegen die po­ litischen und gesell­­schaftlichen Zustände des ‹Ancien ré­­­­gime› in Frankreich polemisiert, weshalb dessen öffent­ ­liche Aufführung vom König zunächst verboten wird. Das Stück wird erst 1784 uraufgeführt. Auch das Buch muss, wie so viele Werke am Vorabend der Revolution, vielfache Zensuren über sich ergehen lassen, bevor es sie­­ben Jahre später gedruckt werden kann. Bei seinem Erscheinen 1785 ist es, wie auch die Theateraufführung, ein vol­ler Er­­folg 6 und wird nur ein Jahr später von Wolf­ gang Amadeus Mozart in die Oper ‹Le nozze di Figaro› umgesetzt, wodurch das Stück auch heute noch weltweit be­­kannt ist. Ein Buch aufrührerischen Inhaltes wird also ausgewählt, um eine revolutionäre Satztechnik zu präsentieren (etwa 1454 druckt Johannes Gu­ten­­berg das Buch der Bücher, die Bibel, um seine revolutionäre Technik der Öffentlich­ keit zu prä­sen­tieren). Dass für die neue Technik die neu entstandene Méridien eingesetzt und nicht einer klassi­ schen Schrift der Vor­zug gegeben wird, entspricht dem fortschrittlichen Denken der beteiligten Personen.

Bereits 1949 wurde in den USA von den Entwicklern René Higon­net und Louis Moyroud der erste Prototyp der Fotosetzmaschine unter dem Namen Photon vorgestellt.7 In Frankreich wurde die Photon von Deberny &  Peignot für den europäischen Markt umgebaut und ‹Lumi­type› genannt. Die Vorbereitungen dafür begannen im Herbst 1953. Viele Versuche mussten gemacht werden, bis sie drei Jahre später am ‹Salon International des Techniques Papetières et Graphi­ ques› präsentiert werden konnte. Zur Einführung der Maschine in Europa 8 wollten Deberny &  Peignot neben den klassischen Schriften auch eine ganz neue, eigene Schrift präsentieren, die Méridien. Mit der Lumitype-Version begannen wir im Laufe des Jahres 1955, sie fiel noch ein wenig spitz aus. Nachträglich haben wir sie leicht ‹verdickt›. Die auf Bücherdruck spezia­ lisierte Offizin Berger &  Levrault in Nancy kaufte die erste Lumitype und präsentierte bei der offiziellen Einweihung 1957 gleich ein aus der Lumitype-Méridien gesetztes Buch, Beaumar­ chais’ ‹Le Mari­age de Figaro› /09/. Bei der Méridien gab es ein paar wichtige grundsätzliche Überlegungen zu Form und Cha­ ­­­rakter. Ausgangspunkt waren zum einen die Latines mit ihren dreieckigen Serifen. Durch die gekehlten Serifen (‹Hohlfuss›), die teils leicht geschwungene Strichführung bei den Versalien und die minimal eingebuchteten Grundstriche /18/ ist die Méridien aber näher bei der ge­schrie­ benen Schrift, sie ist eleganter und auch besser lesbar als die traditionellen Latines (siehe Seite 29). Die Renaissance-Antiqua des Nicolas Jenson (etwa 1470) war der andere Ausgangs­ punkt /14/. Sie war mir ein wichtiges Vorbild. Schon Alfred Willimann schwärmte immer von der Jenson. Ihr gleichmässiger Rhythmus hat mich von Anfang an fasziniert. Das ist eine Fra­ ge der Strichstärke und der Proportion. Für eine neue Schrift die richtige Proportion zwischen den weissen und schwar­zen Werten zu finden, ist immer das Schwierigste. Ein Musterbeispiel

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Schutzumschlag und Innenseite ‹Le Mariage de Figaro›, 1957: das erste im Lumitype-Fotosatz gesetzte Buch in Méridien romain, italique und demi-gras.



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für Ausgeglichenheit sind die gotischen Schriften (Textura) /11/. Sogar die Rundungen sind in vertikale Striche aufgelöst – was aber schwer lesbar ist –, so dass sich ein einzig­artig gleich­ mässiges Gitter mit einheitlichen Weiss­räumen ergibt /13/. Auch bei den ­Antiquaschriften der Renaissance findet man Versuche, die Punzen und die Buchstabenabstände im Weisswert einander anzugleichen. Das war bei der Méridien auch mein Ziel. Ich hatte die Jenson vergrössert, in die Mitte der vertikalen Striche Linien gesetzt /12/ und gesehen, dass das ebenfalls ein gleich­­­mässiges Gitter ergibt. Walter Käch, der sich als Schrift­ grafiker wenig mit Druckschrift beschäftigt hat, war immer anderer Meinung, was die Lauf­ weite anbelangt. Seine Nachweise mit dem Goldenen Schnitt /15/ waren sehr kompliziert.9 Käch sagte, die Innenräume der Buchstaben sollten grösser sein als die Buchstabenzwischenräume, und ich habe ihm erwidert, in einer Textschrift sei das nicht möglich. Sein grosses Vorbild waren Versal-Inschriften wie die römische Capitalis Monumentalis. Diese hat einen ganz an­ deren Rhythmus als die Satzschriften und ist weniger vertikal betont. Bei Satzschriften müs­ sen in grossen gegen­über kleinen Schriftgraden die Räume zwischen den Buchstaben enger sein. Im Schriftguss hat man das auch so gehand­habt. Aber die Méridien sollte ja eine Lese­ schrift für den Mengen­satz sein. Das kleine n oder das o steht bei mir in einem ganz bestimmten proportional festgelegten Rechteck /19/. Wenn das eine Idee zu schmal ist, muss der Leser die Schrift sofort als zu eng empfinden. Ähnlich wie die Jenson und wie vor ihr im ­Grunde schon die karolingische Minuskel oder die Halb­unziale /10/ läuft die Méridien recht breit. Einen allzu star­ren Duktus wollte ich vermeiden. Deshalb gibt es in der Méridien keine wirk­­lich geraden Grundstriche. Sie sind etwas eingebuchtet, anders gesagt: Sie werden oben und un­ten leicht kräftiger /18/. Dieses fast unmerkliche An- und Abschwellen ist leben­diger

Rhythmus und Proportion Der Schriftgrafiker Walter Käch, Adrian Frutiger’s Lehrer für Schriftzeichnen an der Kunst­gewerbeschule in Zürich, untersucht eingehend an­­tike römische Inschriften und stellt generelle Über­­le­ gun­­gen dazu in seinem Buch ‹Rhythmus und Proportion in der Schrift› an. Er schreibt: «Und wir beobachten beim harmonisch wirkenden Wortbild, dass die grösseren Flä­ chen der Innenräume der Buchstaben zu den klei­­neren der Zwischenräume optisch im Verhältnis des Gol­­denen Schnittes stehen. Der Buchstabe O ist sowohl für das Breitenverhältnis der übrigen Buchstaben wie auch für die Bildung der Innenraum-Verhältnisse als Ausgangs­ form zu betrachten. […] Rhythmus und Proportion bilden die gemeinsame Grundlage für die harmonische Wir­ kung des Schriftbildes.» 10 Käch’s Zeichnung /15/ zeigt den Goldenen Schnitt im Auf­­­­bau des o und anhand der Buchstabenfolge ‹rom› für Innenraum und Zwischenraum. Frutiger ist bei Werksatz­ schriften mit Käch’s Verhältniszahlen nicht einverstanden, wenn er schreibt: «Als ideales Textbild schwebte mir die ‹Jenson› vor, die trotz allen ihren technischen Unvoll­ kommenheiten aus dem 15. Jahrhundert als Vorbild des Qualitätsgrades eines perfekten Gesamtbildes gelten kann. Um das Geheimnis dieser Gesetzmässigkeit besser zu erläutern, sind einige grundlegende Betrachtun­gen über den Aufbau einer Schriftstrukturierung notwendig. Als eigentliches Modell dieser Ausgeglichenheit gelten die gotischen Textseiten Gutenbergs, dessen Schriftstil

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Formal zwar unterschiedlich, weisen Guten­berg’s Textur und Jenson’s Antiqua (rechte Seite) jedoch beide ein regelmässiges Schriftbild auf.

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Historische Handschriften: Halbunziale, frühes 6. Jh. Karolingische Minuskel, 8. Jh. Humanistische Minuskel, 15. Jh.

Das Gleichmass der Abstriche bei gotischer Schrift und Antiqua wird durch das Gitter deutlich – Old English, Adobe Jenson, Méridien.

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Formengleichheit der Innen- und Zwischenräume bei gotischer Schrift, Diversifikation der Formen bei Antiqua.

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minimum

darum ‹Textur› genannt wird, weil die Schriftfläche ei­­nem aus gleichen Maschen zusammengefügten ­Gewebe gleichkommt. […] Die lateinischen Schriftgestal­ter der Renaissance haben die Qualitäten dieses Duktus weiter­ geführt, indem sie darauf geachtet haben (wissent­lich oder gefühlsmässig), dass alle Innenräume sowie alle Zwischenräume zwischen Buchstaben im Weisswert sich angeglichen haben […]. Dies ist eine der wichtigsten Regeln, die dem typographischen Begriff ‹Schönheit› einer Serifenschrift zugrunde liegen.»11 Nach Meinung von Frutiger sind also die ­Zwischenräume optisch gleich gross zu halten wie die Innenräume und nicht, wie Käch es darstellt, im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Betreffend Serifenschriften für den Werksatz ist Frutiger‘s Einwand verständlich. Walter Käch’s Studie liegt je­­doch näher bei einer Serifenlosen. Und bei diesen wider­­­sprechen sich die beiden Gestalter nicht grundsätz­ lich, da dort – gemäss Käch und Frutiger – die Zwischen­ räume enger zu halten sind als bei Serifenschriften (­siehe Seite 92). Den Goldenen Schnitt jedoch griff Frutiger in seiner Schriftgestaltung nie auf. Heute stellt sich die Problematik neu. Optimale Leserlich­ keit bedingt von den Anwendern ein Regulieren der Lauf­ ­weite: je kleiner die Schrift, desto grösser die Zwischen­ räume. Denn es existiert keine feste Laufweite bei digita­ len Schriften. Grundvoraussetzung für ein harmoni­sches Schriftbild ist in jedem Fall vor­ab eine gute Zurichtung der Schrift durch den Gestalter oder Hersteller.12

Aus­­druck na­tür­lichen Wachstums und verhindert meiner Meinung nach das schnelle Ermüden beim Lesen. Um zusätzlich den Lesefluss zu unterstützen, hat die Méridien verhält­nis­­mässig kräftige Serifen. Die Serifen und die Ausläufe (wie etwa bei f und j) haben einen eigenen, ein­­ heitlichen Charakter /20/. Ich mochte weder die jugendstilhaft eingerollten Schweine­­­schwänz­ ­chen der Latines – das hat natürlich nicht mehr in die ­ Fünfzigerjahre gepasst – noch die Tropfen­­­form. Diese habe ich regel­recht gehasst. Ich empfand sie als plumpen Fremdkörper. Vielleicht wollte ich ein wenig zu konsequent sein, jedenfalls habe ich keinen Unterschied zwischen den einzelnen Serifen­­formen gemacht: Eine Serife ist eine ­Serife. Jetzt im Rückblick, mit all der Erfahrung, würde ich wahrscheinlich eher die klassische Tropfenform wählen. Man sehe sich die Garamond an; in den absolut natürlich wirkenden Tropfen liegt doch so etwas wie eine Idealform, ein ganz einfacher, klarer, punktförmiger Abschluss /20/. Aus diesem Blickwinkel muss ich das y als Jugendsünde bezeichnen. Damals habe ich es einfach nicht fertiggebracht, das y unten in einen Tropfen auslaufen zu lassen, wo doch alle anderen Serifen eher spitz sind. Also setzte ich hier eine normale Serife an den Abstrich /21/. Eine weitere Besonderheit der Méridien liegt in der geringen Versalhöhe. Das rührt von meinen Diskussionen mit Emil Ruder her. Er war der Überzeugung, eine Schrift müsse in allen Sprachen gleich wirken, egal ob es sich um einen englischen Text mit wenigen oder einen deutschen mit vielen Grossbuchstaben handelt. Die Reduktion der Versalhöhe be­wirkt diese angestrebte optische Anpassung im Schriftbild. Heute bin ich nicht mehr von die­­­sem Ansatz der ­Angleichung überzeugt. In der Verschiedenheit liegt doch gerade der Reichtum. Dass die charakteristischen Unterschiede zur Geltung gebracht werden, finde ich besser, als alles einander anzupassen. Eine frühe latei­nische Textprobe aus der Méridien zeigt, wie harmonisch sich die wenigen

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Gegenüber der RenaissanceAntiqua ergeben die spitzen Serifen der Latine-Schriften eine Vereinfachung der Punzenform.

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Konkav gewölbte Serifen wirken eleganter als solche mit flacher Basis – unförmig plump hingegen ist eine ausgestülpte Basis. /14/

Der ausgewogene Rhythmus der Antiqua des Nicolas Jenson aus dem Jahre 1471 ist bis heute Vorbild geblieben. /18/

Die geraden Abstriche vermitteln eine technische Anmutung, die verjüngten Abstriche sind sensibler und natürlicher.

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Die Méridien weist fast ausschliess­ lich gewölbte Striche, eine leicht geneigte Schattenachse und in der Grösse angeglichene Punzen auf.

Käch’s Studie zur mit Breitfeder geschriebenen Schrift: Auf bau und Proportion, basierend auf dem Goldenen Schnitt.



M É ri d ie n

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klein gehaltenen Versalien einfügen /01/. Natürlich haben die lateini­schen Textseiten immer am schönsten ausgesehen, weil sehr wenige Schrägstriche in der Zeile sind. K W und Z kamen erst später zum Alphabet, und das X wurde selten gebraucht. Ich muss hier aber betonen, dass die harmonischste nicht automatisch auch die am besten lesbare Zeile ist. Erst die Unterschied­ lichkeit der einzelnen Buchstaben mit den Ober- und Unterlängen, mit geraden oder schrägen Strichen oder Rundungen garantiert beste Lesbarkeit. Bei den spä­te­­ren Schriftproben habe ich jedenfalls immer darauf gedrängt, neben französi­schen auch deutsche Tex­­te zu zeigen. So sieht man gleich, ob eine Schrift unterschied­lichen Anforderungen genügt. Betrachten wir einzelne Buchstaben der Méridien. Bewusst habe ich beim P den Stamm leicht nach links geneigt /22/. Ich wollte damit ein Kippen nach vorne vermeiden. Dies habe ich beim r ebenfalls gemacht. Das sind Feinheiten, die man sich im Kopf zurechtlegt, die aber im Grunde nicht berechtigt sind. Beim R setzt der schräge Abstrich nicht direkt am Stamm an, sondern am Bogen, das ist üblich beim Latine-Charakter /23/. Die Suche nach der richtigen Form des a sehen wir im Entwurf ‹elida› /06/. Den schwung­vollen Einlauf habe ich gleich verworfen, das ist einfach eine andere Form. Käch hat mit seiner Feder solche a-Formen hingezogen, das hat wunderschön ausgesehen, aber es kommt bei keiner klas­si­schen Schrift vor, alle haben einen gewinkelten Einlauf. Ich habe mich gefragt, warum kann das a nicht oben auch so schön ausfliessen wie das e unten? Eine Tropfenform wollte ich ja nicht, denn in den Grossbuchstaben gibt es diese nicht, ausser allenfalls beim J. Das war eine intellektuelle Überlegung. Aus Gründen der Leserlichkeit wäre es wohl besser gewesen, ich hätte das a wie das c oben mit einer Halbserife gelöst /24/. Ganz stark war in mir verankert, den Bogen des n rund an den Stamm zu setzen /25/, was vom Pflanzenzeichnen aus meiner Schulzeit in Zürich

Die Vielzahl von Originalen In Adrian Frutiger’s erster Werksatzschrift Méridien vereinigen sich bereits mehrere wesent­liche seiner schriftgestalterischen Erkenntnisse – sie prä­gen sein gesamtes Schriftschaffen. Entstanden ist eine strenge (Frutiger nennt es eine puristische) Schrift, die – typisch für den Latine-Charakter – einen etwas kan­ ­­­tigen Ausdruck zeigt, hervorgerufen durch die spitzen Serifen /20/ und verstärkt noch durch das Weglassen von Tropfen­formen. Gleichzeitig ist in ihr eine sen­sible, zurück­ ­­­­haltende Anmut zu finden dank leicht diagonaler Schat­ tenachse, Wölbung in den Serifen /17/ und den zur Mitte hin verjüngten Ab­strichen /18/. Formfeinheiten, welche aus dem Schreiben mit der Breitfeder im ­Schriftunterricht bei Alfred Willimann in Zürich stammen. Die Realisation der Méridien bei Deberny & Peignot fin­ det parallel für Fotosatz und Handsatz statt. Für Fotosatz Lumitype werden 1957 die vier Schnitte romain, itali­que, demi-gras und gras realisiert. Die amerikanische Pho­ton, welche die Schrift zur gleichen Zeit unter dem Na­­men Latine herausbringt, bezeichnet dieselben Schnitte mit Medium, Medium Italic, Bold und Extrabold. Der gewöhnli­che Schnitt im Handsatz wird ‹normal›, also wieder anders genannt. Er erscheint 1957, der fette 1958 und der halbfette Schnitt 1959. Den kursiven Schnitt gibt es im Handsatz vorerst nicht, er folgt erst 1966, obwohl er bereits 1958 in den ‹TM› angekündigt wird.13 Die einzelnen Zeichen der Méridien unterscheiden sich teilweise deutlich zwischen Handsatz und Fotosatz, aber

/20/

/21/

/22/

Im Vergleich zur Adobe Garamond (links) ist die Méridien mit den Halbserifen in den Ausläufen sehr gleich­förmig und hart.

Adobe Garamond mit Tropfenform beim y – mit horizontaler Fuss­ serife eher die Ausnahmen: Bembo italic, Candida, Méridien.

Im Handsatz (links) sind die beiden Buchstaben P und r leicht nach links geneigt; dies wurde bei Linotype geändert.

Hcjrfs Hcjrfs y y y y

Pr

/23/

/24/

/25/

/26/

Der schräge Abstrich beim R setzt wie üblich bei der Latine am Bogen an; unüblich ist aber der eckige und nicht runde Ansatz.

Der Anstrich beim a ist gleich dem Bogenende bei c und e ohne Halbserife – bei Linotype wurde das Minuskel-c aufgerichtet.

Der Übergang vom Stamm in den Bogen verläuft rund, die Punze ist vertikal-zentriert, wodurch das Minuskel-n eher statisch wirkt.

Die Méridien weist nicht gedrehte und gespiegelte Formen auf, b und q haben eine Ecke in der Innenform, d und p sind rund.

c /27/

/28/

/29/

/30/

Das Original der Méridien hat sehr kurze Unterlängen – bei Linotype wurden diese später verlängert.

Der Anschluss von Lang-s und Rund-s ist bei der Original-Version des ß (links) deutlicher als bei der fliessenderen Linotype-Version.

Die Tremata im Handsatz diffe­ rieren in der Grösse; bei Lino­type ist dies korrigiert, auch stehen sie weniger nah.

Formänderungen können satz­ technische oder ästhetische Gründe haben, beim Cedille von Linotype (unten) ist es Bequemlichkeit.

p

ß

Ää ÆæÇ

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W E R K S AT Z s c h R I F T

auch innerhalb des Fotosatzes zwischen Lumitype und Photon. Grosse Unterschiede gibt es auch zwischen den frühen Versionen und den nachfolgenden Adaptionen von Linotype und Bitstream. Besonders gut erkennbar sind die Unterschiede beim Minuskel-f, einerseits im Ver­ lauf und in der Breite des Bogens, andererseits in der Qualität des Querstrichs. Der f-Bogen, von Frutiger nur wenig ausragend gezeichnet, erscheint in der Version von Photon zu einer Karikatur verschmälert. Im normalen Schnitt der digitalen Version von Linotype ist der Bogen eben­­­­­falls viel zu eng, bei Bitstream etwas besser /34/. Unterschiedlich ist auch der Querstrich. In den ‹Origina­ len› (Handsatz, Lumitype, Photon) verjüngt Frutiger den Querstrich nach beiden Seiten hin und greift damit die Form der Serife auf. In den digitalen Adap­­­tio­nen ist da­­ von leider nichts mehr zu sehen, es ist nun ein paral­lel­ gezogener Strich /34/. Noch weit vielfältiger ist das Formenspiel bei der kursi­ ven Méridien. Der Vergleich der Minuskeln b d f p q zeigt unterschiedliche Bogen­verläufe und Winkel; kurze oder lange Anstri­che, ‹nur› betonte Enden der Unterlängen oder ausgeprägte Serifen /35/. Wahrscheinlicher Grund für die diversen Bogenverläufe und Winkel und damit für die differenzierenden Lettern­ breiten ist eine Anpassung an die Dickteneinheiten der verschiedenen Systeme. Ob auch gestalterische Gründe eine Rolle spielen, ist nach so vielen Jahren nicht mehr zu eruieren.

beim Lehrer Karl Schmid herkommt.14 Erst im Alter ist mir gedanklich klar geworden, dass an diesen Stellen ein neues Ansetzen des Stri­ches ist, dass dort der Strich einfach gerade aus dem Stamm herauskommt. Der schwierigste Buchstabe ist das g, es hat beim normalen Schnitt der Handsatz-Méridien vielleicht einen etwas grossen Kopf. Eigentlich sollten die Werte des oberen Innenraums, des Zwischenraums und in der Schlaufe optisch gleich sein; so wirkt das g ein bisschen zusammen­ gestaucht. Beim halbfetten und fetten Schnitt ist es besser ausgegli­chen, das geht wohl wieder auf den Graveur Mouchel zurück /31/. Das f und das j sind bewusst schmal gehalten, da war ich noch sehr stark vom Schriftguss beeinflusst /20/, Überhänge waren immer ein wenig proble­ matisch. Ob­wohl bei diesem schmalen f eigentlich keine Ligaturen nötig gewe­sen wären, habe ich trotzdem solche gezeichnet, es sind ganz eigenständige Formen geworden /33/. Bei der fiLigatur habe ich mir natürlich erlaubt, eine Tropfenform zu setzen, weil es ein i-Punkt war. Nun, da ich sie mir zum ersten Mal richtig anschaue – es ist trotzdem ein sehr schö­nes f, muss ich sagen. Die beiden Abstriche der fi-Ligatur sollten mindestens den gleichen Abstand haben wie das m. Vielleicht war das etwas breit, aber ich wollte den Rhythmus der Schrift nicht unter­­brechen, indem ich es schmaler machte. Die Ligaturen – aus gusstechnischen Gründen entstanden – wurden im Laufe der Zeit immer enger, so dass die Ligatur fast wie ein Einzelbuchstabe aussah. In meinen Augen sind sie oftmals deutlich zu eng. Am wichtigsten war mir bei der Méridien der gleichmässige Rhythmus. Der Gesamtein­ druck sollte aber nicht starr, sondern lebendig und organisch sein und damit lesefreundlich. Ich wollte, dass man beim Lesen das Gefühl hat, eher durch einen Wald zu gehen als durch eine Vorstadt mit sturen, geraden Häusern.

/31/

/32/

/33/

Beim normalen Schnitt im Handsatz (links) ist der Kopf des g zu gross, bei der Linotype-Version wurde dies korrigiert.

Neben Frutiger’s typischer Italic-Majuskelform ist im Handsatz alternativ auch die klassische Roman-Majuskelform erhältlich.

Die f-Ligaturen orientieren sich an der Breite des m; in der digitalen Version sind nur noch zwei der fünf Ligaturen vorhanden.

ggg

m

fifl

/34/

/35/

/36/

Das f normal, halbfett und fett: von oben nach unten – Handsatz, Fotosatz Lumitype und Photon, PostScript Linotype und Bitstream.

Kursive mit und ohne Serifen, von oben nach unten: Handsatz, Fotosatz Lumitype und Photon, PostScript Linotype und Bitstream.

Reinzeichnung, undatiert: Für die Lumitype sind Entwürfe einer ‹Schmalen Méridien› entstanden, die jedoch nicht realisiert wurde.

fff fff

bdfpq bdfpq

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/37/

Zweite Seite der vierseitigen Schriftprobe der Handsatz-Méridien demi-gras von Deberny & Peignot, Paris 1959.

/39/

Titelseiten der Schriftproben zur Méridien, im Handsatz: normal, gras 1958, demi-gras 1959 – die Gestaltung stammt von Rémy Peignot.

/38/

Umschlaggestaltung 1964 von Adrian Frutiger mit Satz in Méridien – Taschenbuchreihe ‹Miroirs de l’art› der Éditions Hermann, Paris.

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W E R K S AT Z s c h R I F T

/40/

Figurenübersicht der Méridien normal im Handsatz von Deberny & Peignot.

/41/

Ganzseitige Inserate (1957 unten , 1966 rechts): Im Handsatz kam die Méridien vorerst nur in drei Schnitten auf den Markt – die Kursive folgte, anders als bei der Lumi­type-Version, erst 1966.

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W E R K S AT Z s c h R I F T

Dualismus der Formen in der Natur Frutiger’s Blick auf die Formen in der Natur und beim Menschen prägen seine erste Werksatzschrift Méridien bzw. sein gesamtes Schriftschaffen. In den ‹Typografischen Monatsblättern› schreibt er: «Ein Abstrich in der Schrift, wel­cher nicht straff gerade, sondern lebendig eingebuchtet ist, lässt zwischen schwarzen Elementen und den dazwischen­­ liegen­­­den weissen alternative Formen entstehen, was einem Dualismus nachkommt, an den das Auge von der Natur her gewöhnt ist. Wir denken zum Beispiel an die Form der Bäume und sehen im Bild eines Waldes diesel­ ben feinen Kurven, die sich zwischen Wurzel und Ast am Stamme spannen und die zwischen den Bäumen ­konvexe Leerformen frei werden lassen, die man nicht eigentlich wahrnimmt, die je­doch in unserer visuellen Erfassungs­ fähigkeit vorhanden sind.»15 /18/ Auch der menschliche Fuss (Rist und Wölbung der Fuss­ sohle) ist Teil der Betrachtung. Zur Serifenform schreibt er weiter: «Die dreieckförmige Ausladung der Serifen unter­­streicht die Linie visuell stärker als die klassische Form von paral­lelen Serifen. Es muss beachtet werden, dass zwei spitze Serifen, die sich gegenüberstehen, die Form des Weiss­raumes, der zwischen oder innerhalb der Buch­staben liegt, besser zu einer formalen Gesamtheit bilden als zum Beispiel dicke, eckige Serifen, die im Zwi­ schenraum einen ­zapfenarti­gen Auswuchs an die Innen­ raumskulptur anhängen und dadurch die Einheit im ket­ten­­mässi­gen Ablauf eher unterbrechen.»16 /17/

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Meridien™ Linotype 6 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std XSF

ABC DE FG H I J KLM N OPQ RSTUVWXYZ & abc def gh i jk l m nopqr s tuvwxy z ß1234567890

Sie fragen sich warum es notwen dig ist, so viele Schriften zu r Verfügung zu haben. Sie dienen alle z um selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Di ese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Wein karte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different typefaces. They all serve the sa me purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wi ne. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the sam e year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nua nces that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets diff érents! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’ est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un j our, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de v ins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il e n est de même pour les caractères! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber ma chen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus de m selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleic he Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. 72 pt | –40

54 pt | –30

36 pt | –15

24 pt | –10

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You may ask why so many different type­­faces. Th ey all serve the same purpose but they expr ess man’s diversity. It is the same diversity w e find in wine. I once saw a list of Médoc wi nes featuring sixty different Médocs all of t he same year. All of them were wines but ea ch was different from the others. It’s the nu ances that are important. The same is true f or typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différen ts! Tous servent au même but, mais aussi à e

11 pt | 13 pt | 0

8 pt | 10.2 pt | 5

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Bold

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Schriftenvergleich  Eigenständigkeit zeichnet die drei unten gezeigten Schriften aus, sie passen weder richtig zur Renaissance-Antiqua (spitze Serifenform) noch zur Latine im Sinne der Weiterentwicklung des klassizisti­ schen ­Typus (schräge Schattenachse). Zum Vergleich mit der Méridien wird die Latine-ähn­liche Schrift Vendôme von François Ganeau herangezogen, sie ist mit dreieckigen, langen Serifen ausgestattet. Auch steht mit der Trump Mediaeval von Georg Trump eine im Grunde humanistische Schrift zur Betrachtung, deren Formen kantig und fast streng wirken. Ihre Serifen sind relativ kräftig, auch hier bilden die dreieckige Form und die Länge der Serifen das verbindende Element. Deutlich fallen Symmetrie und Ruhe der Méridien auf, was auf die Ausgewogenheit der Punzen zurückzuführen ist. Besonders wird dies im Minuskel-a sichtbar, welches bei der Vendôme kontrastierend ist – im Vergleich zur oberen Punze hat es einen klei­nen Bauch. Die Symme­­trie der a-Form bei der Trump Mediaeval wird durch die ab­ geflachte Ecke im Bogen durchbrochen. Die Méridien gewinnt ihre verhaltene Dynamik aus den gekehlten Serifen und den gebogenen Stämmen, wohin­ gegen die lebendige Dynamik der Vendôme hauptsäch­ lich von den leicht nach rechts gerichteten Zeichen her­ rührt sowie von den spitz zulaufenden Linien, zum Bei­ spiel bei R und J. Die Trump Mediaeval lebt mehrheitlich von den bereits erwähnten Brüchen in den Rundungen, sicht­bar beim a e oder n.

/42/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Méridien.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.43 Hs = 1.36 Hq = 0.62

nh = 7.23 cm nw = 6.33 ns = 1.21 nq = 0.62

oh = 7.78 cm ow = 7.43 os = 1.43 oq = 0.34

Hh : Hw = 1 : 0.74 Hw : Hs = 1 : 0.18 Hs : Hq = 1 : 0.45

nh : nw = 1 : 0.87 nw : ns = 1 : 0.19 nh : oh = 1 : 1.08 nw : ow = 1 : 1.17

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/43/

Im Vergleich zu den anderen zwei Schriften wirkt die Méridien feiner; sie hat weniger eigen­willige Buchstabenformen sowie eine höhere x-Höhe.

Hofstainberg Vendôme François Ganeau 1951

Hofstainberg Méridien Adrian Frutiger 1954

B J K a b p y 37

B J K a b p y 37 B gekehlte Horizontalen

Hofstainberg Trump Mediaeval Georg Trump 1954

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W E R K S AT Z s c h R I F T

J Bogen endet mit Halbserife

K schräger Abstrich nicht geschwungen

a Bogen ohne Serife oder Tropfen, Serifen gekehlt

b keine Fussserife

p Verbindung rund, Innenform symmetrisch

y horizontale Fussserife

37 Form offen, diagonal

B J K a b p y 37

/44/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

Roman Medium Bold Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00

Hw 7.43 = 1 8.32 = 1.12 9.50 = 1.28 7.13 = 0.96

Hs 1.36 = 1 1.82 = 1.34 2.42 = 1.78 1.09 = 0.80

Hq 0.62 = 1 0.86 = 1.39 1.07 = 1.72 0.62 = 1

HHH H 13.5°

/45/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−35

5.4

135 110 73

5.1

Vendôme 43.2 pt

10 −34

4.7

Méridien 45.8 pt

134 111

HÔhxp7

1.00

5.4 10

HÔhxp7

1.00

133 100 65

68

6.3 10

−31

4.6

Trump Mediaeval 40.9 pt



M É ri d ie n

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Schriftnamen Garamont, Janson,  Baskerville, Caslon,  Perpetua, Times,   Bodoni, Sphinx u. a.

Arbeitgeber Deberny & Peignot

Zeichner Adrian Frutiger, Ladislas Mandel u. a.

Entwurf  | Herausgabe ab 1954 | ab 1957

Satztechnik Fotosatz Lumitype

Hersteller – Deberny & Peignot

Schnitte 40–50

Caractères Lumitype Die Franzosen Louis M. Moyroud und René A. Higonnet stellten 1949 in New York ihren Proto­ typen für eine elektromechanische Fotosetzmaschine vor /35/. Daraufhin wurde zur Finanzie­ rung der Weiterentwicklung die Graphic Arts Research Foundation in Cambridge, USA, gegrün­ det.1 Charles Peignot, welcher vom Projekt Photon-Lumitype Kenntnis hatte, beschloss, die Fertigung und den Vertrieb für Europa zu übernehmen. Bis der Vertrag unterschrieben war, gab es aber noch einiges zu regeln.2 Als Peignot mich 1952 einstellte, wusste er also bereits, dass er bald jemanden brauchen ­würde, der ihm Schriften für die neue Maschine zeichnete. Im März 1954 wurde mit dem Zu­ sammenbau der ersten nach Paris gelieferten Photon begonnen, deren Einzelteile direkt aus Amerika kamen. Diese Maschine zeigte Deberny &  Peignot im Mai 1954 am ‹Salon International des Techniques Papetières et Graphiques› TPG in Paris /43/. In einem Inserat hiess es: «La Com­ po­seuse Photo­graphique Lumitype (Photon aux USA)». Es war noch keine Lumitype, son­dern die amerikanische Photon.3 Wir konnten nicht so bald schon eine eigene Maschine plus Schrift­ scheibe für den französischen Markt erarbeiten, denn das war ein sehr grosses Unterfangen, ausserdem mussten Teile der Maschine erst an europäische Verhältnisse angepasst werden, zum Beispiel die Zeichenbelegung und die Tastatur. In solchen Dingen unterschieden sich die amerikanische Photon und die französische Lumitype. Insgesamt waren sie sich aber gleich, deshalb wurde auch oft die Bezeichnung Photon-Lumitype gebraucht. Die erste in Frankreich gefertigte Lumi­type wurde am Salon TPG 1956 in Paris präsentiert /44/ und ein Jahr später in der Schweiz an der ‹Gra­phic 57› in Lausanne. An diesem Anlass wurde zudem von Charles Peignot die ‹Associa­tion Typographique Internationale› ATypI 4 gegründet. Wir hatten bei Deberny &  Peignot die Photon stehen, auf dieser wurde ausprobiert und daran sind Änderungen gemacht worden. Die Photon-Schriftscheiben enthielten acht Reihen mit jeweils zwei Schriften, also insgesamt 16 Schriften. Durch die zwölf möglichen Schrift­ grössen standen mit einer Scheibe jederzeit mehr als 17 000 Schriftzeichen zur Verfügung. Für die Lumitype machten wir auf der innersten Reihe Sonderzeichen und fliegende Akzente, eine Scheibe bestand dann aus 14 Alphabeten plus eine Reihe Sonderzeichen /01/. Man besass eine richtige kleine Setzerei mit fan­tastischen Möglichkeiten für komplizierten Werksatz und Schrift­mischungen aller Art. Der Fotosatz brachte tief greifende Veränderungen in die Setze­ reien und in die Druckereien: Eine Schriftscheibe ersetzte mehrere Setzkästen voller ­Bleilettern, leichte Filmbelichtungen ersetzten tonnenschweren Bleisatz. Charles Peignot bestimmte das Schriftenprogramm der Lumitype und ich war von Anfang an verantwortlich für das Umzeichnen, er hat sich ganz auf mich verlassen. Er hatte anderes zu tun und war froh, dass er mir den ganzen Schriftenbazar übergeben konnte. Zu allererst entwickelte ich damals ein Nummernsystem /03/, denn Namen kamen nicht in Frage. Ich ­kannte die Klassifikation mit den Stilbezeichnungen von Maximilien Vox /04/, und es war eine geniale 74

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Allgemeines zur Lumitype Die Idee, Text mittels Foto­ grafie zu setzen, wird vom Amerikaner Michael Alisoff bereits 1870 formuliert, und das erste Patent für fotogra­ fischen Satz wird 1893 in England an Arthur Ferguson erteilt. Zahlreiche Versuche und Patente folgen, beispielsweise die Uher-Type von Edmund Uher, welche in wenigen Satz­ studios installiert wird und für die Jan Tschichold in den 1930er Jahren einige Schriften zeichnet. Oder die Roto­ foto von George Westover, die in den 1940er Jah­ren pro­ ­­duktionsreif wird, aber nie in den Verkauf kommt. Bereits in den 1930er Jahren will Westover das Monotype-Sys­ tem auf den Fotosatz adaptieren, aber die Firma ­hat kein Interesse. Erst ab 1944 engagiert sie sich und bringt 1952 die Monophoto auf den Markt. Der Fotoset­ter von Inter­ type ist eine weitere Maschine, welche kommerzialisiert wird; zwischen 1950 und 1955 werden in Amerika um die 100 Exemplare verkauft. Alle diese Maschinen basieren auf dem Ersatz der Blei- durch fotografische Matrizen. Sie werden als ‹erste Generation› bezeichnet und in den 1960er Jahren nicht mehr weiter verfolgt. Die zweite Methode basiert auf der Entwicklung neuer Techniken zur Schriftspeicherung auf auswechselbaren Medien und einfacher binärer Systeme zur Steuerung der Befehle. Auf diesem Weg, genannt ‹zweite Genera­ tion›, bewegen sich Higonnet und Moyroud bei der Ent­ wick­lung der Photon-Lumitype. Im Jahr 1944 wird das erste Patent an sie vergeben, über 80 folgen im Lauf der Zeit, viele nach ihrer Auswanderung 1948 in die USA. 1951 wird die Photon 100 lanciert, auf welcher 1952 das erste vollständig auf einem Fotosatzgerät gesetzte Buch ‹The Wonderful World of Insects› hergestellt wird.5 Eine solche Maschine wird auch nach Paris geliefert und bil­ det die Basis für die Entwicklung des französischen Typs der Photon-Lumitype.6 1956 folgt die Lumitype 200, die erst­mals bei Berger-Levrault in Nancy installiert wird, da­ nach die mit Lochstreifen gesteuerte Version 500 so­­wie weitere, verbesserte Modelle. Erwähnt seien die Lumi­zip (1959), die schnellste Maschine, mit welcher 1– 2 Mil­­lio­­nen Zeichen pro Stunde gesetzt werden kön­nen, und der Pacesetter, die meistverkaufte Maschine. Auch werden die neuen Modelle laufend den techni­schen Entwicklun­ gen wie CRT und Laser angepasst. Photon ist für kurze Zeit Marktführer, aber die finanzielle Situation ist desolat. 1975 wird Photon von Dymo ­Graphic Systems aufgekauft.7

/01/

Schriftscheibe der Lumitype 200: Auf sieben Ringen sind 14 Schriften angeordnet, der innerste Ring enthält Sonderzeichen und fliegende Akzente.

/02/

Das Logo Lumitype visualisiert einerseits das Fotosatzobjektiv und andererseits die Schriftscheibe – Entwurf von Rémy Peignot, 1960.



Cara c t È res L u m it y p e

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Idee von ihm, denen einfach einen Namen zu geben – für ein internationales Unternehmen war das aber nicht praktikabel. Deutsche oder Engländer konnten mit den Begriffen ‹Garalde› und ‹Didone›8 über­haupt nichts anfangen. Problematisch war zudem das eindeutige Benennen der einzelnen Schrift­schnitte. Es gab das Nummernsystem von Monotype, was niemand verstand und wirklich ein Durcheinander war. Auch das Nummernsystem der Photon war nicht besser. Für mein Nummernsystem war mir wichtig, klar zwi­schen zum Beispiel einer humanistischen und einer klassizistischen Antiqua unterscheiden zu können. Anstelle von Begriffen verwende­ te ich also Nummern. Peignot bedauerte, dass die Stilbezeichnungen von Vox /04/ nicht mehr vorkamen, aber er sah sofort ein, dass eine andere Möglichkeit als Begriffsbezeichnungen ge­ funden werden musste für eine international leichtverständliche Kommunikation. Ich bin auch zu den Verkäufern gegangen und habe ihnen erklärt, wie mein Nummernsystem aufgebaut ist. Das hat ihnen sofort eingeleuchtet, dass damit die Bestellungen und der Briefverkehr gut funk­tionieren. Sie fanden das als Verkaufstechnik eine ideale Form. Das Nummernsystem hatte ich bereits fertiggestellt, als ich die Schriftarten einteilte – es bestand aus drei plus zwei Ziffern /03/. Die erste Ziffer der dreistelligen Zahl benennt die Klassi­ fikationsgruppe. Die Gruppe 100 war für alle handschriftlichen Antiqua inklusive der gebroche­ nen Schriften vorgesehen, Gruppe 200 für die humanistischen Schriften. Alle RenaissanceAntiqua kamen in die Gruppe 300, alle Übergangsschriften in die 400 und die klassizistischen Antiqua in die 500. Gruppe 600 beinhaltete die Egyptienne, 700 die Grotesk. In die 800er ­Gruppe kamen die Inzisen, in die 900er die Skripten. Die zweite und dritte Ziffer der dreistelligen Zahl unter­teilte die Schriften in klassische und neue. Die Zahlen 01 bis 50 waren den klassischen Schriften vorbehalten, 51 bis 99 den neuen. Die zweistellige Zahl hinter dem Divis ­bezeichnete

/04/

Druckschriftenklassifikation von Maximilien Vox 1954 mit 10 Grup­­pen: Basis für Frutiger’s Lumitype-Klassifikation.

/03/

Druckschriftenklassifikation für die Lumitype mit 9 Gruppen: Schreiben von Adrian Frutiger, datiert 14. 6.  1954.

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Médièves Humanes Garaldes Réales Didones Simplices Mécanes Incises Manuaires Scriptes

Klassifikation Lumitype Das wichtigste Dokument zum Verständnis der Lumitype-Schriftenklassifikation, datiert vom 14. 6. 1954, ist eine Ab­hand­lung von Adrian Frutiger mit Berechnungen der Schrift­­grössen für Lumi­type und mit seiner numerischen Schriftenklassifikation /03/. Das Dokument 9 belegt, dass das berühmte Univers-Schema eigent­lich vom ‹Lumi­type-Schema› abstammt. Mit dem Nummernsystem weist Frutiger jedem Schrift­ schnitt eine dreistellige sowie eine zweistellige Nummer zu. Die Hunderterstelle der ersten Zahl gibt den Schrift­ stil an, zum Beispiel 500 für die Gruppe ‹Didones› (klas­ sizistische Antiqua). Dies ermöglicht in jedem Schriftstil 99 Schriften. Die Zehner- und Einerstellen von 01 bis 50 sind reserviert für klassische Schriften, von 51 bis 99 für neue Schriften. Mit der fortlaufenden Numme­rierung ist gleichzeitig die Abfolge der Herstellung, wenn auch nicht immer präzise, gekennzeichnet. Die zweistellige Zahl nach dem Bindestrich bezeichnet die Breite, Fette und Lage eines Schriftschnittes. Die Zehnerstellen geben die Fette an: von 30 fein bis 80 extrafett, die Zahl 90 ist für Zierschnitte, beispielsweise schattierte Schnitte, vorgesehen. In den Einerstellen sind die Breite und die Lage fest­­­ge­­halten: von 1 eng bis 9 extrabreit; ungerade Zahlen stehen für aufrechte Schnit­ ­te, gerade Zahlen für kursive Schnitte. Ohne das oben erwähnte Dokument wäre die LumitypeKlassifikation nicht vollständig nachvollziehbar. Denn im Lumi­type-Katalog von 1961 wird auf die Stilbezeichnun­

Schriften des Mittelalters und früher Schriften des Typus Jenson Schriften des Typus Aldus und Garamond Schriften des Typus Fournier und Baskerville Schriften des Typus Didot und Bodoni Schriften ohne Serifen Schriften mit betonten Serifen Schriften hergeleitet von Inschriften Schriften mit handschriftlichem Duktus Schriften hergeleitet von Schreibschriften

gen vollständig verzichtet und ganz auf das Nummern­ system vertraut /13/. Im Katalog sind jedoch nur in fünf von neun Gruppen Schriften enthalten. Nicht ganz ver­ ständlich erscheint im Nachhinein, wann eine Schrift als klassisch und wann als neu bezeichnet wird. So wird Eric Gill’s Perpetua von 1928 als klassisch eingestuft, Stanley Morison’s Times Roman von 1932 sowie die Clarendon ­(Num­­­­mer 653), ursprünglich eine Schrift aus dem 19. Jahr­ hundert, hingegen als neu. Frutiger’s numerische Schriftenklassifikation basiert auf der Schriftenklassifikation von Maximilien Vox aus dem Jahr 1954, hat jedoch nicht zehn, sondern nur neun Grup­ pen. Die zwei Gruppen ‹Médiè­ves› und ‹Manuaires› bei Vox /04/ werden bei Frutiger zu einer Gruppe zusammen­ geführt, zudem benennt er die Stile teilweise anders /03/. Ebenfalls neun Gruppen enthält die von Vox im Jahr 1955 publizierte Klassifikation /05/. Auch stim­­men die Stilbe­ zeichnungen mit denen Frutiger’s ­überein, jedoch sind die ‹Manuai­res› bei Frutiger an erster Stelle, bei Vox an zweitletzter zu finden. Vox verzichtet damit auf seine ursprüngliche historische Abfolge mit den goti­schen Schrif­ten als früheste Druckschriften in der ersten Grup­ ­pe, da gebrochene Schriften Mitte des 20. Jahr­hun­derts kaum mehr im Gebrauch sind. Die 1963 ein weite­res Mal überarbeitete ‹Classification Vox› /06/ ist so­­dann Grund­ lage mehrerer nationaler Druck­schrif­ten­klassi­fika­tionen, unter anderem der Klassifikation der Deutschen IndustrieNorm DIN 16518 /07/.10

die Fette, Breite und Lage einer Schrift. So bekam zum Beispiel der normale Schnitt der Renais­ sance-Antiqua Garamont die Nummer 301-55, die Kursive die Nummer 301-56 /13/. Zuerst gab es also das Nummernsystem für die Lumitype. Nachher habe ich dieses System mit Freude für die Univers abgewandelt. Einen meiner ersten Vorträge hielt ich an der École Estienne in Paris. Als ich das Nummernsystem der Univers vorstellte, gab es einen riesigen Applaus. Dann bin ich zum System der Klassifikation gekommen und es folgte ein richtiges Aufbegehren. Du liebe Zeit, was da alles zum Vorschein gekommen ist, ‹stumpfsinnig› und ‹unrealistisch› wurde es genannt; die Franzosen waren der Meinung, die Klassifikation von Vox sei das Beste auf der Welt. Mit dem Vorhaben Lumitype war ein Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr alles allein machen konnte und Leute einstellen musste, denn es gab viele klassische Schriften auf die Lumitype anzupassen. Lucette Girard, eine Schülerin von mir aus dem ersten Kurs, den ich an der École Estienne gab, war eine der ersten Mitarbeiterinnen. Ich sah ihr Talent und konnte sie für ein halbes Jahr zu Walter Käch nach Zürich schicken, damit sie die gleiche Schulung der Hand bekam wie ich. Sie zeichnete zusammen mit mir alle Normalschnitte der Univers. Mit Tusche und Deckweiss, wie man es früher immer gemacht hat. Ende 1954 trat Ladislas Mandel bei Deberny &  Peignot ein und hat eine ganz neue Methode zum Zeichnen eingeführt, den Schabkarton. Ich habe das angenommen, weil ich gesehen habe, dass es auch gut heraus­ kommt. Ein weiterer früher Mitarbeiter war Albert Boton. Er hat mit der schmalen Univers begonnen, da diese einfacher zu zeichnen war. Später wurde er einer meiner besten Zeichner. Ausserdem waren da noch Robert Meili und Annette Celsio, die Schwester meiner Sekretärin. Sie war zunächst eine Art Handlangerin und hat anfangs nur die Schriftzeichnungen mit

/05/

Druckschriftenklassifikation von Vox 1955 mit 9 Gruppen: die ‹ Médièves › sind nun bei den ‹ Manuaires › eingeordnet.

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Schriftenklassifikation von Vox 1963 mit 9 Gruppen, jedoch anders angeordnet und leicht andere Reihenfolge.

/07/

DIN-Klassifikation 16518 von 1964 mit 11 Gruppen: Die Grundlage – ohne Einbezug der Namen – bildet die ‹Classification Vox› von 1963.

I II III IV V VI VII VIII IX X XI

Venezianische Renaissance-Antiqua (Typus Jenson) Französische Renaissance-Antiqua (Typus Aldus / Garamond) Barock-Antiqua (Typus Fournier / Baskerville) Klassizistische Antiqua (Typus Didot / Bodoni) Serifenbetonte Linear-Antiqua (Egyptienne) Serifenlose Linear-Antiqua (Grotesk) Antiqua-Varianten Schreibschriften (Schönschriften) Handschriftliche Antiqua Gebrochene Schriften Xa Gotisch (Textura) Xb Rundgotisch (Rotunda) Xc Schwabacher Xd Fraktur Xe Fraktur-Varianten Fremde Schriften (nicht lateinische Schriften)



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Liste der im Februar 1955 lieferbaren Schriften zur Fotosatzmaschine der amerikanischen Photon Inc. /09/

Schriftschnitte aus der Broschüre ‹La Lumitype›, ca. 1957 – gezeigt werden jedoch Photon-Schriften und keine von Lumitype.

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Titel- und Innenseite der LumitypeBroschüre (undatiert, ca. 1957) – ausser der Méridien werden nur Photon-Schriften verwendet.

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Schriftmischungen des gleichzeitigen Zugriffs auf 14 Alphabete von 5 bis 28 pt – Satzbeispiel aus dem Katalog von 1961.

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Möglichkeiten der Photon-Lumitype «Diese Scheibe ersetzt 3 Tonnen an Matrizen […], sie wiegt 1000 Gramm und hat einen Durchmesser von 20 cm.»11 Das Zitat aus der Broschüre ‹La Lumi­­type› /10/ verdeutlicht die fantas­ tischen Möglich­keiten der Photon-­Lumitype. So können gleichzeitig 16 bzw. 14 Schriften miteinander kombiniert und mit automatischem Ausrichten auf der Schrift­linie in der Schriftgrösse von 5 bis 28 pt vari­iert werden /11/. Mit den 80 Zeichen pro Schrift und durch Verringern der Laufweite lassen sich zudem Muster erstellen. Erste gedruckte Anwendungen mit Lumitype-Schriften sind nicht vor 1956 oder gar 1957 entstanden, zumindest lassen die Unterlagen diesen Schluss zu. Der Umschlag der Lumitype-Broschüre zeigt die französische Zeichen­ belegung der Schriftscheibe – sie enthält jedoch PhotonSchriften. Die Satzbeispiele weisen ebenfalls keine Lumi­ type-Schriften auf /10/. Einzig Frutiger’s Méridien in den Schnitten romain und demi-gras ist – in Beispielen und als Lesetext – enthalten. Französischer Satz bedingt verständlicherweise eine an­ ­­dere Zeichenbelegung als die englische Sprache auf der Schriftscheibe wie auf der Tastatur. Untergebracht wer­­ den muss insbesondere eine stattliche Anzahl Akzent­ buchstaben, was nicht ohne Ver­­zicht anderer Zeichen geschehen konnte. Weggelassen werden unter an­­de­­rem die f-Ligaturen. Bei der Lumitype 200 werden sie wie­­der aufgenommen /13/. Fliegende Akzente 12 lassen zudem den Satz weiterer westeuropäischer Sprachen zu.

­Tusche ausgefüllt, aber mit der Zeit entwickelte sie sich zu einer wirklich guten Kraft. Zusam­ men waren wir schon ein feines Team. Die ersten Schriften, die wir für die Lumitype gemacht haben, waren klassische wie die Garamont und Bodoni. Danach kamen Baskerville und Janson sowie Caslon und Perpetua /13/. Die Frage nach der Grotesk tauchte zwar ziemlich früh auf, aber man verschob das noch. Doch in meinem Kopf hat das natürlich schon zu arbeiten begonnen zu dieser Zeit. Die dringlichste Aufgabe aber war die Übertragung der gebräuchlichsten Schriften, die Arbeit daran dauerte mindestens zwei Jahre. Als Vorlagen nahm ich meistens die Monotype-Blei-Versionen.13 Das waren die besten Schriften damals, wie ich fand. Im Gegensatz zu jenen der Linotype. Diese hatten ästhetische Einschränkungen durch die Doppelmatrizen, wodurch der normale Schnitt zusammen mit dem kursiven oder halbfetten Schnitt auf einer Matrize kombiniert und damit gleich breit war. Erst Hermann Zapf legte mit seinen für die Buchtypografie geschaffenen Schrif­ ­ten Palatino und Aldus den Grundstein dafür, dass Lino­type eine gute Satzmaschine für Bücher wurde. Noch heute sind viele deutsche Taschenbücher in der Schrift Aldus gesetzt. Für die Garamont /16/ (bei Deberny &  Peignot mit t geschrieben 14) übernahm ich allerdings den Hausschnitt unserer Giesserei als Vorlage. Er stammte von Georges Peignot, dem Vater von Charles. Die Kursive ist sehr schön, weltweit sicher eine der besten. Bei der Arbeit an diesen klassischen Schriften habe ich viel gelernt. Sie mussten ja alle neu gezeichnet werden. Beim Nachzeichnen und Korrigieren kam wohl unbewusst immer ein Stück von meinem eige­ nen Formempfinden mit dazu, obwohl ich mich dabei als Werkmann empfand, der Schriften an ein ganz bestimmtes System anzupassen hatte, und gar nicht als ‹Künstler›. Eines muss ich aus heutiger Sicht sagen: Ich war im Grunde nicht der geeignete Mann, klassische Schriften

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Innentitel des Schriftenkataloges ‹Caractères Lumitype›, 1961 – die Fotografie zeigt einen Ausschnitt der Schriftscheibe mit Univers.

/13/

Schriftenverzeichnis der 1961 lieferbaren Lumitype-Schriften – die Nummerierung ist zugleich Schriftklassifikation.



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für den Fotosatz zu zeichnen. Das fiel mir aber erst auf, als ich später klassische Schriften für den Fotosatz der D. Stempel AG / Linotype umzeichnen sollte. Ich schlug ihnen vor, die Baskerville zu nehmen, die ich schon für die Lumitype gemacht hatte /13/. Horst Heiderhoff, der künst­ lerische Leiter der D. Stempel AG, zeigte mir ein Blatt, auf welchem ihre Baskerville im Vergleich zu der meinen stand, und sagte, in meiner sei zu viel ‹Frutiger› drin. Er hatte Recht, man hat gut gespürt, dass meine nicht nach 18. Jahrhundert riecht, sie war viel zu breit und offen. Mein Blick ging immer in die Zukunft. Ich habe nicht die historischen Originale genau studiert, wie zum Beispiel Robert Slimbach, der für seine Adobe Garamond im Plantin-More­ tus-Museum in Antwerpen die alten Schriften verglichen hat. Nebenbei bemerkt, stand Slim­ bach 1988/89 mit dem modernen Kurvenprogramm auch eine bessere Technik zur Verfügung. Lumitype – das war die Kindheit des Fotosatzes. Bei den gegebenen technischen Vorausset­ zungen wären alle Feinheiten, die den Historikern wichtig sind, überhaupt nie zum Vorschein gekommen. Man kann vielleicht sagen, ich sei mit wenig zufrieden gewesen, trotzdem hatte ich das Gefühl, meine Arbeit richtig gemacht zu haben. Die Resultate der Lumitype waren denn auch vergleichsweise anständig, wenn man an die vektorisierten Treppchen der Kathoden­ strahl-Schriften der Siebzigerjahre denkt (siehe Seite 275). Ich habe versucht, beim Zeichnen der klassischen Schriften so rücksichtsvoll wie möglich zu sein, und war bemüht, aus der neuen Technik das Beste herauszuholen. Einen historischen Wert haben die Schriften gleichwohl nicht. Es ist falsch, Vergleiche zu ziehen, denn es war erst rund dreissig Jahre später mit dem Kurvenprogramm möglich, wieder schöne, klassische Schriften herzustellen. Ich habe lieber nach vorne geschaut, die Schönheit der Univers war mir wichtiger als die der klassischen Schriften. Aber auch die Univers war für mich ein Leidensweg.

Schriftensortiment Lumitype Eine Absprache über das Schriftensortiment zwischen der amerikanischen Photon Inc. und Deberny & Peignot findet nicht statt. Zwar wer­ den die Méridien, unter dem Namen Latine, sowie die Univers auf die Photon übernommen, bei den klassischen Schriften wie Garamont, Caslon, Baskerville und Bodoni zeichnen beide jedoch eigene, den nationalen Gewohn­ heiten entsprechende Varianten. In einem Schreiben der Photon wird deren Garamond als Cambridge Ga­ramond /09/ bezeichnet im Unterschied zur Paris Garamont 15 /13/ der Lumitype. Den umgekehrten Weg geht die Times, sie kommt von der Photon auf die Lumitype.16 Aus diesem Grund ist hier keine Übereinstimmung mit der ein­heit­ lichen Versalhöhe der Lumitype-Schriften vorhan­den.17 Bei beiden Herstellern – und in der Nachfolge von Lumi­ type bei der International Photon Corporation – wird das Sortiment laufend erweitert. Meist sind es Werk­satz­ schrif­­ten, aber auch Konsultationsschriften für sehr klei­ ne Schriftgrade sowie nichtlateinische Schriften.18 Von wem genau welche Umzeichnungen vorgenommen werden, ist bei den klassischen Schriften für die Lumi­type kaum mehr zu eruie­ren. Neben Adrian Frutiger, der als künstlerischer Leiter für die Qualität der Schriftadap­ tionen verantwortlich ist und einige Schriften selbst um­ zeich­net, sind die ebenfalls Mitte der 1950er Jahre bei Deberny & Peignot tätigen ­Lucette Girard, Ladislas Man­ del, Annette Celsio, Albert Boton und Robert Meili mass­ geblich daran beteiligt.19

/14/

Garamont 301-55 und 301-56 sowie Janson 302-55 mit Kapitälchen und 302-56 aus dem Lumitype-Katalog von 1961.

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Vergleich zwischen der amerikanischen Photon-Garamond (links) und der französischen LumitypeGaramont.

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Vergleich zwischen der Garamont für Handsatz von Deberny &  Peignot ( oben ) und der LumitypeGaramont, aufrecht und kursiv.

Im Gespräch gibt Adrian Frutiger an, dass als Grundlage für die Umzeichnung der klassischen Schriften Vorlagen von Deberny & Peignot und Monotype verwendet wer­ den. Dass Georges Peignot’s Garamont zur Anwendung kommt, ist offensichtlich. Bei der Lumitype­Bodoni hin­ gegen ist keine wirkliche Verwandtschaft mit einem der beiden Hersteller zu erkennen, zu unterschiedlich sind einige prägende Buchstaben. So sind A M S offener ge­ halten /17/, das G ist geknickt und nicht rund im Übergang vom Bogen zum Abstrich /18/, die Diagonale beim N ist links etwas nach unten versetzt und rechts endet sie nicht in einer Spitze, was die beiden dreieckigen Punzen in den Proportionen angleicht /19/. Ferner hat das W nicht die gewohnten überkreuzten V­Formen /21/. Dies alles sind Merkmale, welche sichtlich Adrian Frutiger’s Formenverständnis widerspiegeln. Unterschiedlich ist auch die 4, bei der die Serife am Querstrich ebenso fehlt wie der Endschwung bei der 5 /23/. Sehr ungewöhnlich ist das kursive g, welches in der Lumitype­Bodoni nicht wie üblich die doppelschlaufige Form aufweist /22/. Hat Adrian Frutiger vielleicht Giambattista Bodoni’s ‹Manuale Tipografico› von 1818 studiert? Dort kommt die einschlau­ fige g­Form, wenn auch sehr selten, vor.20 Die Lumitype­Version der Bodoni ist ausgewogen und geradlinig, kühl und elegant. Die für Bodoni’s Schriften eigentlich typische Grazie ist jedoch nicht enthalten, wie leider bei den meisten Adaptionen.21

Was musste ich für Verstümmelungen anfertigen, damit es auf der Lumitype überhaupt nach etwas aussah! Riesige Einschnitte im V und im W waren nötig, damit diese offen blieben /29/. Auch musste ich beinahe Serifen anbringen, um abgerundeten Ecken vorzubeugen – was das im Entwurf für Leberwürste waren anstelle einer Grotesk! Der Arbeitsablauf war folgendermassen: Zuerst setzte mir einer der Schriftsetzer bei Deberny & Peignot das jeweilige Alphabet in der Grösse von 10 pt. In diesen Alphabetsatz waren 1­pt­Messinglinien eingefügt, um die Dickte sichtbar zu machen. 10 pt war eine gute Grösse, weil die Lumitype auf Werksatz angelegt war. Gesetzt werden konnte vorerst von 5 bis 28 pt, vor Erscheinen des Lumitype­Katalogs 1961 gar bis 48 pt. Zusammen mit dem für die Schrift­ scheiben verantwortlichen technischen Zeichner und Fotografen Monsieur Bernard arbeitete ich dann die Vergrösserungen aus, welche als Vorlage für die Schriftscheibe dienten. Als Zweites legte ich die Versalhöhe fest. Alle Lumitype­Schriften, die breiten wie die schmalen, sollten eine einheitliche H­Höhe haben. Mit den Kleinbuchstaben wäre das nicht gegangen, die x­Höhen waren zu unterschiedlich, das hätte ein verfälschtes Bild ergeben. Für die Versalhöhe wählte ich 11 Einheiten als festgelegtes Mass. Zusammen mit Ober­ und Unter­ länge waren es 18 Einheiten in der Höhe und mit den 18 Einheiten in der Breite ergab dies ein Quadrat /25/. Das breiteste Ausmass aus dem Katalog mit den Bleisatzschriften hatte die Sphinx, eine sehr fette, klassizistische Schrift /27/. Die schmalste war wohl irgendeine Grotesk. Von beiden nahm ich den Durchschnitt und legte als Höhe 11 cm fest. 12 cm wären zu viel gewesen für die breiteste und 10 cm wären zu wenig gewesen für die schmalste. Mit einem Raster (1 Ein­ heit gleich 1 cm) zu arbeiten, war mir wichtig. Alle Lumitype­Schriften wurden in diesen Raster eingepasst. Dies war mein Hang zur Logik, denn es vereinfachte auch das Vergrössern.

/20/

/17/

/18/

/19/

Gegenüber Bodoni’s Originalen oder der Berthold-Bodoni (links) wirken die Lettern A M S der LumitypeBodoni 501-65 sehr breit und offen.

Untypisch für die Bodoni, hingegen typisch für Frutiger ist in der Punze der eckige Übergang von der Rundung zum Schaft.

Frutiger gleicht beim N die Punzen an, indem er die Diagonale nach unten versetzt und rechts nicht in den Spitz laufen lässt.

AM S

G

N

/21/

/22/

/23/

Überkreuzte V-Formen entsprechen nach Ansicht Frutiger’s nicht dem ursprünglichen Formenkanon des Majuskelalphabets.

Die schlichtere Kursivform der Lumitype-Bodoni ist ungewohnt – sie kommt in Bodoni’s ‹Manuale Tipografico› nur höchst selten vor.

Beim Querstrich der Ziffer 4 lässt Frutiger die Serife weg, bei der 5 ist der Querbalken zum Ende hin weniger geschwungen.

W

gg

45

Im Vergleich drei Schnitte der Bodoni 501 und der in den Haarstrichen und Serifen leicht verstärkte Schnitt Bodoni 504.

c A R AcT È R E S Lu m I T y p E

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Das Einheitensystem basierte damals bei allen Setzmaschinen, die neu erstellt wurden, nach dem Beispiel von Monotype auf dem 18-Einheiten-System. So auch jenes der Photon. Ich fand das jedoch zu wenig und sprach mit dem Ingenieur René Gréa darüber, dass man mit 18 Ein­­heiten kein schönes Schriftbild machen kann. Ich erklärte ihm, dass f t r und manchmal sogar das i bei der Monotype die gleiche Anzahl Einheiten hätten und dass dies einfach nicht ­richtig sei. Gréa war ein ganz verständnisvoller Mann mit einem Gespür für künstlerische Fein­heiten. Über meinen Wunsch nach halben Einheiten dachte er kurz nach und meinte dann, das sei doch kein Problem, er würde einfach ein Zahnrädchen mehr einbauen. Nach einem Tag mit Versuchen hatten wir die Halbeinheiten; das war ein riesiger Vorteil, denn damit konn­ten wir insgesamt feiner nuancieren. Angefangen haben wir mit vier Einheiten für das i, vierein­ halb für f und fünf Einheiten nahmen wir für t /28/. Wir haben auch das u etwas schmaler ge­ macht als das n, was ästhetisch besser ist, weil beim u das Licht von oben hineinfällt. Dank den Halbeinheiten konnten wir zudem mit fliegenden Akzenten arbeiten. Ich habe die Akzente so gezeichnet, dass sie immer genau auf Mitte standen, ganz gleich ob es eine Breite, eine Schmale oder eine Kursive war. Diese Idee mit den Halbeinheiten war aber nicht von Anfang an da. Die grosse Arbeit von Gréa war die Organisation des Baus und die Anpassung der Maschine an die europäischen Bedürfnisse, das hat schon etwa zwei Jahre gedauert. Als ich einmal zehn oder fünfzehn Jahre später mit Mike Parker sprach, welcher zu der Zeit als Director of Typographic Development bei Mergenthaler Linotype für das Umzeichnen von Schrif­ten verantwortlich war, sagte er, dass sie einen Blödsinn gemacht hätten, nicht zu sehen, dass man mit 18 Einheiten keine gute Typografie machen kann. Die 36 Einheiten waren in den Fünfzigerjahren schon ein grosser Fortschritt.

Geviert und Einheiten Das Grundmass der ­Typografie ist das Geviert, ein Quadrat in der Grösse der ­Kegelhöhe bzw. in der Grösse des Schriftgrades. Das Geviert hat eine feste Proportion, aber keine feste Ausdehnung, es wächst oder schrumpft sozusagen mit dem Schriftgrad mit, und genau darin liegt der Vorteil. Im maschinellen Bleisatz von Monotype und im Fotosatz ist das Geviert in Einheiten unterteilt. Zu Beginn sind es 18 Einheiten, bei der Lumi­type 36. Eine geringe Unter­ teilung des Gevierts macht Kompromisse in der Schrift­ ­­gestalt erforderlich, um ein möglichst gleich­­mässiges Schriftbild zu erhal­ten. Die Buch­staben sind gegenüber dem Ideal oder der Vor­lage etwas schmaler oder breiter zu zeichnen, Serifen sind in der Breite zu verändern, oder es muss auf optisch gleiche Zeichenabstände verzichtet werden. Besonders deutlich wird dies bei den Schreib­ maschinen­schriften mit nur einer Einheit. Verfälschungen der Schrift­­­gestalt können beim Umzeich­ nen von Bleisatz-Schriften für den Foto­satz nicht ver­ mieden werden, da die Lettern im Handsatz indi­vi­duelle Breiten haben. Heute, mit 1000 Einhei­ten pro Geviert, ist hier keine Einschränkung mehr vorhanden. Zur Bestimmung der für alle Lumitype-Schriften einheit­ lichen Versal­höhe nimmt Frutiger als Ausgangswerte die wichtigsten Bleisatz-Schriften – einerseits den breitesten Buchstaben W /26/, andererseits die grösste vertikale Ausdehnung von Oberlänge bis Unterlänge /33/. Daraus resultiert die Versalhöhe von 11 Einheiten.

/24/

/25/

/26/

/27/

Gegenüber der Photon-Baskerville ( oben ) hat die Lumitype-Basker­ ville dank den Halbeinheiten eine bessere Zurichtung beim t.

Dicktenschema der Lumitype mit 36 Halbeinheiten gegenüber 18 Einheiten bei der Photon und anderen Fotosatzmaschinen.

Basierend auf der Breite des W der wichtigsten Werksatzschriften wird die Versalhöhe der Lumitype-Schriften bestimmt.

Bei breiten Schriften wie der Sphinx weist das W mehr als die 18 Einheiten bzw. 36 Halbeinheiten des Gevierts auf.

H = 12 Einheiten r = 5.5 Einheiten

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 18

18

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

18

18

0

0

Versalhöhe 16 fix 11 Einheiten Mittellänge variabel

Schriftlinie

5

0 Geviert mit 36 Halbeinheiten

/28/

Univers mager kursiv 751-46: oben Vermassung der Höhen und Strichstärken, unten Dickten­ tabelle mit Halbeinheiten. /29/

Damit die Ecken im Fotosatz nicht abrunden und die Punzen offen bleiben, werden die Ecken und Ein­schnitte stark überbetont.

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/30/

Einzelne Schriftschnitte der Times, Egyptienne und Univers haben dieselbe Laufweite wie der Lauf­ weitenvergleich zeigt.

/31/

Vergleich von Garamont und Sphinx – die gleiche Versalhöhe ergibt deutlich unterschiedliche Ober­ längen, x-Höhen und Unterlängen.

128 105

1,00

60

0 –42

cm

7.5 10 7

Garamont ( Lumitype )

101 78

1,00

2.9 10

0 –36

cm

4.6

Sphinx ( Lumitype )

/32/

/33/

/34/

Die maximal mögliche Höhe bestimmt die Grösse einer PhotonSchrift ; es gibt keine Einheitlichkeit in den Höhen bei den Schriften.

Die grösste Ausdehnung von Oberbis Unterlänge aller BleisatzSchriften bildet das Mass für die Versalhöhe der Lumitype-Schriften.

Lumitype-Schriften haben generell 110 mm Versalhöhe in den Rein­­zeich­­nungen – die Ak­­zente ragen über das Geviert hinaus. 155

18

18 17

16

110

5

5

0

0

0



–55

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/35/

R. Higonnet’s und L. Moyroud’s Prototyp der Photon-Lumitype von 1948 befindet sich heute im Musée de l’imprimerie in Lyon.

/39/

Bill Garth, Louis Moyroud und René Higonnet (v. l. n.r.) am ersten industriellen Prototyp der Photon-Lumitype, 1949.

/36/

/37/

Ein Einblick ins Innere der Photon 100 zeigt die Mechanik und Elektronik sowie die rotierende Schriftscheibe.

Im rechten Tastaturfeld wird die Schriftwahl durch Tastendruck bestimmt – die Schriftnamen sind teilweise noch lesbar.

/40/

René Higonnet ( 2. v. l. ), einer der beiden Erfinder der Photon, erläutert 1954 Charles Peignot ( 3. v. l. ) die angelieferte Fotosetzmaschine.

/38/

1954 wurde die Photon, Modell 1, aus den USA an Deberny & Peignot geliefert, sie steht heute im Gutenberg-Museum in Mainz.

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/43/

Erstmals in Paris öffentlich vorgestellt am ‹4. Salon International des Techniques Papetières et Graphiques TPG ›,  1954 : Photon 100. /44/

Am 5. Salon TPG in Paris 1956 zeigt Charles Peignot erstmals dem interessierten Messepublikum die französische Lumitype 200.

/41/

René Gréa, Ingenieur bei D & P am ‹Taster › der Lumitype-Anlage, hinten erläutert Charles Peignot die Belichtungseinheit.

/42/

Adrian Frutiger ( sitzend ) mit Robert Meili – hinten Reinzeichnungen der Lumitype-Caslon ( Tusche auf Karton, ca. 1958 ).

/45/

Die erste Lumitype 200 der Fonderie Deberny & Peignot ist im Musée de l’imprimerie in Lyon zu besichtigen.



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Schriftherstellung

m aschinensatz Einzelbuchstabenguss

Univers Seite 88 Devanagari Seite 206 Tamil Seite 212

Mit der Entwicklung der Monotype Setz­ und Giess­ maschine beginnt der amerikanische Ingenieur Tol­ bert Lanston 1887. Zehn Jahre später kommt sie auf den Markt. Der Setz­ und der Giessvorgang sind in voneinander getrennten Maschinen untergebracht. Als Verbindungsglied dient das auf der Setzmaschi­ ne /01/ – dem Tastapparat – hergestellte 11 cm breite Lochband /03/. Diese Papierrolle beinhaltet durch die verschiedenartige Lochung alle typografischen Voraussetzungen, um die Giessmaschine /02/ selbst­ tätig zu steuern. Mit der Erfindung des Matrizenrah­ mens /05/ umgeht Tolbert Lanston das komplizierte Befördern von Einzelmatrizen, wie es bei der Lino­ type notwendig ist. Das Tastbrett einer Monotype­Setzmaschine enthält 334 Tasten, davon 30 Ausschliesstasten /01/. Die gros­ se Anzahl der Tasten ergibt sich durch sechs Alpha­ bete: je ein Alphabetenpaar (Versalien und Gemei­ ne) für den Normalschnitt, für die Kursive und für die Halbfette (alternativ ein Kapitälchen­Alphabet). Wird die Tastenanordnung geändert, dann trifft dies

ebenfalls auf den Matrizenrahmen, den Zwischen­ rahmen und bei Änderung der Schriftart auch auf den Einheiteneinsatz zu. Einfluss hat dies zudem auf die Set­ oder Ausschliesstrommel /03/. Dieser Zylin­ der aus Leichtmetall ist in gleichmässige, mit je zwei Zahlen versehene Felder eingeteilt. Am Schluss der Zeile peilt der Ausschlusszeiger auf eines dieser Felder. Nachdem der Setzer die angezeigte Zahl auf die roten Tasten seiner Tastatur übernommen hat, stellt die dadurch entstandene Lochung im Papier­ streifen an der Giessmaschine die Breite des zu giessenden Ausschliessstückes ein. Durch diesen wichtigen, Zeit sparenden Ausschliess­ mechanismus bedingt, sind die Geviertbreiten und damit die Buchstabenbreiten auf ein System von nur 18 Einheiten zu beschränken, denn die zugehörige Addier­Anzeige­Mechanik funktioniert nach diesem mathematischen Prinzip. In der automatisierten me­ chanischen Steuerung der Breite des Giessmundes liegt der zweite Grund für eine Beschränkung auf ein Einheitensystem.

Die 18 Einheiten sind kein absolutes Mass, sondern ein relatives und hängen von der jeweiligen Kegel­ grösse ab, die wie üblich in typografischem Punkt (pt) gemessen wird. Alle Figuren unterliegen einer der zwölf Einheitengruppen mit Breiten von 4 bis 18 Einheiten. Beim Ausführen der Zeichnungen lässt sich für jedes Alphabet die Einheitenverteilung neu vornehmen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass pro Einheitengruppe nur eine begrenzte Anzahl an Zeichen möglich ist. Nach dem Guss werden die Lettern automatisch zu fertig ausgeschlossenen Zeilen zusammengesetzt. Der Giesser prüft den Text der Zeile und der Setzer stellt Zeile um Zeile zu einem Druckstock (Satz) zu­ sammen. Die Giessgeschwindigkeit richtet sich nach der Kegelgrösse der gegossenen Schrift. Einer Stun­ denleistung von rund 10 000 Buchstaben bei einem Schriftgrad von 10 pt steht eine kalkulatorische Text­ erfassung von 6500 Anschlägen gegenüber.

/01/

/02/

/03/

Der Monotype-Tastapparat mit über 300 Tasten für sechs Alphabete und etwa 30 zusätzlichen Ausschliesstasten.

Die Monotype-Giessmaschine giesst Schriften in den Grössen von 5 bis 14 pt, mit Grosskegelvorrichtung bis 36 pt.

Ausschnitt des Tastapparates – oben befindet sich der Lochstreifen, vorne die Settrommel, welche die Einheiten zum Ausschliessen angibt.

/04/

Ausschnitt der Giessmaschine mit dem Lochstreifen zur Steuerung des Matrizenrahmens – im Vordergrund die Bleizufuhr.

/05/

Der Matrizenrahmen umfasst bis zu 272 auswechselbare Einzelmatrizen (oben) – pro Reihe weisen diese dieselbe Einheit auf.

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Sch R I FT h E R STE LLu nG

Schriftherstellung

Fotosatz Monophoto

ne arbeitet nun nicht mehr mit Einzelmatrizen, sondern mit vier Schriftscheiben, die je 100 Matrizen in 6 bis 14 pt Grösse tragen. Auch gibt es einen Wortspeicher, so dass Korrekturen noch vor dem Stanzen des Lochbandes vorgenommen werden können. Der Taster orientiert sich an einer Leuchtskala, welche die Strecke bis zum Zeilenende anzeigt, und die Geviertbreite ist auf Cicero-Masse umgestellt, so dass das Umrechnen in Einheiten entfällt. Da mit den vier Schriftscheiben verschiedene Designgrössen einer Schrift gleichzeitig zur Verfügung stehen, lässt sich bei der Monophoto 600 das Prinzip des ‹optical scaling› praktizieren. In Abhängigkeit von der Punktgrösse lassen sich insbesondere die Strichstärken variieren: Bei leichten und normalen Schnitten werden mit kleinerer Punktgrösse die Striche in der Regel ein wenig fetter angelegt, während bei fetten Schnitten in den kleinen Graden die Innenräume (Punzen) mehr Weissraum erhalten.

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Der ‹Monophoto-Filmsetter› funktioniert bei der Steuerung der Matrizen nach dem gleichen Prinzip wie sein Vorgänger fürs Blei.

Das Konstruktionsschema zeigt den Weg des Lichtstrahls von der Lichtquelle zum Filmmaterial in der Filmtrommel.

Beispiel für eine Belegung des Matrizenrahmens mit Angabe von 5 bis 18 Einheiten Dicktenbreite je nach Reihe.

Lichtquelle Sammellinse Negativrahmen Maske Verschluss Optikkeil

Festes Prisma für 6 –12 pt (regulierbar für 14 – 24 pt)

Linseneinstellung für 14 – 24 pt Filmtrommel

Fokus (Brennweite) 25.4 cm

Regulierbares Prisma für 6 –12 pt (fest für 14 – 24 pt) Linseneinstellung für 6 –12 pt

Sp

ieg

el

Univers Greek Seite 103

gesetzt werden. Der Zeilenvorschub erfolgt durch den steuerbaren Transport der Filmrolle. Die Leistung entspricht etwa jener der Giessmaschinen. Es können Texte in den Schriftgrössen von 6 bis 24 pt gesetzt werden, bei einer maximalen Satzbreite von 56 Cicero (252.6 mm). Der Filmmatrizenrahmen enthält 255 austauschbare Einzelmatrizen /04/. Für die meisten Schriften stehen zwei Matrizensätze zur Verfügung, von 6 bis 7 pt und von 8 bis 24 pt. Es gibt aber auch Matrizen, welche den gesamten Schriftgrössenbereich abdecken, was zum Beispiel bei der Apollo von Adrian Frutiger der Fall ist. Die Setzleistung ist in allen Schriftgraden gleich und beträgt etwa 10 000 Zeichen pro Stunde. Ein Nachteil gegenüber der Monotype-Giessmaschine besteht darin, dass Korrekturen nicht mehr so schnell auszuführen sind. Anstatt den fehlerhaften Buchstaben einfach auszutauschen, ist nun der gesamte Film per Montage zu korrigieren. Eine deutliche Kapazitätssteigerung realisiert Monotype 1969 mit dem Modell 600. Die Filmsetzmaschi-

el

ieg

Apollo Seite 138

Monotype bringt 1955 ihre erste Fotosetzmaschine auf den Markt, den ‹Monophoto Filmsetter› /01/. Er basiert auf der Technik der Monotype-Giessmaschine. So stehen weiterhin nur 18 Einheiten pro Geviert zur Verfügung. Der Tastapparat kann fast unverändert gebaut werden, und der Lochstreifen dient anstatt der Steuerung zum Giessen jener zum Belichten. Belichtungsmechanik und abnehmbare Filmtrommel ersetzen Giesstopf, Giessform und Pumpe. Die Matrizen bestehen nicht mehr aus Metall, sondern aus Filmmaterial. Auch hier steht pro Einheitenreihe nur eine Dicktenbreite zur Verfügung. Gibt es mehr Zeichen als verfügbare Plätze, muss eine weitere Reihe mit Matrizen derselben Dickte belegt werden. Zur Belichtung bewegt sich der Matrizenrahmen /04/ (Grid) mit bewährter Technik und Genauigkeit an die zu belichtende Stelle. Mit Hilfe einer Blitzröhre wird der angesteuerte Buchstabe über ein optisches System und zwei bewegliche Spiegel auf den Film belichtet /02/. Durch die Drehbewegung des Spiegels können die Buchstaben nacheinander in Zeilen

Sp

Univers Seite 88

Spiegelführung

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Bei der Monophoto sind die Metallmatrizen durch Fotonegative ersetzt – der Matrizenrahmen bleibt unverändert.

SCH R I FT H E R STE LLU NG

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Schriftname Univers Swiss 722 | Zurich • Linotype Univers ••

Arbeitgeber Deberny & Peignot

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1953 | 1957

Satztechnik Handsatz Fotosatz Lumitype | Photon Maschinensatz, Fotosatz Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Schnitte Hersteller 20 – Deberny & Peignot – Deberny & Peignot | Photon Inc. 20 | 21 21 – Monotype 21 – D. Stempel AG | Linotype 27 – Adobe | Linotype 22 Bitstream • Linotype •• 63

UN IVERS Als die Arbeit an der Lumitype Fortschritte machte und die ersten klassischen Schriften ge­ zeichnet waren, wurde das Thema ‹Grotesk› aktuell. Für Charles Peignot bestand kein Zweifel darüber, dass die meistverkaufte Type der Giesserei, die Futura – in Frankreich unter dem Namen Europe bekannt –, ins Programm aufgenommen werden sollte. Ich schlug ihm ein an­ deres Projekt vor, weil ich die Europe nicht mehr zeitgemäss empfand. In der ‹Sondernummer Univers› der ‹Typographischen Monatsblätter› 1 / 1961 /33/ sind meine Gründe dargelegt: « […] Der einfache Rhythmus der klassischen Architektur spiegelt sich wider in den zeitent­ ­sprechenden Schriften; Innenräume und Zwischenräume haben gleichen Wert, die Gliederung ist von einer Raumeinheit bestimmt. Die moderne Architektur sucht nach neuen Rhythmen. Auch die Grotesk hat nicht mehr den klassischen, gleichwertigen Raum für Punzen und Fleisch; die Punzen sind offener, die Zwischenräume zwischen den Buchstaben enger gehalten. Dies ist eine der wichtigsten Gestaltungsfragen, die einer neuen Grotesk gestellt sind. Der Einfluß der Groteskschrift auf die Typographie hat sich in den letzten hundert Jahren ganz allmählich und Hand in Hand mit allen andern Umwälzungen abgespielt. Die lithographischen Karten­ schriften wurden Ende des letzten Jahrhunderts von den meisten Schriftgießereien in Druck­ schrift geschnitten. Einige dieser alten Grotesken erlebten in den letzten zwanzig Jahren eine richtige Renaissance, nachdem die Reaktion der ‹Neuen Sachlichkeit› mit ihren geometrischen Konstruktionsprinzipien überstanden worden war. Eine rein geometrische Schriftform ist auf die Dauer nicht haltbar. Das Auge sieht horizontale Striche dicker als vertikale, der perfekte Zirkelkreis als O scheint unförmig und sticht im gesetzten Wort heraus. Unsere Zeit scheint ihren Ausdruck im Beton gefunden zu haben. Der moderne Betonbau ist aber nicht unbedingt geometrisch; die Formen sind gespannt, lebendig. Die Schrift muß es auch sein. […]»1 Ich hatte in meinen Studienjahren an der Zürcher Schule bei Walter Käch gelernt, Grotesk­ formen nach den klassischen Antiqua-Vorbildern zu gestalten. In dieser Zeit entstanden die ersten Entwürfe für eine serifenlose Schrift (siehe Seite 21). In Fortsetzung dieser ­Studien fertigte ich im Winter 1953 die ersten Zeichnungen für die Univers mit dem Wort ‹monde› /16/, welche ich zur Begutachtung an Emil Ruder, den Typografielehrer der Kunstgewerbeschule Basel, schickte. Er schlug vor, die Zeichen minimal zu verbreitern /06/. Er meinte ausserdem, die Buchstabenformen sollten sich an der klassischen Antiqua orientieren. Wir stellten fest: «Im Normalschnitt wäre die Anwendung des römischen Prinzips in den Versalien wünschens­ wert, das heißt schmale Buchstaben mit zwei Quadratformen übereinander (B E F P R S) in Kon­ ­­­trastwirkung zu den breiten Formen, die auf einer quadratischen Form beruhen (O C G N H). Im Hinblick aber auf die neben dem normalen Schnitt geplanten schmalen und breiten Schnitte mußten alle Buchstaben mehr oder weniger gleichgewichtig gehalten werden.»2 Versuche ­basierend auf der Capitalis Monumentalis /09/ verwarf ich also, denn auch das M mit gespreiz­ ten Schenkeln /15/ liess sich in den verschiedenen Breiten und Fetten nicht einheitlich durch­ 88

W E R K S AT Z s c h R I F T

Das Konzept Univers Die Univers ist dem Mut und fortschrittlichen Geist Charles Peignot’s zu verdanken, der ein Projekt realisieren lässt, das es so zuvor noch nie gegeben hat. Erstmals überhaupt wird das Konzept einer Grossfamilie umgesetzt, ohne zu­­vor die Schrift mit ein, zwei Schnitten am Markt zu testen.3 Als Ausgangs­­lage dient Frutiger’s im Schriftunterricht an der Kunst­gewer­ be­schule in Zürich gezeichneter Grotesk-Entwurf von 1950/51 4 (siehe Seite 21). Auch begünstigt durch die neue, preiswerte Schriftherstel­lung für den Lumitype-Fotosatz entsteht das Konzept der 21 Schnitte /01/ – mit Gespür und dem Wis­­­sen, dass Bedarf nach einer sach­lich-­funk­ tio­na­len, zeitgemässen Schrift vorhanden ist. In den ‹­Typographischen Monatsblättern› 5/1957 schreibt Emil Ruder: «Auf die Realisierung eines ­Vorhabens von diesem Umfange […], das den Durchhalte­willen von Ent­ ­werfer und Betrieb auf eine harte Probe stellt, wagten wir schon gar nicht mehr zu hoffen. Was berechtigt uns nun zur Annahme, daß diesem Unterfangen voller Erfolg beschieden sein werde? Wir glauben an die Notwendig­ keit einer großen Leistung auf dem Ge­biete des Schrift­ schaffens. Aus unserer Zeit heraus spürt man deut­lich das Bestreben, die Zufälligkeiten des Tages zu überwinden und zum Wesentlichen vorzustoßen. […] ­­Wir ­glauben fernerhin an eine Renaissance der Grotesk.»5 Gemeint ist dabei die Grotesk im Sinne einer Universal­ schrift für Anwendungen aller Art bis hin zum Buch- und Zeitungssatz. Diesem um­­fassen­den An­­spruch wird die Univers gemäss Ruder gerecht, was sie dank TM-Redaktor Rudolf Hostettler in der ab 1961 ­voll­stän­dig auf Uni­vers umgestell­ten Zeitschrift unter Beweis stellen kann. Auch durch vorbildliche Ge­­staltun­gen und ­Pu­­bli­­­­­­ka­tionen, ins­ beson­dere der Basler Schule, gewinnt die Univers an Be­ kanntheit und trägt ihren Teil zum Weltruf der ‹Schweizer Typo­grafie› bei. Ein spezielles Verdienst gebührt da­­­­bei Emil Ruder und so manchen Basler Schülern und als­­­­bald be­­kannten ­Typografen wie Bruno Pfäffli, Helmut Schmid, Hans-Rudolf Lutz, Fritz Gott­schalk, Hans-Jürg Hunziker, um nur einige zu nennen.6 In der schlichten, sachlichen, auf das Wesent­liche redu­ zierten ‹Schweizer Typografie› – charakteristisch in asym­ metrischer Anordnung und in wenigen, kontras­tierenden Schriftgraden und -schnit­­ten gesetzt – ist die Eleganz der Univers besonders spürbar. Mit der Univers wird Adrian Frutiger weltweit bekannt. Es zeichnet sich ab, dass ei­­ner der ganz grossen Schriftgestalter am Werk ist.

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Das Schema von Bruno Pfäffli zeigt in knapper und prägnanter Form den Auf bau der ursprüng­ lich 21 Schriftschnitte der Univers.



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Adrian Frutiger (sitzend) begut­ achtet die Reinzeichnungen der Univers 83 von Ladislas Mandel, im Vordergrund Lucette Girard.

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Erste Reinzeichnungen der Univers 55 für Deberny & Peignot 1953/54 – in der endgültigen Fassung sind die Bogen runder, geschmeidiger.

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Klebesatz der Univers 49 mit foto­ grafischen Verkleinerungen der von Hand gezeichneten Originale – das Versal­X ist falsch aufgeklebt.

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Reinzeichnungen mit Schriftlinienund Dickten­markierungen – schwarze Tusche auf Karton mit Bleistiftkorrekturen.

Auf Anregung von Emil Ruder ver­­breiterte Punzen, erreicht durch Auseinanderschneiden des Kartons und Ein­setzen eines Streifens.

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Die diagonale 6 wurde verworfen, die tiefen Einschnitte für den Fotosatz lassen die 8 als Karikatur erscheinen.

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Das Bogenende wurde gemäss der Skizze realisiert, der Übergang vom Lang-s zum Rund-s ist jedoch fliessender gestaltet.



U n i v ers

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halten. Auf die klassische, zweigeschlaufte Form des g wurde aus den ähnlichen Gründen ver­ ­­­­zichtet, sie wirkt in den schmalen, engen und auch kursiven Schnitten gezwungen. Bevor ich mit dem Zeichnen der Schrift anfing, entwarf ich für mich ein Konstruktions­ schema /12/. Es sind nur Skizzen, denn ich wollte erst einmal wissen, ob das hinzubekommen ist, von der engen Feinen bis zur breiten Fetten zu gehen, ich wollte einfach das ganze Spektrum ausloten. Als vertikale Achse bestimmte ich die rechte Seite des Stammes. Die Linie musste in allen Schnitten untereinander stehen. Nach links dehnte sich die Strichstärke aus, die inner­ halb der jeweiligen Fetten genau gleich war. Nach rechts schlossen sich die Weiten – von eng bis breit – an. Diese ‹Handorgel› hatte aber nichts Mathematisches, die Strichstärke der einzel­ nen Fetten wie auch die Buchstabenbreiten bestimmte ich gefühlsmässig. Die Buchstaben­in den entsprechenden Weiten wurden beinahe gleich breit, das heisst, ein n aus dem mage­ren Schnitt hatte – von der rechten Kante des ersten bis zur rechten Kante des zweiten Abstriches – die nahe­zu gleiche Breite wie ein n des fetten Schnittes. Bei dieser Darstellung handelt es sich um ein Ideenschema, das Ganze ist nicht identisch mit den ausgeführ­ten Formen der Univers. Für das in den TM 5 / 1957 publizierte Schema nahm ich das n, wählte aber in späteren Darstellungen wegen der Oberlänge das h. Auch wur­den dort die ­Breiten der Buchstaben ma­ thematisch gleich dargestellt, was wissenschaftlicher aussah /33/.7 Bei meinem ersten Besuch bei der Firma Photon Inc. in den USA, welche nach der Méri­ dien nun ebenfalls die Univers übernahm, kam einer der Verantwortlichen im Sektor Schrift und zeigte mir einen ganzen Stoss von Filmen mit Buch­staben aus der Univers. Auf einem Leucht­pult legte er sie übereinander und konfrontierte mich mit etlichen Berechnungen. Er suchte nach einer mathematischen Verbindung zwischen Fetten und Weiten und zerbrach sich den Kopf darüber, wie ich das ausgerechnet habe. Einige seiner Resultate deuteten zufällig auf einen Zusammen­hang mit dem Goldenen Schnitt. Als ich ihm sagte, dass ich bei allen Fest­ legungen des Schriftgrundrasters aus meinem Gefühl heraus gearbeitet habe, war er verblüfft, ja fast enttäuscht darüber. Ich hatte die Univers auf einer Achse horizontal-vertikal aufgebaut. Das war mein Aus­ gangspunkt. Aus diesem Kreuz heraus entstanden die verschiedenen Fetten und Weiten, auch die Endungen passten dort hinein /33/. Die Univers hat horizontale Abschlüsse in den Bogen­ enden, im Sinne der Unzial­-Schrift /09/. Beim Normalschnitt wäre ein schräges, klassi­sches Bogenende zwar schöner, das war mir bewusst. Aber ich wollte 21 Schnitte machen und die Schmalen konnte ich nicht schräg anschneiden, es hat einfach nicht gut ausgesehen. Der ­horizontale Abschluss war für mich eine Frage der Konsequenz, mit Rücksicht auf die ganze Schriftfamilie. Eine Ausnahme davon ist das t. Der t-Bogen endet nicht horizontal, sondern vertikal /11/. Diesen Abschluss finden wir bei allen Buchstaben mit engem Radius, also bei f j r und t. Der abgeschrägte Anstrich des t zeigt meinen Respekt vor dem Schreiben mit der Feder.

Historische Bezüge Die griechische Lapidarschrift /09/ ist der Ursprung der serifenlosen Schrift, deren Idee erst rund zweitausend Jahre später, in den Druckschriften am Anfang des 19. Jahrhunderts, auf­ge­grif­fen wird. In Frankreich heissen serifenlose Schriften im Hinblick auf ihre antike Herkunft ‹Antiques›, und manche aktuelle Schriften weisen diese Bezeichnung im Namen auf, wie die Antique Olive der Fonderie Olive und die Antique ­Presse von Deberny & Peignot /40/. Auch die Univers wird bei Deberny & Peignot vor der Namensfindung einfach ‹Antique› /15/ genannt.8 Das römische Formprinzip, basierend auf Quadrat, Kreis, Dreieck und hochformatigem Doppelquadrat /09/, ist zwar wünschenswertes Vorbild für die Univers, je­doch in der Planung der Schriftfamilie mit den vier ver­schie­de­­nen Breiten und zwei Lagen nicht umsetzbar. Frutiger gleicht die Wei­ten der Versalien einander an, ähn­lich der griechi­ schen Lapidarschrift und entgegen der Futura, welche auf dem römischen Prinzip der Capitalis Monumentalis beruht. Er wendet damit das klassizistische Proportions­ schema der Grotesk des 19. Jahrhunderts an. Im 3. Jahrhundert nach Christus entstehen die Unzial­ schriften, bei welchen sich die Formen der Versalien durch den Gebrauch von Papyrus und Schreibfeder ver­ ändern. Sie werden runder und weicher, auch bilden sich vereinzelt Ober- und Unterlängen. Aus den Grossbuch­ staben beginnen sich die Kleinbuchstaben zu ­entwickeln. Die Bogen­enden weisen tendenziell zur geschlossenen Form hin. In der irisch-angelsächsischen Halbunziale /09/ ist dies in Vollendung zu sehen; die Strich­enden zeigen ausserdem, in logischer Folge des Strichstärkenverlaufs, eine Verdickung mit horizontalem Abschluss. Auf diesen Umstand bezieht sich Frutiger, wenn er von einer Unzial­ endung bei der Univers spricht /11/. Frutiger geht immer vom Optischen, Gefühlsmässigen aus und versucht erst im Nachhinein, Prinzipien zu den entstandenen Tatsachen zu finden. Ein von ihm angestell­ ter Vergleich der Proportionen von klassischen und mo­ dernen Schriften zeigt Ähnlichkeiten zu klassischer und mo­der­­­ner Architektur (griechischer Tempel, Bauhaus) /10/. Die Grotesk erhält durch die fehlenden Serifen nicht mehr den gleichwertigen Raum für Punzen und Fleisch; die Punzen sind offener, die Zwischenräume enger. Darin finden sich Erkenntnisse seines Lehrers Walter Käch. Einige wesentliche Formprinzipien zur Univers hat Fruti­ ger denn auch von ihm übernommen.9

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Historische Schriften: griechische Lapidar, 5 – 4. Jh.v. Chr.; römische Capitalis Monumentalis, 1. Jh.; irisch-angelsächsische Halb­unziale, 8. Jh.

Serifenschriften besitzen gleich­ mässige Abstände der Abstriche, bei serifenlosen liegt, ähnlich moderner Architektur, ein diffe­­­­renzierter Rhythmus vor.

mundi mundi

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Frutiger spricht vom UnzialAbschluss, da die Unziale als ein­-­ zige historische Schriftform manchmal horizontale Bogen­ abschlüsse aufweist.

Den horizontalen mochte ich nie, ein t ist doch kein Kreuz. Beim Et-Zeichen habe ich die Schrä­ ge nicht gemacht /28/, denn dieses Zeichen besteht für mich aus zwei Versalien, E und T. Viel später, in den Siebzigerjahren, entstand ein weiteres Schema /14/. Dieser Studie für die Firma Linotype mit dem Titel ‹Die Definition Medium› lag folgende Problematik zugrunde: Die Leser sind eine ganz bestimmte Proportion zwischen Weiss und Schwarz gewöhnt; sobald das Verhältnis geringfügig abweicht, empfinden sie es als unangenehm. Das läuft im Unter­ bewusst­sein ab. Viele Giessereien mussten deshalb nachträglich zu ihrem normalen Schnitt eine so ge­­­nannte ‹Book› machen, weil sie festgestellt hatten, dass ihre erste Version für eine Textschrift ein wenig zu fein oder zu kräftig war. Daher fand ich es wichtig, einmal festzulegen, was die Definition eines normalen Schnittes ist. Ich legte ein Gitter auf die Buchstaben klassi­ scher Schrif­ten und konnte nachher genau bestimmen, wie sich die beiden Anteile zueinander ver­hielten. Das Mittel dieses Verhältnisses konnte ich nun auf eine serifen­lose Schrift anwen­ den. Umgerechnet in ein Einheitenraster ergibt das beim Minuskel-n in der Strichstärke von einer Einheit eine Punzenbreite von drei Einheiten und eine Vor- und Nachbreite von je einer Einheit. Der Gesamtbuchstabe wird dann fünf Einheiten breit, bei einem Verhältnis von fünf­ einhalb Einheiten in der Höhe. Für die Univers hatte ich den Normalschnitt gemeinsam mit Emil Ruder bestimmt. Er war für mich eine grosse Hilfe. Wir sahen uns das in der Verkleinerung an und diskutierten lange darüber, wie die normale Weite zur Höhe und zum Weissraum beschaffen sein musste. Seine Korrekturen, wie die ­Öffnung der Punzen, hat Emil Ruder in die Original-Reinzeichnung auf Karton hineingeschrieben. So entstand die Univers, auch unter vielen aufbauenden Diskus­sio­ ­nen mit ihm. Die Univers 55 ist meine bestgelungene ‹Medium›. Kommerziell wichtig war die Namenwahl. Sie kam schon früh zur Sprache, als das Projekt das erste Mal auf dem Tisch lag und die Journalisten darüber zu schreiben begannen. 1956 konnte man die Schrift nicht mehr nur als ‹die neue Grotesk von Deberny &  Peignot› bezeich­ nen. An der Namensfindung beteiligten sich Generaldirektor Stanislas Boyer, Charles und Rémy Peignot und ich.10 Wir sind von meinem Probewort ‹monde› ausgegangen – wollten nach der Europe unbedingt übers Europäische hinausblicken –, mir war aber klar, dass ‹Monde› nicht ging, weil es im Deutschen als ‹Mond› verstanden werden würde. Von Boyer kam der Vor­schlag ‹Galaxy›, von Rémy ‹Universal›. Wenn wir schon in grossen Dimensionen dachten, warum nicht bis ans Ende unserer Gedanken gehen? Also machte Charles Peignot daraus ‹Univers›, das französische Wort für Universum. Für die Darstellung der 21 Schnitte der Univers-Schriftfamilie benutzte ich in meinem Schema die Versalien H und E und das erwähnte Wort ‹monde› /16/. Bei der schematischen Darstellung begann ich mit den normalen Schnitten und setzte die vier Fetten nebeneinander. Unten dran kamen die schmaleren Schnitte und ganz unten hängte ich noch die breiten an.

n n nn nn nn

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Gleiche Strichstärken in den verschiedenen Breiten und nahezu gleiche Breiten in den verschiede­ nen Fetten bei der Univers von Deberny & Peignot.

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Frutiger’s Definition der Medium (1970er Jahre) mit Verhältnis­zahlen von x-Höhe zu Strichstärke, Punze und Dickte – dahinter in Grau die Univers 55.

5,5

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Schematische Darstellung in vier Fetten – Entwicklung von Bogen und Punzen der engen, schmalen, normalen und breiten Schnitte.



1

1

3

1

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Erste Schriftprobe der Univers von 1954 mit Probetext in vier Fetten – das Versal­M weist noch gespreizte Schenkel auf.

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Erstes Univers­Schema etwa 1955 mit Bezeichnungen der 21 Schnitte in Französisch und Englisch – aber noch ohne Nummerierung. /17/

Zweites Univers­Schema von 1956 mit horizontaler Anordnung – der Name Univers ist noch nicht gefunden.

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Univers-Schemata Das Schema ‹HE monde› /16/ zeigt die 21 Univers-Schnitte in einer ersten undatierten, nicht ganz stringenten Darstellung. Auch sind die handschriftlichen zweisprachigen Schnittbezeichnungen auf dem stark vergilbten Fotopapier noch ohne Nummerierung. Vermutlich folgen wenig später zwei leicht überarbeitete englischsprachige Schemata mit den Titeln ‹Universal family› und ‹Sanseri› /17/, beigelegt einem Memorandum von Louis Rosenblum, Februar 1956. In allen drei Varianten sind die Schriftschnitte anders bezeichnet, was verdeutlicht, welche Problematik in den Begrifflichkeiten steckt. Thematisiert werden im erwähnten Memorandum mögliche Namen für die neue ‹Sans Serif› von Deberny & Peignot: vorgeschlagen werden ‹Universal›, ‹Constellation› und ‹Cosmos›.11 In der Zeitschrift ‹Typographische Monatsblätter› 5/1957 ist eine weitere verbesserte, da übersichtlichere Anordnung zu finden.12 Sie beinhaltet erstmals Frutiger’s (Lumitype-) Nummerierung, integriert ins Schema ‹monde› /18/. Die Form dieses Schnitteschemas wird in der Folge zu einem Markenzeichen der Univers. D&P, ATF und später Haas verwenden es in Schriftmustern und Anzeigen. Besonders Rémy Peignot pflegt einen vielfältigen Umgang mit diesem Schema: Die Rechtecke sind Rahmen, schwarze oder farbige Flächen oder dienen als ‹Bildfenster› ins Universum /37/. Von Rémy stammt auch das Schema ‹univers› /19/ mit leeren Feldern für mögliche Erweiterungen; in erster Linie stellt es jedoch die Dimension des UniversKonzeptes dar.13 Ein eigentliches Univers-Signet /01/ schafft Bruno Pfäffli, typografischer Gestalter und Mitarbeiter (später Atelierpartner) von Frutiger. Es entsteht 1962 und wird erstmals im ‹Monotype Newsletter› 130/1963 veröffentlicht. Reduziert auf das Wesentliche, alleine mit dem Buchstaben u in allen Schnitten, greift er die Anordnung des Schemas auf. Augenfällig wird darin der deutliche und für eine Grotesk ungewohnte 16°-Winkel der geneigten UniversSchnitte.14 Neben der Vielzahl an Schriftschnitten ist die ausgeprägte Neigung eine Qualität der Univers – in der Typografik, wie beispielsweise die Werbeanzeigen von Hans-Rudolf Lutz für Monotype zeigen /36/,15 als auch im Werksatz. In geneigter Univers gesetzte Auszeichnungen werden bestens aufgefunden, was sonst in den serifenlosen Schriften leider kaum der Fall ist.

Schnell merkte ich, dass die breiten Schnitte ans andere, obere, Ende gehörten /17/. Dann habe ich aber das ganze Schema gespiegelt und um 90 Grad gedreht, so dass sich nun die Fetten unten und die leichten Schnitte oben befanden sowie die Breiten links und die Engen rechts. Somit waren die Schnitte von der Nummerierung her ansteigend angeordnet /18/. Wie bereits im Kapitel ‹Caractères Lumitype› angesprochen, zeigte sich die Problematik der Benennungen der Schriftschnitte /16/. Für die Lumitype-Schriften hatte ich ja bereits ein Nummernsystem eingeführt, um das Bestellen zu erleichtern (siehe Seite 76). Das war die Grundlage für die Nummerierung der Univers: die Zehnerzahl steht für die Strichstärke, die Einerstelle für die Breite und Lage, ungerade Endziffern bedeuten aufrechte Schnitte, gerade Endziffern kursive Schnitte. Die Univers ist aufgebaut wie ein Stern. «Die 55 war der Ausgangspunkt; ihr Schwarz-Weiß-Verhältnis ist für Buchsatz gedacht. Die Nachbarn links und rechts der 55 (alle Fünfziger) haben genau die selbe Strichdicke; was sich ändert, sind die Innen- und Zwischenräume, welche in schmalen und engen Schnitten ein halbfettes und fettes Bild ergeben, in den breiten hingegen ein mageres. Dieses Prinzip wurde in allen verschiedenen Dicken durchgestaltet. Aus diesem Grunde war es auch nötig, eine Fette 80 für die Breiten und eine 30 für die Engen anzuschließen.»16 Die Univers 83 erscheint annähernd so fett wie die 75. Dasselbe gilt für die 39 im Vergleich zur 47. Später habe ich mich gefragt, ob das richtig war, dass auf diese Weise in der Engen eine magere Strichstärke optisch zu einer normalfetten Strichstärke wird, oder ob es besser gewesen wäre, die Strichstärke optisch anzupassen. Ich hatte das aber einfach so in meinem Schema und meinte, wenn ich es korrigierte, würden die Abstufungen nicht mehr stimmen. Letztlich war das für mich mehr eine Frage der Logik als eine Frage der Harmonie. Es kann als Fehler betrachtet werden, aber ich habe es bewusst gemacht. In späteren Adaptionen für den Fotosatz wurde dies dann geändert. Zunächst war die Univers nur für die Lumitype geplant. Trotzdem machte ich meine Reinzeichnungen unabhängig von der Fotosatztechnik. Für mich gab es nichts anderes, als absolut schneid- und gussfertige Zeichnungen zu liefern. Für die Ausführung der Reinzeichnungen auf Bristolkarton mit Deckweiss hatte ich damals bereits Mitarbeiter. Die grösste Hilfe war mir Lucette Girard. Mit ihr zusammen stellte ich auf der Basis der zusammengeklebten Zeichnungen, die vorher Emil Ruder begutachtet hatte, alle Normalschnitte fertig. Ladislas Mandel übernahm die breiten Schnitte /03/. Er führte neue Arbeitsmethoden ein, den Schabkarton und die Schablonen zum Zeichnen der Kurven. Albert Boton, der neu im Atelier war, machte die schmalen Schnitte, die etwas einfacher zu zeichnen waren. Erst nachdem die Reinzeichnungen fertig waren, gab es die optischen Korrekturen für die Fotosatztechnik. Der Normalschnitt ging einigermassen, aber die Fetten und die Engen waren sehr heikel. Da musste ich fürchterliche Karikaturen zeichnen, Serifen anhängen und riesige Einschnitte in den Winkeln machen, damit die Schrift bei der Belichtung richtig herauskam /07/. Ein Leidensweg war das!

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Das Schema aus den TM 5/1957 zeigt die gültige Anordnung der 21 Univers-Schnitte mit der entsprechenden Bezifferung.

Rémy Peignot’s Univers-Schema von 1957 (TM 11/1963) zeigt zusätzlich zu den 21 Schnitten Möglichkeiten einer Erweiterung auf. 39

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Dass Charles Peignot das Projekt Univers angenommen hatte, war für mich ein riesiges Geschenk. Für den Entschluss, die Univers auch im Bleisatz zu realisieren, be­­nötigte es seiner­ seits aber eine besondere Courage. Ich habe es ausgerechnet, dass dafür 35 000 Stempel zu schneiden waren. Peignot hatte festgestellt, dass der Verkauf der Europe rapide zurückging und dass die Giesserei in Gefahr war, unterzugehen. Die Univers gab den vielen Graveuren weiterhin Arbeit und die Giesserei konnte so noch einige Jahre bestehen.17 Bei der Herstellung der Bleilettern stellten wir fest, dass die Univers auf der Lumitype in der Weite gut ist, also haben wir die Dickten übernommen. Damit diese immer gleich ­blieben, habe ich mir ein System von Stahlleeren ausgedacht. Sie wurden in der entsprechenden ­Breite in den Gussmund geschoben und dann wurde der Buchstabe gegossen. Die Giesser arbeiteten nämlich am Morgen, wenn sie nüchtern waren, noch ordentlich. Aber nachmittags gab es sol­ che, die einige Liter Wein im Bauch hatten. In den grossen Graden habe ich leider zu viel Fleisch an den Seiten gelassen; sie mussten nochmals neu gegossen werden. Im Bleisatz wurden nach und nach von den ursprünglich geplanten 21 Schnitten deren 20 hergestellt, der 49er Schnitt allerdings nicht unter 10 pt. Für den Lumitype-Fotosatz gab es ebenfalls nur 20 Schnitte; auch hier fehlte der 39er Schnitt, denn der hätte zu Belichtungsprob­ lemen geführt. Bei der Monotype und Monophoto hingegen war das ganze Programm komplett. Die grosse Zahl an Schriftschnitten – erstmals überhaupt auf einem einheitlichen Grundkon­ zept basierend – er­­möglichte den Gestaltern, dass sich das ‹Gewand› dem Inhalt an­­­­­passen konnte und nicht umgekehrt. Etwas Leichtes, Zierliches konnte in der schmal­mageren, etwas sehr Schweres in der breitfetten Univers gesetzt werden. Später, bei Linotype und anderen Her­stellern, kamen weitere Schnitte dazu – wie auch immer sie heissen, sie stam­men alle nicht von mir. Ich fühlte mich wie der Zauberlehrling, der den Spruch vergessen hat. Zu den formalen Entscheidungen gehörte die Grössenbestimmung der Versalien. Die dif­ ferenzierte Versalhöhe war beim Univers-Projekt nur Theorie /33/, das hätte die ganze BleisatzFabrikation verkompliziert. Die Graveure sagten mir, für einen Giesser käme nicht in Frage, dass ein E nicht auf der Schriftlinie steht, das wäre in ihrem Leben noch nie vorgekommen. Da habe ich sofort klein beigegeben. Emil Ruder meinte jedoch, es sei gut, die Versalien etwas kleiner zu zeichnen als die Oberlänge, was jedoch bei der relativ hohen x-Höhe ebenfalls ver­ worfen wurde. Er ging davon aus, dass ein Schriftbild in allen Sprachen annähernd gleich aussehen sollte – ganz egal, ob es sich um Deutsch handelte mit vielen Versalien oder um eine romanische Sprache mit wenigen Versalien /35/. In den TM 1/1961 zeigte Ruder einen Text in den drei Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch und urteilte, bei der Univers funktio­ niere es, was meiner Meinung nach nicht ganz wahr ist. Ohnehin bin ich mit den Jahren zu einer anderen Ansicht gekommen, denn dem Leser dient der klare Unterschied zwischen Grossund Kleinbuchstaben als Lesehilfe. Dass letztlich bei der Univers die Versalien nicht auffallen,

Statische Grotesk Die erste serifenlose Druckschrift findet sich 1816 bei William Caslon IV. in England (siehe Seite 335). Entsprechend dem kreisrunden O ist sie dem geometrischen Typus zuzuordnen. Rund zwanzig Jahre später gravieren eng­­lische Schrift­giessereien vermehrt die statische Grotesk, welche dem klassizistischen Kanon verpflichtet ist, basie­rend auf den Grundformen Recht­ eck und Oval. Die Versalien sind in den Breiten optisch an­geglichen, die runden Buchstaben haben die Tendenz zur geschlossenen Form, wie es in der klassizis­tischen Antiqua und in der Unziale der Fall ist. Vom Strich­kon­trast her zeigen die frühen Grotesk unterschied­liche Prinzi­ pien, mal deut­­­lichen Kontrast, mal keinen. Die Grotesk ist zu Beginn eine Akzidenzschrift für ­Pla­­­kate, Inserate und Verpackungen – meist in fetter oder schmal­ fetter Ausprägung und nur in Versalien. Auch lichte und schattierte Varianten sind schon früh zu finden. 1834 ent­ ­steht erstmals eine Grotesk mit Minuskeln,Thorowgood’s schmalfette Seven-line Grotesque.18 Der Schritt von der Akzidenz- zur Werksatzschrift ist aber damit noch nicht getan, erst etwa vierzig Jahre später ist es dann so weit. Bei Schelter & Giesecke in Leipzig erscheinen 1870 die Breite Magere Grotesk sowie um 1880 die Breite Fette Grotesk.19 Die Namen täuschen, da beide Schriften – zu­ min­dest in den Minuskeln – eine normale Weite aufweisen und nur breit im Verhältnis zu den meist schmalfetten serifen­losen Schriften sind. Die Schelter Grotesk gilt als Mutter der statischen Grotesk. Wichtig für die folgen­de Generation ist zudem die Royal Grotesk von Fer­dinand Thein­hardt, welche ebenfalls um 1880 er­scheint und seit 1908 als Akzidenz Grotesk mager von Hermann Berthold in Berlin vertrieben wird.20 Die noch heute bekannten englischen, deutschen und amerikanischen statischen Serifenlosen des 19. und der ­ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Akzidenz Grotesk, Monotype Grotesque, Venus Grotesk, Franklin Gothic, News Gothic usw. tragen alle das Merkmal diagonal ge­ schnit­­tener Bogen­enden /22/. Eine Konstante ist dabei ursprünglich aber nicht vorhanden. In den alten Schrift­ musterbüchern wechseln sich horizontal und dia­go­­­nal geschnit­tene Bogenenden ab, auch innerhalb einer Gar­ ni­­tur /21/. Selbst innerhalb der Majuskeln und der Minus­ keln sind die Abschlüsse nicht einheitlich. Dies alles darf nicht ver­­­wundern, da sehr oft ­Schriften verschiedener Her­­­steller zu einer ‹Schriftfamilie› zusammengestellt wor­­den sind. Die Gleichförmigkeit, welche dann den

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Die Breite Magere Grotesk von Schelter & Giesecke um 1870, hier abgebildet in der Version der Haas’schen Schriftgiesserei.

Die Grotesk aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben diagonale Bogen­abschlüsse – sie wirken noch nicht bis ins Detail ausgefeilt.

Die Grotesk der Jahre 1954 bis 1962 weisen horizontale Bogen­abschlüsse auf und sind aus­ gewogener, sachlicher gestaltet.

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Die a-Formen der ursprünglichen Akzidenz Grotesk (oben) variieren deutlich im Vergleich zur systematisch gestalteten Univers.

aaaa aaaa aaa 96

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Das Versal-M der Maxima, 1970 von Gert Wunderlich, weist wie der ursprüngliche Univers-Entwurf von 1954 gespreizte Schenkel auf.

prägen­den ­Charakter der Grotesk der 1950er Jahre ausmacht, scheint noch nicht gefordert zu sein. Gerade dies ist denn auch ein essenzieller Aspekt, wel­ cher die Schweizer Gestalter, Typografen wie ­Grafiker teilweise bis heute unversöhnlich in zwei Lager spaltet. Während Emil Ruder in den ‹­Typographischen Monats­­ blät­tern› 5/1957 und in der Sondernummer 1/1961 /33/ die Vorzüge und optischen Gesetzmässigkeiten der Uni­ vers aufzeigt sowie Schüler im Typografie­unterricht mit der Univers experimentieren lässt, halten es andere Ge­ stalter – beispielsweise der Zürcher Schule – mehr mit der Berthold Akzidenz Grotesk oder allenfalls mit der Helvetica. Für sie ist die Univers zu fein, zu glatt, zu kon­ form. Auch die ‹Basler› Karl Gerstner – er sys­­te­matisiert die Akzidenz Grotesk 21 – und Wolfgang Wein­­gart be­­vor­ ­zugen den leben­­digeren, archaischeren Charakter der ur­­sprüng­lichen Grotesk. Weingart, ab 1968 Typografie­­­ leh­rer an der Schule für Gestaltung Basel, schreibt: «Die Univers wurde zu einer unantastbaren, fast heilig­gespro­ che­nen Institution und die Akzidenz-Grotesk schlief seit Jah­ren verstaubt in den Schriftkästen vor-sich-hin.»22 Anscheinend hat das Schriftschaffen der dazwischen lie­ ­­­gen­den fünfzig Jahre für die Schweizer Gestalter wenig zu bie­ten, wenn Emil Ruder zum Angebot an aktuellen Schriften schreibt: «Man hat ent­schie­den den Eindruck, daß der überwiegende Teil dieser ­Schrif­­­ten nicht auf das Dauernde gearbeitet ist. Das ­Schrift­­­schaffen läuft oft auf eine fatale Weise parallel mit dem Sensa­tionsbedürfnis, den Modelaunen und der Unrast unserer Zeit. So kennen wir nicht wenige Schriften, die optisch verbraucht sind, lange bevor sie technisch ab­­­genützt sind. Dieses Verlan­ gen nach Wechsel und nach dem Andersgearteten ist sicher ein echtes Zeitbedürfnis, und in einem gewissen Ausmaße sollen wir ihm unseren Tribut zollen. Aber ge­ genüber den Forde­rungen des Tages und wechselnden Modelaunen ­müs­sen wir das Bleibende, in unserem Falle die Standardschrift, schaffen.»23 Parallel zur Univers erscheinen 1957 die Folio, die Merca­ tor und die Neue Haas Grotesk, welche 1961 von Stempel übernommen und Helvetica genannt wird. 1958 wird ­zu­dem die Recta und 1962 die Permanent ver­­­öffent­licht. All diesen Schriften ist nun der horizontale Ab­schluss der Bögen­gemeinsam.24 Mit der Maxima erscheint 1970 in der DDR eine der Univers nahe verwandte Schrift. Und mit der Haas Unica wird 1980 eine Neukonzeption der Helve­­tica aufgelegt, auch unter Beizug der Univers.25

liegt an den Weissräumen. Bei M und N deckt sich beispielsweise der Schenkel nicht mit dem Hauptstamm, er steht daneben. Durch diese seitliche Verschiebung gelangt das Licht so weit wie möglich hinein. Es gibt keine Schwarzanhäufung, auch durch den konischen Verlauf der Abstriche /33/. Dies war wichtig für das Gesamtprogramm sowie für die Graufläche des Textes. Die Univers bildet nicht, wie beispielsweise die Akzidenz Grotesk, Flecken im Satz­bild, da die Versalien zudem nur wenig fetter gezeichnet wurden als die Gemeinen. Zum Zeichnen habe ich mir Schablonen gebastelt, um die Rundungen, zum Beispiel beim o, exakt hinzubekommen. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie lange wir bei Walter Käch an so etwas gezeichnet haben, bis er zufrieden war. Ich skizzierte also ein o, vom bes­ten Viertel schnitt ich aus starker Transparentfolie eine Schablone. Dann hielt ich das Stück Transparent­ folie an die Tischkante und schliff so lange mit feinem Schleifpapier daran, bis die Rundung per­­fekt war. Mit dieser Schablone habe ich mein o gezeichnet, Innenform und Aussenform. Auch g b d p q habe ich so gezeichnet. Prinzipiell waren die Innenformen bei den Halbrunden und den Runden genau gleich.Was sich hingegen wandelte, waren die Rundungen bei den Ein­­läufen zum Stamm hin. Hauptsache, die Punzen waren gleichmässig rund. Oberlänge und Un­­­terlänge kamen dann einfach dazu. Verschiedene Buchstabenbreiten braucht es nicht. Das sind einfach Maschen vom Strickwerk der Schrift und jede Masche ist gleich. An die­­ses Grundprinzip habe ich mich immer gehalten. Ausgenommen das c, das habe ich schmaler gezeichnet. Denn durch das Einfliessen von Weiss scheint das schmalere c optisch so breit wie das o. Die Ziffern hielt ich bewusst schmal, unterschiedlich in den Dickten sind sie im Bleisatz, im Lumitype-Fotosatz jedoch alle auf 10 Einheiten. Das fällt vor allem bei der Null auf, die auf keinen Fall mit dem O zu verwechseln ist. Für mich liefen die Ziffern immer schma­ler als das Versalalphabet. Das ist auch in den klassischen Schriften so, ausser natürlich bei MediävalZiffern. Für die Lumitype hatten wir von Anfang an nur Tabellenziffern, weil auf der ­Lumitype­Scheibe nicht genug Platz war. Es gab also nur eine 1. Die Monotype machte alternativ noch eine schmale Version, mit weniger Fleisch an den Seiten. Es gibt bei den einzelnen Zeichen der Univers Unterschiede zu anderen Schriften. An die Capitalis Monumentalis /09/ angelehnt, setzte ich den Schweif beim Q an der Aussenform an. Ich wollte die Punze nicht zerstören. Dass der Schweif horizontal aus dem Q herausläuft, ist so eine Eigenart von mir, die sich in den meis­ten meiner Schriften findet. Der runde Einschnitt beim Aufstrich der 1, zum Beispiel bei der Akzidenz Grotesk /29/, war für mich ein Fremdkörper. Ein Aufstrich ist etwas Schlichtes und nicht so ein Firlefanz, horizontal mit einer Beule drin. Entsprechend ist meine 1 wie auch die 7 einfach gehalten. Das habe ich immer ganz klar aus­ einandergehalten: Zeichen, Ziffern und Buchstaben. So auch beim Fragezeichen /27/; der Bogen ist oben senkrecht geschnitten und nicht wie die Ziffern und Buchstaben waagrecht. Im Satz­ bild sollte es dem Ausrufezeichen näher sein als der Ziffer 2. Mein Et-­Zeichen /28/ wurde in den

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Für die formale Über­arbeitung der Helvetica zur Haas Unica durch A. Gürtler, Ch. Mengelt, E. Gschwind wurde die Univers heran­gezogen.

Das ß ist eine Ligatur aus Lang-s und Rund-s – bei der Adobe Caslon (links, Mitte) ist das Lang-s im Figurenverzeichnis enthalten.

Eine der wenigen Inkonsequenzen bei den Univers – bei zwei Breiten ist der Bogen vertikal geschnitten, bei den anderen horizontal.

Wegen mangelnder Akzeptanz seines Et-Zeichens entwarf Adrian Frutiger zusätzlich die traditionelle geschlaufte Form.

Unica

ſs ß ß

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& &

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Die Univers (Mitte) hat gegenüber der Akzidenz Grotesk (links) und der Helvetica (rechts) die einfachste Form.

Die Univers (unten) wirkt gegen­über den frühen Grotesk harmoni­scher und geschmeidiger – Akzidenz Grotesk (oben).

Vereinheitlichung der Bogen­enden bei den Univers-Minuskeln (unten) – sie sind auf derselben Höhe horizontal geschnitten.

Bei der Akzidenz Grotesk (oben) ist die Oberkante nicht einheitlich, bei der Univers sind – eher unge­­wohnt – sogar die Akzente aliniert.

GKR GKR

acegs acegs

1 1 1 7 7  7



H5äliè H5äliè U n i v ers

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Die TM 1/1961 ist ganz der Univers gewidmet – auf 60 Seiten erläutern A. Frutiger, E. Ruder und P. Heuer die Konzeption und Herstellung.

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U n i v ers

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Anzeigen und Werbematerial von Rémy Peignot aus den 1950er und 1960er Jahren – visualisiert ist der Spiralnebel des Universums.

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Die Monotype-Univers in den TM 1/1961 (oben) und mit einigen in der Dickte korrigierten Lettern in den TM 1/1962 (unten).

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Das Erscheinungsbild von Otl Aicher für die Olympiade 1972 in München ist konsequent in Univers gesetzt.

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Anzeigen von Hans-Rudolf Lutz aus den 1960er Jahren für Monotype – ein flächig-räumliches Modulieren mit der Univers.

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Texte in verschiedenen Sprachen wirken in der Univers homogener als bei der Futura (links) – entscheidend ist das Verhältnis von der x-Höhe zu den anderen Höhen.

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig MédocWeinen aus dem selben Jahr.

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig MédocWeinen aus dem selben Jahr.

You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express mans diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different.

You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express mans diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different.

Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents.

Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents.

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Ausschnitt aus dem Buch ‹Genesis›, gesetzt von Bruno Pfäffli in Hand­satz Univers und illustriert mit Holzschnitten von Adrian Frutiger (stark vergrössert).

europäischen Satzsystemen übernommen; erst als Linotype für den amerikanischen Markt meine Univers auf den Fotosatz übernahm, wurde es durch das verschlaufte ‹Fleischerhaken­ Et› ersetzt. Die Amerikaner waren radikal, sie wollten mein Et­Zeichen absolut nicht.Technisch bedingt sind die Punkte bei den Umlauten ä ö ü /32/. Sie sind auf der Versalhöhe angeordnet, dies aus Gründen der vereinheitlichten Alinierung. Die Deutschen kritisierten das, denn für sie sind Trema und Buchstabe immer eine Einheit; da muss alles nahe beieinanderstehen. Tiefer konnte ich die Punkte aber nicht setzen, weil die x­Höhe bei den Lumitype­Schriften variabel, die Platzierung der fliegenden Akzente dagegen für alle Schriften auf einer bestimmten Höhe festgelegt war. Die beste Univers bleibt die in Blei gegossene von Deberny & Peignot. All die anderen Adaptionen sind ein überwiegend trauriges Kapitel. 1959 wurde der Vertrag mit Monotype geschlossen – eine kluge Entscheidung von Peignot, denn die Verbreitung dieser Maschinen war weltweit sensationell. Bei Monotype traf Stanley Morison den Entscheid. Er sagte, die Univers sei die am wenigsten schlechte der Groteskschriften. In ihrer Werbung schrieben sie: «Univers – Synthese schweizerischer Gründlichkeit, französischer Eleganz, britischer Präzi­ sion in der Matrizenherstellung.»26 Bereits die Version für den Maschinensatz 1960, bei der ich sogar Einfluss nehmen konnte, ist aber nicht stimmig. Es gab technische Schwierigkeiten. Die Übertragung des 36­Einheiten­Systems der Lumitype auf die 18 Monotype­Einheiten funktio­ nierte nicht sehr gut. Das kleine f, das t, die Versalien – sie wirken alle gequetscht. Stundenlang diskutierte ich mit John Dreyfus und den Technikern. Ich konnte wohl darauf hinweisen, das r müsse breiter als das t sein, aber da war einfach nichts zu machen, die Zeichenbelegung im Giessrahmen liess es nicht zu. Einiges wurde 1962 korrigiert, aber optimal war es danach immer noch nicht /34/. Dennoch wurde das Univers­Bild schlussendlich von Monotype geprägt; denn viele kleine Giessereien haben einfach die Monotype­Matrizen gegossen, auch wurde sie im Handsatz verwendet, dabei war sie bereits eine schwache Secondhand­Ausführung. Die Univers­Versionen für die verschiedenen Fotosatz­ oder Lasersatzsysteme, ob nun von Compugraphic, Linotype, Adobe oder Bitstream, basieren letztlich alle auf den ungünstigen Monotype­Vorlagen. Die beste Adaption der Univers für Fotosatz stammt von Günter Gerhard Lange, zunächst für die Diatype von Berthold. Sie kommt der Original­Univers sehr nahe, auch wenn Lange sich minimale Freiheiten erlaubte. Die frühen Adaptionen von Linotype waren dagegen katastrophal. Ich erinnere mich noch gut an die fruchtlosen Diskussionen bei der D. Stempel AG, als für die Linofilm die ersten Uni­ vers­Adaptionen erstellt wurden. Die Grossbuchstaben waren in der Kursiv einfach nur ge­ schwenkte Geradestehende, ohne jede Nachbearbeitung. Man hatte auf dem Schriftträger nicht genügend Platz für die richtige Kursive. Aus dem Neigungswinkel von ursprünglich 16 ° wurden 12 °. Der reduzierte Neigungswinkel kam noch aus der Zeilengusstechnik. Der ursprüngliche

Antique Presse und Univad Anfang der 1960er Jahre entsteht auf Nachfrage der Verkaufsabteilung von D & P die Antique­Presse im Handsatz. Sie ist eine Erweiterung zur Univers. Im Prospekt zur Antique­Presse ist zu lesen, dass die Kunden monierten, in grossen Grössen keine Schriften für den Titelsatz von Zeitungen zur Verfügung zu haben, weswegen sie dafür fotografische Vergrösse­ rungen und Klischees anfertigen müssen. Im Artikel über Ladislas Mandel in ‹Etapes Graphiques› 10/1999 steht: «Antique Presse, 1964. Dies ist die erste Kreation von Mandel.» 27 Ein Entwurf aus dem Jahr 1963, betitelt mit ‹Antique Presse, Mandel› /40/, zeigt noch grosse Unterschiede zur später ausgeführten Version, zum Beispiel im S und C, sowie in der gesamten Anlage der Schrift. Mandel schreibt in einer Erklärung, dass er für a S oder G unklassische Zeichen gefertigt habe, um die Leerräume auszufüllen und eine homogenere Farbe zu erhalten.28 Der Entwurf wird abgelehnt, es erfolgt eine Überarbeitung in Richtung Univers. Das undatierte Blatt ‹Univers bis› /40/ zeigt die überarbeitete Version. Die Antique­Presse wird in drei Schnitten mit Gross­ und Kleinbuchstaben von 48 bis 94 Punkt realisiert. Bei der Übernahme in die Haas‘sche Schriftbibliothek entfallen in der 69 und 89 die Kleinbuchstaben. Mit dem Ende der Blei­Ära verschwindet die Schrift ganz, Linotype über­ nimmt sie nicht in den Fotosatz. Adrian Frutiger deklariert die Antique­Presse erstmals und einzig 1988 auf einer Liste als eine seiner eigenen Kreationen.29 Im Gespräch vom 28. 5. 2001 bekräftigt er diesen Anspruch. Und auch formal lässt einiges darauf schliessen. Ebenfalls auf der Univers beruht die Univad /41/, eine von Ladislas Mandel 1974 für den Fotosatz der Photon gezeichnete Schrift für den Gebrauch in kleinsten Schrift­ graden. Die Punzen sind so offen wie möglich gehalten, um in den kleinen Grössen eine akzeptable Leserlichkeit zu erreichen. Auch die Erhöhung des Strichstärkenkont­ rastes sowie die Verbreiterung der Buchstaben dienen der Leserlichkeit. So erscheint die Univad 55 zwar wie eine Univers 55, ist aber genau betrachtet eher eine 53. Die Form einiger Buchstaben ist gegenüber der Univers geändert. Das R hat einen geraden Abstrich bekommen, das W ist steiler, 5 6 und 9 sind offener gehalten. Das Q hat – wie auch bei der Antique­Presse – einen leicht nach unten versetzten Querstrich. Die Schrift ist seit dem Ende der Fotosatztechnik nicht mehr erhältlich.

THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG the quick brown fox jumps over the lazy dog ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ ÆŒ & 1234567890° £$% §†ßfiflæœ abcdefghijklmnopqrstuvwxyz [!?…’_.:-,;–‘—·] (¼½¾) Ç@©* Univers 55

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Die Univad (rechts), eine von Ladislas Mandel gestaltete Univers für Kleinstschriftgrade – hier in 5 pt –, entstand 1974 für den Foto­ satz der Photon.

Antique Presse 59 bis c. 60 / 48

Antique Presse 69 bis c. 60 / 48

/40/ Antique Presse 89 bis c. 60 / 48

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Entwurf von Ladislas Mandel, 1962/63 (oben), in Richtung Univers korrigierte Fassung (Mitte), Endversion der Antique Presse aus einem undatierten Prospekt (unten).

Nichtlateinische Schriften Im 20. Jahrhundert findet zunehmend eine Modernisierung von nichtlateinischen Schrif­­­ten statt, im Sinne der Vereinfachung zur Grotesk­ form. Sie werden in Proportion, Duktus, Strichkontrast und auch in der Linienführung an das lateinische Vorbild angepasst. Unter anderen steht die Univers Pate für viele Adaptionen. Adrian Frutiger zeichnet 1973–76 gemeinsam mit Alexei Chekoulaev die Univers Cyrillic /43/ für die D. Stempel AG. Da nur einige Zeichen des kyrillischen Alphabets mit dem lateinischen überein­stimmen, betrachtet Adrian Fru­ ti­ger das Zeich­­nen des­­selben als eine Neuschöpfung.30 Auch Compugraphic zeichnet eine Version, was zu einer Rechts­frage führt.31 Bereits 1967 zeichnet Ladislas Mandel eine kyrillische Ver­ ­­­­­­­sion der Univers, genannt Mir /42/, für die Internatio­nal Photon Corporation. Er lehnt sich bei der Gestaltung der Zeichen an die kursive kyrillische Schrift an, deren Buch­ ­­stabenfor­men sich teilweise erheblich von der auf­rech­ ten Druckschrift unterscheiden. Frutiger konsultiert vor seiner Arbeit diese Schrift, steht aber Mandel’s Haltung kritisch gegenüber, denn: «… dabei sind nach mei­nem Da­fürhalten 15 – 20 Formen lese-ungewöhnlich».32 Er ent­ ­scheidet sich, bei seiner Version auf das herkömmliche, aufrechte Alphabet zurückzugreifen.33 Interessant mit Bezug auf die griechische Lapidarschrift /09/ – als Grundform der Groteskschriften – ist die Adap­ tion des Univers-Prinzips auf das griechi­sche Alphabet. Ge­­zeich­net von Adrian Frutiger um 1967 für Monotype 34, ist das von der Univers entnommene O der Univers Greek /44/ oval angelegt, im Gegensatz zur Lapidarschrift, bei welcher das O kreisrund ist. 1968 zeichnet Asher Oron 35 eine hebräische, an die Uni­ vers angelehnte Schrift namens Oron /45/. Er passt ­seine Schrift in der Fettenabstufung der Univers an. Auch hält er – gemäss lateinischem Duktus – die im hebräischen Alphabet üblicherweise betonten horizontalen Striche feiner als die vertikalen Striche.36 Das hebräi­sche Alpha­ bet hat jedoch nur wenig mit dem lateinischen ge­­mein; denn es ist, von Ausnahmen abgesehen, ein Zwei-LinienSystem. Durch die Anpassung der Oron an die x-Höhe der Univers erscheint sie daher auch etwas klein. Zudem ist die quadrati­sche Grundform der Zeichen schwer mit den Proportionen der Univers vereinbar. Richtigerweise heisst diese Schrift nicht ‹Univers hebräisch›; für diese Na­­mensgebung sind die Unterschiede zu gross.

Neigungswinkel von 16 ° hingegen kommt vom Lumitype-Fotosatz. Das erste Mal spielte es technisch überhaupt keine Rolle, ob da nun ein Überhang ist oder nicht. Ich fand, im körper­ losen Fotosatz könnte man eine ganz andere Schräge versuchen, damit die Kursive wirklich einen deutlichen Kontrast bildet. Die Univers entstand in der Zeit, als die PR- und Werbeagen­ turen aufkamen – deshalb wollte ich eine Schrift, die knallt, deshalb auch die vielen Schnitte und die starke Neigung. Vielleicht bin ich etwas zu weit gegangen, das kann man diskutieren, 15 ° hätten es vielleicht auch getan. Aber gerade die 16 ° sind eines der Merkmale der Univers geblieben. Im Schriftguss bei Deberny &  Peignot konnte ich ebenfalls durchsetzen, die 16 ° ein­ zuhalten. Die extreme Neigung wurde sofort kritisiert. Es sei an der Grenze zum Umfallen. Das war immer ein Diskussionsthema. Die einen hatten Spass daran, den anderen war es ein Dorn im Auge. Ich bin bei meiner Meinung geblieben, dass zwischen einer Geraden und einer Schrä­ gen wirklich eine deutliche Differenz sein darf. Bei Linotype war die Univers lange Zeit nur ein notwendiges Übel, das Waisenkind, um das sich niemand richtig kümmerte. Darunter habe ich sehr gelitten. Die Helvetica dagegen wurde gepflegt, ständig verbessert und so zu einem erfolgreichen Spitzenprodukt entwickelt. Erst Bruno Steinert, der Geschäftsführer der Linotype, hat 1994 die neu überarbeitete Linotype Univers initiiert, und hier wurde dann tatsächlich auf die Originale aus Blei zurückgegriffen. Der Anstoss zur Erneuerung kam von der Deutschen Bank, deren Erscheinungsbild neu be­­ stimmt wurde. Die für das Corporate Design verantwortliche Agentur wählte als Hausschrift wiederum die Univers – wie Anton Stankowski – in der Berthold-Version. Diese aber war nicht weltweit verfügbar, so wandte man sich an die Linotype. Daraufhin bekam ich von Bruno Steinert und Otmar Hoefer die Anfrage zur Mitarbeit. Ich war über­­wältigt und empfand auch eine gewisse Genugtuung. Sie baten mich, bei der Bestimmung der Aussenpole zu helfen. Inter­ polieren war ja einfach, aber extrapolieren konnte man nicht. Die geschwenkten Schriften korrigierte ich zurück, indem ich die Aussenformen mit der Schere abrundete und innen mit dem Filzstift Striche nachgezogen habe. Diese Univers-Erweiterung mit 63 Schnitten war trotz technischer Hilfsprogramme eine titanische Arbeit /54/. In zweijähriger intensiver Zusammen­ arbeit mit Reinhard Haus entstand dieses monumentale Projekt. Die neue Linotype Univers /56/ ist insgesamt besser als die meisten anderen Versionen, aber offen gesagt, finde ich es ein wenig übertrieben, so eine Riesen­familie zu entwickeln. Eine gestohlene Variante ist demgegenüber die bei Bitstream erschienene. Sie haben der Univers einen anderen Namen gegeben: Swiss 722 37. Heute heisst sie Zurich. Die ganzen Adaptio­ ­nen auf die verschiedensten Systeme sind ein einziger riesiger Wirrwarr. Was machen wohl junge Ge­stal­ter, wenn sie damit konfrontiert werden? Ich hoffe einfach, dass sie ein geschultes Auge be­­kommen, dass sie die Unterschiede spüren und sehen, und zwar intuitiv, nicht mit dem Kopf.

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Univers kyrillisch, genannt Mir, 1967 von Ladislas Mandel für den Fotosatz der Internatio­nal Photon Corporation.

Univers Greek aufrecht und geneigt – um 1967 von Adrian Frutiger für die englische Monotype gezeichnet.

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Linotype-Digitalfont Univers Cyrillic von Adrian Frutiger und Alexei Chekoulaev in vier Fetten mit entsprechender Oblique­.

Der israelische Grafik-Designer Asher Oron gestaltete 1968 die zur Univers passende hebräische serifenlose Schriftfamilie Oron.

АБВГДЕЖЗИЙКЛМНОПРСТУФХЦ ЧШЩЪЫЬЭЮЯ абвгдежзийклмнопрстуфхцчшщъыьэюя Алфавeт Алфавeт Алфавeт Алфавeт Алфавeт Алфавeт Алфавeт Алфавeт

U n i v ers

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Ausbau der Univers Zu den ursprünglich 21 Schnitten entstehen weitere, 1965 für Photon die Univers 69, später für den Fotosatz bei Haas zusätzlich die Univers 93 /47/. Ganz anders jedoch sieht es bei Linotype aus, obwohl Adrian Frutiger seit Ende der 1960er Jahre fast exklusiv für Linotype tätig ist. 1984, fünfzehn Jahre nach Heraus­ gabe der ersten Univers-Schnit­­te bei Linotype, sind dort noch immer erst 19 Schnitte im Schriftmusterbuch ent­ halten, die Univers 65 negativ mitgezählt. Zwei Negativ­ schnitte bietet auch Compu­graphic, Berthold drei lichte Schnitte. 1987 wird bei Linotype neu die extrafette Univers 85 ausgewiesen, die Univers 93 fünf Jahre da­­nach, die Univers 83 fehlt hingegen. Erst 1990 wird für die Post­ Script-Technologie die Univers-Familie bei Adobe / Lino­ type mit den vier breit-geneigten Schnitten weiter aus­ ­ge­baut /48/. Insgesamt sind bei den diversen Herstel­lern 35 Schnitte realisiert.38 Die nicht mehr erhältliche Univers 55 ­phonetisch /53/ ist hier nicht mitgezählt. Zur Digitalisierung in PostScript greift Adobe 1987 auf die Linotype-Version zu­­rück. Dies ist bei den Her­stel­lern leider so üblich, denn einerseits fordern die An­­wender das ge­­wohnte Schrift­bild der bisherigen Fassung, ande­ rerseits soll eine Schrift schnellst­­möglich auf eine neue Technologie übertragen werden. Durch das oft mehrma­ li­ge Adaptieren ­von einer Technologie zur nächsten – wie bei der Univers geschehen – ­entfernt sich die Schriftform je­­­­­doch meist weit vom Original. Deutlich verändert sind die geneigten Schnitte. Linotype weist bis zur Post­Script-

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Geklebte Spitzen der Haas’schen Schriftgiesserei, um abgerundeten Ecken bei der Belichtung ihrer Fotosatz-Schriften vorzubeugen.

/47/

Die Univers 69 wurde 1965 für die Photon hergestellt, viel später realisierte die Haas’sche Schrift­ giesserei die Schnitte 39, 69 und 93 für ihr Fotosatz-Gerät.

/48/

39 Thin Ultra Cond

45 Light

53 Extended

63 Bold Extended

53 Extended Oblique

63 Bold   Extended Oblique

45 Light   Oblique

55 Roman

65 Bold

55 Roman   Oblique

65 Bold  Oblique

47 Condensed Light

57 Condensed

67 Condensed Bold

47 Cond  Light Oblique

57 Cond Oblique

27 Schnitte der digitalen Univers LT von Linotype – die Nummern für Roman und Oblique sind identisch, da letztere entgegen dem Original nur um 12 ° geneigt sind.

49 Light Ultra Cond

59 Ultra Cond

66 Bold   Italic

67 Cond   Bold  Oblique /49/

73 Black Extended

73 Black   Extended Oblique

75 Black

85 Extra Black

93 Extra Black 93 Extra Black Extended   Extended Oblique

104

W E R K S AT Z s c h R I F T

75 Black    Oblique

85 Extra Black Oblique

Einzig der Schriftschnitt 66 Bold Italic existiert bei Linotype im ursprünglichen Winkel von 16 ° als TrueType-Font.

Technologie zwei Versionen39 aus, eine mit 12 °, welche für PostScript herangezogen wird, da nur in dieser auch schmal­geneigte Schnitte vorhanden sind, sowie eine zweite mit den originalen 16 °. Gut ist die Bezeichnung der 12 °­geneigten Schnitte mit den eigentlich falschen unge­ raden Nummern und dem Zusatz Oblique /48/. Die erste PostScript­Version der Univers von Adobe 1987 ist sehr fehlerhaft.40 Hans­Jürg Hunziker interveniert bei Adobe, und 1994 wird endlich eine leichte Überarbeitung vorgenommen, welche in etwa der jetzigen Univers von Adobe / Linotype entspricht /48/. Linotype geht 1993 in einem Brief auf Adrian Frutiger’s Vorschlag ein, eine GX­Zeichensatzerweiterung der Univers vorzunehmen 41, ähnlich der Helvetica­GX mit den 596 Zeichen statt der üblichen 256 in den PostScript­Schriften. Erreicht werden soll die Erweiterung teils mit bereits bestehenden Zeichen aus dem Fotosatz wie den Schul­ buchzeichen /51/, den Kapitälchen /52/ sowie den Figu­ renvarianten des Et­Zeichens und teils mit neuen. Erwäh­ nung finden: Mediävalziffern (wie auch die Kapitälchen noch immer eine wünschenswerte Ergänzung), weitere f­Ligaturen 42, die gebräuchlichsten Akzente für die euro­ päischen Sprachen sowie Swash­ und mathematische Zeichen. Ob Frutiger beim Vorschlag zur Swash an die Univers­Flair /50/ gedacht hat 43, geht aus dem Schreiben nicht deutlich hervor, beigelegt ist als Alternative die Schrift Geschriebene­Initialen­zur­Grotesk (siehe Seite 400), kombiniert mit der Kabel von Rudolf Koch.

/50/

Univers Flair des Amerikaners Phil Martin (Alphabet Innovations) für das Fotosatz­Gerät VGC Photo­ Typositor, 1970er Jahre.

/51/

Zur Univers 55 bestehende Schulbuch­ und Sprachzeichen – Reinzeichnungen der Linotype in der Designgrösse 12 pt.

/52/

/53/

Kapitälchen zur Univers 55 sind bei Monotype vorhanden und bei Linotype zudem alternative Formen der Ziffern 4, 6 und 9.

Zeichen aus dem Internationalen Phonetischen Alphabet passend zur Univers 55 – Reinzeichnungen der Linotype.

Nn UnIvERS

105

/54/

Adrian Frutiger 1996 in seinem Atelier beim Schneiden, Kleben und Retuschieren der Entwürfe für die neue Linotype Univers.

/55 /

Retuschierte Klebentwürfe mit Markierungen zur Digitalisierung der neuen Linotype Univers 920 condensed extra black.

106

W E R K S AT Z s c h R I F T

Linotype Univers Die Univers erfährt 1996 endlich die ihr gebührende Aufmerksamkeit bei Linotype und wird aufwendig und auf Basis von Bleiabzügen der originalen Univers von 1957 über­arbeitet. Dieser Aufgabe widmet sich Reinhard Haus, künstleri­scher Leiter bei Linotype, in enger Zusammenarbeit mit Adrian Frutiger. Dabei wird die Schrift nicht nur von 27 auf 59 + 4 Schnitte erweitert, auch Laufweiten- und Fetten­abstufung werden optimiert /62/. Grundlage da­­für ist das Fettenschema der Neuen Helvetica.44 Der Aus­­­bau der Univers liegt im Zeitgeist, in welchem solch umfangreiche Schriften wie die Thesis oder etwas später auch die Fago entstehen. Frutiger zeichnet den feinsten und fettesten Schnitt – alle dazwischen liegenden Schnitte der Linotype Univers wer­ ­­den interpoliert. Wäh­rend er die interpolierten Schnitte über­arbeitet, indem er sie auseinanderschneidet, neu mon­­­­­­­­­­tiert, fehlende Teile mit Filzstift ergänzt so­­wie Digi­ ­ta­­lisierungspunkte anbringt /54/, ist Reinhard Haus da­mit beschäftigt, die Vorlagen /55/ zu digitalisieren. Alle Schnitte werden auf diese Weise überarbeitet. Als Problem erweist sich die sternförmige Nummerie­ rung der vielen Schnitte. Der Versuch von 1997 (55 wird zu 550, der fet­teste Schnitt bekommt 1050) wird von den Anwendern nicht akzeptiert. 1998 wird die neue, durch­ gehend dreistellige Matrix etabliert.45 Sie beginnt links oben mit dem schmalsten Schnitt 110, geht nach rechts bis zur Weite 140 und nach unten bis zur Fette 940. Die dritte Stelle definiert die Lage; 0 ist aufrecht, 1 ist kursiv.

/56/

Im Vergleich ist der normale Schnitt der Univers LT (links) etwas kräftiger als die Regular der neuen Linotype Univers. /57/

Das Titelblatt, gestaltet von Leonardi / Wollein, orientiert sich an den Kommunis­ten-Porträts, welche Hans-Rudolf Lutz 1967 in der Univers ‹zeichnete›.

Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers Univers

/58/

Im Prospekt ‹Linotype Univers› von 2000/2001 werden einige markante Unterschiede zur älteren Univers LT anschaulich dargestellt.



U n i v ers

107

/59/

Weitenverhältnis der Univers LT: Die Univers 59 hat eine kräftigere Strichstärke als die restlichen Schnitte – die optischen Gesetze wurden nicht beachtet.

/60/

/62/

Im Gegensatz zum ursprünglichen Konzept sind die Strichstärken der neuen Linotype Univers entsprechend der Breite optisch angepasst worden.

Konstante Linienführung der einzelnen Schnitte durch digitale Interpolierung und anschlies­ sendes Überzeichnen.

Univers original versus digital Mit der Übernahme von Deberny & Peignot 1971 gelangen die Matrizen der Univers zu Haas und 1989, im Zuge der Übernahme durch Linotype, zur Walter Fruttiger AG. 46 Die Rechte an der Schrift liegen seither bei Linotype. Trotz Beizug der originalen Univers weicht die Linotype­ Univers in wesentlichen Punkten bewusst vom Original ab. Die Strichstärke der Schnitte einer Fette ist nicht mehr mathematisch gleich. Die Linotype­Univers weist in den schmalen Schnitten eine leicht geringere Strichstärke auf als in den weiten Schnitten, um ein optisch gleichblei­ bendes Bild zu garantieren /60/. In den engen Schnitten zeigen die runden Buchstaben keine geraden Vertikalen mehr wie beim Original, womit sie sich besser in den Gesamtcharakter der Schrift integrieren /58/. Zudem ist in den fetten Schnitten der Strichstärkenkontrast erhöht, um den Antiqua­Charakter mehr zu betonen /58/. Schluss­ endlich ist mit der Erweiterung um fünf zusätzliche Fet­ ten diese Abstufung komplett neu angelegt /62/. Beim Vergleich des Handsatz­Originals mit den digitalen Versionen Univers­LT sowie Linotype­Univers /63/ ist ge­ nerell festzustellen, dass die Änderungen mehr auffallen, je schmaler beziehungsweise fetter die Schnitte werden. Besonders in der 630 ist die Wiederannäherung der Linotype­Univers an das Original sichtbar. Dieser Schnitt ist in der Univers­LT deutlich zu schmal ausgefallen, abge­ sehen davon, dass einzelne Zeichen wie zum Beispiel das c auch formal nicht genügen.

/61/

Das Konzept der nahezu gleich bleibenden Breite in den verschie­ denen Fetten – gemessen von der rechten Kante des Abstrichs – wurde beibehalten.

/63/

Fetten­, Weiten­ und Lagenvergleich zwischen der Univers Handsatz Deberny & Peignot, der Univers LT und der Linotype Univers.

Profondeurs Perspektive Maschinen Boxkampf Profondeurs Perspektive Maschinen Boxkampf Univers 45, Univers LT 45, Linotype Univers 330

Univers 55, Univers LT 55, Linotype Univers 430

Univers 65, Univers LT 65, Linotype Univers 630

Univers 75, Univers LT 75, Linotype Univers 730

Luftkurorte Kalksteinhöhle Kartoffelernte Wasserkraftwerke Luftkurorte Kalksteinhöhle Kartoffelernte Wasserkraftwerke Univers 56, Univers LT 55 Obl., Linotype Univers 431

108

W E R K S AT Z S c h R I F T

Univers 57, Univers LT 57, Linotype Univers 520

Univers 58, Univers LT 57 Obl.,Linotype Univers 521

Univers 59, Univers LT 59, Linotype Univers 510

Univers-Adaptionen Der Erfolg der Univers ist enorm, von unzähligen Herstellern auf unzähligen Satzgeräten wird sie angeboten. 1957 für den Fotosatz der Lumitype und Photon reali­siert, entsteht sie ab 1958 auch im Hand­ satz von Deberny & Peignot. 1961 erscheint sie parallel im Masch­inen- und im Fotosatz bei Mono­­­type. Eben­­falls ab 1961 ist sie als Handsatztype bei American Type Founders er­­hältlich; ab 1970, im Hinblick auf die ­Olympi­schen Spie­ le 1972 in München /38/, auch bei Ludwig & Mayer. Bereits ab 1963, mit dem Angebot von Letraset, kön­­nen auch An­wender ausserhalb der Drucke­reien die Schrift nutzen; mit der Univers für IBM (siehe Seite 190) auch im Schreib­ satz. 1967 bringt die englische Matro­type die Univers im Zeilenguss heraus. Erst sieben Jahre danach folgt Mer­ gen­thaler Lino­type im Zeilenguss mit nur drei Schnit­­ten, ob­­wohl das Unternehmen die Schrift bereits ab 1969, wenn auch zögerlich, für den Fotosatz erstellt. In diese Arbeiten ist Frutiger miteinbezogen. Hingegen zeichnet André Gürtler 1967 die Compugraphic-Version, da sich Frutiger der Linotype verpflichtet fühlt. Die Fir­­men Harris und Linotype bereiten die Univers für den CRT-Satz auf, Hell 1977 für den Digiset-Lasersatz. Zu Beginn des neuen Jahrtausends ist die ­Situation nur wenig übersichtlicher mit sechs digita­len Versionen meh­ rerer Anbieter. Inzwischen sind noch drei unterschiedliche Fas­sungen der Univers erhältlich: jene mit zweistelliger Nummer von Adobe / Lino­type, die Zurich von Bit­­­stream und die neue dreistellige von Linotype.

Handsatz

Fotosatz

Lichtsatz CRT

Deberny & Peignot | 1958 American Type Founders | 1961 Ludwig & Mayer | 1970 Haas | 1971 Stempel | 1973

Lumitype | 1957Photon | 1957 Monophoto | 1961 Compugraphic | 1967 Mergenthaler Linotype | 1969 Alphatype Berthold Dr. Böger Graphic Systems Haas Intertype Microtype Singer Stempel Wang

Linotype | 1969 Harris Hell

Maschinensatz Einzelbuchstabenguss Monotype | 1961 Ludlow Maschinensatz Zeilenguss Matrotype | 1967 Neotype Mergenthaler Linotype | 1974

Lasersatz Hell Linotype Scangraphic Digitalsatz Adobe / Linotype | 1987 Bitstream | 1990 Berthold • Scangraphic • URW • Linotype | 1998 •

Anreibesatz

nicht mehr erhältlich

Letraset | 1963 Mecanorma Schreibsatz IBM | 1964 Varityper

Bleisatz

Fotosatz

Digitalsatz

Deberny & Peignot – Handsatz Univers 55 / 56

Lumitype 200 Univers 751-55 / 751-56

Adobe / Linotype Univers LT 55 Roman / 55 Oblique

C KM aghr st C KM aghr st Monotype – Einzelbuchstabenguss Univers Medium 689

Matrotype – Zeilenguss Univers 55 / 56

Photon Univers Medium / Medium Italic

URW Univers Regular / Regular Italic

C KMag hrst CKMaghrst

C KMagh rst C K M aghrst

Monophoto Univers Medium 689

Berthold Univers BQ Regular / Italic

C K Ma ghrst CK Ma ghrst Berthold Univers 55 / 56

Scangraphic Univers

C KMaghrst C KMaghrst Anreibesatz Letraset ( Deberny & Peignot ) Univers 55 / 56

Compugraphic MCS 8600 Univers Medium / Medium Italic

Bitstream Zurich BT Roman / Italic

CKM ag hr st CKMaghrst Mecanorma ( Deberny & Peignot ) Univers 55 / Italic 56

Mergenthaler V·I·P Univers 55 / Italic 56

Linotype Linotype Univers 430 Basic Regular / 431 Basic Regular Italic

C KM aghrst CKMag hrst

Univers

109

Linotype Univers ™ Linotype 63 Schriftschnitte

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210 Thin Compressed

310 Light Compressed

410 Compressed

510 Medium Compressed

/64/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

130 UltraLight 230 Thin 330 Light 430 Regular 530 Medium 630 Bold 730 Heavy 830 Black 930 ExtraBlack 431 Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00 10.00 10.00  10.00  10.00 10.00

Hw 6.71 = 0.86 7.03 = 0.90 7.35 = 0.94 7.77 = 1 8.19 = 1.05 8.65 = 1.11 8.98 = 1.15 9.34 = 1.20 9.98 = 1.28 7.40 = 0.95

110

W E R K S AT Z s c h R I F T

Hs 0.27 = 0.21 0.58 = 0.45 0.89 = 0.68 1.30 = 1 1.72 = 1.32 2.17 = 1.67 2.59 = 1.99 3.07 = 2.36 3.99 = 3.07 1.25 = 0.96

Hq 0.27 = 0.26 0.50 = 0.49 0.74 = 0.72 1.02 = 1 1.32 = 1.29 1.63 = 1.60 1.76 = 1.72 1.89 = 1.85 2.15 = 2.11 1.04 = 1.02

HHHHHHH   H HH 16.3°

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220 Thin Condensed

221 Thin Condensed Italic

320 Light Condensed

321 Light Condensed Italic

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131 UltraLight Italic

230 Thin

231 Thin Italic

330 Light

331 Light Italic

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141 UltraLight Extended Italic

240 Thin Extended

241 Thin Extended Italic

340 Light Extended

341 Light Extended Italic

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U n i v ers

111

Frutiger’s Gedanken zur neuen Linotype Univers « […] Das Erstaunliche ist der Mut der Linotype zu dieser neu­ en Schriftfamilie, die bestimmt ihre Glanzzeit hatte und immer noch geschätzt wird. Dies geschieht in einer Zeit, die ich als Nahtstelle in einer gewaltigen Umwälzung des Weltgeschehens bezeichnen möchte. […] Ein grosses Fragen nach dem Nachher bewegt heute die junge Ge­ neration. […] Da ist es nicht verwunderlich, dass diese Generation […] oft bis an den Rand des Vernünftigen geht. Die ältere Generation schaut mit Kummer, Kritik, ja mit Abscheu auf die vollgesprayten Wände, schliesst die Ohren vor den Technopartys und die Augen vor Druck­ sachen und Plakaten, die geprägt sind von zerdrückten Stempelschriften, schlechten Schreibmaschinentypen, bis ins Unlesbare karikierten Buchstaben. Der graphische Lärm ist zu laut. Dabei vergessen wir, dass die Generation der heutigen Jugend das Scharnier bildet zwischen einer Welt, die wohl zu Ende geht und einer Zukunft, die ganz anders sein wird. […] Das elektronische Zeitalter wird ganz andere Bedingungen in die Welt bringen. Neue Wege werden eine neue Welt schaffen. […] Warum die Kritik und nicht der Versuch, zu verstehen? Seit einiger Zeit steht auf der Hitliste der meistverkauften Leseschrif­ ten die Garamond (nach dreissig Jahren Times). Stimmt das nicht zuversichtlich? Ich sehe in einigen Jahrzehnten ein Rückfinden in Ruhe voraus, vielleicht zur Liebe, auf einem weissen Blatt eine schöne Schriftzeile zu gestal­ ten.»47

/65/

Figurenübersicht der Univers 55 im Handsatz von Deberny & Peignot.

/66/

Figurenübersicht der Univers LT 55 im Digitalsatz von Linotype.

AB C D E FG H IJ KLM N O PQ R STU V W XY Z & abc de fgh i j kl mnopq rs t u v w x y z ß12 3 4 5 6 7 8 9 0 /67/

Vergleich zwischen Handsatz­ Univers (oben), Univers LT (Mitte) und Linotype Univers (unten) in normal und halbfett.

112

Der Grundcharakter einer Schrift wird von einheitlichen Formmerkmalen aller Buchstaben eines Alphabets bestimmt. Er allein besagt noch nichts über das Niveau einer Druckschrift und die Qualität des Satzgefüges. Das Erscheinungsbild ist etwas Komplexes, das sich aus vielen Einzelheiten, wie Form, Proportionen, Duktus, Rhythmus

Der Grundcharakter einer Schrift wird von einheitlichen Formmerkmalen aller Buchstaben eines Alphabets bestimmt. Er allein besagt noch nichts über das Niveau einer Druckschrift und die Qualität des Satzgefüges. Das Erscheinungsbild ist etwas Komplexes, das sich aus vielen Einzelheiten, wie Form, Proportionen

Der Grundcharakter einer Schrift wird von einheitlichen Formmerkmalen aller Buchstaben eines Alphabets bestimmt. Er allein besagt noch nichts über das Niveau einer Druckschrift und die Qualität des Satzgefüges. Das Erscheinungsbild ist etwas Komplexes, das sich aus vielen Einzelheiten, wie Form, Proportionen, Duktus, Rhythmus

Der Grundcharakter einer Schrift wird von einheitlichen Formmerkmalen aller Buchstaben eines Alphabets bestimmt. Er allein besagt noch nichts über das Niveau einer Druckschrift und die Qualität des Satzgefüges. Das Erscheinungsbild ist etwas Komplexes, das sich aus vielen Einzelheiten, wie Form, Proportionen

W E R K S AT Z S c h R I F T

Font-Herstellung : Digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Linotype Univers ™ Linotype 63 Schriftschnitte (+CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com XSF

 A B C D E F G H I J K L M N OPQ RSTUVWXYZ & abc de fgh i j k l m nopq r s  t u v w x y z ß12 3 4 5 6 7 8 9 0

 You may ask w

hy so many differen t typefaces. They all serve th e same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was differ ent from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différe nts! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, re lever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étai ent différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractè res ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu hab en. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vie lfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-W einen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alle s der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all serve the sam e purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs a ll of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi

65 pt | – 25

48 pt | – 20

32 pt | – 2

22 pt | 0

14.5 pt |  19 pt | 8



à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certe s de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber ma chen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielf

10 pt | 13 pt | 11

7.2 pt | 10 pt | 17

5.8 pt | 7.8 pt | 23

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420 Condensed

421 Condensed Italic

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430 Regular

431 Italic

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440 Extended

441 Extended Italic U n i v ers

113

Linotype Univers ™ Linotype 63 Schriftschnitte

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520 Medium Condensed

521 Medium Condensed Italic

620 Bold Condensed

621 Bold Condensed Italic

720 Heavy Condensed

721 Heavy Condensed Italic

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530 Medium

531 Medium Italic

630 Bold

631 Bold Italic

730 Heavy

731 Heavy Italic

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540 Medium Extended

541 Medium Extended Italic

640 Bold Extended

641 Bold Extended Italic

740 Heavy Extended

741 Heavy Extended Italic

114

W E R K S AT Z s c h R I F T

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820 Black Condensed

821 Black Condensed Italic

920 ExtraBlack Condensed

921 ExtraBlack Cond Italic

Typewriter Regular

Typewriter Regular Italic

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830 Black

831 Black Italic

930 ExtraBlack

931 ExtraBlack Italic

Typewriter Bold

Typewriter Bold Italic

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840 Black Extended

841 Black Extended Italic

940 ExtraBlack Extended

941 ExtraBlack Extd Italic



U n i v ers

115

Schriftenvergleich Die Tatsache, dass alle drei unten gezeigten Schriften praktisch zur gleichen Zeit heraus­ kommen, weist darauf hin, dass ein Bedarf nach ei­­ner neuen und moder­nen serifenlosen Schrift besteht.48 Die Univers wird jedoch – im Gegensatz zur Neuen Haas Grotesk bzw. Helvetica und zur Folio – von Anfang an als Gross­familie konzipiert und ausgeführt.49 Alle drei Schriften weisen Ähnlichkeiten zu den serifen­ losen Schriften klassizistischen Charakters des 19. Jahr­ hunderts auf. Merkmal dafür sind nicht nur die geschlosse­ nen Formen der Bogen, sondern auch die innerhalb der Schrift einander angeglichenen Zeichenbreiten und die auf Versalhöhe reduzierten Ober­längen. Die x-Höhe der Univers liegt im Mittel zwischen der Helvetica und der Folio, alle drei Schriften sind aber mit einer eher hohen x-Höhe ausgestattet /70/. Auch ist die Helvetica im nor­ malen Schnitt kräftiger als die Univers, wohingegen die Folio feiner ist, wobei es zu be­­­rücksichtigen gilt, dass ein Roman-Schnitt der Folio nicht existiert; im hier gezeig­ten Vergleich kommt die Folio light zur Anwendung. Dass der Univers trotz ihrer statischen Er­­scheinung eine gewisse Lebendigkeit innewohnt,verdankt sie dem Strich­ ­stärkenkontrast, welcher in dieser Schrift am ausge­präg­ testen ist. Insgesamt ist die Univers die ausgewogenste Schrift, was nicht nur durch das optimale Verhältnis von Schwarz zu Weiss, sondern ebenso durch die klaren For­ men hervorgerufen wird, die frei sind von jeglichem Überfluss, sichtbar an G K a oder y.

/68/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Linotype Univers.

Regular

Hh = 10.00 cm Hw = 7.77 Hs = 1.30 Hq = 1.02

nh = 6.99 cm nw = 5.96 ns = 1.21 nq = 0.93

oh = 7.31 cm ow = 6.90 os = 1.31 oq = 0.89

Hh : Hw = 1 : 0.77 Hw : Hs = 1 : 0.16 Hs : Hq = 1 : 0.78

nh : nw = 1 : 0.85 nw : ns = 1 : 0.20 nh : oh = 1 : 1.06 nw : ow = 1 : 1.16

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/69/

Das Verhältnis von Schwarz zu Weiss ist bei der Univers im Vergleich zu den anderen beiden Schriften optimal ausbalanciert.

Hofstainberg Linotype Univers Adrian Frutiger 1957

G K Q a t y ß12 G eckiger Übergang in Schaft, Schaft ohne Sporn

Hofstainberg Folio Konrad F. Bauer / Walter Baum 1  957

Hofstainberg Neue Helvetica Max Miedinger 1957

116

W E R K S AT Z s c h R I F T

K Schenkel bilden einen Winkel

Q horizontaler Schweif mit leicht konkaver Wölbung

a gerader Einlauf in Stamm

t schräger Anstrich, Bogenende vertikal

y gerader Abschluss

ß Ligatur aus Lang-s und Rund-s

12 Anstrich bei der 1 leicht ge­kehlt, Bogen der 2 gerade auslaufend

G KQ a t y ß12 G KQ a t y ß12

/70/

Der Höhenvergleich zeigt die Unter­schiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−26

3.7

127 100 64

5.6

Linotype Univers 39.5 pt

10 −35

5.5

127 100 73

3.7

−28

4.0

Folio 40 pt

HÔhxp7

1.00

4.3 10

HÔhxp7

1.00

128 100 70

10

Neue Helvetica 40 pt



U n i v ers

117

Schriftname Egyptienne Egyptienne F • Humanist Slabserif 712 ••

Arbeitgeber Deberny & Peignot 

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe ca.  1956 | ca.  1958

Satztechnik Fotosatz Lumitype | Photon Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller Schnitte – Deberny & Peignot 3 | 6 – D. Stempel AG | Linotype • 4 – Adobe | Linotype • 4 Bitstream •• 4

EGYPTIENNE F Die Egyptienne ist schnell erklärt. Sie ist aus einem einzigen Grund entstanden: Die Verleger benutzten für ihre klassische Literatur die Bodoni; sie beklagten sich aber, dass ihre Bücher in der Lumitype-Bodoni nicht so aussahen wie im Bleisatz. Es kamen auch Reklamationen von den Druckereien, die Bodoni komme zu mager oder spitz heraus, wenn man sie nicht gut belichte /17/. Ich sagte, eine Bodoni mit dickeren Überläufen und dickeren Serifen zu machen, das ginge nicht; ich müsste eine andere, eine neue Schrift machen. Aus diesem Grund habe ich dann die Egyptienne entworfen. Der Name ist dumm, denn die Serifen hatten nie die ­Stärke des Egyptienne-Typus, sie wurde einfach so genannt. Vielleicht ist eine gewisse Verwandtschaft zur Clarendon /10/ vorhanden, die auch gerundete Serifenübergänge hat. Die Egyptienne ist eine Art kräftige klassizistische Schrift, ein Mittelding zwischen einer klassizistischen Antiqua und einer Egyptienne, einfach eine kräftige Schrift fürs Buch. Die Schrift wurde eine Zeit lang viel von den Verlegern benutzt; sie waren froh, eine ­Bodoni-ähnliche zu haben, und konnten doch sicher sein, dass sie im Druck nicht falsch lagen. Die Schrift entstand also aus technischen, nicht ästhetischen Überlegungen heraus. Charles Peignot /02/ wollte auf der Schriftscheibe schliesslich auch die ganze Palette anbieten: klas­si­ ­­sche Schriften, eine Egyptienne, eine Sans-Serif. Er wollte die vierzehn Alphabete ausnützen, die von der Maschine her möglich waren. Im Bleisatz hat es die Egyptienne nie gegeben. Ich habe zwar mit Marcel Mouchel, dem Leiter der Gravurabteilung, von zwei, drei Buchstaben Versuchsgüsse gemacht und Peignot fand auch, es sei vielleicht eine interessante Schrift für die Giesserei, aber dann kam die Univers und hat alles überdeckt mit der irrsinnigen Arbeit von 35 000 zu schneidenden Stempeln. In meinen Augen ist die Egyptienne keine sehr wichtige Schrift. Allerdings – in relativ kurzer Zeit, innerhalb eines halben Jahrzehnts, ist so viel entstanden, musste einfach aus dem Boden gestampft werden, damit diese neue Maschine ihren Schriftträger bekommt. Darunter, dass nicht alles perfekt ist, habe ich nie gelitten, ich habe einen Strich darunter gemacht. Eine der ersten Vorstudien zur Egyptienne /01/ stammt wohl aus meinem ersten Jahr bei Deberny &  Peignot, also von 1952/53. Da steckt noch viel von Walter Käch drin und viel Schüler­ haftes. Das sieht man beim Minuskel-a mit dem gerundeten Einlauf, aber auch im für mich un­­typischen G mit Sporn oder am harten f oben – was mich etwas wundert, dass ich das ge­­ macht habe. Aber ich habe so viel probiert in dieser Zeit, jeden Morgen kam ich mit einer ­neuen Idee in die Giesserei. Ich war ja ganz frei. Es gab nur die Wünsche von Peignot, also die Karten­ schrift und nachher die ­Fantasie-Schriften, aber sonst hat mir niemand etwas vorgeschrieben. Da habe ich meine Fühler nach allen Seiten hin ausgestreckt. Als die Belichtungsproblematik mit der Bodoni aktuell wurde, entwickelte ich die Vorstudie in einem Klebentwurf weiter /03/ und sah von Anfang an – wie bei der Lumitype-­Bodo­ni vor­­handen – drei Fetten vor, obwohl nachher nur zwei davon realisiert wurden. 118

W E R K S AT Z s c h R I F T

Eine neue Fotosatzschrift Die Egyptienne, die ­erste, speziell für den Fotosatz der Photon-Lumitype konzipier­ te Schrift, wird im Lumitype-Katalog von 1961 in den drei ­Schnitten romain /16/, italique und gras gezeigt. Uneinheitlich in den diversen Quellen sind die Angaben zum Er­­­schei­nungs­­­jahr. Die Broschüre ‹Graphismes by Fruti­ger› zur Ausstellung im Mono­­type House 1964 1 nennt 1960. In der Broschüre ‹Schriften von Adrian Frutiger› (Stempel, 1983) ist 1956 respektive 1958 vermerkt,2 und im ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985› wird von Horst Heiderhoff im Artikel ‹Formen und Gegen­for­men› 3 1955/56 als Ent­stehungsjahr der Egyptienne erwähnt. Adrian Frutiger erklärt, dass die Egyptienne wegen der Probleme der Bo­­doni 501 in der Belichtung /17/ realisiert wird. Sie kann somit kaum vor Installation der ers­ten Maschine 1957 herausgekommen sein. Er nennt im Ge­­ spräch 1958 als ungefähr richtige Datierung. Ebenfalls eine Reak­­tion auf die Belichtungsproblematik, welche auch von An­­wendern beanstandet wird, dürfte die überarbeitete Bodoni book C 504 für Photon-Lumitype (siehe Seite 81) sein, deren Erscheinungsjahr nach 1961 anzusiedeln ist, da sie im Lumitype-Katalog noch nicht aufgeführt ist. Es ist also davon auszugehen, dass die Egyptienne, als Ersatz für die Bodoni ins Spiel ge­­ bracht, als eigenständige Schrift aufgenommen und die Bodoni selbst in einem zweiten Schritt doch noch überarbeitet wird. Sicher ist, dass Charles Peignot neben dem klassischen Programm auch neue Schriften anbieten will.4 Grund ge­ ­­nug, die Egyptienne – neben Méridien und Univers – als weitere neue Schrift ins Schriftenprogramm aufzu­neh­ men, zumal die bestehenden serifenbetonten Schrif­ten im Angebot von Deberny & Peignot kaum mehr dem Zeit­ ­geist entsprechen.5 Die Egyptienne ist denn auch die einzige Serifen­betonte im Katalog von 1961. Interessant ist die Ähnlichkeit zwischen Egyptienne und Univers. Die Ähnlichkeit bemerkt auch Walter Greisner von der D. Stem­pel AG in Frankfurt, hat er doch 1973 die Idee, die Egyptienne als Werksatzschrift mit Serifen der Univers-Familie verwandtschaftlich anzu­glie­dern.6 1976 wird Frutiger’s Schrift von der D. Stempel AG unter dem Namen Egyptienne F (das F steht für Frutiger) für den Lino­type-Fotosatz übernommen, in vier (von insgesamt sechs auf der Photon erhältlichen) Schnitten. Als digitaler Font ist sie bei Linotype sowie unter dem Namen Humanist Slabserif 712 bei Bit­stream erhältlich.

/01/

Undatierter Klebsatz von ­ Adrian Frutiger – Entwurf einer Serifenbetonten mit Merkmalen der späteren Egyptienne F.

/03/

Klebentwurf der Egyptienne auf Karton für das Lumitype-Fotosatzsystem – wahrscheinlich Mitte ­ der 1950er Jahre.

/02/

Unternehmer Charles Peignot – ­ im Hintergrund Reinzeichnungen der Egyptienne von Adrian Frutiger für den Lumitype-Fotosatz.



E g y p tie n n e F

119

In der Egyptienne sind die Oberlängen der Gemeinen höher als die Grossbuchstaben, da habe ich mir erlaubt, meine eigenen Wege zu gehen /18/. Dahinter steckt letztlich Emil Ruder’s Theorie, dass die Versalien eher klein zu halten sind, um sie besser ins Schriftbild zu integrieren. Heute bin ich nicht mehr absolut davon überzeugt, dass Ruder mit dieser Theorie Recht hatte. Die x-Höhe ist bei praktisch all meinen frühen Werksatzschriften relativ hoch, die Proportionen bleiben dabei immer in etwa gleich. Wenn man die Schriften übereinanderlegt, kann man das sehr gut sehen (siehe Seite 410). Dass die Proportionen in meinen Schriften stets ähnlich sind, lag nicht an einem Konzept. Wenn man so viel Schrift geschrieben hat wie ich bei Alfred Willimann, läuft das gefühlsmässig ab. Meine x-Höhe ist einfach meine Persönlichkeit, aber ich schätze auch die klassischen Schriften mit ihren deutlich kleineren Mittelhöhen, den hohen Oberlängen und den grossen Versalien. Das ist nur eben nicht meine Linie. Das hat mit dem Menschen im Raum zu tun. Ich finde, der Mensch hat eine ganz bestimmte Lebensvitalität, und zwar der Mensch, der mit gespreizten Füssen einfach schön fest dasteht. Aber nicht quadratisch wie bei Albrecht Dürer, sondern natürlich, wie man lebt mit seinen normalen Gesten und wie man läuft. Wie ich zu diesen Proportionen gekommen bin, kann ich nicht in Zahlen ausdrücken, das kommt aus dem Gefühl heraus. Zahlen haben mir überhaupt nichts bedeutet. Das Auge hat immer abgeschätzt, ob es richtig oder falsch ist. Als Ausgangspunkt für die Lumitype habe ich die Grossbuchstaben immer auf 11 cm Versalhöhe gebracht (siehe Seite 83), egal, ob es eine magere, fette oder eine schmale Schrift war. Das hatte ich für alle Schriften so festgelegt. Davon ausgehend bestimmte ich nach optischem Massstab die x-Höhen. Diese konnte ich nicht immer gleich machen. Waren die Serifen fett, musste die x-Höhe etwas höher ausfallen, damit die Innenformen gross genug wirkten, bei

Herleitung der Egyptian Von England aus startet Ende des 18. Jahrhunderts die Industrialisierung. Die maschinel le Fertigung erzeugt an lokaler Stelle ein Über an gebot, das es breit zu be wer ben und zu vermarkten gilt und das sich visuell von der Konkurrenz abheben soll. Da durch entstehen vielfältige Werbedruck sachen und ein breites Spektrum an neuen Akzidenzschriften. In derselben Zeit plündern die Franzosen und Engländer Ägyptens Altertümer und lösen in ihren Ländern grosse Begeisterung für die ägyptische Antike aus.7 Beides schlägt sich im Schriftschaffen englischer Giessereien dieser Zeit nieder. Erstmals er scheint eine seri fenbetonte Schrift 1815, die Two­­ Lines Pica Antique /04/ der Schriftgiesserei Vincent Figgins. Sie hat rechtwinklig an gesetz te Serifen. Bei Figgins findet sich 1815/17 auch die erste Clarendon-ähnliche Schrift 8 mit gekehltem Serifenüber gang. Erstmals vergeben wird der Name ‹Egyptian› 1816, jedoch an eine serifenlose Schrift.9 Eine serifenbetonte ‹Egyptian› führt 1820 die Giesserei Robert Thorne auf, die Two­­ Line Great Primer Egyptian /05/; sie hat rechtwinklig an ge setzte Serifen. 1843 zeigt die Schriftgiesserei Ale xander Wilson eine ‹Egyptian› mit gekehltem Seri fenüber gang zum Schaft /06/. Den Begriff ‹Egyptian› finden wir also bei einer serifenlosen Schrift sowie bei einigen serifenbetonten Schriften (meist mit rechtwink ligem Serifenübergang). Im 20. Jahrhundert steht ‹Egyptienne› gene rell für serifenbetonte Schrift bzw. für deren Klassifikationsgruppe.

/04/

/10/

Serifenübergang­rechtwinklig:­ Two lines pica Antique, Vincent­Figgins,­1815/17.

Ionic,­Nachschnitt­C.­H.­Griffi­th,­ 1926;­Clarendon,­Nachschnitt­ Hermann­Eidenbenz,­1951–1953;­ Egizio,­Aldo­Novarese,­1955.

Ionic /05/

Serifenübergang­rechtwinklig:­ Two-line great primer egyptian,­ Robert­Thorne­(W.­Thorowgood),­ 1820.

Clarendon /11/

Basierend­auf­den­frühen­ Egyptian-Schriften­des­19.­Jh.­entstehen­in­den­1930er­Jahren­die­ Schriften­Rockwell­und­Memphis.

/06/

Serifen­mit­Kehlung­zum­Schaft­:­ Eight-line egyptian condensed, Alexander­Wilson,­1843.

Antique No.5 120

W E R K S AT Z S c h R I F T

Rockwell Memphis /12/

/07/

Vorreiter­einer­neuen­Schriftart­–­ sachlicher­Ausdruck­ohne­ Tropfenformen:­Schadow­von­ Georg­Trump,­1937.

Serifen­mit­Kehlung­zum­Schaft:­ Double pica Ionic, Henry­Caslon,­1844.

Schadow

/08/

/13/

Serifen­mit­Kehlung­zum­Schaft:­ Two lines english Clarendon, William­Thorowgood,­1848.

Statische­Schriften­mit­verstärkten­Serifen­und­gekehltem­ Übergang:­Melior­1952­von­ Hermann­Zapf­und­Egyptienne F.

/09/

Nachschnitt­der­englischen­ Antique­von­Blake­&­Stephenson,­ 1838­–­bei­Bitstream­ als­Egyptian 710 BT­erhältlich.­

Melior Egyptienne F

Problematik des Fotosatzes Klassizistische Schriften wie die Bo­­do­­ni verursachen durch die sehr feinen Serifen und Haarlinien Probleme im Foto satz. Die Gefahr, dass diese zu spitz zeichnen und damit im Druck nicht erscheinen, ist gross. Jedoch ist dies eine Kette von Problemen, und nicht alle sind dem Fotosatz anzulasten. Der Prozess vom Fotosatz zum Offsetdruck ist vielschichtiger als der direkte Prozess des Blei satzes zum Hochdruck, da mehrere Arbeitsschritte die Qua li tät der Schrift darstellung mindern können. Schwierigkeiten ergeben sich aus der kurzen Belichtungsdauer, den Verunreinigungen des Entwicklerbades sowie den Schwankungen in Dauer und Temperatur von Entwicklung und Fixierung des Foto materials. Dieselben Probleme können erneut bei der Druckplattenkopie auftreten. Erwähnt sei auch, dass die dünne Offset druckfarbe auf glattem Papier die Anmutung der Schrift gegenüber dem Buchdruck auf Werkdruckpapier ebenfalls verändert. Die Problematik in der Schriftgestaltung liegt darin, dass im Foto satz eine Schriftzeichnung für stufenloses Skalieren bis 36 oder gar 72 pt herhalten muss. Erst in einer späteren Phase des Fotosatzes wird – gerade bei klassizistischen Schriften – die Lösung im Gestalten von drei Design grössen 10 für kleine, mittlere und grosse Grade gesucht. Die Handsatz-Qualität bleibt aber unerreicht, da bei diesem jeder einzelne Schriftgrad entsprechend den Anforderungen an die Leserlichkeit geschnitten und in der Laufweite zugerichtet ist.

/14/

‹Egyptienne›­als­Bezeichnung­ist­ nur­generell­für­Serifenbetonte­zu­ verwenden­und­keinesfalls­für­ eine­präzise­Art­von­Serifenform.

/15/

Tropfenförmige­Serifen­bei­Bodoni­ und­Clarendon­im­Vergleich­zu­ den­eckigen­Serifen­der­Méridien­ und­Egyptienne F. /16/

fjy fjy fjy fjy

Satzmuster­der­Egyptienne­ romain 651-55 aus­dem­Schriftenkatalog­‹Caractères­Lumitype›­ von­Deberny­&­Peignot­1961. /17/

Das­Textbeispiel­der­LumitypeBodoni 501-55­zeigt­die­Problematik­ des­Wegbrechens­der­feinen­Haarlinien­im­Fotosatz.

/18/

In­Bezug­auf­klassische­Schriften­–­ hier­die­Linotype-Bodoni­–­ haben­Univers­und­Egyptienne F­ eine­hohe­x-Höhe­zur­Versalhöhe.



Hlaep Hlaep Hlaep E g y p T I E n n E F

121

mage­­ren Schriften musste sie niedriger sein. Die x-Höhe der Kleinbuchstaben war bei der Egyp­ ­­­tienne beispielsweise etwas grösser als bei der Univers, eben weil ich die Innenräume offener haben wollte /18/. Lieber hätte ich anstatt der Versalhöhe die x-Höhe als Standard genommen, dann hätte man dort eine feststehende Einheit gehabt. Aber sobald die Serifen dicker ­geworden sind, gab es Probleme. Bei den klassischen Schriften habe ich die Proportio­nen absolut einge­ halten, doch auch hier bin ich von den 11 cm Versalhöhe ausgegangen. Ich hätte mir nie er­laubt, eine Bodoni zu verändern, das eben Dargestellte gilt nur für meine eigenen Schriften. Am normalen und fetten Schnitt der Egyptienne habe ich vielleicht eineinhalb Monate lang gearbeitet und dann eine echte Kursive dazu gemacht, mit einer kursiven g-Form /26/. Die Egyptienne gehörte bestimmt zu den ersten Schriften auf der Lumitype. Später wurde sie auf sechs Schnitte ausgebaut. Stempel / Linotype hat die Egyptienne 1976 adaptiert und nann­­te sie dann Egyptienne F /23/. Damit hatte ich nur wenig zu tun; ich war nur einmal im Monat dort, und da diskutierten wir hauptsächlich über neue Schriften. Man übernahm die LumitypeSchrift­muster und fügte die Halbfette, die 65, hinzu /20/. Die Stempel-Schriftleute hatten einen ungeheuren Qualitätsanspruch.Von ihnen konnte ich noch lernen, was Details anbelangt.Wenn mich ein Stempel-Mitarbeiter gefragt hätte, ob er einen Buchstaben leicht verändern dürfe, wäre ich sofort einverstanden gewesen. Ich wusste, die konnten das besser als ich. Die ­Kursive haben sie wirklich verbessert. Die Minuskeln k und p sind in der Lumitype-Version noch schü­ lerhaft, Stempel hat mehr handschriftlichen Duktus hineingebracht mit dem Schwung beim unteren k-Bogen und dem flachen Einlauf beim p /26/. Leider sind die Serifen in der heuti­gen DTP-Version nicht mehr gekehlt, da geht doch viel von der Lebendigkeit der Schrift ver­loren /22/, aber über solche Sachen wollte ich mich nie streiten.

Ausbau und Adaption zur Egyptienne F  Obschon Fruti­ger von Anfang an vier Schnitte (55, 56, 65, 75) für die Egyptienne konzipiert /03/, werden vorerst für den Fotosatz der Photon-Lumitype nur die drei Schnitte 55, 56 und 75 reali­siert. Später wird die Egyptienne für Photon-Lumitype um den halbfetten Schnitt 65 erweitert, ausserdem werden dem normalen Schnitt Kapitälchen beigefügt. Im undatierten Schriftenkatalog der International Photon Corpo­ra­tion, welcher auf dem Lumitype-Katalog von 1961 basiert, ist neben der Egyptienne 651 auch eine Egyptienne 656 zu finden. Es handelt sich um die gleiche Schrift, in welcher jedoch die vier Schnitte einheitliche Dickten aufweisen, sie sind duplexiert. Der fette Schnitt 75 fehlt hier, dafür gibt es den zusätzlichen Schnitt 66. Von Photon-Lumitype übernimmt die amerikanische Fir­ ma Dymo Graphic Sys­tems die fünf Schnitte 55, 56, 65, 66 und 75. In einem undatierten ‹Temporary specimen› dieser Firma findet sich zusätzlich ein sechster Schnitt, die Egyptienne 651-76. Für den Stempel-Fotosatz überarbeitet Frutiger 1976 die vier ursprünglich konzipierten Schnitte /03/, welche in der Folge an die jeweiligen neuen Techniken und ­Maschinen immer wieder neu angepasst werden. Für f und j wird eine Variante für Linotron 505 gefertigt /23/, es handelt sich um schmale Buchstaben ohne Unterschneidung. Beim f ist der Bogen verschmälert, beim j hingegen wurde die Endserife einfach abgeschnitten.

/19/

Ausbau der Egyptienne von drei ­ auf sechs Schnitte für den Fotosatz der Inter­national Photon Corp. ­ bzw. für Dymo Graphic Systems.

/20/

Schreiben und beigelegte ­ Zeichnungen der Egyptienne F 65 ­ mit Korrektur­angaben von ­ Adrian Frutiger an Linotype 1977.

/21/

/22/

Vergleich von Trema und i-Punkt zwischen Egyptienne F und Humanist Slabserif 712 (unten) – ­ die kreisrunden Formen sind unstimmig und deutlich zu klein.

Deutliche Unterschiede in den Strichen, in der Serifenform und Serifenstärke zwischen den ­ drei Fettegraden von Linotype (grau) und Bitstream.

Ääi Ääi 122

W E R K S AT Z s c h R I F T

MMM

Formale Unterschiede der Versionen Die Egyptienne zeigt eine deutliche Formverwandtschaft zur Univers. Trotz Serifen wirken die Punzen durch das Anheben der x-Höhe gleich gross /18/, hingegen sind die Proportionen der Majuskeln bei der Egyptienne vielfältiger. Verglichen mit dem ersten Entwurf /01/ weist die realisier­ te Fassung einen dynamischeren Ausdruck – insbesondere in den Majus­­keln – auf. Der Strichkontrast ist leicht erhöht, D O Q sind etwas breiter und erscheinen dadurch weniger eckig. In den runden Buchstaben sind die Serifen nun fliessend an die Bogen gesetzt. Einzelne Figu­­ren wie G R a f g r t 3 6 7 9 zeigen eine ­andere, das g bei­­spiels­weise die doppelschlaufige, Form. Die Serifen der ursprünglichen Egyptienne für PhotonLumitype sind leicht gewölbt /16/. Sie wirken dadurch weniger streng als bei vielen serifenbetonten Schriften. Bei der Umzeichnung 1976 zur Egyptienne F durch die D. Stem­pel AG kann die Anmutung der ur­sprüng­­­lichen Form bewahrt und bei der Kursiven gar ver­­­bessert werden /26/. Eine stärkere handschriftliche Note, wel­­che auch in der späteren PostScript-Version zu finden ist, und asym­­metrische Punzen beim Minuskel-p zeichnen diese nun aus. Leider wird aber die Serifenbasis bei der Umarbeitung in PostScript begradigt; nicht so bei der Version von Bitstream /21/. Jedoch hat diese leicht kräftigere und symmetrischere Serifen /22/, auch wirkt der Anstrich flacher /26/. Offensichtlichere Unterschiede sind an der Ziffer 5 /24/ auszumachen.

Ich entdecke viel Univershaftes in der Schrift – da war ich anscheinend noch ganz in der Welt von Univers und meinem Lehrer Käch gefangen. Der e-Auslauf zum Beispiel hat eine typische verdickte Univers-Endung, was absolut nicht nötig ist; bei einer klassischen Schrift sollte das e dünn auslaufen /18/. Und die Endung beim a oben ist eckig, ich hätte sie auch rund ­machen können. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, eine etwas kräftigere Bodoni zu versuchen? Es wäre ja gut möglich gewesen, dass man die Serifen und die Haarstriche einfach leicht verdickt. Aber auch, wenn ich den Bodoni-Charakter beibehalten hätte, wäre es nicht mehr ­Bodoni gewesen, man hätte sie auch nicht mehr Bodoni nennen können. Wahrscheinlich machte ich die univershaften Verdickungen, weil ich die Tropfenform einfach überhaupt nicht mochte und sie mir immer wie ein Fremdkörper vorkam. Da ist eine gewisse Konsequenz dahinter, das sieht man auch beim f und beim j /15/. So unüberlegt, wie sie mir anfänglich erschien, ist sie doch nicht. Das y ist ein kompletter Irrtum, aber auch hier habe ich die Tropfenform einfach nicht hingekriegt. Es sollte unten einen festen Abschluss bekommen, da findet sich noch viel Méridien-Geist drin. Die Egyptienne ist schlussendlich kein Ersatz für die Bodoni, und ich glaube nicht, dass die Kundschaft sehr glücklich war mit dieser Lösung. Aber ohne Zweifel ist sie eine brauchbare Textschrift, denn die Schriftlinie ist sehr gut, markant und stabil bei jeder Belichtungs­art. Schade nur, dass sie eigentlich nie einen richtigen Namen bekommen hat.

/23/

Werkzeichnungen für die ­ Linotype-Satzgeräte V. I.P. (links) ­ mit überhängenden Serifen sowie für die 505 ohne Überhang.

/24/

/25/

/26/

/27/

Die 5 der Lumitype (oben) ­ hat einen Abstrich, bei Linotype (Mitte) nur im fetten Schnitt, ­ bei Bitstream gar nicht.

Bei Linotype (Mitte) und Bitstream (unten) ist das R breiter angelegt, das Spielbein endet kantig; die ­ 6 hat einen anderen Bogenverlauf.

Linotype’s Kursive (Mitte) wirkt gegenüber dem Original eleganter, dynamischer – die asymmetrische Fussserife beim p ist geblieben.

Die Version von Bitstream zeigt beim Minuskel-u einen deutlichen Fehler, der linke Abstrich ist ­ fetter als der rechte.

5555  5555

u R6 R6

egkpm egkpm

E g y p tie n n e F

123

/28/

Figurenübersicht der ­ Egyptienne romain 751-55 ­ im Lumitype-Fotosatz.

& ß

Qualität einer etwas untypischen Schrift Obwohl Frutiger’s Egyptienne den statischen Schriften zuzuordnen ist, vermittelt sie nicht unbedingt diesen Eindruck. Die Bogenverläufe bei C G S wirken leicht asymmetrisch und die Übergänge in die Halbserifen sind spornlos. Zu­ sätzliche Dynamik bringt das diagonal ausragende Spielbein des Majuskel-R. Insgesamt zeigt Frutiger’s Schrift ­einen vielfältigen, ­span­­nungs­­vollen Rhythmus. In den Lesegrössen verspricht das offene Schrift­­bild mit der betonten Schriftlinie Lesekomfort. Die Serifen wirken jedoch keineswegs dominant. Die Egyptienne ist denn auch eher eine robuste Antiqua als eine serifenbetonte Schrift. In den Schaugrössen kommen die Anmut der Schrift und die Formschönheit eines jeden Zeichens voll zur Geltung. Das Schrift­­bild wirkt prägnant, die Serifen zeigen nun einen kraftvollen Ausdruck. Die Linotype-Version Egyptienne F erweist sich als aus­ ge­­wo­gener in der Zurichtung gegenüber der BitstreamVer­sion Humanist Slabserif 712, welche im Schriftbild etwas fleckig wirkt /30/. Was die gewölbten Serifen an­ be­langt, liegt jedoch diese Nachbildung näher am Lumi­ type-Original. Dadurch wirkt sie im geraden Schnitt ele­­ ganter und humaner (was auch der Name aussagt). Bezogen auf die einzelnen Zeichenformen sind die Qualitäten unter­schied­lich verteilt. So ist der Q-Schweif beim normalen Schnitt von Bitstream fein­füh­liger aus dem Bo­ ­gen laufend /29/, die kreisrunden Tremata /21/ hin­gegen ver­­­lie­ren sich in den kleinen Graden /30/.

/29/

Frutiger’s Egyptienne in ­ der digitalen Version Humanist Slabserif 712 von Bitstream.

A   BC DEFGH I J K LM N O   P Q R S T U V W XY Z & a   bcdefghijklmnopqrs t  uvwxyzß1234567890 /30/

Lesbarkeitsvergleich zwischen der Egyptienne Lumitype (oben), ­ der Egyptienne F Linotype (Mitte) und der Humanist Slabserif 712 ­ Bitstream (unten).

124

Les premiers hommes, témoins des mouvements convulsifs de la terre, encore récents et très fréquents, n’ayant que les montagnes pour asiles contre les inondations, chassés souvent de ces mêmes asiles par le feu des volcans, tremblants sur une terre qui abcdefghijklmnopqrstuvwxyz abcdefghijklmnopqrstuvwxyz ab

Les premiers hommes, témoins des mouvements convulsifs de la terre, encore récents et très fréquents, n’ayant que les montagnes pour asiles contre les inondations, chassés souvent de ces mêmes asiles par le feu des volcans, tremblants sur une terre qui abcdefghijklmnopqrstuvwxyz äbcdëfghijklmnöpqrstüvwxyz ab

Les premiers hommes, témoins des mouvements convulsifs de la terre, encore récents et très fréquents, n’ayant que les montagnes pour asiles contre les inondations, chassés souvent de ces mêmes asiles par le feu des volcans, tremblants sur une terre qui abcdefghijklmnopqrstuvwxyz abcdefghijklmnopqrstuvwxyz ab

Les premiers hommes, témoins des mouvements convulsifs de la terre, encore récents et très fréquents, n’ayant que les montagnes pour asiles contre les inondations, chassés souvent de ces mêmes asiles par le feu des volcans, tremblants sur une terre qui abcdefghijklmnopqrstuvwxyz äbcdëfghijklmnöpqrstüvwxyz ab

W E R K S AT Z s c h R I F T

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Egyptienne F ™ Linotype 4 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

 A BC D E FG H IJ KLM N O   P Q R S T U V W XY Z &  abcdefghijklmnopqrs  tuvwxyzß1234567890

 Sie fragen sich

 warum es notwen dig ist, so viele Schriften z ur Verfügung zu haben. Sie dienen all e dem selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Wei nkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selbe n Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles d er gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist e s auch mit der Schrift. You may ask why so many different typefaces. They all serve t he same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the sam e year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuance s that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différ ents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, rel ever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vi ns, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouque t. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dien en alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Die se Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studi ert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnah mslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gle 66 pt | –40

52 pt | –15

35 pt | –10

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i­ chwohl Nuancen. So ist es auch mit der S chrift. You may ask why so many differe nt type­­faces. They all serve the same pur pose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I on ce saw a list of Médoc wines featuring si xty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was diff erent from the others. It’s the nuances th at are important. The same is true for typ

10 pt | 13 pt | 2

8 pt | 10.2 pt | 15

6.5 pt | 8 pt | 20

Å BÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQ RŠT Ü VWXYZ& ÆŒ¥$£ € 1  234567890 å b ç d é f g h ij k l m ñôpq r š tüvwxyzß fiflæœøłð [ . , : ; · ’/ - – — ] ( ¿ ¡ “« ‹ › » ” ! ? ) { § ° % @ ‰* † }

ÅBÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQRŠTÜ VWXYZ& ÆŒ ¥$£ € 1   234567890 å b ç d é f g h ij k lmñôpq r š tüv wx yzß fiflæœøłð [ . , : ; ·’/ - – — ] ( ¿¡“« ‹ › »” !? ) { § ° % @ ‰* † }

55 Roman

56 Italic

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ¥$£€ 1234567890   å b ç défg h ij  k l m ñôpq rš  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ . , : ; · ’/- – — ] (¿¡“«‹ ›»”!?) { § ° % @ ‰* †}  65 Bold

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ¥$£€ 1  234567890 å bçdéfghij  klmñôpqrš  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ . , : ; · ’/- – — ] (¿¡“«‹ ›»”!?) { § ° % @ ‰* †}  75 Black

E g y p tie n n e F

125

Schriftenvergleich Alle drei unten in Vergleich ge­­­stell­ t­ e Schriften basieren durch ihre vertikale Schattenachse auf dem klassizistischen Typus. Sie haben jedoch einen geringen Fett-fein-Kontrast und wei­­sen verstärkte Seri­ fen auf, welche gerundet in den Stamm übergehen. Auch wirken sie durch die unter­schiedlichen Breiten der Versa­ lien weniger statisch als für diesen Typus üblich. Egyptienne F und Egyptian 505 können aufgrund ihrer Serifenstärke den serifenbetonten Schriften zugeordnet werden. Insgesamt ist die Klassifikation jedoch nicht sehr einfach, da verschiedene Klassifikationsmodelle existieren. In der Publikation ‹Technische Grundla­gen zur Satz­ ­herstel­lung› werden die Melior und die Egyp­tien­ne F den serifenbetonten Linearantiqua, Untergruppe ­Clarendon, zu­­­­geordnet.11 In ‹Wegweiser Schrift› ist die Melior bei der statischen Antiqua, Untergruppe Zeitungsschrift, zu fin­den, die Egyptienne F jedoch bei den statischen Egyptienne-Schriften.12 Generell weist die Melior mehr Strichkontrast und eher rechteckige Rundungen auf, was sie von den beiden anderen unten gezeigten Schriften unterscheidet. Egyp­ tienne F und Egyptian 505 sind sich ähnlicher. Nicht erstaunlich, wenn berücksichtigt wird, dass der Entwerfer der Egyptian 505, André Gürtler, sechs Jahre in Frutiger’s Atelier ­arbeitet, bevor er als Lehrer für Schrift­gestaltung an die Schule für Gestaltung in Basel berufen wird. Dort geht aus einem Studentenprojekt die Egyptian 505 hervor, entstanden im Raum 505 der Basler Schule.

/31/

Vermassung von Strichstärke ­ und Proportionen des normalen Schnittes der Egyptienne F.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.91 Hs = 1.34 Hq = 0.97

nh = 6.97 cm nw = 6.10 ns = 1.25 nq = 0.81

oh = 7.28 cm ow = 7.38 os = 1.36 oq = 0.73

Hh : Hw = 1 : 0.79 Hw : Hs = 1 : 0.17 Hs : Hq = 1 : 0.72

nh : nw = 1 : 0.87 nw : ns = 1 : 0.20 nh : oh = 1 : 1.04 nw : ow = 1 : 1.21

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/32/

Im Vergleich zu den anderen beiden Serifenbetonten wirkt die Egyptienne F am kräftigsten ­ und ausgewogensten.

Hofstainberg Melior Hermann Zapf 1952

Hofstainberg Egyptienne F Adrian Frutiger 1958

QRSag y&25

Q R Sag y &25 Q ovale Form, Schweif horizontal   auf Schriftlinie

Hofstainberg Egyptian 505 André Gürtler 1966

126

W E R K S AT Z s c h R I F T

R breite Serife, ausladendes Spielbein

S schmale Form

a horizontaler Abschluss

g Verbindung rund, Innenform symmetrisch

y horizontale Fussserife

& Italic-Majuskelform mit verbundenem Querstrich

25 horizontale Abschlüsse

QR S ag y &25

/33/

Der Vergleich zeigt die ­ ver­schiedenen Fettengrade und ­ den Winkel der Kursiven.

Roman Bold Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00

Hw 7.72 = 1 7.82 = 1.07 8.40 = 1.15 7.39 = 1.02

Hs 1.35 = 1 1.95 = 1.44 2.43 = 1.80 1.38 = 1.02

Hq 0.89 = 1 0.98 = 1.10 1.28 = 1.44 0.91 = 1.02

HHH H 13.2°

/34/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

132 109

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−37

5.5

129 110 73

5.1

Melior 41.4 pt

10 −34

4.7

140 102 70

4.5

−31

4.4

Egyptienne F 43.9 pt

HÔhxp7

1.00

6.3 10

HÔhxp7

1.00

67

10

Egyptian 505 47 pt



E g y p tie n n e F

127

Signete und Wortmarken

1   957 – 1960

Georges Johannet­ Architekt­ F - Paris Gestaltung: André Gürtler

Fonderies Deberny & Peignot­ Schriftgiesserei­ F - Paris

Éditions Scientifiques Hermann­ Verlag für wissenschaftliche Literatur­ F - Paris

Libraire Scientifique Hermann­ Buchhandlung für ­ wissenschaftliche Literatur­ F - Paris

Kirchhofer­ Uhren und Bijouterie­ CH - Interlaken

Sciences­ Wissenschaftliche Zeitschrift­ F - Paris

128

S i g n ete U n d w o r T m arke n

Pierre Berès­ Verleger­ F - Paris

Schriftherstellung

M   aschinensatz Zeilenguss

Opéra

Seite 130

Concorde

Seite 150

1884 bringt der deutsche Uhrmacher Ottmar Mergen­ thaler in den USA seine erste Setzmaschine auf den Markt und entwickelt sie kontinuierlich weiter. 1886 wird der Name ‹Linotype› eingeführt. Setz-, Giessund Ab­legemechanismus sind in einer Maschi­ne /01/ ver­­eint. Im oberen Maschinenteil befinden sich unter der mecha­nischen Ablegevorrichtung die Magazine mit den Matrizen. Die Matrizen /02/ sind das Kernstück von Mergen­ tha­ler’s Erfindung. Sie dienen anstelle der bleiernen Buchstaben als Setzmaterial. Ausgelöst durch Tas­ ten­­­­­schlag, reihen sie sich im Sammler zur Zeile /02/. Der Setzer kann den getipp­ten Text auf der zusammengesetzten Matrizenzeile lesen und falls notwendig von Hand korrigieren. Die Wortzwischenräume werden mit konischen Aus­ schluss­­­keilen gesetzt, welche – vor dem Guss hoch­ gedrückt – die Zeile fest ausschliessen. Durch Druck auf einen Hebel wird die Matrizenzeile zum Giessmund gebracht und ausgegossen. Es entstehen ferti­ge Zeilen. Diese werden automatisch auf die ge-

naue Zeilen­höhe und Kegelstärke nachbearbeitet und auf dem Setz­schiff abgelegt /05/. Die benutzten Matrizen gelangen direkt nach dem Guss über einen Elevator zu der Ablegevorrichtung /03/, wel­che die einzelnen Matrizen gemäss ihren Zahn­schlüs­seln in die Magazinschächte zurücksortiert, da­mit sie für den weiteren Satz wieder zur Verfügung stehen. Die Satz­­­leis­tung beträgt im Durchschnitt 6000 Buchstaben pro Stunde. Die Zeichenbreiten unterliegen keiner Einheiten­ beschränkung. Jedoch sind auf einer Duplex-Matrize zwei gleich breite Glyphen untergebracht /02/. Meist wird dem nor­malen Schnitt das kursi­ve oder halbfette Zeichen derselben Schriftfamilie beigefügt. In den kur­­siven Schnitten müssen die Zeichen aus diesem Grund an die Breite des normalen Schnitts ange­ ­passt werden und der Neigungswinkel ist sehr steil ge­­halten. Zudem lässt diese Satztechnik keine Über­ hänge zu. Alle Matrizen müssen eine Min­dest­wand­ stärke aufweisen, weshalb die Vor- und Nach­­­breite mindestens 0.1 mm betragen muss.

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Zeilensetz- und Giessmaschine Linotype Europa Quick – in der ­ Mitte ist die Tastatur und oberhalb davon sind die Matrizen-Magazine.

Duplexierte Matrizen in normal und halbfett – zur richtigen ­ Rück­sortierung hat jede Matrize eine andere Zahnung.

Für die Matrizenherstellung arbeitet Mergenthaler Linotype ab Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Panto­ grafen. Für das Schneiden der Stempel­ wer­­den etwa 10–20 cm grosse, erhabene ­Messingschablonen an­ gefertigt, an denen der Stem­­pelschneider mit dem Führungsstift des Pantografen der Kontur entlangfährt, um das Buchstabenbild im zuvor eingestellten Verkleinerungsfaktor aus dem am anderen Ende ein­ ge­spann­ten Rohstempel auszufräsen. Nach Fertigstellung der Prägestempel setzt die eigent­liche Ma­­trizenherstellung ein. In über sechzig Arbeits­ gängen wird aus einem Messingband die charakteristische Linotype-Matrize gefertigt. Die Herstellung erfolgt in den USA bei der Mergen­ thaler Linotype selbst, in Deutschland exklusiv bei der D. Stempel AG. Auch Ma­trotype in England oder Sofratype in Frankreich bie­­ten Matrizen für LinotypeMaschinen an, meist mit Kopien von Linotype-Schrif­ ten. Für Sofratype entwirft Adrian Frutiger zwei Exklu­ siv-Schriften: eine Antiqua und zusammen mit André Gürtler eine SansSerif.

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Die Zahnstange über dem Magazin hält die Matrizen fest, bis sie zur Rücksortierung in den richtigen Magazinkanal fallen.

Durch die Lesemarke auf der Matrizenrückseite hat der Setzer die Möglichkeit, den Satz ­ vor dem Guss zu kontrollieren.

Die fertig gegossene Zeile erstarrt sofort und wird auf das Satzschiff zu den bereits gegossenen Zeilen ausgestossen.



s c h R I F T h erste l l u n g

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Schriftname Opéra

Auftraggeber Sofratype

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1958 | 1960

Satztechnik Maschinensatz Zeilenguss

Die Opéra entwarf ich 1958 auf Anfrage von Alfred Devolz. Er hatte den Ehrgeiz, in seiner klei­nen Firma Sofratype, welche Matrizen für den Zeilenguss herstellte, eine eigene, neue Zei­tungs­ schrift anzubieten. In den französischen Zeitungen war überwiegend die Excelsior zu sehen, welche von Linotype vertrieben wurde. Linotype war bei den Zeitungsdruckereien führend; Monotype spielte damals keine Rolle und entsprechend war die Times auch nicht sehr präsent, nicht einmal, nachdem Linotype eine Lizenz dafür erwarb und sie ebenfalls anbot. Ich gab mir Mühe, eine richtige Zeitungsschrift zu zeichnen, sauber und so gut ich ­konnte, aber offen gestanden fehlte die richtige Begeisterung. Das alles ging auch recht schnell. Ich machte einfach, was in dieser kurzen Zeit möglich war, lieferte die Skizzen /03/, die Ausführung übernahm ein Mitarbeiter. Er zeigte mir zwar die Abzüge und wir diskutierten ein bisschen darüber, aber da ging es nicht um allerletzte Feinheiten. Der Mitarbeiter hat sehr selbständig gearbeitet, so gut er es eben empfand. Es entstanden eine Geradestehende, dazu Kapitälchen, eine Kursive und eine Halbfette, das alles von 8 bis 12 pt.  1 Eine spezielle Headline-Grösse gab es nicht. Den Duktus definierte ich vom halbfetten Schnitt ausgehend, weil dieser gemeinsam mit dem normalen auf derselben Matrize Platz finden musste /05/ – die technisch bedingte einheitliche Laufweite der Schriften, welche gemeinsam auf einer Matrize waren, bilde­te ja immer das Manko bei den Linotype-Schriften. Die Kursive ist ein Zwitterwesen zwischen echter Kursive und schräg gestellter Geradestehender. Statt richtige Schwünge zu zeichnen, begnügte ich mich damit, an den Abstrichen ein gerades Füsschen anzubringen /08/. Die Ziffern sind eher schmal; es waren Tabellenziffern für den Satz der Börsenkurse. Auch die Kapitälchen fallen ziemlich schmal aus, sie sind vom Schriftbild her fast etwas Eigenständiges. Bei den Gemeinen machte ich formal einen Kompromiss: Bei a c f  j und r wählte ich die übliche Tropfenform. Es wäre merkwürdig gewesen, in einer Zeitungsschrift plötzlich eigene Ideen anzubringen. Typisch für den Zeitungssatz sind auch die kurzen Unterlängen; sie sind sonst bei meinen Schriften viel länger. Trotzdem gibt es einige Details, die vielleicht an den Latine-Stil beziehungsweise an die Méridien erinnern, wie zum Beispiel das Versal-J. Ich konnte eben nicht ganz aus meiner Haut heraus. Das Ergebnis war ordentlich, aber Sofratype war ein kleiner Betrieb, man konnte nicht die allerhöchste Qualität verlangen. So sind die Serifen nicht gekehlt, weil diese Wölbung die Graveure überfordert hätte. Das konnte ich unmöglich verlangen. Devolz aber war zufrieden und, als die französische Tageszeitung ‹Le Figaro› die Opéra kaufte, auch stolz. In ‹Le Figaro› wurde allerdings nur eine Seite damit gesetzt. Sie sah nicht schlechter aus als andere Schriften, aber auch nicht besser – sie war letztlich eine ganz normale Zeitungsschrift. Die Namensgebung stammt von Alfred Devolz; er wollte seine eigenen Schriften unbedingt nach wichtigen Plätzen in Paris benennen. Die Opéra war dann Ausgangspunkt und Sprungbrett für die Concorde (siehe Seite 150), aber das ist eine ganz andere Geschichte. 130

W E R K S AT Z s c h R I F T

Hersteller – Sofratype

Schnitte 3

Das Entstehen der Opéra Die Anfrage zum Erstellen einer Zeitungsschrift durch Adrian Frutiger geht von Alfred Devolz an Deberny &  Peignot, den Arbeitgeber ­Frutiger’s. Der Schweizer Devolz ist Besitzer des Unter­ nehmens Sofratype, welches in Paris Matrizen für Zeilen­ setzmaschi­nen herstellt. Charles Peignot erklärt sich unter­ zwei Be­­dingungen einverstanden, seinen in der Fach­welt be­kannten künstlerischen Leiter für eine ande­re Firma tä­tig werden zu lassen: Erstens darf der Name Adrian Fru­­tiger nur in Verbindung mit Deberny &  ­Peignot ge­ nannt werden, und zweitens müssen alle von Frutiger er­stellten Schriftentwürfe Charles Peignot persönlich zur Freigabe vorgelegt werden.2 Alfred Devolz ist sehr froh über diese einvernehmliche Lösung eines nicht näher erläuterten Problems, welches er in einem Brief zu der getroffenen mündlichen Ver­einba­rung erwähnt.3 Interessant ist in diesem Zusammen­ hang, dass Adrian Frutiger bereits zwei Tage vor jener Ver­einbarung zwischen Deberny &  Peignot und Sofratype von seiner privaten Adresse ein Schreiben an A. De­volz sendet, das eine Zeichnung der drei ersten Probebuch­ staben zur Gravur enthält /03/.4 Frutiger selbst fertigt 1958 zuerst eine Skizze der ­Opéra /02/, nach welcher sein Mitarbeiter Ladislas Mandel die Schrift reinzeichnet /04/. Die aus den Reinzeichnungen entstehenden Probegravuren bespricht jedoch Frutiger mit dem Graveur von Sofratype. Im Juli 1960 wird die Opéra in einer Randnotiz der franzö­ sischen Fachzeitschrift ‹Informations TG› als eine Schrift angekündigt, welche trotz gleicher Kegelbreite in den Schnitten romain und gras logische Anschlüsse aufweist und bei der Frutiger sogar das Unmögliche fertigbringt: dazu eine Italique zu entwerfen, welche nicht einfach schräg­ gestellt ist. Der Opéra wird eine exzellente Lesbar­ keit attestiert.5 Sie wird von Sofratype in einem vierseiti­ gen Prospekt vorgestellt, gestaltet von Bruno Pfäffli, in welchem die drei Schnitte romain, italique und gras mit dem Probewort ‹Êhpà› gezeigt werden. Ein Probe­­text und eine Übersicht der Zeichen sind jedoch nur in den Schnitten romain und italique vorhanden. Sofratype wird Mitte der 1960er Jahre von Mergenthaler Linotype unter der Ägide von Mike Parker aufgekauft, die ­Opéra wird nie auf andere Satz­systeme adaptiert.

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Titelseite des Schriftmuster­ prospektes von Sofratype für die Zeitungsschrift Opéra – Anfang der 1960er Jahre.



OPÉ RA

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Buchstabenskizze mit Höhenlinien zur späteren Opéra – auffallend ist die extrem kurze Unterlänge im Vergleich zur Oberlänge.

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Entwurf der ersten drei Lettern für den Probeguss der Opéra – Majuskel mit Akzent, Minuskeln mit Ober- bzw. Unterlänge.

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Bleistiftzeichnungen der Opéra auf Transparentpapier und Skizze verschiedener Buchstaben mit Schraffierung der Zwischenräume.

132

W E R K S AT Z s c h R I F T

Formale Besonderheiten Das Schriftbild der Opéra zeichnet drei formale Besonderheiten aus. Zwei davon sind für Adrian Frutiger’s Schriftschaffen wenig typisch. Zum einen ist das ungleichmässige Schriftbild auffallend, insbesondere das Majuskel­V und das Minuskel­v wirken schmal, das Minuskel­k hingegen ist im normalen Schnitt sehr breit und ungelenk /07/. Zum anderen münden bei den Minuskeln h m n u der Opéra die Bogen eckig in den Stamm /06/, während ansonsten in Frutiger’s Schriften diese bis auf wenige Ausnahmen rund einlaufen. Erstau­ nen mag zudem, dass Frutiger nun Tropfenformen zeich­ net, nachdem er diese bei der Méridien ausdrücklich ab­ lehnt. Aber das klassische Prinzip bricht er beim einzigen Majuskel mit Tropfenform, dem J; dort wählt er passend zu den anderen Figuren wiederum die Halbserife /07/. Die Tropfen kommen somit nur bei den Minuskeln vor – und wie gewohnt nicht beim s. Abgesehen von den Besonderheiten handelt es sich bei der Opéra um eine typische Schrift Frutiger’s mit formaler Ähnlichkeit zur Méridien. Das Schriftbild wirkt offen und breit und im Gegensatz zur etwas antiquierten Anmutung der Excelsior zeitgemäss /07/. Auffällig sind die Minuskeln der kursiven Opéra mit den in Leserichtung weisenden Füssen, was ihr gegenüber einer nur geneigten Schrift mehr Dynamik verleiht /08/. Durch die auch für eine Zeitungsschrift sehr grosse x­ Höhe /10/ kann die Opéra ohne Einbussen an Leserlichkeit klein und damit Platz sparend gesetzt werden.

/05/

Schema der Opéra – alle drei Schnitte haben dieselbe Dickte, da jeweils auf einer Zeilengussmatrize zwei Schnitte eines Zeichens graviert sind.

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Eher untypisch für Frutiger und im Gegensatz zur Méridien ist bei der Opéra (rechts) die Mündung in den Stamm eckig.

Die drei Schnitte der Opéra mit zusätzlichen schmalen Kapitälchen im normalen Schnitt (rechts) und die Excelsior (unten).

ABCDEFGHIJKLM NOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklm nopqrstuvwxyz 1234567890 /08/

Die Kursiven der Serifenschriften Perpetua, Times, Melior, Opéra haben unterschiedliche Formen der Endstriche: Serife, Schwung, Fuss.

n nn

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Satzmuster der Opéra in 8 pt in den Schnitten romain (oben) und italique (Mitte) – im Vergleich dazu die Excelsior in 8.8 pt (unten).

Ehpa Ehpa Ehpa /10/

Im Vergleich zur Excelsior, Times und Melior (von links) hat die Opéra (rechts) eine deutlich grössere x­Höhe, aber eine niedrigere Unterlänge.

OPÉRA vous propose un jeu de capitales accentuées plein œil, vous assurant ainsi dans votre texte, une image régulière, dans laquelle les accents se placent avec aisance. Vous y remarquerez en plus, l’importance du corps de la lettre, l’equilibre des volumes, qui font



OPÉ RA

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Schriftname Alphabet Orly

Auftraggeber Aéroport de Paris Orly-Sud

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1959 | 1961

Satztechnik 3d-Leuchtschrift Klebsatz ( hinterleuchtet )

Erste Entwürfe zur Alphabet Orly entstanden 1959 im Hinblick auf die Eröffnung 1961 1 des neuen Aéroport d’Orly-Sud /01/. Orly war vorher ein kleiner ­Flugplatz im Süden von Paris und wurde nach dem Ausbau zum wichtigsten Pariser Flughafen. Der Direktor, ein älterer Herr und Freund von Charles Peignot, fragte bei ihm an, ob er sich mit der Signalisation befassen ­könne. Die Gestaltung des neuen Alphabets gab er an mich weiter mit der Vor­­gabe, ausgehend von der nach ihm benannten Schrift Peignot eine Signalisationsschrift zu entwerfen. Heraus kam eine Art schmale Peignot, eine reine Versalschrift, in der viel Univershaftes steckt. Zusätzlich begann Peignot, von Farben zu sprechen: Alles, was Abflug ist, sollte mit ­blauen ­Buchstaben auf hell­­blauem Grund stehen und alles, was Ankunft ist, mit roten Buchstaben auf rosarotem Grund. Ständig jedoch gab es neue Zusätze: ‹Arrivées› wurde im Hinter­grund dunkelblau, im Gegensatz zu ‹Départs› auf Hellblau. Er versuchte, ein System aufzu­bauen, aber zuletzt geriet ihm alles durcheinander /06/. Auf die Farben hatte ich damals keinen Einfluss. Ich hatte dabei überhaupt nichts zu sagen. Peignot agierte mit seinen farbigen Tafeln ein ­wenig wie ein Künstler. Am Schluss kam es mir vor wie ein Bouquet von bunten Blumen. Dieses Projekt war Charles Peignot’s Sache. Ich habe ausgeführt, was er verlangte. Das Grundlayout der Tafeln gab ich vor, Bruno Pfäffli erstellte die Vorlagen mit der Textanordnung, ausgeführt jedoch wurden die Panels von verschiedenen Schildermachern. Es kam mal die­­ser Arbeiter, dann ein anderer; jeder machte es, so gut er konnte. Und wie es so ist: Die Beschriftung beginnt an einem bestimmten Tag, dann läuft es jahrelang weiter, ohne dass man dabei ist. Ich war ja nicht täglich zum Kontrollieren in Orly. Über all das war ich un­glücklich, weil ich sah, dass es weder schön war noch so, wie es für den Flughafen ­nötig gewesen wäre. Aber was wirklich nötig gewesen wäre, wusste ich damals noch nicht. Meine Kritiken sind folgende: Für ein Signalisationssystem sind Versalien zu gross. Wenn man riesige Tafeln zur Verfügung hat, kann man auch Versalien gut lesen; aber auf die kleineren Tafeln passt einfach nie genug Text. Wegen der Platz­probleme bat mich Charles Peignot, zwei Alphabete zu zeichnen, ein breiteres und ein schmaleres. Wo sie viel Platz hatten, nahmen sie die breite Version, wo wenig Platz war, die schmale /06/. Der zweite Kritikpunkt ist die Unter­ scheidung der beiden Sprachen: Französisch geradestehend und Englisch kursiv in denselben Farben, das ist wirklich kein guter Entscheid. Zu jenem Zeitpunkt interessierte mich das Problem Signalisation überhaupt nicht. Der Wechsel vom Blei- zum Fotosatz, die Anpassung der Textschriften an die neue Technik – das nahm mich damals voll in Anspruch. Erst zehn Jahre später, für den grossen Flughafen ­Roissy /  Charles de Gaulle im Norden von Paris, war ich innerlich bereit, über das Problem Signalisation nachzudenken. Vom ursprünglichen System am Flughafen in Orly blieb nach Übernahme der Alphabet Roissy (siehe Seite 224) nichts erhalten. ­Immerhin: Als Fassadenschrift besteht die Schrift Orly noch – Orly-Sud und Orly-Ouest /02/. 134

S i g n a l i s at i o n ss c h R I F T

Hersteller nicht bekannt

Schnitte 2

Eine Signalisation ohne System Die Erinnerun­gen an das erste Projekt einer Signalisation, bei welchem Adrian Frutiger beteiligt ist, sind vom Eindruck ge­prägt, dass es nicht wirklich geglückt ist. Die im Archiv des Flug­ ­hafens Paris-Orly 2 vorgefundenen Fotografien der 1960er und 1970er Jahre /06/ zeigen deutlich die feh­lende Kon­ sequenz in den Anwendungen. Auf den eher verwirrenden als orientierenden Panels in den zwei Grundfarben Blau und Rot, mit hellem oder mit dunklem Grund, ist die Typografie uneinheitlich. Sowohl linksbündige wie auch zentrierte Anordnungen kommen in unterschiedlichen Laufweiten vor. Selbst die Sprachen sind nicht gleichartig platziert, das Französische kann oberhalb oder auch, bei kurzen Wörtern, links vom Eng­ lischen stehen. Dazu ge­­­sellen sich im Weiteren diverse Formate und Proportionen der Panels mit ein-, zwei- und dreizeiligem Satz sowie unterschiedliche Pfeil­­­­formen und mehrere verschiedene Schrift­­en. Verwirrend in den Panels mit Frutiger’s Schrift sind auch die unterschiedlichen Breitenversionen der Buchstaben. Ob es sich tatsächlich um einen schmalen und breiten Schnitt­ handelt, ist unklar, da in den Anwendungen breite­ und schmale Buchstaben uneinheitlich gemischt vor­kom­ men. Auch der unterschiedliche Strichkontrast in den Schriften verwirrt. Auf Mikrofilm vorhanden ist Adrian Frutiger’s Alpha­­bet Orly /05/ als Versalalphabet in nur einem ge­rade­­­stehenden sowie einem ge­­neig­­ten Schnitt mit den entsprechenden Ziffern.3 Basis für die Alphabet Orly ist nicht nur die Peignot /04/ von Adolphe Jean-Marie Mouron, genannt Cassandre, sondern auch die Univers. Eine serifenlose Beschriftung besteht aber bereits vor Einführung der Alphabet Orly.4 Die Schrift in der Abbildung /03/ dürfte diese Vorgänger­ schrift und damit ein weiterer formaler Ausgangspunkt für Frutiger’s Schrift sein, was sich in der Formgebung des G in der Alphabet Orly zeigt /05/. Entstanden aus diesen Vorlagen ist – zumindest in nor­ maler Breite und bei gross­zügiger Spa­tio­nie­rung – eine elegante, form­­schöne Schrift mit deut­lichem Strichkon­ trast, nicht aber eine ideale Signa­lisa­tions­schrift. Denn die Alphabet Orly benötigt aufgrund der Versalien gross­ ­zügig spationierte Wörter und damit viel Platz. Auch sind die Punzen zu geschlossen, was zu fleckigen Wort­­bildern führt. Die feinen Haarlinien neigen in hinterleuchteter Anwendung zum Überblenden und damit ebenfalls zu Einschränkungen in der Erkennbarkeit.

/01/

Fassadenbeschriftung von 1961 für den ‹Aéroport de Paris› genannten Flughafen in der Alphabet Orly sowie 1977 kombiniert mit Adrian Frutiger’s Logo.

/02/

Am Flughafen Orly erhalten gebliebene Fassaden­beschriftung in drei­dimensionalen Leuchtbuchstaben der Alphabet Orly.



A l p h a b e t Or ly

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/03/

Signalisation des Flug­­hafens Orly – auf dem Schild (links) ist ver­mutlich nicht Frutiger’s Schrift, sondern eine ältere Grotesk zu sehen.

PORTES GATES PORTES GATES

31

31

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Cassandre’s Peignot (oben) und Frutiger’s Univers bilden die weiteren Ausgangspunkte für die Schrift Alphabet Orly.

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Frutiger’s Alphabet Orly gerade­ stehend und geneigt – das G hat die Grundform der früheren Orly-Signalisationsschrift.

Uneinheitliches Signalisations­ system – gesetzt in Alphabet Orly in verschiedenen Breiten, Lauf­weiten und Anordnungen.

/07/

Erhalten gebliebene Beschriftung beim Liftvorplatz im ersten Obergeschoss des ‹Aéroport de Paris, Orly-Sud›.

136

S i g n a l i s at i o n ss c h R I F T

« Schrift ist wie ein Löffel, wenn ich mich am Abend an die Form des Löffels erinnere, mit dem ich am Mittag meine Suppe gegessen habe, dann war es eine schlechte Löffelform.» Adrian Frutiger

Schriftname Apollo

Auftraggeber Monotype

Gestalter Adrian Frutiger John Dreyfus

Entwurf  | Herausgabe 1960 | 1964

Satztechnik Fotosatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Monotype – Monotype

Schnitte 3 3

APOLLO Die Apollo ist die erste Schrift, die Monotype speziell für ihre Fotosetzmaschine Monophoto entwerfen liess. Bis dahin hatten sie dafür ausschliesslich Adaptionen von Bleischriften realisiert. John Dreyfus und ich kannten einander gut, und so wandte er sich eines Tages an mich mit der Frage, ob ich bereit wäre, für die Monophoto eine neue Schrift zu zeichnen. Damals war ich noch bei Deberny &  Peignot angestellt, aber Charles Peignot gab seinem Freund in London gerne sein Einverständnis dazu, und so wurde der Vertrag gemacht. In meinen Augen war die Monophoto eine Fehlentwicklung. Sie funktionierte nach dem mechanischen Prinzip der alten Monotype-Giessmaschine, nur dass man nun Film-Matrizen verwendete und nicht Metall. Es gab immer noch lediglich 18 Einheiten für die Breiteneinteilung der Schrift und der Text wurde wie zuvor auf Lochstreifen gespeichert;1 anschliessend belichtete man die Zeichen dann fotografisch, anstatt sie – wie bei der Giessmaschine – buchstabenweise zu giessen. Andere Hersteller waren Anfang der Sechzigerjahre jedenfalls schon weiter, von der Lumitype gar nicht zu reden.2 John Dreyfus wollte eine kräftige Schrift haben, die jeder Komplikation im Fotosatz stand hielt – so lau­­tete die Aufgabenstellung. Er selber war kein Schriftzeichner und liess mir beim Entwurf freie Hand, ganz im Gegensatz zur Ausführung. John sass manchmal stunden­lang bei mir, und wir diskutierten über jede einzelne Form. Er war ein gewissenhafter Schriftkenner und wusste genau, was er wollte.Von meinen Vorschlägen wurden Probebelichtungen gemacht, bevor etwas in Produktion ging, immer unter seinem scharf kontrollierenden Auge. Ich war sein ‹Werkzeug›, seine Hand; es funktionierte wohl ähnlich wie bei der Times und Stanley Morison, der seinem Zeichner auch sagte, wie er dies und das gerne hätte. Ein wenig hatte ich den Eindruck, dass John sich hier ein kleines Denkmal setzen wollte, wie es Morison mit der Times erfuhr. Für mich war es eine reine Brotarbeit. Ich war wohl auch ein wenig phlegmatisch und fand es nicht der Mühe wert, John gegenüber meinen Willen durchzusetzen; es ging mir überhaupt nicht darum, dieser Schrift meine Prägung zu geben. Wahrscheinlich war John’s Wille stärker als mein ästhetisches Gefühl. Trotzdem – in der Apollo finden sich einige typische Details von mir, auch wenn ich diese Antiqua nie als mein ureigenes Werk betrachtet habe. Sie ist viel eher eine Gemeinschaftsarbeit von John Dreyfus und mir. Die Reinzeichnungen machte ich zusammen mit Ladislas Mandel in Paris /01/. Sie entstan­ den in gewohnter Art mit Tusche auf stabilem weissem Karton mit einer Versalhöhe von 11 cm. Davon fer­tigten die Zeichner bei Monotype in Salfords mit Bleistift die ‹Sheets›. Von diesen etwa 27 cm grossen Zeichnungen wurden die Belichtungsvorlagen, so genannte Friskets, aus Ulanofolie geschnitten. Eine Schwierigkeit war, dass man die Schrift von einer einzigen Vorlage in allen Grössen von 6 bis 24 pt belichtete. Davon war auch die Abstimmung der Strichstärken betroffen. Über die Strichstärken habe ich lange mit John Dreyfus diskutiert, aber wie es zu diesen Fetten gekommen ist, kann ich im Nachhinein nicht mehr sagen. John hatte eine 138

W E R K S AT Z s c h R I F T

Produktionsschritte zur Apollo Im Anschluss an die Übernahme der ­Univers auf das Monotype- sowie das Mono­photo-System kommt es zu einem weiteren Abkom­ men zwischen den Schriftherstellern Monotype und De­ ber­ny & Peignot. John Dreyfus, Nach­folger von Stanley Morison als typografischer Berater bei Monotype und gemeinsam mit Charles Peignot Mitbegründer der ATypI,­ ­möchte von Adrian Frutiger, einem der wenigen Schrift­ ­ent­werfer mit profunder Kenntnis und Erfahrung in der Foto­satztechnik, eine Exklusivschrift für die Foto­setz­­ma­ schine Monophoto. Nach der Egyptienne, der ersten spezifischen Fotosatzschrift für die Photon-Lumitype, realisiert Adrian ­Frutiger mit der Apollo nun also auch eine solche für die Monophoto. In den Jahren zuvor sind für diese Maschine wie üb­lich nur bestehen­de Schrif­ten adaptiert worden. Die Testphase der Apollo beginnt am 25. März 1960 mit Pro­bebelichtungen /02/, ausgehend von Frutiger’s ers­ten­ 14 Zeichnungen. Am 5. Januar 1961 erhält ­Monotype eine grössere Sendung von Originalen /01/, insgesamt 69 Zei­ chen des Roman-, 66 des Italic- sowie 12 Zeichen des Semi­­Bold-Schnittes, aber noch keinen kompletten Figuren­ satz. Bis Anfang Herbst werden, wo notwendig, Zeichen überarbeitet und an das wenig ­f lexible und von Frutiger bemängelte 18-Einheiten-Set des Matrizen­­­rah­mens an­ gepasst. Weshalb jedoch Ende September 1961 die Arbeit­ an Frutiger’s Apollo gestoppt und einer weiteren Exklusiv­ schrift, der Albertina von Chris Brand, der Vorzug gegeben wird, geht aus dem Monotype-Protokoll des Produktionsablaufes nicht hervor.3 Im April 1962 wird die Arbeit an der Apollo wieder auf­ ge­nommen, das Schaffen schreitet nun kontinuierlicher voran­ mit weiteren Probebelichtungen, weiteren Zeichnungen, formalen Überarbeitungen und Anpassungen der­ Figuren auf die 18 Einheiten. Verschiedent­lich entwer­ fen auch Zeichner von Monotype Buchstaben, nicht im­ mer­ zur Zufriedenheit von Frutiger, insbesondere das ß /14/ missfällt ihm. Doch auch Monotype ist unzufrieden, es geht der Firma zu langsam voran. Frutiger nimmt im­­ mer­ wieder Korrekturen an ­bereits für gut befun­de­nen Zeichen vor. Im Herbst 1964, viereinhalb Jahre nach Beginn der Arbeiten, aber noch vor der Albertina, werden die drei Schnitte fertiggestellt. Der Roman-Schnitt enthält zudem Kapitälchen, welche auch im PostScript-Font vor­handen sind. Zusätzlich bestehen bei der ­Apollo MT in allen drei Schnitten Mediävalziffern.

/01/

Reinzeichnung mit Tusche auf weissem Karton (Originalgrösse) – die Realisierung der Apollo dauert mit Unterbrechung mehr als vier Jahre.



A p o l lo

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/02/

Probebelichtung der ersten 14 Zeichen zur Apollo – enthalten sind ein alternatives C sowie g und p mit kürzeren Unterlängen.

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Reinzeichnungen auf Karton (stark verkleinert) – als Alternative werden die Minuskeln auch mit verkürzten Unterlängen angeboten.

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Das Majuskel-C der Apollo hat die­­­selbe Grundform wie das Minuskelc – die alternative Form (rechts) mit zusätzlicher Halbserife unten wird nicht realisiert.

/05/

Nachträglich gleicht Frutiger die Unterlänge des Minuskel-y ans j an – er verlässt damit bei der Apollo die Form von Méridien und Opéra.

140

W E R K S AT Z s c h R I F T

genaue Vorstellung von solchen Details und ich folgte seinen Anweisungen. Im Vergleich zum normalen Schnitt hätte die Semi-Bold letztlich ein bisschen fetter sein dürfen. Die beiden Schnitte unterscheiden sich vielleicht nicht deutlich genug /08/. Doch die Semi-Bold wird in Lauftexten als Auszeichnungsschrift eigentlich sehr wenig gebraucht, dafür wird die Italic verwendet. Die Semi-Bold wird eher als Titel oder Initial eingesetzt. Bei genauerer Betrachtung machen sich bei der Apollo ein paar formale Eigentümlichkeiten bemerkbar. Zum Beispiel die Eigenart, in den Gemeinen den Übergang vom Abstrich zur Serife rechts eckig zu halten, links aber gerundet /07/. So wollte ich eine Bewegung erzeugen, die der Schrift eine gewisse Eleganz gab. Ähnlich der Méridien sind die Stämme nicht einfach starr vertikal. Dies kommt erst in den grossen Graden deutlich zum Vorschein; in den kleinen spürt man nur eine gewisse Weichheit, die vielleicht charakteristisch für mich ist. Nicht besonders gelungen finde ich den Auslauf rechts am a /10/. Mich stört die harte Spitze, welche nach unten schaut, weil der Stamm nicht nach rechts gebogen ist, bevor die Serife anschliesst. Die sehr kleinen Innenformen bei a und e, die an die Garamond erinnern, empfinde ich dagegen wieder als elegant. Für die Punzen von b d p q nahm ich nicht, wie sonst, dieselbe Zeichnung /11/. Bei einer Grotesk geht das, nicht aber bei einer Mediävalschrift. Das q ist ein wenig breit geraten, aber das b finde ich sehr schön. Das K wiederum verkörpert ganz meine Schule /12/. Typisch für mich ist auch die Angleichung der horizontalen Mittellinien bei E und F /13/. Ich mochte es nie, wenn diese stark nach innen stehen. Bei meinen Schriften sind die Horizontalen immer in etwa gleich breit, wobei der untere Strich am längsten und der mittlere am kürzesten ist. Auch G J W, das R mit dem geraden Abstrich in allen Schnitten, das S und ebenso das Gemeine a stammen sichtlich aus meiner Küche.

Die Formensprache der Apollo Adrian Frutiger gestaltet den normalen Schnitt der Apollo recht kräftig, was gewährleistet, dass die Schrift in der Belichtung als auch im Offsetdruck auf glattem Papier noch gut steht. Darin gleicht sie der Egyptienne /08/ für die Photon-Lumitype. Eine formale Ähnlichkeit aber besteht zur Méridien.­ Neben der Méridien klingt in der Renaissance-Antiqua Apollo auch Frutiger’s historisches Vorbild Jenson /06/ an. Es sind die teils einseitig eingebogenen Abstriche, die asymmetrischen Serifen, das Weglassen eigentlicher Tropfenformen sowie die langen Unterlängen, welche einen Vergleich nahelegen. Alle diese Merkmale lassen eine handschriftliche Anmutung erkennen, auch in der Apollo; für Adrian Frutiger einer der grundlegenden Ansätze einer guten Werksatzschrift. Neu in seinem Schriftschaffen ist die Gestaltung einer alternativen Unterlängenhöhe. Bereits bei den ersten 14 Reinzeichnungen und entsprechend auch in der Probebelichtung /02/ sind die verkürzten Unterlängen bei den Minuskeln g und p /03/ enthalten. Ob dies aus eigenem Antrieb oder auf Wunsch von John Dreyfus geschieht, ist dem Produktionsablauf des Type Drawing Office von Monotype nicht zu entnehmen. Erhältlich sind schliesslich beide Varianten, die elegantere Standard-Version mit den langen sowie die ökonomischere ‹Modified›-Version mit den kurzen Unterlängen.4 Die aktuelle digitale­Apol­ lo­MT­enthält die langen Unterlängen, sie kann daher mit wenig Durchschuss gesetzt werden.

/06/

Nicolaus Jenson’s Antiqua von 1471 weist asymmetrische Serifen und teilweise einseitig eingebuchtete Abstriche auf. /07/

Asymmetrische Ausrichtung von Stamm und Serife – Bruce Roger’s auf der Jenson basierende Centaur (links) und die Apollo.

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Mit der Méridien (oben) teilt die Apollo (Mitte) die formale Verwandtschaft, mit der Egyptienne F (unten) ein kräftiges Schriftbild. /09/

Gegenüber der Méridien (links) und der Opéra (Mitte) weist die Apollo (rechts) eine deutlich längere Unterlänge auf.

Ehpa

Ehpa

On the greatest and most useful of all inventions, the invention of alphabetical writing, Plato did not look with much complacency. He seems to have thought that the use of letters had operated on the human mind as the use of the go-cart in learning to walk.

On the greatest and most useful of all inventions,  the invention of alphabetical writing, Plato did not look  with much complacency. He seems to have thought  that the use of letters had operated on the human mind  as the use of the go-cart in learning to walk. On the greatest and most useful of all inventions, the invention of alphabetical writing, Plato did not look with much complacency. He seems to have thought that the use of letters had operated on the human mind as the use of the go-cart in learning to walk.

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Differenzierendes Grössenverhältnis bei den Innenräumen der Garamond (links) – angleichendes bei der Apollo (rechts).

Bei den dynamischen Schriften wie der Renaissance-Antiqua Apollo sind unterschiedliche Bogenformen und Einmündungen üblich.

Das Prinzip von Gleichmass und Einfachheit – kein Sporn beim G, Serife anstatt Tropfen beim J, klare Dreiecke bei K und W.

Angeglichene Längen der Arme sind in Frutiger’s Schriften bei E und F typisch – bei der Apollo ist dies besonders ausgeprägt.

ae ae

bdpq

GJKRSW EF  A p o l lo

141

Die Kursive zeigt in der Neigung verschiedene Winkel /20/, so wie das in der französischen Schule üblich war. Eine Garamond-Kursive tanzt immer ein wenig. Speziell ist der winzige Aus­lauf beim kursiven g, das Ohr, es wirkt etwas verkümmert /18/. Insgesamt wirkt die Kursive­ etwas unruhig im Schriftbild. Die Apollo ist eine ganz klassische Schrift – aber vielleicht ein bisschen langweilig. Andere­ Monotype-Textschriften haben doch sehr viel mehr Charakter, meine ich. In einigen ­Buchstaben sind zudem Unregelmässigkeiten zu finden. Diese sind jedoch nicht der Ausdruck meiner Per­ sönlichkeit – wohl eher handelt es sich dabei um Unregelmässigkeiten, welche in Zusammen­ hang mit der Fotosatztechnik und der geringen Einheitenzahl stehen. Dennoch fand die Apollo­ ziemlich viel Verwendung; 5 es wurde auch richtig Werbung für sie gemacht. «The first lettering for phototypesetting» – John Dreyfus sorgte dafür, dass ordentlich die Werbetrommel gerührt wurde.­ Sie kam 1964 heraus, zur selben Zeit, als eine Ausstellung über meine Arbeiten mit dem Titel ‹Graphismes by Frutiger› bei der Monotype in London gezeigt wurde.6 Dort waren unter ande­rem auch Zeichnungen zur Apollo ausgestellt. Diese Schrift blieb der einzige Auftrag von Monotype.

Die Buchschrift Apollo Die Schriften der englischen Monotype Corporation sind bekannt für hochstehende Qualität. Insbesondere in der Buchtypografie werden sie­ gerne und oft eingesetzt – zumal die bestmögliche Qualität, der Handsatz, bei umfangreichem Satz kaum zu finanzieren ist. Auch ihre Fotosetzmaschine Mono­ photo ist auf diesen Bereich ausgerichtet, und mit der Buchschrift Apollo zielt die Firma wiederum auf ihr tra­ ditionelles Marktsegment ab.7 Entsprechend den Erfordernissen an eine subtile Buch­ typografie sind die drei Schnitte der Apollo mit Kapitäl­ chen und Mediävalziffern gut ausgebaut. Dies kommt bei­ den Schriften Frutiger’s nur selten vor, obwohl es durch­ aus wünschenswert wäre. Bei der Apollo zeigen sich in manchen Buchstaben unhar­ monische Proportionen, zum Beispiel entsprechen sich die Punzen bei b und q im Roman-Schnitt nicht /21/, auch erscheint das a im Italic-Schnitt zu breit im Verhältnis zu c und e /17/. Grund dafür ist das starre Schema mit den 18 Einheiten. So wird beispielsweise das Minuskel-c nach­ träglich deutlich verengt. Tendenziell aber werden die Buchstaben beim Übertragen der Originalzeichnung auf das Einheiten-System eher verbreitert als verschmälert, was auch für das a gelten dürfte. Zudem werden bei der Apollo ganze Einheitenreihen verschoben, zum Beispiel von 14 auf 15 Einheiten, wodurch sie trotz des kräftigen Schriftbildes eine offene und für Frutiger’s Schriften typische grosszügige Anmutung erhält.

/14/

/15/

/16/

Probedruck einer Zwischenversion der Apollo von 1962 – das M ist deutlich zu breit, Æ Œ sind zu schmal, das ß ist formal nicht passend.

In der heutigen digitalen Version Apollo MT sind die Ligaturen in der Breite korrigiert, das ß zeigt die geschwungene Form.

Die Halbserife beim Majuskel-C der Apollo ist im Vergleich zum G und S leicht diagonal und etwas länger.

ÆŒ æœ ß CGS /17/

/18/

/19/

/20/

Angepasst auf das 18-EinheitenSystem der Monophoto wird das a (zu stark) verbreitert und das c ver­­schmälert.

Im Vergleich zum Anstrich zu feines Ohr beim kursiven Kleinbuchstaben g – sehr breite, eigenwillige Form des k.

Obschon sich die Apollo und die Méridien gleichen – formale Unterschiede sind ebenso deutliche zu finden.

Die Abstriche der kursiven Apollo weisen verschiedene Winkel auf – beim f wird dadurch der Zeichenabstand optimiert.

ace

g k

aegktvxz fhlt aegktvxz

/21/

/22/

Durch das 18-Einheiten-System der Monophoto bedingtes zu breites q – in der heutigen digitalen Version Apollo MT nicht korrigiert.

Gerundeter Einlauf vom Stamm in den Bogen beim n der digitalen Apollo MT Regular sowie beim h der Apollo Semi-Bold.

qbm

nmh nmh /23/

Undatierter Schriftenkatalog ‹Monophoto Filmsetter Faces› mit der Apollo 645 (rechts).

142

W E R K S AT Z s c h R I F T



A p o l lo

143

/24/

Figurenübersicht der Monophoto Apollo 645 Roman im Fotosatz der Monotype.

ß /25/

Apoll, der antike griechische Gott des Lichtes, der Vernunft und der Jugend, ist der Namensgeber für die Fotosatzschrift Apollo.

/26/

Satzmuster von 6 bis 9 pt aus ‹The Monotype Recorder› Nr. 1 / 1979 mit einem Text über die Entstehung der Apollo von John Dreyfus.

144

W E R K S AT Z S c h R I F T

Vermarktung der Apollo Beim Erscheinen der Apollo wird gleichzeitig eine Ausstellung über Frutiger’s grafisches Werk in den Räumlichkeiten des Monotype House in London, England, gezeigt. In der Broschüre zur Ausstellung wird die Schrift auf einer Doppelseite mit dem Titel ‹New face for filmsetting› vorgestellt und ein paar Seiten weiter in allen Schnitten gezeigt.8 Auch im ‹Monotype Recorder› und im ‹Monotype Newsletter›, den Kundenzeitungen von Monotype, wird sie propagiert und über die Jahre hinweg in Erinnerung gerufen.9 Allen Hutt bezieht sich auf einen Text im ‹Monotype Recorder›, wenn er im ‹British Printer› schreibt: «The Monotype Corporation announce Apollo as a ‹bread-and-butter› face; if so, it’s exotically delicious French bread and super-creamy Norman butter. The description is in fact misleading. Apollo is a face of chic, of panache; it will, in Morison’s phrase, demonstrably ‹confer distinction, authority, elegance› to the texts it presents.»10 1971 wird das Gutenberg-Jahrbuch in der Apollo gesetzt. Zu diesem Zweck werden zusätzliche Spezialzeichen angefertigt. Unter anderem wird ein Lang-s für den Satz historischer Texte benötigt.11 Ebenfalls im Gutenberg-Jahrbuch 1971 ist die Herleitung des Namens ‹Apollo› dargelegt; in poetischen Worten wird dieser in einem ganzseitigen Inserat von Monotype gerühmt /25/. Kleines Detail: Direkt auf der gegenüberliegenden Seite vermerkt das Impressum die «Verwendung der Schrift ‹Apollo› von Albert [sic!] Frutiger».12

Font-Herstellung : Adobe Font

Font-Format : PostScript-Type-1

Apollo ™ Monotype 3 Schriftschnitte ( +1 SC | +3 OsF | +3 Exp )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

AB C D E F G H IJ K LM N  O   P Q R S T U VW X Y Z &  a  bcdefghijklmnopqrs  t uvwxyzß123456789 0

 Sie fragen sich

 warum es notwen dig ist, so viele Schriften zu r Verfügung zu haben. Sie dienen alle zu m selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese V   ielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte s  tudiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nuancen. So ist es auch mit der Schr ift. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose bu t they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of th  em were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are im  portant.The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous se  rvent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soix ante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de mê  me pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber mach  en die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus d  em selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gl  eiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Sc 76 pt | –15

58 pt | –5

38 pt | –5

26 pt | –5

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hrift. You may ask why so many different type­­f  aces. They all serve the same purpose but th ey express man’s diversity. It is the same div  ersity we find in wine. I once saw a list of M  édoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s t  he nuances that are important. The same is tr  ue for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets di  fférents ! Tous servent au même but, mais aus

12 pt | 13 pt | 2

9 pt | 10.2 pt | 5

7 pt | 8 pt | 15

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  Æ Œ ¥ $ £ € 1  2 3 4 5 6 7 8 9 0 å b ç d é f g h i j  k l m ñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  fi flæœøłð [ . , : ; · ’/ - – — ] ( ¿ ¡“«‹ ›» ” ! ? ) { § ° % @ ‰* †} 

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ ¥ $ £ € 1  2 3 4 5 6 7 8 9 0 å b ç d é f g h i j  k l m ñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  fi fl æ œ ø ł ð [ . , : ; ·’ / - – — ] ( ¿ ¡ “ «‹ › »” ! ? ) { § ° %@ ‰* †} 

Regular

Italic

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  Æ Œ ¥ $ £ € 1  2 3 4 5 6 7 8 9 0 å b ç d é f g h i j  k l m ñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ ., : ; ·’/ - – — ] ( ¿ ¡ “«‹ ›»” ! ? ) {§ ° % @ ‰*†}  Semibold

1  2 3 4 5 6 7 8 9 0 V W X Y Z åb ç d é f g h i j  ½ ⅓ ⅔ ¼ ¾ k l m ñ ô p q r š  tüvw x y z & ⅛ ⅜ ⅝ ⅞ ¾ Oldstyle Figures & Small Caps

Expert

1  2 3 4 5 6 7 8 9 0 V W X Y Z ½⅓⅔¼¾ ⅛⅜⅝⅞¾

Italic Oldstyle Figures

Italic Expert

1  2 3 4 5 6 7 8 9 0 V W X Y Z Semibold Oldstyle Figures ½⅓⅔¼¾ ⅛⅜⅝⅞¾ Semibold Expert A p o l lo

145

Schriftenvergleich Es gibt nur wenige Schriften wie die Apollo, welche zu Beginn des Fotosatzzeitalters speziell für diese Technik gezeichnet werden. Ebenfalls nur als Fotosatzschrift herausgegeben wird die Alberti­ na von Chris Brand, obschon ursprünglich für den Bleisatz entworfen.13 Angelehnt an eine Schrift von Francesco Griffo­ ist die Bembo, zur Inkunabelzeit im 15. Jahrhundert geschnitten und 1929 von Monotype für den Einzelbuchstabenguss adaptiert. Alle drei Buchschriften werden auf­­ der Monophoto angeboten und gehören dem Typus der­­ Renaissance-Antiqua an. Die Apollo wirkt runder als die anderen beiden Schriften, hervorgerufen durch die flachen Anstriche, den gerunde­ ten Übergang der Bögen in den Stamm sowie das q ohne Sporn. Auch die gebogenen linken Seiten der Stämme tragen zu diesem Eindruck bei. Im Entwurf hat die Alber­ tina ebenfalls leicht konkave Stämme, welche aber in der Herstellung bei Monotype begradigt werden.14 Der Strichstärkenkontrast der Apollo ist etwas geringer als jener von Bembo und Albertina, ausserdem weist sie ein recht kräftiges Schriftbild auf. Die asymmetrischen Serifen und der gebogene Abstrich des n von Bembo und Apollo lassen einen handschriftlichen Charakter erkennen. Dagegen hat das n der Albertina wenig handschriftlichen Charakter, anders in der 5, dort wird dieser Aspekt deutlich sichtbar. Im Vergleich läuft die Apollo breiter als die anderen, bei gleicher x-Höhe gilt dies nur gegenüber der Albertina.

/27/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Apollo.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 8.15 Hs = 1.46 Hq = 0.80

nh = 6.99 cm nw = 5.94 ns = 1.20 nq = 0.92

oh = 7.51 cm ow = 7.24 os = 1.45 oq = 0.54

Hh : Hw = 1 : 0.81 Hw : Hs = 1 : 0.18 Hs : Hq = 1 : 0.55

nh : nw = 1 : 0.85 nw : ns = 1 : 0.20 nh : oh = 1 : 1.07 nw : ow = 1 : 1.22

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/28/

Detailbetrachtung der Apollo mit Gegenüberstellung zu zwei verwandten Schriften von Monotype.

Hofstainberg  Bembo  Monotype ( Francesco Griffo )  1929 (1496 )

Hofstainberg  Apollo  Adrian Frutiger  1964

C RWa f n q 5 6

C RWa f n q 5 6 C diagonale Schattenachse, Bogen unten auslaufend

Hofstainberg  Albertina  Chris Brand  1965

146

W E R K S AT Z s c h R I F T

R gerader Abstrich mit Halbserife

W V-Formen nicht überlappend,   keine Mittelserife

a Bogen spitz aus­­laufend, Stamm leicht nach   rechts geneigt

f Bogen innen   symmetrisch, Halbserife   vertikal

n asymmetrischer Übergang in   Serifen, einseitig gekehlt

q ohne Sporn, Überlauf rund   in Stamm

56 Bogen   horizontal auslaufend

C RWa f n q 5 6

/29/

Der Vergleich zeigt die verschiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

Roman Semibold Italic

Hh 10.00 cm 10.00 10.00

Hw 8.15 = 1 8.71 = 1.07 7.93 = 0.97

Hs 1.46 = 1 2.01 = 1.38 1.34 = 0.92

Hq 0.80 = 1 0.81 = 1.01 0.73 = 0.91

HH H 13.5°

/30/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe. 145 105

HÔhxp7

1.00

0 cm

1.00

0 cm

0 cm

6.4

−38

5.9

10

Bembo 46 pt

139 111

(½HXP

70

5.9 10

−46

Apollo 49.8 pt

6.6

131 113

HÔhxp7

1.00

64

69

6.4 10

−39

5.7

Albertina 43.8 pt



A p o l lo

147

Schriftentwurf

A   lphabet Entreprise Francis Bouygues 1961

/01/

Alphabet für Entreprise Francis Bouygues mit alternativen Majuskelformen.

/04/

Wortmarke mit verbundenen, leicht ab­geänderten Formen – die Punzen des B sind rechteckig, die Buchstaben generell schmaler.

/02/

Entwurf einer breiten, serifen­beton­ ten Antiqua aus der Studienzeit, etwa 1950 – Grundlage für den Schriftentwurf EFB.

/05/

Vorschlag von Wortmarken für Statel und Stim, zwei Firmen­ bereiche der Entreprise Francis Bouygues.

/03/

Clarendon-ähnliche Schrift von Walter Käch aus seinem Schriftenlehrbuch ‹Schriften Lettering Ecritures› von 1949.

148

s c h R I F T e n t w U rf

Zusammenarbeit Nach dem gescheiterten Versuch von Char­­les Peignot, ein internes gra­fisches Atelier auf­ zu­bau­en, macht sich Adrian Frutiger 1961 selbständig. Er erhält einige Auf­trä­ge durch die Pari­­ser Werbeagentur Synergie; so auch die Gestaltung eines Firmenalphabets für Entreprise Francis Bouygues /01/, heute einer­ der gröss­­ten Konzerne Frankreichs. Frutiger schlägt passend zu der Baufirma eine konstru­ ierte Schrift vor, deren Grundkonstruktion er an op­­ti­sche Kriterien anpasst. So sind die Strichstärken nicht gleich breit; die senkrechten Linien sind dicker gehalten als die waagerechten, sehr gut zu erkennen an den feinen Hilfs­ linien, welche in einer Reproduktion noch sichtbar sind /06/. Auch in den Details sind optische Korrekturen zu ver­­zeichnen: Die obere ‹Serife› beim C zum Beispiel ist weniger hoch als die untere; der Quer­strich des G ist fei­­ner als die anderen waagerechten Linien. Bereits in seiner Studienzeit zeichnet Adrian Frutiger eine serifenbetonte Schrift /02/. Dieser Entwurf zeigt den Ein­fluss seines Lehrers Walter Käch, obwohl Frutiger ihn aus­­­­­serhalb des Unterrichts anfertigt. Er arbeitet oft in der Setzerei der Schule, wo er diese Schrift zusätzlich in Blei gra­viert. Besonders das J, das Et-Zeichen und die Ziffern zeigen für Käch typische Formen /03/. Dieses Alphabet bildet die Grundlage für den Schriftentwurf Bouygues, in welchem schlussendlich die für Adrian Frutiger typi­ schen For­men wie das G ohne Sporn oder das K mit spitzem Winkel zum Einsatz kommen.

Wir waren bereits in unserem Atelier an der Place d’Italie, als ich den Auftrag für die Bau­firma Entreprise Francis Bouygues bekam. Sie brauchten ein Firmenlogo, und wie es immer ging, wenn ich ein Logo machte, schlug ich gleich eine eigene Hausschrift vor. Ich überraschte sie mit einer dieser Aushängetafeln, die in der Baubranche üblich sind: «Ici nous construisons pour la maison …», stand da zum Beispiel. Es handelte sich um einen Entwurf mit etwa 20 cm gros­ ­sen Buchstaben, ausgeschnitten aus schwarzem Papier, aufgeklebt auf gelbem Grund. Der Schriftcharakter war ausgerichtet auf Elemente wie Balken, Stahlträger und Metall­ konstruktion. Ich dachte dabei auch an die Betoneinschalungen mit ihren leicht abgerundeten Ecken. Das lag im Stil der Zeit – die Fünfzigerjahre mit dem ‹Frigidaire-Stil›1 wirkten noch nach. Die Wortmarke EFB /04/ sollte wie ein Bild sein. Das B hat hier rechteckige Innenformen, passend zu E und F. Beim Alphabet sind sie aus Lesbarkeitsgründen leicht abgerundet /01/. Die sehr langen Serifen erinnern an T-Träger, alles wirkt sehr technisch, und das sollte auch so sein. Die Formen von Klein- und Grossbuchstaben habe ich gemischt, bei einheitlicher Höhe. Die Gemeinen a m n sind harmonischer als die Schrägen der Versalien und absolut lesbar. Darin zeigt sich wieder der Einfluss von Charles Peignot. Historisch betrachtet geht das, wie all meine Ein-Alphabet-Versuche, auf die Unziale zurück (siehe Seite 52). Ich entwarf auch eine umstochene Schrift /07/. Es reizte mich, eine leichte Schrift zu zeich­nen, damit die Direk­ tion auf ihrem Briefkopf elegantere, feinere Buchstaben hat. Ich glaube nicht, dass das Alphabet tatsächlich als Hausschrift eingesetzt wurde. Anwen­ dungsbeispiele habe ich jedenfalls nie gesehen.2 Es gibt nur ein paar von mir ausgeschnittene und zusammengeklebte Wörter /08/. Die Grundidee zu dieser Schrift habe ich noch in der ­Schule in Zürich gezeichnet, einen Entwurf im Egyptienne-Stil /02/.

/06/

Vergrösserung (unten) aus neben­stehender Abbildung – durch die Hilfslinien sind Kon­struk­tion und optische Korrektur sichtbar.

/08/

Probesatz mit den Buchstaben F und B in der umstochenen Variante, stellvertretend für Francis Bouygues.

/07/

Entwurf einer umstochenen Version für leichtere, elegantere Anwendungen wie Geschäftsdrucksachen für die Direktion.



Alphab et e ntr e pr i s e franci s bouyg u e s

149

Schriftname Concorde

Auftraggeber Sofratype

Gestalter Adrian Frutiger André Gürtler

Entwurf  | Herausgabe 1961 | 1964

Satztechnik Maschinensatz Zeilenguss

Für die Pariser Firma Sofratype, welche Matrizen für Zeilengussmaschinen herstellte, entstand nach der Zeitungsschrift Opéra (siehe Seite 130) noch eine weitere Schrift, die Concorde. Alfred Devolz, der Firmenchef, hatte den Ehrgeiz, eine eigene serifenlose Schrift zu besitzen, und kam damit zu mir. Normalerweise übernahm er einfach die Schriften von anderen Setzmaschinen­ herstellern. Er meinte aber, auf den Zeilensetzmaschinen gäbe es keine anständige Grotesk. Er wollte eine Akzidenzschrift für den Zeitungssatz, es durfte jedoch keine Kopie der Univers sein. Das wäre ohnehin nicht möglich gewesen, da die Rechte bei Deberny &  Peignot lagen und somit Zahlungen fällig geworden wären. Die Concorde war von Anfang an nur in drei Schnitten geplant, deshalb war ich beim Entwerfen viel freier in der Form als bei der Univers mit den 21 Schnitten. Ich hatte das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, was die Grotesk anbelangt, sie war eine wirklich neuartige Schrift. Zur klassischen Form ist sie nicht so nah wie die Syntax /09/ von Hans Eduard Meier, welche zur gleichen Zeit entstand, jedoch erst 1968 erschien; sie sollte aber auch nicht zu weit von der Univers entfernt sein, die runden Überläufe in den Stamm wurden zum Beispiel beibe­ halten. In der richtigen Groteskform mit geringem Strichkontrast zu bleiben, war mir wichtig. Ich suchte die Eleganz und wollte an den runden Stil der Fünfzigerjahre anschliessen. Nur einen Bogenabschluss skizzierte ich selbst /03/. Alles Weitere übernahm André ­Gürtler. Er war gut geschult, hatte bei Emil Ruder in Basel gelernt und auch bei Monotype in Eng­land praktische Erfahrung gesammelt, sein endgültiges Rüstzeug fürs Schriftenzeichnen aber er­ hielt er bei mir. 1959 stellte ich ihn für Deberny &  Peignot als typografischen Gestalter ein. Als Devolz 1961 mit seinem Auftrag kam, übertrug ich diese Aufgabe an André; ich selbst war ja noch bei Deberny &  Peignot gebunden. Zwei Jahre war er mit der Fertigung der Concorde bei Sofratype beschäftigt – er blieb bei mir angestellt, wurde aber von Devolz bezahlt. Zur Be­ sprechung kam er immer zu mir ins Atelier. Wir hatten grosses Vertrauen zueinander, und er verstand sofort, worum es mir bei der Concorde ging. André übernahm die Ausarbeitung ein­ schliesslich des Stempelschnitts – das war mühsame Feinarbeit. Die Concorde war für den Akzidenzsatz in Zeitungen konzipiert. Vorgestellt wurde sie in einer eige­nen Schriftprobe in den Lesegrössen 8 pt und 10 pt /01/. Die drei ursprünglich geplan­ ten Schnitte normal, kursiv und fett entstanden gleichzeitig, das war wegen der Abstimmung wichtig. Sie mussten in der Laufweite gleich sein, da sich der normale und der ­fette Schnitt bzw. der normale und der kursive untereinander auf derselben Matrize befanden. Die ­Normale wirkt daher ein wenig spationiert. Ganz bewusst haben wir sie zudem ziemlich fein gehalten; durch die Mechanik des Hochdrucks kam immer ein gewisser Prozentsatz Quetsch­rand hinzu, so ge­nannter Schmitz, was eine leichte Zunahme der Strichstärke ergibt. Die absolut passende Strichstärke im Verhältnis zur Laufweite zu finden, ist beim Schriftentwurf das ­Schwierigste überhaupt. Der Leser ist da ungeheuer empfindsam. Er spürt genau, welches das richtige Ver­ 150

W E R K S AT Z s c h R I F T

Hersteller – Sofratype

Schnitte 3

Entstehung der Concorde Durch ein Schreiben von Alfred Devolz an Deberny & Peignot von 1961, in welchem er die Übereinkunft für eine serifenlose Schrift ­be­­stätigt, ist der Beginn der Arbeit an der Concorde schriftlich belegt.1 Dieses Schreiben zeigt, dass Frutiger, obwohl seit 1960 mit eigenem Atelier selbständig, durch seine Tätigkeit als externer künstlerischer Leiter noch sehr ver­ bunden ist mit Deberny & Peignot. André Gürtler, massgeblich an der Gestaltung der Concorde beteiligt, erinnert sich: «Irgendwann einmal ­sagte Adrian zu mir: Würdest du gerne eine Schrift machen? Ich bin da schon recht drausgekommen mit Schrift, unter seiner Führung natürlich. Er hat mir wirklich die Wurst durchs Maul gezogen und mir ein Blatt mit einem Bogen­ abschluss gezeigt. Es war eine sogenannte Whisky­skizze. Man hat immer wieder mal einen Whisky getrunken im Atelier und dann ist es meist etwas locker zugegangen. Er hat mir das Blatt gezeigt und ich habe sofort nicht nur 90, sondern 100 Prozent verstanden, was die Meinung bei dem Abschluss war /03/. Obwohl es zu der Zeit ­diese Art nicht gegeben hat in den Grotesk­familien, ausser in der Gill Sans. Als er mir das vorgezeichnet hatte, ist etwas Wunderbares passiert, so energetisch durch mich hin­ durchgeströmt. Er hat Vertrauen, und ich weiss, was er will. Das ist etwas ganz Besonderes gewesen, denn ich habe mich ja wahnsinnig identifiziert mit Adrian Frutiger, er war meine Vater­figur.» 2 André Gürtler fertigt sämtliche Zeichnungen mit einem weichen Blei­stift auf Transparentpapier in einer Versal­ höhe von 135 mm. Am Minuskel-g /02/ hat er sehr lang gearbei­tet. Sein Vorschlag, ein g in der klassischen Form wie bei der Gill Sans auszuprobieren, wird von ­Frutiger angenommen. Zur Freu­­de von Gürtler, der das klassische g «den tolls­ten Buchstaben zum Schreiben mit der Breit­ feder findet, weil er eine gewaltige Form ist, sowohl geschicht­lich als auch von der Kalligrafie her». Mit dem so genann­ten letz­ten Rauchabzug 3 ist seine Arbeit bei Sofratype nach zwei Jahren be­en­det.­ Der Name ‹Concorde› wird noch für eine weitere Schrift gebraucht. 1968 gibt ihn Günter Gerhard Lange, künst­ leri­scher Leiter bei Berthold, seiner robusten BarockAnti­­qua, welche für Hand-, Maschinen- und Fotosatz konzipiert ist. Er hat dabei das in dieser Zeit entwickelte, neuartige Überschall-Flugzeug im Sinn. Wenn er jedoch gewusst hätte, dass dieser Name bereits verwendet wird, hätte er einen anderen gesucht.4

/01/

Titelseite der vierseitigen Schrift­probe von Sofratype mit norma­lem und fettem Schnitt der Concorde, etwa 1964, Gestaltung Bruno Pfäffli.



Concor de

151

/02/

Entwurfszeichnungen des g in drei Schnitten von André Gürtler – die schlichte Form wird bei der Concorde verworfen.

/03/

Ideenskizze als Vorlage für die Concorde – von André Gürtler aus der Erinnerung nachgezeichnete ‹Whiskyskizze› des Bogenauslaufs.

152

W E R K S AT Z s c h R I F T

Die dynamische Serifenlose Edward Johnston legt 1915 /  16 mit seiner Sans Serif /05/ für London Transport den Grundstein für zwei neue Schriftgattungen, die geo­ metrische (siehe Seite 330) und die dynamische Serifen­ lose. Deutlich wird der Unterschied zwischen den beiden Stilrichtungen in den S-Formen. Das Majuskel-S weist dia­ gonal geschnittene Zir­kelkreisbogen auf, beim Minuskels sind es lang gezogene flache Bogen. Im Unterschied zu Johnston’s Sans Serif dominiert bei der ab 1928 erschienen Gill Sans /07/ seines ehemaligen Schülers und Mitarbeiters 5 Eric Gill nicht mehr die Zirkel­ form, sondern die ge­schriebene Anmutung. Noch deut­ licher als in der Geradestehenden zeigt sich der dynami­ sche Stil in der Kursive, einer echten Italic mit schmalerem Duktus und differierenden Minuskelformen. Ab 1931 ent­ ­wirft der Holländer Jan van Krimpen mit der Romulus Serif und dem Probeschnitt der Romulus Sans Serif /08/ eine erste Schriftsippe. Da der Ausbau eingestellt wird, bleibt sie nahezu unbekannt.6 Wenig bekannt ist auch die­ Stellar /06/ von Robert Hunter Middle­ton aus dem Jahr 1929. Ihre Abstriche sind tailliert, und ähn­­lich wie bei der 1968 er­­schienenen Syntax /09/ von Hans Eduard Meier enden die Bogen und Diagonalstriche rechtwinklig. In der Syntax wird die Verwandtschaft zur dy­na­­mischen Renaissance-Antiqua gut erkennbar. Die Zei­chenbreiten differieren stark, der Bogen beim n verläuft eindeutig asymmetrisch und mündet eckig in den Stamm, beim e weist er zum folgenden Buchstaben.7

hältnis zwischen Weiss und Schwarz ist. Als die Univers bei Linotype auf den Fotosatz übernommen wurde, habe ich das dann mal ausgerechnet und viele Versuche dazu gemacht (siehe Seite 93); die Strichstärke ist mir bei der Univers ganz gut gelungen, auch bei der Concorde liegt sie richtig, wenn ich das jetzt so anschaue. Hervorzuheben ist bei der Concorde das klassische Minuskel-g. Es gab verschiedene Ver­ ­suche dazu /02/. Auffallend breit läuft das r /09/. Mit der Matrizenbelegung hat das nichts zu tun. Erstens kam dies der fetten Version zugute, zweitens mochte ich das weite r einfach, auch wenn so vielleicht in manchen Wörtern eine kleine Lücke entsteht. Aus optischen Gründen ist sodann der obere Bogen des kleinen p etwas heruntergesetzt und geringfügig niedriger als etwa beim a und beim h. Im fetten Schnitt geht er höher hinauf /11/. Anders als später bei der Frutiger hat die Concorde in den Versalien ein gespreiztes M /09/, das hat etwas Klassisches, wenngleich mich die römische Monumentalschrift hier insgesamt nicht beeinflusst hat /04/. Das U ist etwas schmäler als das N, das wird immer so gemacht. Das V ist vielleicht ein wenig zu breit geraten; betrachtet man die Weissräume innen und aus­ sen, so könnte es ruhig ein bisschen enger sein. Auch das S ist recht breit angelegt, wäre es enger, würde es manieriert wirken. Die Ziffern wiederum sind, verglichen mit den Versalien, recht schmal. Sie stehen alle auf einem halben Quadrat, einem Halbgeviert also, und laufen damit auch schmäler als zum Beispiel später die Frutiger-Ziffern. Dies war vorgegeben und hatte technische Gründe, hauptsächlich wegen des Tabellensatzes. Aber nicht nur in diesen drei Schnitten, sondern in allen Schriften sollten die Zahlen in Kolonnen gleichmässig untereinanderstehen können – wir sprachen sogar über Punkt und Komma, die auf einem Viertelgeviert stehen sollten. Ganz und

/04/

/06/

Capitalis Monumentalis, 1. Jh. v. Chr. – Quadrat, Kreis, Drei­eck und vertikales Doppelquadrat erzeugen stark differierende Breiten.

Robert H. Middleton’s Stellar von 1929 hat taillierte Abstriche sowie rechtwinklig geschnittene Enden in den Bogen und Diagonalen.

/07/

Gill Sans mit echter Italic – Eric Gill entwirft ab 1928 eine der prägendsten dynamischen Serifenlosen.

AFGMNOSUV abefghprst AFGMNOSUV abefghprst /08/

Eine erste Schriftsippe – die Renaissance-Antiqua Romulus und die Romulus Sans Serif, 1931–37 von Jan van Krimpen.

/09/

Schriften zweier Willimann-Schüler – Adrian Frutiger’s Concorde von 1964 (oben), Hans Eduard Meier’s Syntax von 1968 (unten). /05/

Edward Johnston’s geometrische Sans Serif von 1916 – nicht geometrisch, sondern dynamisch ist hingegen das Minuskel-s.

AFGMNOSUV abefghprst

Concor de

153

Das Statische in der dynamischen Concorde Bei der Concorde finden sich dynamische, aber auch statische Momente. Im Vergleich beispielsweise mit der Gill Sans und der späteren Syntax ist sie weniger stark dynamisch ausgeprägt. Ihre Majuskeln differieren in der Breite verhaltener und – nicht ganz nachvollziehbar – auch unsystematischer. Ersichtlich wird dies beim Betrachten der auf dem Kreis basierenden Buchstaben C D G O und Q /14/. So weist das O nicht wie das G eine runde, sondern eine ovale Form auf, und das S ist nicht halb so breit wie das O, sondern ähnlich breit. Die erwähnten proportionalen Verhältnisse lassen sich hingegen beim F und G erkennen. Das M wird von André Gürtler entsprechend einer Renaissance-Antiqua mit gespreizten Schenkeln gezeichnet, obwohl er dies für eine Serifenlose als nicht passend empfindet. Adrian Frutiger, der die gespreizte Form bereits in der Univers gerne eingesetzt hätte (siehe Seite 94), wendet sie hier mit Freude an. Bei den Minuskeln wirken die rund in den Stamm mündenden Bögen bei h m n beinahe symmetrisch und deshalb nur leicht dynamisch. Vollständig statisch, ohne Ansatz einer geschriebenen Anmutung, sind sodann die gespiegelten und rotierten Buchstaben b d p q, deren Schattenachsen vertikal und deren Punzen reine Ovalformen sind. Richtig zur Geltung kommt der dynamische Stil also nur in den flachen Bogenausläufen von a c e und s. Eindeutig im dynamischen Stil sind die Ziffern; so zeigt die geschlaufte 8 ihre Herleitung vom Schreiben /13/.

gar eigenständig und ohne jeden Univers-Bezug ist die geschlaufte Ziffer 8 /13/ sowie das allgemein übliche Et-Zeichen, das besser in den Zeitungssatz passt als meine sonst bevorzugte eigenwillige Version. Die kursive Concorde, welche nie fertiggestellt wurde, ist keine echte Italique. Wir gaben uns Mühe, diese formal so schön wie möglich zu gestalten, es sollte aber keinesfalls eine klassische Kursive nachgeahmt werden. Ich habe es immer vorgezogen, eine Groteskschrift einfach schräg zu stellen. Die schräggestellten Serifenlosen sind bei mir natürlich in der Form korrigiert, aber nicht schmäler laufend als die Geradestehenden. Bei all meinen Groteskschriften ist das ganz konsequent so gewesen. Aber das war keine zufällige Sache, sondern richtig überlegt. Ich habe Versuche gemacht und andere Groteskformen gezeichnet, die der Kursiven ähnlicher sind, aber es hat für mich einfach nicht gestimmt. In der Grotesk ist für mich die geneigte Version einfach eine erzwungene Notwendigkeit. Bei den klassischen Schriften verhält es sich anders. Da gibt es von Anfang an das Modell der eigenständigen Kursiven. Die humanistischen Kursiven habe ich genügend kalligrafiert, sie waren in meiner Hand und im Kopf, aber sie in eine Groteskform umzuwandeln, hätte ich nicht geschafft, da hätte ich zu viele Kompromisse machen müssen. Grotesk und Antiqua sind einfach zwei Welten. Der Schriftname nimmt Bezug auf die Place de la Concorde in Paris, so wie die Opéra nach der Place de l’Opéra benannt ist. 1964 war die Concorde fertiggestellt, sie kam aber nur in den Schnitten romain und gras in den Handel. Nur wenige Jahre später, Ende der 1960er Jahre, wurde Sofratype von der Mergenthaler Setzmaschinenfabrik übernommen. Dort ahnte niemand, dass mit der Concorde eine Schrift vorlag, die ganz up to date war; sie ging in dem Verkauf stillschweigend unter.

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Genietete Messingschablonen der Concorde als Vorlagen für das Gravieren der Stempel mit dem Pantografen.

Proportionsschema der Concorde – der obere Bogen beim p im normalen und geneigten Schnitt liegt etwas unter der Hilfslinie.

Rauchabzug einiger Buchstaben der Concorde romain, italique und gras zur Kontrolle der gravierten Stempel.

8 /13/

Anders als bei der Univers (links) sind die Ziffern der Concorde ein Halbgeviert breit – hat die 8 eine dynamische geschlaufte Form.

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Figurenverzeichnis (ohne Satzzeichen) der Concorde romain in 10 pt aus der vierseitigen Schriftprobe der Sofratype.

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Minuskel-a der Concorde romain mit allen Akzentzeichen – Reinzeichnung mit Vermassung in Millimeter (linke Seite).

Probetext aus der Schriftprobe von Sofratype – es werden nur der normale und der fette Schnitt ausgeführt.

CONCOR DE

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Schriftentwurf

Eine Inzise für den Werksatz Adrian Frutiger greift 1962 für seinen Schriftentwurf ‹Serifen-Grotesk› die 1901 bei der American Type Founders geschnittene Copperplate Gothic /03/ von Frederic W. Goudy auf. Diese sehr beliebte Kartenschrift weist ähnlich einer Grotesk kaum Strichkontrast auf; ihre knappen, feinen Endstriche haben eine ganz eigene Anmutung. Formal gehört sie zur Gruppe der Inzisen, der gravierten Schriften. Die Copperplate Gothic umfasst acht Majuskelalphabete. Frutiger hingegen entwirft Minuskeln. Sein interessanter Ansatz ist der einer Inzise als Werksatzschrift mit taillierten Abstrichen. Der Probesatz ‹une pomme du monde› /04/ vermittelt einen ersten Eindruck. Rund dreissig Jahre später, im Mai 1993, sendet Adrian Frutiger einen überarbeiteten und erweiterten Entwurf der ‹Serifen-Grotesk› an Gerhard Höhl von Linotype.1 Im Schreiben ist sie mit dem Arbeitsnamen ‹Cooperline› 2 vermerkt. Das Minuskelalphabet liegt fast vollständig vor und von den Majuskeln sind im Probesatz D H V enthalten /02/. Ihre Anlage ist leicht schmaler als im Entwurf von 1962. Durch die kurzen, feinen Endstriche wirkt das Schriftbild hart, trotz taillierter Abstriche. Zudem hinterlässt es einen etwas unruhigen, fleckigen Eindruck. Der Grund dafür dürfte beispielsweise der zu geringe Strichkontrast bei e und o sein, das o ist zudem zu gross und das w zu kräftig. Vermutlich tragen auch die besondere Kommaform und die runden i-Punkte dazu bei. Laut Frutiger wurde der Entwurf zu Recht nie realisiert.

Serifen-Grotesk 1962

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Zugehörig zur Gruppe der Inzisen – die ‹Serifen-Grotesk› hat sehr kurze Endstriche, taillierte Abstriche, geringen Strichkontrast, beinahe vertikale Bogenenden.

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Erweiterter Schriftentwurf mit dem Arbeitsnamen ‹Cooperline› – von Adrian Frutiger 1993 als mögliches Projekt einem Schreiben an Linotype beigelegt.

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Bei Goudy’s Inzise Copperplate Gothic verweisen der Name und die sehr kurzen, feinen Endstriche auf den Kupferstich als Herkunft.

Schriftentwurf ‹Serifen-Grotesk› von 1962 in drei Schnitten – dem geneigten Schnitt fehlt die Anmut einer echten Kursive.

copperplate gothic

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SCH R I FTE N TWU R F

Schriftentwurf

Gespannte Grotesk 1962

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Schema ‹Gespannte Grotesk› von 1962 – die 12 Schnitte dieser dynamischen Grotesk sind entsprechend dem Univers-Schema angeordnet.

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Aus Transparentpapier ausgeschnittene n-Form und Konstruktionszeichnung des geneigten Abstrichs mit betontem Strichende.

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Betonte Strichenden bzw. taillierte Abstriche haben die Clearface Gothic 1910, Colonia 1938, Optima 1958 und Post Marcato 1963.

Nach Aussage von Adrian Frutiger ist die ‹Gespannte Grotesk› weniger verwandt mit der Optima (oben) als mit der Syntax (unten).

Die Schriftschnitte des Entwurfs ‹Gespannte Grotesk› von 1962 sind formal die Grundlage für die ‹Serifen-Grotesk› (linke Seite).

Clearface Gothic

du monde du monde

Optima S E R I F E N - G R O T E S K / G E S PA N N T E G R O T E S K

157

Mein Ziel beim Zeichnen der ‹Serifen-Grotesk› und ‹Gespannte Grotesk› genannten Entwürfe war, vom harten Design der Univers wegzukommen und etwas lebendigere Schriften zu schaffen – eine Art Copperplate Gothic /03/ mit kurzen, feinen Serifen sowie eine weichere Grotesk. Beide Entwürfe entstanden 1962 und basieren auf der nahezu gleichen Grundform; die Abstriche sind nicht gerade, sondern weisen eine Taille auf und die Bogen enden vertikal. In diesen Schriften steckt der Willimann-Geist und nicht das Prinzip von Walter Käch, wie es in der Univers zum Ausdruck kam. Denn alle Abstriche gerade zu zeichnen und die runden Ausläufe horizontal abzuschneiden, hatte mich immer etwas abgestossen. Dies entsprach nicht meinem innersten Formgefühl. Das Projekt ‹Serifen-Grotesk›, später nannte ich sie ‹Cooperline› /02/, liegt ganz in der Welt von Ästhetik und Technik. Sie ist zwitterhaft, halb Antiqua und halb Grotesk – ein typisches Produkt von Anfang der Sechzigerjahre. Ich bin froh, wurde sie nicht ausgeführt, denn das Harmonische fehlt ihr. Sie sieht lieblos aus. Das o ist zu dunkel, der Strichkontrast zu wenig ausgeprägt und dem e fehlt am Bogenende ein feiner Aufstrich. Vergleicht man die Entwürfe ‹Serifen-Grotesk› /04/ und ‹Schmale Méridien› (siehe Seite 67) wird die mangelnde Qualität offensichtlich. Sie wirkt zu gewollt mit den verjüngten Strichen und den kurzen Serifen. Die ‹Gespannte Grotesk› ist wie die Univers als Grossfamilie konzipiert. Das Schema sah diesmal zwölf Schnitte vor: vier Fettegrade in normaler Breite mit passender Kursive, drei enge Schnitte und ein breiter extrafetter Schnitt /05/. Der Erfolg der Univers hatte mich fiebrig, etwas gierig gemacht. Ich wollte mehr. Ich war ja nur 30 Jahre alt und innert fünf bis sechs Jahren war dieser Erfolg da. Vom Inneren, Menschlichen aus war es schwierig, sich damit zu recht zu finden. Man meint, es hört nie auf, es geht weiter so. Bei jeder neuen Aufgabe dachte

Das Humane in der Grotesk Adrian Frutiger’s Anliegen ist die humane Schriftform – auch und besonders in der Grotesk. In der Univers reagiert er auf die optische Wahrnehmung des Menschen durch subtile Unterschiede in der Strichführung; beim Entwurf ‹Gespannte Grotesk› aus dem Jahr 1962 geht er noch einen deutlichen Schritt weiter, indem er die Abstriche zusätzlich tailliert /09/. Ein Ansatz, den er bereits 1954 bei seiner ersten Werksatzschrift Méridien wählt. Bekannteste Vertreterin der taillierten Endstrichlosen ist die Optima /08/ von Hermann Zapf aus dem Jahr 1958. Vom Ansatz her handelt es sich bei der Optima aber um eine serifenlose Antiqua mit ausgeprägtem Strichkontrast und zusätzlich gewölbter Basis in den Abstrichen und nicht um eine lineare Grotesk. Beim Projekt ‹Gespannte Grotesk› gestaltet Frutiger mit 12 Schriftschnitten wiederum eine grössere Schriftfamilie /05/, ähnlich der Univers. Der Entwurf entsteht aus eigenem Antrieb, ohne dass ein Auftraggeber oder das Satzverfahren bekannt sind. Durch die Selbständigkeit seit Anfang 1961 ist er nun darauf angewiesen, für seine Schriftideen Abnehmer zu finden, um diese realisieren zu können. Eine Bereitschaft, die bei Deberny & Peignot zu dieser Zeit kaum mehr besteht.3 Die ‹Gespannte Grotesk› bildet einerseits die Basis der ebenfalls 1962 entworfenen ‹Serifen-Grotesk› mit ihren kurzen Endstrichen und der etwas weniger ausgeprägten Taillierung /02/, andererseits folgen in den dreissig

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Entwurf ‹University› von 1991 für eine Multiple-Master-Schrift – das Bogenende beim a ist diagonal, die Mündungen vom Stamm in den Bogen bei b g m r u sind eckig.

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Adrian Frutiger 1995 in seinem Atelier – an der Wand Entwürfe zur taillierten Grotesk. /12/

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Formenvergleich – e der ‹Gespannten Grotesk› (links oben), a der ‹University› (links unten), drei Mal e a der ‹Primavera› (rechts).

Vergleich der Bogenenden und Mündungen bei a und e von Univers 1957, Frutiger 1976 und Vectora 1990 (v.l.n.r.).

eee aaa 158

SCH R I FTE N TWU R F

Jahren danach einige Umzeichnungen der von Frutiger als ‹weichere› Grotesk bezeichneten Schrift. Die auf den ersten Blick ähnlichen Entwürfe unterscheiden sich in wesentlichen, den Charakter mitprägenden Punkten. Die ‹Gespannte Grotesk› /05/ gehört stilistisch zu den dynamischen Grotesk; e und s haben flache Bogenverläufe und dadurch offene Punzen, die Bogen enden vertikal. In der Punzenform wirkt sie hingegen statisch, denn die Einmündung vom Stamm in den Bogen ist rund und die Schattenachse vertikal. Frutiger’s zweite Version ‹University› von 1991 /10/ unterscheidet sich stark durch die diagonal geschnittenen Bogenenden und die eckige Einmündung vom Stamm in den Bogen. Die Verwandtschaft zur Vectora von 1990 wird hier erkennbar (siehe Seite 352). Die dritte Richtung aus dem Jahr 1993 mit dem Arbeitsnamen ‹Primavera› lässt sich sodann bei den statischen Grotesk einordnen. Der Bogenverlauf ist rund und schliesst optisch die Form, die Bogenenden sind horizontal /14/ oder in einem Fall diagonal /16/. Die Einmündungen vom Stamm in den Bogen sind nun wieder rund. Interessant ist zudem das Minuskel-a bei einer der drei ‹Primavera›-Versionen, der ausragende Auslauf ist für Frutiger’s serifenlose Schriften atypisch /14/. Erstaunlicherweise gelingt es Adrian Frutiger nie, sein Projekt einer weicheren Grotesk zu verwirklichen,4 obwohl alle seine serifenlosen Schriften äusserst erfolgreich sind und obschon neben der Optima Platz für eine taillierte lineare Grotesk vorhanden sein dürfte.

ich, es könnte etwas Grosses werden. Doch wenn ich nun die Abzüge der ‹Gespannten Grotesk› anschaue, dann realisiere ich, dass ich in den 1960er Jahren verdauen musste, um wieder zu mir selber zu kommen. Verwandt ist die ‹Gespannte Grotesk› mehr mit der Syntax /08/ von Hans Eduard Meier, wie ich ein Schüler von Alfred Willimann, und weniger mit der Optima von Hermann Zapf. Der aufrechte Schnitt im Probesatz ‹une pomme du monde› /09/ sieht eigentlich noch ganz gut aus, aber die geneigte Version ist misslungen. Das Gleiche gilt ebenfalls für die Kursive der ‹SerifenGrotesk› /04/. Das Projekt wurde nicht umgesetzt. Ganz losgelassen hatte mich diese humane Form der Grotesk aber nicht, auch viel später nicht. Anfang der Neunzigerjahre griff ich den Schriftentwurf ‹universite› nochmals auf und unterbreitete ihn Otmar Hoefer und Reinhard Haus von Linotype unter dem Arbeitsnamen ‹University›. Da es sich bei diesem Projekt um einen Vorschlag handelte, beschränkte ich mich auf das Probewort ‹Hamburgo› /10/. Die Buchstaben wurden gegenüber dem ursprünglichen Entwurf verbreitert beziehungsweise verengt. Gezeichnet hatte ich sie in vier Schnitten – als Ausgangsbasis für eine computergenerierte Schriftfamilie. Denn das Projekt war von mir für das neue Multiple-Master-Programm vorgesehen. Die Probewörter bildeten also die vier Eckpunkte für alle stufenlosen Zwischenschritte – in der Horizontalen von breit zu schmal und in der Vertikalen von fein zu fett. 1993 unternahm ich nochmals einen Versuch, bei Linotype meine Schriftentwürfe zu platzieren. Einerseits eine leicht überarbeitete Serif-Version, die bereits erwähnte ‹Cooperline› /02/, und andererseits eine nochmals veränderte Sans-Version mit dem Arbeitsnamen ‹Primavera› /14/. Auch diesmal hatte ich keinen Erfolg mit meiner Eingabe. Es sollte wohl einfach nicht sein.

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Schriftentwurf ‹Primavera› von 1993 mit horizontalen Bogenenden gegenüber vertikalen bei ‹Cooperline› und ‹Gespannte Grotesk›.

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Entwurf einer taillierten Grotesk als Teil einer Schriftsippe zur Linotype Centennial (oben) gedacht – undatiert, 1990er Jahre.

Schriftentwurf (undatiert) mit diagonalen Bogenenden bei a c e s und vertikalem beim r; runder Übergang vom Abstrich zum Bogen.

S E R I F E N - G R O T E S K / G E S PA N N T E G R O T E S K

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Schriftname Algol

Auftraggeber Éditions Hermann

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1963  | 1963

Satztechnik Fotosatz Lumitype

Die Algol habe ich für ein einziges Buch 1 entworfen. Es handelte von einer neuartigen Program­ miersprache. Ich schlug vor, ein spe­­zielles Alphabet zu gestalten, denn diese technische Spra­ che war etwas Besonderes. Damals arbeitete ich bereits an der OCR-Schrift, hatte von solchen Dingen schon gehört und ahnte, was da auf uns zukommt. Normalerweise wurden für ein Alphabet 110 Zeichen entworfen, für die Algol waren es weniger: Gross- und Kleinbuchstaben, die Ziffern und einige mathematische Zeichen. Akzent­ zeichen für verschiedene Sprachen gab es nicht. Die Entwürfe zur Algol waren schnell gemacht. Da hatte ich so meine Technik: Striche kleben anstatt zeichnen oder statt vieler Bögen nur einen zeichnen und immer wieder denselben verwenden. Einer der Zeichner hat diese Entwür­ fe dann ausgeführt. Das alles hat einschliesslich Fertigung der Schriftscheibe höchstens drei Monate in Anspruch ge­­nom­men. Die Schrift wurde in den zwei Schnitten fein und halbfett für die Lumitype gemacht; bei Deberny &  Peignot wurde die Schriftscheibe pro­­duziert, aber die Zeichnungen entstanden bei mir im Atelier. Mir schwebte anfangs vor, das ganze Buch mit der Algol zu setzen; aber schnell zeigte sich, dass sie nicht geeignet ist als Leseschrift. Sie passt für Formeln, die aus dem Text herausstechen. Das Buch war ja voll von Formeln, es gab gleich viele wie Text /01/. Eine Formel wird nicht wie ein Wort gelesen, sondern Zeichen um Zeichen; je klarer sich diese voneinander unterscheiden, umso besser ist es. Stilistisch wollte ich etwas Mechanisches in etwas Logisches wandeln, logisch im Sinne einer Einheit im Gedanken. Ich kannte die Microgramma 2, aber eine Groteskschrift konnte die Algol nicht sein, das wäre zu nackt gewesen; eine Formel muss wie ein Wort zusammen­ halten. Eine Art Egyptienne F fand ich auch unpassend, denn diese war eine reine Textschrift, ich jedoch wollte eine ganz be­stimmte Art von ‹Fantasieschrift›. Nach verschiedenen Versuchen wählte ich dann diese eckigen Rundungen und betonten Serifen, weil sie die Formeln verbin­ den. Das Eckige, Kantige fand ich prägnant und attraktiv. Dieser Wechsel zwischen Serifen­ enden und eckigen Bögen ergab ein Spiel, das der Formel gut tat. Ausserdem sollte sie neben ande­ren, serifenbetonten Schriften absolut klar erkennbar sein. Dazu passt auch der gerade Auslauf etwa bei a und t. Wie ich zu diesen Formen gekommen bin, weiss ich nicht; Ideen hatte ich genug. Was da alles durch meinen Kopf und durch meinen Blei­stift ging … Irgendwie ‹fühlte› ich die Schrift in ihrem Auf­bau, der nahe bei mathematischen Problemen ist, doch dieses Gefühl zu beschreiben ist schwierig; ich hätte ja leicht kleine Einschnitte machen kön­ nen, beim g oben und unten, aber das hätte zu konservativ ausgesehen, trotzdem wollte ich noch ein klein wenig klassisch sein. Reduktionen lagen damals im Trend. Algol war mein persönlicher Trend, willentlich aus dem normalen klassischen Spiel auszutreten. Das ist typisch für diese Zeit. Wegzukommen von der Klassik und trotzdem lesbar bleiben. Ich würde sagen, das ist eigentlich die typische Schweizer Grafik: dieses Rasterhafte, Gitterhafte, Kubushafte. 160

AKZ I D E N Z sch R I FT

Hersteller – Deberny & Peignot

Schnitte 2

Schrift für eine Computersprache Nur wenige Jahre nach dem Entstehen der Univers, einer Schrift für den universellen Gebrauch in vielen Sprachen und Satzarten, deren Konzept grossen Anklang findet und die weltweit grossen Erfolg hat, zeichnet Frutiger eine Schrift exklu­ siv für eine einzige Sprache. ‹Algol›, die Ab­kür­zung für ‹Algorithmic language›, ist der Name für eine Familie von Programmiersprachen, welche ab 1958 entwickelt werden. An der Algol 60 wird von 1958 bis 1963 gearbeitet; 60 steht für das Jahr der ‹Fastfertigstellung›, die endgültige Fassung stammt von 1963. Algol 60 ist ein Meilenstein in der Geschichte der Pro­­grammier­spra­chen und dient als Basis für viele wei­ tere Sprachen wie Pascal, C, Ada und sogar Java.3 Kurz nach der endgültigen Fassung von Algol 60 kommt 1964 das Buch ‹algol› bei den Éditions Hermann in Paris heraus, einem auf wissenschaftli­che Publikatio­nen spe­ zialisierten Verlag.4 Adrian Frutiger arbeitet bereits seit der Übernahme 1956 durch Pierre Berès für die Éditions Hermann 5; hauptsächlich entwirft er Buch­­­um­schlä­ge für bestehende Bücher, welche wieder in den Verkauf kom­ men. 1957 wird er für ein halbes Jahr von Marcel Nebel unter­stützt, einem Absolventen der Kunst­gewerbeschule in Basel. Auch die neu ins Leben ge­­ru­fe­ne wissenschaft­ liche Zeitschrift ‹sciences›, das vier­­­­bän­dige Monu­men­tal­ werk ‹Art de France› und die Ta­schen­buch­serie ‹Miroirs de l’art› (siehe Seite 68) werden von Adrian Frutiger ge­ stalterisch betreut.6 Exklusiv für die Gestaltung des Buches ‹algol› entwirft Adrian Frutiger die gleichnamige Schrift, in welcher die mathe­matischen Formeln und Kommentare gesetzt wer­ den. Zu­­sätzlich zu den 92 Zeichen, bestehend aus Grossund Kleinbuchstaben, Ziffern sowie einigen mathemati­ schen Zeichen, werden auch ganze Wörter wie ‹valeur›, ‹Booleen› oder ‹alors› produziert /02/. Insgesamt be­­steht die Al­gol aus 116 Zeichen.7 Als Textschrift wird für das Buch die oft verwendete und auf Lumi­type früh verfüg­ bare Bodoni eingesetzt. Es handelt sich um die bereits überarbeitete und den techni­schen Problemen des Foto­ satzes angepasste Version Bo­­doni book C 504-55 so­wie um ihren kursiven und fetten Schnitt. Die Herstellung der Algol für die Lumitype dauert von der Idee bis zum Setzen des Buches drei Monate.8 Dies ist viel kürzer als im herkömmlichen Bleisatz und auch güns­tiger, wodurch erst möglich wird, eine Schrift nur für ein einziges Buch zu fabrizieren.

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Einband und Innenseite der  Publikation ‹algol› der Éditions  Hermann, Paris 1964.

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Einige zusätzliche Zeichen,  bestehend aus Ziffern,  mathe matischen Zeichen  und Wortzeichen.

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Charakteristisch für die Schrift  Algol sind die horizontalen  Bögen ohne Einschnitte und die  rechtwinkligen Einläufe.

A L P h A B E T A LG O L

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Schriftname Serifa

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1963  | 1967

Satztechnik Handsatz Fotosatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Bauersche Giesserei – D. Stempel AG | Linotype Compugraphic – Adobe | Linotype Bitstream  Elsner + Flake Scangraphic URW++

Schnitte 2 9 10 6 9 8 8 11

S E RI FA Anfang der 1960er Jahre hatte ich kurzzeitig etwas weniger Arbeit für meine Mitarbeiter, und so kam es, dass ich André Gürtler 1963 bat, ob er nicht eine Studie für eine Egyptienne machen möchte, als Gegenspiel zur Univers, aber aufbauend auf deren Stil. Es entstand ein Programm von acht Schnitten mit dem Namen ‹Champion› /05/. Max Caflisch, Schriftberater für die Bauer­ sche Giesserei, hatte Kenntnis von dem Projekt. Er war neugierig und wollte immer alles wissen. Er hat der Bauerschen eines Tages meinen Entwurf vorgeschlagen. Walter Greisner war damals dort Geschäftsführer; er suchte eine moderne, serifenbetonte Schrift. Obwohl der künstle­ rische Leiter, Konrad Friedrich Bauer, die Schrift nicht sehr mochte, kam es zu einem Vertrag; er gab ihr den Namen Serifa. Dass die Serifa nicht bei Deberny &  Peignot erschien, war für Charles Peignot kein Thema. Ich war nicht mehr dort angestellt (von 1960 bis 1963 war ich dort noch als externer künstleri­ scher Leiter neben meinem Atelier tätig), und an neuen Schriften hatten sie zu dieser Zeit kein Interesse mehr; ohnehin war Charles Peignot nicht mehr dort. René-Paul Higonnet – der Sohn von René Higonnet, einem der beiden Erfinder der Lumitype – hatte den Posten des Direktors über­nommen und ihn vor die Tür gesetzt.1 Die Serifa folgte in der Anlage dem Weg der Univers, und ich dachte, sie würde ähnlich erfolgreich sein. Bei jeder neuen Aufgabe meinte ich, es könnte etwas Grosses daraus werden. Nach dem Erfolgserlebnis mit der Univers war es wirklich ein wenig schwierig, mich zurecht­ zufinden. Das drückte sich dann aus in einer Hast, es sprudelte nur so und ich wollte immer noch mehr erreichen. Die Arbeit an der Serifa war relativ einfach; das ‹Champion›-Programm lag ja bereits vor. Für das Ziel, eine Egyptienne als Entsprechung zur Univers zu entwerfen, genügte es natürlich nicht, nur Serifen anzubauen. Die ganze Schrift musste umgedacht wer­ den /09/. Aber sie war kein Riesenwerk. Die Serifa war ganz klar eine moderne Schrift. ­Vergleiche mit historischen Schriften habe ich nie gemacht, aber trotz­dem ist es möglich, dass unbewusst von den bestehenden serifenbetonten Schriften etwas ein­­geflossen ist. Der Egyptienne-Stil hat ja schon Anfang des 19. Jahrhunderts bestan­den (siehe Seite 120). Neben anderen serifenbeton­ ten Schriften wie Rockwell und Memphis /25/ blieb die Serifa immer das kleine Kind. Mit diesen neueren, geometrisch konstruierten Serifenbetonten ist sie nicht vergleichbar, und die älteren Egyptiennes – zum Beispiel Ionic oder Clarendon /23/ – hatten eine klassischere Basis. Ich zeichnete also die ersten Schnitte der Serifa, mager und halbfett, für den Handsatz. Von diesen beiden Alphabeten gab es Angüsse in allen Graden und eine Vorprobe /01/. Die Blei­ satzschrift kam 1967 auf den Markt, aber in dieser Zeit spürten die Giessereien schon, dass ihre Zeit vorbei war. Einige orientierten sich um; doch die Bauersche Giesserei wurde 1972 aufgelöst. Wolfgang Hartmann, der in Barcelona die Fundición Tipográfica Neufville 2 leitete, übernahm das Guss­programm und verwaltet auch die Lizenzvergabe der Bauerschen Schrif­ten. Hartmann zeigte Interesse an der Serifa. Er verkaufte Lizenzen an Firmen, die schon im Foto­ 162

W E R K S AT Z s c h R I F T

Der Anfang der Serifa André Gürtler, von 1959 bis 1965 bei Adrian Frutiger als Schriftzeichner angestellt, arbeitet 1963 das Programm zur Serifa aus /05/. Angefragt um die Ent­­stehungsgeschichte der Schrift antwortet er: «Es war nicht genug Arbeit vorhanden, da hat Adrian mir ein Wort gegeben und gesagt, jetzt machen wir eine Egyptienne. Und dann habe ich das Wort innerhalb eines Pro­­gram­ms umgesetzt. Normal, normal kursiv, halbfett, fett, es sind etwa acht Schnitte gewesen mit diesem Wort. Quasi ein Zeitvertreib. Es hat ihn interessiert, was man machen kann mit der Egyptienne. Während der Arbeit an diesem Programm – es war nur ein Vorprogramm – hat sich die Form der Univers eingeschlichen, auf die bin ich natürlich abgefahren.» 3 Adrian Frutiger bietet die Schrift ATF 4 an, welche in­­­­te­­ ressiert sind, sich aber kurz vor Vertragsabschluss zu­­rück­ ­ziehen. Die Serifa landet in der Schublade.5 Max Ca­flisch, Schriftberater bei der Bauerschen Giesserei, macht Wal­ ter Greisner, den damaligen Geschäftsführer, auf das ‹Champion›-Programm aufmerk­sam. Dieser sucht eine Schrift in Richtung Memphis, welche einen modernen Charakter aufweisen soll.6 Ab 1966 wird die Schrift in zwei Schnitten produziert.7 Dass sich die Be­­geis­terung bei Konrad F. Bauer über die Serifa in Grenzen hält, mag vielleicht daran liegen, dass die Bauersche Giesserei be­ reits zwei serifenbetonte Schriften im Programm hat, seit 1957 die Volta, eine Clarendon-ähnliche Schrift von Kon­ rad F. Bau­­er und Walter Baum, sowie die Beton, 1930 von Heinrich Jost geschaffen /25/. Die D. Stempel AG lässt die Serifa durch Adrian Frutiger an den Fotosatz anpassen, wobei der magere Schnitt in den normalen umbenannt wird. In einer Anzeige in den ‹TM›, 1977 8 wird sie in den fünf Schnitten normal, kur­siv, halbfett, fett und schmal halbfett gezeigt. Insgesamt wird die Schrift mit den Schnitten fein, fein kursiv, leicht und leicht kursiv auf neun Schnitte erweitert.9 In späte­ren Jah­ ­­­ren streicht Linotype 10 bei der Adaption auf den Digi­tal­ satz die zwei feinen und den schmal halbfetten Schnitt. Von Adobe wird die Serifa in den gleichen sechs Schnit­ ten vertrieben, Elsner + Flake und Scangraphic ha­­ben zusätz­lich die beiden fei­nen Schnitte im Programm. Bei URW++ exis­tiert die Serifa in den aufrechten Schnitten fein, leicht, normal, halbfett, fett und besitzt als einzige einen Stencil-Schnitt. Bei Bitstream ist sie ebenfalls unter ihrem richtigen Namen in allen neun ursprünglich bei Stempel vorhandenen Schnitten erhältlich.

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S erifa

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Entwurfszeichnungen zur Serifa – Bleistift auf Transparent­papier in Originalgrösse, undatiert. /03/

Studie zur Serifa in drei Stärken und drei Weiten – Bleistift auf Transparentpapier, montiert auf Halbkarton, undatiert. /04/

Entwurf zur Serifa – das a weist im Gegensatz zum Entwurf links die Roman-Form auf und der Bogen ist hier offen dynamisch.

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Gesamtkonzeption der späteren Serifa – Schema mit acht bzw. neun geplanten Schnitten in fünf Stärken und drei Weiten.

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W E R K S AT Z s c h R I F T

Entwürfe zur Serifa Wie gewohnt entstehen die ersten Entwürfe mit Bleistift auf Transparentpapier /02/ mit einer x-Höhe zwischen 7,5 und 15 Millimeter. Und wie gewohnt werden auch gleich mehrere Schriftschnitte entworfen, eine Stu­die zur späteren Serifa zeigt drei Stärken in je­­ weils drei Weiten /03/. Auffällig an diesem Entwurf ist das Minuskel-a in der Italic-Form, wie es auch in der geome­ trischen Memphis vorkommt. In einem weiteren Entwurf ist das a dagegen in der für Frutiger charakteristischen Roman-Form gezeichnet /04/. Doch auch hier wird die Suche nach der Ausprägung der Schrift erkennbar – han­ delt es sich doch um die dynamische Form des a, ähnlich dem Entwurf ‹Serifen-Grotesk› von 1962 (siehe Seite 156). ­Bei der Serifa /06/ wird jedoch die schlies­sende, sta­­­tische Bogen­form bevorzugt, die in der Univers und im ‹Champion›-Entwurf /05/ von 1963 zu finden ist. Der Entwurf umfasst acht Schnitte, ein mög­licher neun­ ter Schnitt ist erwähnt. Abgesehen von den zwei breiten Schnitten scheint sich das Programm an früheren serifen­ betonten Schriften auszurichten, beispiels­weise an der Schriftfamilie Schadow-Antiqua von Georg Trump für die Schriftgiesserei C. E. Weber /26/. Diese Schrift hat eben­ falls vier Stärken in der normalen Weite mit nur einer Ob­­lique sowie einer schmalfetten Version. Der breite, ultra­­fette Entwurf der Serifa weist eher in die Richtung des extra­fetten Schnittes der Rockwell. Realisiert werden die breiten Schnitte jedoch nie, dafür werden die geneig­ ten Schnitte bei der D. Stempel AG ausgebaut /30/.

satz Fuss gefasst hatten, selber produzierte er aber keine Fotosatzschriften. Für einige wenige Titelsatzgeräte war sie verfügbar, besser ver­kauften sich die Abreibefolien.11 Da ich mit der Bauer­schen einen richtigen Vertrag abgeschlossen hatte, von Hartmann übernommen, bekam ich immerhin 25 Jahre lang Tantie­men. Nach den ersten beiden Schnitten fürs Blei folgte für den Fotosatz der Ausbau auf neun Schnitte /30/. Walter Greisner, der inzwischen seine Tätigkeit bei der Bauerschen Giesserei be­ ­endet hatte und Geschäftsführer der D. Stempel AG geworden war, wollte eine richtige Schrift­ ­familie, mit den zwei Schnitten konnte er überhaupt nichts anfangen. So entstanden neben drei weiteren Fetten auch kursive Versionen für den feinen, den mageren und den normalen Schnitt. Die Serifa hat keine echte Italique, sondern eine Oblique, sie ist geschwenkt /10/. Das sieht man zum Beispiel an der Anlage der Serifen, sie ist genau wie in der Geradestehenden. Ausserdem sehen die kursiven Formen zum Beispiel von a oder g bei einer Italique anders aus. Aber Vorsicht: Auch eine geschwenk­­te Schrift muss nachbearbeitet werden. Nie hätte ich es zugelassen, dass die Formen einfach nur schräg gestellt wurden. Alle Rundungen habe ich neu ge­­­zeich­­net. Wenn man so ein rundes o schräg stellt, wird es merkwürdig eiförmig. Das muss man korrigieren. Das Grundgerüst der Serifa entspricht dem der Univers. Ich hatte ja zwei Grundgerüste, sie sind wie zwei Linien in mir: Die eine folgt dem Univers-Skelett – jeder Buchstabe ist in der Breite annähernd gleich –, die andere folgt dem eher klassischen Prinzip mit unterschiedlichen Buchstabenbreiten. Darin zeigt sich das alte Dilemma zwischen Walter Käch und Alfred Willi­ mann. Die beiden hatten einen ganz unterschiedlichen Schriftbegriff (siehe Seite 16). Für den Lesefluss ist auf jeden Fall das klassische Skelett besser als das in den Weiten angeglichene.

/06/

/07/

Innenseite der sechsseitigen Vor­probe zur Serifa mager und halbfett der Bauerschen Giesserei 1967 mit einem Text von Emil Ruder.

Rückseite der Vorprobe zur Serifa mit einem Text des Schriftgestalters und Typografen Hermann Zapf (Titelseite siehe Seite 163).



S erifa

165

12 Thesen zur Serifa In der Fachzeitschrift ‹Gebrauchs­ graphik› vom Juni 1968 sind von Adrian Frutiger grund­ sätzliche Überlegungen zum Zeichnen einer Werksatz­ schrift enthalten, illustriert mit drei Skizzenblättern zur Serifa, datiert vom 3. 9. 1963 und 28. 1. 1964. Diese Kon­ struktionszeichnungen sind in Frutiger’s Buch ‹Type Sign Symbol› von 1980 zu einer Abbildung zusammengefasst /08/ und kommentiert: «Der Spielraum, in welchem sich das Suchen nach einer neuen Textschrift abwickelt, ist relativ klein. Die erste Bewegung zu einem neuen Schriftbild ist auf jeden Fall nicht eine kreative Tat aus spontanen Gesten (wie zum Beispiel bei kalligrafischen Übungen), sondern ein ge­ danklicher Vorgang, welcher dahin zielt, die Zusammen­ hänge im Ablauf des Lesevorganges zu erkennen. Dem­ nach müssen die vorgesehene Satztechnik und die An­ forderungen des Marktes in die Planung mit einbezogen werden. Diese Komponenten ermöglichen es dann dem Schriftgestalter, neue Schlüsse zu ziehen. […] A. Bestim­ mung der Schrifthöhe, der Proportion von Ober­ und Unterlängen. – B. Proportionierung der Schwarz­ und Weisswerte des Grundschnittes, zugleich Abstimmung der Totalweite in Bezug auf die Schrifthöhe. – C. Die Dicke der Horizontalen und Serifen ist der wesentliche Faktor zur Definierung des Schriftstils. – D. Schwenkungs­ punkt und Neigungsgrad der Kursiven sind auf dem Normalschnitt grundsätzlich definiert. – E. Logische Ab­ stufung der verschiedenen Schnitte. – F. Die Strichdicken

/09/

Obschon formal ähnlich hat die Serifa (oben) gegenüber der Univers (unten) deutlich breitere Buchstabenproportionen.

Hamburg Hamburg

/08/

Schematische Darstellung der Formprinzipien zur Serifa – Überarbeitung 1979 der ursprünglichen Zeichnungen von 1963/64.

/10/

/11/

/12/

/13/

Die Egyptienne F (oben) hat in der Kursive die Italic-Form; dagegen ist die Serifa (unten) geneigt bzw. hat die Oblique-Form.

Für Frutiger atypisch sind bei der Serifa (unten) der Sporn beim G und die versetzten Schenkel beim Minuskel-k – Egyptienne F (oben).

Frutiger-typisch: K mit Dreiecksform, Q mit horizontalem Schweif, R mit geschwungenem Spielbein – Egyptienne F (oben), Serifa (unten).

Anders als bei der Egyptienne F (oben) sind bei der Serifa (unten) nicht die charakteristischen Formen von ß und & zu finden.

agn agn agn agn

Gk Gk

KQR  KQR

ß& ß&

166

W E R K S AT Z S c h R I F T

in Bezug auf Innen- und Zwischenräume folgen bestimm­ ten Gesetzen. – G. Die Länge der Serifen folgt nicht den gleichen Kriterien wie die der Strichdicke. – H. Durch die Anlage des n-Bogens ist die Absicht über einen symme­ trischen Aufbau aller anderen Rundungen gegeben. – I. An- und Abschwellung der Rundungen sind erwirkt durch Einpassung in das Grundschema. – J. Die Runden sind höher als die Geraden. – K. Die Kurven der verschiede­ nen Fetten sind artverwandt. – L. Zur Be­­stimmung eines Stils steht die Geometrie der Rundung im Vordergrund. Die Serifa ist nicht auf dem Zirkelkreis aufgebaut; sie ist leicht oval und nur wenig eckig.»12 Anhand von sechs Detailabbildungen einzelner Zeichen der Serifa /14/ werden zudem in den oben erwähnten zwei Publikationen sechs Punk­­­­­te zur Schriftgestaltung auf­­geführt: «1. Ge­­naue Abwägung der Strichdicke (hori­ zontale und vertikale). – 2. Die Serifen sind nicht parallel, sondern leicht nach innen verjüngt. – 3. Verschiebungen, welche notwendig sind, um eine optische Ausgeglichen­ heit zu erzielen. – 4. Die Innenwinkel sind nach Mög­lich­ keit ge­­öffnet, um Schwarzanhäufungen zu vermeiden. – 5. Einschnitte normaler Tiefe sind für eine gute Lesbarkeit unentbehrlich. – 6. Alle Kurven stehen in harmoni­schem Einklang.»13

Bei der Univers aber war ein konstantes Breitenskelett unumgänglich; erst die systematische Weitenkonzeption ermöglichte diese Vielzahl an Variationen. Es leben wohl einfach zwei Geis­ ter in mir und wahrscheinlich waren sie immer ein wenig in Konflikt miteinander. Die Serifa eignet sich gut für den Titelsatz, aber nicht für den Mengensatz. Sie fliesst nicht richtig, ausserdem läuft sie zu breit. Sie ist viel breiter als die Univers oder die Egyptienne. Ich denke, mit der Serifa bin ich mir selbst nicht ganz treu geblieben. Da ist zum Beispiel das G mit dem Sporn /11/, das war mir immer ein Dorn im Auge – warum habe ich mich dazu ver­ leiten lassen? Beim kleinen k sind die Schenkel versetzt /11/; das war notwenig in der Serifa, sonst wären die beiden Ausläufe in den Serifen unten viel zu spitz gewesen. Trotzdem tat es mir im Grunde weh, die Schenkel so zu versetzen. Beim Versal-K habe ich es nicht gemacht /12/. ß und &, beides entspricht ebenfalls nicht meiner Art /13/; in Deutsch­land wäre aber mein typi­ ­­sches ß nie angenommen worden. Treu geblieben bin ich mir zum Beispiel beim Versal-R, hier ist das Spielbein geschwungen, auch mein spezielles Q wurde akzeptiert /12/, und das £-Zeichen liegt wieder ganz in meiner Richtung /17/. Interessant sind die Punkte bei den Umlauten /18/. In der Bleisatzversion der Bauerschen sind die Trema bei den Grossbuchstaben in Versalhöhe angebracht, also eingegliedert in den Buchstaben: beim Ü innerhalb, bei Ä und Ö ausserhalb. Das war ein Wunsch der Giesser, sie wollten keine Überhänge. In der Fotosatz-Version von Stempel/Linotype wurde das später geändert. Ganz unverständlich ist mir im Nachhinein die leicht gebogene Diagonale bei der 7 /15/. Das habe ich später bei der OCR-B gemacht, und dort hatte es erkennungstechnische Grün­­de. Aber warum ich es in der Serifa gemacht habe, bleibt mir unerklärlich. Vom Dollar-Zeichen gibt es verschiedene Entwürfe. In einer frühen geklebten Version der verkleinerten Ori­­ginal­

/14/

Detailausschnitte der Original­ zeichnungen der Serifa mit wichtigen optischen Gesetzmässigkeiten der Schriftgestaltung.

1

2

3

4

5

6

/15/

/16/

/17/

/18/

Gerade, nach unten leicht verdickte Diagonale bei der 7 der Egyptienne F (oben), leichte Biegung bei der Serifa (unten).

Die Stymie (oben) hat differenzierte Breiten ähnlich dem klassischen Proportionsprinzip, die Serifa (unten) hat angeglichene Breiten.

Die schlichte £-Form der origina­len Handsatz-Serifa (oben) ist im Digitalsatz von Linotype (unten) beibehalten, nicht aber das $.

Trema und Kringel befinden sich bei der Handsatz-Serifa (oben) auf Versalhöhe, im Digitalsatz von Linotype (unten) stehen sie darüber.

ECHOS ECHOS

£$

ÄÖÜÅå

 Z7

Z7



S erifa

167

/19/

/20/

Serifenbetonte, Typus Renaissance (dynamischer Stil), mit ausgeprägtem Strichkontrast – Joanna 1930.

Beim Übergang vom Stamm zur Serife wird unterschieden zwischen gekehlt und eckig – nicht gleichzusetzen mit rechteckig.

Joanna /21/

/22/

Serifenbetonte, Typus Barock, mit ausgeprägtem Strichkontrast – New Century Schoolbook 1917, Excelsior 1931, Candida 1936.

Im Gegensatz zur Memphis (links) weisen die Clarendon (Mitte) und die Serifa (rechts) eine Konstanz in den verschiedenen Schnitten auf.

rrrr rrr rrrrr

Schoolbook Excelsior Candida

/24/

/23/

Serifenbetonte, Typus Klassizismus (statischer Stil), mit ausgeprägtem Strichkontrast – Schadow 1937, Clarendon 1951, Impressum 1963.

Schadow Clarendon Impressum

Grundtypen der Serifenbetonten – ausgeprägter Strichkontrast: Typus Renaissance, Typus Barock, Typus Klassizismus; geringer Strichkontrast: Typus geometrisch, Typus statisch, Typus dynamisch (v. l.n.r.).

eee ee e

/25/

/26/

Serifenbetonte, Typus geometrisch, mit geringem Strichkontrast – Beton 1931, Rockwell 1934, Memphis 1935.

Georg Trump’s Schadow­Antiqua von 1937 leitet die Epoche der statischen Egyptienne mit ihren eckig-ovalen Bogenformen ein.

Rockwell Memphis /27/

Serifenbetonte, Typus statisch (Klassizismus-Herleitung), mit geringem Strichkontrast – Venus Egyptienne vor 1950, Serifa 1967.

Venus Egyptienne Serifa  /28/

Serifenbetonte, Typus dynamisch (Renaissance-Herleitung), mit geringem Strichkontrast – PMN Caecilia von 1990.

PMN Caecilia 168

W E R K S AT Z S c h R I F T

Die Gruppe der serifenbetonten Schriften Merkmal der Egyptienne­ bzw. der serifenbetonten Schriften sind die kräftigen Serifen. Wie kräftig die Serifen sein müssen, damit eine Schrift in der Druckschriftenklassifikation den serifenbetonten Schriften zugeordnet wird, ist nicht be­ stimmt.14 Dies führt denn auch in Schriftmusterbüchern und Lehrmitteln zu heillosem Durcheinander.15 Als Richt­ wert kann beim normalen Schnitt eine minimale Serifen­ stärke von 50 Prozent der Stammstärke dienen. Um der Vielfalt an serifenbetonten Schriften gerecht zu werden, schlägt Hans Rudolf Bosshard 1980 vor, Unter­ gruppen zu bilden.16 Die erste der fünf Untergruppen nennt er Egyptienne, die zweite Clarendon. Beides ist historisch begründet (siehe Seite 120), führt aber zu Ver­ wirrung, da Egyptienne einerseits bereits als Name der Hauptgruppe geläufig ist und andererseits beide Be­ zeichnungen gleichzeitig auch Schriftnamen sind. Be­ sonders verwirrend wird es dann, wenn Schriften mit dem Namen ‹Egyptienne› – wie die Egyptienne F – der Unter­ gruppe Clarendon zugeordnet werden, da deren Über­ gang vom Stamm zur Serife gekehlt ist. Die Serifenform als alleiniges Merkmal ist für eine befriedigende Eintei­ lung ungenügend. Ein anderer Ansatz wird im Lehrmittel ‹Schriften erken­ nen› gewählt. Die serifenbetonten Schriften sind in vier Untergruppen gegliedert: von der Renaissance­ bzw. von der Klassizistischen Antiqua abgeleitete Schriften, Zei­ tungsschriften und konstruierte Schriften.17 Hans Peter

Willberg publiziert 2001 in ‹Wegweiser Schrift› eine über­ arbeitete Einteilung in vier Gruppen: dynamische, stati­ sche, geometrische und dekorative Egyptienne.18 Für das vorliegende Buch wird eine Einteilung gewählt, welche die verbindenden und die trennenden Formmerk­ male deutlicher sichtbar macht. Die Abfolge der Grup­ pen ist schriftgeschichtlich begründet, sie greift jedoch nicht die Entwicklung der Egyptienne­Schriften auf. Die Serifenbetonten Typus Renaissance /19/ sind von der Renaissance­Antiqua abgeleitet, ihr Stil ist dynamisch: Ihre Versalien sind differierend in den Proportionen, der Bogen des e weist zum nachfolgenden Buchstaben und die Schattenachse ist diagonal /24/. Angeglichene Pro­ portionen, eine sich schliessende Bogenform und eine vertikale Schattenachse hat der von der Klassizistischen Antiqua abgeleitete Typus Klassizismus /23/. Serifenbe­ tonte Typus Barock /21/ können Merkmale beider Grup­ pen aufweisen. Der deutliche Strichkontrast ist in diesen drei Gruppen gemeinsames Merkmal. Keine Rolle spielt hingegen die Serifenform und der eckige oder gekehlte Übergang vom Stamm zur Serife /20/. Serifenbetonte Schriften, deren Strichkontrast gering ist, sind in weitere drei Gruppen unterteilt. Unterschieden werden können der Typus geometrisch /25/, basierend auf der Kreisform /24/, der Typus statisch mit vertikaler /27/ und der Typus dynamisch mit leicht diagonaler Achse /28/. Schriften des letzteren Typus entstehen erst in den 1980er Jahren in Holland.19

zeichnungen hat das S einen durchgehenden Vertikalstrich /29/; auf diese Weise gibt es aber sehr kleine Punzen und das Zeichen wird zu schwarz. Später machte ich nur noch oben und unten am S einen Strich /17/ – das Dollar­Zeichen in dieser Form wurde ohne Weiteres von den Amerikanern akzeptiert. Die Kritik der Geschäftsleute wäre ansonsten umgehend erfolgt, denn für sie ist dies ein sehr wichtiges Zeichen. Die Serifa ist einer meiner schlechtesten Schriftversuche, das darf man ruhig sagen. Nicht wegen der für mich unüblichen Zeichenformen, sondern weil meine Vorstellung einer konstruk­ tivistischen, serifenbetonten Schrift falsch war für das Auge. Ich wollte immer lesefreundliche Schriften zeichnen. Und die Serifa ist als Schrift nicht beliebt im Leseprozess, sie ist einfach nicht fliessend genug wegen ihrer breiten Laufweite. Als Plakatschrift kann man sie nehmen. Die Serifa hat so wenig Bedeutung und doch besteht sie. Das ist ja das Tragische an einer Schrift: Sie bleibt und wird immer bleiben. Man hat das einmal gemacht und muss auch dazu stehen können. Im sechsseitigen Artikel der Fachzeitschrift ‹Gebrauchsgraphik› vom Juni 1968 stand zumindest, dass die Serifa zum richtigen Zeitpunkt herausgekommen sei, da Egyptienne­ Schriften vermehrt von den Grafikern verwendet wurden.20 Ich hoffe nur, dass man sie richtig eingesetzt hat.

/29/

Die Überprüfung der ‹Satzfähigkeit› erfolgt durch Zusammenkleben von fotografischen Verkleinerungen der Originalzeichnungen.

/30/

Die Stempel / Linotype-Broschüre ‹Schriften von Adrian Frutiger› von 1983 zeigt alle neun Schnitte der Serifa im Fotosatz.



S E R I FA

169

/31/

Figurenverzeichnis der Serifa 36 pt, im Handsatz von der Bauerschen Giesserei.

Werbemassnahmen zur Serifa Als letzte Schrift wird die Serifa ins Schriftenprogramm der Bauerschen Giesse­ rei aufgenommen und intensiv beworben. 1967 erscheint eine sechsseitige Vorprobe /01/. Darin abgebildet sind der magere Schnitt in dreizehn Grössen von 6 bis 48 pt und der halbfette Schnitt in acht Grössen von 12 bis 48 pt, die Grössen 6 bis 10 pt sind noch in der Herstellung. Vor allem in der Fachzeitschrift ‹Deutscher Drucker› erschei­ nen 1968 einige Werbeanzeigen. Immer wieder wird der moderne Charakter der Serifa hervorgehoben, zum Teil unterstrichen durch eine von der Univers inspirierte Ge­ staltung. Bruno Pfäffli, Mitarbeiter des Ateliers Frutiger, gestaltet die Vorprobe und die Inserate. Das Inserat mit den Reihungen und Wiederholungen des Schriftnamens lässt seine typografische Formensprache deutlich erken­ nen /32/. Ebenfalls zur Bekanntmachung der Serifa dienen Artikel in den Fachzeitschriften, zum Beispiel der umfangreiche dreisprachige Beitrag ‹Aus der Werkstatt einer Schrift­ gießerei› von Hans Kuh in der ‹Gebrauchsgraphik› vom Juni 1968.21

/32/

Serifa im Handsatz – Inserat der Bauerschen Giesserei im ‹Deutschen Drucker› vom 29. Februar 1968. /33/

Serifa im Handsatz – Inserat der Bauerschen Giesserei im ‹Deutschen Drucker› vom 11. November 1968.

/34/

Serifa im Handsatz – Inserat der Bauerschen Giesserei im ‹Deutschen Drucker› vom 30. Mai 1968.

170

W E R K S AT Z S c h R I F T

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Serifa ® Linotype – 6 Schriftschnitte Bitstream – 9 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

  A B C D E FG H IJ K LM N    O P Q R S T U V W X Y Z &    a bcdefgh i jkl mnopqrs   tuvwxyzß1234567890

 Pourquoi tan

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 férents ! Tous servent au m  ême but, mais aussi à exprimer la dive rsité de l’homme. C’est cette même diversité que nous re­  trouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nua nce du bouquet. Il en est de même pour les caractères! Si e fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu ha ben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mi t sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, ab­  er doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They a  ll serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same di versity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are im­ portant. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la div­ ersité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient dif­ 

70 pt | – 20

52 pt | –15

34 pt | –15

23 pt | – 5

15 pt | 19 pt | 0



férents. Tout est dans la nuance du bouqu et. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt i  st wie beim Wein. Ich habe einmal eine W einkarte studiert mit sechzig Médoc-Wein  en aus dem selben Jahr. Das ist ausnahm  slos Wein, aber doch nicht alles der gleich

11 pt | 14 pt | 10

8 pt | 10.2 pt | 15

6.5 pt | 8 pt | 15

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Thin – Bitstream

Thin Italic – Bitstream

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45 Light

46 Light Italic

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55 Roman

56 Italic S erifa

171

Schriftenvergleich Alle drei unten gezeigten Schriften gehören in die Klassifikationsgruppe der serifenbeton­ ten Schriften (Egyptienne). Nach Hans Peter Willberg sind sie in die Untergruppe ‹Statische Egyptienne› einzu­ ordnen. In ihrer Herleitung gehen sie auf die klassizis­ti­ schen Schriften zurück, sichtbar an der vertikalen Schat­ tenachse und den angeglichenen Zeichenbreiten.22 Die Schadow von Georg Trump ist die älteste der drei Schrif­ten, sie hat einen ausgeprägten Strichstärkenkon­ trast, und ihre Serifen münden eckig in den Stamm. Die Venus Egyptienne 23 wiederum besitzt gerundete Über­ gänge und zeigt kaum Strichstärkenkontrast. Die Se­­rifa vereinigt Merkmale beider Arten in sich. Sie hat nur ge­­­­ rin­gen Strichstärkenkontrast ähnlich der Venus Egyp­tien­ ­ne, und ihre Serifen münden, wie bei der Schadow, eckig in den Stamm. Sie wirkt durch ihre breite Anlage insge­ samt aber eher geo­metrisch – vergleichbar ei­ner Rockwell oder Memphis –, wodurch sie Gefahr läuft, in die fal­sche Klassifikationsgruppe eingeordnet zu wer­den. Die ange­glichenen Buchstabenbreiten zeigen je­­doch deutlich die Zugehörigkeit zur Gruppe der stati­schen Egyptienne-Schrif­ten. Am Versal-G lässt sich die Grundform der Rundungen in den drei Schrif­ten gut erkennen. Bei der Serifa sind sie, ge­mäss Frutiger’s Gestaltungsgrundlage /08/, leicht in die Ecken gezogen. Bei der Schadow ist dies viel stär­ ker der Fall. Die Venus Egyptienne zeigt im Gegensatz dazu eine ausgeprägte Ovalform.

/35/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Serifa.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.91 Hs = 1.34 Hq = 0.97

nh = 6.97 cm nw = 6.10 ns = 1.25 nq = 0.99

oh = 7.28 cm ow = 7.38 os = 1.36 oq = 0.99

Hh : Hw = 1 : 0.79 Hw : Hs = 1 : 0.17 Hs : Hq = 1 : 0.72

nh : nw = 1 : 0.87 nw : ns = 1 : 0.20 nh : oh = 1 : 1.04 nw : ow = 1 : 1.21

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/36/

Durch ihre breit ­­proportionierten Buchstaben und ihre kräftigen Serifen hat die Serifa eine ausgeprägte Zeilen­bildung.

Hofstainberg Schadow Georg Trump 1937

Hofstainberg Venus Egyptienne Bauersche Giesserei / H. Berthold AG  v or 1950

Hofstainberg Serifa Adrian Frutiger 1967

E G Rä g k m25

EG Rägkm25

EG R ä g k m 25 E mittlere Horizontale mit Abschlussserife

172

W E R K S AT Z s c h R I F T

G Schaft mit Sporn, Querstrich optisch symme­trisch

R Spielbein dia­­gonal, Abschluss mit Halbserife

ä Trema rechteckig, Punze als Tropfenform

g einschlaufige Form, Unterlänge flach, mit Ohr

km Schenkel versetzt, Serifen symmetrisch

2 Abschlussserife, Diagonale gerade

5 Vertikale geneigt

/37/

Der Vergleich zeigt die ver­ schiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

Light Roman Bold Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00

Hw 7.42 = 0.94 7.91 = 1 8.53 = 1.08 9.34 = 1.18 7.71 = 0.97

Hs 0.85 = 0.63 1.34 = 1 2.11 = 1.57 2.48 = 1.85 1.36 = 1.01

Hq 0.66 = 0.68 0.97 = 1 1.44 = 1.48 1.82 = 1.88 0.98 = 1.01

HHHH H 11.9°

/38/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlängen. Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

135 100 70

4.3

−26

3.7

10

Schadow 40 pt

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ÅBÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQRŠTÜ VWXYZ& ÆŒ¥$£€ 1234567890 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fiflæœøłð [ . , : ; · ’/ - – — ] ( ¿¡“«‹›»”!?) { §°%@ ‰*†} 75 Black

130 100 70

HÔhxp7

1.00

0 cm

10

0 cm

−25

3.6

130 100 66

5.2

Serifa 43.7 pt

HÔhxp7

1.00

4.3

10 −31

Venus Egyptienne 42.9 pt

4.7

Å B Ç D È F G HIJK LMÑ ÔP Q R Š T Ü V W X Y Z & Æ Œ ¥ $ £ € 12 3 4 5 6 7 8 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fi fl æ œ ø ł ð [. , : ; · ’/- – — ] (¿¡“«‹›»”!?) {§ ° % @ ‰* †} Bold Condensed – Bitstream



S erifa

173

« Die Skelettform des Buchstabens ist wie ein Schlüsselloch im Erinnerungsbereich des Lesers eingraviert. Der gelesene Buchstabe ist wie ein Schlüssel, der sein Loch sucht und findet. Wenn die Phantasie des Schriftentwerfers von der zentralen Grundform abweicht, kommt es zu einer Reibung, einer Frustration oder einer Unlesbarkeit.» Adrian Frutiger

Schriftherstellung

O ptical character Recognition OcR

OCR-B Seite 176

Documenta Seite 218

Lesemaschinen im Bereich der Satzherstellung sind dank spezieller Schriften in der Lage, Texte und Co­ dierungen, welche auf der Schreibmaschine erstellt werden, automatisch zu erkennen. Die Lesemaschine /05/ scannt die Blätter und überträgt die erkannten Daten offline (über Loch­ oder Magnetband) oder online (immateriell über Kabelverbindung) an den nachgeschalteten Satzrechner. Dort werden die Da­ ten für die Weiterverarbeitung aufbereitet, um den Text in der gewünschten Form entweder im Bleisatz oder im Fotosatz zu erstellen. Dieser optischen Zeichenerkennung (Optical Charac­ ter Recognition OCR) geht in den 1950er Jahren die maschinelle Belegverarbeitung voraus. Die Anwen­ dungsgebiete sind zum Beispiel das Lesen von Zahl­ karten, Schecks, Rezepten, Flugscheinen, Lohn­ und Materialscheinen. Dabei erreichen die Lesemaschi­ nen eine Verarbeitungsgeschwindigkeit von über 100 000 Belegen pro Stunde. Die Hersteller von Belegen müssen jedoch in Bezug auf Papier, Farbe, Druck und Gestaltung eine Reihe

von Kriterien beachten, um ein störungsfreies ma­ schinelles Lesen gewährleisten zu können. Um diese Abläufe zu sichern, hat IBM als einer der Pioniere auf dem Gebiet der Klarschriftleser ein Prüflabor eingerichtet. Neben der Beschaffenheit verschiede­ ner Papiersorten und dem spektral­isometrischen Vermessen der Farbanteile gehen auch die Qualität der zu lesenden Zeichen sowie die Gestaltung und Formgebung der Formularvordrucke in die Prüfung mit ein. Die besondere Erkennungsflexibilität des mensch­ lichen Gehirns kann von der Lesemaschine nicht voll erreicht werden. Durch Normung (weitgehende Ein­ schränkung der Unterschiede zwischen den Zeichen einer Klasse) und Stilisierung (Zeichengehalt mit Rücksicht auf die maschinelle Erkennbarkeit wählen) kann dieser geringeren Flexibilität aber Rechnung getragen werden. Maschinenlesbare Schriften lassen sich in optische Schriften und Magnetschriften unterteilen. Zur ers­ ten Gruppe gehört die OCR-A (DIN 66008) des USA

Standards Institute. Sie umfasst neben Ziffern und Sonderzeichen nur Versalien. Weit weniger stilisiert ist die etwas später von Adrian Frutiger in Zusammen­ arbeit mit der ECMA (European Computer Manufac­ turers Association) entworfene OCR-B /01/. Sie unter­ scheidet sich kaum von den gängigen Schreibmaschi­ nen­ und Druckschriften. Ihr Zeichenvorrat besteht aus Ziffern, Sonderzeichen sowie Gross­ und Klein­ buchstaben und wird 1973 zum weltweiten Standard erklärt. Neben der OCR-A und der OCR-B gibt es noch eine Reihe weiterer optisch lesbarer Schriften wie die Farrington 12 L /12 F. Aus der Gruppe der Magnetschriften sind in erster Linie die Schriften CMC -7 (DIN 66007) und die E-13B zu nennen. Beide Schriften sind mit eisenoxidhal­ tiger Farbe auf die Belege aufzubringen, damit sie von den Magnetköpfen gelesen werden können.

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Die Reinzeichnung der OCR­B geschieht in der Form einer Satzschrift unter Berücksichtung maschineller Zeichenerkennung.

Nach verschiedenen Tests und Korrekturen wird aus der Form der Satzschrift die Zentrallinie abgeleitet.

Die Zentrallinie wird zum Führungsstrich für die Gravur der Schreibmaschinentypen mit gleichbleibender Strichstärke.

Auf den Umriss- und Zentrallinien angebrachte Masspunkte dienen zur Erstellung der Koordinatentabelle für die Schriftdigitalisierung.

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Lesemaschine für OCR -Typoskripte von Linotype 1974 – die Lesegeschwindigkeit kann bis zu 500 Zeichen pro Sekunde betragen.

Koordinatentabelle zur Vermassung des Buchstabens R der OCR­B von 1965 – die fünf XY-Kolonnen sind für drei Varianten von Proportionen.



Sch R I FT h E R STE LLU NG

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Schriftname OCR-B

Auftraggeber European Computer Manufacturers Association

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe ab 1963  | ab 1965

Satztechnik Prägesatz Computersatz Schreibsatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Diverse Computer und Schreibmaschinen- hersteller – Adobe | Linotype Bitstream Elsner + Flake

Schnitte 1

OCR-B Im Jahr 1961 gründeten dreizehn Computer- und Schreibmaschinenhersteller die ‹European Com­­puter Manufacturers Association› ECMA mit Sitz in Genf.1 Das Ziel der Gründungs­mit­glie­ der war unter anderem die internationale Standardisierung der optischen Zeichen­erken­nung, zum Beispiel im Zahlungsverkehr. Vor allem aber wollte man verhindern, dass die OCR-A /02/, wir nannten sie ‹Roboterschrift›, in Europa Verbreitung fand. Sie war eine der ers­ten maschinen­ lesbaren Schriften und kam aus Amerika. Die Formen ihrer Versalien würden in Eu­ropa niemals akzeptiert werden, darüber waren sich die europäischen Verantwortlichen einig und sie beab­ sichtigten, ihr eine ästhetische, fürs menschliche Auge angenehme Version OCR-B ent­gegen­ zusetzen. Für die Ausarbeitung dieser OCR-B wurde ich 1963 von Robert Ranc, dem Direktor der École Estienne, und Gilbert Weill 2, einem Ingenieur aus der Forschungsabteilung der Compagnie des Machines Bull, kontaktiert. In der ersten Sitzung wurde mir dargelegt, worum es ging: Man wollte einen weltweiten Standard mit einer nicht-stilisierten Form des Alphabets vor­schla­ ­gen. Das Komplizierte an dem Auftrag war, dass alle in der ECMA vereinten Firmen ihre eige­ nen Lesemaschinen entwickelt hatten, von denen jede auf andere Weise funktionierte; manche lasen die Innenräume, manche die Konturen und wieder andere die Mittellinie. Alle drei Mona­te trafen wir uns in einer der Firmen, über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg. Sie mussten sich erst auf ein gemeinsames Raster einigen, von dem ich an einer der fol­­genden Sitzungen eine Vorlage bekam; es hiess, die Schrift werde nach diesen Punkten er­­ fasst. Die Rasterfelder waren wenige Millimeter gross und das System deutlich feiner als die Matrix der OCR-A mit ihren 5 mal 9 Quadraten /03/. In meinen Entwürfen zeichnete ich immer Kurven. Die Techniker sagten, die Anpassung an das Raster sei nicht des Zeichners Sache, es sei Sache des Computers. In meinem Atelier fertigten wir Hunderte von Zeichnungen, alle schwarz ausgefüllt. Das Raster wurde immer erst nachher zum Kopieren darübergelegt, damit die Her­steller die Masse ganz genau ablesen konnten. War ein Punkt mehr als halb voll, ­zählte er als Plus, war er weniger als halb voll, als Minus. Anfangs waren nur gerade Stufen möglich, später konnten die Quadrate noch diagonal geteilt werden. Die daraus folgenden Berechnungen lieferten die Computerfirmen. Sie kümmerten sich um die Lesbarkeit und die Schreibmaschinenhersteller um die Ausführung der Schrift. Die Buchstaben hatten eine konstante Strich­­stärke und das Wichtigste war, die Form gebende Mittellinie, die so genannte ‹centreline›, zu bestimmen. Sie war für die Bohrung der Schreibmaschinenschrift nötig /01/. Auf mein Drängen wurde beschlossen, neben dem Font mit gleicher Strichstärke auch einen differenzierten ‹Letterpress-Font› für den Bücherdruck zu fertigen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren nur die Ziffern und Versalien wichtig, nun kamen auch die Kleinbuchstaben ins Spiel. Wichtig für die Letterpress-Formen war, dass ich sie auf der Grundlage der Centreline aufbaute. Die Form der Schrift darum herum, der Unterschied von fein zu fett, hat technolo176

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Weltweite Standardisierung Seit Anfang des 20. Jahr­ hunderts legen viele Länder nationale Normen (z. B. für Steckdosen oder Papier­formate) fest. Mit der zunehmen­ den Inter­nationalisierung wächst das Bedürfnis, diese natio­nalen Standards untereinander kompatibel zu ma­­ chen. Dies führt 1947 zur Grün­­dung der ISO.3 Dieser Organisation legt die ECMA 4 ihre Anträge zur Zertifizierung als weltweite Standards vor. Der zunehmen­ ­­­de Gebrauch an Computern, von immer mehr Herstellern nach eigenen Standards produziert, löst ein Be­­dürf­ ­­­nis zur Normierung grundlegender operationeller Tech­ ­niken als Basis für Programmanwendungen aus. Mit dem Ziel, die verschiedenen Com­­puter-Standards zu koor­di­ nieren, kommt es auf Initiative von drei Firmen – Com­ pagnie des Ma­­chines Bull, IBM World Trade Europe Cor­ poration und International Computers and Tabulators Limited – zu einem Treffen aller be­­kann­ten europäischen Com­­puter­her­stel­ler­firmen, was 1961 zur Grün­­­dung der ECMA führt, einer privaten Normierungs­orga­nisation zur Standardisierung von In­­formations- und Kommunikations­ systemen. Ein Projekt der ECMA betrifft die automatische Lesbar­ keit von Schrift. Adrian ­Fruti­ger konzipiert die OCR-B in zwei Versionen: eine erste mit gleicher Strichstärke und run­den Abschlüssen, eine zweite, ‹Letterpress› genann­te, mit Anpassung der Strichstärke an optische Kriterien und mit eckigen Abschlüssen. Anfäng­­lich hat die OCR-B gleiche Zeichenbreiten (Monospace). Zusätzlich dazu wird die Dickte der Buchstaben differenziert, also eine proportionale Schrift geschaffen. Neben der Zeichnung und der Schrifther­stellung ist die Technik für das Einlesen und Verarbeiten der In­­for­­matio­ nen wichtig. Die Computerhersteller einigen sich dafür auf das ‹System Curve of Merit› als gemeinsame Basis zur Differenzierung der einzelnen Zeichen. Die OCR-B , ursprünglich für Schreibmaschinensatz er­­ stellt, wird zügig auf andere Satzsysteme adaptiert (zum Beispiel Monotype 1971) 5 bis hin zum heutigen Compu­ tersatz. Frutiger beschäftigt sich in Bezug auf maschi­ nelles Le­­sen als einer der ersten Gestalter weltweit mit Fragen der Ästhetik, gepaart mit Technik. Dies führt zu zahlrei­chen Vorträgen zu diesem Thema, deren ersten er 1967 in Paris am Kongress der ATypI hält. Die OCR-B wird nach einer ersten Empfehlung 1966 durch das ISO-Komitee von diesem 1973 zum weltweiten Stan­ dard erklärt.

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Grösstmögliche Formdifferenz der schwierigsten Zeichengruppe D, O und der Ziffer 0 – mit Centreline für die Rundbohrung der Schreibmaschinenmatrizen.



OCR - B

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gisch keine Rolle gespielt. Die Diskussion ging darum, was Lesemaschinen einst würden lesen können: nur Schreibmaschinenschriften oder auch Werksatz- und sogar Handschriften? Die Verantwortlichen verstanden, dass es zwei verschiedene Welten gab: die einfachere Formenwelt der mit Schreibmaschine getippten Briefe – das war die Realität, mit der wir uns befass­ ten – und die kom­­­­plizierteren typografischen Formen im gedruckten Buch. Bücher maschinell zu lesen war damals in den Sechzigerjahren ein Traum. Alle waren sich einig, dies wäre ideal. Die Ideen sprudelten, das ging bis zur automatischen Übersetzung. Aber selbst die weitsichtigsten Ingenieure konnten Desktop-Publishing nicht voraussehen. In den Sitzungen verteilte ich immer an alle Teilnehmer Fotokopien der in meinem Studio gefertigten Zeichnungen. Jeder stellte in seinem Unternehmen dann eigene Berechnungen an, mit verschiedenen Resultaten. Für mich war das anfangs nur ein unverständliches Kauderwelsch, wenn die Techniker miteinander diskutierten, mit all ihren ‹Handorgeln› aus Papier voller Ziffern; aber mit der Zeit verstand ich ungefähr, worum es ging. In die Detailarbeiten der Techniker mischte ich mich nie ein. Wenn sie festgestellt hatten, dass an der einen oder anderen Stelle eine Form entweder zu breit, zu schmal, zu hoch oder zu tief war, notierten wir im Komitee direkt auf den Zeichnungen mit Bleistift die Änderungen. Die Übersetzung in Koordinaten /20/ übernahmen die beteiligten Firmen. Für die Lesemaschinen war der Abstand zwischen den Buchstaben wesentlich /16/, jedes Zeichen musste vom anderen klar getrennt werden können. Auch die Formen hatten sich deutlich voneinander zu unterscheiden /11/. Zur Über­prüfung gab es das ‹System Curve of Merit›: Jedes Zeichen wurde – jeweils paarweise übereinandergelegt und ausgehend von der Centreline /08/ – im Computer mit jedem anderen Zeichen verglichen /10/.

Maschinenlesbare Schriften Die Formen der OCRSchriften (Optical Character Recognition – optische Zei­ chenerkennung) werden zunächst ausschliesslich durch die Lesetechnik der Compu­ter bestimmt. Sie müssen ver­­einfacht, also stilisiert sein. Wichtig ist einzig das fehlerfreie Erkennen. Zur ‹ersten Generation› stilisierter, maschinenles­barer ­Schriften gehört der Ziffern-Font E13B (MICR ) der Ame­ rican Bankers Association /04/. Basis ist eine Matrix von 7 mal 10 Feldern. Ebenfalls eine Schrift für Magnet­leser ist die CMC-7 (Caractères Magnétiques Codés) /04/, 1961 von der fran­zö­­si­schen Compagnie des ­Machines Bull ent­ ­wickelt. Die Ziffern und Majuskeln sind jeweils aus ­sieben gleichstarken Strichen zusammengesetzt, die Ab­stände dazwischen variieren. 1961 beschliesst ein Komitee des USA Standards Insti­tute USASI die Schaffung der OCR-A /02/ als nationale Normschrift für maschinelles Lesen. Diese Schrift gehört durch die noch immer stark stilisierte Form, basie­rend auf einer Matrix von 5 mal 9 Feldern /03/, zur ‹zweiten Generation›. Der OCR-A gehen Zeichensätze verschie­ de­ner Hersteller vor­­aus, unter anderem von Far­­rington, NCR und IBM /05/. Zu Beginn sind nur die Zif­­fern, das Majus­kel­alphabet und einige Zeichen enthalten, ­später wird sie um die Minus­­keln erwei­tert. Gleichzeitig mit der OCR-B erhält sie 1966 die Empfeh­lung der ISO. Wie Frutiger’s Schrift gehört die Farrington 12 L / 12 F /07/ zur ‹dritten Generation› mit humanerem Schriftbild.

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Das Standard Character Set der OCR-A, entstanden in den USA ab 1961, mit Anerkennung als USASI-Standard 1966.

Die vom Computer als 8 erkannte Form basiert bei der OCR-A auf einer Matrix von 5 mal 9 Feldern, bei der OCR-B auf 14 mal 19 Feldern.

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Stilisierte Zeichen für den Druck von Bankformularen mit magnetischer Farbe – E13B (oben) USA und Kanada; CMC-7 (unten) Europa.

Vorlagen für die Ziffern der OCR-A: Farrington 12FI, RCA, NCR C6000, IBM X9A-120, Remington Rand NS-69-8, Burroughs B2A, GE 59A-04, Farrington 7BI.

Maschinenlesbare Ziffern und Grossbuchstaben, basierend auf einem Raster von 7 mal 9 Feldern – Hersteller nicht bekannt.

Farrington 12L/12F Selfchek – maschinenlesbares Zeichenset der Kreditkartenfirma Farrington Manufacturing Company.

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Zeichenerkennung Das formale Prinzip der OCR-B be­ ­ruht grundsätzlich da­rauf, dass sich jedes Zeichen vom anderen um mindes­tens 7 Prozent unterscheiden muss. Und dies im ungünstigsten Fall. So ­werden im Test immer zwei Zeichen so übereinander gelegt, dass der grösst­ mögliche Deckungsgrad erzielt wird /08/. Berücksichtigt werden zudem zwei verschiedene Druckstärken: ein dün­ ner Druck durch schwaches Anschlagen auf der Schreib­ maschinentastatur oder durch zu wenig Farbe beim Über­ ­­tragen vom Farbband aufs Papier sowie ein zu kräftiger, ­gequetschter Druck bei starkem Anschlagen oder ver­ fliessender Tinte. Selbst beim Über­einanderlegen von dünnem und fettem Druckbild – das Originalbild kann bis zu 1,5-fach verfettet sein – muss der Unterschied von 7 Prozent gewährleistet bleiben /12/. Ein Testausdruck simuliert das Prinzip /10/. Er zeigt ein stark ver­­­fettetes N und ein dünn gedrucktes M, das der Computer an­­hand der Differenz (rot dargestellt) zweifelsfrei als sol­ches zu erkennen hat. Für eine fehler­freie Verarbeitung sind gross­zügige Zei­ chen­­­abstände notwendig /31/, eher hinder­lich ­hingegen sind Serifen, da sie den Deckungsgrad der ­Zeichen erhö­ hen /09/. Im Weiteren darf das Papier nicht reflektieren und das Schriftbild sollte keinerlei Verschmut­zun­gen aufweisen. Der technologische Fortschritt ist rasant: Bereits 1970 sind gewöhnliche Schreib­maschinen­schriften lesbar, in­­ zwischen sind es auch Druck- und Handschriften.

Während die Breite der einzelnen Buchstaben bei allen Herstellern die gleiche war, vari­ ierte die Höhe zum Teil /18/. Auf Wunsch der grösseren Firmen gab es am Ende drei Höhen /19/, denn letztlich war es billiger, die Schrift anzupassen, als die Fabrikation der Maschinen zu ändern. Für uns spielte es keine Rolle, wir mussten nur die Arbeit dreimal machen. Ein Jahr lang waren wir praktisch nur mit der Fertigung dieser Vorlagen beschäftigt. André Gürtler arbeitete damals mit, und 1964 kam zusätzlich Nicole Delamarre ins Team. Über­ ­aus wichtig war die Unterscheidung zwischen Versalien und Ziffern. Wir versuchten es lange mit einer identischen Höhe, aber es gab immer wieder Paare, die nicht funktionierten. Die B8-Kombination bescherte uns besonders viel Bauchweh: Dieser Unterschied wurde vor allem von den Maschinen, die die Innenräume lasen, nie richtig erkannt. Schliesslich kam ich auf die Idee, die Ziffern grösser zu halten als die Versalien – das war die Lösung /23/. Weil die Zif­ fern von Anfang an in den Proportionen richtig waren und darauf der Standard gründete, wurden nachher die Versalien der ganzen Schrift verkleinert. Für die Schreibmaschinen waren notwendigerweise alle Zeichen gleich breit, es waren Mono­­space-Schriften. So mussten wir ein schmales m zeichnen /25/. Ich weigerte mich stand­ haft, Serifen zu machen, wo es nicht unbedingt nötig war. Bei i j und I ging es wegen der Ver­ wechslungsgefahr nicht anders /15/, das l hat unten einen Bogen bekommen. Dass das D dann eine schlechte Form geworden ist, mag ebenfalls technisch bedingt sein. In der ersten Fassung ist es sehr schön /24/, in der endgültigen erscheint es verschmälert /26/. Auch das C ist am Ende viel zu schmal geworden. Beim K reichen die beiden Schenkel nicht spitz auf die Kante. Das habe ich sonst nie gemacht, auch dies ging technisch nicht anders. Wäre in der Centreline eine Lücke, hätte die Lesemaschine das K womöglich als Strich und Winkelzeichen gelesen.

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Alle Zeichen, zum Beispiel H und T, werden in Bezug auf ihre grösstmögliche gemeinsame Fläche paarweise verglichen.

Serifenschriften steigern die Ähnlichkeit der Zeichen, sie sind daher für die maschinelle Erkennung weniger geeignet.

Der Computer-Ausdruck simuliert die Differenz (rot) – nötig sind 7 %, damit das feine M gegenüber dem N eindeutig erkannt wird.

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Bei der Gestaltung ist auf eine möglichst grosse Differenz zu achten, ohne dass die Zeichen stilisiert wirken.

Der Unterschied bzw. die ein­ deutige Erkennung muss noch im schlechtesten Fall von 1,5-facher Verfettung gewährleistet sein.

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B 8 & sind für eine Lese­maschine schwer zu unterscheiden – sehr ähnlich bei der Univers (oben) im Vergleich zur OCR-B (unten).

Bei der Univers (oben) sind die Majuskeln breiter und höher als die Ziffern; bei der OCR-B (unten) ist es genau umgekehrt.

Formal wenig unterschiedliche Zeichen weisen in der OCR-B (unten) Serifen, einen Anstrich oder einen Bogen auf.

Die Ziffern der OCR-B (unten) verfügen im Gegensatz zu den Buch­staben und zur Univers (oben) über dynamische Bogenverläufe.

B8& B8&

CDOQ0 CD O Q 0

1I i j l !) 2 3 5 9 1Iijl!) 2359 OCR - B

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OCR-B 1965 – Size I: ReferenzpunktZeichnung, Letterpress-Version mit Strichkontrast sowie Linearschrift konturiert mit Centreline.

OCR-B 1965 – Size II: Letterpress(eckig) und Linear-Version (rund) mit höherer Proportion – beide wurden nicht weitergeführt.

OCR-B 1965 – Size III: Centreline des Majuskel-S in der LinearVersion mit nochmals deutlich grösserer Höhe.

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Umschlag und Innenseite des ECMA-Handbuchs von 1965 – die Tabelle zeigt die Koordinaten der Referenzpunkte von R und S in µm.

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Die Ziffer 1 ist leicht nach rechts geneigt – Konstruktionszeichnung des ‹Constant stroke width font› nach ECMA-11.

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Korrekte Zeichenerkennung der Skelettlinie und der Umrissform trotz Störungen durch Quetschränder oder Unreinheiten.

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Vergleichsmethode – in Schwarz die Punktauflösung für die Eingabe, farbig die Reinzeichnung und Differenz zwischen B und 8.

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Formfindung der OCR-B Eine erste Probefassung der

Erste Probefassung der OCR-B 1963 mit dynamischen Bogen bei b g q, Alternativ-m sowie ähnlichen Formen von Majuskel-O und der Ziffer Null.

OCR-B ist mit 1963 datiert,6 sie umfasst 109 Zeichen /24/.

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Erste publizierte Fassung der OCR-B 1965 mit gebogenen Diagonalen bei W, grösserer Differenz bei O und Null und anderer Kreuzung bei 8.

Die Bogenformen des Majuskelalphabets sind statisch, während im Minuskelalphabet zweierlei Bogenformen vorkommen: der runde, statische Bogen, beispielsweise bei c d p, und der flache, dynamische Bogen bei b g q. Alle Ziffern weisen dynamische Formen auf, die Bogen­ verläufe sind aber vielfältig: flach bei 2 3, zur Diagonale neigend bei 5 und deutlich diagonal bei 6 9. Anfänglich gestaltet Frutiger die Majuskeln gleich hoch wie die Zif­ fern, für die erste Probefassung werden sie jedoch zur besseren Unterscheidung etwas verkleinert. In der als Standard ECMA­11 veröffentlichten Ausgabe von 1965 sind es 112 Zeichen, drei Akzentzeichen mehr /25/. Einzelne Schriftzeichen haben wesentliche Korrek­ turen erfahren. Offensichtlich sind diese beim W, dessen äussere Diagonalen nun gebogen sind, bei der Ziffer Null, welche eine ovalere Form erhält und sich damit besser vom O unterscheidet, beim j mit dem normal platzierten Punkt sowie bei den bereits angesprochenen b g q, die jetzt statische Bogenformen aufweisen. Dies gilt eben­ falls für das $­Zeichen. Deutlich geändert ist das @, dage­ gen kaum erkennbar ist die nun leichte Neigung bei der Ziffer 1. Insgesamt wirkt die Schrift formal einheitlicher als noch in der Probefassung. Eine weitere Ausbau­ und Überarbeitungsphase findet ab 1969 statt /26/. Fünf weitere Zeichen kommen hinzu, das §­Zeichen, die beiden niederländischen Ligaturen

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OCR-B von 1971 mit Anstrich auch bei j, Bogen bei y, sehr breitem B, geänderten Formen des Majuskel-O, des Minuskel-o und der Null.

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Alphabet-Erweiterung 1994 mit zusätzlichen Akzentzeichen und Akzentbuchstaben für diverse europäische Sprachen.

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IJ ij, das deutsche ß und das japanische Währungszei­ chen ¥. Das £­Zeichen wird stark verändert. Proble­ matisch ist noch immer die Unterscheidung von D O 0 sowie von B 8 &. Beim D beginnt die Bogenform jetzt direkt am Stamm, das O ist ovaler gestaltet, die Null dagegen eckiger. Eine formale Anpassung ans O erfährt das Q, gleichzeitig wird der Q­Strich geändert. Durch die markant breitere Form des B kann nun der Konflikt mit der 8 gelöst werden und beim & muss dafür die untere Schlaufe auf Kosten der oberen verkleinert werden. Ein­ mal mehr wird beim j eingegriffen, entsprechend dem i weist es nun einen Anstrich auf und beim y findet sich eine gebogene Unterlänge. Leichte Änderungen erfah­ ren auch das Trema beim Ü sowie das Komma und das Semikolon. Praktisch alle Korrekturen, die hier beschrie­ benen und die nicht erwähnten, sind in formaler Hinsicht wenig erfreulich; der zu gewährleistenden Zeichenerken­ nung zollt Frutiger also Tribut. Selbst mit dem internationalen Standard ISO 1073/II im Jahr 1976 ist das Projekt OCR-B noch nicht abgeschlossen, der Zeichenumfang wird sukzessive erweitert. Aus­ gehend von den 121 Zeichen 1976 sind es 1994 bereits 147 /27/. Die zusätzlichen Zeichen dienen in erster Linie dem Satz weiterer Sprachen. Einige Zeichenformen der von Linotype digitalisierten Version der OCR-B stimmen mit dem Original der ECMA nicht überein – ähnlicher sind sie bei Berthold, jedoch in der Schreibmaschinen­Version /33/.7

Die nationalsprachlichen Sonderzeichen kamen sukzessive hinzu /27/. Von Zeit zu Zeit fragte der Generalsekretär der ECMA, Dara Hekimi, bei uns an, ob wir für ein Land Ligaturen dazu zeichnen wollten. Diese Zeichen wurden dann nicht mehr vom ganzen ECMA-Komitee kontrolliert, sie sind im jeweiligen Land als lesbar oder unlesbar bestimmt worden. Sie wurden auch nicht mehr so kompliziert verglichen. Spezielle nationale Sonderzeichen gab es nur in den entsprechenden Ländern. Die ij-Ligatur zum Beispiel findet man nur bei den holländischen Maschinen. Die französische Ligatur œ kam in den Neunzigerjahren dazu /27/. Hingegen war das æ schon früher integriert /24/, diese Ligatur war für die nordischen Sprachen wichtig. Im Französischen galt es demgegenüber nicht als Fehler, wenn ae und oe getrennt waren. Im Gegensatz zu heute wurde œuvre ohne Ligatur absolut angenommen. Ein wenig bereut habe ich immer, dass am Ende nur die Ziffern in ihren Formen so offen blieben /13/. Der Rest erscheint ziemlich univershaft, unter anderem auch wegen der horizontalen Abschlüsse, obgleich die ersten Skizzen der OCR-B zum Teil ganz anders daherkamen /24/. Man hätte den C-Strichenden, dem g unten, auch dem S einen vertikalen statt einen horizontalen Abschluss geben können. Technisch und erkennungsmässig wäre das sicher gegangen. Obwohl ich mich damals bereits mit offenen Buchstabenformen beschäftigt hatte, zum Beispiel in den Entwürfen ‹Delta› und ‹Gespannte Grotesk›, blieb ich bei der OCR-B noch ganz der Univers verhaftet. Die offene Form war zwar schon da, aber ihre bessere Lesbarkeit ist mir erst bewusst geworden, als ich die vielen Lesbarkeitsstudien für die Signalisationsschrift Roissy machte. Von diesem Punkt an empfand ich die Endungen der Univers als zu geschlossen. Letztlich bin ich aber doch zufrieden, dass bei der OCR-B zumindest die Ziffern brauchbar sind, denn diese sind es ja, die fast ausschliesslich benutzt werden.

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OCR-B als Proportionalschrift in der Letterpress-Version (oben) und als Monospace-Schrift in der Constant-Stroke-Version für die Schreibmaschine (unten).

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Langwierige Suche nach der eindeutigen Form – die Ziffer Null (oben), das Majuskel-O (unten) im Vergleich 1963, 1965 und 1971.

Die digitale ‹Letterpress›-Version von Linotype (links) und die digitale ‹Constant-Stroke›-Version von Berthold.

Für die maschinelle Zeichenerkennung ist eine grosszügige Laufweite notwendig, Buchstaben dürfen sich nicht berühren.

EK

xylon

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Leichte Neigung der 1 im Original (links) und bei der digitalen Fassung der H. Berthold AG (rechts), nicht aber bei Linotype (Mitte).

Die Ziffer 6 zeigt in der Diagonale eine Verdickung bei der digitalen Version von Linotype (Mitte) – Original (links), Berthold (rechts).

Die digitale Version des Minuskel-c von Linotype (Mitte) ist runder als die Originalfassung von 1976 (links) und die Berthold-Version.

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Die OCR-B wird 1973 von der International Standards Organization ISO als Standard anerkannt und nachträglich aktualisiert.

1

6

c OcR - B

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Anwendungen Seit den 1960er Jahren werden maschinenlesbare Schriften für das Einlesen und Verarbeiten von Daten eingesetzt. Sie sind aufgedruckt auf Schecks, Bankbelegen und Einzahlungsscheinen der Post sowie in Kreditkarten geprägt. Immer häufiger aber werden sie durch Schreibmaschinen- und Druckschriften ersetzt, da diese genauso lesbar sind und da die Daten­erkennung oft nicht mehr über die Schrift, sondern über den Magnet­ ­streifen oder den Chip abgewickelt wird. Frutiger’s OCR-B ist auf Einzahlungsscheinen einiger Län­ ­der zu finden, so zum Beispiel auf den französischen und schwei­ze­rischen /36/, bei Letz­teren aber seit ein paar Jah­ ren meist nur noch in der Codierungszeile. Drei Codierungszeilen sind auch auf der Rück­­seite der schweizerischen Identitätskarten aufgedruckt /39/. Häufig sind zudem die Strichcode-­Nummern auf den Preis­­etiketten von Warenartikeln in der OCR-B ge­­setzt /37/. Ein ganz anderes Einsatzgebiet findet Frutiger’s Schrift bis in die 1980er Jahre in der Texterfassung. Zum Bei­spiel werden auf der IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine in OCR-B getippte Texte, so genannte Typoskripte, maschi­ nell eingelesen, anstatt dass in der Druckerei der Text ein zweites Mal, diesmal auf dem Fotosatzgerät, gesetzt werden muss. Durch Datenaustausch über Floppy-Disc verschwindet diese Anwendung aber wieder. Ihren modischen Ausdruck zeigen die OCR-A und OCR-B so­­dann in den grafischen Arbeiten der 1990er Jahre; sie werden als technoid, cool und trendy empfunden.

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Strichcode bzw. Barcode EAN-13 eines Buches mit in OCR-B gesetzter ISBN (oben) und Sorti­ mentsnummer.

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Anwendung der OCR-B auf einem französischen Einzahlungs­ schein von 1978 und einem der schweizerischen Post von 1999.

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Adrian Frutiger bei seinem Vortrag über die OCR-B am Kongress der ATypI im Unesco-Gebäude in Paris vom 10. November 1967.

Identitätskarte der Schweizerischen Eidgenossenschaft – Rückseite mit drei Codierungszeilen in der OCR-B.

N E M I SPEC

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Originales Typoskript in OCR-B – geeignet für die OCR-Daten­ erfassung, Fehler wie in der vierten Zeile erhalten Löschsymbole.



OCR - B

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Schriftenvergleich Bei den drei unten gezeigten Schriften wird der Fortschritt der OCR-Technik ersichtlich. Ist bei der OCR-A noch eine einfache maschinelle Lese­ technik einziger Form gebender Parameter, ermöglicht bei der OCR-B die differenziertere Erkennung eine den optischen Kriterien menschlicher Lesbarkeit angepasste­ re Form. Frutiger’s OCR-B ist die direkte Grundlage der OCRBczyk aus dem Jahr 1994. Sie weist ein ver­feinertes Schriftbild auf und bleibt trotzdem der Ästhetik der OCRSchrift der 1960er Jahre verpflichtet, obwohl technisch kein Zwang mehr dazu besteht; sie ist auf den Trend der Zeit ausgerichtet.8 Beide Schriften sind so genannte ‹Monospace›-Schriften, während die OCRBczyk eine proportionale Schrift ist. Dieser Vorteil macht sich besonders beim m bemerkbar, das nun nicht mehr so gestaucht ist. Der Formenunterschied zwischen OCR-A und OCR-B wird in den Rundungen deutlich. Die bei der OCR-A mehrheit­ lich in Winkel umgesetzten Bögen sind bei der OCR-B gerundet – wenn auch nicht immer harmonisch. Interes­ sant ist der Umgang mit den Tremata: In der OCR-A wer­ den die Versalien verkleinert, damit sie gemeinsam mit den Tremata wieder die Versalhöhe bilden. Bei der OCRB wird die Versalhöhe beibehalten und die länglichen Tremata sind über die Versalhöhe hinaus verschoben. Bei der OCRBczyk werden die Versalien leicht verkleinert und die Tremata ragen – diesmal horizontal rechteckig – ebenfalls über die Versalhöhe hinaus.

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Figurenverzeichnis der OCR-B , reproduziert von Reinzeichnungen der ECMA aus dem Jahr 1976.

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Die Ästhetik der Computerschriften der 1960er Jahre findet bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ihre Anhänger.

Hofstainberg OCR-A USA Bureau of Standards 1968

Hofstainberg OCR-B Adrian Frutiger 1971

Ä D W e fg m 2 0

Ä D W ef g m 20 Ä gleichbleibende Versalhöhe, vertikales Trema

Hofstainberg OCRBczyk Alexander Branczyk ( Adrian Frutiger ) 1994

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W E R K S AT Z s c h R I F T

D beinahe halbkreisartige Rundung

W gebogene äussere Diagonalen

e tief geschnittenes Bogenende

f Querstrich rechts und links mathematisch gleich

g abgeflachter Bogen

m schmale Form

20 Form offen, unterschiedliche Bogenformen

Ä D W e f g m 20

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

OCR-B Linotype 1 Schriftschnitt (+CE ) + Alternate

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

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P  ourquoitan

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fragen sich, w­ arum es notwendig ist,so viele Schriften zur Verfügung zu haben.S ie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­ falt des Menschen aus. Diese Vie lfalt ist wie beim Wein.Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Méd oc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­ faces.They all serve the same purpose but they express man’s diversity.It is the same diversity we find in wine.I once sa w a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year.Allof them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important.The same is true for typefaces.Pourquo  i tant d’Alphabets différents  !Tous servent au même but, mais aussi à ex  primer la diversité de l’homme.C’est cette même diversité que nous ret  rouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante cru  s, tous de la même année. Il s’agis sait certes de vins, mais tous étaie  nt différents.Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même nua

68 pt | – 210

50 pt | – 210

34 pt | – 210

22 pt | –190

15 pt | 19 pt | –180



nce du bouquet.Il en est de même pour les caractères  !Sie fragen sich, w­arum es not  wendig ist, so viele Schriften zur Verfü  gung zu haben.Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­ falt des Menschen au  s. Diese Viel­ falt ist wie beim Wein. Ich h  abe einmal eine Weinkarte studiert mit se  chzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleich

10 pt | 13 pt | –160

7.2 pt | 10 pt | –155

5.8 pt | 7.8 pt | –115 OCR - B

187

« Das grosse Glück in meinem Leben ist, dass ich erstens mit einem künstlerischen Gefühl für Formen und zweitens mit einer leichten Auffassungsgabe für technische Prozesse und die Mathematik gesegnet wurde.» Adrian Frutiger

Schriftherstellung

S   chreibsatz

Univers  IBM Composer Seite 190

Neben den Schreib­ma­schi­nen mit Typenhebeln gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch solche mit Typenzylindern /01/. In den 1940er Jahren kommen ers­te Schreib­setz­maschinen auf den Markt. Sie wei­ sen vier Buchstabenbreiten auf und können links­­ bündi­gen und rechtsbündigen Flattersatz erstellen sowie die ­ Zei­­len aus­­­­­­schliessen, um Blocksatz zu erzeu­gen. Der Schreib­satz kommt bevorzugt im Be­ reich des Kleinoffsetdrucks zur Anwendung für Druck­ sachen wie beispielsweise Mitteilungen, Broschüren oder Serienbriefe. Führend in diesem Bereich ist IBM. Die Firma lanciert 1966 eine weit verbesserte Schreib­setzmaschine, den IBM-Composer /03/ und das IBM -Composer-­Sys­­­­­tem /05/ mit dem 1961 entwickelten Kugelkopf /04/ als Typenträger. Das proportionale System von 9 Ein­hei­ ten bildet das Bindeglied zwischen einer herkömm­ lichen Schreibmaschine mit nur einer Zeichen­breite (Monospace-Schrift) und nur einer einzigen Schrift­ ­art und der gehobenen Qualität des Foto- sowie des maschinellen Bleisatzes mit mindestens 18 Einheiten.

Von den 9 Einheiten sind nur 7 nutzbar (von 3 bis 9 Einheiten), was im Vergleich zu den 13 (von 18) nutz­ baren Zeichenbreiten im maschinellen Blei- und Foto­satz recht wenig ist. So muss das Satzbild durch die fehlenden mikro­­typo­­gra­fi­schen Möglichkeiten Qua­li­tätsabstriche in Kauf nehmen. Eine weitere Einschränkung besteht in der geringen Varianz der Schriftgrössen. Die Composer-Schriften exis­tieren in Grössen von 6 bis 12 pt. Überschrif­ten können nur mithilfe anderer Setzverfahren oder mit einer nachträglichen Vergrösserung über eine Repro­ kamera erzeugt werden. Gegenüber einer herkömmli­ chen Schreibmaschine bieten die Ku­gel­­­­kopf­modelle jedoch grosse Vorteile; der schnelle Schriftwechsel durch Austauschen des Schreibkopfes ist ein Vorteil. Die Auswahl beschränkt sich anfänglich auf 5 Schrift­ familien, wird aber kontinuierlich ausgebaut. Der getippte Text findet auf zwei Arten Verwendung. Entweder wird er auf Lochstreifen oder Mag­netband für die Weiterverarbeitung gespeichert oder die Aus­ ­­­gabe erfolgt als lesbarer Text auf Baryt­papier oder

auf einer speziellen Folie gedruckt. Die Folie und das Barytpapier können als Reprovorlage für den Offset­ druck verwendet werden. Die Folien halten je nach Ausführung 10 000 bis 30 000 direkte Abzüge aus und dienen für Drucke ohne allzu ho­­he typo­grafi­sche An­­for­derungen. Beim Zeichnen von Composer-Schriften gilt es spe­ ziell zu beachten, dass die ursprünglich festgelegten Zeichenbreiten in jeder Schrift übernommen werden müs­sen. Folglich bleibt ein g immer 5 Einheiten breit, ganz gleich, ob es sich um die Press Roman (Times) oder um die Univers handelt. Auf diese Weise sind auch die An­­zahl Zeichen pro Einheit festgelegt, was ein spezielles Problem für die Adaption nicht lateini­ scher Schrif­ten darstellt. Im Zuge der rasanten Entwicklung und Verbreitung von Personal Com­­­­­­putern ab Mitte der 1980er Jahre verliert der Com­­­­poser an Bedeutung; 1983 wird die letzte Weiterentwicklung, die IBM Personal ­Selectric, vorgestellt.

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Der Typenzylinder der Schreib­ maschine Blickensderfer Nr. 5 von 1898 ähnelt bereits dem späteren Kugelkopf.

Die IBM Selectric von 1961 ist die erste elektrische Schreibmaschine von IBM mit einem Kugelkopf, der den Schriftwechsel ermöglicht.

Der IBM 72-Composer dient zur Herstellung von reproduzierba­rem günstigem Satz in kleinen und mittleren Schriftgraden.

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Das IBM -Magnetband-ComposerSystem ermöglicht beim Tasten von Text gleichzeitig die Speicherung der Daten auf Magnetband.

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Blick in das Schreibwerk einer Kugel­kopf-Schreibmaschine – für den Schriftwechsel sind die Kugelköpfe leicht austauschbar.



s c h R I F T h erstell u n g

189

Schriftname Univers

Auftraggeber International Business Machines IBM

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf | Herausgabe 1964 | 1966

Satztechnik Schreibsatz

Hersteller – International Business Machines IBM

Schnitte 8

iBM composer

1964 erschien ein Vertreter der europäischen Direktion von IBM bei mir und fragte mich um meine Mitarbeit an einer Schrift für eine noch geheime Maschine an. Als Erstes musste ich einen Geheimhaltungsvertrag unterzeichnen. Danach zog er ein weiteres Blatt hervor und fragte: «Kennen Sie diese Schrift?» Für mich war das leicht, es war die Times. Fritz Kern erklärte mir, dass auch die Univers für ihre neue Kugelkopf-Schreibmaschine ausgewählt worden sei. Zwei Wochen später wurde der Vertrag unterzeichnet, und man lud mich in die Fabrik nach Lexington (Kentucky) ein, in der die Schreibmaschinen hergestellt wurden. Dort angekommen, bekam ich erneut einen Geheimhaltungsvertrag vorgelegt. Stanley Morison, der vor mir in Lexington gewesen war, hatte dieses Papier nicht unterzeichnet. Wenn sie ihm nicht vertrauten, wolle er auch nichts sehen, soll er gesagt haben. Daraufhin brachten sie ihn, ohne ihm irgendetwas gezeigt zu haben, wieder zum Flugplatz. Ich hatte kein Problem mit dem Geheimhalteversprechen und unterschrieb. Danach wurde ein Kugelkopf /01/ gebracht, und eine Sekretärin tippte etwas auf einer grossen, breiten Schreibmaschine. Man reichte mir das fertige Blatt. Es war tatsächlich die Times. Statt einer typischen Monospace-Schreibmaschinenschrift eine getippte Times zu sehen, war für mich wie ein Wunder, einfach aussergewöhnlich. Im Laufe des Tages folgte eine Führung durch die Fabrik, bei der man mir alles ganz genau zeigte, auch den Kugelkopf aus vernickeltem Plastik. Ein Wunderwerk der Mechanik, dessen Fertigung sehr kompliziert war. Die Urheberrechte der Schriften waren etwas problematisch. Für die Times besassen die IBM-Leute keinerlei Rechte von Monotype, sie erschien unter dem Namen Press /02/. Bei der Bodoni hiess es, sie sei ein Nachschnitt von IBM nach dem Original von Giambattista Bodoni. Die Pyramid 1 wurde als die Egyptienne-Version der IBM vorgestellt, und die Aldine war eine Adaption der Monotype-Bembo. Nur bei der Univers /04/ wurde mein Name vermerkt. Ihre Rechte lagen bei Deberny & Peignot, und ich erinnere mich noch gut an den Tauschhandel mit René-Paul Higonnet, dem neuen Direktor. Ich wusste bereits vom IBM-Projekt, durfte aber nichts sagen. Der junge Higonnet wollte der englischen Firma Matrotype eine Lizenz der Univers geben; eine Firma, welche – wie Sofratype in Frankreich – Matrizen für Zeilensetzmaschinen herstellte. Ich nutzte die Gelegenheit und schlug ihm vor, dass ich auf die Lizenzzahlungen für die Matrotype-Univers verzichten würde, wenn er mir im Gegenzug das Recht gebe, die Univers für eine noch nicht veröffentlichte Maschine der IBM zu nutzen, und so geschah es. Meine Aufgabe war es, die Univers an die neue IBM-Composer-Technik, welche neun Einheiten hatte, anzupassen. Das ist die Hälfte der 18 Monotype-Einheiten, dachte ich als Erstes. Der Vorteil gegenüber Monotype war, dass es keine Limite in der Anzahl Buchstaben pro Einheit gab. Aber das grosse Problem bestand darin, dass jeder Buchstabe des Alphabets eine fixe Einheit zugeteilt bekam, egal um welche Schrift es sich handelte /06/. Man hatte die Times als 190

W e r K s AT Z s c h r i F T

Zusammenarbeit mit IBM Bereits vor dem Umzeichnen der Univers für den Composer findet eine erste Zusammenarbeit mit IBM statt. Als Mitglied der ECMA2 übernimmt IBM die von Adrian Frutiger ab 1963 entwickelte maschinenlesbare Schrift OCR-B auf ihre Schreibmaschinen (siehe Seite 176). Dieses Projekt wird jedoch von einer anderen Abteilung des Konzerns bearbeitet und hat keinen Einfluss auf die weiteren Vorhaben. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Schreibsetzmaschine Composer ist 1961 die Entwicklung einer elektrischen Schreibmaschine mit einem Kugelkopf anstelle der üblichen Typenhebel. Drei Jahre später erfolgt die Erweiterung mit einem Magnetband als Speichereinheit. Und 1966, nach siebenjähriger Entwicklungszeit, stellt IBM den Selectric Composer und den Magnetic Tape Selectric Composer vor. Mit diesen Schreibsetzmaschinen ist es nun möglich, Satzschriften im Flattersatz links- und rechtsbündig, zentriert und im Blocksatz zu setzen.3 Während IBM mit der Kugelkopf-Schreibmaschine auf den Bürobereich abzielt, ist der Composer auf Druckereien mit kleinformatigem Offsetdruck ausgerichtet, welche in reduzierter Qualität, dafür schnell und günstig Drucksachen erstellen wollen. Massgeblich beteiligt an der Auswahl der Schriften für den Composer ist Max Caflisch, Schweizer Typograf und Schriftexperte, in seiner Funktion als Schriftberater bei IBM World Trade in New York und Lexington (Kentucky). Aus den fünf Druckschriftenklassifikationsgruppen Renaissance-, Barock-, Klassizistische, serifenbetonte und serifenlose Antiqua wird je eine Schrift bestimmt /02/.4 Die Entscheidung für die Univers als serifenlose Schrift fällt 1964. Adrian Frutiger wird angefragt, persönlich die Umzeichnung der Univers vorzunehmen. Auch werden in seinem Atelier nichtlateinische Alphabete wie griechisch, kyrillisch /13/, arabisch, hebräisch und thailändisch, was er als besonders schwierig erachtet, auf den Kugelkopf gebracht. Frutiger erhält dafür extra einen Tag Privatunterricht in Thailändisch.5 Ihm wird zudem die Schulung der Mitarbeiter in Lexington und im französischen Werk in Orléans anvertraut. Auch hält er für die IBM-Mitarbeiter auf der ganzen Welt Vorträge zum Thema Schriftzeichnen und Schriftherstellung, Ästhetik und Proportion, Schriftund Druckgeschichte.6 Adrian Frutiger ist bis 1981 für IBM tätig, insbesondere in den USA, in Frankreich und in Deutschland.7

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Kugelköpfe aus vernickeltem Kunststoff (Durchmesser etwa 32 mm) mit verschiedenen Sprachen in Monospaceoder in Proportional-Schrift.



U n i v e r s I B M c o m p o s e r

191

Grundlage genommen, und den in klassischen Schriften getippten Texten sah man nicht an, dass sie von einer Schreibmaschine kamen, sie waren gut zugerichtet. Aber bei den Egyptienneund Groteskschriften, bei allen anderen Stilen eben, wurde es schwierig. Nehmen wir zum Beispiel das s: In der Times ist es relativ schmal, in einer Groteskschrift wie der Univers dagegen ist es breit /09/. Genau hier begannen die Schwierigkeiten. Das Univers-s hätte statt der vorgegebenen vier eigentlich fünf Einheiten bekommen müssen. Auch das g ist zu eng. Das klassische g hat eine schmale Form, das Grotesk-g hingegen eine breite, wie ein d und wie ein q. Das verkrüppelte g ist ein typisches Merkmal der Composer-Univers /03/. Umgekehrt und am schlimmsten stand es um F und T. Man sieht deutlich die grossen Lücken. Die schmale Univers wirkt viel besser als die normale, weil sie im Gesamtverhältnis einer Antiqua näher ist /04/. Für den IBM-Composer wäre eigentlich die humanistische Groteskform in der Art der Concorde von Sofratype (siehe Seite 150) besser geeignet gewesen. Aber IBM wollte ja die Univers haben, und die Concorde bestand zu dem Zeitpunkt nur in meinem und André Gürtler’s Kopf, die Qualitäten dieser Schrift habe ich erst später erkannt. Um mehr Klarheit über die Problematik der Einheiten zu bekommen, erstellte ich schliesslich aus eigenem Antrieb eine Studie zu diesem Thema. Ich verglich die klassischen Lumitypeund Monotype-Schriften miteinander /07/ und ermittelte die Durchschnittswerte für die einzelnen Buchstaben. Aufgrund dieser Zusammenstellung fixierte ich sieben verschiedene Zeichenbreiten /08/. Ich formulierte das alles schriftlich, um mir selbst Klarheit zu verschaffen, aber auch um den Fachleuten zu erklären, worum es geht. Bei IBM nahm man das zur Kenntnis, aber etwas zu ändern war unmöglich. Die ganze Maschine hätte umgebaut werden müssen. Ein weiteres Problem bestand darin, dass nicht alle Buchstaben gleich stark druckten. Die

Schriftqualität im Schreibsatz Vom Standpunk der Schreibmaschinenschrift mit einheitlicher Dickte sind die Schriften im Schreibsatz von IBM mit 9 Einheiten bzw. 7 Zeichenbreiten ein grosser Fortschritt.8 Im Vergleich zur Schriftqualität im Fotosatz von Lumitype mit 36 Einheiten und Monophoto mit immerhin noch 18 Einheiten ist es aber eine weitere massive Qualitätseinbusse. Adrian Frutiger nimmt diese Herausforderung in dem Bewusstsein an, dass er mit seiner Adaption für den IBM Composer nicht den Ansprüchen an eine ausgereifte Satzschrift gerecht werden kann. Doch der Konzern zieht in seinen Prospekten gerade den Vergleich zu den bestehenden Satzverfahren: «Auf der einen Seite: Blei- und Fotosatz mit hoher Schriftqualität und allen typografischen Möglichkeiten – doch oft unrationell, zum Beispiel im Kleinoffsetdruck. Auf der anderen Seite: Der Schreibsatz, schnell und preisgünstig herstellbar – aber mit begrenzter Schriftqualität und oft ungenügend für hohe typografische Ansprüche. Diese Situation hat sich nun grundlegend geändert. Durch eine neuartige Setzmaschine: den IBM Magnetband-Composer. Er schließt die Lücke zwischen Bleisatz und Schreibsatz. Er vereint in sich viele Vorteile dieser beiden Setzverfahren und vermeidet ihre Nachteile. Wir haben alles von der Schreibsetzmaschine übernommen, was die Bedienung vereinfacht und die Kosten senkt und alles vom Blei- und Fotosatz, was die Auswahl schöner Satzschriften und die typografischen Möglichkeiten betrifft.» 9

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Die ersten zusammen mit der Univers realisierten IBM-ComposerSchriften: Press (Times), Aldine (Bembo), Bodoni, Pyramid (v.o.n.u.).

Ein Kugelkopf enthält 88 Zeichen mit unterschiedlicher Tastaturbelegung – amerikanisch (oben), deutsch (unten).

Dicktentabelle des IBM Composers mit 9 Einheiten bzw. 7 Zeichenbreiten – in der Tabelle fehlen U V X q u x sowie alle Ziffern.

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Der normale Schnitt der Univers IBM in 10 pt (oben) und der schmale Schnitt in 11 pt (unten) weisen die gleiche Laufweite auf.

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Um in den verschiedenen Grössen bzw. Fetten ein möglichst gleichbleibendes Druckbild zu erhalten, wird die Aufschlagstärke verändert.

192

W e r K s AT Z s c h r i F T

Einem Vergleich mit dem Hand- oder Fotosatz kann der Schreibsatz in punkto Schriftqualität nicht standhalten. Das Schriftbild wirkt – gerade bei der Univers – einerseits durch Klumpen bildende, andererseits durch Löcher reissende Buchstabenkombinationen fleckig. Auch sind die Punzengrössen nicht immer stimmig zueinander, so weist das P eine deutlich kleinere Punze auf als das R, deutlich zu schmal ist auch das g, dagegen wirkt das y eher etwas zu offen /03/. Da die Dicktenwerte von der Press vorgegeben sind, ist die Wahl der Univers nicht ganz ideal, denn ihr Prinzip – wie das der statischen Schrift überhaupt – basiert auf der Angleichung der Buchstabenbreiten und nicht auf deren Unterschiedlichkeit. Besser als die Univers hätte sich demnach eine dynamische serifenlose Schrift geeignet, also eine auf der Renaissance-Antiqua basierende Schrift wie Adrian Frutiger’s 1962 entstandener Entwurf ‹Gespannte Grotesk› oder die Gill Sans von Eric Gill. Frutiger bezieht Letztere denn auch in seine Dicktenuntersuchung mit ein /07/. Ob der für die Schriftwahl des IBM Composers zuständige Max Caflisch diese ebenfalls in Betracht zieht, ist nicht bekannt. Von der Univers werden anfänglich für acht Schriftschnitte und drei Schriftgrössen insgesamt 13 Kugelköpfe hergestellt /12/, später sind es mindestens 22 mit fünf Schriftgrössen von 7 bis 12 pt.10 Bei Bedarf eines Schriftwechsels sind die neun Gramm leichten Kugelköpfe bequem und rasch austauschbar.

Federung erlaubte zwar drei verschiedene Aufschlagstärken, aber manche Buchstaben wurden zu fein /11/. Diese Buchstaben zeichneten wir etwas fetter. Ausserdem kam der Aufschlag des Kugelkopfes nicht bei allen Buchstaben an die richtige Position. Das s zum Beispiel, welches den weitesten Weg hatte, bis es auf dem Papier zum Drucken kam, war immer etwas aus der Mitte gerückt und klebte am nachfolgenden Buchstaben /04/. Ich schlug vor, Buchstaben mit dieser Problematik etwas zu versetzen innerhalb der Einheit. Da habe ich aber etwas zu hören bekommen von den Technikern. Das seien die typischen Ideen eines Künstlers, solche Sachen seien verboten. Der Fehler müsste technisch behoben werden, nicht zeichnerisch. Und da hatten sie Recht. Acht Schnitte wurden auf die Maschine genommen, die normale und die schmale Weitenversion, jeweils in light, medium, medium italic und bold /12/; die breiten und extraschmalen Schnitte gab es nicht, das wäre schlecht gegangen. Es gab bis zu vier, später fünf Grössen pro Schriftschnitt. Diese fielen ungefähr einen Punkt kleiner aus als im Handsatz. IBM engagierte mich nicht nur als Schriftzeichner. Ich hatte auch einen Beratervertrag. Bis 1981 war ich alle drei Monate für eine gute Woche in Lexington. Dazu gehörte unter anderem die Schulung der Mitarbeiter. Die IBM-Zeichner waren ja Schreibmaschinenschriftenzeichner; sie stellten hauptsächlich Schriften mit konstanter Dickte und Strichstärke her. Ich habe sie ein wenig Schriftgeschichte gelehrt, habe ihnen einiges über Druckmaschinen und Druckverfahren vermittelt, über den Hand- und Maschinensatz und die Fotosatztechnik. Vor allem aber wollte ich, dass sie wissen, wie ein Bleibuchstabe aussieht. Zwar konnte ich nicht umfassend Schriftschreiben geben, aber jeder musste doch wenigstens einmal einen Buchstaben nach den typografischen Gesetzen zeichnen. So schulte ich die Mitarbeiter in der Fabrik; dafür bekam

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Breitenvergleich von 40 Alphabeten (Lumitype und Monotype) mit Berechnung der Durchschnittswerte in Einheiten pro Geviert.

Darstellung der Durchschnittswerte aus nebenstehender Analyse mit Einteilung in 9 Einheiten – von IBM blieb dies unberücksichtigt.



U n i v e r s i B M c o M p o s e r

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Die für den Composer definierte feste Einheit pro Buchstabe macht Anpassungen in der Breite notwendig.

Nicht nur serifenlose, auch kursive Buchstaben haben gegen­­über der aufrechten Antiqua andere Breiten.

Das i des normalen Schnittes der Univers im Composer-Satz – die drei Aufschlagstärken verändern die Strichstärke markant.

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Die frühe (undatierte) Schriften­ probe für den IBM Composer zeigt neben der Press, Bodoni, Aldine und Pyramid die Univers in acht Schnitten.

194

W ER K S AT Z s c h RI F T

Schriftentwurf für den Composer 1969 entwirft Frutiger eine neue, an die Einheitenweiten des Composers angepasste Schrift /14/. Er zeichnet eine Semi-Egyptienne, was charakteristisch für eine Schreibmaschinenschrift ist. Auch bei Betrachtung der bis dahin einzigen Egyptienne-Schrift auf dem Composer, der Pyramid, ist diese Wahl verständlich. Frutiger’s Schrift ist etwas weniger kräftig als die Pyramid, auch ist sie ausgewogener und weniger fleckig. Bei der Pyramid fällt auf, dass die Aufstriche nicht feiner als die Abstriche sind, wie es eigentlich sein müsste. Dies ist beispielsweise bei A M und N sichtbar /02/ (hier zeigt sich deutlich, wie nötig Frutiger’s Unterricht für die Schriftzeichner bei IBM ist). Die Semi-Egyptienne wird sehr weit vorangetrieben, das gesamte Alphabet inklusive Ziffern, Akzent- und Sonderzeichen steht zur Verfügung. Bei der eindeutigen Verbesserung gegenüber der Pyramid ist unerklärlich, weshalb sie nicht zur Ausführung kommt. In einem undatierten Schreiben führt Emil Ruder, Direktor der Kunstgewerbeschule Basel, die Qualitäten der Schrift auf.11 Anhand dieses Schreibens ist der Arbeitsname ‹Delta› gesichert. Eine formale Verwandtschaft zum Schriftentwurf ‹Delta› (siehe Seite 36) Anfang der 1950er Jahre ist jedoch nicht gegeben. Die ‹Delta› gleicht deutlich der Egyptienne (siehe Seite 118). Einziger markanter Unterschied: Die ‹Delta› liegt als Oblique vor, ihre Formen sind geneigt im Gegensatz zur Egyptienne, welche eine echte Kursive besitzt.

ich immer zwei Tage meines Aufenthaltes zur Verfügung gestellt. Im französischen Werk der IBM in Orléans gab ich dann eine ähnliche Schulung. Die Univers ist die einzige von mir entworfene Schrift, die von IBM übernommen wurde. Zwar machte ich auch einen Vorschlag für eine moderne, halbschmale Semi-Egyptienne /14/, die auf das Breitensystem des Composers abgestimmt und einer klassischen Schrift sehr ähnlich war; es wurde sogar ein Kugelkopf gefertigt und ein Probesatz gemacht, aber sie kam nie zum Verkauf, es blieb bei dem internen Versuch. Der Herstellungsaufwand des Kugelkopfes war enorm, da die Techniker absolute Genauigkeit haben wollten. Die Reinzeichnung war 100-mal grösser als der Kugelkopf. Jede Zeichnung wurde bei IBM zusätzlich noch mit der Lupe kontrolliert. Dort habe ich gelernt, was übertriebene Qualität ist. Die Reinzeichnungen wurden zum grössten Teil in meinem Atelier gemacht. Ich stellte extra einen weiteren Mitarbeiter ein, Silvain Robin, welcher gemeinsam mit Nicole Delamarre und später auch mit Hans-Jürg Hunziker die Zeichnungen für den Composer ausführte. André Gürtler beendete die Arbeit am normalen Schnitt von der Schweiz aus, denn er unterrichtete inzwischen an der Kunstgewerbeschule in Basel Schriftgestaltung. In Zusammenarbeit mit Henry Friedlaender geschah die Adaption seiner hebräischen Schriften. Alles in allem war der Composer zu seiner Zeit eine geniale Erfindung. Er wurde aber von der rasanten technischen Entwicklung überrollt und blieb schlussendlich eine Übergangserscheinung.

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Auf die sieben Buchstabenbreiten des Composers angepasste geneigte Semi-Egyptienne in 10 pt mit dem Arbeitsnamen ‹Delta›. /13/

Figurenverzeichnis, Probesatz und Zurichtungsprobe – kyrillische Kursive mit handschriftlichen Korrekturen von Adrian Frutiger.



U n i v e r s i B M c o M p o s e r

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signete und Wortmarken

1 961 – 1964

Jacqueline Iribe Textil-Designerin F - Paris

Scripta-Pantographes Werkzeugmaschinenhersteller F - Paris / D - Düsseldorf / I - Mailand

Brancher Frères Druckfarbenhersteller F - Vélizy Entwurf nicht realisiert

Agence Information et Entreprise Public-Relations-Agentur F - Paris

Centre International de Généralisation du Mont Canisi Organisation von Symposien für Grossindustrielle Frankreich

Club Europe Industrie Vereinigung europäischer Industrieller F - Paris Entwurf nicht realisiert

Europe Industrie Vereinigung europäischer Industrieller F - Paris

Agence Arma Publicité Werbeagentur F - Paris

Association de fabricants d’encres d’imprimerie Druckfarbenherstellervereinigung F - Paris

Éditions Tallandier Buch- und Zeitschriften-Verlag sowie Buchhandlung F - Paris

Imprimerie Hofer Buchdruckerei F - Paris Gestaltung: André Gürtler

Hang Druck Buchdruckerei D - Frankfurt am Main

Druckerei Winterthur Grafisches Unternehmen CH - Winterthur Gestaltung: Bruno Pfäffli

Jean Cartier-Bresson Druckerei-Agentur F - Paris

Institut professionel de recherches et d‘études des industries graphiques Forschungsinstitut für die grafische Industrie F - Paris

Mélpomène Zeitschrift der Architekturstudenten der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts F - Paris

Dernières Nouvelles de Colmar Zeitung F - Colmar Gestaltung: Bruno Pfäffli

Cusenier liqueurs Likör- und Schnapsbrennerei Frankreich

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mills-K – Constructions tubulaires Unternehmen für Gerüstbau F - Paris

Cantador Watch Uhrenhersteller Schweiz

s i g n e T e U n d W o r T M A r K e n

Innenministerium – Nationales Aussenhandelszentrum Frankreich

Innenministerium – Gesellschaft für landwirtschaftliche Forschung Frankreich

Innenministerium – Nationales Zentrum für Kleinund Mittelbetriebe Frankreich

Compagnies Bancaires Verband von Kreditinstituten Frankreich

Henowatch Uhrenhersteller CH - Interlaken

Villeroy & Boch Artikel für Küche, Tisch und Bad D - Mettlach

Urbanisation du District de Paris Urbanisationsplanung der Region Paris F - Paris

Formus Agentur für Design F - Paris Gestaltung: Bruno Pfäffli

Electricité de France et Gaz de France Nationale Strom- und Gasgesellschaft Frankreich

Compagnie Générale de Télégraphie Sans Fil Telekommunikations-Gesellschaft F - Paris

Atelier Frutiger Typografisches Atelier F - Arcueil

American Type Founders Schriftgiesserei USA - New Jersey Gestaltung: Bruno Pfäffli

Prache – Auger – de Franclieu Buchbinderei, spezialisiert auf Spiralheftungen F - Choisy-le-Roi

Éditions du Griffon Verlag CH - Neuenburg

Prache – Auger – de Franclieu Buchbinderei, spezialisiert auf Spiralheftungen F - Choisy-le-Roi Entwurf nicht realisiert

Beaufour Pharmazeutisches Labor F - Dreux

Europe Wirtschaftszeitung F - Paris

Europrint Druckereigesellschaft F - Paris Gestaltung: André Gürtler



S i g n e t e U n d w o r T ma r k e n

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Schriftname Alphabet EDF-GDF

Auftraggeber Électricité de France

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1964 | 1967

Satztechnik Anreibesatz

Das Monogramm EDF-GDF ist allen Franzosen geläufig. Bewusst oder unbewusst bringen sie es in Verbindung mit den für sie wichtigen Energiequellen. Welche konkreten Vorstellungen rufen jedoch diese Buchstaben im Abonnenten wach, und wie ist es möglich, ihm bewusst zu machen, dass alle Einrichtungen verschiedenster Sektoren Teile eines einzigen, allen zu Diens­ ten­ stehenden Unternehmens sind, und wie ihn empfinden zu lassen, dass dieses öffentliche Unternehmen auch einen Industrie- und Handelscharakter mit einer besonders ausgeprägten Dyna­mik hat?  1 Mit dieser Problematik begann für mich Anfang der Sechzigerjahre das Projekt für den französischen Energieversorger Électricité de France EDF, Gaz de France GDF. Unter der Leitung von Jacques Veuillet entwarf ich ein Monogrammsignet /02/, dessen formale Gestaltung klar definierten Richtlinien unterlag. Unter anderem musste es sich für die dreidimen­ sionale Wiedergabe an Geschäfts- und Werkbauten eignen /03/. Es wurden auch von Anfang an aus­ge­schrie­bene Firmenbezeichnungen hergestellt, die Wortmarken ‹Électricité de France› und­ ‹Gaz de France› in einer ihr eigenen Schriftform /04/. Die differenzierte innere Struktur des riesigen Unternehmens machte sehr bald die Ausdehnung des EDF-Schriftstils auf das gesamte Alphabet nötig, um etwa geografische Bereiche eines Sektors, aber auch Funktionen eines grossen Kraftwerks zu bezeichnen. So entwickelte ich dann mit Hilfe von André Gürtler das Versalalphabet /05/, dessen einzelne Buchstaben ein­ ­heitlich auf dem Rechteck aufgebaut sind; die runden Bewegungen wurden in vertikale und horizontale zerlegt und die Ecken abgerundet. Vom Standpunkt der Lesbarkeit ist dies nicht zu befürworten. Es ging jedoch im Bereich dieses Auftrages nicht um den Leseprozess selbst, sondern in erster Linie um Architekturbeschriftung und Betitelung von Druckerzeugnissen – das geschriebene Wort wird zum monumentalen Ornament verselbständigt. Das erste EDF-Alphabet entspricht in den Proportionen einem ziemlich fetten Schnitt. Es war notwendig, im Strich selbst genügend Raum zu schaffen, um Leuchtkörper einbauen zu können. Für die Verwendung der Schrift in gedruckter Form wurde sie mit Kleinbuchstaben, Ziffern und Zeichen erweitert /05/. Für Untertitel oder Unterbezeichnungen empfand man sie aller­dings als zu fett, und so wollte EDF dann noch eine magere Version. Sie wirkt leider etwas kahl. Im Laufe der Jahre kamen dann noch schmale Buchstaben hinzu /06/. Zwischendurch machten wir auch kleinere Dinge für den Konzern, verschiedene Drucksachen, Aus­­stellungsbeschriftungen oder Schilder /09/. Natürlich gab es auch viel anzupas­sen, Gebäudebeschriftungen in ganz Frankreich /03/, die Briefschaften /04/ für jeden Standort – wir hatten einiges zu tun und arbeiteten bis Ende der Siebzigerjahre mit Veuillet zusammen. In den Achtzigerjahren wechselte EDF auf eine andere Schrift, auf etwas ‹Modernes› – EDF in einer Kursiv und auch noch in ein vertikales Rechteck gestellt /01/.2 Wie das auf den Gebäuden aussieht, mag ich mir gar nicht vorstellen. Aber wenn die eigene Arbeit abgeschlossen ist, auch zeitlich abgeschlossen, dann sollte man einen Punkt dahinter setzen. 198

Fi r m e n sch R I FT

Hersteller – Esselte Letraset Ltd.

Schnitte 2

Architektur und Schrift Eine der Vorgaben für das typografische Erscheinungsbild von EDF ist die Anpas­ sung an die Architektur.3 EDF besitzt verschie­dene Ge­­ bäu­­de­arten. Einerseits stehen monumentale, Strom pro­ ­­­­du­zie­ren­­de Kraftwerke in der Landschaft, auch werden die­ ers­­ten, riesig anmutenden Atomkraftwerke geplant, an­­dererseits gibt es die in moderner, lichtdurchfluteter Ar­chi­tek­­­tur angelegten Publikumsgebäude. Frutiger greift die bereits bestehende Buchstabenform /01/ mit abgerundeten Ecken auf und entwickelt daraus das untereinander angeordnete Monogrammsignet EDF GDF /02/.4 Appliziert an den hellen ­Publikumsgebäuden ist es ein Verweis auf die mächti­gen Kraftwerke. An den Fas­sa­den der Kraftwerke hingegen fin­­det nur das Mono­ gramm EDF Verwendung, in Kom­bination mit der Bild­ marke ­­/01/, dem in einen Kreis ge­­fass­ten Blitz. Für die Beschriftung der Publikumsgebäude steht nicht das kompakte Signet EDF-GDF im Vordergrund, sondern die zeilenbildenden Wort­­marken /03/. Ihre ausgewoge­ nen, in der Breite wenig differierenden Buch­staben ste­hen im gemeinsamen Rhythmus mit den Struk­turen der Glas­ ­einfassungen. Während der langjährigen Zusammenarbeit gibt es ver­ schiedene Stufen des Schriftausbaus. Wann genau Klein­ buchstaben, Zahlen und Ziffern, der magere und schma­le Schnitt entstehen, ist nicht zu eruieren. Die Schrift wird in Form von Anreibebögen zur Verfügung gestellt, mit welchen Druckvorlagen für Prospekte, Briefköpfe und Ähnliches hergestellt werden. Für Men­gentext wird die Univers von Deberny & Peignot festgelegt.5 Auftraggeber des Projektes ist EDF, beteiligt ist jedoch auch das eigenständige Unternehmen Gaz de France GDF. Auf Ebene der Generaldirektionen und Pub­li­kumsräum­ lich­kei­ten treten sie gemeinsam auf,in den Detaildienstleis­ tungen und Produkten getrennt. Obwohl bei EDF der Wille zu einem kohärenten Erschei­ nungsbild vorhanden ist, gibt es einige Differenzen. Das G besitzt manchmal einen Mittelstrich, es kommen sogar an ein- und demsel­ben Gebäude unterschiedliche G-For­ ­­­men vor /03/. Auch das R in den Wortmarken ist an einem Gebäude mit dia­go­nalem Spielbein umgesetzt. Es wer­ den ver­breiterte Vari­anten hergestellt oder das A schma­ ler gemacht /03/, auch die Spationierung ist nicht immer gleich. Trotzdem: EDF, ein Unter­neh­men mit Monopol­ stellung, ist in Frankreich wegweisend im Bemühen um einen einheitlichen Auftritt.

/01/

Signet-Entwicklungsstufen des 1946 gegründeten Staatskonzerns Électricité de France – 1958, 1967, 1987, 2005 (v. l.n.r.).

/02/

Das Monogrammsignet mit weissen Buchstaben auf blauem Hintergrund wird als Leuchttafel an den Fassaden eingesetzt.

/03/

/04/

Bei den Fassadenbeschriftungen variieren A F G R in der Form und unterscheiden sich teilweise stark von Frutiger’s Schrift.

Brief bogen Électricité de France –  Gaz de France, gesetzt in der Alphabet EDF-GDF und kombiniert mit der Univers.



A l p h a b e t E D F - G D F

199

/05/

Alphabet EDF-GDF gras und maigre – der fette Schnitt enthält zusätzlich die Bildmarke von Giulio Confalonieri.

/06/

/07/

Schmale Variante der Wortmarke in normaler Strichstärke – ein vollständiges Alphabet ist nicht auffindbar.

Wortmarke ‹information› – realisiert aus einer Art geneigten Version des mageren Schnittes der Alphabet EDF-GDF.

/08/

/09/

EDF-GDF dokumentiert den neuen Firmenauftritt – die Architektur, die Innen- und Schriftgestaltung – in einem Buch von 1968.

Hinweisschild – die Informationen werden in die Aluminiumtafel eingraviert und danach schwarz eingefärbt.

/10/

Tischsteller aus Plexiglas mit dem fetten Schnitt der Alphabet EDF-GDF und dem Monogramm­ signet im Kreis.

200

Fi r m e n sch R I FT

« Ich bin der Backsteinbrenner, ich bin nicht der Architekt. Ich mache nur die guten Backsteine, mit denen die Grafiker bauen.» Adrian Frutiger

Schriftentwurf

Katalog  1965

/01/

Schriftentwurf ‹Katalog› mit horizon­talem Bogenabschluss beim a und Halb­serifen bei f j r (oben), mit Tropfen­form bei a f j r (unten ).

/02/

Aus zehn Buchstaben zusammen­ gestellter Klebsatz in vier Schnitten von 1965 – die Serifen der Oblique sind deutlich asymmetrisch. /03/

Varianten des kursiven Minuskel-n zwischen 1965 und 1969 mit Änderungen beim Winkel, bei den Serifen und in der Form allgemein.

202

s c h R I F T e n t w U rf

Entwurf einer kräftigen Zeitungsschrift Die einheitliche Laufweite aller ­Schnitte im Klebsatz von 1965 /02/ verweist auf den vorgesehenen Gebrauch im Zeilenguss. Möglich wäre daher ein Be­­­­­zug zu Sofratype, doch mit der­ ­Opéra (siehe Seite 130) ist dort bereits eine Zeitungsschrift vorhanden. Frutiger’s Entwurf bietet zwei Jahre später Anlass für ein Gespräch mit der D. Stempel AG, eine Notiz vom 18. 12. 1967 hält die wichtigsten Aussagen von Walter Greisner und Erich Schulz-Anker zum ‹Cheltenham›-Projekt fest.1 Interesse wird bekundet an kurzen Ober- und Unterlängen, an einem Maximum an Zeichen pro Zeile sowie an einer echten Kursive. Eine Anregung, wel­che Frutiger aufnimmt, wie ein weiterer Klebsatz mit in­­te­grier­­­ter Oblique und Italic dokumentiert /05/. 1968 liegt das vollständige Alphabet des nun ‹Katalog› ge­ nann­­­ten Schriftentwurfs vor.2 Anders als beim Entwurf von 1965 sind a f j r mit Tropfenform /01/ gestaltet. Im Schreiben vom 23. 1. 1969 /08/ bezieht Schulz-Anker, der­ künst­leri­sche Leiter der D. Stempel AG, kritisch Stel­lung 3 zum Ende 1968 erstellten Probesatz /06/.4 Vermutlich wird das Pro­jekt nachfolgend gestoppt – viel­leicht auch, weil sich bei Lino­type bereits zwei Zeitungs­schrif­ten in Entstehung befinden: Matthew Carter’s Olympian von 1970 und Arthur Ritzel’s Rotation von 1971 /09/.5 Weitere Versionen der ‹Katalog› zeigen die Probesätze ‹une pom­me du monde› /07/. Alle vier Entwürfe mit diesem Wortlaut (siehe auch Seite 156 / 157) sind mit ‹Konzept 1969› betitelt – realisiert wird nichts davon.6

Ohne Auftrag ging ich daran, eine kräftige, gut lesbare Schrift für die Tagespresse zu gestalten. Sie sollte formal ähnlich wie die Cheltenham /09/ werden.7 Diese beständige, wertvolle Schrift ist weder eine reine Antiqua noch eine Egyptienne – sie liegt dazwischen. In den USA wurde sie viel gebraucht. Mit ihrem klaren Schriftbild und der schmalen Laufweite weist sie gute Quali­täten für den Zeitungssatz auf. Aber die Cheltenham enthält ein paar skurrile Formen wie das gemeine g, sie hinterlässt daher den Eindruck einer altmodischen Schrift. Das Projekt wurde mit Walter H. Cunz, dem Mitinhaber der D. Stempel AG, besprochen. Er liess es aber bald fallen, da er fand, es sei kein guter Erfolg zu erwarten. Die ­Partnerfirma Lino­ ­­­­type sah den Nutzen wohl nicht. Eine neue Zeitungsschrift musste wirklich gut sein, denn die tägliche Akzeptanz der Leserschaft galt es zu erlangen. Vielleicht war der Ausgangspunkt mit der amerikanischen Cheltenham falsch gewählt. Ich hätte einen breiteren Duktus erzielen müs­ ­­­­sen, auch wenn meine Schrift schmäler sein sollte als die jahrelange Nummer eins der Zeitungs­ schriften bei Linotype, die Excelsior /09/. Eine schmale Zeitungsschrift war etwas Neues.8 Wenn ich den Klebsatz /06/ nun anschaue, ist es kein grosser Wurf. Er ist anständig, aber nicht aussergewöhnlich. Die Grundstrichfette ist 10 Prozent zu stark und die kurzen Serifen sind plump. Der ganze Versuch ‹atmet› nicht richtig, es ist kein Leben drin. Die kleinen Ver­ salien jedoch sind interessant. Man hätte daran weiterarbeiten, den Entwurf verbessern müssen.­ Die Frage ist, warum war es mir nicht möglich, eine stimmige Schrift zu gestalten? Es gelang mir nicht, alle Fak­­toren einer guten Zeitungsschrift zusammenzubringen: richtige ­Strichstärke, atmendes Schriftbild, offene Punzen, enge Laufweite. Vielleicht war der ganze Geist der Zei­ tungsschrift nicht mein Weg. Bei den Groteskschriften konnte ich aus dem Vollen schöpfen, bei den Antiquaschriften erst später bei der Iridium und Linotype Centennial.

/05/

Klebsatz etwa 1968 mit integrierter Oblique und Italic – das a der Regular hat Tropfenform, in der Oblique ist es horizontal.

/07/

Version von 1969 mit sehr kräftigen kurzen und mit etwas feineren längeren Serifen – statisches e im Gegensatz zur ‹Serifen-Grotesk›. /04/

Reproduktion auf Filmmaterial – der Bogen­verlauf und die Serifenübergänge sind mit Tusche nachträglich korrigiert.

/06/

Vergleich von Frutiger’s Zeitungs­ schrift mit Excelsior, Melior und Candida (v.o.n.u.) – 1968 im Zeilensatz gesetzt.



k ata lo g

203

/08/

Brief von Erich Schulz-Anker, künstlerischer Leiter der D. Stempel AG, mit Kommentar zu Frutiger’s Entwurf und Schriftschaffen.

Cheltenham, 1896 – Bertram G. Goodhue Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Melior, 1952 – Hermann Zapf Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Century Expanded, 1900 – Morris F. Benton Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Gazette ( Imperial ), 1957 – Edwin W. Shaar Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Century Schoolbook, 1917 – Morris F. Benton Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Concorde, 1968 – Günter Gerhard Lange Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Ionic No. 5, 1925 – Mergenthaler Linotype Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Schriftentwurf ‹Katalog›, 1969 – Adrian Frutiger

Excelsior, 1931 – Chauncey H. Griffith Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Olympian, 1970 – Matthew Carter Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Times New Roman, 1932 – Stanley Morison Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Rotation, 1971 – Arthur Ritzel Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Corona, 1941 – Chauncey H. Griffith Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

Times Europa, 1974 – Walter Tracy Hand in Hand auf ihrem Spezialgebiet ständig über neue Hilfsmittel und Arbeitsmethoden auf dem laufenden halten und von den eigenen Unternehmungen entsprechende Vorschläge

204

s c h R I F T e n t w U rf

/09/

Vergleich von Zeitungsschriften – neben Frutiger’s Entwurf entsteht beinahe gleichzeitig die bei der D. Stempel AG realisierte Rotation.

/10/

Zeichnung des a der ‹Katalog› mit Massangaben und Korrekturen – Tusche, Deckweiss und Bleistift auf satiniertem Papier, Originalgrösse.



k ata lo g

205

Schriftname Dev-nagari, New-nagari, Tamil Linear

Auftraggeber National Institute of Design, Indien

Gestalter Adrian Frutiger Mahendra Patel

दे वनागरी ·

DEVANAGARI

Entwurf  | Herausgabe 1967–72 | 1967–72 | 1973 Probeguss 1970–72 |

Satztechnik Maschinensatz Letternguss

W E R K S AT Z s c h R I F T

Schnitte – 1 –

TAMIL

Auslöser meiner Tätigkeit in Indien war Armin Hofmann, Lehrer an der Kunstgewerbe­schule in Basel. Er unterrichtete 1965 für sechs Monate am National Institute of Design NID1 in Ahme­ dabad.2 Die Studenten sollten Grundkenntnisse über westliches Design bekommen mit dem Ziel, diese für die indische Kultur nutzbar zu machen, damit auf diese Weise die indische Gestaltung zu neuer Entfaltung finden konnte. Hofmann stellte fest, dass die indischen Druck­ schriften, die so schöne kalligrafische Vorbilder haben, in einem schlechten Zustand waren. Er sagte, es brauche einen Fachmann, der versucht, die indische Schrift im Sinne der Entwick­ lung der europäischen Druckschriften zu erneuern. Mit diesem Problem wandte er sich an Gira Sarabhai, die Mitbegründerin des NID und Leiterin der Abteilung Design, und schlug vor, mich ebenfalls an die Schule zu holen. Auch Armin Hofmann selbst kam durch sie ans NID. Ihre Familie hatte in Ahmedabad ein Chemie-Unternehmen aufgebaut, welches Partner in der gan­­zen Welt hatte. So war Gira oft bei Geigy in Basel. Hier fielen ihr die schön gesetzten Firmen­ drucksachen auf. So eine Qualität wollte sie auch in der indischen Grafik haben. Bei meinem ersten, dreitägigen Besuch am NID (auf dem Rückweg von Japan – dort fand die vorerst letzte Sitzung zur Fertigstellung der OCR-B statt) hielt ich 1965 spontan einen Vor­ trag über die europäische Schriftentwicklung. Zwei Jahre später, im Februar 1967, kam ich für fünf ­Wo­­chen nach Ahmedabad. Einen Vortrag und ein Seminar sollte ich geben und versuchen, aus der alten Schrift etwas heute Brauchbares zu machen. Dreissig Schüler kamen zu meinem Vortrag. Einer ausgewählten Gruppe brachte ich im Seminar dann bei, mit der Breitfeder zu schrei­­ben, und machte kalligrafische Übungen mit ihnen. Mahendra Patel und Vikas ­Satwalekar waren meine zwei besten Schüler. Beide sind später als Lehrer an das NID zurückgekehrt und hatten verschiedene leitende Positionen inne. Mahendra hat in Ahmedabad ein Atelier für Schrift­zeichnen. Er war ein besonders begabter und fleissiger Schüler. Indien hat dreizehn Schriftkulturen /05/.3 Die bedeutendste ist die Deva­n∂gar∑ /11/, die hei­ li­ge Schrift der Götter, welche vor allem in Nordindien verbreitet ist. Sie wird für das Sanskrit verwendet. Ihr Grundprinzip ist der gerade, horizontale Strich über jedem Buchstaben. Sehr intelligent, denn so sieht man auf den ersten Blick, wo ein Wort aufhört und das nächste be­ ginnt.4 Was ich probierte, war eine formale Vereinfachung im Sinne der Formen der Univers. Während ich dies machte, spürte ich schon, dass etwas falsch war, aber ich wusste nicht was und konnte auch vorläufig nichts daran ändern. Dann kam die Idee, zuerst mit dem Calam 5 eine klassische Schrift zu schreiben, eine Art federgerechte Antiquaform /13/. Das musste ich erst lernen, Mahendra und Vikas waren hier meine Lehrer. Die Federstellung ist anders als bei uns. Beim Schreiben der Deva­na¯garı¯ ist der Handrücken weniger nach hinten abgeknickt als beim Schreiben der latei­nischen Schrift. Dadurch weist der Schriftwinkel eine um 90 ° ­gedrehte Richtung auf. Dies führt bei den Geraden zu den nach rechts absteigenden Diagonalen und bei den Rundungen zu den lichten Stellen unten links und oben rechts /13/. Beim lateinischen 206

Hersteller – Monotype

Schriften indischer Kulturräume Adrian Frutiger be­schreibt seine Erkenntnisse bei dem Versuch, als Euro­ päer indische Schriften zu erneuern, und die Fragen, die sich ihm dabei stellen, in seinem Buch ‹Type Sign Sym­ bol›: «Den Prozess der technischen Entwicklung in der westlichen Welt hat auch die Schrift durchgemacht. In den Entwicklungsländern stehen wir heute vor dem Pro­ blem, Schriften so zu adap­tieren, dass sie Schritt halten können mit den Kommunikationsmitteln des Westens. Im Auftrag des National Institute of Design in Ahmeda­ bad, Indien, sollte ich die typografischen Grundlagen der Devanagari (die Schrift der alten Sanskrit-Sprache, heute die offizielle Schrift Indiens) mit dem Ziel unter­ suchen, sie den modernen Satz- und Vervielfältigungs­ techniken besser zugänglich zu machen. – Darf die heili­ ge Schrift der Inder modernisiert werden? – Die Kultur Indiens beruht noch weitgehend auf mündlicher Über­ lieferung. […] Die schriftliche Ausdrucksweise ist weder für den Unterricht noch für die Information des Volkes jemals als unerlässlich erachtet worden. Wir wissen, wie äusserst wichtig das geschriebene Wort und das Gebet als sakramentale Aus­drucksweise in allen orientalischen Religionen sind. Aus diesem Grunde ist die Schrift ein Privileg der Gelehrten und Weisen geblieben. Es ist des­ halb verständlich, weshalb in Indien die Schrift in ihrer ur­­­alten kalligrafischen Form erstarrt und heute noch in un­­zählige regionale Abwandlungen aufgespalten ist. Die­ ­ser Zustand könnte fast mit unserer Epoche vor Karl dem Grossen verglichen werden, als jedes europäische Land seine individuelle Schrift in komplexem, ornamentalem Stil pflegte. Aber bis heute hat sich noch keine ‹indische karolingische Minuskel› entwickelt, die den Anstoss zu einer Synthese des Ausdrucks gegeben hätte. Anderer­ seits haben die neuen Drucktechniken, die bei uns die kalligrafischen Originalformen unserer Schriften zuge­ schnitten […] haben, bis heute überhaupt keinen aktiven Einfluss auf die Form der indischen Buchstaben ausge­ übt. […] Heute aber erfordert die indische Typografie ein neues Gesicht, ebensosehr wie Indien ein neues Strassennetz und eine mechanisierte Landwirtschaft benötigt. Aber ist es möglich, hier künstlich zu erreichen, was bei uns 500 Jahre Stempelschnitt, Matrizenschlag-, Giess- und Druck­­technik aus unserem ursprünglichen Alphabet gemacht haben?» 6

/01/

Überarbeitetes und vereinfachtes Schriftzeichen – der mit dem Calam geschriebene Buch­stabe ka erhält eine symmetrische Form.

/02/

Versuch zur Erneuerung der Devan∂gar∑ – durch die lineare Strichführung erhält die Schrift einen zeitgemässen Ausdruck.

/03/

In Bezug zur Schrift gebracht – historische Ruine in Zentralindien (oben), moderne Architektur von Louis Kahn in Ahmedabad (unten).



D e v an a ga r i / Ta mi l

207

Alphabet ist es umgekehrt. Sie liessen mich ein paar Tage Übungen machen /13/, kritisierten, verbesserten und erklärten. Eine reiche Erfahrung. Aus diesen Schriftversuchen probierte ich dann, eine Grotesk abzuleiten. Ich tat, was ich konnte, aber mein Gefühl sagte mir, dass etwas nicht stimmte, doch ich sagte nichts. Das Univers-Prinzip begeisterte die Leute am Institut natürlich. Mein Entwurf wurde einer Begutachtung von höchster Stelle unterzogen. Gira meldete meinen Besuch an der Uni­ versität in Benares 7 an, wo eine Kommission aus einflussreichen Würdenträgern den Entwurf prüfen sollte. Ohne Absegnung von Benares habe es keinen Wert, weiter zu machen, erklärte mir Gira. Also bereitete ich mit Mahendra einen Schriftmuster­Vergleich vor: Auf der einen Seite die normale Textschrift in der Zeitung und auf der anderen unser Versuch einer linearen Schrift in 8 pt. Im Kreis der Weisen verteilte ich meine Abzüge und erklärte die Vorgehensweise. Die Weisen nahmen die Muster unter die Lupe und verglichen sie. Nach längerer Besprechung kam die Präsidentin auf mich zu, schüttelte meine Hand und sagte: «It’s allright.» Mir fiel na­ türlich ein Stein vom Herzen. In der restlichen Zeit meines Aufenthaltes entwarfen wir die Schemata der Breiten und Fetten /17/. Ich gab, was ich konnte, doch als die fünf Wochen um waren, machten wir die Fest­ stellung, dass es nicht an mir liegen könne, die indische Schrift zu erneuern, sondern an einem Inder. Deshalb fragte ich Gira, ob Mahendra zu mir nach Paris kommen und die Arbeit daran dort weiterführen könnte. Während vier Wochen erarbeitete er dann 1968 bei mir im Atelier die konzeptionelle Anlage der Schrift. Dies geschah während seiner Ferienzeit, denn eigentlich kam er nach Basel, um dort zu lernen, wie man Schriftgestaltung und Typografie unterrichtet, da er in Ahmedabad Unterricht geben sollte. Zweieinhalb Jahre später kehrte er für 13 Monate

Indo-europäische Schrift Die indischen und die euro­ päischen Schriften besitzen eine gemeinsame Wurzel, welche in der phönizischen Schrift zu finden ist /06/. Auf 22 Konsonantenzeichen beruhend, ist sie eine der frühes­ ten alphabetischen Schriften. Erstmals ab dem 9. Jahr­ hundert v. Chr. im Raum der Ostküste des Mittelmeeres, der Levante, nachgewiesen, hat sie ihre Blütezeit vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. Im Zuge des aufkommenden Islam wird die phönizische Schrift vom Arabischen verdrängt. Aus dem phönizischen entsteht das aramäische Alpha­ bet /06/, welches sich im Osten bis nach Indien ausbrei­ tet. Es wird davon ausgegangen, dass die Grundlage der Br∂hm∑­Schrift aus dem aramäischen Alphabet hervor­ geht /06/.8 Von der Br∂hm∑­Schrift können alle indischen Schriften abgeleitet werden. So auch die Devan∂gar∑­ Schrift, in welcher das Sanskrit, die heilige Sprache der Hindus, geschrieben wird. Deva bedeutet Gott, N∂gar∑ bedeutet Stadt; Sitz der Götter ist die Stadt Benares, heute Varanasi, eine der heiligsten Stätten des Hinduis­ mus und Zentrum traditioneller hinduistischer Kultur und Wissenschaft. Aus dem phönizischen Alphabet entwickelt sich neben den indischen Schriften auch die hebräische, arabische sowie die griechische Schrift, allerdings führen die Grie­ chen zusätzliche Vokalzeichen ein. Von den Etruskern übernommen und den Römern weitergegeben führt sie damit zu unserem heutigen lateinischen Alphabet.

/04/

/05/

Geografisches Verbreitungsgebiet der elf wichtigsten Schriften des heutigen Indiens anhand des Buchstabens ka.

Von 22 in der Verfassung verankerten Sprachen befinden sich 13 in 11 verschiedenen Schriften auf den indischen Banknoten.

K ASHMIRI

GURMUKHI

Delhi A S A M I YA

Varanasi

Ahmedabad G U J A R AT I

D E VA N A G A R I

BENGALI

Calcutta

Mumbai O R I YA TELUGU

K ANNA DA

Chennai TA M I L

M A L AYA L A M

/07/

Speziell von Grafikern gezeichnete lineare Akzidenzschriften, passend zu den Abbildungen – Zeitungsinserat von 1967.

/06/

Vorläufer der Devan∂gar∑-Schrift – Phönizisch, 9. Jh. v. Chr. (oben), Aramäisch, 5. Jh. v. Chr. (Mitte) und Br∂hm∑, 3. Jh. v. Chr. (unten).

208

W E R K S AT Z S c h R I F T

Die indischen Schriften Die verschiedenen Regionen Indiens haben ihre eigene Sprache und in der Regel auch ihre eigene Schrift. In der Verfassung sind heute 22 Sprachen verankert 9, aber keine Schrift – und auf den Geldscheinen werden 13 Sprachen in 11 verschie­ denen Schriften abgebildet /05/. Bei der Schriftentwicklung der indischen Schriften haben sich, ausgehend von der Br∂hm∑­Schrift /06/, verschiede­ ne formale Richtungen herausgebildet, welche abhängig vom Beschreibstoff sind. Die Schriften des Nordens, Deva­ n∂gar∑, Bengali, Gurmukh∑ und Assami, welche den indo­ arischen Sprachkreis (Teil der indoeuropäischen Sprach­ familie) vertreten, werden in Baumrinde geritzt. Es bilden sich eckige Formen heraus. Die Schriften des Südens, Telugu, Tamil, Malay∂lam ˙ , Kannada und Oriy∂, die dravi­ ˙ dischen Sprachen vertretend, werden in Palmblätter ge­ ritzt. Ihre Formen fallen gerundet aus, weil das Ritzen in Palmblätter beim Ziehen der horizontalen Striche zur Spaltung der Blätter führen würde. Gut zu sehen ist die gemeinsame Grundform der indi­ schen Schriften am Zeichen क /04/. Die Basis des Zei­ chens besteht bei fast allen Schriften aus einer geschlos­ senen Rundung links, einer offenen Rundung rechts und einem Querbalken, der in den südlicheren Schriften eben­ falls in einer Rundung umgesetzt ist. Die indischen Schriften werden – wie die europäischen, aber entgegen den phönizischen und aramäischen Vor­ läufern – von links nach rechts geschrieben.

nochmals zu mir zurück, um die Devanagari fertigzustellen und an das 18­Einheiten­System der Monotype anzupassen. Mahendra musste die Schrift ganz durchzeichnen /21/, wir disku­ tierten viel über jedes einzelne Zeichen – eine gute Arbeit zum Abschluss unserer Studien über die Devan∂gar∑. Ein Probeguss von der Univers-basierenden Devanagari erschien 1973 bei Monotype in 12 und 24 pt. Die Firma hatte sich die Rechte gesichert und gehofft, der indische Markt könnte die Schrift brauchen. Für die Probeabzüge bekam sie die Bezeichnung ‹Monotype Devanagari Univers Medium, Serie 731› /23/. Im Grunde ein ehrlicher Name, aber gleichwohl Stumpfsinn. Eine griechische oder kyrillische Univers kann es geben, aber keine Devanagari Univers – und auch keine ‹Univagari›, wie die Gegner sie nannten. Monotype hat die Schrift dann nie in den Verkauf gebracht; die Kaufleute fanden, es sei noch zu früh, und so blieb es bei dem Probeguss. Die Schrift wurde gar nicht vermarktet. Insgesamt zweimal war ich am NID. Meine wesentliche Aufgabe bestand darin, die west­ liche Erfahrung von 500 Jahren Satz­ und Drucktechnik zu übermitteln. Doch ich hatte Zwei­ fel. Konnte man in Indien erreichen, was bei uns in fünfhundert Jahren langsam gewachsen ist? Nach reiflicher Überlegung des kulturellen Aspekts notierte ich in meinem ‹Brief aus Indien›: «1. Die Schriften haben noch keine echten Normen verankerter Formen; alles ist noch in Bewegung; immer noch gibt es Studienkommissionen, die beauftragt sind, die Alphabete festzusetzen, die Zahl der Zeichen, der Ligaturen, der Akzente zu verringern und die Grundrisse der Buchstaben festzulegen. – 2. Das Sanskrit ist zum Teil aus den gleichen Quellen hervorge­ gangen wie das Griechische, aus dem unser lateinisches Alphabet hervorgegangen ist. – 3. Die Kalligraphie der Feder folgt sowohl beim Sanskrit wie bei den abendländischen Schriften den

/08/

/11/

Phonetische Einteilung der Devanagari in fünf verschiedene Lautgruppen (1 – 5) und drei Zusatzgruppen (6 – 8).

Schriftmusterblatt der Monotype Devanagari von 1959 – die Formen unterscheiden sich teilweise deutlich von Frutiger’s Version.

/09/

Grundform des Buchstabens क mit verschiedenen Zusatzformen und Kombinationen in der Monotype Devanagari gesetzt.

कक़������ का िक की क � क � � � क� क:� /10/

Indische Ziffern (Devan∂gar∑) und arabische Ziffern von heute, europäische Ziffern des Mittelalters und heute (v.o.n.u.).

१२३४ ५६७८९०

١ ٢ ٣ ٤ ٥ ٦ ٧ ٨ ٩ ٠

1 2 3 4 5 6 7 8 9 0

D E V A N A G A R I / TA M I L

209

Die Arbeit an der neuen Devana¯gar¯ı Adrian Frutiger nimmt eine Reduktion des kalligrafischen Duktus vor. Die gesamte Anlage der Zeichen wird stärker ans Hori­ zontal­vertikal­Prinzip angelehnt,diagonale Bewegungen werden wo möglich vermieden, und Organisches wird quasi typografisch kanalisiert /16/.Auch Formänderungen zeigen sich bei Frutiger’s Devanagari. So lässt er beispiels­ weise in einer kalligrafischen Studie das asymmetrische Band beim क zur symmetrischen Form werden /13/. In einem nächsten Schritt erfolgt die zeichnerische Um­ setzung der Zeichen /14/. Wie es bei den Bleisatzschriften aus technischen Gründen üblich ist, wird der schräge Strichansatz der Rohrfeder in den Horizontalstrichen auf­ gehoben. Mahendra Patel bezeichnet diese Schrift mit Strichkontrast als ‹Dev­nagari im klassischen Stil›. Rein­ gezeichnet werden die Schnitte medium und bold.10 In einem dritten Schritt reduziert Frutiger den Strichkont­ rast /15/. Ähnlich der Univers entsteht ein Schema mit einem Probewort in fünf nummerierten Fetten und vier Breiten, selbst Zierschriften sind enthalten /17/. Von der ‹New­nagari im linearen Stil› zeichnet Patel die Schnitte medium, bold und bold condensed /22/. Etwas über ein Jahr arbeitet er im Atelier Frutiger an den Reinzeichnun­ gen /21/, welche in 20 cm Grösse mit Tusche und Deck­ weiss auf Karton ausgeführt sind.11 Vom normalen Schnitt fertigt Monotype 1973 Probematrizen der Devanagari Univers in 12 und 24 pt /23/ an. Je Schnitt sind es rund 180 Zeichen mit allen Ligaturen und Akzentzeichen.

/12/

Asymmetrische Form des क in der Monotype Devanagari – typisch für eine Druckschrift ist der rechtwinklig geschnittene Querstrich.

/13/

Kalligrafische Studie von Adrian Frutiger – das üblicherweise asymmetrische Band des क nimmt eine symmetrische Form an.

/14/

/15/

‹Dev-nagari im klassischen Stil› – die Schrift wirkt typografischer als bei anderen Devanagari-Druckschriften üblich.

‹New-nagari im linearen Stil› – der Strichkontrast ist deutlich reduziert, die Bogenformen zeigen Ähnlichkeiten zur Univers.

/16/

/17/

Von der traditionellen, geschriebenen zur vereinfachten, gezeichneten Form, welche leichter in den Fetten und Breiten veränderbar ist.

Schema der ‹New-nagari› mit fünf Fetten- und vier Breitenabstufungen sowie umstochenen, filetierten, kursiven und schattierten Versionen.

/18/

Silbenzeichen nach formaler Ähnlichkeit aufgelistet – unterhalb des Striches die ‹Dev­nagari›, oberhalb die ‹New­nagari›.

210

W E R K S AT Z S c h R I F T

/19/

/22/

Satzmuster der ‹Dev-nagari› medium und bold im klassischen Stil mit vereinfachten Formen und Strichkontrast.

Satzmuster der ‹New-nagari› medium, bold und bold condensed mit reduziertem Strichkontrast ähnlich einer serifenlosen Antiqua.

/23/

Figurenverzeichnis der Probematrizen zur Devanagari Univers medium in 24 pt von 1973 – ebenfalls in 12 pt angefertigt.

/20/

Bleisatz der Devanagari Univers in 24 pt von Monotype – der überhängende Buchstabe wird bei Akzentzeichen benötigt.

/21/

Der Inder Mahendra Patel, 1971 im Atelier Frutiger in Arcueil – an der Wand Reinzeichnungen mit Variationen der Devanagari Univers.



D E V A N A G A R I / TA M I L

211

nämlichen Regeln und stellt Abstrich und Aufstrich, Gerade und Rundungen einander gegen­ über. – 4. Die Gesetze der Leserlichkeit und der ästhetischen Qualität des Alphabets bleiben die selben: Werte und Form der Innenräume müssen genau im Verhältnis stehen zum Schwarz der empfindlichen Striche, die sie umgeben.»12 Das zweite Projekt, welches Mahendra mit mir zusammen in Paris erarbeitete, war die Tamil /27/, welche im Süden Indiens gebräuchlich ist. Die Tamil­Schrift wurde ursprünglich auf Palmblätter geschrieben /24/. Sie hat runde Formen, weil eckige Schriftzüge die Blätter gespaltet hätten. Mahendra zeichnete die Schrift nach der Vergrösserung eines solchen Palm­ blattes /25/. Wir machten vorher eine Studie, wie man aus einer Palmschrift eine feine Skelett­ schrift zeichnet und sie dann verdickt, ohne ihren Stil zu verändern /28/. Die Überläufe sind also feiner als die dicken Abstriche. Auch hier gab ich lediglich eine Anleitung. Die Ausführung übernahm Mahendra, er passte sie wie schon die Devanagari an das Monotype­Einheiten­ system an. Als seine Zeit in meinem Atelier vorbei war, ging er zurück nach Indien, um dort zu unterrichten und um seine eigenen Schriften zu entwickeln. Immer zeichnete er zuerst Vor­ lagen mit dem Calam im klassischen Stil, so, wie wir es einst besprochen hatten; dann machte er sie fetter und entwickelte daraus eine Art Sans Serif. Meine Tätigkeit am Institut und die Zeit zusammen mit Mahendra waren Beihilfe, Bera­ tung, Anleitung. Es wurde behauptet, ich hätte eine neue indische Schrift entworfen und sie sei ausgeführt worden – das ist falsch! Ich habe erste Versuche zu einer Erneuerung gemacht und bin dann ein Berater gewesen, der den Ausgangspunkt geschaffen hat, von dem aus meine indischen Berufsfreunde selbst weiterarbeiten konnten. Ich bin glücklich, dass ich in dieser Zusammenarbeit einiges erreicht habe. Das ist alles.

Eine lineare Tamil-Schrift Adrian Frutiger schreibt 1980: «Als nächsten Schriftenkreis gingen Mahendra Patel und ich den südindischen an. Er ist grundlegend anders struk­ turiert als derjenige des Nordens. Die Alphabete sind zwar phonetisch gleich aufgebaut; auch findet man Ana­ logien der Buchstabenformen. Der wesentliche Unter­ schied zwischen Nord und Süd liegt jedoch im verwen­ deten Material. Im Norden wird mit einer Hohlfeder auf Papier geschrieben, im Süden ist noch heute das ge­ trocknete Palmblatt […] in Gebrauch. […] Aus diesem Grund sind die Schriften im südlichen Indien viel runder und zusammenhängender als diejenigen im Norden. Die Strichführung ist absolut fadenförmig. Man beachte die wenigen, aber sehr langgezogenen Horizontalen, welche dadurch entstehen, dass sie in der Faserrichtung des Blattes liegen und deshalb schwer zu erkennen sind. Das Schriftstück wird gelesen, indem man schwarzen Staub darauf streut. Dieser bleibt in den geritzten Vertiefungen zurück und macht die Schrift sichtbar. – Als Grundstudie wurden die Schriftzeichen in Skelettform einheitlich ge­ staltet. Die Linienbewegungen wurden in einen einheit­ lichen Duktus gebracht, die Innen­ und Zwischenräume ausgeglichen und die langen Horizontalen nach Mög­ lichkeit gekürzt. – Um dieses Skelett herum modellierten wir dann die eigentliche Druckschrift, die Zeichen als Einzelelemente wurden satzgerecht gestaltet. Das TamilAlphabet wurde zuerst in einer mageren und einer halb­ fetten Version produziert.»13

/24/

Original-‹Seiten› eines Tamil-Buches – die Zeichen sind in Palmblätter eingeritzt und durch Bestreuen mit schwarzem Pulver sichtbar gemacht.

/25/

/27/

In ein Palmblatt geritzte Form, geschriebene Form sowie Skelett und Linearform eines Buchstabens der Tamil­Schrift (v. l.n.r.).

Satzmuster des mageren Schnittes der von Mahendra Patel gezeichneten Tamil­Schrift im linearen Stil.

/26/

/28/

Versuch einer Öffnung der geschlossenen Punzenformen im Entwurfsprozess zur linearen Tamil­Schrift.

Probetext der Tamil­Schrift im linearen Stil in den drei Schriftschnitten light, bold und bold condensed.

212

W E R K S AT Z S c h R I F T

/29/

Reinzeichnungen der Tamil Linear von Mahendra Patel im mageren und halbfetten Schnitt – aufgenommen auf Mikrofilm.



D e v an a ga r i / Ta mi l

213

Schriftname Alpha BP

Auftraggeber Crosby / Fletcher/ Forbes ( British Petroleum Co.)  

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1968  | 1969

Im Laufe des Jahres 1968 wurde ich von der Agentur Crosby / Fletcher / Forbes kontaktiert. Die Agentur war 1965 in London gegründet worden, seit 1972 heisst sie Pentagram.1 Man hatte für British Petroleum einen neuen visuellen Auftritt zu entwickeln und unter anderem sollte auch eine eigene Hausschrift das Image von BP verbessern helfen. Die verwendete Helvetica war in den Sechzigerjahren so allgegenwärtig, dass man sich für etwas Eigenes entschied. Die neue Schrift sollte ursprünglich aus dem ‹Universal›-Alphabet /05/ des Bauhaus-Künstlers Herbert ­Bayer abgeleitet werden. Die Zeichen waren jedoch zu abstrakt. So kam Colin Forbes schliess­ lich zu mir. Er klagte, BP bestünde auf der Futura /06/, die sei ihm aber zu ‹verzeichnet›. Ob ich für sie eine ‹verbesserte› Futura entwerfen könne? Mit verzeichnet meinte er die für eine Werksatzschrift notwendigen optischen Korrekturen: Bogen­einläufe, die sich verjüngen, um ­Innen­­räume aufzuschliessen, oder Unterschiede in den Strichstärken der Auf- und Abstriche. Überall ist die konstruierte Form durch kleine Eingriffe verwässert. Die Alpha BP /09/ ist keine von mir neu erfundene Schrift, sondern der Versuch, eine geometrischere Futura zu machen. Auf der Grundlage ihres fetten Schnittes entstanden zwei Ver­ ­­sionen, eine fette und eine halbfette. Ich hatte erst ein paar eigenständige, stark geometrische Versuche gemacht /01/, aber das kam nicht in Frage. Die Beschriftung musste eher neutral und absolut klassisch sein. Ein Oval in die O-Form zu bringen war nicht möglich, so habe ich die ‹kreisrunde› Form der Futura aufgegriffen /07/. Es gibt aber viele Einzelheiten, die anders sind, am deutlichsten sind die Unterschiede in den Ziffern. Die 1 zum Beispiel hat einen längeren schrägen Anstrich bekommen, und die Ausläufe bei 6 und 9 sind runder und weiter ge­halten. Einige Versalien wie B E F  T laufen breiter, das S ist offener. Bei den Gemeinen sind die Oberlängen etwas gekürzt und das j hat unten einen Bogen /09/. Das Projekt war interessant, aber auch schwierig, einerseits das rein Konstruierte und andererseits der Versuch einer gut lesbaren, harmonischen Schrift. Colin Forbes wusste, dass man mit mir über kleinste Details sprechen kann. Wir verstanden uns gut und führten lange Gespräche. Ich machte mindestens drei, vier Versuche, mit kleinen Änderungen, die fast nicht sichtbar sind. Die Arbeit an der Alpha BP zog sich etwa ein Jahr hin. Der Name stammt üb­rigens von mir. Das war ein Schreibfehler; ich hatte auf einen Zettel ‹Alpha BP› statt ‹Alpha­bet BP› geschrieben. Forbes fand sofort, dies sei eine ­glänzende Bezeichnung. Zu dieser Zeit entstand eine weitere konstruierte Schrift – von Herb Lubalin. Sie prägte ab 1968 das Magazin ‹Avant Garde› /08/ und erschien 1970 als Avant ­Garde Gothic von Tom Carnase zur Satz­schrift ausgebaut. Ich schätze diese Schrift sehr, sie ist eine echte ‹création›, eine schöpferische Leistung. Die Versalien mit den Alternativformen und den Ligaturen /08/, all diese Einladungen zum Spiel, das war ein Geschenk für die Schriftanwender. Ich war froh, dass da etwas Gutes aus den USA kam, ein wenig als Gegengewicht zu der ewigen Schweizer Grafik. Das ist nicht böse gemeint – aber ein bisschen Bewegung darf doch sein. 214

F i r m e n s c h RI F T

Satztechnik Fotosatz

Hersteller – Conways

Schnitte 2

Bessere Futura oder eigenständige Schrift? 1968 er­hält Adrian Frutiger den Auftrag, eine Corporate Type für British Petroleum zu gestalten. Auftraggeber ist das Londoner Design-Studio von Theo Crosby, Alan Fletcher und Colin Forbes. Gemäss Alan Fletcher ist der Grund für die Anfrage an Frutiger die Tatsache, dass sie ausschliesslich mit den bes­ten Gestaltern zusammenarbeiten. Und Colin Forbes er­­zählt, dass er von Frutiger einen dreiviertelstün­digen Vortrag über Schriftgestaltung und Lesbarkeit zu hören bekommt, als er sein Anliegen einer Schrift mit kreis­­rundem O vorbringt. Vom Zürcher Büro der ­Agentur ist auch Georg Staehelin zwei-, dreimal bei den Besprechungen in Paris mit dabei.2 Bereits vor der Kontaktnahme mit Adrian Frutiger werden Abklärungen zur neuen Hausschrift unternommen.3 Als gestalterischer Ansatz wird eine ans Logo angepass­ te Majuskelschrift in Erwägung gezogen, aber sogleich verworfen, da sie alt­modisch wirkt und schlecht leserlich ist /02/. Der Zirkelkreis ist demgegenüber eine deutlich kontrastie­rende Form zu den spitzen Serifen der im Logo verwendeten eher schmalen Latine-Schrift. Die reinsten Zirkelkreisschriften lassen sich am Bauhaus finden, unter anderem Herbert Bayer’s Schriftentwurf ‹Universal› von 1925 /05/. (Der Anspruch einer universalen Schrift, Bayer schreibt von der übernationalen, vielseitig einsetzbaren ‹Weltschrift›, ist also lange vor der Univers ein Thema.) 4 Alle am Bauhaus entstandenen Schriften bleiben aber im Ent­­wurfsstadium stecken. Zur Ausführung hingegen ge­ langt Ende der 1920er Jahre bei der Bauerschen Giesse­ rei in Frankfurt Paul Renner’s Futura /06/, eine Werksatzschrift mit den klassischen Proportionen der römischen Capitalis Monumentalis. Frutiger’s Untersuchung einer rein konstruierten Schrift zeigt eine Vielfalt an Möglichkeiten /01/. Variiert werden die Bogenenden bei c e r s t, die diagonal, vertikal oder horizontal geschnitten vorkommen, variiert werden auch die Bogenmündung und der Beginn des Abstrichs bei a m r u sowie die Bogenform insgesamt. Die Wahl fällt auf die konsequent diagonal geschnittenen Enden, ganz im Gegensatz zur Futura.5 Adrian Frutiger gestaltet mit der Alpha BP also eine durchaus eigenständige Schrift in zwei Stärken /09/: den Bold-Schnitt für Firmen- und Produkte­ namen /11/ sowie den Medium-Schnitt für Zusatzinforma­ tionen beispielsweise an den Tankstellen. 1989 ändert die Agentur Wolff Olins das Erscheinungsbild von BP und Frutiger’s Schrift wird ersetzt.

/01/

Erste Entwürfe von Frutiger’s Hausschrift für British Petroleum – die Ansätze der konstruierten Schrift sind sehr vielfältig.

/02/

/03/

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Eine aus dem Signet heraus entwickelte Schrift wurde noch vor Frutiger’s Mitarbeit am Projekt als zu altmodisch verworfen.

Einer der ersten Entwürfe zur Alpha BP wird durch die fehlenden Abstriche in den Minuskeln a n p r u als zu radikal empfunden.

Abklärungen zur Alpha BP in drei Strichstärken – die ultrafette Version (links) wurde nicht realisiert.

/05/

Entwurf ‹Universal› von 1925 – Herbert Bayer überarbeitete nachfolgend noch einzelne Zeichen des rein konstruierten Alphabets.

ALPHA B P

215

/06/

Formaler Ausgangspunkt für die Hausschrift von BP ist die fette Futura von Paul Renner aus dem Jahr 1928.

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Der Vergleich zeigt: Weder das Majuskel-O der Futura (links) noch das der Alpha BP (rechts)   entsprechen dem Zirkelkreis.

/08/

/09/

Umschlag des Art Directors   Herb Lubalin für die Zeitschrift ‹Avant Garde› – gesetzt 1971 in seiner Schrift Avant Garde Gothic.

Die Alpha BP in den Schnitten   bold und medium – im Gegensatz zur Futura sind die Bogenenden konsequent diagonal geschnitten.

/10/

/11/

Uneinheitliche Beschriftung der Etiketten – die Dosen (links, Mitte) sind in der Alpha BP gesetzt,   die Dose (rechts) in der Futura.

Für alle Firmen- und Produkte­ namen wird der Bold-Schnitt der Alpha BP verwendet – fast ausschliesslich in Minuskeln.

216

F i r m e n s c h RI F T

« Die Erkenntnis, dass im Buchstabenbild eine gute Form der Innenräume die eigentliche Schönheit einer Schrift bewirkt, war für mich ein bahnbrechendes Erlebnis.» Adrian Frutiger

Schriftname Documenta

Auftraggeber National Zeitung Basel

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf | Herausgabe 1969 | 1970

Satztechnik Fotosatz

/01/

/02/

/03/

OCR-B (oben) mit horizontalen, Documenta (unten) mit vertikalen Bogenabschlüssen.

Geschlossene Bogen bei der Univers (oben) und offene bei der Frutiger (unten).

Monospace-Schrift Documenta – Festlegung des seitlichen Fleisches (oben) und Probetext (unten).

CGS

Schnitte 1

CGS

CGS

/04/

/05/

In der OCR-B (oben) sind i und l formal unterschiedlich, bei der Documenta entsprechen sie sich.

Buchstaben mit unterschiedlichen Zeichenformen – OCR-B (oben), Documenta (unten).

ilr

Hersteller – Linotype

D M QRW

/06/

Auch einige Ziffern haben unterschiedliche Formen – OCR-B (oben), Documenta (unten).

2457

/07/

Reinzeichnung des Minuskel-o auf 12 Einheiten – alle Zeichen werden auf diese Breite gebracht.

218

W e R k S at Z S C H R I F t

Eine ausgewogenere OCR-Schrift Ende der 1960er Jahre tritt Fritz Sutter von der ‹National Zeitung› in Basel an Adrian Frutiger mit der Bitte heran, eine OCR-Schrift exklusiv für das Unternehmen zu entwerfen.1 Fritz Sutter spricht von­ einer Paral­lelentwicklung zu Frutiger’s OCR-B mit quali­tati­ven Vorteilen die­ser gegenüber.2 Bei der Documenta 3 handelt es sich um eine MonospaceSchrift, angelegt auf 12 Einheiten Zeichenbreite.4 Sie läuft damit breiter als die OCR-B. Der deut­­­lichste Unterschied ist jedoch in der Anlage der Schrift zu finden. Während die OCR-B horizontale Bo­­gen­­­ab­schlüs­­se gemäss dem Univers-Prinzip aufweist, besitzt die Documenta vertika­le Abschlüsse /01/. Einzelne Zeichen haben eine für Frutiger typischere Ge­ ­stal­t – hier muss nicht Rücksicht genommen wer­den auf viele verschiedene Hersteller. So hat das D eine in­ den­ Bögen eckigere Form /05/, das M weist leicht ge­spreiz­­te Schenkel auf, der Schweif des Q läuft nicht in die Punze hinein und das Spielbein des R hat oben einen leich­ten Schwung. Der markanteste Un­­ter­schied bei den Kleinbuchstaben ist im l zu finden /04/, in der OCR-B noch als Abstrich mit gebogenem Fuss vorhanden, be­­kommt es in der Documenta Serifen. Für die Schrift wird nach den Vorgaben Adrian Frutiger’s ein Spe­­­­zial­grid für die Linotron 505 von Mergenthaler Lino­type angefertigt.5 Die Linotron ist bei der ‹National Zeitung› von 1969 bis 1983 installiert, das Grid ist leider nicht mehr vorhanden.



D o C u m e n ta

219

Schriftname Alphabet Facom

Auftraggeber Facom

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1970  | 1971

Satztechnik Fotosatz

Für etwa zwölf Jahre war die Werkzeugfabrik Facom unser ‹Brotkorb›.1 Die Zusammenarbeit begann 1963, vorerst mit der Gestaltung des Kataloges, die Schrift war da noch kein Thema. Ein grosser, dicker Bentley fuhr damals in unseren kleinen Hof an der Place d’Italie und Monsieur Mosès 2, der Besitzer der Werkzeugfabrik Facom, stieg aus. Ich habe mich immer gewundert, wie er gerade auf uns kam; 3 aber zu dieser Zeit gab es noch nicht so viele Ateliers wie unseres, anscheinend sprach es sich herum, was wir machten. Monsieur Mosès stellte seine Firma vor, zeigte den aktuellen Katalog und fragte, ob wir bereit wären, den Entwurf der Katalogseiten zu übernehmen. Er hatte klare Vorstellungen. «Wir haben keine Kaufleute, die alles anbieten und erklären. Der Katalog ist unser Schaufenster!» Alle Garagisten und Eisenwarenhändler hatten die Facom-Kataloge. Gedruckt wurden diese in einer Auflage von 250 000 bis 350 000 Exemplaren. Es gab zwei Ausgaben, eine französische und eine deutsche. Unsere Aufgabe war also, das Layout des Kataloges wie ein Schaufenster zu gestalten. Der Inhalt lag vor. Bruno Pfäffli erkannte sofort, dass man beim bestehenden Katalog einiges verbessern konnte. Als Erstes schlug er die Univers als Grundschrift vor. Zum Zeichnen bzw. Stili­ ­sieren der Übersichtsseiten baten wir den Kunstmaler Rudolf Mumprecht, ein Freund von uns, um Vorschläge. Mumprecht betrachtete aber alles aus der Sicht des Künstlers, jede Zeichnung war ein kleines Kunstwerk, nicht auf Technik aus­gerichtet, sondern auf Schönheit. Facom machte denn auch prompt den Vorwurf, die Darstellungen ­seien zu stilisiert. Wir mussten zugeben: Mumprecht war zu weit gegangen. Während ungefähr eines Jahres arbeitete Bruno an nichts anderem als dem Katalog.4 Insgesamt waren es vier Kataloge, die wir für Facom realisierten. Bevor 1970 das Alphabet entstand /02/, zeichnete ich erst die Ziffern.5 Ich konnte Monsieur Mosès nämlich davon überzeugen, dass es vorteilhaft sei, die Seiten- und die Referenzzahlen im Katalog im Stil der Wortmarke Facom zu halten. Die ­Wortmarke besteht aus Versalien und einem gemeinen m, alles auf gleicher Höhe /01/. Ein spitzes M wäre nicht harmonisch gewesen. Als ich die Wort­­marke sah, dachte ich: Ein so gutes Logo in Frankreich? Es stellte sich heraus, dass Lucette Girard die Gestalterin war.6 Ich kannte sie ja aus der Zeit bei Deberny &  Peignot und vorher schon von der École Estienne – so war klar, woher die Qualität kam. Ausgehend von der Wortmarke habe ich dann zusammen mit meiner Zeichnerin Nicole Delamarre das Alphabet entworfen. Sie übernahm die Ausführung. Entsprechend der Wortmarke zeichneten wir Buchstabenvarianten von A und M sowie von a und f; etwas, was mir seit meiner Zeit bei D &P in Fleisch und Blut übergegangen war. Gegenüber der ersten Fassung wurden noch die Ziffern 1, 2 und 7 geändert /03/ und damit dem Alphabet ­besser ange­passt. Bei der H. Berthold AG bestellten wir dann eine Diatype-Schriftscheibe.7 Die Satzarbeiten ­führte eine auf Titelsatz spezialisierte Setzerei aus, die Diatype-Scheibe blieb allerdings im Besitz von Facom. Heute ist bei Facom eine ähnliche Schrift in Gebrauch.8 220

F i r m e n s c h RI F T

Hersteller – H. Berthold AG

Schnitte 1

Kataloggestaltung und Hausschrift Facom präsentiert ihr umfassendes Sortiment aus­schliesslich über den Katalog, da bei der Vielfalt des Angebots 9 eine Verbindung zwischen Fabrikant und Eisenwarenhändler am besten über das gedruckte Medium zu errei­chen ist.10 Die Gestaltung von Katalogen erfordert grösst­mögliche Funktionalität. Eine beispielgebende Umsetzung sieht Horst Heiderhoff im Facom-Katalog von 1973, gestaltet vom Atelier Frutiger & Pfäffli.11 Das Vorsatzblatt zeigt eine Übersicht der verschiedenen Werkzeugkategorien, ver­­­­gleichbar einem Schau­­fenster /04/. Für diese erste Kontaktnahme durch den Nutzer sind stark sti­­li­­sierte Zeichnungen erstellt worden, damit er nicht an Einzelheiten hängen bleibt, sondern sich von der Einteilung leiten lässt. Die aufgeführten Seiten­zahlen innerhalb der Felder verweisen auf den Anfang der einzelnen Kate­gorien. Wird nun die Seite der ge­­wünschten Kategorie aufgeschlagen, zeigt sich eine weitere Übersichtsseite in ähnlicher Darstel­lung, aber mit feinerer Einteilung der Werkzeuge /04/. Die Oberbegrif­fe und die Seitenverwei­se, in der Alphabet Facom gesetzt, helfen dann bei der Suche der gewünschten Produkt­grup­pe. Anders als die Überblickseiten haben die Artikelseiten einen weissen Hintergrund /04/. Auch wechselt die Produktdarstellung zur Sachfotografie, unter­stützt durch ­ kurze Artikel­be­schrei­­­­bungen und vermasste Schemazeichnungen. Die von Bruno Pfäffli gestalteten Seiten sind klar struktu­riert und übersichtlich gestaltet. Horst Heiderhoff schreibt: «Vom normalen Betrachter des Kataloges wird die Verwendung eines privaten FacomAlphabetes nicht als sol­­­ches erkannt. Dies betrachten die Designer nicht als Fehler, eher als Qualität: eine gute Schrift sollte nicht ‹bemerkt› werden, wie sich ein ‹Konstruieren› immer störend auswirkt, sondern, vom Leser unbemerkt, in ein Klima hineinführen, in dem man sich wohl fühlt (Qualität, Vertrauen, Schönheit) und wohin man gerne wieder zurückkehrt, angeregt durch eine positive Erinnerung.»12 Frutiger greift die Buchstabenformen der Facom-Wortmarke auf und gestaltet eine Hausschrift mit Gross- und Kleinbuchstaben /02/. Die sanften Rundun­ gen der horizontalen Striche und Bogen vermitteln den Ausdruck von geschmeidiger Technik und erinnern an die handlichen Griffe bei Werkzeugen. Gegenüber der Wort­ ­marke verschmälert Frutiger die Schrift, damit sie sich auch für kür­­zere Texte eignet. Trotz ihres kräftigen Schrift­ bildes ist sie auch in den Lesegrössen gut lesbar.

/01/

Bildmarke und Wortmarke von Lucette Girard – die Buchstaben sind deutlich breiter als beim späteren Alphabet von Frutiger.













/03/



In einer ersten Fassung sind die Ziffern 1 2 7 stärker diagonal geprägt und das T im Et-Zeichen hat noch die Kapitälchenform.

/02/

Die Hausschrift Alphabet Facom mit den Alternativbuchstaben A M a f ist eine Erweiterung zur Wortmarke Facom.

/04/

Facom-Katalog von 1973 – vom ‹Schaufenster› zum gewünschten Artikel in drei Schritten: die Werkzeugkategorien, die Produktegruppen und die einzelnen Artikel (v. l.n.r).

/05/

Die Artikelbezeichnungen und -nummern sind in der Alphabet Facom gesetzt, die detaillierten Werkzeug­beschriebe in der Univers.



A l p h a b e t F a c o m

221

« Die Arbeit des Schriftentwerfers gleicht derjenigen des Couturiers, welcher den unveränderten, nackten Körper bekleidet.» Adrian Frutiger

Schriftherstellung

A   nreibesatz

Alphabet EDF-GDF Seite 198 Alphabet Roissy Seite 224 Alphabet CGP Seite 248

Eine frühe Form der Anreibebuchstaben ist in Frank­ reich seit Anfang der 1950er Jahre bekannt. Deberny & Peignot lanciert 1954 das Verfahren ‹Typophane› /01/ und preist es ergänzend zu sei­nen Handsatzschrif­ten als Satz­ver­fahren an, mit dem der Drucker den Mo­­den der Zeit folgen kann, ohne zu grosse Investi­tio­nen zu tätigen. An­­fäng­­lich stehen vier Akzidenz-Schriften zur Verfügung (siehe Seite 43). Die Schriften sind auf durchsichtige, selbstklebende Trägerfolien aus Zellulose gedruckt. Mit dem Skalpell werden die Buchstaben einzeln ausgeschnitten, vom Schutz­blatt abgelöst und auf ein Blatt Papier montiert. Durch einfa­chen Druck mit dem Daumen haftet der Buchstabe, kann aber zwecks Korrektu­ren oder sons­tiger Weiterverwendung wieder abgelöst wer­­­ den. Die unter den Buchstaben mitgedruckten Hilfslinien ermöglichen das Liniehalten. Mit den Ende der 1950er Jahre verstärkt aufkommen­ den Werbeagenturen wächst auch der Bedarf an de­ ­­­korativen Titelsatzschriften. Ab 1959 bietet die Firma Letraset aus Grossbritannien Anreibebuch­sta­ben an,

und später folgt unter anderen Mecanor­­ma in Spanien. Das Verfahren hat sich geändert: Durch Anreiben des Buchstabens löst sich dieser von der Träger­ folie und der Buchstabe haftet auf dem Untergrund /02/. Damit werden die Schnittkanten vermieden und die Buch­staben können nicht mehr abfallen. Jedoch sind sie auch nicht mehr zu entfernen, ohne den Buch­staben zu zerstören. Für ein ausgegliche­nes Schrift­bild müssen die Buchstaben exakt auf der Grundlinie zu stehen kom­men, was trotz Hilfslinie nicht einfach ist. Das Festlegen der Buchstabenabstände nach optischem Gut­­­dün­ ken ist für das ungeübte Auge eine weitere Schwierigkeit. Auch können die Buchstaben beim Anreiben leicht zerreissen, wenn die Folie verrutscht oder zu früh wieder weggenommen wird. Wie beim Minimum im Handsatz enthalten die Anreibebögen eine unterschiedliche Anzahl der einzel­ nen Zeichen. Die durchschnittliche Häufigkeit im Text ist dafür ausschlaggebend. Neben verschiedenen Schrift­arten, -­grös­sen und -farben sind auch Bögen

mit ­grafischen Elemen­ten er­­hältlich sowie Exklusiv­ anfertigungen mit Spezialschriften /03/, Firmen­logos, fertig ­ausgegliche­nen Wörtern oder individuellen Abbildungen. Die Herstellung ist sehr aufwendig und die Bögen relativ teuer. Anreibebuchstaben werden bis in die 1990er Jahre in den Grafikateliers, Ingenieurbüros und von Layoutern, aber auch im non-professionel­ len Bereich genutzt, um in kurzer Zeit eine Druckvorlage erstellen zu können. Das Verfahren wird in vielen Ländern eingesetzt, in der ehemaligen DDR zum Beispiel unter dem Na­men ‹Typofix›. Die Vielfalt und weltweite Verbrei­tung von Anreibeschriften sind damals vergleichbar mit jener von Linotype oder Monotype. Sie werden in Lizenz übernommen, es werden aber auch eigene in Auftrag gegeben. Anreibeschriften sind zwar noch erhältlich, haben je­­doch seit dem Desktop Publishing deutlich an Popu­larität eingebüsst. Geblieben ist die Verwendung im non-professionellen Bereich, aber auch dort fristen sie ein marginales Dasein.

/01/

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Beim ‹Typophane› genannten Verfahren wird die bedruckte, selbstklebende Trägerfolie ausgeschnitten und vom Schutzblatt abgelöst.

Beim eigentlichen Anreibe­ verfahren lösen sich die Zeichen von der Trägerfolie durch Rubbeln mit einem runden Werkzeug.

Exklusiv für den Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle angefertigter Anreibebogen der Alphabet Roissy von Adrian Frutiger.

/04/

Neben dem grossen Sortiment an Schriften gehören Anreibebögen mit ver­schie­dens­ten Motiven zur Produktpalette der Hersteller.



s c h RI F T h e r s t e l l u n g

223

Schriftname Alphabet Roissy Alphabet Roissy-Solaris Caractères TVP

Auftraggeber Aéroport de Paris

Gestalter Adrian Frutiger AF | Hans -Jürg Hunziker Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1970 –72  | 1972 1973 –74  | 1974 1978 –79  | 1979

Satztechnik Stanzfolien | Anreibesatz Klapplamellen Kathodenstrahl-Monitor

Meine ersten Erfahrungen mit einer Signalisationsschrift machte ich 1959/60 beim Flughafen Orly (siehe Seite 134). Doch damals war ich noch nicht wirklich reif für eine solche Aufgabe. 1970/71 kam dann der Architekt Paul Andreu mit dem Auftrag zu mir, eine Signalisations­ beschriftung für den Flughafen Paris-Roissy zu gestalten. Alle dachten wohl, ich würde die Univers dafür einsetzen, sie war in der Fachwelt ein Begriff. Ich erkannte aber, dass ich eine neue Schrift zeichnen musste. Mir war klar geworden, dass die Univers zwar eine gute Lese­ schrift ist, sich jedoch nicht für Nachschlagewerke eignet, die konsultativ gelesen werden – und auch nicht für Signalisationen, wo es um schnelle Wahrnehmung geht. Denn ein Wort aus der Univers ist wie eine Perlenkette: Das Auge fliesst darüber hinweg, die einzelnen Zeichen sehen einander zu ähnlich. Bei einer Signalisation hingegen muss jeder einzelne Buchstabe ganz klar erkennbar sein. Anfänglich gab es die etwas naive Idee, eine geometrische Grotesk wie die Futura /05/ zu nehmen, weil der Flughafen, zumindest auf dem Plan des Architekten, kreisrund ist. Das sieht man aber nur, wenn man sich im Flugzeug direkt senkrecht über dem Flughafen befindet. Ein kreisrundes o ist ein klares Zeichen, aber es geht nicht nur ums o, es geht um das Zusammen­ spiel aller Buchstaben. Also keine Futura. Auf jeden Fall aber eine Serifenlose, denn Serifen wären nur Lärm, unnötiges Summen. Wichtig war die absolute Klarheit, ich möchte sagen Nacktheit, die Abwesenheit jeder Art von künstlerischer Zugabe. Dass es eine Schrift mit Grossund Kleinbuchstaben sein musste, lag nahe, weil die so entstehenden Wortbilder schneller er­­fasst werden. Ausgangspunkt für meinen Entwurf war schliesslich die Concorde (siehe Sei­­te 150), die ich in den Sechzigerjahren zusammen mit André Gürtler für die Zeilensatz­matrizen von Sofratype zeichnete. Die Alphabet Roissy deutet sich da bereits an. Die Versalien sind be­ wusst kleiner gehalten als die Oberlängen der Gemeinen /15/. Die wichtigsten Zeichen waren aber die Ziffern, auf jedem Panel kommen sie vor. Jede Ziffer muss­te daher die gleiche Klarheit haben wie ein Pfeil. Die Signalisation im Flughafen sollte zweisprachig sein und farblich unterschieden wer­ den. Im Team hatten wir dafür einen Farbspezialisten1, der gleich zu Beginn darauf hinwies, dass der Kontrast nicht zu stark sein dürfe. Er mischte dann ein dunkles Gelb, platzierte da­ rauf untereinander einen schwarzen und einen weissen Buchstaben und zeigte uns damit, dass der Kontrast in beiden Fällen gleich ist. Die Idee war gut: Von innen beleuchtet, sollte auf dem dunkelgelben Grund in Schwarz der französische Text stehen und darunter in Weiss der eng­ lische /02/. Mit der Idee dieses Gelbtones waren alle einverstanden, wir ahnten ja nicht, wie heikel es sein würde, immer den gleichen Farbton herzustellen. Der erste Roissy-Entwurf mit den Wörtern ‹Départ› und ‹Departure› ging leider während einer Ausstellung verloren. Ich ­machte ihn zusammen mit meiner Mitarbeiterin Nicole Delamarre. Die Buchstaben haben wir aus schwar­zem Karton beziehungsweise aus dem gelben Untergrund ausgeschnitten. Dafür 224

S i g n a l i s at i o n ss c h R I F T

Hersteller – unbekannt | Letraset – Solaris – Thomson-CSF

Schnitte 1 1 1

Projekte rund ums Fliegen Die Alphabet Roissy von 1970 ist Adrian Frutiger’s zweites Signalisationsprojekt, eine Exklusivschrift für den Flughafen Roissy-Charles-deGaulle im Norden von Paris. Aus seiner bald zwanzig­jähri­ ­­gen Erfahrung als Schriftgestalter und aus den Erkenntnissen von Paris-Orly mit der Majuskelschrift schöp­­fend (siehe Seite 134), entwirft Frutiger mit der Alphabet Roissy eine Signalisationsschrift, die sogleich internatio­nal als Qua­­litätsstandard anerkannt wird. Frutiger ist Teil eines Teams von Spezialisten unter der Leitung des gesamtver­ antwortlichen Archi­tek­ten Paul Andreu. Umgesetzt wird die Flughafenbeschriftung in Zu­­sam­menarbeit mit Technikern und Zeichnern des Unternehmens Aéroport de Paris; Leiter ist Jacques Berthaut.2 1974 informieren Adrian Frutiger und Horst Heiderhoff, Leiter der Abteilung Schrift und Werbung bei der D. Stem­ pel AG, in der Fachzeitschrift ‹form›3 umfassend über die neue Signa­lisationsschrift. Drei Jahre danach veröffentlichen die ‹Typografischen Monats­blät­ter› /04/ einen ähn­ ­­lichen Beitrag in deutscher, englischer und französischer Sprache.4 Zu dieser Zeit feiert die Schrift Roissy – über­­ arbeitet und ausgebaut zur Schriftfamilie Frutiger – be­­ reits weiteren Erfolg (siehe Seite 250). Zusätzlich zur Alphabet Roissy entsteht 1973 / 74 für die Anzeige­tafeln mit den Klapp­­lamellen eine Mono­­spaceVariante, die Roissy-Solaris /24/. 1979 kommt zudem mit der Caractères TVP eine spezielle Monitorschrift hinzu /26/. Von Adrian Frutiger ist auch Kunst am Bau zu finden. Beim Bau des Flug­hafenbahnhofs in die Betonmauern ein­­gelassene Nylonseile erzeugen beim Herausreissen ‹Streifen­­symbole›.5 Er gestaltet im Weiteren für das Unter­ nehmen Aéroport de Paris ein Signet (siehe Seite 274). Das Mono­gramm fin­det jedoch wenig Akzeptanz – AP steht üblicherweise für ‹Assistance publique›, also für die staatliche Fürsorge –, so dass es einige Jahre später wie­der abgeschafft wird.6 Ein weiterer Kunde aus dem Umfeld des Flughafens ist die Fluggesellschaft Air France. Gemeinsam mit Bruno Pfäffli ist Adrian Frutiger 1970 zuständig für die Neugestaltung des Flugplans. Bruno Pfäffli entwirft eine sachliche, platz- und kostensparende Typografie, gesetzt in verschiedenen Schnitten der Univers. Dazwischen einge­ streut sind typografische Illustrationen.7 Im Gegensatz zur Flughafenbeschilderung, welche gänzlich auf Piktogramme verzichtet, gestaltet Frutiger für die Flugpläne lineare Zeichen, die 2 × 2 mm gross sind.8

/01/

Für bessere Lesbarkeit in Schräg­ ansicht weist die Roissy extra grosse Wortabstände auf, die Laufweite ist jedoch etwas zu eng.

/02/

/03/

Signalisation von 1972 in der Roissy ( oben ); heutige Beschriftung von Jean Widmer in der Frutiger ( unten ).

Weisse und insbesondere hinterleuchtete Schrift auf dunklem Grund muss feiner sein, da diese ansonsten optisch fetter wirkt.



A l p h a b e t R o i ss y

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suchten wir lange die passen­den Farbfolien von Letraset. Etliche Schichten mussten wir über­ einander­legen, bis wir das dunkle Gelb bekamen, mindestens vier Folien dick. Hellgelb, Hell­ grau, Rosa­rot … Für die Präsentation fertigten wir ein kleines Panel, zum Vergleich auch mit Wörtern aus der Univers, das hielt ich leicht schräg, so, wie es der Fluggast im Flughafen meist auch sieht – auf diese Weise wurde gleich deutlich, was besser lesbar ist. Die Schrift machten wir zunächst vor allem für die Innenbeschriftung. Die Grösse der Buchstaben richtete sich nach der Lesedistanz: Für 20 m Abstand nahmen wir etwa 10 cm Höhe, für 2 m Abstand 1 cm. Als Vorlage für die Wortabstände wählte ich ein kleines c /13/. Da brauchte man nichts abzumessen, man fügte es hinzu und nahm es wieder weg. Für das c entschied ich mich, weil ich dachte: Zu viel ist besser als zu wenig. Leider habe ich das bei den Buchstaben­ zwischenräumen nicht eingehalten. Zur gesamten Beschriftung am Flughafen gibt es daher eine ernsthafte Kritik: Die Roissy-Beschriftung ist zu eng gesetzt, sie hat mindestens 15 Prozent zu wenig Weissraum zwischen den Buchstaben. Zwar haben wir Tests gemacht, aber die waren nicht optimal. Wir hängten eine Tafel in 100 m Entfernung auf und verglichen zwei Versionen miteinander. 100 m sind jedoch keine gute Distanz. Innerhalb des Flughafens funktioniert es einigermassen, aber für die Strassenbeschilderung aussen sind die Zeichenabstände auf jeden Fall zu gering. Offen gestanden, habe ich das zu spät erkannt. Leider hat Jean Widmer für die Autobahnschilder die Abstände übernommen.9 Auch zu den einzelnen Zeichen machte ich verschiedene Studien. Alle diese Studien haben mit dem französischen und dem englischen Kulturraum zu tun. Die Amerikaner ­beispielsweise schreiben die 7 ohne Querstrich und 1 einfach als Strich ohne Aufstrich – das finde ich am bes­ ­­ten –, aber die Euro­päer sehen darin eine Verwechslungsgefahr mit dem Kleinbuchstaben l.

Lesbarkeit und Schriftwahl  In den ‹Typografischen Monatsblättern› /04/ finden sich folgende ­Überlegungen zur Signalisationsbeschriftung: «Die geschriebenen Hinweise bestehen zum gröss­ten Teil aus Einzelwörtern oder Wortgebilden, selten aus ganzen Sätzen. Man könnte hier­­aus leicht den Schluss ziehen, dass die Beschriftung nicht ‹gelesen›, das heisst als ganze Wortbilder vom Auge aufgefasst […] , sondern ‹buchstabiert› werde. Vor zehn Jahren war man der Meinung, dass Flughafenbenüt­ zer in dieser Weise ‹buchstabierten›. Zu diesem Zweck waren die Gross­buchstaben geeignet, da sich jeder Buch­ ­stabe in seiner individuellen Form vom anderen differen­ ziert. Die Kleinbuchstaben hin­­gegen, durch ein jahrhundertelanges Schnellschreiben und -lesen ‹abgenützt› und vereinfacht, lassen sich weniger leicht getrennt erkennen, schmiegen sich eher zu eigentlichen ­Wortbildern zusammen, so dass deren Sinn vom Leser sehr schnell erfasst, sozusagen ‹fotografiert› wird.» 10 «Eine schmale Schrift wurde aus Über­­legungen des Breitenlaufs kurz erwogen, aber aus Gründen der Lesbarkeit ausgeschieden. Eine ‹hochgestreckte› Schrift verliert an Kontrast zwischen runden und geraden Buchstaben; sie wird durch die Verlängerung in die Höhe nicht vergrössert, das heisst: von weitem nicht besser erkennbar, im Gegenteil, durch die stärkere Betonung der Vertikalen ent­steht eine Gitterwirkung, welche zwar ornamental sehr ruhig und schön wirkt (wie die Gotik zum Beispiel), aber das Wortbild von seinem Grundriss entfernt.»11

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Umschlag zu Frutiger’s Artikel in den ‹Typografischen Monatsblättern› aus der Serie ‹ ZeitschriftenPlagiate › von Hans-Rudolf Lutz.

Keine der getesteten Schriften genügt – sie sind zu individuell, zu stark historisch geprägt oder nicht genügend in ihrer Lesbar­keit.

Schmale Schriften haben eine deutlich verminderte Lesbarkeit, da die runden und geraden Zeichen sich zu sehr angleichen.

Untersuchung zur optimalen Strichstärke der Alphabet Roissy – zu fein (oben), richtig (Mitte), zu fett (unten).

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Die ovale o-Form weist gegenüber der zirkelrunden besser zusammenhängende Wortbilder auf – Klebentwurf von Adrian Frutiger.

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In Johnston’s Signali­sations­­­schrift von 1916 für London Transport ist die Ziffer 1 ohne Aufstrich, aber oben abgeschrägt, und das Minuskel-l endet mit einem Bogen.

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S i g n a l i s at i o n ss c h R I F T

Eindeutige Zeichenerkennung Die Alphabet Roissy hat ähnlich offene Buchstabenformen wie die 1964 realisierte Satzschrift Concorde, jedoch werden signalisationsspezifische Formänderungen vorgenommen. Zum Beispiel wird die einschlaufige Form des Minuskel-g verwendet, da sich die einfachere Form besser ins Wortbild integriert. Zurückhaltender ist auch das vertikale Majuskel-M. Beim Q geschieht genau das Gegenteil, durch den diagonal ausgerichteten Schweif wird hier das Charakteristische des Zeichens stärker betont /17/. Insgesamt ist die Alphabet Roissy leicht dunkler als die Concorde, da Signalisationsschriften in der Strichstärke etwas kräftiger zu gestalten sind als Satzschriften, damit auch ein einzelnes Wort oder eine Zahl in einer unruhigen oder gar hektischen Umgebung bestehen kann. Entscheidend für die Qualität einer Signalisationsbeschriftung sind zudem: genügende Schriftgrösse, grosszügige Buchstaben-, Wort- und Zeilenabstände sowie ausreichend Abstand zum Rand des Hintergrunds. Auch unterschiedliche Lichtsituationen, beispielsweise hinter- oder beleuchtete Panels sowie Sonneneinstrahlung, aber auch glänzendes Material, grosse Lesedistanz, eingeschränktes Sichtfeld, ungünstiger Blickwinkel sowie die eigene Bewegung beeinflussen die Wahrnehmung und Lesbarkeit von Signalisationen stark. Umfangreiche Abklärungen sind daher notwendig, so zeigt der Unschärfentest eindeutig die Qualität der Ziffern 6 und 9, die weder zu diagonal noch zu vertikal sind /18/.

Daher habe ich mich am Ende für die Version mit dem ganz kurzen Aufstrich entschieden /12/; sie ist der amerikanischen Art zumindest näher als die Version mit dem langen Aufstrich. Fürs y wiederum machte ich verschiedene Studien und entschied dann, dass es in der Roissy unten einen Bogen bekommt /11/. Dies hat etwas ästhetisch Weiches, es ist dem amerikanischen Aus­ druck näher. Die formal ähnlichen Buchstaben b d p q sind gespiegelte bzw. rotierte Formen. Ich fand, der Unterschied zwischen p und q ist genügend deutlich, wenn ein Buchstabe den Strich links hat und der andere rechts. In serifenlosen Schriften sind die Zeichen I l 1 ein for­ males Thema: Bei deutschen Signalisationsschriften bekommt das Majuskel­I oftmals oben und unten Serifen und das Minuskel­l hat unten einen Bogen, damit man die beiden Buchstaben besser unterscheiden kann /16/. Offen gestanden finde ich das nicht nötig. Die Zeichen müssen aus meiner Sicht nackt sein. Aus einem ähnlichen Grund habe ich beim g die einäugige Version gewählt. Seit der Renaissance gibt es das einäugige g in der Kursiven. Deshalb waren beide Formen für mich immer gleichwertig. Bei längeren Texten ist das zweiäugige g zwar eine Lese­ hilfe, auch wenn es gewissermassen eine Dissonanz darstellt – es ist der einzige Buchstabe mit drei Innenräumen. Eine Signalisation wird aber nicht wie ein Buch gelesen, das Wort wird in einem einzigen Blick wahrgenommen. Da kam für mich nur das einäugige g in Frage. Die Ziffern 6 und 9 könnten noch offener gehalten sein, mir schien aber, es passt so besser in den Gesamtrhythmus der Schrift /18/. Ein besonders wichtiges Zeichen ist der Pfeil. In der Gestaltpsychologie ist der Pfeil eines der markantesten Zeichen; sein Erscheinen reicht weit zurück in die Anfänge der Menschen­ geschichte. Es ist das einzige nicht verbale Zeichen, das am Flughafen vorkam. Der Pfeil durfte weder spitzwinklig wie eine Waffe noch stumpfwinklig wie ein Schneepflug sein. Die recht­

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Untersuchung zur optimalen Laufweite der Alphabet Roissy – zu eng (oben), normal (Mitte), nach damaliger Ansicht zu weit (unten).

Die Buchstaben werden nicht in jedem Land gleich aufgenommen – der angelsächsische Ausdruck im y scheint ideal (rechts oben).

Nur kurzer Aufstrich bei der 1 (ganz rechts), damit Personen aus dem angelsächsischen Raum die Ziffern 1 und 7 nicht verwechseln.

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Der Einsatz von Piktogrammen wird verworfen, da die Klarheit der Aussagen ohne internationale Konvention fraglich scheint. /13/

Das Manual ‹Signalisation sur les aéroports› von 1976 führt die Dickte des Minuskel-c als Grösse des Wortzwischenraumes auf.

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Die etwas höhere Oberlänge und die leicht feinere Strichstärke unterscheiden in der Roissy das Minuskel-l vom Majuskel-I.

Eindeutigkeit bei I und l in der Grotesk – DIN ­Mittelschrift, Erik Spiekermann’s Officina, Vialog von Werner Schneider, Helmut Neuss.

Unterschiedliche Buchstabenformen und Proportionen bei der Concorde ( oben ) zur Alphabet Roissy ( unten ).

Lesbarkeitsuntersuchung – die Ziffern 6 und 9 der Alphabet Roissy sind auch bei starker Unschärfe noch gut erkenntlich.

Illinois

Illinois

Illinois Illinois

alphab et R o i S Sy

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winklige Form war richtig /20/, aber nicht mit parallelen, sondern mit konischen Strichen /21/. In jeder Richtung sollte der Pfeil zudem gleich sein, ohne dass die Fette verändert wurde. Für die grossen Anzeigetafeln des Flughafens zeichnete Hans­Jürg Hunziker in den Jah­ ren 1973/74 zusätzlich ein Monospace­Versalalphabet /24/. Die Anpassung gestaltete sich aller­ dings schwierig. Zuerst machten wir einige Versuche mit Punktschrift oder mit Zeichen, die aus sieben Segmenten bestehen, wie beim Taschenrechner. Es kam davon jedoch nichts in Frage. Der Fluggast fühlt sich nur sicher bei ‹Normalschrift›. Deshalb wählten wir das System der Klapptäfelchen. Die Verwendung der Solaris­Technik /25/ kostete aber ein Sündengeld. Ge­ druckt wurden die kleinen Plättchen im Siebdruck und danach auseinandergeschnitten. Eine heikle Sache. Wenn sich die Lamellen nur ein wenig verschieben, gibt es gleich einen sichtbaren Fehler. Die Drucktechnik hatte zum Teil Einfluss auf die Form der Zeichen. Spitz zulaufende Einschnitte wie beim M zum Beispiel schmieren im Siebdruck zu, also wurde der Einschnitt leicht stumpf gestaltet. Insgesamt sollte die Solaris­Schrift aber möglichst den Roissy-Charak­ ter beibehalten. Gut, beim M geht das mittlere Dreieck nicht bis hinunter zur Schriftlinie, es sollte da so viel Licht wie möglich hineinfliessen /24/. Insgesamt fast ein Jahrzehnt beschäftigte mich der Aufgabenkomplex für den Flughafen Paris­Roissy. Ich war noch Mitglied der Kommission zum Weiterbau des Flughafens, Roissy 1 und Roissy 2, dann habe ich aufgehört. Die Schrift für den Flughafen Roissy ist mir sehr wichtig. Ebenfalls wichtig im Zusammenhang mit dem Flughafen Roissy ist ein Erlebnis: Die Archi­ tekten beugten sich über die Pläne und konnten sich räumlich vorstellen, wie die Durchgänge aussehen. Mir war das unmöglich. Da ging mir ein Licht auf: Meine Begabung liegt zur Haupt­ sache im Zweidimensionalen.

Informationstechnologien Von Anfang an informieren am Flughafen Paris-Roissy eine grosse Anzeigetafel /27/ und würfelartige Informationsständer über Abflugsund Ankunftszeiten der Flugzeuge. Verwendet wird dafür die speziell für diesen Zweck gestaltete Roissy-Solaris /24/. Der Druck der Monospace-Schrift auf die Lamellen und die Fertigung des gesamten Systems geschieht bei der italienischen Firma Solaris in Udine. Jede einzelne Einheit /25/ enthält den vollständigen Zeichenumfang an Klapplamellen mit Grossbuchstaben, Ziffern und den Satzzeichen Punkt, Bindestrich und Schrägstrich. Neben den Anzeigetafeln bieten auch Monitore des internen TV-Systems die Möglichkeit, die Abflugs- und Ankunftszeiten abzulesen. Vermutlich ist es in den ersten Jahren eine Standardschrift, die zur Anwendung kommt, und erst später die von Adrian Frutiger entworfene Bildschirmschrift Caractères TVP /26/, da ein Blatt mit Detailkorrekturen auf den 17. Mai 1979 datiert ist.12 Die Höhe der Majuskeln und Ziffern beträgt 13 Felder, basierend auf einem Rechteckraster von 16 × 16 Feldern. Unterschiedlich sind jedoch die Proportionen der Entwurfszeichnungen: 82 × 122 mm bei einem undatierten Zeichensatz und 48 × 96 mm, was einem hochformatigen Doppelquadrat entspricht, in der Beilage zum datierten Blatt /26/. Für die heutigen Signalisationen /02/ wird nicht mehr die Alphabet Roissy, sondern die Frutiger verwendet, dafür konsequenterweise auch auf dem Monitor /28/.

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Spezialanfertigung der LetrasetBögen in der Exklusivschrift Alphabet Roissy für ‹Aéroport de Paris›.

Waffe, Wegweiser, Schneepflug? – Die Waffe ist spitzwinklig, der Wegweiser rechtwinklig, der Schneepflug stumpfwinklig.

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Konstruktionszeichnung des Frutiger-Pfeils zur Roissy – die Striche laufen zur Spitze hin konisch zu.

Präzise Angaben zur Platzierung von Text und Pfeil – der horizontal geschnittene Arm steht auf der Schriftlinie.

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Bei der Alphabet Roissy sind verschiedene Schriftgrössen aufeinander abgestimmt – Die Schriftgrösse setzt sich aus vier Vierteln zusammen.

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S i g n a l i S at i o n S S c h R i F t

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Die Umzeichnungen des Alphabets zur Monospace-Schrift RoissySolaris werden von Hans-Jürg Hunziker vorgenommen.

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Jede einzelne, äusserst robuste Einheit der elektro-mechanischen Solaris-Technologie enthält den gesamten Zeichen­umfang.

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Anzeigetafel des Flughafens Paris-Roissy in der KlapplamellenTechnologie der italienischen Firma Solaris und dem MonospaceAlphabet von 1973/74.

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Frutiger’s Entwurfsvarianten und Studie von 1979 (oben) für die Kathodenstrahl-Bild­schirmschrift Caractères TVP (unten).

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Die stark verbesserte heutige Bildschirmtechnologie ermöglicht die Verwendung der Frutiger als Monitorschrift.



A l p h a b e t R o i ss y

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Schriftname Alphabet Brancher

Auftraggeber Société des Encres G. et P. Brancher Frères

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1971  | 1972

Satztechnik Klebsatz

Die Aufträge für die Druckfarbenfabrik G.  et P.  Brancher Frères haben uns sehr viel Spass gemacht. Bereits 1960 waren wir im internen grafischen Atelier bei Deberny &  Peignot für die Firma tätig. ­Pierre Brancher und Charles Peignot waren befreundet. Kurze Zeit nach meiner Selbständigkeit 1961 wurde Brancher dann unser Kunde. Wir gestalteten während vielen Jahren regelmässig Drucksachen für die Pariser Firma /06/. Louis Brancher übernahm 1880 die Fabrik und wählte als Fabrikzeichen den Bienen­stock als Symbol einer familiären, aktiven Gemeinschaft, die ein Qualitätsprodukt er­­­zeugt. Der Bienenstock war realistisch dargestellt und wurde sehr lange in kaum veränderter Form ­verwendet. 1958, über hundert Jahre nach der Firmengründung, findet man das Signet mit dem Bienenstock noch im Briefkopf /03/. Das Signet schien geradezu nach einer Stilisierung zu rufen, was denn auch 1960 geschah /04/. Pierre Brancher, zu dieser Zeit der Firmeninhaber, erklärte mir bei der Überarbeitung, dass ihm die Aspek­te von Qualität und Fleiss sehr wichtig seien. Ich fand den Vergleich von Bienenfleiss, edlem Honig und guter Farbe gar nicht schlecht. 1971, nach dem Rücktritt von Pierre Brancher, übernahm dessen Sohn Guy das Unternehmen, doch die weitere Zusammenarbeit erfolgte vielmehr mit Olivier, dem Enkel von Pierre. Im Hinblick auf die Erweiterung des Unternehmens mit einem Fabrikneubau und Filialen im Ausland nahmen wir 1971 eine weitere umfassende Überarbeitung des Firmenauftritts vor /05/. Trotz der ­neuen Grösse sollte der familiäre Charakter des Unternehmens bestehen bleiben. Den Bienenstock behielten wir als Bild­marke bei, er wurde aber im Hinblick auf Farb­effekte nicht mehr linear, sondern flächig ge­stal­tet. Mir gefiel, dass man trotz der weiteren Stilisierung den Bienenkorb noch er­kennt. Da­nach suchten wir nach einer möglichst einheitlichen Verbindung von Bildmarke und Firmenname. Dabei tauchte der Gedanke auf, die an ein A ­erinnernde Form des Bienenstockes in eine Wortmarke zu integrieren. Aus diesem Grund erhielten die ande­ren Buchstaben densel­ben ­flächigen Ausdruck. Durch die abgerundeten Ecken der Formen und die acht Farben ­wurde zudem die Assoziation mit zähflüssiger Druckfarbe angestrebt.1 Aus­gehend von meiner Wortmarke zeichnete Hans-Jürg Hunziker im Atelier nach und nach, je nachdem welche Buchstaben gerade für die verschiedenen Produkte­namen gebraucht wurden, die wei­te­­ren Versalien. Im Laufe einer dreijährigen, kontinuier­lichen Fortführung entstanden fast alle Buchstaben des Alphabetes, und es lag auf der Hand, dieses fertigzustellen. Am neuen Erscheinungsbild für Brancher war praktisch das gesamte Atelier beteiligt. So gestal­tete beispielsweise Bruno Pfäffli die Briefschaften /05/, Hans-Jürg Hunziker die Produkte­ verpackungen und ­Nicole Delamarre die Prospekte /06/. Zur Variierung der Gestaltung wurden neben der Schriftform nur elementare, geometrische Formen beigezogen. Die Farbdosen sind mit Wellen­linien versehen, Walzenprodukte durch Kreise angedeutet und Putzmittel durch Linear­kontraste. Allen Drucksachen, Produkten und dem gesamten Werbematerial konnte so eine Einheit und ein ein­deutig wiedererkennbares Erscheinungsbild verliehen werden. 230

F i r m e n s c h RI F T

Hersteller – Atelier Frutiger  + Pfäffli

Schnitte 1

Eine Schrift, dickflüssig wie Honig In der Erinne­ rung der Kunden hat sich die über hundertjährige Verbin­ dung von Bienenkorb und Brancher mit dem Begriff von Arbeitsfleiss und den Halbflüssigkeiten Honig und Druck­ ­­farbe verknüpft. In einem 1975 ver­­­fass­ten Manuskript von Horst Heiderhoff heisst es zudem: «Diese Tatsache be­ wog bei einer ersten Neu­gestaltung des Firmen­zeichens 1960 die Beibehaltung des Bienenstockes, wenngleich die Assoziation zu­­nächst etwas ‹veraltet› er­schien. Bei näherer Überlegung überwogen jedoch die Vorteile des Bewährten, im Bewußtsein fest Verankerten, alle moder­ nistischen Gestaltungs­versuche, und es wurde am Bild ‹Bienenkorb› grund­­sätz­lich festgehalten.» 2 Diese Über­ arbeitung des Sig­­ne­­ts /04/ nimmt Fruti­ger im in­ternen typografischen Atelier von Deberny & Peignot vor. Ge­­ mäss Adrian Frutiger besteht das Atelier nur etwa ein halbes Jahr, da den Kunden die Rechnungen zu hoch erscheinen. Frutiger kann in der Folge mit seinem neu gegründeten Atelier die Firma Brancher als Kunden über­ ­nehmen. Unter anderem überarbeitet Bruno Pfäffli die Gestaltung der Produkteverpackungen /06/.3 Eine zweite Überarbeitung von 1971 umfasst zusätzlich zum Signet die Gestaltung einer achtfarbigen ­Wortmarke und sukzessive eines ganzen Majuskelalphabets. Es ist Adrian Fru­ti­ger’s fünfte Firmenschrift und die vierte in einer Reihe formverwandter Schriften. Gemeinsames Merkmal ­dieser vier Firmen­schrif­ten ist die ­rechteckige Grund­form mit den abgerundeten Ecken beim MajuskelO. Das gilt für den serifenbetonten Entwurf des Firmen­ alphabetes für Entreprises Francis Bouygues (siehe Seite 148) wie auch für die drei serifen­losen Schriften der Firmen EDF-GDF (siehe Seite 198), Facom (siehe Sei­ te 220) und Brancher.4 In Form und ­Proportion stimmt die Alpha­bet Brancher mit der Alphabet EDF-GDF nahe­ zu über­ein, sie ist aber deutlich kräftiger gestaltet und hat zudem bei allen Zeichen abgerundete Ecken. Der oben erwähnte Schriftstil kommt bei Firmenschriften Mitte des 20. Jahrhunderts häufig vor.5 In ihrer Anmutung wirken diese Grotesk sachlich, kühl, robust und beständig. Her­­aus­­gestrichen werden damit die techni­schen und in­­dus­triel­len Aspekte eines Unter­nehmens. Die ‹familiäre› Kompo­nente bleibt bei Brancher durch die kon­se­quente Anwendung der Wortmarke auf Fassa­de, Schildern, Tür­ griffen, Arbeitskleidern und sogar auf dem Geschirr für die Gäste dennoch erhalten.6 Heute wird die ­Wortmarke modifiziert verwendet, das Alphabet nicht mehr.7

/01/

Der Signet-Entwurf, 1961 von  Bruno Pfäffl i für die Druckfarbenfabrik Brancher Frères gestaltet,  wird nicht ausgeführt.

/02/

Die abgerundeten Ecken bei den  Zeichenformen der Alphabet Brancher wecken die Assoziation  von zähfl üssiger Farbe.

03/

/04/

/05/

Signet der Firma Brancher Frères bis 1960 – Symbol einer familiären  aktiven Gemeinschaft, die ein  Qualitätsprodukt erzeugt.

Überarbeitung des Signets Bran  cher  Frères bei Deberny & Peignot –  Entwurf und ausgeführtes Signet  1960 von Adrian Frutiger.

In stark stilisierter, fl ächiger  Darstellung wird der Bienenstock  in die neue Wortmarke integriert –  Gestaltung von 1970.

/06/

Adrian Frutiger’s Signete  von 1960 (links) und 1970 (rechts)  in Anwendung – Inserate nicht  aus dem Atelier Frutiger.

/07/

Etiketten (links) von Bruno Pfäffl i  mit dem Signet von 1960 – Prospekt  (rechts) von Nicole Delamarre  mit der Alphabet Brancher. alPhaB eT B ranch e r

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Signete und Wortmarken

1   965   – 1971

Pierre Disderot Luminaires   Leuchtenhersteller  F - Cachan

Rencontres – Centre de Sornetan  Protestantische Vereinigung der Schweiz  CH - Lausanne

Totem  Public-Relations-Agentur  F - Paris

Caisse Nationale de Retraite   des Ouvriers  Nationale Rentenkasse   für Arbeitnehmer  Frankreich

Euralair  Private Fluggesellschaft  F - Le Bourget

Tissages Normands Réunis  Hersteller von Polstermöbelstoff  F - Paris

Boutique du Palais Royal  Geschäft für Luxusartikel   F - Paris

Laboratoires Peloilles  Hersteller von Pharmazeutika  F - Paris

Hadlaub Verlag Buchverlag  CH - Winterthur  Gestaltung: Bruno Pfäffli

Evangelische Gesellschaft des Kantons Bern Christliche Organisation  CH - Bern

Traduction Œcuménique   de la Bible – Édition du Cerf  Verlag  F - Paris

Banque Européenne d’Investissement  European Investment Bank  B - Brüssel  Gestaltung: Bruno Pfäffli

Demy Frères  Hersteller von Betonsilos  F - Paris

Bull-General-Electric  Computerhersteller  F - Paris

jet-guide  Zeitschriftentitel für Air France F-Paris Entwurf nicht realisiert

Brancher Frères  Druckfarbenhersteller  F - Paris

Piktogramme für die   Flugpläne der Air France  Frankreich

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Sig n ete U n d worTmar ke n

Grif – Société Filiale du Groupe Prache   Konzeption und Realisation   von Unternehmenspublikationen  F - Paris  Gestaltung: Bruno Pfäffli

Inodep – Institut Œcuménique   pour le Développement des Peuples  Oekumenisches Institut für die Entwicklung der Völker  F - Paris 

mills  Unternehmen für Baugerüste  F - Le Bourget

Schriftherstellung

F   otosatz Linofilm

Iridium Seite 234 Frutiger Seite 250 Univers Cyrillic Seite 103 Glypha Seite 268

Mit der 1954 vorgestellten ‹Linofilm› hat die ameri­ kanische Mergenthaler Linotype Company eine Foto­ setzanlage entwickelt, die sich von der bisherigen maschinellen Zeilengusstechnik verabschiedet. Das Linofilm-System besteht aus vier Teilen: dem Taster /01/, dem Fotoautomaten /02/, dem Korrekturgerät /03/ und dem Composer /06/. Der Linofilm-Taster umfasst eine elektrische Schreib­ maschine mit Spezialklaviatur /01/ und zwei Schalt­­ tafeln, die im Zugriff auf das Lochband Be­­fehlsstruk­ tu­ren an den Fotoautomaten übermitteln. Ferner ist oberhalb der Schreibmaschine eine Einheitenskala angebracht, und zu jeder Schrift gehört eine Dickten­ karte mit aufgedruckten Schaltungen. Der Linofilm-Fotoautomat überträgt den getas­te­ten Text seitenrichtig positiv auf fotografischen Film oder lichtempfindliches Papier. 18 auswechselbare Schrift­ rahmen (Grids) /04/, welche die Negative der je 88 Zeichen /05/ enthalten, stehen gleichzei­tig zur Ver­ fügung. Um die möglichen Schriftgrössen von 6 bis 36 pt zu be­lichten, sind drei Grids notwendig. Inner­

halb eines Grids erfolgt die Einstel­lung der Schrift­ grössen durch den automatischen Wechsel des Lin­ sensystems. Eine Elektronenblitzröhre löst 12 Belich­ tun­gen pro Sekunde aus. Das ergibt eine theo­retische Leistung von 43 000 Zeichen pro Stunde. Der für das eingelegte Lochband vorgesehene Grid wird automatisch genau an seinen Platz am Lin­­sen­ system gebracht und dort bis zum Ende des Bandes oder bis zu einem eventuellen Schriftwechsel festge­ halten. Für das Anwählen der einzelnen Buch­sta­ben sorgt das Linsensystem mit dem Ver­schluss. Dieser besteht aus acht Metallplatten mit gegenseitig ver­ schlüsselten Öffnungen, die sich waagrecht und senk­ recht verschieben und dabei immer nur einen Buch­ staben freigeben. Aber erst durch den hinter dem Schriftrahmen liegenden, vom Lochstreifen gesteuer­ ten Verschluss wird der jeweils getastete Buchstabe durchleuchtet und auf das lichtempfindliche ­Material projiziert. Durch einen beweglichen Spiegelreflektor können die Buchstaben mit ihrer jeweiligen Dick­­te nebeneinandergereiht werden.

Der Linofilm-Korrektor /03/ nimmt einen Grossteil seiner Verrichtungen automatisch vor. Grundlage da­ ­­für bildet die Registerlochung, die im Fotoautomaten /02/ bei der Belichtung jeder Zeile ausgestanzt wird und bei jeder Schriftgrösse genau übereinstimmt. Das Her­aus­stanzen der fehlerhaften Zeilen und das Einschweissen der Korrekturzeilen bewirkt kei­­ne Ver­ ­dickung des Filmmaterials. Der Linofilm-Composer /06/ ist das letzte Glied des Sys­tems. In ihm lassen sich die Schriftzeilen zwischen 4 und 216 pt stufenlos verkleinern und vergrössern und auf eine Satzbreite von 90 Cicero bei beliebiger Höhe platzieren. Die Ver­grösserung bzw. Verkleine­ rung beispielsweise für Anzeigen oder Akzidenzen erfolgt mithilfe be­­weg­licher Spiegel. Negativhalter, Linsen und Film­ebene bleiben unbewegt. Die Schrift­ grösse und der Stand zeichnen sich auf einem durch­ scheinenden Layoutbogen ab, der dabei wie eine Mattscheibe wirkt und auf dem das Bild von hinten aufgespiegelt wird.

/01/

/02/

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Das Tastgerät des Fotosetzsystems Linofilm mit der Kontroll­einheit (links) und den Leuchttasten für die Schriftwahl (rechts).

Der im Lochstreifen gespeicherte Text wird im Linofilm-Fotoautomat auf fotografischen Film oder lichtempfindliches Papier belichtet.

Fehlerhafte Stellen im Film   schneidet der Linofilm-Korrektor aus und schweisst dafür den richtigen Text ein.

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Der Linofilm-Composer ermöglicht, Schriftzeilen zu skalieren,   schrägzustellen und horizontal wie vertikal zu verschieben.

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Das drehbare Schriftenmagazin der Linofilm bietet Platz für   den gleichzeitigen Zugriff von   18 Schriftrahmen (Grids).

Ein Grid besteht aus einem   Metallrahmen mit Glasplatten­­-  negativ – darauf enthalten   sind 88 Schrift­zeichen.



s c h RI F T h e r s t e l l u n g

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Schriftname Iridium

Auftraggeber D. Stempel AG

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1972  | 1972

Satztechnik Fotosatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – D. Stempel AG | Linotype – Linotype

Schnitte 3 3

IR IDIUM Die Iridium ist mein erster Schriftentwurf für die D. Stempel AG und war 1972 eine der ersten speziell für den Fotosatz in Auftrag gegebenen Schriften dieser Firma. Die Zusammenarbeit begann aber bereits früher: Nach meinem Vortrag über die OCR-B auf dem ATypI-Kongress in Paris 1967 lud mich Walter Greisner nach Frankfurt ein. Er, Walter Cunz und Heinrich Vallée, alle in leitenden Positionen bei Stempel, fragten mich im Hin­blick auf meine Erfahrungen beim Entwurf der OCR-B sowie der Fotosatz-Schriften für die Lumitype an, ob ich nicht interessiert sei, beim Aufbau ihrer Schriftträgerfertigung zu helfen. Sie wollten einen Beratervertrag mit mir machen. Es stand fest, dass ich für meine Arbeit eine Heimat brauchte, und ich sagte mir, wenn es nicht Paris ist – was mir das Liebste gewesen wäre –, dann ist es halt Frank­ furt am Main. Als wir den Vertrag abgeschlossen hatten, flog ich erst einmal nach Amerika, um mir die Schriftfertigung bei Mergenthaler Linotype anzuschauen. Ich blieb vier Tage drüben. Der künstlerische Leiter Mike Parker und Matthew Carter haben mir alle Türen aufgemacht. Dieses Vertrauen hat mir gut getan. Eine Firma, die Vertrauen in mich hat, war für mich die Grundlage von allem. Es gab auch andere in Amerika, die mit mir zusammenarbeiten wollten; einer wedelte mit einem Scheck vor meiner Nase. Das kam mir richtig stinkig vor. Hingegen bei Stempel lief alles sehr anständig. Als ich von Amerika zu­rückkam, machte ich einen Plan, wie man vorgehen könnte, weil in Frankfurt die ganze Ab­­teilung für Schriftträgerfertigung erst aufgebaut werden musste. Die D. Stempel AG stellte Handsatzschriften her und fertigte seit dem Jahr 1900 exklusiv für Linotype die Zeilenguss-­Matrizen für den europaweiten Vertrieb.1 Als Linotype in Deutschland ab 1967 2 auch Fotosetzmaschinen konstruierte, fiel die Produktion der Schriften ebenfalls in den Aufgabenbereich von Stempel. Walter Greisner war dafür zuständig. Als ich da­­zukam, wur­de gerade die von einem Ingenieur der amerikani­schen Mergenthaler Lino­type neu kon­ stru­­ierte Kamera aufgebaut – ein Riesenmonstrum. Als Fundament diente ein drei Meter langes Stück Granit.3 Die Brennweite dieser Kameras damals betrug mehrere Meter. Das Umsteigen von der einen auf eine andere, neuere Technik hatte ich bei der Lumitype bereits miterlebt. Bei Stempel lief es nun ähnlich. Grundlage waren die seit einem halben Jahr­ hundert verwendeten Originalzeichnungen, die als Vorlagen für die Schablonen und Stempel der Linotype-Matrizen dienten. Von diesen galt es, Negative für den Fotosatz zu erstellen. Die grösste Schwierigkeit bestand darin, die Schrif­­ten auf 18 Einheiten zu bringen. Auch die Ak­­ zente für den europäischen Markt bereiteten uns viel Kopfzerbrechen, denn das automatische Zentrieren war im Gegensatz zur Lumitype hier nicht möglich. Überhaupt war die Lumitype der Linofilm weit voraus. Die frühe Zeit bei Stempel war ein richtiges Leiden für mich! Die ersten Fotosatz-Adaptionen bei Stempel waren Schriften, welche im Handsatz als auch im Maschinensatz zur Verfügung standen wie zum Beispiel die Palatino von Hermann Zapf. Weiterentwickelt zur Aldus war sie eine der meistgebrauchten Schriften in Europa und 234

W E R K S AT Z s c h R I F T

Herleitung der Iridium Das Wort ‹Iridium› ist vom griechischen ‹iris›, zu deutsch Regenbogen, abgeleitet. Es bezeichnet ein chemisches Element und ist ein silber­ weisses, sehr har­tes, sprödes Edelmetall aus der Gruppe der Platinmetal­le so­­wie das chemische Element mit der höchsten Dichte. Resistent gegenüber chemi­schen Säu­ ren, fin­det es meist bei Apparaten und Gerä­ten als här­ ten­der Zu­satz in Platin Verwendung.4 Den Namen 5 für diese von Adrian Frutiger entworfene Foto­­satzschrift hat Walter Greisner passend gewählt. Die Iridium ist eine edle Schrift, welche resistent ist gegen die äusseren Einflüsse des damals kalt (wegen des feh­ lenden Giessprozesses) und hart (wegen der gestochen scharfen Reproduktionen der Schriftzeichen) genannten Fotosatzes. 1972 von der D. Stempel AG für die Schriftträger der Lino­ type-Fotosetzmaschinen gefertigt, wird die Iridium auch für den Einsatz auf Linotype-Zeilengiessmaschinen vor­­ geschlagen. Denn obwohl ab 1968 bei Stempel die Ferti­ ­gung von Fotosatzschriftträgern aufgebaut wird, blei­bt das Giessen von Bleilettern und Linotype-Matri­zen wei­ terhin ein wichtiges Geschäftsfeld.6 Auch bei Linotype läuft das Geschäft gut; die Nachfrage an Zeilengiessmaschinen besteht in Europa weiterhin. Beim Fotosatz hat Linotype in Europa ebenfalls einigen Erfolg zu verzeichnen. Im ‹Deutschen Drucker› vom De­ ­zember 1970 findet sich ein Bericht über die Linotype GmbH und deren Verkaufsrekord bei der Einführung der ersten, in Deutsch­land gefertigten Fotosetzmaschine ‹Linofilm Europa›.7 Die Iridium fristet, obwohl auf die verschiedenen Foto­ setzmaschinen von Linotype adaptiert, lange Zeit ein Schattendasein, bis sie 1993 mit der endgültigen Einstel­ ­lung des Lichtsatzprogramms ganz verschwindet. Wal­ter Greisner resümiert im Gespräch, dass die Iridium wohl mehr Erfolg gehabt hätte, wenn sie auch für die Zeilen­ giessmaschinen herausgekommen wäre. Bei Linotype sei jedoch der Helvetica und der Syntax der Vorzug gegeben und die Iridium wegen Mangel an Kapazitäten zurück­ gestellt worden.8 Erst 2002 wird sie im Zuge der Entscheidung von Lino­ type, alle Schriften Adrian Frutiger’s herauszubringen, als Post­Script-Font zur Verfügung gestellt.

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Nach 1972 zeichnet Adrian Frutiger zum normalen Schnitt der Iridium zusätzliche Kapitälchen und Mediävalziffern.



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in Deutschland war fast jedes Taschenbuch aus der Aldus gesetzt. Für die Adaptionen hatten wir nicht viel Zeit, denn die neuen Maschinen brauchten sehr schnell eine Auswahl an Schriftträgern. Nicht nur Hermann Zapf’s schöne Schriften haben da leider sehr gelitten. In meinem Eifer kam ich gar nicht auf die Idee, ihn beizuziehen; es gab Zwistigkeiten, was unsere Freundschaft sehr belastete. Auch die Adap­­tion der Univers war ein Problem; man wollte sie direkt von der Lumitype übernehmen, das funktionierte aber wegen der 36 Einheiten nicht, also muss­ ­­te ich alles um­­zeichnen. Ausserdem war es notwendig, die kursiven Schnitte in 12° an­­statt 16° anzulegen, denn die gleichen Zeichnungen für den Fotosatz wurden auch für den Zei­­lenguss ge­braucht, und für die Belegung der Zeilengussmatrizen wäre sie sonst zu breit gelaufen.9 In den ersten ein bis zwei Jahren wurden die Belichtungsvorlagen, Friskets genannt /05/, bei mir im Atelier von meinen Mitarbeitern hergestellt, bis die Abteilung in Frankfurt fertig aufgebaut war. Das Einrichten ging aller­dings zügig voran, und bald hatten sie es viel rationeller als wir in Paris. Die Zeichner bekamen zum Beispiel drehbare Leuchttische. Das Schneiden der Friskets aus Rubilithfolie 10 war somit viel komfortabler als bei uns, wo alles auf einem normalen Tisch gemacht wurde. Eine Situation ist mir noch eindrücklich in Erinnerung: Wir sprachen bei Stempel über die Anpassung der Baskerville für den Fotosatz. Sie hatten im Bleisatz die so genannte OriginalBaskerville Antiqua; ich schlug vor, die Zeichnungen von der Lumitype-Baskerville zu nehmen. Daraufhin erklärte man mir, dass in meiner Lumitype-Baskerville ‹zu viel Frutiger› drin wäre. Mir ging da ein grosses Licht auf. Das war vollkommen richtig. Bei der Arbeit für Lumitype hatte ich wirklich die Tendenz, alles über den Frutiger-Leisten zu schlagen. Eigentlich war ich kein guter Adaptor klassischer Schriften, aber das habe ich erst spät bemerkt.

Die edle Form in der Schrift «Machen Sie die schönste Schrift, die Sie können.» Nach dieser Aufforderung von Walter Greisner heraus entsteht die Iridium-Antiqua, ge­ ­mäss Erich Schulz-Anker eine spezifische Fotosatzschrift auf klassizistischer Basis.11 Die Einteilung in diese Klassi­ fikationsgruppe ist aber keineswegs eindeutig. Charakteristisch für die klassizistischen Schriften sind die feinen Serifen /03/ und Anstriche sowie der starke Strich­ kontrast. Dieser ist bei der Fotosatzschrift Iridium nicht be­­sonders stark ausgeprägt, um der Gefahr entgegen­ zutreten, dass sie im Offsetdruck zu dünn druckt, zumal die Reproduktionsvorlagen nur in einer Design­­­grösse für alle Schriftgrade gefertigt wer­den.12 Ein weiteres Merkmal klassizistischer Schriften sind die angeglichenen Breiten der Majuskeln. Hier aber beschrei­ tet Frutiger’s Iridium den Weg einer Barock-Antiqua mit differierenden Breiten /06/. Auch die Schat­ten­achse ist nicht ausgesprochen vertikal betont und die Bogen­­form zum Beispiel beim Minuskel-e nimmt eine halboffene Stel­­lung ein /07/. Zudem weisen die runden Formen eher weiche, vermittelnde Übergänge zwischen den Grundund Haar­­strichen auf. Hin­­gegen sind die ausformulierten Trop­fen­for­men ein typi­sches, jedoch kein zwin­gen­des Merk­­mal einer klassi­zisti­schen Antiqua /09/. Im Gegensatz zum normalen Schnitt mit der aufrechten Schattenachse und den damit einhergehend statischen Bogenformen bei b d p q /10/ weisen dieselben Buchsta­ ben in der Kursive eine asymmetri­sche, ­dynami­sche Form

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Darstellung einer klassizistischen Schrift – Handsatz im Buchdruck, Fotosatz im Offsetdruck sowie im Rastertiefdruck.

Vergleich der Serifenformen – Barock-Antiqua Baskerville (links), klassizistische Schriften Bodoni (Mitte) und Iridium (rechts).

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Die Iridium (unten) wirkt geschlossener als die Baskerville (oben), aber offener und geschmeidiger als die Bodoni (Mitte).

charakteristischen Merkmale einer klassizistischen Form durch die reproduktionstechnische Bearbeitung besonders für den Offsetdruck nicht verändern dür-

charakteristischen Merkmale einer klassizistischen Form durch die reproduktionstechnische Bearbeitung besonders für den Offsetdruck nicht verändern dürcharakteristischen Merkmale einer klassizistischen Form durch die reproduktionstechnische Bearbeitung besonders für den Offsetdruck nicht verändern dür-

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Basierend auf den Konturzeichnungen schneidet Adrian Frutiger die Iridium freihändig in den reproduktions­fähigen Maskierfilm.

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auf. Eine Verwandtschaft ist bei den kursiven Minuskeln, also sogar zur Grup­­pe der Renaissance-Antiqua und zur Méridien, gegeben /15/. Obwohl die Iridium Merkmale verschiedenster Stilrich­ tungen in sich vereint, wirkt das Schriftbild ausgewogen und natürlich. Alle Formen und Gegenformen stehen in einem harmonischen, selbstverständlichen Miteinander, die Schrift scheint von innen her­aus zu leuchten. Frutiger wählt, wenn es um die ‹schönste Schrift› geht – etwas anderes hätte auch überrascht –, den taillierten Abstrich. Ein Merkmal, das in den meisten seiner Serifenschriften vorkommt. Die Basis der Serifen ist konkav geformt und die Anstriche haben einen leichten Schwung. Wie immer weisen seine Zeichen eine klare, offene, schlichte Form auf. Und doch ist vieles anders als bei den voran­­gegan­ genen Serifenschriften. In der Iridium zeigt sich ein for­ maler Reichtum wie bei keiner seiner früheren Schrif­ten. Erstmals überhaupt wählt Frutiger beim Majuskel-J die Tropfenform /08/ und löst sich damit vollständig von seiner bei der Méridien formulierten Abneigung gegen Tropfen­formen, was bei der Opéra nur in den Minuskeln der Fall ist. Das strikte Prinzip der Méridien ist bei der Iridium endgültig einer natürlichen Grosszügigkeit und Gelassenheit gewichen. Leider aber fehlen die Kapitälchen und Mediävalziffern /01/ im Digitalfont dieser geschmeidi­g eleganten Schrift, und nicht immer wird die beste Form der verschiede­nen Fotosatzversionen übernommen /20/.

Während des Umzeichnens der bestehenden Schriften kam man auch bei Stempel auf die Problematik der klassizistischen Schriften im Fotosatz zu sprechen /02/. Bei Walter Greisner ent­­stand bald der Wunsch nach einer ‹richtigen›, eigens für den Fotosatz gezeichneten Schrift. Er kam zu mir und sagte: «Machen Sie die schönste Schrift, die Sie können.» Einen Namen hat­ te er auch schon: Iridium – wie das kostbare Edelmetall, das noch seltener als Platin ist und übrigens auch widerstandsfähiger. Er wollte nicht ausdrücklich eine klassizistische Antiqua, sondern eine edle, besonders angenehm lesbare, schöne Schrift. Gleichwohl hat die Iridium starke klassizistische Anklänge. Sie ist jedoch nicht so hart wie die Bodoni. Bei der Lumitype ist ja aus dieser Problematik die Egyptienne entstanden, welche aber nie ein Ersatz für eine klassizistische Schrift war. Die Frage lautete: Wie weit geht die Bezeichnung ‹klassizistisch›? Ich habe Entwürfe gemacht und oft das Gespräch mit Greisner gesucht. Vielleicht ist das Prob­ lem der klassizistischen Schriften im Fotosatz in Deutschland nicht so ausgeprägt gewesen wie in Frankreich, weil man sie in Deutschland nicht so viel gebraucht hat.13 Wir zeichneten die Iridium in meinem Atelier, verkleinerten die Buchstaben fotografisch, fügten sie zu Probetexten zusammen und prüften die Ergebnisse. Am Ende machten wir mit Blei­­stift eine grosse, saubere Konturzeichnung von jedem Zeichen /01/. Bei der Zurichtung hal­fen die Spezialisten von Stempel. Dort habe ich noch für ein paar Jahre Arthur Ritzel, den Leiter der Schriftenabteilung, miterlebt. Das war ein richtiger Diktator, aber er kannte sich ausser­ ordentlich gut mit Schrift aus; er besass auch ein untrügerisches Auge für die exakte Zurichtung einer Schrift. Von der Iridium sind noch Bleistiftzeichnungen auf Transparent­papier vor­­handen mit Korrekturen und der Unterschrift von ihm /22/. Er war fast schon überpingelig, ‹Tüpflischiisser› sagen wir in der Schweiz, da ging es um Hunderts­telmillimeter; oft genug

/06/

/07/

Die Iridium (rechts) greift die Proportionen der Barock-Antiqua Baskerville (links) auf, nicht jene der klassizistischen Bodoni (Mitte).

Der Bogenauslauf beim e und der Bogenverlauf beim n vermitteln bei der Iridium (rechts) den Eindruck einer Barock-Antiqua (links).

MORS MORS MORS eon eon eon /08/

/09/

/10/

Erstmals gestaltet Frutiger eine Schrift mit Tropfenform beim J, die geschlaufte Form beim kursiven k jedoch verwirft er.

Die bei der Baskerville noch zurück­ haltende Tropfenform ist bei klassizistischen Schriften wie Bodoni und Iridium ausgeprägt (v. l.n.r.).

Anders als die Baskerville (links) weisen die Bodoni (Mitte) und die Iridium (rechts) beim Minuskel-b einen Endstrich auf.

J k

acj  acj  acj bpq  bpq  bpq

/11/

/12/

/13/

Vergleich zwischen der Baskerville, Bodoni, Walbaum und Iridium (v. l.n.r.) – atypisch für Frutiger ist der horizontale Steg beim K.

Wie üblich sind die beiden S im Regular-Schnitt formal gleichartig, im Italic-Schnitt erhält das Minuskel-s jedoch Tropfenformen.

Ausser bei p und q haben die Unterlängen der kursiven Iridium eine Tropfenform, dies gilt auch für die Ligaturen.

K  K K K

SsSs

f j y fi  fl  ß

/14/

/15/

Im Vergleich ist die Kursive der Baskerville am schwungvollsten, die Bodoni etwas weniger und die Iridium am zurückhaltendsten.

Eher an die Méridien als an die Baskerville oder Bodoni angelehnt sind die asymmetrischen Punzen bei p und q der Iridium (v. l.n.r.).

nz nz nz

pq  pq  pq  pq

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war ich mit seinen Vorschlägen nicht einverstanden. Über die fertige Zeichnung legte ich eine Rubilithfolie und schnitt die Friskets auf dem Leuchttisch aus /05/. Dies machte ich freihändig, um der gestochen scharfen Reproduktion des Fotosatzes etwas entgegenzusetzen. In die Iridium ist, wie bei manchen anderen Schriften auch, einiges Herzblut mit eingeflossen. Ich habe wirklich alles daran gesetzt, eine schöne Schrift zu machen. Die Grundstriche schwellen fast unmerklich an und ab, der Fuss der Serifen ist ganz leicht gewölbt. Die Weiten der Versalien, die im klassizistischen Stil normalerweise einander angeglichen sind, werden hier behutsam harmonisiert. Das M habe ich breit gezeichnet, aber die Spitze nicht bis unten gezogen – es ging mir einmal mehr um die Einheit in den Innen- und den Zwischenräumen /06/. Aus diesem Grund konnte ich auch beim K meine typische Version mit dem freistehenden Winkel nicht verwenden. Die Bodoni hat zwar diesen Winkel, der an den Stamm herankommt, aber der Nachteil ist, dass die Innenformen sehr eng werden. Bei der Iridium ist er stattdessen durch einen kurzen Querstrich mit dem Stamm verbunden, so entstehen grössere Binnenräume /11/. Die Walbaum hat einen ähnlich angesetzten Winkel. Sie ist überhaupt eine wunderschöne Schrift. Wenn man nach Vorbildern sucht, dann wäre die Walbaum für mich ein schönes Vorbild; nicht in den Einzelheiten, sondern eher im Gesamtbild. Bei der Iridium stand trotz allem nicht die Technik des Setzens und Belichtens im Mittelpunkt. Es ging in erster Linie darum, eine schöne, erlesene Schrift zu gestalten, die Technik kam als Zweites. Sie ist stabil und grazil zugleich und für eine klassizistische Schrift weich und lebendig. Man sieht es nicht unmittelbar, aber man fühlt es sofort. Das liegt begründet in ihrem gesamten Aufbau. Alles spielt hier miteinander. Die Schrift wirkt als Ganzes, nicht durch Einzelheiten. Ich finde sie schön, wenn ich sie jetzt so sehe.

D. Stempel AG Neben dem Schriftguss für den Hand­ satz und der Fertigung von Zeilenguss­Matrizen für den Linotype­Maschinensatz in Europa 14 unterhält Stempel ab 1967 ein weiteres erfolgreiches Standbein: die Schrift­ herstellung für Foto­ und Digitalsatz.15 Oft werden die Schriften für mehrere Satzverfahren erstellt. Seit 1963 lei­ tet Arthur Ritzel 16 die Schriftenentwurfs­Abteilung und die Stempelschneiderei. Mehrfach weilt er zudem wegen der Schriftträgerherstellung in den USA. Die Initiative zur Herstellung von Fotosatz­Grids kommt 1967 von Walter Greisner, dem neuen Vorstandsmitglied. 1973 übernimmt er von Heinrich Vallée den Vorstandsvor­ sitz, nachdem dieser vier Jahre zuvor den langjährigen Vorsitzenden Walter H. Cunz ablöst.17 Künstlerischer Leiter der D. Stempel AG ist von 1947 bis 1956 Hermann Zapf 18 gemeinsam mit Georg Kurt Schauer, ab 1950 auch mit Gotthard de Beauclair. Nachfolgender Leiter wird Erich Schulz­Anker. Mit dem Fachartikel zur Iridium-Anti qua /23/, abgedruckt in verschiedenen Zeit­ schriften, vermittelt er interessante Anhaltspunkte zu den Überlegungen dieser Fotosatzschrift.19 Wichtige Beiträge verdanken wir auch dem Zusammenwirken von Adrian Frutiger mit Horst Heiderhoff. Von 1963 bis 1976 ist dieser Assistent von Schulz­Anker und danach bis 1981 selbst künstlerischer Leiter.20 Es erscheinen mehrere umfang­ reiche Beiträge zu Frutiger’s gestalterischem Schaffen sowie das in der Originalausgabe dreibändige Werk ‹Der Mensch und seine Zeichen› /25/.21

/18/

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/20/

Das Verkürzen der Serifen innen beim U schafft Platz für die Trema im Fotosatz (Mitte) – im späteren Digitalsatz stehen sie darüber.

Differierende Positionierung der Punkte bei i und j – Linotron 505 (links), Linofilm VIP (Mitte) und PostScript (rechts).

Bogenformen bei f und j – Version Linotron 505 ohne Überhang (links), Version mit Überhang (Mitte) und PostScript-Version (rechts).

Ü

ij

ij

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Schriftmusterkatalog von 1980 der amerikanischen Mergenthaler Fotosetzmaschine VIP mit den drei Schnitten der Iridium.

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/21/

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‹Linotype Fotosatz Schriften›, Teil 1 – Broschüre der Mergenthaler Linotype GmbH mit der Iridium in drei Schnitten von 6 bis 48 pt.

Stark differierende Breiten beim Minuskel-a bei den Fotosetzmaschinen Linotron 505 (schwarz) und Linofilm Quick (blau).

Werkzeichnungen des Minuskel-f ohne Überhang bei der Linotron 505 (schwarz) und mit Überhang (blau) – Verwendung unbekannt.

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fj

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Figurenverzeichnis der Iridium im Fotosatz der Linofilm VIP von der D. Stempel AG.

     

/25/

Buchumschläge der dreibändigen Originalausgabe ‹Der Mensch und seine Zeichen› und Innenseite aus dem ersten Band mit Zeich­ nungen von Helena Nowak.

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Der Mensch und seine Zeichen Adrian Frutiger gibt seine Kenntnisse über Schrift in vielen Seminaren welt­ weit und im Unterricht an zwei Pariser Schulen weiter. Sein erstes Engagement führt ihn bereits 1952 auf Ini­ tiative von Charles Peignot an die École Estienne, die Be­­rufs­schule für das grafische Gewerbe, an welcher er bis 1960 Abendkurse in Schrift­­­zeichnen gibt. Sein zweiter Lehrauftrag, an der École Nationale Supé­ rieure des Arts Décoratifs, wird ab 1954 zu seiner wesent­ lichen Tätigkeit als Lehrer. Einen Nachmittag pro Woche unterrichtet er die Studenten in Grundlagen der Gestal­ tung, lehrt sie des Weiteren Schriftgeschich­­te, begleitet von Schriftschreiben nach Alfred Willimann’s Schule so­­wie Schriftzeichnen, und stellt in einem dritten Teil Zei­­chen und Symbole zur Be­trachtung – ein Themenbereich, der ihn besonders beschäftigt.22 1966 beendet Frutiger seine Lehrtätigkeit an der École Nationale Supé­rieure des Arts Décoratifs 23. Die ge­­sam­mel­ten Unterrichts­unter­lagen und Notizen wandern in eine Schachtel und werden weg­ gelegt. Als Frutiger die Schachtel eines Tages Horst Heiderhoff, dem künstlerischen Leiter der D. Stempel AG zeigt, ist die­­ser be­­geistert von Inhalt und Vielfalt des Materials, und so entsteht auf dessen Initiative hin 1978, 1979 und 1981 je ein Bu­­ch als Jahresgabe der D. Stempel AG. Im Ori­­ginal in der Iridium gesetzt /25/, wird diese in den Neu­­­­auflagen von der Linotype Centennial abgelöst so­­ wie die drei Bän­­de zu einem zusammengefasst.24

Font-Herstellung : Digitalisiert durch   Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Iridium ™ Linotype 3 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType

Regular

Italic

Bold

69 pt | –70

53 pt | – 30

35 pt | – 25

23 pt | – 20

15 pt | 20 pt | –10



10 pt | 13 pt | 0

8 pt | 10.2 pt | 5

6.5 pt | 8 pt | 15 I ri d i u m

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Schriftenvergleich Obwohl die Übergangs- oder Barock-Antiqua Photina, von José Mendoza y Al­­meida für Monotype ge­schaffen, und die klassizistische Antiqua Basilia, von Adrian Frutiger’s ehemaligem Mitarbeiter André Gürtler gestaltet, verschiedenen Klassifikations­ gruppen zuzuordnen sind, weist die Iridium Gemeinsam­ keiten zu beiden Schriften auf. Alle drei Schriften werden fast zum gleichen Zeitpunkt entworfen, André Gürtler stellt seine Basilia bereits 1970 in vier Schnitten für den Bleisatz der Haas’schen Schrift­ gies­se­rei fertig, jedoch kommt sie erst 1978 heraus, dann allerdings überarbeitet für den Fotosatz der Autologic Schweiz und USA.25 Die Photina, welche bei Monotype 1971 in den Schnitten roman und semibold erscheint, ist, wie ihr Name vermuten lässt, wie die Iridium eine spe­ ziell für den Fotosatz ge­schaffene Schrift. Die Photina besitzt eine geneigte Schattenachse, was der Schrift einen lebendigen Ausdruck verleiht. Einen solchen schafft Adrian Frutiger bei der Iridium durch die taillier­ten Abstriche. Die Basilia hingegen wirkt durch ihre gera­­de Schattenachse, die spitzen Halbserifen oder auch den rechtwinkligen Übergang der Serifen in den Stamm eher hart. Durch ihre Weichheit, welche nicht zuletzt durch den für eine klassizistische Schrift moderaten Strichkontrast so­ ­wie die subtilen Übergänge von Grundstrich zu Haarstrich in den Bögen hervorgerufen wird, ist die Iridium die ge­ schmeidigste der drei Schriften.

/26/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Iridium.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.91 Hs = 1.41 Hq = 0.53

nh = 6.34 cm nw = 5.67 ns = 1.20 nq = 0.70

oh = 6.75 cm ow = 6.47 os = 1.47 oq = 0.35

Hh : Hw = 1 : 0.79 Hw : Hs = 1 : 0.18 Hs : Hq = 1 : 0.37

nh : nw = 1 : 0.89 nw : ns = 1 : 0.21 nh : oh = 1 : 1.06 nw : ow = 1 : 1.14

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/27/

Die für eine klassizistische Schrift relativ starken Haarlinien der Iridium wirken dem Wegbrechen im Fotosatz entgegen.

Hofstainberg Photina José Mendoza y Almeida 1971

Hofstainberg Iridium Adrian Frutiger 1972

G J Ka b g n59 G J K a b g n  5 9 G breite Form,   Schaft mit   eckigem Übergang in Bogen

Hofstainberg Basilia André Gürtler 1978

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W E R K S AT Z s c h R I F T

J Bogen endet mit Tropfen

K Steg zwischen Stamm und Winkel

a Bogen endet   mit Tropfen, rechter Abstrich gebogen

b Stamm tailliert, Anstrich ansteigend

g n Ohr mit   dynamische Tropfenform, Form untere Punze   oval

59 Bögen enden   mit unterschiedlich grossen Tropfen­formen

G JKa bg n5   9

/28/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

Roman Bold Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00 

Hw 7.91 = 1 8.59 = 1.08 8.03 = 1.01

Hs 1.41 = 1 2.10 = 1.49 1.25 = 0.89

Hq 0.53 = 1 0.57 = 1.07 0.50 = 0.94

HH H 17°

/29/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−28

4.0

Photina 43.5 pt

133 106 64

6.6 10

−37

5.8

128 101 64

5.8

−35

5.5

Iridium 41.3 pt

HÔhxp7

1.00

5.4 10

HÔhxp7

1.00

134 108 70

10

Basilia 43.3 pt



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Schriftname Alphabet Métro

Auftraggeber Régie Autonome des Transports Parisiens ( RATP )

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1973 | 1973

Satztechnik Fotosatz Starsettograph

Der Direktor der RATP, Monsieur Ebeling, hatte mich angefragt, eine neue Schrift für die ­Pariser Métro zu entwerfen. Der Kontakt zu Ebeling kam über Paul Andreu zustande, mit dem ich ja schon für den Flughafen Roissy zusammenarbeitete (siehe Seite 224). Er war für den Umbau der Métro-Stationen zuständig und hatte etwas Neuartiges wie die Flug­hafenschrift im Kopf. Ich aber machte zuerst eine Studie zu den bestehenden Schriften und ging zum ersten Mal bewusst und mit einer Fotokamera ausgestattet durch die Métro. Normalerweise benutzte ich sie, ohne auf die Schrift zu achten. Nun fotografierte ich alle Hinweisschilder und hatte am Ende mit den etwa sechzig Aufnahmen eine richtig historische Abfolge beisammen. Rund fünf­zig verschiedene Schriften konnte ich ausmachen; viele unterschieden sich nur in Details und die meisten waren miserabel schlecht. Es kamen überwiegend schmale Groteskformen vor, in weisser Schrift auf blauem Grund /03/. In meiner Studie kam ich zu folgender Erkenntnis: Die Métro ist eine betagte Dame. Man darf sie nicht einfach in ein modernes Geschöpf verwandeln. Sie hat in mehr als hundert Jah­ ren einen Teil der Schriftentwicklung mitgemacht. Die Métro-Eingänge aus der Zeit des Jugend­ stils /01/ sind wunderbar und wurden ganz bewusst als Denkmal erhalten. Mir ging es daher um eine sanfte Erneuerung, Schritt für Schritt. Mit einer Maquette aus der Schrift Roissy und mit den Fotografien ging ich zur Sitzung der Arbeitsgruppe, deren Vorsitz Ebeling innehatte. Ich bat ihn, sich in einen Métro-Benutzer hineinzudenken. Er sollte sich vorstellen, wie es wäre, wenn plötzlich eine Métro-Linie aus der Roissy-Schrift gestaltet sei. Der Métro-Benutzer identifizierte sich doch mit den jeweiligen, seit Jahrzehnten bestehenden Stationsschildern und plötzlich erschien da – gleichsam über Nacht – etwas ganz Neues; mit Kleinbuchstaben und vielleicht noch in einer anderen Farbe. Das wäre doch ein Schock! Die Beschilderung des ganzen Netzes zu erneuern, würde ausser­ dem Jahre dauern, und für diese lange Zeit wäre der Benutzer durch zwei Signalbilder verunsichert worden. Dann machte ich einen ersten Entwurf, eine Maquette aus weissem Papier ausgeschnitten auf blauem Grund, angelehnt an die bestehenden Schilder. Ich schlug vor, eine sti­lis­tisch angepasste Modernisierung vorzunehmen. Der Direktor verstand meine Argumente. Ich erinnere mich noch an sein fröhliches Gesicht, als er in meinem Vorschlag zur behutsamen Erneuerung den positiven wirtschaftlichen Aspekt erkannte. Auf diese Weise konnte man auf das Budget für den Unterhalt der Métro zurückgreifen; wenn Tafeln kaputt gingen, würde man sie gegen die neue Version austauschen. Ich entwarf also ein Alphabet mit Grossbuchstaben, Ziffern und wenigen Sonderzeichen /06/. Zusätzlich gab es die Ligaturen LA, LT und TT. Die Farben wurden von den bestehenden Schildern übernommen: weisse Schrift auf blauem Grund für Stationsnamen und Hinweise wie Sortie, Départ und Ähnliches und blaue Schrift auf weissem Grund für die UmsteigeLinien /07/. Ich fertigte Blaupausen an und schnitt diese nach bewährter Manier auseinander, 244

S i g n a l i s at i o n ss c h R I F T

Hersteller – H. Berthold AG

Schnitte 1

Die Métro in London und Paris Rechtzeitig zur Weltausstellung 1900 wird die Pariser Untergrundbahn, genannt Métro, eröffnet. Sie ist nach den U-Bahnen von London (1863), Glasgow (1896) und Budapest (1896) die viertälteste U-Bahn Europas. In den aufstrebenden Städten (ausser in Glasgow, wo es technische Probleme zu bewältigen gibt) ist das neue Massentransportmittel von Anfang an ein voller Erfolg. Doch wie kommunizieren die Betreibergesellschaften mit ihren Fahrgästen, wie finden die Benutzer zur U-Bahn? London Underground markiert die Eingänge ihrer Stationen – ähnlich wie viele Firmen in England ihre Gebäude – mit monumentaler Beschriftung an den Fassaden.1 Erst unter der Leitung von Frank Pick, dem Geschäftsführer von Lon­­­­don Underground, entsteht 1908 ein visuelles Erschei­nungs­bild in Form des Kreislogos mit einem Querbalken, entworfen von Harold Stabler. 1916 überarbeitet Edward Johnston 2 im Auftrag von Pick das Logo und ent­­wirft zusätzlich die Sans-Serif-Schrift Johnston Rail­way Sans, welche, wie das Logo, mit nur wenigen Modifikationen bis heute im Einsatz ist.3 In Paris ist die Beschriftung der Métro Teil des architektonischen Gesamtkonzeptes. Die Eingänge zu den MétroStationen sind als optisches Signal im Stil der Zeit, des Art Nouveau, angelegt /01/. Die Schrift ist passend dazu im floralen Stil appliziert. Beide werden von dem Archi­ tek­ten Hector Guimard 4 entworfen, dessen künstlerisches Credo die untrennbare Einheit von Architektur, Möbeln und dekorativem Zubehör ist. Die Pariser Métro wird bis Anfang der 1930er Jahre zügig ausgebaut, und nach dem Zweiten Weltkrieg übernimmt die RATP (Régie Autonome des Transports Parisiens) deren Betrieb. Anders jedoch als in London, wo Schrift und Logo über lange Zeit tragende Säulen der visuellen Kommunikation sind, wird in Paris die Beschriftung wie auch die Gestaltung der Sta­­tionen je nach Architekt und jeweiliger Mode ausgeführt. Dies bringt ein Sammel­ surium an Beschriftungen und Bauten mit sich, welche jede ihre eigene persönliche Ausstrahlung hat. Zwischen den 1930er und 1970er Jahren wird, trotz steigender Bevölkerungszahl und starker Nutzung, die Métro vernachlässigt. 1971 sind Massnahmen unausweichlich. Es beginnt der Ausbau mit weiteren Linien sowie die Renovation der bestehenden Linien, unter anderen wird der Architekt Paul Andreu beigezogen und in dessen Folge auch Adrian Frutiger.

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Erste Beschilderung der Pariser Métro aus dem Jahr 1900 von Hector Guimard im Stil des Art Nouveau.

Wechsel zu konstruierter Grotesk – eckige Buchstabeninnenformen und abgerundete Aussenformen.

Schmale Grotesk mit enger Laufweite, Tafel aus einzelnen Kacheln zusammengesetzt.

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Die Métro-Beschilderung von Jean-François Porchez – erstmals mit Kleinbuchstaben – wird seit 1996 eingesetzt.

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Ab 1973 schrittweise eingeführte Beschilderung von Adrian Frutiger auf Basis der Univers.

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Figurenverzeichnis der Alphabet Métro inklusive Ligaturen, Ziffern, Akzent- und Satzzeichen.



Alphab et M É tro

245

klebte sie in der Höhe modifiziert wieder zusammen und korrigierte sie /11/. Davon fertigte meine Mitarbeiterin Brigitte Rousset die Reinzeichnungen an /13/. Sie war zwar keine gelernte Schriftzeichnerin, aber eine sehr exakte Person. Wenn man genaue Angaben machte, führte sie diese präzise aus. Die Métro ist ein Kompromiss aus einer Auswahl von Vorgänger-Schriften. In ihr steckt aber auch der Univers-Geist. Da konnte ich nicht über meinen Schatten springen. In der Weite liegt sie zwischen der Univers 67 und der 75 /10/, die Strichstärke ist geringfügig fetter als der 65er-Schnitt. Im Vergleich zur Univers sind M /10/ und W recht breit, denn in der negativen Schrift sollte es absolut keine weissen Verdickungen geben. Die Ziffern 6 und 9 zeichnete ich noch reduzierter und offener, weil es sich um eine Signalisationsschrift handelte /10/. Ich wollte eine gut lesbare und harmonische Ziffernreihe. Mein Entscheid, nur Versalien zu gebrauchen, fiel vor allem, weil die bestehenden Schilder ebenfalls nur aus Versalien gesetzt waren /02/03/. Die Stationen waren nach Orten, Monumenten oder Persönlichkeiten benannt, und die typisch französische Art, Eigennamen hervorzuheben, ist der Versalsatz. Ausserdem wollte ich die Fertigung möglichst einfach halten, denn die Arbeiter, welche die Schilder fabrizierten, hatten keine typografische Ausbildung. Ich habe gesehen, wie sie arbeiten, und überlegte, was ich machen könnte, um ihnen zu helfen, damit sie – nicht gedankenlos, aber mit Sicherheit – ihre Sache richtig machen. So entwickelte ich das gleichsam ‹narrensichere› Laufweitensystem mit der Dicktenleiste /09/: Unter jedem Zeichen befand sich eine Leiste mit einer Pfeilspitze nach links; ineinander geschoben, garantierte sie die richtigen Buchstabenabstände. Für kritische Buchstabenkombinationen bekamen L und T noch einen zweiten Pfeil /14/. Dann definierte ich die Vorgaben für den Wortabstand, den

Univers als Basis der Métro Aus einigen bestehenden Schriften des Pariser U-Bahn-Systems bildet Frutiger eine Synthese als Grundlage für die Erstellung der Alphabet Métro. So definiert er eine serifenlose, schmalfette Majuskelschrift in negativer Ausführung. Auf dieser Basis entscheidet er sich, einen Schnitt zwischen der Univers 67 und 75 zu gestalten /10/. Frutiger nimmt Blaupausen der Berthold-Univers 67, um seine Vorlagen zur Métro in bewährter Schneid- und Klebtechnik zu erstellen /11/. In einigen Punkten weicht die so entstandene Métro jedoch vom Univers-Original ab, zugunsten einer optimierten Lesbarkeit der Signalisationsschrift. Die Punzen von A G P R 4 5 sind grösser gehalten; die Punzen von 6 und 9 können durch den diagonalen Verlauf des Bogens grösser angelegt werden. Bei C und G sind die Bogenenden leicht verkürzt, wodurch die Zeichen offener wirken, die Diagonale der 7 ist leicht geschwungen. In den Winkeln gibt es stumpfe Einschnitte /12/, damit sie beim Emaillieren offen und klar in der Form bleiben. Der Strichstärkenkontrast ist bei C D G L M N X gegenüber der Univers verringert, während er bei A P R Y Z leicht erhöht ist. Interessant ist der Vergleich von M und N in Bezug auf die Verteilung des Strichstärkenkontrasts: In der Univers sind die Stämme kräftiger als die Diagonalen, bei der Métro verhält es sich genau umgekehrt /12/. Adrian Frutiger wählt hier die klassische Form der Proportionsverteilung, wie sie sich aus dem Schreiben mit der Feder ergibt.

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Signalisationsschilder in den Gängen der Métro – in positiver und negativer Anwendung, montiert auf Augenhöhe.

Konstruktionszeichnung des Pfeils, welcher passend zum Schriftbild gestaltet wird.

System für die Schilderfabrikation mit Dicktenleiste für korrekte Zeichenabstände.

MÉTRO

679

MÉTRO 679 /10/

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Univers 67 und 75, dazwischen die Alphabet Métro mit diagonalem Bogenverlauf bei 6 und 9 sowie geschwungener Diagonale der 7.

Blaupausen der BertholdUnivers 67 – zerschnitten und versetzt zusammengeklebt als Vorlage zur Alphabet Métro. /12/

NN

Die Diagonale im N der Alphabet Métro (links) ist kräftiger als die vertikalen Striche, bei der Univers 67 und 75 ist es umgekehrt.

246

S I G N A L I S AT I O N S S C H R I F T

Der Pfeil Ein wichtiges Zeichen bei der Ausgestaltung der Alphabet Métro ist der Pfeil /08/. Die drei Striche sind so aufeinander abgestimmt, dass sie optisch gleich stark wirken, jedoch sind die beiden Diagonalen zirka 7 % feiner als die Horizontale. Die Konzeption von Höhe und Länge des Pfeils basiert darauf, dass alle Pfeilecken (ausser der Spitze) in einen Zirkelschlag hineinpassen. Dieses Prinzip kann auch auf den Pfeil für die Alphabet Roissy (siehe Seite 228) angewendet werden. Beide Pfeile besitzen zudem horizontal beschnittene Diagonalen, passend zur lateinischen Schrift. Die so angeschnittenen Linien unterstützen die Richtung des Pfeils, das Zeichen bekommt grösste Klarheit. Frutiger gleicht die Proportionen der jeweiligen Pfeile der dazugehörigen Schrift an. So sind die Linien des Métro-Pfeils fetter und kürzer als jene des Roissy-Pfeils. Während der Métro-Pfeil auf Versalhöhe konzipiert ist, ist der Roissy-Pfeil in zirka eineinhalbfacher Versalhöhe dargestellt. Die Roissy-Tafeln hängen in hohen, weiten Hallen, die Lesedistanz ist grösser als bei den Schildern der Métro, welche in den Tunnelröhren, oft auf Augenhöhe, angebracht sind /07/. Ausserdem ergeben die Versalien und Gemeinen der Roissy-Signalisation ein offeneres und helleres Satzbild als die schmalfetten Versalien der Alphabet Métro. Das nötige Gegengewicht des Pfeils zur Schrift wird bei der Alphabet Roissy also durch die Fette und Grösse herbeigeführt, bei der Alphabet Métro reicht die Gewichtung durch die Fette.

Durchschuss und den Weissraum um die Tafel /15/. Vor Ort im Arbeitsraum zeigte ich den Mitarbeitern, wie man ein Panel komponierte; manchmal weilte ich tagelang dort, um sie zu unterstützen. Die Schilder sind aus Emaille – das ist immer noch eine französische Spezialität; beim Emaillieren gibt es die Tendenz zum leichten Verschwimmen beim Auftragen der Farbe. Ich wollte die klare Form aber auf jeden Fall erhalten. Deshalb gibt es in den Winkeln stumpfe Einschnitte, zum Beispiel bei B R oder der 8 /13/. Dieser Einlauf sollte nichts Ungefähres sein, sondern fest und klar bleiben, auch beim Kopieren oder, wie in diesem Fall, beim Emaillieren. Für die Métro ist Emaille das beste Material, wenngleich das Produkt teuer ist. So eine Tafel hält an die zwanzig Jahre, und sogar die Farbe der Sprayer kann wieder abgewaschen werden. Die Arbeit ging für mich dann noch weiter. In den Métro-Wagen ist im Inneren bei jeder Tür eine lange Tafel mit allen Stationsnamen einer Linie. Für solch kleine Texte habe ich bei Günter Gerhard Lange von der Berthold AG eine Schriftscheibe anfertigen lassen, damit die Schrift im Fotosatz gesetzt werden konnte. Insgesamt arbeitete ich etwa zwei Jahre an diesem Auftrag, und es war eine schöne Arbeit. Mitte der Neunzigerjahre hat Jean-François Porchez eine neue Beschilderung entwickelt /05/ mit Gross- und Kleinbuchstaben, etwas ganz Eigenes, Modernes. Sein Gedanke ist nicht falsch. Die Métro darf zeitgemäss sein. Vielleicht ist einfach auch die Epoche der Ehrfurcht gegenüber dem Historischen vorbei? Es mag zudem eine Frage des Alters sein: Als ich die Métro zeichnete, war ich um die 45; einem jungen Typografen, der jetzt einen neuen Weg geht, mache ich sicher keinen Vorwurf. Schade ist nur, dass die Schrift nicht so lesbar ist, wie man es von einer Kleinbuchstabenschrift erhoffen könnte.

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L und T erhalten für den Satz kritischer Buchstabenpaare einen zweiten Pfeil zur Angabe der Unterschneidung.

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Werkzeichnung von B und R – mit stumpfen Einschnitten in den spitzen Winkeln, damit die Zeichen in der Produktion nicht zulaufen.

Genaue Festlegung der Raumverteilung innerhalb einer Tafel, ausgehend von der Breite der längsten Zeile.

ALPHAB ET M ÉTRO

247

Schriftname Centre Georges Pompidou CGP

Auftraggeber Visual Design Association Jean Widmer, Ernst Hiestand

Gestalter Adrian Frutiger Hans-Jürg Hunziker

Entwurf  | Herausgabe 1974 | 1976

Satztechnik Anreibesatz Stanzbuchstaben Fotosatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Mecanorma – unbekannt – Linotype – André Baldinger

Schnitte 1 1 2 2

ALPHABET

CENTRE POMPIDOU Mein Auftraggeber für diese Schrift im Typewriter-Stil mit dem Arbeitsnamen Beaubourg war Jean Widmer 1 in Paris. Er hatte 1974 gemeinsam mit Ernst Hiestand 2 aus Zürich den Auftrag bekommen, für das neue Kulturzentrum in Paris an der Place Beau­­bourg /01/, wel­­­ches sich damals gerade im Bau befand, ein Erscheinungsbild zu entwerfen. Im Laufe der Bauarbeiten wurde es nach dem fran­zösischen Präsidenten in ‹Centre Georges Pompidou› umbe­nannt 3 wie auch die Schrift, welche dann Centre Georges Pompidou CGP hiess.4 Dass die Alphabet Beaubourg eine Schreibmaschinenschrift sein sollte, welche in vertika­ ler Zeilenanordnung platziert wird, stand von Anfang an fest. Diese beiden wichtigen Kriterien haben gezwungenermassen zu einigen Versuchen über die Lesbarkeit der Schrift ge­führt, um die optimale Form zu finden. Das Kriterium ‹lesbar› entsteht durch das Gefühl für eine bekannte oder vertraute Form. Weil die Vertikale betont ist, durften die Buchstaben nicht zu weit gesperrt sein, damit es eindeutige Wortbilder ergibt /03/. Der typografische Ausdruck einer Schreibmaschinenschrift bezieht sich auf die schnelle Kommunikation wie Adressen, Briefe oder Rundschreiben. Für das Initialprojekt wurde eine auf der IBM-Direction 5 geschriebene Schrift mit vier Einheiten benutzt /02/. Wenn eine solche Schrift mit all ihren Fehlern auf Signalisationsgrösse vergrössert, also aus ihrem Kontext ge­ rissen wird, erscheint sie obsolet. Bei der Realisation der Prototypen für die Schilder wurde uns diese Problematik bewusst, und es wurde entschieden, jeden Buchstaben auf seine indivi­ duelle Breite zu zeichnen, angepasst an seinen natürlichen Raumbedarf. Die Reinzeichnungen entstanden in meinem Atelier. Ich habe sie aber nicht selbst ausgeführt, sondern mein damaliger Mitarbeiter Hans-Jürg Hunziker. 1978, ein Jahr nach der Eröff­ nung des Centre schrieb ich: «Der erste Schritt war die Bestimmung der Strichstärke. Aus ver­ schiedenen Gründen wurde diese im Rahmen einer mageren Schrift festgelegt, denn entgegen der allgemeinen Annahme ist ein fetter Buchstabe nicht immer besser lesbar als ein magerer. Die vertikale Ausrichtung der Schrift hat eine starke Signalwirkung auf die Umgebung, es war nicht not­­wendig, eine Schrift zu suchen, welche sich durch ihre Fette auszeichnet. Das Alphabet Beaubourg er­scheint also wie eine Schrift mittlerer Stär­­ke, angelehnt an eine gute Schreibmaschinenschrift. Die Strichstärke wirkt gleichförmig. In der Realität aber werden die Horizon­ talen durch den Leser anders aufgenommen als die vertikalen Striche und aus dieser Tatsache ergibt sich der Wechsel zwischen An- und Abstrichen. Diesem Strichstärkenunterschied unter­ liegt die Konstruktion jedes Zeichens. Im Alphabet Beaubourg scheint dieses optische Gesetz aufgrund der vertikalen Leserichtung zu kippen, die Wahrnehmung der Fette ist leicht beeinträchtigt; eine minime Korrektur in diesem Sinne wurde bei der Ausführung des Alphabetes berücksichtigt. Das typografische Gesetz, welches eine optimale Lesbarkeit garantiert, ist jenes, bei dem das Weiss in den Buchstaben und das Weiss zwischen den Buchstaben in einer Kette von Gliedern zu einem harmonischen Ganzen wird.» 6 248

S i g n a l i s at i o n ss c h R I F T

Die Schrift Centre Georges Pompidou CGP Die Ent­ wicklung des Erscheinungsbilds für das Centre Geor­ges Pompidou beginnt mit einem Wettbewerb. Eingeladen werden etwa zwanzig Agenturen weltweit mit Er­­fahrung im Be­­reich Signalisation im öf­­fentlichen Raum.7 Das aus­ gewählte Projekt von Jean Widmer und Ernst Hie­stand sieht ein Erscheinungsbild ohne Logo 8 vor und den Ein­ satz einer Schreibmaschinenschrift als Sinnbild für schnel­ ­le Kommunikation, welche zudem der Einfachheit des Orien­­tie­rungssystems 9 angepasst ist /01/. Um den un­­ge­ wohnten Leseanforderungen optimal genügen zu kön­nen, wird als Spezialist Adrian Frutiger mit der Um­­set­zung dieses Alphabets betraut.10 Ausgangspunkt ist die Fine Line von IBM mit 4 Einheiten /02/. Je­­doch zeigen sich in grossen Grössen die Eigen­ heiten ei­­­ner Schreibmaschinenschrift be­­son­­­ders negativ, und so wird sie im Atelier Frutiger zur Pro­­portio­nal­schrift Centre Georges Pompidou CGP über­­­arbeitet /02/. Leicht fetter als ihr Original angelegt, sind die Serifen kürzer ge­­hal­ten und die Schrift ist in ihrer An­lage etwas weniger breit. Tabellenziffern er­­setzen die Minuskelziffern und es er­fahren einzel­ne Figuren wie 1 3 4 und 0 eine zu­­­sätz­li­che Modifikation in der Form /02/. Auch das g wird ge­­­­­ändert, es bekommt ei­­nen breiteren Bogen. Die für Fru­­­­ti­ger un­ ­typische Zeichenform des Q mit seinem ge­­­schwun­­­ge­nen Schweif, des R mit dem runden Abschluss des Spielbeins sowie G K und d werden hin­­gegen übernommen. Nach der Fertigstellung des Al­­pha­­­­­­bets 1975 wechselt der aus­ führende Schriftzeichner Hans-Jürg ­Hun­­­­ziker zum Centre Pompidou.11 Reingezeichnet in einer Grösse von etwa 25 cm (wie die IBM-Schrif­ten), wird die Alpha­bet CGP anfänglich foto­ grafisch auf die drei Grössen 95, 70 und 32 mm skaliert, welche im Orientierungssystem eingesetzt und im Sieb­ druck auf die Panels übertragen werden. Die später in Stanzform hergestellten Klebbuchstaben erlauben die direkte Übertragung der Beschriftung auf die Panels. Für Prospek­te und Klein­druck­sachen werden anfänglich Anreibe­buch­staben 12  in Versalhöhen von 5, 8 und 13 mm /04/ verwendet. 1975 zeichnet Hunziker die Schrift für den Foto­satz der Linotype VIP auf 18 Einheiten um, und 1995 entwirft er einen halb­fetten Schnitt dazu.13 1997 werden beide Schnitte von André Baldinger digitalisiert. 2000 entwerfen Intégral Ruedi Baur et associés ein neues Er­ ­schei­­nungs­­­bild: die Alphabet CGP wird von der DIN ver­ ­­­drängt, wenn auch nicht ganz aufgegeben.14

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Anwendungsrichtlinien zur Schrift Centre Georges Pompidou, erstellt von Visual Design Association VDA, März 1976.

Signalisation im Centre Pompidou von 1977 mit vertikaler Hängung der Panels – die rote Farbe signalisiert den Museumsbereich.

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Fine Line (vergrössert, oben) sowie in der digitalen Ver­sion Centre Georges Pompidou CGP Normal (Mitte) und Bold (unten) von 1997.

ABCDEFGHIJKLMNOPQRS TUVWXYZabcdefghijklmno pqrstuvwxyz1234567890 ABCDEFGHIJKLMNOPQRS TUVWXYZabcdefghijklmno pqrstuvwxyz1234567890

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Faltblatt mit Monatsprogramm, gesetzt in der Centre Georges Pompidou im Fotosatz auf einer Linotype VIP. Alpha b et ce n t r e po m pi dOU

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Schriftname Frutiger Humanist 777 • Frutiger Next ••

Auftraggeber D. Stempel AG

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1974 | 1976

Satztechnik Fotosatz Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – D. Stempel AG | Linotype – D. Stempel AG | Linotype – Adobe | Linotype Bitstream • Linotype ••

Schnitte 8 16 14 | 19 14 21

FRUTIG ER Die Schrift Frutiger ist die Textversion der Signalisationsschrift Roissy. Dass die Frutiger in der Roissy (siehe Seite 224) und diese wiederum in der Concorde (siehe Seite 150) ihre Vor­läufer hat, liegt auf der Hand. Als Mike Parker im Flughafen Charles de Gaulle in Paris-Roissy zum ersten Mal die Beschilderung in der Roissy-Schrift sah, war für ihn klar: Diese Schrift muss als Druckschrift realisiert werden. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie er 1974 mit dem Vorschlag kam. Mike Parker war zu dieser Zeit typografischer Direktor der amerikanischen Mergenthaler Lino­type Company. Er hatte die Nase eines Spürhundes für Trends und an den Type Selection Meetings der Linotype war er massgebend. Ausgangspunkt für die Frutiger waren Vergrösserungen der Roissy. Von Beginn an konzipierten wir sie für den Fotosatz. Dafür ­brauchte man neue Reinzeichnungen. Damals – in den Siebziger- und Achtzigerjahren – war ich aber so eingespannt mit Aufträgen, dass ich nur noch Skizzen machen konnte. Es war mir unmöglich, eine Schrift selbst von A bis Z zu zeichnen, obwohl ich das sehr gern gemacht habe. Vieles musste ich dele­gieren. So fertigte Hans-Jürg Hunziker 1 die Reinzeichnungen zur Frutiger an. Er ist ein unglaub­lich guter Zeichner. Vier ­Jah­­­re lang war er bei der Mergenthaler Linotype in Brooklyn, New York, und lernte dort sein Handwerk, bevor er 1971 in unser Atelier nach Arcueil kam und bis 1975 blieb. Gezeichnet wurden die Buchstaben grossformatig und danach zur Kontrolle auf Textgrösse verkleinert. Aber Hans-Jürg paus­te die Formen nicht durch, sondern zog die Linien und Kurven nach der Vorlage neu. Ein paar feine Korrekturen gab es natürlich. Als ich die Roissy-Signalisationsschrift ge­staltete, ahnte ich ja nicht, dass daraus einmal eine Textschrift werden würde. Ihre Rundun­ gen und Ausläufe zeichnete ich so markant wie möglich; die Buchstaben und Zeichen sollten so klar und eindeutig sein wie ein Pfeil. All die feinen Details, die zu einer Druckschrift ­gehören, liess ich beiseite. Denn Signalisationsschrift und Druckschrift sind zwei verschiedene Welten. Bei der Signalisationsschrift sind die Buchstaben und die Ziffern mehr Einzelzeichen; anders bei der Druckschrift, dort muss das ganze Alphabet zusammenspielen. Für die Frutiger ­wählte Hans-Jürg die Ausläufe daher kontrastreicher /01/, ich möchte sagen, der Antiqua näher. Offen gestanden ist mir aber bei der Abstimmung der Strichstärken ein Fehler passiert. Der normale Schnitt, die Frutiger 55, ist etwas zu fett /02/. Zwar erstellte ich mit Hans-Jürg eine logische Reihenfolge vom Anstieg der Fetten; trotzdem fiel die 55 für eine Buchschrift zu fett aus, wahrscheinlich weil sie noch zu stark von der ­Roissy beeinflusst war. Doch gleich­zeitig hatte ich damit auch Glück. Denn die Frutiger 45 wurde und wird umso mehr eingesetzt, besonders im Mengensatz. Sie ist aber auch ein wenig kräftiger als üblich. Der Kontrast zwischen mager und halbfett ist ausgezeichnet. Niemand konnte voraussehen, dass eine magere Schrift einen so grossen Erfolg haben würde – der Erfolg der Schnitte 45 und 65 ist ausser­ordentlich gross. Bei der Fettenabstimmung passierte vielleicht Folgendes: Die Strichstärke der Frutiger 55 legten wir wahrscheinlich nach dem gemeinen n der Univers 55 fest. Das gemeine n gibt 250

W E R K S AT Z s c h R I F T

Eine Signalisationsschrift wird zur Druckschrift Die Frutiger gehört zu den beliebtesten und erfolgreichsten Schriften Adrian Frutiger’s. 2007 veröffentlicht der inter­ nationale Schriftenvertrieb Font Shop die Hitliste ‹100 beste Schriften›, basierend auf den Verkaufszahlen und diversen Hitlisten der letzten zehn Jahre sowie auf der Meinung einer Expertenjury. Die Frutiger nimmt hinter der Helvetica und der Garamond Rang 3 ein. Ebenfalls unter den Top Ten ist die Univers auf Rang 10, und unter den Top 100 ist die Avenir auf Rang 65 platziert.2 Die Frutiger, 1976 als Fotosatzschrift bei Linotype erschie­ nen, ist hervorragend lesbar. Sie funktioniert in kleinen Graden genauso wie in grossen Graden. Die Basis dafür liegt in ihren beiden Vorgängerschriften: der Werksatz­ schrift Concorde und der Signa­lisationsschrift Alphabet Roissy, welche zur Frutiger überarbeitet wird. Durch das offene, eher kräftige Schriftbild kann sie ge­­rade auch in den Konsultationsgrössen überzeugen. Und selbst als Zeitungsschrift findet die Frutiger bis 2005 Verwendung: im Kopf, in den Titeln und im Text der niederländischen Tageszeitung ‹Trouw›.3 Die Frutiger wirkt jedoch in den Lesegrössen etwas zu dunkel, und die Oblique – fälschlicherweise wird diese bei Linotype als ‹Italic› bezeichnet /21/ – entspricht nicht dem Trend der dynamischen Serifenlosen der 1990er Jah­ ­re mit ihren echten Kursiven. Aus beiden Gründen schlägt Linotype Library Adrian Frutiger 1997 im Anschluss an die Veröffentlichung der erweiterten LT Univers vor, seine gleichnamige Schrift ebenfalls zu über­arbeiten. ­Be­­teiligt am Gespräch sind von Linotype der künstlerische Leiter Reinhard Haus, der Marketing-Leiter Otmar Hoefer und der Geschäftsführer Bruno Steinert. Reinhard Haus und die freien Mitarbeiter ­Silja Bilz und Erik Faulhaber 4 ent­ wickeln ab 1998 die neu konzipierte Version, welche in einer Vorab­­version der schmalen Schnitte erstmals für die Be­schilde­rung des Münchener Museums ‹Alte Pina­ kothek› ein­­gesetzt wird.5 2001 erscheint die Schrift unter dem Namen Frutiger Next. Sie unterscheidet sich sehr deutlich vom Original und entspricht in vielen Punkten nicht dem Schrift­­verständnis von Adrian Frutiger. Bei Linotype sind beide digitale Versionen als OpenTypeFonts erhältlich, die Frutiger LT, inzwischen auf 19 Schnit­ ­te ausgebaut, und die Frutiger Next mit dem erweiterten Zeichensatz in 21 Schnitten. In den zusätzlichen Kapitäl­ chen und den diversen Ziffernarten liegen denn auch die wenigen Vorteile der Frutiger Next.

/01/

Überlagerung­der­Alphabet Roissy­ (weiss)­durch­die­etwas­feinere­ Frutiger 55­(blau)­–­­die­Breiten­ der­Majuskeln­differieren­deutlich.



FRuTIgER

251

den Grundton an. Bei der Univers hat das n jedoch dünnere Einläufe als bei der Frutiger /03/. Das Lebendige zwischen dick und dünn ist somit bei der Frutiger weniger ausgeprägt und alles wirkt dunkler. Früher passierte es jeder Giesserei einmal, dass der Normalschnitt entweder zu fett oder zu leicht ausfiel; dann schnitt man nachträglich entweder noch einen so genannten Buch-Schnitt, oder man nahm die Magere als die Normale. Oft sah ich den Stempelschneidern von Deberny & Peignot zu: Das Erste, was sie machten, war, alle Kleinbuchstaben zwischen zwei m zu stellen. Mit m, n und u bestimmten die Schriftgiesser ihre Werte. Auch bei der D. Stempel AG überprüften wir auf diese Art, ob die Buchstaben zu fett oder zu dünn waren und ob die Zurichtung stimmte /05/. Von Anfang an planten wir für die Frutiger acht Schnitte, je vier Schnitte in der Geradestehenden und in der Geneigten. Diese sind gezeichnet, nicht geschwenkt. Die Neigung beträgt 12 Grad. Später kamen die Condensed-Schnitte hinzu. Die Schnitte 47 und 77, also die schmalmagere und die schmalfette Fassung, haben wir gezeichnet. Die beiden dazwischen liegenden Schnitte 57 und 67 wurden maschinell interpoliert. Weil die Einläufe durch die Interpolation etwas zu fein wurden, mussten diese überarbeitet werden /08/. An der Form selbst passierte nichts. Die fertigen Outline-Zeichnungen fotokopierte ich vor jeder Ablieferung. Für die Lasersatz-Maschinen der Linotype erschienen 1989 auch noch die ultrafeinen und feinen Schnitte, 25 und 35 /06/. Die Ultrafeine zeichnete ich selbst. Die Amerikaner Herb Lubalin und Tom Carnase kamen als Erste mit einer ultrafeinen Schrift auf den Markt, 1970 mit der Avant­Garde­ Gothic X-Light. Das schlug wie eine Bombe ein. Erst der Fotosatz machte so etwas überhaupt möglich. Es lag aber auch in der Zeit selbst begründet. In den Achtzigerjahren waren die Ultralight-Schnitte richtig im Trend. Damals wurde der etwas grobe Swiss Style vom New Wave

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine /02/

Angenehmer­Grauwert­bei­der­ LT Univers­(oben),­etwas­dunkel­ist­ die­Frutiger 55­(Mitte),­oft­ver­wendet­ wird­Frutiger 45­(unten).

n /03/

Bogenverlauf­und­Einmündung­ sind­bei­der­etwas­kräftigeren­ Frutiger­55­(rot)­deutlich­stärker­als­ bei­der­LT Univers­430­(grau).

252

W E R K S AT Z S c h R I F T

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Mappe­Frutiger­der­Londoner­ Setzerei­Conways­–­typisch­für­die­ Typografi­e­der­1980er­Jahre­ sind­zu­eng­gesetzte­Schriften.

Die Fotosatzschrift Frutiger Mit der Konzeption einer Druckschrift aus der Signalisationsschrift Roissy wird 1974 begonnen. Die formale Überarbeitung und den Ausbau auf acht Schnitte übernimmt Hans­Jürg Hunziker. 1976 erscheinen die vier Fettengrade 45, 55, 65, 75 und die geneigten Schnitte 46, 56, 66, 76. Ein Klebentwurf von 1975 enthält zudem einen schmal­mageren Schnitt, der jedoch erst 1983 umgesetzt wird. Vier Schnitte sind vor­ erst geplant, die 47 und die 77 werden gezeichnet und die dazwischenliegenden Schnitte 57 und 67 interpoliert /07/, nachdem der Test mit einer verschmälerten Frutiger 55 bestätigt, dass ein elektronisches Generieren nur ge­ ringe Überarbeitungen notwendig macht. Schliesslich werden fünf schmale Schnitte realisiert, inklusive der Frutiger 87. Ebenfalls 1985 erscheint der extrafette Schnitt 95.6 In der Korrespondenz findet sich zu Beginn noch die Bezeichnung 85; doch geht daraus nicht hervor, ob der Schnitt anfänglich weniger fett geplant wird oder ob die Bezeichnung ändert, da der Fettenzuwachs grösser ist als zwischen den anderen Schnitten. Eine weitere Ausbaustufe nimmt Linotype 1989 mit der Frutiger 25 und 35 vor /06/. Erhältlich sind sie als Laser Fonts für die eigenen Satz­Computer. Dies jedoch nur wenige Jahre, denn der Umsturz zu den Personal­Com­ putern ist bereits in vollem Gange. Zudem sind Ende der 1980er Jahre die feinen und mageren Schriften – wie in den 1980er Jahren üblich, viel zu eng gesetzt /04/ – be­ reits nicht mehr im Trend.

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Erste­Schriftproben­der­Frutiger­25­ und­35­von­1989­–­Belichtung­ mit­2540­lpi­auf­Foto­papier­mit­dem­ Laser­belichter­Linotronic­300.

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Probebelichtung­1975­auf­ Fotopapier­zur­Überprüfung­der­ Zurichtung­des­Schriftschnittes­ Frutiger­55­in­12­pt.

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Durch­Interpolieren­der­Frutiger­ 47­und­77­entstandene­Figur­(links),­ zum­Schnitt­67­überarbeitete­ Werkzeichnung­(rechts).

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Sitzungsprotokoll­vom­3.11.1983­ der­neuen­Schriftprojekte­bei­der­ D.­Stempel­AG­–­unter­anderem­ Frutiger­47,­57,­67,­77­und­85.­



FRuTIgER

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ab­gelöst mit feinen Farbübergängen und diesen ganz zarten, feinen Schriften. Die Frutiger Ultralight und Light wurden dennoch nicht von den Laser Fonts ins Programm der PostScriptSchriften übernommen /21/, wahrscheinlich wegen der Verkaufsstatistik. Wenn eine Schrift in zwei Jahren nur zweimal verkauft wurde, fiel sie eben raus. Solche Entschlüsse lagen nicht in meinem Einfluss­bereich. Das waren kaufmännische Überlegungen. Es gibt Details, die ich auch bei stärkster Beanspruchung meinerseits immer selbst unter Kontrolle haben wollte und nicht dem Schrifthersteller überliess: beispielsweise die Hauptakzente aigu, grave und circonflexe. Sehr oft wählte ich auch beim Cédille meine eigene Form /17/; es geht nach meinem gestalterischen Verständnis keine Verbindung mit dem Buchstaben ein, sondern ist von ihm abgesetzt wie ein Accent aigu oder grave. Diese Version ­wurde aber bei der Linotype nie angenommen, weil eine typografische Regel besagt, es müsse ­angehängt sein, sonst könne es ein Fremdsprachler nicht erkennen. Was hatten wir darüber für Diskussio­ nen! Nur bei meinen Signalisationsschriften Roissy und Métro (siehe Seite 244) und bei den Schriften für Deberny &  Peignot, zum Beispiel bei der Méridien und Univers für Bleisatz und Lumitype, wo alles in meinen Händen lag, konnte ich meine Version durchsetzen. Für die Lino­ type kamen aber meine vereinfachten Akzent- und Sonderzeichen rein gar nicht in Frage. Mit den Amerikanern gab es deswegen sogar Streit, denn sie änderten die Zeichenformen über mei­­nen Kopf als Urheber hinweg. Doch die Mergenthaler Linotype in den USA stand immer da wie ein ­Riese und betrachtete uns als kleine Zwerge. Es hiess: Die Schrift «must be selled» – was konnte ich da machen? Einzig das £ konnten wir bei der Frutiger verwirklichen /19/. Die Frutiger hiess intern zuerst Roissy, die Rechte der D. Stempel AG schlossen die Nutzung des Namens mit ein.7 Dass die Schrift nun meinen Namen trägt, hat juristische Gründe.8

Vergleich Concorde, Roissy, Frutiger Von den drei zu­einander in Beziehung stehenden Schriften Concorde (siehe Seite 150), Alphabet Roissy (siehe Seite 224) und Frutiger weist die Concorde im normalen Schnitt die feinste und die Roissy die kräftigste Strichstärke auf /09/. Die Bogenformen sind bei Ersterer offener /10/ und die Buchstaben tendenziell breiter, was ebenfalls zu einem helleren Schriftbild beiträgt. Bei gleicher ­Versalhöhe er­ geben sich nur minime Unterschiede in den Ausdeh­ nungen der Ober-, Mittel- und Unter­längen /20/. Die Frutiger, als Fotosatzschrift für den Text- und Titel­­satz gezeichnet, hat gegenüber der Signalisationsschrift Roissy eine um etwa 7 % reduzierte Strichstärke. Zudem lassen sich bei der Frutiger deut­lich tiefere Ein­­schnit­­te bei den spitzen Winkeln, zum Beispiel beim Majuskel-M, fest­­­stellen /12/. Ein grund­legender Unterschied liegt in den Bogenverläufen. Bei der Frutiger gewinnen sie zum Ende hin an Betonung /10/. Auch sind die Bogen­enden anders geschnitten: ver­­tikal bei der Concorde, leicht dia­gonal bei der Roissy und Frutiger. Einzig das Minus­ kel-e der Frutiger ist vertika­l geschnitten /16/. Interessant sind die Unterschiede in den Majuskelbreiten von Roissy und Frutiger. In der Frutiger sind A und F leicht schmaler /11/, das S ist entschieden schmaler und diago­ naler im Mittelteil /15/, während das U deutlich breiter ist. Besonders aufschlussreich zeigt sich der Vergleich von S T U, welche in der Roissy nahezu gleich breit wirken, in der Frutiger jedoch deutlich differieren /15/.

/09/

/10/

/11/

Vergleich mit der Strichstärke ­ und Proportion des n der Frutiger (schwarz) – links die Concorde (braun), rechts die Roissy (braun).

Vergleich mit dem Bogenverlauf des C der Frutiger (schwarz) – links die Concorde (grau), rechts die Roissy (grau).

Die Roissy (oben) ist insgesamt etwas kräftiger gehalten, auch sind A und F etwas breiter als bei der Frutiger (unten).

/12/

/13/

/14/

/15/

Die Schenkel der Concorde (links) sind gespreizt – im Gegensatz ­ zur Roissy (Mitte) hat die Frutiger (rechts) tiefere Einschnitte.

Der Schweif der Concorde (links) ­ ist horizontal – differierend diagonal bei der Roissy (Mitte) und bei der Frutiger (rechts).

Concorde (links) und Roissy (Mitte) haben ein gleich breites, jedoch unterschiedlich gekurvtes S, bei der Frutiger (rechts) ist es schmaler.

Unterschiedliche Breiten weisen ­ S und U auf, gegenüber der Roissy (oben) ist das S bei der Frutiger schmaler, das U hingegen breiter.

/16/

/17/

/18/

Unterschiedliche Bogenverläufe sowie unterschiedlich geschnittene Bogenenden – Concorde, Roissy und Frutiger (v. l.n.r.).

Einzig die Frutiger (rechts) hat das für Adrian Frutiger atypische, ­ ver­bundene Standard-ç – Concorde, Roissy und Frutiger (v. l.n.r.).

Der Bogeneinlauf des r bei der Concorde (links) und der Frutiger (rechts) ist stärker verjüngt als ­ bei der Roissy (Mitte).

/20/

Bei gleicher Versalhöhe besitzen Concorde (links) und Fruti­ger (rechts) die gleiche x-Höhe, Roissy (Mitte) ist etwas niedriger. /19/

Das Pfundzeichen der Frutiger ­ ist schlicht, der ungeschwungene Horizontalstrich am Fuss steht unvermittelt zum Stamm.

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£

Frutiger LT PostScript Dass die Frutiger nicht unter den ersten 42 Schriften im PostScript­Sortiment der von Adobe gemeinsam mit Linotype veröffentlichten Schrif­ ten ist, erstaunt etwas. Im ‹Schriftenhandbuch› der Lino­ type Library von 1988 sind von Adrian Frutiger einzig die Univers mit acht, die Univers Condensed mit sechs sowie die Glypha mit vier Schnitten enthalten.9 Noch im selben Jahr erscheint dann aber die Frutiger in fünf aufrechten und vier geneigten Schnitten. Keine Aufnahme in die neue Technologie finden die 1989 als Laser Fonts entstandenen Strichstärken 25 und 35 /21/. Im Digitalsatz weist die Frutiger erst wieder 1991, mit den aufrechten schmalen Versionen, vierzehn von ehemals sechzehn Schnitten auf. Eine Neuerung sind 2006 die schmalen geneigten Schnitte. Frutiger’s Schrift wird damit in der LT­Version mit Schnitten erweitert, wel­ che zuvor nicht bestanden und welche auch in der über­ arbeiteten Frutiger Next /37/ nicht enthalten sind. Für die schmalen Schnitte zeichnet Adrian Frutiger um 1983 ein Strichstärkenschema /23/. Es zeigt keinen mathe­ matisch berechneten, sondern einen intuitiven, aus der Erfahrung bestimmten Aufbau der Strichstärken. Die Ab­ stufungen sind daher nicht gleichmässig. Dies gilt auch für die normalbreiten Schnitte der Frutiger LT /22/. Die Zunahme ist bei den Schnitten 45, 55, 65 nahezu linear, bei 75 und 95 jedoch nicht. Denn bei linearem Verlauf wird die Zunahme in den fetten Schnitten optisch weni­ ger deutlich wahrgenommen als in den feinen.

Für Mike Parker war schnell klar, dass diese Schrift kopiert werden würde. Die amerikanischen Schriftenhersteller hatten die Gewohnheit, im Schriftmusterbuch einfach ‹similar to …› zu schreiben – ‹similar to Times› und fertig. Ein Richter entschied, dass man so aber nicht in Bezug auf eine Person formulieren dürfe. Der Personenname dürfe nicht missbraucht werden. Wenn ein Werk also den Namen des Urhebers trüge, könne es geschützt werden. ‹Similar to› gäbe es dann nicht. Indem Mike Parker mir dies erklärte, überzeugte er mich davon, meine Schrift Frutiger zu nennen. Diese Art von Personenschutz ist der einzige Grund dafür, dass sie so heisst. Und nun tragen all die Nachahmungen Namen die mit Fr beginnen– so findet man sie im Schriftmusterbuch ebenfalls unter den Anfangsbuchstaben. Doch jeder Schriftkundige weiss, dass dahinter die Frutiger steckt. Nicht selten wurden diese Plagiate verwendet, denn die Linotype-Originale waren teuer. Urheberrechtlich ist eine normale Werksatzschrift nicht schützbar. In Washington hatten wir eine Gerichtsverhandlung wegen einer Nachahmung. Das Urteil der Richter lautete: Eine Normalschrift ist Allgemeingut, ist ein Werkzeug wie ein Hammer, wie eine Säge, wie eine Sense. Sobald eine Schrift unauffällig, also ‹normal› bleibt, ist sie ein Werkzeug. Im Grunde finde ich dies richtig. Wir versuchten dennoch anhand verschiedener Beispiele zu zeigen, wie deutlich sich unsere Schrift von anderen unterscheidet, legten zum Beispiel die Zeichen übereinander; aber die Richter sahen keinen Unterschied. Sobald man jedoch eine Fantasieschrift macht mit auffälligen Schwänzchen, Spezialserifen oder Ähnlichem, kann man sie als Marke schützen. Auch in Deutschland gab es einige gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen der D. Stempel AG und einer weiteren Firma. Reinhard Haus erbrachte da wirklich einen immensen Einsatz – Vergleiche, Übereinandergelegtes –, der Ausspruch des Richters war am Ende einmal

/21/

PostScript-Fonts­der­auf­19­Schnitte­ angewachsenen­Schrift­familie­ Frutiger LT­–­nicht­mehr­vorhanden­ sind­die­Lasersatz-Schnitte­ 25­und­35­(links).

H H H H

Frutiger LT 45 Light

Frutiger LT 55 Roman

Frutiger LT 65 Bold

Frutiger LT 75 Black

H

H H H H

Frutiger LT 46 Light Italic

Frutiger LT 56 Italic

Frutiger LT 66 Bold Italic

Frutiger LT 76 Black Italic

H H H H H

Frutiger LT 47 Light Cond.

Frutiger LT 57 Condensed

Frutiger LT 67 Bold Cond.

Frutiger LT 77 Black Cond.

Frutiger LT 87 Extra Black Cond.

H H H H H

Frutiger LT 48 Light Cond. Italic

Frutiger LT 58 Condensed Italic

Frutiger LT 68 Bold Cond. Italic

/22/

Das­Überlagern­der­Schnitte­der­ Frutiger LT­zeigt­auf,­dass­der­ Zeichen­gestalt­kein­schematisches­ Formprinzip­zugrunde­liegt.

Frutiger LT 78 Black Cond. Italic

Frutiger LT 88 Extra Black Cond. Italic

/23/

Fettenabstufungen­der­schmalen­ Schnitte­der­Frutiger­–­die­Einheitenangaben­unten­beziehen­sich­ jeweils­auf­das­Minuskel-n.

Frutiger LT 95 Ultra Black

FRuTIgER

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mehr derselbe: Ein Laie erkennt den Unterschied nicht; er sieht nur, ob eine Schrift lesbar ist oder nicht. Die Zeitschrift ‹form› setzte seit 1981 den mageren Schnitt der Frutiger als Grundschrift ein. 1995 liessen die Herausgeber vom jungen Holländer Lucas de Groot einen Schnitt zwischen der 45 und der 55 entwickeln. Dieser Buch-Schnitt hatte ausserdem eine andere Eszett-Form /27/. Das ß ist ein besonderes Zeichen. Jan Tschichold sagte, das ß sei nicht aus Lang-s und z gebildet, sondern aus Lang-s und Rund-s. Das beeindruckte mich, und so nahm ich für die Univers Tschichold’s Anregung auf. Bei der Frutiger zeichnete ich aber bewusst die bauchige B-Form. Für eine Groteskschrift ist dies das einfachere, besser passende Zeichen.10 Lucas de Groot entwarf nun für die ‹form› das ß, bestehend aus Lang-s und Rund-s. Diese ß-Form finde ich schön. Schade, dass sie nicht von mir stammt. In so einer leichten Version sieht das elegant aus; aber es ist doch etwas anderes, wenn man mit so einer Form bis hinauf in die Fette gehen muss. Bei mir im Kopf war immer von Beginn an der Plan der Gesamtheit. Bereits im Unterricht von Walter Käch lernte ich, an die Schriftfamilie zu denken. Ich nannte dies gerne eine Landschaft; die Landschaft einer Ausbreitung verschiedener Schriften. Die F­Frutiger für die ‹form› war also leicht überarbeitet. All dies geschah jedoch ohne Rücksprache mit der Firma Linotype. Reinhard Haus beanstandete den Sachverhalt in einer internen Mitteilung an Dr. Volker Stückradt, den Anwalt der Linotype. In seinem Schreiben führte er zudem auf, was alles geändert war, legte Muster bei und meinte, man müsse mich dazu befragen. Ich sah die Überarbeitung, fand daran aber keine Kritikpunkte. Damit war der Fall für mich abgeschlossen. Wenn ich mich jedes Mal über so etwas aufgeregt hätte, dann wäre ich schon lange unter der Erde. Wenn die Kopie schlechter geworden wäre, hätte ich mich geärgert, aber sie war gut gemacht.

/24/

Ab­der­Ausgabe­95-III-1981­änderte­ die­Zeitschrift­für­Gestaltung­ ‹form›­ihre­Grundschrift­–­von­der­ Helvetica­mager­zur­Frutiger­45.

Die Frutiger der ‹form› und der Post Die deutsche Zeitschrift für Gestaltung ‹form› nimmt 1981 /24/ in der Grundschrift einen Wechsel von der Helvetica mager zur Frutiger 45 mit der Begründung vor: «Gegenüber den serifenlosen Schriften, die heute am meisten gebraucht und verbraucht werden, ist die Frutiger­Schrift individu­ eller in der Einzelform, damit kontrastreicher in den ein­ zelnen Zeichen untereinander. Sie vermeidet die formale Glätte der Zeilen, ist fürs Auge ‹rauher›, vibrierender und griffiger. Wortbilder lassen sich im ganzen besser erfas­ sen. Das Lesen von Mengen ist weniger ermüdend.»11 Die Zeitschrift bleibt der Frutiger auch 1995 bei der Neu­ gestaltung des Layouts treu /25/, wechselt jedoch vom mageren zum Buch­Schnitt /26/, den der Schriftgestalter Lucas de Groot generiert.12 Da dies ohne Absprache mit der Linotype­Hell AG geschieht, schlägt Reinhard Haus, der künstlerische Leiter, in einer internen Mitteilung vor, bei der ‹form› zu intervenieren.13 Bereits ab 1987 setzt die niederländische PTT eine Inter­ polation der Frutiger als Hausschrift ein. De Groot schafft sie im Auftrag des Studio Dumbar.14 Überhaupt scheint Frutiger’s gleichnamige Schrift die Corporate Type der Post zu sein. So verwenden die Deutsche Post und seit 1980 die schweizerische PTT die Frutiger. Noch früher im Einsatz ist sie bei den Schweizer Postautos. 1978 wird sie dort eingeführt. Mit dem verantwortlichen Schriftsetzer Kurt Wälti entwirft Adrian Frutiger zudem mehrere Bild­ und Wortmarken für die Postbetriebe.15

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine /26/

Für­die­‹form›­schuf­Lucas­de­Groot­ 1995­die­F Frutiger­Book­(Mitte),­ ein­Schnitt­zwischen­der­Frutiger LT­ 45­(oben)­und­55­(unten).

/27/

Vergleich­des­aufrechten­und­des­ geneigten­Schnittes­der­Frutiger LT­ (links),­der­F Frutiger Book­(Mitte)­ und­der­Frutiger Next­(rechts).

ßß ßß ßß /25/

Das­Dossier­zur­‹form›­150-2-1995­ enthält­die­von­Lucas­de­Groot­ inter­polierte­F Frutiger­Book­und­ ein­Interview­mit­Adrian­Frutiger.

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Eine echte Kursive zur Grotesk Im Gespräch 16 äussert Adrian Frutiger seine Einstellung unmissverständlich. Für ihn hat die Grotesk einen geneigten Schnitt, eine Oblique. Für eine echte Kursive, eine Italic, besteht in der serifen­ losen Schrift kein historischer Bezug und er sieht darin auch keine Vorteile. Dieser Ansicht muss nicht unbedingt zugestimmt werden, denn eine Italic eignet sich in der Regel besser für Textauszeichnungen als eine Oblique. Frutiger’s Ansicht gilt es aber zu respektieren. Doch bei den Verantwortlichen der Linotype fehlt es an Respekt in Bezug auf die Italic der Frutiger Next. Auch wenn es Adrian Frutiger in seinem Fax /29/ und in seinem Brief /35/ nicht vehement formuliert, er äussert sich deutlich genug, um zu verstehen, dass er die Italic /31/ keinesfalls als Grundschnitt sieht, sondern höchstens als Zusatz. Es ist charakteristisch für ihn, dass er nicht einfach Nein sagt, sondern versucht, einen weiterführenden Weg aufzuzei­ gen. Linotype aber opfert Frutiger’s Überzeugung dem Trend der 1990er Jahre. Und dies obwohl mit der Linotype Ergo und der Linotype Projekt zwei Exklusivschriften mit echter Italic im Sortiment vorhanden sind.17 Den Trend zur Italic in den Serifenlosen begründen ab Mitte der 1980er Jahre Schriften wie die Lucida Sans, die ITC Stone Sans, die Today Sans Serif sowie die Meta /32/. 1992 folgt die Myriad /32/. Deren aufrechter Schnitt er­ achtet Linotype als Plagiat der Frutiger.18 Dem kann nicht zugestimmt werden. 1999 ist es umgekehrt, nun finden sich in der Frutiger Next Inspirationen der Myriad Italic.

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine /28/

Die­Frutiger Next­Light­(oben),­ Regular­(Mitte)­und­Medium­ (unten)­in­Vergleich­gestellt­zur­ Frutiger LT­(linke­Seite).

/29/

Ablehnende­Reaktion­von­ Adrian­Frutiger­auf­die­Probe­buchstaben­der­kursiven­Frutiger Next­–­ Fax­vom­7.­4.­1999.

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

/30/

/31/

Probe­von­1998­der­Frutiger­als­ Multiple-Master-Font­mit­vier­Polen­ und­den­berechneten­Zwischenschritten­auf­zwei­Achsen.

Im­Gegensatz­zur­Frutiger LT­(oben)­ hat­die­Frutiger Next­(unten)­ eine­echte­Kursive,­ähnlich­der­ Myriad­(Mitte).

/32/

Frutiger LT, Meta, Myriad, Thesis Sans und­Frutiger Next­(v.o.n.u.)­–­ bei­Letzterer­sind­die­Punzenformen­ zwischen­der­Roman­und­der­ Italic­besonders­unterschiedlich.



Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

abefginps abefginps

abefginps abefginps abefginps abefginps

abefginps abefginps abefginps abefginps FRuTIgER

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Bereits drei Jahre zuvor löste die Myriad /32/ von Robert Slimbach und Carol Twombly einen Briefwechsel aus. Als ich diese Sans Serif sah, dachte ich: Meine Schrift hat einen kleinen Cousin erhalten – gar nicht schlecht gemacht. Als Reinhard Haus mir eine Zusammenstellung mit der Frutiger und der Myriad schickte, schrieb ich aber zurück: «Unter Geschäftspartnern finde ich dies ein wenig weit gegangen.»19 Das war allerdings absolut intern. Mit Geschäftspartnern meinte ich Adobe. Dass Adobe also 1992, trotz Übernahme der Linotype-Schriften als PostScript-Fonts, eine ähnliche Schrift wie die Frutiger herausbrachte, fand ich ungünstig. Gleichwohl würde ich heute so einen Brief nicht mehr schreiben. Mein Blickwinkel hat sich geweitet; natürlich hat das auch mit dem Alter zu tun; man wird gelassener. Warum soll nicht eine gute Schrift von einem anderen weiterentwickelt werden? Wenn ich heute bemerke, dass jemand meine Gedanken übernimmt und sie weiterentwickelt, bin ich sogar stolz darauf. Gut, die Myriad hat einen runden i-Punkt und eine echte Kursive. Ich bin gar nicht dagegen. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, eine Grotesk sei weit entfernt von einer klassischen Serifenschrift und brauche keine echte Kursive /32/. Das Typische der Grotesk ist, dass man sie von sehr eng bis sehr breit gestalten kann, das geht bei einer Klassischen nicht. Eine schmale Garamond zum Beispiel kann man sich noch vorstellen, aber alles andere wäre Humbug, eine Missgeburt. Auch bei einer serifenlosen Antiqua wie der Syntax von Hans Eduard Meier wäre dies nicht ohne Qualitätseinbusse möglich. Bei der Grotesk ist das etwas anderes. Es ist einfach so, dass eine Schrift, welche auf dem Horizontal-Vertikal-Prinzip basiert, mehr Möglichkeiten zum Stauchen und Dehnen zulässt als eine Schrift, welche die Schrägstellung aus der Federführung aufnimmt. In den Latine-Schriften war ja ebenfalls von den breiten bis zu den engen Schriften alles vorhanden (siehe Seite 29). Das hat absolut funktioniert.

Ist die Frutiger Next wirklich eine Frutiger? Wie die stark erweiterte LT Univers gehört auch die Frutiger Next /37/ zur Linotype Platinum Collection. Diese Kollektion enthält einige Schriftklassiker, welche in einer vollständig neuen Digitalisierung vorliegen. Die Schriftfamilien sind meist erheblich ausgebaut und die verschiedenen Schriftschnitte besser aufeinander abgestimmt. Die Figu­ ren sind zudem formal überarbeitet. Grundsätzlich ist der Ansatz der Linotype, die Klassiker zu überarbeiten, sehr zu befürworten. Denn die meisten Digitalisierungen basieren nicht auf den originalen Zeich­ nungen, sondern auf den Adaptionen späterer Technolo­ gien. Nicht selten sind die Fehler und die technologisch bedingten Mängel von einer Technologie auf die nächs­ te übertragen worden und, ergänzt durch neue Mängel, in den PostScript­Schriften vorzufinden. Zudem erfahren die Schriften mit der Zeit meist eine unsystematische Erweiterung an Schnitten und Figuren. Bei den neuen digitalen Versionen muss jedoch auch immer die Frage gestellt werden: Wird die neue Schrift dem ursprünglichen Konzept, der ursprünglichen Form gerecht? Und falls Verbesserungen denkbar sind, welche sind im Sinne des Gestalters? Linotype zieht heute wenn möglich den Gestalter einer Schrift für diese Überarbei­ tungen bei – im Gegensatz zu den Adaptionen für den Fotosatz Ende der 1960er Jahre. So zeichnet Hans Eduard Meier bei der Erweiterung zur Linotype Syntax die Schrif­ ten am Computer gleich selber und Hermann Zapf sitzt

/33/

Titelseite­des­16-seitigen­Prospektes­ von­2001­zur­Frutiger Next­–­die­ Schrift­ist­Teil­der­Linotype­Library­ Platinum­Collection.

/35/

Brief­von­Adrian­Frutiger­an­ Bruno­Steinert­vom­14.4.­1999­mit­ Bezug­auf­das­vorangegangene­ Fax­zur­Kursive­der­Frutiger Next.

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine 258

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/34/

Mit­der­LT Univers­430­(oben)­ verglichen,­weist­die­Frutiger Next­ Regular­(unten)­das­hellere­und­ deutlich­schmalere­Schriftbild­auf.

/36/

Strichstärkenvergleich­bei­gleicher­ Versalhöhe­–­Frutiger LT­55­Roman,­ Frutiger Next­Regular,­LT Univers­ 430­Basic­Regular­(v.o.n.u).

H H H

mit kritischem Auge an der Seite von Akira Kobayashi 20 beim Ausbau zu seinen Schriften Aldus Nova, Optima Nova und Palatino Nova. Adrian Frutiger ist in die Überarbeitungen zur Linotype Univers, Frutiger Next und Avenir Next involviert. Im Fall der Frutiger Next wird jedoch seinem Schriftverständnis nicht entsprochen. Dies gilt nicht nur für die Italic, wie Erik Faul­haber schreibt,21 sondern insge­­samt. Erik Faul­ ha­ber’s Buch­titel ‹Frutiger: Die Wandlung eines Schriftklas­ sikers› lässt denn auch nicht viel Gutes ahnen. Die gan­ ze Anlage der Schrift ist verändert. Dass die Strichstärke der Frutiger Next Regular gegenüber der Frutiger LT 55 fei­ner gehalten ist, basiert dabei noch auf Frutiger’s eige­ ner Kritik. Nun wirkt sie aber etwas zu hell /34/, sie ist denn auch feiner als beispielsweise die gelungene Strich­ stärke der LT Univers 430 /34/. Die Frutiger Next ist nicht nur in den (unnummerierten) Fettenabstufun­gen neu und sys­­tema­tisch konzipiert /37/. Die Buchstaben­pro­por­ tio­nen sind eben­falls verändert. Gegenüber den Majus­ keln weisen die Minuskeln nun eine leicht angehobene x-Höhe so­­wie leicht längere Ober- und Unterlängen auf /42/. Deutlich ausgeprägter ist bei der Frutiger Next zu­­­ dem der Strichkontrast /44/. Ins­gesamt wirkt die Frutiger Next deshalb un­­gewohnt schmal, laufen doch Fruti­ger’s Schriften generell eher breit. Dies alles sind Gründe, auf Seite 263 nicht die Frutiger Next für die Satzmuster zu verwenden, sondern die ältere Frutiger LT.

Ich sehe auch einen Unterschied im Einsatz von Grotesk und Antiqua. Die Grotesk wird hauptsächlich in der Werbung, für Corporate Identity oder für Akzidenzdrucksachen eingesetzt. Dass sie inzwischen auch als Leseschrift gebraucht wird, ist heutzutage, für wissenschaftliche oder Nachschlagewerke, annehmbar. Aber für Literatur und Poesie kommt doch nichts anderes in Frage als eine klassische Schrift. Der gesamte Leseprozess funktioniert in meinen Augen einfacher mit der Antiqua als mit der Grotesk. Die Serifen helfen, die Wörter zusammen­zuhalten. Ich möchte nicht behaupten, nur klassische Schriften allein taugen als Leseschriften. Einem wissenschaftlich ausgebildeten Menschen ist die Klarheit einer Grotesk sicher vertraut und angenehm. Sie ist ihm vielleicht sogar willkommener als eine Serifenschrift, denn er arbei­tet mit Bezeichnungen, die sonst in der Literatur nicht vorkommen, mit Formeln, die klar und exakt dargestellt sein müssen. Antiqua und Grotesk sind gleichwertig, aber ihr Gebrauch bleibt doch unterschiedlich. Eine gewisse Synthese zwischen der stabilen Grotesk und der klassischen Antiqua ist aber durchaus möglich. Die Frutiger wurde auch auf nicht-lateinische Schriften übertragen. 1985 kam die ­Frutiger Cyrillic in vierzehn Schnitten (siehe Seite 413) heraus, von mager bis fett und den dazugehörenden Kursiven sowie im extrafetten Schnitt und in fünf schmalen Schnitten. Ebenfalls bei Linotype erschien 2007 die Frutiger Arabic der Libanesin Nadine Chahine in vier Fetten. Ein wirklich schwieriges Kapitel ist die Frutiger Next /37/. Sie erschien 2001 /33/. Der um­ fas­sende Ausbau der Familie ist einfach der jetzige Trend bei Linotype. Machen kann man alles – auch eine echte Kursive, aber oft ist es dann einfach keine gute Schrift mehr. Das vorhin angesprochene Stauchen und Dehnen – ohne dass die Schrift Schaden nimmt – geht in allen Fetten wirklich nur mit der geschwenkten Form. Unter uns gesagt, was hat die echte Kursive

/37/

Die Schriftfamilie Frutiger Next ­ von 2001 mit der Erweiterung 2007­ um die drei Ultralight-Schnitte ­ auf 21 Schnitte.

H H H H H H H

Frutiger Next UltraLight

Frutiger Next Light

Frutiger Next Regular

Frutiger Next Medium

Frutiger Next Bold

Frutiger Next Heavy

Frutiger Next Black

H H H H H H H

Frutiger Next UltraLight Italic

Frutiger Next Light Italic

Frutiger Next Regular Italic

Frutiger Next Medium Italic

Frutiger Next Bold Italic

Frutiger Next Heavy Italic

Frutiger Next Black Italic

H H H H H H H

Frutiger Next UltraLight Condensed

Frutiger Next Light Condensed

Frutiger Next Regular Condensed

/38/

Frutiger Next Medium Condensed

Frutiger Next Bold Condensed

Frutiger Next Heavy Condensed

Frutiger Next Black Condensed

Das Überlagern der Frutiger Next ­ in den verschiedenen Schriftfetten zeigt deutlich den einheitlichen Auf bau der Formen.

/39/

Der Fettenzuwachs von Frutiger LT (oben) und Frutiger Next (unten) – der Schnitt F Frutiger Book (*) entspricht etwa der neuen Regular.

HHHHH H HHHHHHH *

F r u ti g er

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mehr als die geschwenkte Geradestehende? Die neu gezeichnete Italic der Frutiger Next /32/ ist nicht schlecht gemacht. Sie hat absolut ihre Berechtigung, aber sie passt nicht zur Familie. In meinen Augen herrscht da eine Dissonanz. Der Klang stimmt nicht mehr. Es gibt eine Annäherung an den Renaissance-Charakter, den hat die Original-Frutiger aber nicht. Vorgestellt wurde mir diese Kursiv per Brief. Ich war damit von Beginn an überhaupt nicht einverstanden. Ich weiss nicht, warum Bruno Steinert, der Geschäftsführer von Linotype, nicht die Kraft ­hatte zu sagen, diese Kursiv kommt nicht in ­Frage. Ich habe nie mein O.K. gegeben, sondern ganz klar Nein dazu gesagt, nicht sehr vehement, aber verständlich. Es ging mir ja auch nicht dar­ um, jemanden zu beschuldigen, aber statt an meiner Kursiv ‹herumzudoktern›, hätte Linotype die Zeichnerin ermuntern sollen, eine eigene Schrift zu gestalten. Nachdem ich auf mein ab­ lehnendes Fax 22 /29/ keine Antwort bekommen hatte, schrieb ich sogar einen Brief  23 /35/, in dem ich nochmals darauf hinwies, dass ich nicht einverstanden sei. Ich machte zudem andere Vor­ schläge, wie Linotype ihr Schriftensortiment erweitern könnte.24 Wenn ich jetzt diese Schreiben nochmals lese, bin ich verwundert, dass ich nicht fester auf die Pauke geschlagen habe. Vielleicht war ich zu weich, mich vehement gegen diese Kursiv zu stellen. Vielleicht hätte ich sagen müssen, Herr Steinert, machen Sie, was sie wollen, aber diese Kursiv läuft nicht unter dem Deckmantel ‹Frutiger›. Bruno Steinert wusste, dass ich dagegen bin. Wir haben darüber gesprochen. ­Später hat er sich dann für die Kursiv ent­­schuldigt, dafür, dass er meinen Brief nicht ernster genommen hat. Schadet das alles letztlich meiner Person? Was nachfolgende Generationen aus einem Werk machen – wie will man das kontrollieren? Als die Frutiger Next von Linotype realisiert wurde, war ich schon siebzig Jahre alt. Ich hatte nicht mehr die Kraft und die Geduld, alles

/40/

/42/

Bei der Frutiger LT (links) ungleiche Formen der Bogen­ausläufe beim a und der Punzen beim g, bei der Fru­tiger Next (rechts) sind sie gleichförmig.

Gegenüber dem Fotosatz-Original (links) und der Frutiger LT (Mitte) hat die Frutiger Next (rechts) leicht andere Höhen.

agn agn agn agn agn

agn agn agn agn agn on agn on agn

/41/

Bei der Frutiger Next (schwarz) sind die Einschnitte weiter ­ nach oben gezogen als bei der Frutiger LT (braun).

M M 260

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Die digitalen Versionen Am Vergleich Frutiger LT und Frutiger Next lassen sich die Unterschiede einer gezeich­ neten und einer interpolierten Schriftfamilie aufzeigen. So weist beispielsweise die Frutiger LT beim Minuskel-a im normalen Schnitt einen eher runden Bogenauslauf auf, beim ultrafetten Schnitt jedoch einen eher flachen. Im Gegensatz dazu ist der Bogenauslauf bei der Frutiger Next regelmässig flach /40/. Vielleicht noch ausgepräg­ ter ist der Unterschied bei der Punzenform des g. Bei der originalnahen Frutiger LT wechselt die Punzen­form ­zwischen oval und eher rund. Bei der Frutiger Next ist sie immer oval /40/. Fast keinen Unterschied zeigen die beiden Versionen im mageren und fettesten Schnitt; die Differenz bei den anderen Schnit­­ten ist also durch die Interpolation beeinflusst. Neben der veränderten Anlage /43/ weist die Frutiger Next viele Detailänderungen auf. Einige sind besonders problematisch. Dazu gehört die breitere S-Form, bei wel­ cher der Diagonalstrich gegenüber den vertikalen Bogen­ ­­­elementen zu fein erscheint /44/. Zu fein wirkt auch der i-Punkt, da dieser in der Frutiger Next die gleiche ­Breite wie der Abstrich aufweist /51/. Unschön sind zudem die stark verjüngten Bogenmündungen /47/.25 Vorteile bietet die Frutiger Next hauptsächlich mit den Kapitälchen /53/ und den verschiedenen Ziffernarten. Dicktengleiche und proportiona­­le Majuskel- /56/, Minus­ kel- /58/ und Kapitälchenziffern /59/ sowie verschie­dene Bruchziffern sind je­weils vorhanden.26

Ehpa Ehpa

/43/

/44/

/45/

Bei der Frutiger LT (oben) sind die Minuskeln o und n breiter und weniger kontrastreich als bei der Frutiger Next Medium (unten).

In der Frutiger LT (oben) sind ­ die Majuskelbreiten differenzierter, in der Frutiger Next Medium ­ (unten) etwas mehr angeglichen.

LT Univers, Frutiger LT und ­ Frutiger Next (v. l.n.r.) im Vergleich – ­ beim Et der Frutiger Next ist die ­ Form des t stark zurückgenommen.

/46/

/47/

/48/

Anders als die Frutiger LT (links) weist die Frutiger Next (rechts) flachere Bogenausläufe auf, das e ist zudem schräg geschnitten.

Stark verjüngte Bogeneinläufe in ­ den Stamm und erhöhter Strichkon­ trast bei der Frutiger Next (rechts) ­ gegenüber der Frutiger LT (links).

Im Gegensatz zum Original und zur Frutiger LT (links) hat die Frutiger Next bei f und t verkürzte Querstriche und Bogenausläufe.

aa ee

AFOS AFOS

dd

& & &

ft ft

/49/

/50/

/51/

Im Vergleich zur Frutiger LT (links) weist das Trema der Frutiger Next (rechts) eine veränderte Proportion und Position auf.

Der geneigte Abstrich in der ­ Æ-Ligatur der Frutiger LT (links) ist bei der Frutiger Next (rechts) aufgerichtet.

Durch die gleiche Breite von Abstrich und i-Punkt wirkt der iPunkt in der Frutiger Next (rechts) zu klein – Frutiger LT (links).

Föl Föl

ÆÆ

i? i?

Plagiate der Frutiger Ein Problem der Schriftherstel­ ler ist der Schutz der Schrift vor Piraterie. Immer wieder ist das Ergebnis bei Streitfällen gleich: Der Schriftname ist schützbar, die Schriftform einer Leseschrift jedoch ist Allgemeingut und als solches nicht schützbar. Ein Grund für den Schriftnamen Frutiger ist der zusätzli­ che Schutz durch den Personennamen. Plagiaten, welche unter einem geänderten Namen herauskommen, darf nun nicht die Bezeichnung ‹similar to› beigefügt werden, bei Schriftkopien ein beliebter Hinweis auf das Original. Und die Frutiger wird vielfach kopiert: Mit dem Namen Freeborn kommt sie bei Scangraphic heraus, bei Com­ pugraphic heisst sie Frontiera, bei URW Frutus, bei Bit­ stream Humanist 777 /54/, bei Autologic Provencale und Varityper gibt sie unter dem Namen Siegfried heraus. Die Schrifthersteller publizieren Richtlinien für den recht­ lichen Umgang mit ihren Schriften,27 aber erst mit der Digitalisierung von Schrift tritt eine Trendwende ein: Nun kann die Schrift als Software geschützt werden. Besonders dreist verhält sich Microsoft, die ihr Plagiat der Frutiger Next als Neuheit unter dem Namen Segoe /54/ für das neue Betriebssystem ‹Vista› international schützen lässt. Linotype legt 2006 gegen den Entscheid Berufung ein und hat Erfolg. Die Segoe wird aufgrund der gleichen Zeichenformen sowie der Anlage der Schrift nicht als Neuheit eingestuft. Zum Glück für Linotype, der bei einem negativen Entscheid der Vertrieb der Frutiger Next hätte untersagt werden können!

selbst mit der Lupe zu vergleichen. Ich war müde. Es wuchs mir einfach über den Kopf. Den Streit, den ich nicht mehr bis zum Ende ausfechten konnte und wollte, den müssen jetzt vielleicht andere führen. Meine Zeit ist vorbei. Aber eines wird, was mich betrifft, bestehen bleiben: Es gab einmal eine Univers und eine Frutiger und noch ein paar andere Schriften. Sie stehen für ein bestimmtes Jahrhundert. Wie viele Arten Garamond sind entstanden, wie viel wurde an der Baskerville und der Times herumgefeilt? Und wie viel wird wohl noch an der Frutiger herumgezeichnet werden? Mein Meisterstück ist die Univers, aber meine Lieblingsschrift bleibt ehrlich gesagt die originale Frutiger. Wahrscheinlich ist es die Schrift, die in der Mitte der Schriftenlandschaft steht. Es ist wie ein Nagel, der eingeschlagen wird, an den man alles anbinden kann. Sie entspricht am ehesten meinem inneren Bild, vergleichbar mit dem, was ich auch bei den Werken meines liebsten Künstlers Constantin Brâncu∫i empfinde. Die Frutiger ist wirklich eine Schrift, die schön ist, die singt.

/52/

/53/

/54/

Bei­der­Frutiger Next­(rechts)­ alinieren­die­breiteren­Ziffern­mit­ den­mathematischen­Zeichen,­ bei­der­Frutiger LT­(links)­nicht.

Die­erweiterte­OpenType-Version­ Frutiger Next Pro­verfügt­ über­passende­Kapitälchen­in­ allen­21­Schnitten.

Offi­zielle­Versionen­im­Vergleich­mit­ den­Plagiaten­–­Frutiger LT­55,­ Humanist 777, Frutiger Next­Regular,­ Segoe­Regular­(v.o.n.u.).

01234 01234 +−×÷= +−×÷= 56789 56789

SMALL CAPS SMALL CAPS

/55/

/56/

Anders­als­die­Frutiger LT­(links)­ weist­die­Frutiger Next­(rechts)­zur­ Schrift­passende­Figuren­für­‹copyright›,­‹registered›­und­‹at›­auf.

Neben­den­Tabellen­ziffern­(oben)­ weist­die­Frutiger Next Pro­ auch­propor­tionale­Majuskelziffern­ (unten)­auf.

©®@

©®@

0123456789 0123456789

/57/

/58/

Bei­der­Frutiger Next­(rechts)­ entsprechen­das­Dollar-­und­CentZeichen­Frutiger’s­Formenverständnis­–­Frutiger LT­(links).

Im­Zeichenumfang­der­Frutiger Next Pro­sind­nun­Minuskelziffern­ (oben)­sowie­Kapitälchenziffern­ (unten)­enthalten.

$¢ $¢

  /59/

In­der­Frutiger Next Pro­existieren­ die­Bruchziffern­auf­Schriftlinie­ platziert­sowie­als­hoch-­und­ tief­gestellte­Versionen.

⁰₃¾⁴⁵⁶⁷⁸⁹

ABCDEFGHIJKLMNOPQRST UVWXYZ&abcdefghijklmnop qrstuvwxyzß1234567890

ABCDEFGHIJKLMNOPQRST UVWXYZ&abcdefghijklmnop qrstuvwxyzß1234567890

ABCDEFGHIJKLMNOPQRST UVWXYZ&abcdefghijklmnop qrstuvwxyzß1234567890 ABCDEFGHIJKLMNOPQRST UVWXYZ&abcdefghijklmnop qrstuvwxyzß1234567890 FRuTIgER

261

Grauwert einer Schrift Das Erreichen einer optimalen Leserlichkeit im Satz ist von verschiede­nen Faktoren ab­ hängig. Jede Schrift, und sei sie noch so gut gestaltet, kann vom Anwender durch falsche Satzparameter in der Anmutung kaputt ge­­macht werden. Oder anders formu­ liert: Damit eine Schrift klingt, müssen alle Parameter auf­einander abgestimmt werden. Beim Werksatz wird oft vom Grauwert eines Satzes oder einer Schrift gesprochen. Der Grauwert wird einerseits durch die Schrift gebildet. Insbesondere die ­Strichstärke und der Strichkontrast sind mass­gebend. In den Gesprä­ chen erwähnt Adrian Frutiger immer wieder, wie elemen­ tar, aber auch schwierig die Bestimmung der ­Strichstärke ist. Für einen gleichmässigen Grauwert der Schrift ist zu­ ­­dem die Zurichtung wichtig. Andererseits wird der Grauwert durch die ­Satzparameter Schriftgrösse (siehe Seite 356), Laufweite (siehe Seite 312), Wortabstand und Zeilenabstand (siehe Seite 292) bestimmt. Die Satzbeispiele in der Frutiger LT zei­gen die ­veränderte Anmutung auf. Die Laufweite darf nicht zu eng sein, da ansonsten die Buchstaben zusammenklumpen, bei zu gros­ser Laufweite fallen die Wortbilder hingegen aus­ein­ ­­ander /61/. Die Wortabstände sol­­len die Wörter genügend trennen, jedoch das Satz­bild nicht zerreissen /62/. Und der Zeilenabstand muss beim Lesen eine gute hori­zonta­ le Führung ermöglichen, ohne dass der Zusammen­hang verloren geht /63/.

/60/

Figurenübersicht der­ Frutiger 55 im Fotosatz von Linotype.

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine

/61/

/62/

Anmutung und Leserlichkeit ­ einer Schrift werden durch eine ­ zu enge (oben) oder zu weite ­ Lauf­weite (unten) beeinträchtigt.

Nicht optimal für angenehmes Lesen sind zu enge Wortabstände (oben), zu weite Wortabstände sind jedoch nicht besser (unten).

Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine 262

W E R K S AT Z s c h R I F T

/63/

Auch durch die Grösse des Zeilenabstandes verändert sich der Grauwert und die ­ Leseanmutung einer Schrift.

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Frutiger ™ Linotype 19 Schriftschnitte (+CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com XSF

A   B C D E F G H I J K L M N  O   P Q R S T U V W X Y Z &  abcdefg hi j kl m n o p q rs    tu    v wxyz ß123 4 5 678 9 0

 You may ask w

hy so many differen  t typefaces. They all serve th e same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was differen­  t from the others. It’s the nuances that are important. The s­  ame is true for typefaces. Sie fragen sich, w­arum es notwen­ dig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber m­  a­chen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausna­  hmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all s­  e­rve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we fin­  d in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons da­  ns les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie die­ 

65 pt | – 35

48 pt | – 30

32 pt | –10

22 pt | – 5

14.5 pt | 19.5 pt | 0



nen alle zum selben, aber machen die Vielfalt der Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jah­  r. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht al­  les der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl N­ u­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all s­  erve the same purpose but they express man’s divesity. It is the same diversity we fi nd in win­ 

10 pt | 13 pt | 5

7.2 pt | 10.2 pt | 10

5.8 pt | 8 pt | 15

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Å BÇD ÈF G H I J K L M Ñ ÔP QRŠTÜ V W X Y Z & Æ Œ ¥ $ £ € 12 3 4 5 6 78 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fi fl æ œ ø ł ð [ . , : ;·’ / - – — ] ( ¿ ¡“ « ‹ › »” ! ? ) { § ° % @ ‰* † }

45 Light

46 Light Italic

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55 Roman

56 Italic

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65 Bold

66 Bold Italic F r u ti g er

263

Schriftenvergleich Die unten gezeigten Schriften Syntax, Frutiger und Praxis werden allgemein der Grup­ pe der dynamischen serifenlosen Schriften zugeordnet. Die ge­­meinsamen Merkmale liegen, entsprechend der Renaissance-Antiqua, in den unterschiedlichen Zeichen­ breiten der Ver­sa­lien und in den offenen Bogenformen. Für Ad­­rian Fruti­­ger ist die Frutiger je­doch kein typischer Vertre­ter die­­ser Grup­­pe, da b d p q ovale Punzen aufwei­ sen und eine ge­­­rade Schattenachse besitzen. Dagegen ist die Syntax-Antiqua aus der humanis­tischen Schriftform abgeleitet,28 sichtbar beispielsweise an den nach rechts wei­senden Bö­­gen des Minuskel-m, wel­che am Stamm angesetzt sind. Auch bei der Praxis mün­den die Bögen eckig in den Stamm, sie sind aber sehr flach gehalten. Bei der Fru­­tiger laufen die Bögen rund in den Stamm. Der stärkere Strichkontrast bei der Praxis greift die Ver­ wandtschaft zur Demos, ihrer Schwesterschrift mit Seri­ fen, auf.29 Die abgerundeten Strichenden sind dabei eine Anpassung an die CRT-Technik. Dieser Umstand lässt die Praxis allerdings etwas unklar erscheinen und macht sie nicht sehr greifbar. Im Vergleich mit der Praxis wird Fru­ ti­ger’s Aussage, mit der Frutiger eine griffige Schrift ge­ ­­zeichnet zu haben, sichtbar: Die waagerecht beschnitte­ nen x-Striche, der ge­rade Auslauf des Spielbeins vom R und auch die schlichte, einschlaufige Form des g haben eindeutige und einfach erfassbare Zeichenformen mit klarer, zeilenbildender Wirkung.

/64/

Vermassung von Strichstärke ­ und Proportionen des normalen Schnittes der Frutiger LT.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.65 Hs = 1.42 Hq = 1.27

nh = 7.34 cm nw = 6.44 ns = 1.33 nq = 1.09

oh = 7.67 cm ow = 7.46 os = 1.43 oq = 1.09

Hh : Hw = 1 : 0.76 Hw : Hs = 1 : 0.86 Hs : Hq = 1 : 0.89

nh : nw = 1 : 0.88 nw : ns = 1 : 0.21 nh : oh = 1 : 1.04 nw : ow = 1 : 1.16

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/65/

Die Frutiger LT besitzt im ­ Ver­gleich zu den anderen beiden Schriften Syntax und Praxis einen ­ recht kräftigen Roman-Schnitt.

Hofstainberg S  yntax H  ans Eduard Meier 1  968

Hofstainberg F  rutiger A   drian Frutiger 1  976

EG Ragmx5   7 E G R a g m x  5 7 E mittlerer E-Strich leicht kürzer als Gesamtbreite

Hofstainberg P  raxis G  erard Unger 1  977

264

W E R K S AT Z s c h R I F T

G mit Querstrich

R Diagonalstrich rund aus Bogen laufend

a flache Kurve beim Bauch

g ovale Punze, Bogenende leicht diagonal geschnitten

m Einlauf rund, Innenform fast symmetrisch

x deutlich versetzte Diagonalstriche

57 Striche treffen bei der 5 spitz, bei der 7 stumpf zusammen

EG Ragmx5   7

/66/

Der Vergleich zeigt die ­ ver­schiedenen Fettengrade und ­ den Winkel der Geneigten.

Light Roman Bold Black Ultra Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00 10.00

Hw 7.01 = 0.92 7.65 = 1 7.99 = 1.04 8.49 = 1.11 10.22 = 1.33 7.51 = 0.98

Hs 0.98 = 0.69 1.42 = 1 1.97 = 1.39 2.64 = 1.86 3.80 = 2.68 1.44 = 1.01

Hq 0.86 = 0.68 1.27 = 1 1.56 = 1.23 1.87 = 1.47 2.94 = 2.31 1.29 = 1.01

HHHHH H 11.9°

/67/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

138 109 73

4.9

−36

4.9

10

Syntax 41.3 pt

ÅBÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQRŠTÜ V W X YZ& Æ Œ ¥ $ £ € 1234567890 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fiflæœøłð [. ,:;·’/ - – —] (¿¡“«‹›»”!?) {§° % @ ‰*†}

ÅBÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQRŠTÜ V W X YZ& Æ Œ ¥ $ £ € 1234567890 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fiflæœøłð [ . , : ; ·’ / - – — ] (¿¡“«‹›»”!?) { §° % @ ‰*†}

75 Black

76 Black Italic

ÅBÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQRŠTÜ VWXYZ& ÆŒ¥$£€0 1 2 3 4 5 67 8 9 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fiflæœøłð [ . , : ; ·’/ - – — ] (¿¡“«‹›»”!?) {§° %@ ‰*†} 95 UltraBlack

129 108 73

HÔhxp7

1.00

0 cm

10

0 cm

−30

4.1

129 106 75

4.1

Frutiger 41 pt

HÔhxp7

1.00

4.8

10 −31

4.1

Praxis 42.1 pt



F r u ti g er

265

/72/

Die Strichstärke der Astra Frutiger (Schwarz) liegt zwischen ­ der Frutiger 57 (Cyan) und der ­ Frutiger 67 (Magenta).

Frutiger 57 Frutiger Astra Frutiger 67

/68/

Konstruktionsschema zur ­ Her­stellung der Kleinbuchstaben ­ a b c d der Normalschrift für die Schweizer Strassenbeschilderung.

/69/

Konstruktionsschema der Schriftgrössen und Zeilen­abstände, auf bauend auf einer Versalhöhe von 7/7.

/71/

/73/

Einpassung der Astra Frutiger ­ in das bestehende Konstruktionsschema – mit erhöhtem Zeilen­ abstand bei Unterlängen.

Anwendungsbeispiele der ­ Astra Frutiger – deutlich zu nah ­ am Rand stehen Wörter mit Unter­längen.­

/70/

Die Normalschrift des VSS (links) und die neue Astra Frutiger (rechts) in der Strassenbeschilderung bei Tag und bei Nacht. /74/

Die Astra Frutiger wird bei der Beschilderung für Haupt­- und Nebenstrassen enger ge­setzt (oben) als für Autobahnen (unten).

Astra Frutiger Standard Astra Frutiger Autobahn

266

W E R K S AT Z s c h R I F T

Zurück zur Signalisationsschrift – Astra Frutiger Ab 2002 wird die neue Astra Frutiger für die schweizerische Strassenbeschilderung eingeführt und ersetzt suk­­zes­­si­ve die bisherige Normalschrift des VSS /68/.30 Das ASTRA31 beauftragt 1999 den Grafiker Viktor ­Stampfli mit der Entwicklung einer auf der Frutiger basierenden Schrift.32 Er lässt bei Linotype einen Schnitt zwischen der Frutiger 57 und 67 erstellen /72/. Es wird nur ein Schnitt generiert, was dem Gebrauch in positiver, negativer und auch hinterleuchteter Form qualitativ nicht gerecht wird. Schwarze Schrift auf hellem Grund erscheint dünner als weisse Schrift auf dunklem Grund, weshalb wenigstens zwei Schnitte – für positive und negative Anwendung – nötig wären, um eine gute und gleich bleibende Erkenn­ barkeit zu sichern. Die Astra Frutiger muss in das bestehende Layoutsystem der Schil­der /69/ eingepasst werden, was bei den ver­ änderten Proportionen der Schrift gegenüber der VSSSchrift zu keinem guten Ergebnis führt /73/. Die ­Abstände zum Rand sind gegenüber den Zeilenabständen viel zu klein. Seit 2002 wird die Schrift in zwei Anwendungen eingesetzt: mit normaler Spationierung für Strassen, mit weiter Spationierung für Autobahnen /74/. Bei zu langen Wörtern darf sie um 20 % gestaucht werden. Die schmale Frutiger ist bereits 1997 Grundlage für eine Signalisationsschrift. Überarbeitet von MetaDesign zur FF Transit 33 wird sie zur Signalisation in Berlin und ­später auch in anderen deutschen Städten eingesetzt /75/.

/75/

Die FF Transit basierend auf ­ der Frutiger – von MetaDesign als Signalisations­schrift konzipiert und erstmals in Berlin eingesetzt.

FF Transit BackPositiv FF Transit FrontPositiv FF Transit FrontNegativ FF Transit BackNegativ FF Transit Print /76/

Die Anwendung der FF Transit ­ beim Beschilderungssystem ­ der Berliner Verkehrsbetriebe zeigt aus­gewogene Zeichenabstände.



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47 Light Condensed

48 Light Condensed Italic

77 Black Condensed

78 Black Condensed Italic

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57 Condensed

58 Condensed Italic

87 ExtraBlack Condensed

88 ExtraBlack Cond. Italic

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67 Bold Condensed

68 Bold Condensed Italic F r u ti g er

267

Schriftname Glypha

Auftraggeber D. Stempel AG

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1976  |  1980

Satztechnik Fotosatz, Lichtsatz CRT Digitalsatz PostScript

Hersteller – D. Stempel AG | Linotype – Adobe | Linotype

Schnitte 10 10

G LYPHA Die Glypha entstand auf Anfrage von Mike Parker. In einem Gespräch mit ihm, an dem auch Walter Greisner beteiligt war, meinte er, die Serifa laufe als Textschrift zu weit. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, eine schmälere, anders benannte, aber von der Serifa abstammende Schrift zu entwerfen. Die Serifa war ab 1977, lizenziert durch Wolfgang Hartmann von der Fundición Tipográfica Neufville, bei der D. Stempel AG auf fünf Schnitte erweitert erhältlich. Drei Jahre danach kam dann zusätzlich die Glypha heraus. Diese Geschichte war eine heikle Angelegenheit. 1982, zwei Jahre nachdem die Glypha erschien, reagierte Hartmann und machte Lizenzrechte für die Glypha geltend. Für ihn war es ganz augenfällig, dass die Glypha von der Serifa abgeleitet war. Der D. Stempel AG drohte er, falls es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung kommt, mit einem gerichtlichen Vorgehen. Es war diffizil, denn die beteiligten Personen waren alle Mitglieder der Association Typographique Internationale, ATypI, der Vereinigung der Schriftgestalter und Schrifthersteller. Schliess­lich kam der Vorschlag, die Sache innerhalb der ATypI zu behandeln, was dann 1983 auch geschah. Es wurde ein Schiedsgericht gebildet, dessen Vorsitz Gerrit Willem Ovink hatte. Wolfgang Hartmann ernannte als Beisitzer Eckehart Schumacher-Gebler und die D. Stempel AG ihrerseits Gerard Unger. Ihr Urteil nach zwei Stunden Diskussion war für mich nur so zu verstehen: Die Glypha ist eine Kopie der Serifa. Es handle sich nicht um eine neue Idee, sondern um die Modifizierung einer schon bestehenden Schrift. Die D. Stempel AG akzeptierte den Entscheid und machte eine nachträgliche Lizenzzahlung an Hartmann. Zumindest kam damit Ruhe ins Haus. Die Serifa und die Glypha sind ja wirklich formal sehr nahe beieinander. Seit dem ­Desktop Publishing wird die Glypha häufiger eingesetzt, mehr jedenfalls als die Serifa, weil sie eben bei gleicher Versalhöhe schmäler läuft. Es gibt ausser der Laufweite aber auch andere kleine Unterschiede; so sind die Serifenformen bei der Glypha nicht mehr leicht eingezogen wie bei der originalen Serifa im Handsatz (siehe Seite 167), sondern waage­recht. Eigentlich bereue ich dieses Vorgehen heute, denn eine Egyptienne, die eine kleine Ver­rundung am Serifenübergang hat und nach aussen hin feiner wird, wäre viel besser gewesen. Die Glypha ist im Gegensatz zu den klassischen Serifenbetonten eine technisierte Schrift, sie hat etwas Gewolltes. Ich bin ein wenig enttäuscht von ihr. Sie wirkt zu hart. Auch wenn im Konstruierten vielleicht eine ­gewisse Qualität liegt, so wird dies beson­ders in den kleinen Graden nicht geschätzt. Das Auge nimmt es nicht mit Liebe an. Anders ist es, wenn die Glypha als Titel- oder als grosse Plakat­ schrift eingesetzt wird. Das geht. Der Name ‹Glypha› kommt von mir, das Wort hatte ich immer gern. Er ist Teil von Hieroglyphe und sollte an Ägyp­ten erinnern. Viele Schriften der Klassifikationsgruppe Egyptienne haben solche Namen, zum Beispiel Karnak, Memphis oder Pharaon.1 Im Sinn war mir auch die Glyphe, welche die konkrete grafische Darstellung eines Zeichens meint. 268

W E R K S AT Z s c h R I F T

Serifa versus Glypha 1966 überträgt Adrian Frutiger das unbeschränkte Urheber- und Werknutzungs­recht an der Serifa an die Bauersche Gies­serei in Frankfurt.2 Den Ver­­trag macht er mit Walter Greisner, welcher dort bis 1967 Geschäftsführer ist. 1973 verlängert Wolfgang Hartmann von der Fundición ­Tipográfica Neufville S.A. in der Nachfolge der Bauerschen Giesserei das Abkommen mit Frutiger von 15 auf 25 Jahre. Lizenzen für Fotosatz-Ver­ sionen erhalten sodann die H. Berthold AG, die D. Stempel AG und Compugraphic.3 Obwohl die D. Stempel AG nicht die gewünschten Exklusivrechte an der Serifa für den Fotosatz erhält, baut sie die Schriftfamilie zwischen 1975 und 1978 aus. Parallel dazu wird ab 1976 die auf der Se­­rifa basierende, schmale­re Glypha erstellt, welche je­ doch erst 1980 auf den Markt kommt.4 Ende 1982 schreibt Wolfgang Hartmann aus Barcelona einen Brief an Dr. Walter Greisner, inzwischen Vorstandsmitglied der D. Stempel AG, in welchem er seine Überraschung über die Glypha ausdrückt und an den Code Moral der ATypI erinnert.5 Im Antwortschreiben legt Greis­­ner dar, dass es sich bei der Glypha zwar um eine mit der Serifa verwandte, aber in ihrem Gesamteindruck eigen­stän­di­ge Schrift für den Textsatz und für ‹classified com­po­si­tion› wie Nachschlagewerke oder Kataloge han­ dle, während die Serifa eher als Headline- oder DisplaySchrift zu verstehen sei.6 Da Neufville und Stempel untereinander keine Eini­gung erzielen, übergeben sie als Mitglieder der ATypI den Fall einer internen Schieds­­stelle. Es soll geprüft werden, ob die D. Stempel AG den Code Moral 7 der ATypI verletzt und es sich bei der Glypha also um ein Plagiat der ­Serifa han­delt. Im Vorfeld erklären sich die beiden Parteien ein­ ­verstanden, den Ent­­scheid des Gremiums anzunehmen. Ihre Standpunkte legen sie schriftlich dar. Hartmann erstellt als Teil seiner Begründung einen Schriftver­gleich. In einer spanischen Setzerei lässt er auf einer LinotypeCRTronic-Maschine die Serifa elektronisch ver­­schmä­­­lern und zusammen mit der Glypha belichten, mit dem Ergeb­ nis einer weitgehenden Übereinstimmung. Zu dieser An­ ­sicht gelangt am 22. 4. 1983 auch das Schiedsgericht in Paris und fällt den Entscheid einstim­mig zu­guns­ten von Neufville: «Die Glypha ist zwar kein ­Plagiat im Sinne einer nahezu vollständigen Identi­tät, aber auch keine völ­ lige Neuschöpfung, sondern viel­mehr eine Gar­nitur zur schon vorhandenen Serifa. Die Glypha ist nicht denkbar ohne die Se­­ri­­fa.» 8

G l

y

/01/

Die Serifa (konturiert) bildet die Basis der Glypha (schwarz) – die Majuskeln sind auf 109.6 %, die Minuskeln auf 113.5 % vertikal verzerrt (rot konturiert).

/02/

Durch vertikales Verzerren der Serifa-Minuskeln (konturiert) auf eine x-Höhe von 113,5 % (rot konturiert) entsteht die schmalere Anmutung der Glypha (schwarz).

/03/

Das vertikale Verzerren der Serifa (links) lässt die horizontalen Partien anwachsen (Mitte) – bei der Glypha (rechts) wurden die Serifen jedoch etwas reduziert.

ph

/04/

Die Ausdehnung der Ober- und Unterlänge der Serifa (links) ist praktisch identisch mit jener der Glypha (rechts).

aaaaa

/05/

Die Buchstabenbreiten und -fetten der Glypha (unten) sind weitest­ gehend von der Serifa (oben) über­­nommen, nur die x-Höhe differiert. G ly p h a

269

Unterschiede zur Serifa In zwei Schreiben geht Ovink näher auf den Schiedsspruch ein: Obwohl der Entscheid zugunsten von Neufville ausgefallen ist, sei er eigentlich ebenfalls im Sinne der D. Stempel AG. Denn es könne doch kaum im Interesse des Unternehmens liegen, dass in einem nächsten Fall eine ihrer eigenen Schriften ohne Lizenz von einem anderen Hersteller elektronisch modifiziert verkauft werde.9 Tatsächlich ist der einzig offensichtliche Unterschied von der Glypha zur Serifa die andere Proportion. Frutiger’s entwerferische Tätigkeit an der Glypha beschränkt sich denn auch auf das Bestimmen der neuen Grössenverhältnisse von Versal- und x-Höhe. Ansonsten wird die Glypha von 1976 bis 1978 vollständig bei der Hamburger Firma Unternehmensberatung Rubow Weber URW entwickelt. Peter Karow und seine Mitarbeiter digitalisieren erst die Serifa 55, und anschliessend wird die Versalhöhe von 229 auf 251 mm /01/ und die x-Höhe von 163 auf 185 mm /02/ vertikal verzerrt.10 Unverändert bleiben die Oberlängenund Unterlängenhöhe /04/. Etwas leichter gestaltet sind hingegen die Serifen /03/. Da die Figuren keine formalen Änderungen erfahren, wird die Zurichtung von der Serifa übernommen. Nur wenige Zeichen benötigen nach dem elektronischen Verzerren eine geringfügige Überarbeitung in den Bogenformen, in den Stärken der Diagonalstriche oder in den Zeichenbreiten. Zum Beispiel werden n und h etwas verbreitert, da sie zu schmal wirken – Korrekturen, welche Adrian Frutiger vornimmt.

/06/

Figurenverzeichnis der Glypha im Lichtsatz CRT (KathodenstrahlTechnologie) der Linotype.

/07/

Gesetzt in der Glypha – Doppelseite aus der dreisprachigen LinotypeBroschüre von 1983 ‹Schriften von Adrian Frutiger›.

/08/

Inserat aus der Fachzeitschrift ‹Deutscher Drucker› Nr. 33, Oktober 1980 – gesetzt in der Glypha 45, 46, 65 und 66.

270

W E R K S AT Z S c h R I F T

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Glypha ™ Linotype 10 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

 A B C D E FG H I J K LM N  O   P Q R S T U V W X Y Z &   abc de fghi j kl m no p q rs   t uvwxyz ß1234 5678 9 0

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endig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen all e zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Wein karte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der g leiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nuancen. So ist es au ch mit der Schrift. You may ask why so many different typefaces. They all serve the sa  me purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that ar  e important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tou  s servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette mê  me diversité que nous retrouvons dans les vins de Mèdoc. J’ai pu, un jour, relever soix  ante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même  pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Sc hriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selb  en Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wei  n. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You m

66 pt | –5

49 pt | –5

33 pt | –5   22 pt | 10

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9.5 pt | 13 pt | 20



7.2 pt | 10.2 pt | 25

5.7 pt | 8 pt | 30

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35 Thin Oblique

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45 Light Oblique

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55 Roman

55 Oblique G ly p h a

271

Schriftenvergleich Wie bei der Serifa (siehe Seite 172) werden auch hier drei serifenbetonte Linear-Antiqua mit statischem Typus in Vergleich gestellt. Alle drei Schriften haben rechtwinklige Serifen. Sie wirken insgesamt sachlich, kräftig und streng, ja geradezu kühl. Gerne werden diese Schriften denn auch bei technischen Inhalten, zum Beispiel für Bedienungsanleitungen, verwendet. Obschon die Glypha gegenüber der Serifa verschmälert ist, läuft sie etwas breiter als die unten gezeigten Schrif­ ten der 1980er Jahre. Der Unterschied in den Buchstaben­ breiten zur Calvert ist gering, doch Margaret Calvert’s Schrift weist durch die höhere Mittel­länge und eine Oberlänge, die die Versal­höhe überragt, eine deutlich schma­ ­lere An­mutung auf­­. Schmaler in der Anlage hingegen ist die Bo­­­ton von Albert Boton, Frutiger’s ehemaligem Mit­ arbei­ter bei Deberny & Peignot in Paris. In den Details sind die formalen Unterschiede bei den drei Schriften beträchtlich. Auch zeigt sich ein sehr unter­ schiedlicher Umgang in der Platzierung der Serifen. Bei der Glypha sind diese kaum je zen­triert, bei der Calvert weisen einige Buchstaben sogar nur einseitig nach aussen ge­­richtete Serifen auf. Auf diese Weise entstehen offenere Punzen, und ein vom Schreiben hergeleiteter Ansatz wird sichtbar, welcher auch im asymmetrischen Bogenverlauf und in der eckigen Mündung des Bogens in den Stamm auftritt. Bei der Boton nehmen die Serifen eine optisch zentrierte Platzierung ein, auch bei der Kopf­ serife im Majuskel-A.

/09/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Glypha.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.19 Hs = 1.21 Hq = 0.98

nh = 7.30 cm nw = 5.60 ns = 1.13 nq = 0.87

oh = 7.65 cm ow = 6.78 os = 1.21 oq = 0.86

Hh : Hw = 1 : 0.72 Hw : Hs = 1 : 0.17 Hs : Hq = 1 : 0.81

nh : nw = 1 : 0.77 nw : ns = 1 : 0.20 nh : oh = 1 : 1.05 nw : ow = 1 : 1.21

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/10/

In den Zeichenformen zeigen die drei serifenbetonten Schriften Glypha, Calvert und Boton sehr unterschiedliche Ausprägungen.

Hofstainberg  Glypha  Adrian Frutiger  1980

AG K a m t x 45 A ohne Kopfserife, Fussserifen asymmetrisch

Hofstainberg  Calvert  Margaret Calvert  1980

Hofstainberg  Boton  Albert Boton  1986

272

W E R K S AT Z s c h R I F T

G Querbalken nahezu zentriert

K Diagonalstriche treffen spitz auf den Stamm

a langgezogener flacher Bogen

m Bogenmündung rund, stark verjüngt

t Bogenform in die Vertikale ansteigend

x Serifen bilden negative Pfeilformen

45 Querbalken kurz, Querbalken ohne Serife

AG K a m t x 45 AG K a m t x 45

/11/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Geneigten.

Thin Light Roman Bold Black Oblique

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00 10.00

Hw 6.15 = 0.85 6.70 = 0.93 7.19 = 1 7.87 = 1.09 8.57 = 1.19 7.11 = 0.99

Hs 0.30 = 0.25 0.75 = 0.62 1.21 = 1 1.90 = 1.57 2.66 = 2.20 1.20 = 0.99

Hq 0.24 = 0.24 0.67 = 0.68 0.98 = 1 1.25 = 1.27 1.61 = 1.64 0.99 = 1.01

HHHHH H 10°

/12/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−22

3.0

Glypha 39.9 pt

127 105 76

3.8

−25

3.3

130 100 74

3.5

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65 Bold

65 Bold Oblique

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75 Black

75 Black Oblique

10

Calvert 40.6 pt

=Õ]me,

1.00

3.7 10

HÔhxp7

1.00

131 100 73

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10 −29

3.9

Boton 40.5 pt



G ly p h a

273

Signete und Wortmarken

1972 – 1978

Instruments Scientifiques et Industriels Hersteller von optischen Geräten F - Paris

Aéroport de Paris Flughafen Paris – Charles de Gaulle F - Paris

Réunion des musées nationaux Vereinigung der französischen National-Museen F - Paris

Musée Rodin Museum Auguste Rodin F - Paris

Autoroutes du Sud de la France Vereinigung der südfranzösischen Autobahnen F - Montélimar

Institut Français de Restauration des Œuvres d’Art Institut für Kunstrestaurationen F - Paris

Société Industrielle des Charmilles Hersteller von optischen Linsen F - Villemomble

National Institute of Design Institut für Design Indien - Ahmedabad

Laboratoire National de Métrologie et d’Essais Nationales Labor für Mass- und Gewichtskunde F - Paris

D. Stempel AG / Linotype Fotosatz-Kontrollelement für die Schriftherstellung D - Frankfurt am Main

Collection ‹Documents spirituels› Sammlung der Éditions Fayard F - Paris

Tribune de Genève Tageszeitung CH - Genf Gestaltung: Bruno Pfäffli

ASD Tätigkeit unbekannt, Ort unbekannt, Gestaltung: Helena Novak

Distribution pétrolière Vertriebsgesellschaft für Erdöl Frankreich

Piktogramme für die National-Zeitung CH - Basel

274

SIG N ETE U N D WORTMAR KE N

Schriftherstellung

L  ichtsatz CRT

Icone Seite 276 Breughel Seite 286 Tiemann Seite 302 Versailles Seite 308 Frutiger Cyrillic Seite 413

Der Lichtsatz CRT (Cathode Ray Tube) beginnt ab 1965 mit der Digiset von Dr.-Ing. Rudolf Hell, bei der ein Kernspeicher mit quantisier­ten Schriftzeichen die bisherigen Grids des Fotosatzes ersetzt. Das Magnet­ band als Datenträger führt zu schnelleren, sichereren und wirtschaftliche­ren Ergebnissen als der bisher ein­ ­gesetzte Lochstrei­fen. Ebenfalls 1965 bringt die Mer­ genthaler Lino­type Com­pany ihr erstes CRT-System heraus, die Linotron 1010. Der CRT-Lichtsatz geht von drei Grundfaktoren aus: dem Kathodenstrahl als Lichtquelle für den Elektronenblitz /01/, dem Schriftzeichenträger und -speicher so­­wie der Aufzeichnungseinheit mit SchriftgrössenVer­­änderung und -Positionierung. Die Linotron-Tech­ nik hält zunächst bei der Auswahl der entsprechen­ den Schriftzeichen mit einer Abtast-Kathodenstrahlröhre am Schriftrahmen fest. Es stehen wahlweise 11 oder 24 Grids zur Ver­fügung mit je 144 Zeichen in direktem Zugriff. Die rechnergesteuerte Dicktenver­ änderung ist verbessert, und es bestehen vielfäl­tige Mischmöglichkeiten von Schriften sowie eine grosse

Palette an 137 Schriftgraden bei einer maximalen Satzbreite von 60 Cicero. Die Schriften sind elektronisch modi­fi­­zier­bar, sie können geneigt sowie verschmälert und verbreitert werden, was je­­doch die Gefahr der un­­sachgemässen, übertriebe­nen Schriftverzerrung in sich birgt. Das Modell Linotron 303 belichtet 300 000 Zeichen, bei der Linotron 505 S sind es bis zu 2 Mil­­lionen pro Stunde. Eine noch höhere Geschwindigkeit und Ge­ ­nauigkeit ist möglich, wenn das Buchstabenbild be­ ­reits als digitalisierte Bitmap-Vorlage abge­­speichert vorliegt /02/. Zur Herstellung und Speicherung der Schriftdaten wird das vergrösser­­te Schriftzeichenbild vertikal ab­ ­getastet und in Scanlinien zerlegt /03/. Die verschiedenen Grössenbereiche der Schrift sind durch Um­­ schal­tung der Scan­­nerauflösung her­stell- und spei­ cher­­bar sowie auf ei­­nem Monitor als Bit­­map-Daten darstellbar. Retuscheprogramme er­­mög­­lichen durch Löschen oder Hinzufügen einzelner Pixel eine Opti­ mierung der Zeichenform.

Beim CRT-Satz entfällt das Einheitensystem, jedoch gibt es eine Beschränkung auf die Anzahl der Scanlinien pro Geviertbreite. Bedingt durch die grobe Auf­lösung entsteht bei den Buchstaben in den Rundungen und Diagonalen ein Treppeneffekt /04/. Bei späteren Linotype-Modellen wie der Linotron 202 (1978) und der CRTronic (1979), der ersten digitalen Licht­­­­setz-Kompaktanlage, werden anstatt der ge­sam­ ­­­­­ten Schriftform in Bitmaps nur die Konturen in Vek­­ toren gespeichert /04/, was eine Verringerung des Spei­cher­platzes bringt. Die Kurven sind in ge­­ra­­de Segmente unterteilt. Erst für die Belichtung wer­den die Vektoren in Bitmaps umgewandelt. Die von Peter Karow 1975 entwickelte Ikarus-Technik speichert Schrift­daten unabhängig vom Aus­gabe­ format; diese Daten können als Bitmaps, Vektoren oder Kurvenbeschreibungen ausgegeben werden. Ein­gelesen werden die Schriftzeichnungen mittels Erfassung von Digitalisierungspunkten /06/. Die Kont­ ­­rolle und Nachbearbeitung geschieht am Bildschirm /07/.

/01/

/02/

/03/

/04/

Schemazeichnung des Lichtwegs von der Kathodenstrahlröhre über zwei Spiegel, die das Licht jeweils um 90° ablenken.

Digitalisiertes Schriftzeichen als Bitmap-Vorlage für die Belichtung und für die Darstellung am Bildschirm.

Schematische Darstellung des Aufzeichnens eines digitalisierten Buchstabens mit dem Kathodenstrahl.

Formbeschreibung durch vertikale Scanlinien (links) und Kontur­ beschreibung für die Belichtung mit Vektoren (rechts).

Kathodenstrahlröhre Filmtransport

Spiegel

Eingabekassette

Linse Lichtweg Spiegel

Ausgabekassette

/05/

/06/

/07/

Schriftdigitalisierung – die Vorlage mit Rasterhintergrund dient für das Abtasten der vertikalen Scan­linien durch den Scanner.

Schriftdigitalisierung – bei der Ikarus-Technik werden die Konturmarkierungen mit dem Digitalisierungsgerät erfasst.

Die visuelle Kontrolle und Nach­ bearbeitung der digital errechneten Buchstabenform geschieht am Monitor mit der Ikarus-Software.



sch R I FT h e r ste llu ng

275

Schriftname Icone

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1978  | 1980

Satztechnik Lichtsatz CRT Digitalsatz PostScript

Hersteller – D. Stempel AG | Linotype – Adobe | Linotype

Schnitte 9 9

ICON E Der Einfluss, den die Technik auf die Schriftform hatte, beschäftigte mich ganz besonders seit dem Umzeichnen der Bodoni für den Lumitype-Fotosatz Mitte der Fünfzigerjahre (siehe Seite 80). In den Siebzigerjahren begann ich während meiner Arbeit für Linotype mit systematischen Studien zu Schriftform und Satztechnik. Ergebnis war neben der digitalisierungsfreund­lichen, neuartigen Breughel (siehe Seite 286), die 1981 erschien, die Icone von 1980. Sie war eine Reaktion auf die Modifizierungsmöglichkeiten des CRT -Satzes, der teils furchtbare Entstellungen, regelrechte Karikaturen hervorbrachte. Die Icone sollte so gebaut sein, dass ihr keinerlei Verzerrung – weder in der Weitengebung noch in der Schrägstellung – etwas anhaben konnte. Daher erhielt sie von mir einmal die Bezeichnung Kautschuk- oder Gummischrift. Im ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985› schrieb ich: «Die aufkommende CRT-Satztechnik beein­­ trächtigt die herkömmlichen typografischen Qualitätsbegriffe auf eine viel tiefer­greifendere Art [als nur durch Zerlegung der Schrift in digitale Stufen]. Es handelt sich um die Möglichkeit einer Verzerrung der Original-Schrift durch Manipulation. Es ist […] für den Rechner keine Schwierigkeit, die Koordinaten-Werte eines digitalisierten Zeichens numerisch zu verändern, mit anderen Worten, den Breitenverlauf einer Schrift im Verhältnis zu ihrer Höhe zu erweitern oder zu verringern. Auch das Schräglegen der vertikalen Reihung in einen beliebi­gen Winkel ist eine rein mathematische Operation. Die so erzeugten weiten, engen oder ­schrägen Schriften entsprechen jedoch nicht mehr den optischen Gesetzmäßigkeiten, die ein richti­ger typografi­ scher Ausdruck erfordert. […] Die unfachmännische Handhabung der neuen Satzgerä­te vermag heute den Ausdruck einer Grundschrift so zu ändern, daß sie als verzerrte Karikatur kaum mehr erkennbar ist. […] Die Erkenntnis, daß Schriften heute vom Verbraucher mani­puliert wer­ ­den können, erweckte in mir […] einen entscheidenden Impuls. Die systematische Veränderung der Schwarz-Weiss-Werte zieht die geradlinigen Schriftarten, vor allem die Grotesk-Schrif­­ten, am stärksten in Mitleidenschaft. So erwachte die Idee für eine neue Schrift, die Icone, mit einer stark modulierten Strichführung, in der die Dicke des Balkens überhaupt nicht klar de­ finierbar ist. Aus der Abbildung /02/, die den Aufbau des Grundzeichens sowie die davon abge­ wandelten Buchstaben darstellt, geht hervor, daß hier der proportionale Zerstörungs­effekt einer mathematischen Verzerrung kaum mehr als Verfälschung der Grundform wahrge­nommen werden kann. Die Erstellung der Zeichnungsvorlagen der Icone war aus diesem Grund auch dazu geeignet, zum großen Teil direkt mit Computerhilfe aufgezeichnet zu werden.»1 Der Grundgedanke zur Icone war also die Möglichkeit zum Verzerren. Statt geometrisch einfach zu identifizierender Striche zeichnet sie eine eher wilde Strichgebung aus. Rundun­gen und asymmetrisch verbreiterte Ausläufe gehören zu ihren Wesensmerkmalen. Herkömmliche Serifen, die das Schrägstellen erschweren, fehlen. Die Kursive ist rechnerisch geschwenkt und nach­­träglich leicht bearbeitet. Üblicherweise entstehen durch das automatische Schrägstellen Ver­­dickungen rechts oben an den Buchstaben, zum Beispiel beim Minuskel-o /11/. Bei der ­Icone 276

W E R K S AT Z s c h R I F T

Satztechnische Entwicklung Anlässlich der Gene­ral­ versammlung der ATypI in Basel 1980 hält Adrian Frutiger einen Vor­­trag, in welchem er die satztechnische Entwick­ lung folgendermassen darstellt: «Bei der ­Satzherstellung vollzog sich ein gewaltiger Umbruch, als das Relief der Bleiletter im Offsetdruck entbehrlich wurde. Der Buch­­ stabe verlor im aufkommenden Fotosatz seinen ‹Stab›. Das heißt: sein symmetrisch-stabiles, nichtdruckendes Bleiuntergerüst, welches jedem Zeichen, jeder Zeile, aber auch dem so wichtigen Weißraum einen vorbestimmten Platz zuwies, löste sich auf. Die seit altersher gebräuch­ lichen Stand- und Maßbegriffe wie Dickte, Fleisch, Grad, Durchschuß waren in der Hand des Setzers einst spür­ barer Raum. Beim neuen Verfahren des Fotosatzes ging dem schwebenden Lichtbuchstaben sein eigener Körper verloren. Sein präziser Standort, so wichtig für die Lesbar­ keit, seine Abstände, aber auch seine Größe werden durch bewegliche Linsen, Prismen und den Filmvorschub bestimmt. […] Der im Anfang so epochemachende Foto­ satz selbst ist jedoch bereits ‹historisch› geworden. In­ nerhalb von zwanzig Jahren haben sich die Techniken mit Riesenschritten entwickelt. Ohne hier auf ­Einzelhei­ten eingehen zu können, darf in die Zukunft vorausschau­end gesagt werden, daß die Digitalisierung des Text­­sat­zes ihren Weg weiterverfolgt, was uns wiederum die Frage stellen lässt, ob zufolge der in Punkte oder Linien auf­ gelösten Schrift nicht ein Qualitätsverlust in Kauf genom­ men werden muß. Die Erfahrung der letzten Jahre, und das Wissen um das, was sich vorbereitet, rechtfertigt jedoch durchaus ein Gefühl des Vertrauens in die weite­ re Entwicklung. Ganz wesentlich ist dabei, daß das ge­ samte Satzgefüge durch die Digitaltechnik wieder einen ‹Grundraster› erhält. Das Schriftbild ist nicht mehr frei­ schwebend wie in den ersten Generationen des Licht­ satzes, sondern sicher im Digitalraster fundiert. Die Zer­ legung wird von Jahr zu Jahr verfeinert. Die heute noch etwas störenden Vektoren werden in nächster Zukunft den vom Auge gewünschten Rundungen folgen. Die Brei­ ­­tenzerlegung der Buchstaben in grobe Einheits­systeme hat sich ebenfalls bei fast allen Maschinentypen stark ver­feinert. Die elektronische Speichertechnik wird erlau­ ben, den Raumausgleich zwischen jedem einzelnen Buch­ stabenpaar zu bestimmen. […] Man darf deshalb an­neh­ men, daß der heute noch etwas wesenlose ­Digitalsatz sich auf eine neue Art in der Zukunft festigen und sich als neue strukturelle Grundlage durchsetzen wird.» 2

/01/

Fettenschema zur Icone mit den Dicktenangaben bei 54 Einheiten pro Geviert – die Stärken 45, 55, 65 ­ und 75 werden nicht so realisiert.

/02/

Durch die stark modulierte Strich­führung kann die Icone elektronisch verzerrt werden, ohne dass sie Schaden nimmt.



Icon e

277

/03/

Studie­einer­serifenbetonten­Latine­ mit­taillierten­Abstrichen­–­ undatierter­Entwurf­mit­Filzstift­ auf­Transparentpapier.

/04/

Klebentwurf­mit­Filzstift­auf­ Transparentpapier­in­sechs­Stärken­–­ der­zweite­und­der­vierte­Schnitt­ von­links­wurden­nicht­umgesetzt.

/05/

Studie­zum­Neigungswinkel­der­ kursiven­Icone­–­5°­mit­der­Schnittbezeichnung­556­(links),­16°­mit­ der­Bezeichnung­56­(rechts).

/06/

Studie­von­1978­–­zwischen­dem­ Schnitt­55­und­dem­mit­16°­ geneigten­Schnitt­56­steht­die­als­ 556­be­z eichnete­Version­mit­5°.

/07/

/08/

Entwurf­einer­Outline-Version­ des­normalen­Schnittes­der­Icone­–­ die­Kontur­ist­mit­kurzen­ Filzstiftstrichen­gezeichnet.

Undatierter­Entwurf­der­Icone­55­ mit­46.5­mm­Mittellängenhöhe­–­ Bleistift­auf­Transparentpapier,­ montiert­auf­Karton. /09/

Klebsatz­aus­Repro­duktionen­von­ verkleinerten­Rein­z eichnungen­–­ das­Minuskel-l­bei­‹bungalow›­ist­ aus­dem­b­geschnitten.

278

W E R K S AT Z S c h R I F T

Das Verzerren von Schrift Die grobe Auflösung der digitalen CRT­Technologie 3 lässt Treppenformen in den Rundungen entstehen /12/. Eine leichte Taillierung der Abstriche /13/ und gekehlte Serifen sind dabei nur sehr schlecht darstellbar. Frutiger verzichtet in der Icone den­ noch nicht auf die Taillierung, gestaltet aber die Strich­ enden als Schwellserifen, womit die Stufen gleichmässi­ ger verteilt werden. Mit der Icone zeigt sich einmal mehr Adrian Frutiger’s Experimentierfreude sowie seine forschende Auseinan­ dersetzung mit der satztechnischen Entwicklung. Beson­ ders das Schriftverzerren beschäftigt ihn, das durch die Digitalisierung möglich wird und sogleich Einzug in den Zeitungs­ und Magazin­Satz hält. Die Titel werden nicht mehr inhaltlich geändert, sondern nun wird die Schrift auf die vorgegebene Satzbreite verzerrt. Insbesondere auf Schriften mit geringem Strichkontrast wirkt sich dies negativ aus. Beim Stauchen in der Breite behalten die horizontalen Partien ihre Stärke, die Abstriche hingegen werden dünner und damit zu fein /11/, was im Gegensatz zur lateinischen Schrifttradition mit den kräftigeren Ab­ strichen steht. Das Dehnen in der Breite führt bei den linearen Schriften zu einem ungewollten Strichkontrast. Unschön wirkt sich auch das elektronische Schrägstellen aus. Die Bogen, beispielsweise bei a und o der Frutiger, wirken nicht nur geneigt, sondern auch verzogen /11/, und bei der Méridien entsteht eine breite, plumpe Oblique mit deutlich zu kräftigem Spielbein beim K /11/.

findet man so etwas nicht /11/. Zur Bestimmung des Neigungswinkels machte ich zwei Skizzen, eine mit 5 Grad und eine mit 16 Grad, welche das Minimum und das Maximum markierten /05/.4 Den knapp geneigten Entwurf bezeichnete ich mit der Nummer 556, eine Kombination aus 55 und 56, eine Version also zwischen der Aufrechten und der Geneigten /06/. Solche Überlegungen schossen damals wie Samenkörner auf, sie wurden aber nicht weiter verfolgt. Am Ende wählten wir etwa 12 Grad. Der Name ‹Icone›, französisch ausgesprochen, stammt von mir. Ich dachte dabei an die russischen Ikonenbilder, aber nicht bezogen auf Religion oder Kirche. Es hat eher mit dem Erscheinungsbild der Ikonen zu tun. Ich empfand eine Verwandtschaft zwischen der gerundeten Icone und der Weichheit der Rundungen in den Gesichtern der Bilder. Formal gehört die Icone am ehesten zu den Inschriften- oder Steinmetzschriften. Die Linotype ordnete sie bei den Antiqua-Varianten ein, wo alles landete, was nicht klassifizierbar war.5 Für die Icone erstellten wir ein Fettenschema mit sechs Abstufungen /04/, zunächst wurden drei Schnitte markiert, zur Ausführung kamen dann aber vier /06/. Die Extrafette erscheint mir im Nachhinein etwas plump. Bemerkenswerterweise verändert sich das gesamte Erscheinungsbild der Icone ein wenig im mageren Schnitt. Hier wirken die horizontalen Stellen geringfügig stärker als die vertikalen /06/. Im Entwurf war das noch stärker ausgeprägt als im Endresultat. Charakteristisch sind bei der Icone die leicht geschwungenen Ausläufe; der Ausdruck Schwellserifen wurde dafür geprägt. Diese sind aber nicht immer gleich. Zum Beispiel zeigt das H rechts einen betonten, schwungvollen Abstrich, während das K eine gerade und verhältnismässig kurze Schräge ohne Verstärkung hat /17/. Dies ist mit Absicht unterschiedlich gehandhabt. Demgegenüber sind die Horizontalen bei einigen Buchstaben gerade und schnör-

/10/

/11/

Vergleich­von­Icone-Entwurf­ (oben),­Kathodenstrahl-Belichtung­ (Mitte)­und­Laser-Belichtung­des­ PostScript-Fonts­(unten).

Frutiger­(oben),­Icone­(Mitte)­und­ Méridien­(unten)­im­normalen­und­ kursiven­Schnitt­sowie­in­der­ zweiten­Zeile­elektronisch­verzerrt.

Huberts fantastic /12/

/13/

Im­Vergleich­zur­digitalen­Optima­ (oben)­hat­die­Icone­(unten)­in­ niedriger­Aufl­ösung­(rechts)­eine­ feiner­abgestufte­Taillierung.

Die­feine­Taillierung­der­Optima­ (oben)­wird­in­der­CRT-Technologie­ zerstört­–­die­Schwellserifen­der­ Icone­(unten)­sind­besser­geeignet.

Kano Kano Kano Kano Kano

Kano Kano Kano Kano Kano Kano Kano Kano Kano Kano /14/

Elektronisches­Schrägstellen­ verfettet­den­Abstrich­–­die­optisch­ angeglichene­Strichstärke­bei­den­ serifenlosen­Schriften­wird­zerstört.



Icon E

279

/15/

Frisket des W der Icone Bold Outline – mit dem Schneidplotter wird die digitalisierte Form in die rote Membrane geschnitten.

280

W E R K S AT Z s c h R I F T

kellos gehalten. Ein bewegter Querstrich bei H, e oder f wäre kitschig gewesen /20/. ­Schwie­­rig war das ­Fragezeichen. Lang suchte ich danach, wie ich es zeichnen sollte. Fragezeichen, die wie Fleischhaken aussehen, mag ich nicht. Die vielen Run­dungen hätten eine unschöne Wurmform ergeben. Zum Schluss wählte ich eine vielleicht etwas eigenwillige Lösung /22/. Einige Buchstaben wie c e s t erinnern beim flüchtigen Blick an die Antique Olive /23/. Man fragte mich einmal, ob ­die­se Schrift Einfluss auf die Gestaltung der Icone hatte. Nein, ich habe Roger Excoffon nichts abgeschaut. Doch man weiss natürlich nie so genau, was das eige­ne Schaffen beeinflusst. Wenn man erst einmal ein Bild im Kopf hat, kann es durchaus noch zwan­ ­zig Jahre später Wirkung zeigen. Die Antique Olive erschien zwischen 1960 und 1969 bei der Fonderie Olive in Marseille. Sie ist für mich die schöns­te französische Schrifterfindung. Gewagt und anders. Aber ob sie mich bei der Icone beeinflusste? Bewusst jedenfalls nicht. Mit ihren 9 Schnitten ist die Icone gut ausgebaut. Zur Verfügung stehen vier Strichstärken mit den entsprechenden Kursiven. Auch einen halbfetten Outline-Schnitt habe ich gestaltet.6 Dazu kam es, weil Bruno Pfäffli für den Ausstellungskatalog ‹Mer Égée. Grèce des Îles› etwas Aus­­ser­­gewöhnliches in dieser Art benötigte.7 Im Type Selection Meeting von Linotype wurde mein Vorschlag sofort angenommen. Alle Schnitte gab es mit Minuskelziffern, dazu ­Kapitälchen für den mageren und den normalen Schnitt. Die Arbeit an der Icone erstreckte sich etwa von 1978 bis 1980. Als Klebsatz 8 /32/ wurde sie erstmals vorgestellt in mei­nem Buch ‹Type Sign Sym­ bol› /33/. Noch 1990 setzte die Linotype die Icone ein. Zur ATypI-Konferenz in ­Ox­ford wur­­de eine aufwändig produzierte Faltkarte verteilt mit einer ein­­ge­legten, von mir gestal­te­ten Origi­ naldruckgrafik. Die Icone fand schnell Verbreitung. Grund für ihren Erfolg war sicher zweier­ lei: Sie war eine ungewöhnliche Schrift, die zudem gut ausgebaut vorlag.

/16/

/17/

/18/

Wie bei der Méridien (links) ­ und der Apollo (Mitte) weist das Majuskel-M der Icone (rechts) gespreizte Schenkel auf.

Die Schwellserifen bei den ­ Abstrichen des Majuskel-H sind ­ ausgeprägter und schwungvoller als beim K.

Die Schwellserife der Ziffer 1 ­ wirkt etwas angesetzt, da eine ­ Entsprechung oben fehlt – ­ auch die 4 ist streng gehalten.

M M M HK

Il14

/19/

/20/

/21/

Die Majuskeln, die Ziffern und ­ das £-Zeichen weisen in den Horizontalstrichen – unterschied­ liche – Endbetonungen auf.

In den Minuskeln f und t ­ zeigt der Querstrich keine Endbetonung – sie wirken ­ dadurch etwas angesetzt.

Die Minuskeln b und q sowie ­ d und p haben jeweils gespiegelte Formen mit sehr kleinen ­ Änderungen.

bdpq

EZ24£ eftz /22/

/23/

Das Fragezeichen der Icone ­ weist eine etwas ungewöhnliche Form auf, die Rundung endet ­ vertikal geschnitten.

Merkmale der Antique Olive (links) sind die betonte Kopfpartie und ­ die spitzen Bogen­enden – ähnlich ist dies bei der Icone (rechts).

?

cest cest

/24/

/25/

/26/

Die Albertus, 1932 von Berthold Wolpe, und die Friz Quadrata, ­ 1965 von Ernst Friz, sind Inzisen mit reduziertem Strichkontrast.

Die 1958 veröffentlichte Optima von Hermann Zapf ist eine ­ Inzise mit deutlichem Strichkontrast.

Roger Excoffon’s Antique Olive, ­ 1962 für die Fonderie Olive in Marseille gestaltet, weist ­ eine betonte Kopfpartie auf.

Albertus

Optima

Antique Olive

Friz Quadrata

Icon e

281

Kreativer Gegenschlag Um der respektlosen Schrift­ verzerrung eine gestalterische Lösung entgegensetzen zu kön­­nen, entwirft Frutiger 1978 die Icone. Dazu schreibt Horst Heiderhoff im ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985›: «­Diese Möglichkeiten wurden zur Stimulierung für Adrian Fruti­ ger, und es entstand der Gedanke, eine Schriftgattung zu entwerfen, die solche Manipulationen ertragen könn­te. So entstand die Icone mit ihrer sehr eigenwilligen, stark modulierten Strichfüh­rung. Sie spiegelt den geglück­­ten Versuch einer Synthese von historischer ­Entwicklung und dem Geist unse­rer Zeit wider.» 9 1985 ist aber bei Frutiger die ursprünglich positive Sicht­ weise, welche im ATypI-Vortrag von 1980 zum Ausdruck kommt, einer negativen Stimmung gewichen, wenn er sagt: «Für den Schriftschaffenden ist diese mög­­lich ge­ wordene ma­thematische Veränderung der Grunddaten des Schrift­­bil­des in einer gewissen Art ein ‹Leidens­pro­ zess› im Sinne einer Karikaturisierung oder Verstümme­ lung der initia­len Schöpfung.»10 Und 1988 schreibt ­Adrian Frutiger in Bezug auf die Icone: «Aus einem Gefühl der ­Frustration erwachte in mir ein impulsiver Gegenschlag. Ich dachte an eine Schrift, welche der Verzerrung stand­ halten würde. … Es schien mir, es müßte soviel Elastizität in der Zeichnung sein, damit das Gesamtbild durch eine Verzerrung wohl verzogen, aber nicht zerstört werden könn­te.»11 Entstanden ist eine eigenständige Schrift mit formalen Anklängen an Schriften des Flower Power der späten 1960er und der frühen 1970er ­Jahre.12

/27/

Figurenübersicht der Icone normal­ im Lichtsatz CRT (Kathoden­-­ strahl-Technologie) der Linotype.

/28/

/29/

/30/

/31/

Adrian Frutiger – vor sich auf ­ dem Arbeitstisch liegend das Frisket und die Werkzeichnung des g der Icone 55.

Erfassung der Konturmarkierungen mittels Digitalisierungs­gerät – ­ im CAD-System werden diese in digitale Daten umgesetzt.

Visuelle Kontrolle und Korrektur ­ der digital errechneten Buch­ stabenform auf dem hochauflösen­ den Bildschirm.

Auf der Zeichen- bzw. Schneid­ maschine (Plotter) wird der Buch­stabe zur Schriftträgerproduktion in Folie (Frisket) geschnitten.

/32/

Schutzumschlag ‹Type Sign Symbol›, 1980 von Adrian Frutiger – ­ der Ochsenkopf oben im Sechseck verweist auf den ersten Buchstaben ’alef im phönizischen Alphabet.

/33/

Kleb­satz der Icone – Repro­duk­ tionsvorlage mit Markierungen für Adrian Frutiger’s Fachbuch ­ ‹Type Sign Symbol›.

282

W E R K S AT Z s c h R I F T

Font-Herstellung : Digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Icone ™ Linotype 9 Schriftschnitte ( +2 SC | +9 OsF )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com

AB C D E FG H IJ K LM N  O P Q R S T U V W XY Z &   abcdefghijklmnopqrs tuvwxyzß1234567890

 Pourquoi tant

 d’Alphabets différ  ents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dan s les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaien t différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de m ême pour les caractères ! Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkar te studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, a ber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all serve the same purpos e but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a lis t of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were w ines but each was different from the others. It’s the nuances that are import ant. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! To us servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’es t cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de v ins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en e st de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber mac

70 pt | –35

53 pt |  –25

35 pt | –30

23 pt | –15

15 pt | 19 pt |  –20



hen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfal t ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weink arte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus de m selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben g leichwohl Nu­ancen. So is es auch mit der Schri ft. You may ask why so many different type­­face s.They all serve the same purpose but they expr ess man’s diversity. It is the same diversity we fi nd in wine. I once saw a list of Médoc wines fea

10 pt | 13 pt | 0

7.5 pt | 10.2 pt | 5

6 pt | 8 pt | 10

ÅBÇDÈFG HI JK L MÑ ÔPQRŠTÜ V W X Y Z & Æ Œ ¥ $ £ € 12 3 4 5 6 7 8 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fi fl æ œ ø ł ð [. , :; · ’/ - – —] ( ¿ ¡ “« ‹ › » ” ! ? ) { § ° % @ ‰* †}

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Light Italic

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Bold

Bold Italic Icon e

283

Schriftenvergleich Obwohl vom schriftgestalterischen Ansatz und von der Herstellungs­methode kein Bezug zu Inschriften vorhanden ist, kann die Icone stilistisch zur Gruppe der Inzisen zugeordnet werden. In der deutschen Druckschriftenklassifikation DIN 16518 fin­­det sich diese von Maximilien Vox als ‹Incises› bezeichne­­te Grup­­pe je­ doch nicht, da sie dem Sammeltopf ‹Antiqua ­Varianten› weichen musste (siehe Seite 77). Anders bei der italie­ni­­ schen Klassifikation des Schriftgestalters Aldo Novarese, hier heisst sie ‹Lapidari›13, oder auch beim ame­rikanischen Software- und Schriftenhersteller ­Adobe, wel­­­­cher sie als ‹Glyphic›14 aufführt. Der schrifthistorische Stellenwert der Inzisen rechtfertigt eine eigene Klassifi­kationsgruppe für serifenlose Schrif­ten mit tail­­lierten Abstrichen und Schriften mit Schwellserifen, sind doch die Ursprünge des griechischen sowie des lateinischen Alphabetes in den Stein-Inschriften zu finden. Die Poppl Laudatio ist eine etwas weniger dynamische Inzi­se als die Icone. Ihre betonten Strichenden mit kon­ kaver Basis sind im Gegensatz zur Icone symmetrisch for­­­muliert. Einen ausgeprägt dynamischen und wie bei der Icone sehr eigenständigen Eindruck hin­terlässt so­ dann die Romic. Hier handelt es sich aber nicht um eine Inzise, sondern um eine Antiqua mit Schreib­duktus. Im Betonen der Schreibrichtung – bei der Romic durch die oben nach links und unten nach rechts weisenden ­Serifen  – sowie in den gerundeten Abstrichen zeigt sie hingegen eine gewisse Verwandtschaft zur Icone.

/34/

Vermassung von Strichstärke ­ und Proportionen des normalen Schnittes der Icone.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 8.23 Hs = 1.30 Hq = 1.07

nh = 6.98 cm nw = 6.28 ns = 1.12 nq = 1.13

oh = 7.48 cm ow = 7.28 os = 1.40 oq = 0.97

Hh : Hw = 1 : 0.82 Hw : Hs = 1 : 0.58 Hs : Hq = 1 : 0.82

nh : nw = 1 : 0.90 nw : ns = 1 : 0.18 nh : oh = 1 : 1.07 nw : ow = 1 : 1.16

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/35/

Die Icone wirkt im Vergleich ­ zu den anderen beiden Schriften deutlich breiter und weniger kontrastreich.

Hofstainberg Romic Colin Brignall 1979

Hofstainberg Icone  Adrian Frutiger 1980

D H N b n p y 57

D H N b n p y  5 7 D Schwerpunkt beim Bogen nur minim nach oben verschoben

Hofstainberg Poppl Laudatio Friedrich Poppl 1982

284

W E R K S AT Z s c h R I F T

H Querbalken ohne Taillierung

N nur leicht asymmetrische Form

b Abstrich endet mit flacher Basis

n Bogen wirkt leicht kräftiger als taillierte Abstriche

p ovale Punzenform

y beidseitig nach innen weisende Schwellserifen

57 strenge Anmutung durch parallele Linienführung

D H N bn p y 57

/36/

Der Vergleich zeigt die ­ ver­schiedenen Fettengrade und ­ den Winkel der Geneigten.

Light Roman Bold Extra Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00

Hw 7.92 = 0.96 8.23 = 1 9.35 = 1.14 10.83 = 1.31 8.04 = 0.98

Hs 0.86 = 0.66 1.30 = 1 2.36 = 1.81 3.77 = 2.90 1.28 = 0.98

Hq 0.78 = 0.73 1.07 = 1 1.76 = 1.64 2.67 = 2.49 1.09 = 1.02

HHHH H 11.9°

cm

ExtraBlack

ExtraBlack Italic

å b ç d é f g h i j 0 12 3 4 5 6 7 8 9 k l m ñ ô p q r Light Oldstyle Figures š t ü v w x y z & 0 12 3 4 5 6 7 8 9

130 100 73

3.7 10

012 3 4 5 6 7 8 9 012 3 4 5 6 7 8 9

−24

3.3

Bold Oldstyle Figures

Regular Small Caps

Romic 40.1 pt

132 100 70

HÔhxp7

0 cm

0 cm

4.3 10

−29

4.1

127 103 79

3.0

Icone 44 pt

=Õ]me,

1.00

Regular Italic Oldstyle Figures

Bold Italic Oldstyle Figures

0123456789 0123456789 ExtraBlack OsF

1.00

Light Italic Oldstyle Figures

å b ç d é f g h i j 012 3 4 5 6 7 8 9 k l m ñ ô p q r Regular Oldstyle Figures š t ü v w x y z & 012 3 4 5 6 7 8 9

HÔh xp7

0

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ¥$£€0 123456789   å b ç d é f g h ij  k l mñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ . , :; ·’/- – —] (¿¡“«‹›»”!?) {§° %@‰*†} 

Light Small Caps

/37/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

1.00

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10 −35

Poppl Laudatio 40.7 pt

4.4

ExtraBlack Italic OsF

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Icon e

285

Schriftname Breughel

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1978 | 1982

Satztechnik Digitalsatz CRT Digitalsatz PostScript

Hersteller – D. Stempel AG | Linotype – Linotype

Schnitte 6 6

B R EUGH E L Mit der Breughel schlug ich der CRT -Technik ein Schnippchen. Aber die Technik auszutricksen, war nicht direkt der Hauptantrieb, jedenfalls nicht bewusst. Ich wollte vor allem schöne, neue Schriften gestalten. Aller­dings fühlte ich mich auch immer verpflichtet, zu den Type Selection Meetings bei Linotype etwas Neues mitzubringen. Zwei bis drei dieser Meetings fanden jährlich statt, und nie ging ich ohne Skizzen oder einen geklebten Probesatz zu den Treffen. Einen Auftrag für besonders technikfreundliche Schriften gab es von der D. Stempel AG oder Linotype damals jedoch nicht. Alle diese Sachen entstanden in meinem Denken, in meinem Kopf. Jeder Tag war anders für mich, jeder Tag brachte eine neue Idee. Es sprudelte nur so aus mir. Es war ein innerer Drang, kreativ zu arbeiten. Ich suchte dabei nicht krampfhaft etwas, was der Tech­ nik entsprach. So wäre ich zugrunde gegangen. Gleichwohl konnte ich die technischen ­Aspekte nie ganz ausblenden. Zur Breughel gab es keine systematischen Vorstudien. Es entstanden aber in dieser Periode noch viele andere Skizzen. Ein eigenständiger Entwurf zum Beispiel ist die kalligrafische ‹Breughel Script› /04/. Sie zeigt ein paar Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede. Hatte ich eine gute Idee, skizzierte ich zwei bis drei Tage, feilte daran, füllte die Konturen schwarz aus und liess die Buchstaben zu einem Wortbild zusammenkleben. Das ‹OHamburgefons› wurde erst gefertigt, wenn ein Vorschlag im Meeting angenommen war. Es handelte sich ja um eine erste betriebliche Investition. Alle Skizzen und Klebarbeiten, die ich zu Hause machte, waren meine privaten Studien und kosteten die D. Stempel AG nichts. Bei der Entscheidung, die Breughel auszuführen, spielte die digitalisierungsfreundliche Formgebung eine wichtige Rolle. Auf den Bodoni-Schock bei der Lumitype ­Mitte der Fünfziger­ jahre war zu Beginn der CRT -Zeit Mitte der Siebzigerjahre der Méridien-Schock gefolgt. Als ich damals das Ergebnis der Digitalisierung mit all den Treppenstufen sah, war ich entsetzt. ­Diese Kari­katur der Méridien war inakzeptabel /12/. Es begann das, was ich einmal als ‹Leidens­ ­zeit›, als ‹Weg durch die Wüste› bezeichnet habe. Heute würde ich es eher das ‹Miterleben eines Wandels› nennen. Die Philosophie der IBM, «Technik wird eines Tages alles können, es braucht nur etwas Geduld», konnte ich mir nicht zu eigen machen. Hätte ich die Hände in den Schoss legen und einfach abwarten sollen? Fast zwanzig Jahre dauerte schliess­lich die Entwicklung von der so viel Speicherplatz benötigenden Kathodenstrahl-Pixeltechnik über die mit deutlich weniger Datenmenge auskommende Vektor-Darstellung bis zu den Bézier-­Kurven der Achtzigerjahre.1 Ich versuchte also, die technischen Mängel auf zeichnerische Art zu umgehen. Die lang gezogenen Bogen der sanft taillierten Abstriche und konkave Serifen waren zu vermeiden, das hätte wieder wie bei der Méridien den Pixelversatz ergeben. Daher hielt ich bei der Breughel die rechte Kante des Abstrichs vertikal, während die linke stark nach innen gewölbt wurde /01/. Durch den Kontrast zwischen der geraden Kante und der tief gebogenen Rundung wirkt die 286

W E R K S AT Z s c h R I F T

Schriftentwürfe zur Breughel Ende der 1970er, An­ fang der 1980er Jahre gestaltet Adrian Frutiger verschie­ dene, formal verwandte Schriftentwürfe. Eine Ab­folge der Entstehung ist nicht ersichtlich, da nicht alle Entwür­ fe datiert sind. Gemeinsam ist ihnen ein kräftiges Schrift­ bild mit stark taillierten Abstrichen, wodurch sie eine dy­­na­­mi­sche Anmutung aufweisen. Aus den Entwürfen mit ver­­schiedenen Serifenformen kristallisiert sich ne­ben der Icone (siehe Seite 276) die Breughel heraus /01/, kon­ zipiert in drei Strichstärken /02/, welche 1982 mit den ent­sprechenden Kursiven realisiert werden.2 Der Schriftname taucht erstmals als ‹Breughel Script› zu einem Fettenschema mit vier Strichstärken auf, datiert auf Mai 1978. In Adrian Frutiger’s Buch ‹Type Sign Symbol› ist die­­ses Schema abgebildet /03/, gedruckt in Rot zur Unterscheidung der schwarz gedruckten aufrechten Schnitte. Von einzelnen Buchstaben der ‹Breughel Script› bestehen Konturzeichnungen in 12.5 cm x-Höhe, teilwei­ se in vier verschiedenen Strichstärken und teilweise mit Digitalisierungspunkten versehen /04/. An eine Realisa­ tion dieser Schrift muss also gedacht worden sein. Ähnlichkeiten zur Schrift Breughel zeigt auch das mit Blei­ ­stift gezeichnete Testwort ‹Hanover› /05/. In der Serifen­ ­form, im Winkel der Schattenachse beim o und in den Abstrichen, welche hier beidseitig tailliert sind, ­bestehen jedoch Abweichungen. Dieselben Zeichnungen bilden zudem die Vorlagen für den Klebsatz ‹Hobnail business› /06/. Auf dem Blatt findet sich ein zweiter ähnlicher Ent­ wurf, ‹Irmas sombrero› /06/, mit dreieckigen statt vier­ eckigen Serifen. Die Schattenachse des o ist hier ­weniger schräg, sie entspricht mehr jener der Breughel. Interes­ sant ist zudem der Vergleich der beiden Minuskel-a. Beim oberen Entwurf ist der Anstrich eher spitz und der Ver­ bindungsstrich vom Bauch zum Stamm kräftig sowie in der Innenform nach unten gezogen /06/. Beim unteren Entwurf ist der Anstrich betont, dafür ist der Verbindungs­ strich fein und diagonal gehalten /06/. Bei der späteren Breughel sind beide Partien fein gehalten /18/. Beim ‹Ritual project› von 1980 /07/ handelt es sich um eine serifenbetonte Antiqua in Form einer Italienne 3, je­ doch mit abgeschrägten Serifen wie bei der Breughel. Charakteristisch für diesen Schrifttypus sind die Beto­ nung der horizontalen gegenüber den deutlich feineren verti­kalen Partien und oftmals auch die schmale Anlage der Schrift. Eine Italienne realisiert Adrian Frutiger 1989 mit seiner Westside (siehe Seite 346).

/01/

Mappe und Reinzeichnung zur Breughel 55 – aufgeteilt auf   drei Mappen wurde bei Linotype ein Schriftschnitt abgelegt.



B re u g h e l

287

/02/

Proportionsschema der Breughel  zur Daten eingabe der Abstufungen –  die Abstriche sind einseitig tailliert,  die Serifen sind abgeschrägt.

/04/

Bleistiftzeichnungen zum Schriftentwurf ‹Breughel Script› –  die Zeichnungen weisen im Original  eine x-Höhe von 12.5 cm auf.

/03/

Proportionsschema des Schriftentwurfs ‹Breughel Script› von 1978  (rot) und der Aufrechten (schwarz)  mit jeweils vier Strichstärken.

288

W E R K S AT Z S c h R I F T

/05/

Der Breughel ähnlicher Entwurf   mit beidseitiger Taillierung der Ab­striche und vertikal geschnittenen Serifen – Bleistiftzeichnung   (Originalgrösse).

/06/

Entwurf einer der Breughel ähnlichen Schrift (oben) und einer davon abgeänderten Version mit Dreiecksserifen (unten).

/07/

Der Schriftentwurf ‹Ritual› von 1980 zeigt Anklänge an die Breughel, aber auch eine Italienne wie die spätere Westside.



B re u g h e l

289

Schrift lebendig; zudem lässt sie sich dadurch schadensfrei digital darstellen. Die Ober- und Unterkante der Serifen mussten ohne Wölbung sein, seitlich habe ich sie jedoch abgeschrägt, damit sie nicht einer Egyptienne zu ähnlich werden. Horst Heiderhoff schrieb in einer Broschüre meiner 1983 bei Linotype erhältlichen Schriften, dass als Vorbild für die Breughel die frühen humanistischen Schriften und dabei ganz be sonders die Jenson dienten /28/. Diese Aussage kam nicht von mir. Ich hielt sie lange für unpassend, muss nun aber zugeben, dass etwas Wahres darin liegt. Vergleicht man ein paar Zeilen aus der Jenson mit jenen aus der halbfetten Breughel, ist die Verwandtschaft offensichtlich 4 /09/. Diese Satzbeispiele, zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Techniken entstanden, offenbaren auch, dass die Qualität des Strichs viel weniger wichtig ist als die Qualität der Weissräume. Die Proportion von Schwarz und Weiss in einer Zeile entspricht im normalen Schnitt ungefähr dem Verhältnis 25–30 % schwarz und 70–75 % weiss.5 Eine Schrift besteht also zur Hauptsache aus Innenräumen und Zwischenräumen. In der Breughel haben b d p q ovale Punzenformen /14/, während bei h m n die Übergänge von Stamm zu Bogen leicht eckig sind /15/. Hier den Bogen rund hineinlaufen zu lassen, hätte die Schrift insgesamt zu weich gemacht. Ich hätte auch beim b eine Ecke zeichnen können, um die Bewegung noch stärker zu betonen, ähnlich wie beim q oben /14/. Das würde dem Stil vielleicht eher entsprechen, denn zu der ganzen Anlage der Schrift gehören ja Ecken und Kanten. Das Kantige, das insgesamt enthalten ist, fehlt beim gemeinen b. Immer problematisch war der durch die römische Ziffer stark geprägte Buchstabe X. Es ist schwierig, eine etwas andere X-Form zu kreieren /16/. Als Kompromiss würde ich das aufrechte Et-Zeichen bezeichnen. Weder hat es meine ureigene noch die geschlaufte Form. Es steht etwas sonderbar da /17/.

/08/

/09/

Auf Pergament geschriebene  humanistische Minuskel  aus Ferrara, erste Hälfte des  15. Jahrhunderts.

Ausschnitt aus ‹Fabius Quintilianus› von 1471 in der Typografi e  von Nicolas Jenson (oben) im  Vergleich mit der Breughel Bold.

Bezug zur Jenson Selb­stverständlich ist die Breughel kein Nachschnitt der Jenson, dafür sind die Unterschiede zu offensichtlich /09/. Auch gib­t es keinen Hinweis, dass Frutiger sich b­ewusst an der Schrift aus dem 15. Jahrhun­ dert orientiert hat.6 Dennoch finden sich Merkmale, die den von Horst Heiderhoff angestellten Vergleich zulässig machen. So verleiht Nicolas Jenson seiner Antiqua ein sehr gleichmässiges Schriftb­ild (siehe Seite 15). Die Seri­ fen weisen eine kräftige, asy­­mmetrische Form auf und b­eim Minuskel­m sind der zweite und dritte Ab­strich links eingeb­uchtet. Durch die asy­­mmetrische Ausrichtung erhält Frutiger’s Schrift eine leicht in Leserichtung ge­ neigte Bewegung und durch die kräftigen Serifen ist sie stark zeilenb­ildend. Diese Art von Formgeb­ung in der Druckschrift geht auf die geschrieb­ene humanistische Minuskel zurück /08/. Zu Beginn des Entwurfsprozesses entsteht denn auch ein Entwurf einer Schreib­schrift, die ‹Breughel Script› /10/. Ein formaler Bezug zur früheren Ondine (siehe Seite 50) ist hier offensichtlich. Bereits b­ei der Apollo /22/ gestaltet Frutiger leicht asy­­m­ metrische und b­ei der kursiven Opéra /24/ einseitig aus­ gerichtete Serifen. Auch die humane Form der taillierten Ab­striche ist Merkmal vieler Serifenschriften Frutiger’s. Ähnlich wie b­ei der parallel entstandenen Icone ermög­ licht jedoch das (einseitig) vertiefte Einb­uchten des Ab­­ strichs, den Radius kleiner zu wählen. Das Verpixeln ver­ teilt sich dadurch auf mehrere Stufen, was angenehmer wirkt, wie der nachgestellte Vergleich zeigt /11/.

/10/

Vergleich zwischen dem Schriftentwurf ‹Breughel Script› (links),  Breughel Regular (Mitte) und  Regular Italic (rechts).

bb ee uu /11/

Majuskel-I der Méridien, Icone und  Breughel in niedriger Aufl ösung  von 300 dpi – Vergleich mit heutiger  Technologie nach gestellt.

290

W E R K S AT Z S c h R I F T

/12/

/13/

CRT-Belichtung der Méridien mit  den typischen Treppenstufen –  die taillierten Abstriche werden nur  unschön wiedergegeben.

Humane Schriftform für niedrige  Aufl ösung dank nur einseitig stark  taillierter Abstriche und fl acher,  schräg abgewinkelter Serifen.

Eine digitalisierungsfreundliche Schrift In einem Brief mit der Anrede «Lieber Freund Weide­mann» 7 ant­ ­wortet Frutiger 1984 auf eine Umfrage 8 der Euro­gra­phic Press 9 – woraus unter anderem publiziert wird: «Beim Zeichnen und Entwerfen ist es mir nicht mehr möglich, den Digitalprozess zu übergehen oder zu vergessen. Das Gitter der Punktzerlegung einer Kurve ist bei mir bereits in ‹Fleisch und Blut› übergegangen. Das Erleben der Auf­ ­­­­rasterung ist Teil meiner Erfahrung geworden und spielt deshalb in der kreativen Phase des Entwerfens unweiger­ lich mit. So ist z. B. aus dem Gedanken einer ‹digitalisie­ rungsfreundlichen› Schrift die ‹Breughel› entstanden.» 10 Und im ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985› steht: «Sehr weit ge­ ­­spannte Kurven wurden … bewußt vermie­den, denn die Erinnerung an Schwierigkeiten bei der digitalen Wieder­ gabe von Schriften wie z. B. bei der Meridien blieb im Bewußtsein haften. Trotzdem war ich nicht bereit, für eine Mediaeval-Antiqua die An- und Abschwellung eines lebendigen Abstriches mit einer harten, geraden Linien­ führung zu vertauschen. Durch diese Auseinanderset­ zung entstand der Gedanke, den Abstrich nur einseitig, aber tiefer einzubiegen. Die rechtsseitige Begrenzung des Stammes besteht demnach aus einer perfekten Ge­ raden, während die linke Begrenzung eine durch eine relativ große Anzahl von Treppenstufen vorgetäuschte starke Einbuchtung aufweist. In der verkleinerten Wie­ dergabe in Satzgröße nimmt jedoch das Auge die Schwin­ gung des Abstriches nur als Gesamtheit wahr.»11

Die Breughel erschien 1982, gleich in sechs Garnituren. Es herrschte der Trend, die Schrif­ ten zu grösseren Familien auszubauen, damit sie teurer verkauft werden konnten.12 Eine Schrift mit nur drei Schnitten war nicht viel wert. Neben dem Marketing spielte auch der ­Kostenfaktor eine Rolle. Bis eine Roman, eine Italic und eine Bold stimmen, braucht es Zeit und Geld. Sind diese Grundversionen erst einmal fertig, ist der weitere Ausbau einfach.13 Vollständig selbst gezeichnet habe ich den normalen und den fetten Schnitt, der mittlere wurde interpoliert. Wir nutzten die technischen Möglichkeiten auch für die Kursive. Sie war eine mathematisch schräg gestellte Version, die ich jedoch von Hand nachbearbeitete. Nur die Buchstaben a e f g ­zeichne­te ich neu /18/. Mit den einseitigen Serifen der Gemeinen ist die Kursive etwas speziell. Dass auch beim r der linke Teil der Serife fehlt, ist nur konsequent /20/ – und eigenwillig. Ich fragte nicht: Was ist erlaubt und was nicht. Fand ich etwas gut, habe ich es gemacht. Für die Breughel gab es Minuskelziffern und im normalen Schnitt Kapitälchen.14 Die Linotype leistete hier die Vorarbeit und ich korrigierte die Formen. Selbst entwarf ich nur die Minuskelziffern 0, 1 und 2, ­welche ganz andere Proportionen haben /21/ – das war vielleicht ein bisschen bequem.15 Unabhängig von den technischen Aspekten verkörpert die Breughel einen ganz eigenstän­ digen Charakter. Früher bezeichnete ich sie als ‹bäuerlich›, ‹knorrig›, ich empfand eine Nähe zu den Bildern des Malers Breughel 16, daher gab ich ihr auch diesen Namen. Nach der ­Méridien und der Iridium einerseits und den Groteskschriften andererseits wollte ich eine Art Gegenrichtung ein­­schlagen. Statt eleganter, feiner Formen suchte ich nun etwas Bodenständiges, so­­­zusagen mit Fleisch auf den Knochen und mit stabilen Serifen. Lange Zeit betrachtete ich die Breughel ein wenig geringschätzig als technisch bedingte ‹Übergangslösung›; heute im Rück­blick entdecke ich ihre Qualität: Sie ist kräftig und doch wohlgeformt, charakterstark.

/14/

/15/

/16/

/17/

Die Mündungen vom Bogen in den Stamm bei b d p q sind gerundet –   das b wirkt durch die runde Form unten links etwas weich.

Bei den Minuskeln h m n r u münden die Bogen eckig in den Stamm,   was die Anmutung einer geschrie­ benen Form verstärkt.

Eine dynamische Strichführung   in die symmetrische Form des X zu bringen, ist eine schrift­gestalte­ rische Herausforderung.

Im aufrechten Schnitt hat das & der Breughel eine etwas affektierte, ungeschlaufte Form – nicht dagegen die 8 und die kursive Form.

bdpq

hmnru X

&8&

/18/

/19/

/20/

/21/

Für die Breughel Italic wurden einzig a e f g neu gezeichnet,   alle anderen Figuren sind maschinell geneigt und überarbeitet.

Während im aufrechten Schnitt das x beidseitige, das y jedoch nur einseitige Serifen aufweist,   ist es in der Kursive umgekehrt.

Die einseitigen Serifen in der Breughel Italic sind konsequenterweise auch beim Minuskel-r eingehalten.

Im Gegensatz beispielsweise zur Garamond (oben) sind in den beiden Ziffernsätzen der Breughel (unten) nur 0 1 2 unterschiedlich.

hr

0123456789 0123456789

aefg aefg xy x y /22/

/23/

/24/

Apollo (oben) und Breughel (unten) weisen durch die Zeichenformen und die Zeichen­anlage eine deutliche Verwandtschaft auf.

Die Buchstaben der kursiven   Opéra (oben) und Breughel (unten) weisen sehr ähnliche Formen   und Serifen auf.

Im Unterschied zur früheren   Opéra (oben) münden bei   der Breughel (unten) die Bogen eckig in den Stamm.

acehs acehs

0123456789 0123456789

abdgpq hmn

B re u g h e l

291

Zeilenabstand einer Schrift Für die Anmutung einer Schrift spielt der Zeilenabstand eine prägende Rolle. Ist der Zeilenabstand zu eng gewählt, kann sich die Schön­ heit einer Schrift nicht entfalten /26/. Zudem ver­­ändern sich mit dem Zeilenabstand die Grauwirkung einer Schrift sowie das für das Lesen wichtige Zeilenbild. Für Werksatz wird heute ein eher heller Grauwert bevorzugt /27/. Die Grösse des Zeilenabstandes ist abhängig von der Schriftwahl, der Schriftgrösse und der Satzbreite. Wäh­ rend die Frühdrucker ihre mit langen Ober- und Unter­ längen versehenen Schriften meist kompress, also ohne zusätzlichen Raum zwischen den Zeilen, setzen /09/, ist dies bei den meisten heutigen Schriften nicht ohne Ein­ busse an Anmutungs- und Lesequalität ­möglich. Durch die im ­Laufe der Zeit angewachsene x-Höhe bei gleich­ zeitiger Reduktion der Unterlänge verliert sich bei kom­ pressem Satz die Zeilenbildung, sie weicht einer schwer lesbaren, dunklen Blockbildung. Schriften mit vertikaler Ausrichtung wie die klassizisti­ sche Antiqua und Schriften mit grosser x-Höhe oder mit weiten Innenräumen (Punzen) benötigen ­grosszügigen Zeilenabstand. Zusätzlich ist er von der Satz­­breite abhän­ gig. Bei schmaler Kolumne wird der glei­­che Zeilenab­ stand offener empfunden als bei breiter /28/. Lange Zei­ ­len benötigen daher mehr Zeilen­abstand als kur­­z­­e. Eine Faustregel sei dennoch genannt: Der Raum zwischen Schriftlinie und folgender Mittellängenlinie soll­­te min­ des­tens 1 ½-mal der x-Höhe entsprechen.

/25/

Figurenverzeichnis der Breughel   im Lichtsatz CRT (KathodenstrahlTechnologie) der Linotype.

/26/

Gesetzt mit viel zu engem Zeilen­ abstand – Text zur Breughel in der drei­sprachigen Linotype-Broschüre ‹Schriften von Adrian Frutiger›   von 1983.

/27/

Breughel LT Regular in 10.2 pt Schriftgrösse – kompress, mit 1 pt, 2 pt und 3 pt Durchschuss   gesetzt (v.o.n.u).

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W E R K S AT Z s c h R I F T

You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty diffe You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty diffe

/28/

Breughel LT Regular in 10.2 pt Schriftgrösse und 12.2 pt Zeilen­ abstand gesetzt – der Zeilenabstand wirkt dreimal unterschiedlich.

Font-Herstellung : Digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Breughel ™ Linotype 6 Schriftschnitte ( +6 SC | +6 OsF )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com

A B C D E F G H I J K L M N  O P Q R S T U V W X Y Z &  a  b c d e f g h i j k l m n o p q r s  t u vwx y z ß12 3 4 5 6 7 8 9 0

 Sie fragen sich

 warum es notwen dig ist, so viele Schriften zu r Verfügung zu haben. Sie dienen alle zu m selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte s tudiert mit sechzig Médoc-­Weinenaus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nuancen. So ist es auch mit der Schri ft. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but t  hey express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them we  re wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, t ous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différe  nts. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractè  res ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Mensch  en aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte st udiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslo  s Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­a  ncen. So is es auch mit der Schrift. You may ask why so many different typef

69 pt | –25

53 pt | – 5

35 pt | – 5

23 pt | 0

15 pt | 19 pt | 5

aces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversit  y we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of t  he same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typef  aces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même retrou

10.5 pt | 13 pt | 10



7.5 pt | 10.2 pt | 20

6 pt | 8 pt | 30

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Regular

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Bold

Bold Italic

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Black

Black Italic B re u g h e l

293

Schriftenvergleich Gemeinsam ist den drei unten ge­ zeigten Schriften Raleigh, Garth Graphic und Breughel eine sehr eigenständige Anmutung. In allen drei Schriften fin­den sich Buchstaben, wie zum Beispiel das Majus­ kel-K mit den gebogenen Diagonalen, die eine ­spezielle Note einbringen /30/. Alle drei Schriften besitzen zudem ein dynamisches, eher kräftiges Schriftbild und markan­ te, schräg geschnittene Serifen. Diese weichen formal von den gewohn­­­ten, symmetrisch geprägten Serifen ab. Die Wurzeln der asymmetrischen Serifen liegen bei der mit ­Breitfeder geschriebenen humanis­tischen Minus­kel des 15. Jahrhunderts sowie bei der 1470 gegossenen Antiqua Jenson’s – ein Typus, der bald vom ­Schaffen eines Aldus Manutius und Claude Garamont abgelöst wird und erst im 19. Jahrhundert mit der Neo-Renaissance-Bewe­ gung wieder vermehrt ins Bewusstsein gelangt. Markantester Unterschied zur Breughel sind die untail­ lierten Abstriche bei der Raleigh  17 und bei der nach Bill Garth 18, dem Gründer der Compugraphic und ehemali­ gen Präsidenten der Photon, benannten Garth ­Graphic 19. Doch auch in den abgeschrägten Serifen gibt es Unter­ schiede. Bei der Raleigh ist der Übergang vom Stamm zu den Serifen gerundet und die Basis flach, konkav da­ ­gegen bei der Garth Graphic. Auch sind hier die Serifen flacher geschnitten. Bei der Breughel sind die Serifen­ übergänge ungekehlt, womit die Serifen weniger drei­ dimen­sional wirken. Die Oberlängen- und Versal­höhe sind bei Frutiger’s Schrift zudem identisch /32/.

/29/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Breughel LT.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.87 Hs = 1.17 Hq = 0.72

nh = 6.39 cm nw = 5.43 ns = 0.98 nq = 0.99

oh = 6.81 cm ow = 6.30 os = 1.18 oq = 0.53

Hh : Hw = 1 : 0.79 Hw : Hs = 1 : 0.15 Hs : Hq = 1 : 0.61

nh : nw = 1 : 0.85 nw : ns = 1 : 0.18 nh : oh = 1 : 1.06 nw : ow = 1 : 1.16

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/30/

Die Breughel wirkt durch ihre   einseitig taillierten Abstriche wei­­cher und fragiler als die Vergleichsschriften Raleigh und Garth Graphic.

Hofstainberg R  aleigh R  obert Norton 1  978

Hofstainberg G   arth Graphic C  onstance Blanchard / Renee Le Winter 1  979

Hofstainberg B  reughel A   drian Frutiger 1  982

K PWa b m y 36 K PWa b m y36 K P Wa b m y 36 K Stamm einseitig tailliert, Fussserife rechts kürzer als links

294

W E R K S AT Z s c h R I F T

P offene Punze, Fussserife nach rechts verlängert

W mit Mittel­serife

a Anstrich ohne Betonung

b Abstrich direkt in Bogen übergehend

m eckiger Übergang in den Stamm, dynamischer Bogenverlauf

y Unterlänge mit vertikaler Serife

36 Form offen, runde Innenform

/31/

Der Vergleich zeigt die ver­ schiedenen Fettengrade und   den Winkel der Kursiven.

Roman Bold Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00

Hw 7.87 = 1 8.49 = 1.08 9.13 = 1.16 7.61 = 0.97

Hs 1.17 = 1 1.77 = 1.51 2.40 = 2.05 1.04 = 0.89

Hq 0.72 = 1 0.92 = 1.28 1.09 = 1.51 0.73 = 1.01

HHH H 9.5°

123 45 6 7 8 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß

123 45 6 78 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš t ü v wa x yzß

Regular SC

Regular Italic SC

123456 78 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß

123456789 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß

Bold SC

Bold Italic SC

1234567890 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß

1234567890 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß

Black SC

Black Italic SC

/32/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

129 116

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−36

5.0

136 103 66

5.6

Raleigh 44.7 pt

10 −35

5.3

130 100 64

5.6

Garth Graphic 41.9 pt

HÔhxp7

1.00

6.1 10

HÔhxp7

1.00

72

10 −32

5.0

Breughel 40.5 pt



B re u g h e l

295

schriftentwurf

Dolmen 1980

/01/

Klebsatz des Schriftentwurfs ‹Dolmen› – gegenüber dem Schrift­ entwurf ‹Delta› sind g r t durch Minuskelformen ersetzt.

/03/

Variante des Unzial­Entwurfs mit Cassandre – im Gegensatz zu den Entwürfen der 1950er Jahre hat das Minuskel­a unten eine Lücke.

/02/

Der Schriftentwurf ‹Delta› von Anfang / Mitte der 1950er Jahre ist die formale Grundlage für die ‹Dolmen›.

296

sch R I FTe n TwU R F

‹Delta› und ‹Dolmen› Gemäss der ‹Brockhaus-Enzy­klo­ pädie› ist ein Dolmen der einfachste Typ des jungsteinzeit­ lichen Megalithgrabes.1 Namen aus dem Altertum, sagt Adrian Frutiger, hätten ihn immer wieder angezogen. Die­­ser Name ist jedoch schon vergeben, denn bereits 1922 bringt die Schriftgiesserei Schelter & Giesecke in Leip­­zig eine kräftige serifenlose Schrift von Max Salzmann mit dem Namen Dolmen heraus /08/. Für einen seiner Schriftent­würfe der ‹Dolmen› /01/ greift Frutiger auf die Anfang der 1950er Jahre gezeichneten Entwürfe der ‹Delta› /02/ zurück. Gegenüber der ­Version aus der Zeit bei Deberny & Peignot ist der vermut­­lich um 1980 entstandene englischsprachige Kleb­satz aber nicht mehr als Ein-Alphabet-Schrift kon­zipiert, son­dern wie gewohnt mit Gross- und Kleinbuchstaben gestaltet. Die drei Unzial-Formen sind durch die Minuskeln g r und t er­setzt, was die Schrift geschmeidiger macht. Der Unzial-Typus hat Adrian Frutiger jedoch nicht ganz losgelassen, wie eine weitere Abwandlung des ‹Delta›Entwurfs zeigt /03/. Anders gestaltet als bei den ­diversen Versuchen mit Cassandre (siehe Seite 37) ist das a. Die Bogen verlaufen runder und die geschlossene Punze er­ ­hält unten eine Öffnung. Dieser Ent­­wurf wird nicht weiter­ ­ver­folgt. Zur ‹Dolmen› dagegen entstehen einige Rein­­ zeich­nungen /04/ und Probebelichtun­gen /11/12/, bevor sie wie bereits die ‹Delta› gestoppt wird. Erst 2007, mehr als fünfzig Jahre nach dem ersten Entwurf, wird sie bei Lino­type als Nami (siehe Seite 402) realisiert.

Der Gedanke war immer, neben meinen Grotesk-Schriften eine lebendige serifenlose Schrift zu machen. Wenn ich lebendig sage, ist das im Sinn von weichen Formen zu verstehen und nicht von den harten Formen einer reinen Sans Serif. Ich wollte eine Grotesk gestalten, bei der man die Hand spürt, die schreibt. Entstanden sind die verschiedenen Entwürfe der ‹Dolmen› Ende der Siebzigerjahre, Anfang der Achtzigerjahre; jedenfalls nach der Realisation der Fruti­ ger und den Reinzeichnungen zur Icone. Den ‹Dolmen›-Entwurf ‹Farbenschein› vom Januar 1980 mit den abgerundeten Ecken ­empfinde ich aber als ein wenig zu weich /13/. Die Basis der ‹Dolmen› liegt in meinem Schrift­entwurf ‹Delta› Mitte der Fünfzigerjahre (siehe Seite 36). Damals hatte ich bereits eine Serifenlose mit geschriebener Anmutung ge­­ zeichnet. Ideen, welche abgelehnt beziehungsweise nicht realisiert wurden, habe ich einfach immer wieder variiert und erneut vorgeschlagen. Im Gegensatz zur ‹Delta› /02/ findet sich bei der ‹Dolmen› /01/ aber nicht mehr der Versuch einer Unzial-Schrift. Mein Entwurf muss bei der D. Stempel AG / Linotype angenommen worden sein. ­Zumindest haben wir das Testwort ‹OHamburgefonstiv› ausgeführt und den ersten Probesatz gemacht /10/. Im mageren Schnitt hat die ‹Dolmen› ein schönes Bild. Doch die Lebendigkeit, welche im mageren Schnitt enthalten ist, geht im halbfetten Schnitt praktisch verloren /12/. An diesem Beispiel zeigt sich, dass nicht mit jeder Schrift eine Familie gemacht werden kann. Das deutlich kräftigere Schriftbild ergibt einen anderen Geist. Wahrscheinlich war dies ein Grund, die Weiterarbeit zu stoppen. Es ist mir aber heute noch nicht klar, warum sie abgelehnt wurde. Das Projekt ­hätte in meinen Augen Leben bekommen, wenn es richtig angepriesen worden wäre. Wenn jemand gestossen hätte, wäre sie realisiert worden, unabhängig davon, ob der Entscheid der Mergen­thaler Linotype in den USA ebenfalls positiv ausgefallen wäre. Die Amerikaner

/04/

/05/

Reinzeichnungen mit den Dickten­ angaben und Digitalisierungs­ punkten der ‹Dolmen› 45 mager, 56 kursiv und 65 halbfett.

Buchstabenvergleich zwischen der ‹Dolmen› im Klebsatz (oben) und der gemässigteren Version der Probebelichtung (unten).

/06/

Die 1910 entstandene JugendstilSchrift Hobo von Morris Fuller Benton weist bereits das Minuskela mit glattem Bogeneinlauf auf.

Hobo a /07/

Serifenlose Schriften mit glattem Bogen­einlauf beim a – Semplicità von 1931, Chambord von 1945 und Barmen (Barmeno) von 1983.



/08/

/09/

Eine Schrift mit Namen Dolmen existiert bereits – 1922 von Max Salzmann für die Schriftgiesserei Schelter & Giesecke geschaffen.

Eine Lücke beim a unten rechts gestaltet Albert Boton bei seiner 1976 veröffentlichten leicht geneigten Sans Serif ITC Eras.

Dolmen

ITC Eras Dolm e n

297

298

s c h R I F T e n t w U rf

Bogeneinlauf bei der ‹Dolmen› Zwischen dem Entwurf /01/ und der reingezeichneten /04/ ‹Dolmen› finden sich

einige Unterschiede. So ist beim Entwurf der handschrift­ liche Duk­tus noch deutlicher enthalten. Beispielsweise beginnt der Bogen bei n und r weiter unten und endet beim r schräg /05/. Ebenfalls schräg ge­schnit­ten sind die Schenkel der Diagonalbuchstaben v w und y. In der Probebelichtung enden sie dann aber hori­zontal /11/. Da auch die Bogen bei a und s weniger diagonal ver­laufen /05/, wirkt die belichtete Version etwas strenger, ge­zähm­ ­­ter. Dennoch bleibt die Anmutung einer ge­­schrie­benen, grosszügi­gen Sans Serif erhalten. Neben dem handschriftlichen Duktus und den taillierten Abstrichen sind die glatten Bogeneinläufe bei a b d g p q ein Merkmal des ‹Delta›- und des ‹Dolmen›-Entwurfs. Die­ses Formelement ist, besonders beim Minuskel-a /10/, un­­ge­wohnt und reizvoll zugleich. Unter den wenigen ­Schriften, welche diese a-Form aufweisen, findet sich die Jugend­stil­schrift Hobo von Morris Fuller Benton aus dem Jahr 1910 /06/. Weitere serifenlose Schriften sind die Semp­li­cità 2 der Schriftgiesserei Società ­Nebiolo von 1931 und Roger Excof­fon’s Cham­bord von 1945 /07/. In den 1980er Jahren hätte die ‹Dolmen› ­möglicherweise doch ihren Nischenplatz gefunden. Zumindest bringt die H. Berthold AG 1983 mit der Barmen /07/, die heute als FF ­Sari bekannt ist, eine Schrift mit glatten Bogeneinläufen heraus.3 Hans Reichel’s Schrift, bei der auch m n r und u in dieser Art gestaltet sind, ist aber viel statischer.

hatten ihre Projekte und wir hatten unsere. Doch man hat nicht gestossen. Es brauchte nur jemand ganz laut Nein zu sagen, dann verstummten die anderen Stimmen. Ich hatte ja nichts zu entscheiden. Aber ich musste die Schrift auch nicht produzieren und die Investitionen tätigen – und es waren damals grosse Investitionen, eine Schrift bis hin zu den Schriftträgern zu produzieren. Das Besondere bei der ‹Dolmen› ist vor allem die Form des Kleinbuchstabens a. Wenn man in der Probebelichtung das Wort ‹bagger› anschaut, sieht man aber sofort die formale Verwandtschaft des Bogen­einlaufs bei a b und g /11/. Ganz glücklich bin ich jedoch mit der Situation beim a unten rechts nicht. Es wirkt so, als stehe die Ecke etwas heraus /10/. Ich habe mich gefragt, ob es nicht besser geworden wäre, wenn ich dort eine kleine Lücke gelassen hätte. Ähnlich wie es Albert Boton, mein ehemaliger Mitarbeiter bei Deberny &  Peignot, 1976 bei seiner leicht geneigten ITC Eras gemacht hat /09/. Oder zumindest wäre es besser gewesen, den Bogen etwas tiefer zu ziehen und nach rechts stärker ansteigen zu lassen. Eine stabile Grotesk, wie zum Beispiel die Frutiger, gibt dem Schriftentwerfer die Möglich­ keit, sie als Rohmaterial zu brauchen. Daraus lassen sich weitere Entwürfe entwickeln. Die ‹Dolmen› dagegen ist kein Rohmaterial – ihr Ausdruck ist weniger sachlich, weniger neutral, sie weist bereits in eine bestimmte Richtung.

/11/

Mittels Ikarus-System digitalisiertes Testwort – die Belichtung des Probe­­satzes dient zur Klärung von Schrift­form, Strichstärke und Zurichtung. /12/

Probesatz der ‹Dolmen› 65, belichtet auf Fotopapier – Frutiger’s 1978 für Linotype entwickeltes Kontroll­ element dient zur Über­prüfung der Belichtungsqualität. /10/

Reinzeichnung des Minuskel-a des Schriftentwurfs ‹Dolmen› 45 – der Bogen mündet unten rechts glatt in den Stamm.



Dolm e n

299

/13/

Klebsatz ‹Dolmen projekt› vom Januar 1980 – die Abstriche sind stärker tailliert und enden diagonal geschnitten mit abgerundeten Ecken.

/14/

Klebsatz ‹Dolmen projekt› vom Januar 1980 in den Schnitten Medium und Bold mit dazuge­ höriger Oblique, hier italic genannt.

300

s c h R I F T e n t w U rf

Ein weiteres ‹Dolmen›-Projekt Von Adrian Frutiger stammt ein weiterer Entwurf mit Namen ‹Dolmen›; datiert mit Januar 1980 und betitelt mit ‹Dolmen ­p­rojekt› /13/. Ein zweites Blatt zeigt Klebsätze der vier Schriftschnitte /14/. Im Gespräch 4 bezeichnet Frutiger diese Schriftform als etwas weich – im Vergleich zum vorgängig gezeigten ‹Dolmen›-Entwurf ist dies verständlich. Welcher der beiden verwandten, aber in der Ausprägung doch sehr unterschiedlichen Entwürfe zuerst entsteht, ist ungeklärt. Das Skelett der beiden Entwürfe ist nahezu gleich, auch wenn die Bogen beim ‹Dolmen ­p­rojekt› leicht spitzer verlaufen und die Minuskeln a und d nicht einen glatten Bogeneinlauf, sondern einen Einschnitt aufweisen. Das ‹Kleid› hingegen – wie Frutiger es nennt 5 – erzeugt eine ganz andere Anmutung. Der Klebsatz ‹Dolmen ­p­rojekt› wirkt durch die stärker anschwellenden Strichenden insgesamt etwas kräftiger und dadurch leicht schmaler. Im Gegensatz zur ‹Dolmen› – und zur Icone – weist sie abgerundete Ecken und Punkte in Rhombusform auf. In späterer Zeit unternimmt Frutiger noch einen weiteren, formal sehr interessanten Anlauf. Die undatierte Studie /17/ verbleibt jedoch bei Linoty­pe im Schrank. Ihr Duktus ist ähnlich der schmalen Frutiger und die taillierten Abstriche erinnern an seinen Entwurf ‹Gesp­annte ­Grotesk› (siehe Seite 157). Zur ‹Dolmen› passend sind die glatten Bogeneinläufe bei b und g, während die vielfältig untersuchte Gestaltung der Strichenden einmal mehr Adrian Frutiger’s Freude am Entwerfen aufzeigt /18/.

/15/

Foto, dem Plakat ‹Adrian Frutiger á Íslandi: 24. nóvember 1987› entnommen – links im Hintergrund Buchstaben der ‹Dolmen projekt›.

/16/

Die diagonal geschnittenen Abstriche beim n in Kombination mit den Rundungen lassen die Buchstaben etwas tanzen.

/17/

Synthese der Schriftentwürfe ‹Gespannte Grotesk› und ‹Dolmen› mit dem Duktus der schmalen Frutiger – vermutlich 1990er Jahre.

/18/

/19/

Durch das Variieren der Strichenden entsteht bei gleicher Grundform eine Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren.

Wie gewohnt untersucht Adrian Frutiger auch immer die Wirkung des Schriftentwurfs in den verschiedenen Fettengraden.



Dolm e n

301

Schriftname Tiemann 

Auftraggeber Die Zeit

Gestalter Adrian Frutiger ( Walter Tiemann )

Entwurf â•−| Herausgabe 1982 | 1982 ( 1922  | 1923 )

Satztechnik Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz TrueType

Hersteller – D.â•›Stempel AG | Linotype  – Linotype 

Schnitte 2 2

T I E MAN N Die Tiemann ist in meiner Erinnerung kein grosser Auftrag gewesen. Ein Mitarbeiter der deutschen Wochenzeitung ‹Die Zeit› kam eines Tages zu mir nach Paris und unterbreitete mir sein Anliegen: Es ging um eine Überarbeitung, eine sanfte Renovation der Schrift für den Licht­ satz CRT. Bei der ‹Zeit› wurden die Titel noch in der Handsatz-Tiemann gesetzt. Meine einzige Arbeit war, sie an das Lichtsatzsystem anzupassen, auf welches die Herstellung Anfang der Achtzigerjahre umgestellt werden sollte. Im Bereich Zeitungsdruck fand ja diese Umstellung generell relativ spät statt. So auch hier, wie der Artikel ‹Abschied vom Blei› zur Ankündigung dieses Ereignisses aussagt /01/: «Rund 192â•−000 Tonnen Blei haben die Metteure in ‹Schiffen› durch die Setzerei geÂ�Â�schleppt, seit die ZEIT gegründet wurde. Heute sitzen sie und die Schrift­ setzer am Bildschirm und bleiben sauÂ�ber. Doch ihnen wie den Redakteuren ist das sinnliche Vergnügen an der Arbeit genommen, die Freude, anfassen zu können, riechen zu können. Dies auch aus einem Grund, der in der Natur vieÂ�Â�ler Journalisten liegt: Sie empfehlen den Fortschritt gern und täglich andeÂ�ren. Ihn am eigeÂ�nen Leib zu erleben, macht ihnen jedoch angst. Angst, um das schöne Alte; Angst aber auch vor dem unbekannten Neuen. Progressive Journalisten haben ein höchst konservatives Innenleben. An diesem Widerspruch ist die Umstellung bei manch anderer Zeitung zunächst gescheiÂ�tert. Kopfarbeit und perfekte, allein an technischem Bedürfnis und kaufmännischem Kalkül ausÂ�Â�gerichtete Organisation passen nun einmal schlecht zusammen. Da hat es die ZEIT besser: Uns erreichte der ungewollte und doch unausweichliche Fortschritt erst, als er ziemlich ausgereift war.»1 Die Tiemann wurde nur für Titel und Untertitel gebraucht. In diesen bekannten Zeitungen war es immer heikel, das Schriftbild zu ändern. Der Leser ist da äusserst sensibel. Das Schrift­ bild gibt der Zeitung das Gesicht, es ist dem Leser jahrzehntelang im Kopf. Bei der ‹Zeit› wur­ de für mich als Vorlage ein Abzug des Alphabets gefertigt, wahrscheinlich bereits auf Zeitungs­ papier, damit ich den Schmitz des Drucks schon sehen konnte. An der grundÂ�Â�Â�legenden Form der Buchstaben habe ich kaum etwas geändert, denn ich wollte, dass es die Tiemann bleibt. Man hätte mir sonst ausserdem wieder vorgeworfen, meine eigene Hand hineinzubringen. Es war nur eine Werkarbeit, in keiner Weise eine Kreation. Natürlich musste ich sie für den Foto­ satz etÂ�Â�was weniger fragil zeichnen, desÂ�wegen habe ich die feinen Übergänge und Serifen leicht fetÂ�Â�ter gemacht. Beim c und beim e sieht man, dass der Auslauf etwas stärker ist als in der BleiÂ�Â�Â�Â�satz-Version. Zuerst machte ich unÂ�gefähr zehn Probebuchstaben, mit Versuchen von VerÂ�­ dickungen und Verdünnungen. Vielleicht hat Nicole Delamarre daran mitgearbeitet. Sie war zwar zu dieser Zeit nicht mehr bei mir im Büro angestellt, aber bis ans Ende meiner Zeit in Paris 1992 führte sie Arbeiten für mich zu Hause aus. Fertiggestellt wurde die Tiemann 1982, und in der Ausgabe vom 14.â•›Mai wurden die Leser über die Umstellung informiert /01/.

302

W E R K S AT Z s c h R I F T

Die Tiemann-Antiqua bei der ‹Zeit› Die liberale Wochen­zeitung ‹Die Zeit› wird neun Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Ham­burg gegrün­det und erÂ�Â�Â�­ scheint erstmals am 21.â•›Februarâ•›1946. Anfänglich wird als Titelschrift die Bodoni verwendet, ab Nr.â•›10/1946 jedoch zur Tiemann-Antiqua von Walter Tiemann 2 gewechselt. Erhältlich sind die Handsatztypen bei der SchriftÂ�Â�Â�giesÂ�se­ rei Gebr.â•›KlingÂ�Â�spor. Im Textbereich, gesetzt im LinoÂ�typeZeilenguss, findet die TiÂ�Â�mes Roman von Stanley MoÂ�Â�rison AnÂ�Â�wendung – die 1932 speziell für ‹Theâ•›Times› in Lon­don entstandene Zeitungsschrift. Später hinzugefügte RuÂ�Â�bri­ Â�Â�ken werden teilÂ�Â�weise durch andere Titelschriften ausÂ�Â�Â�ge­ zeichÂ�net bis hin zur konstruierten Serifenlosen. Am konsequentesten neben der Tiemann-Antiqua ist die Ratio-Latein 3 von Friedrich Wilhelm Kleukens Â�eingesetzt /04/, welche nur wenige Jahre nach Erscheinen der Erst­ ausgabe der ‹Zeit› die Didot im Bund FeuilÂ�Â�leton abÂ�Â�löst. Die Ratio-Latein gehört wie auch die Tiemann-Antiqua zur GatÂ�Â�Â�Â�tung der neo-klasÂ�siÂ�Â�zisÂ�tischen Antiqua /07/, weist aber ein helleres Schriftbild auf. Diese beiÂ�den SchrifÂ�ten sind auch noch 1982, dem Jahr der UmÂ�Â�stellung der ‹Zeit› auf den Lichtsatz, in Gebrauch. Der Wechsel der Technik zur digitalen CRT-Lichtsetzmaschine Linotron 606 von Linotype wird bei der ‹Zeit› genutzt, um die Titelschriften zu verÂ�einÂ�Â�heitÂ�lichen. Adrian Frutiger beÂ�Â�Â�Â�kommt den Auf­ trag, nicht nur den normalen Schnitt der Â�TieÂ�mann-AntiÂ�Â�qua an den LichtÂ�satz anzupassen, sondern zusätzlich einen leichteren Schnitt /10/ als ErÂ�Â�satz für die Ratio-Latein zu entwerfen. Die beiden von Adrian Frutiger geÂ�Â�zeichneten Schnitte der Tiemann werden danach von Linotype ins Sortiment aufgenommen, im Schriftenkatalog ‹digital type faces› von 1984 sind sie in der Designgrösse von 18â•›pt enthalten.4 Ebenfalls auf Anfrage der ‹Zeit› adaptiert Linotype 1998 die Tiemann für das Desktop Publishing. Die beiden digitaliÂ�sierten Schnitte lässt ‹Die Zeit› in der Folge von Jovica Veljovic´ 5 überarbeiten und exklusiv für den Digi­ talÂ�satz ihrer Zeitung aufbereiten. Er korrigiert sie in der Farbe, gleicht die ZuÂ�Â�Â�Â�Â�Â�richtung aus und ändert das Kerning. Ausserdem erÂ�Â�weitert er sie um die Schnitte Light Kursiv, Normal Kursiv, Normal Schmal und Normal Small Caps sowie um eine filetierte Version.6 Ab 1998 ist die digitale Version der Tiemann in den zwei von Adrian FruÂ�tiger gezeichÂ�neten Schnitten bei Linotype im TrueÂ�Type-ForÂ�mat erÂ�Â�hältlich, heute ebenfalls im Post­ Script- und OpenType-Format.

/01/



T ie m a n n

303

Die neo-klassizistische Antiqua WalÂ�ter Tiemann, der hauptsächÂ�lich Fraktur-SchrifÂ�Â�ten schaffende Typograf, MaÂ�Â�ler und Lehrer, entwirft 1922–23 die TieÂ�mann-Antiqua /02/.7 Diese Schrift klassizistischer Prägung kommt bei der Schriftgiesserei Gebrüder Klingspor in Offenbach am Main heraus, welÂ�che systematisch Künstler mit dem EntÂ�Â�wurf ihrer SchrifÂ�Â�Â�Â�ten beÂ�Â�traut.8 1923–26 entsteht zuÂ�Â�r TieÂ�mann-Antiqua ein kursiver und 1925–27 ein halbfetÂ�ter Schnitt /05/. Bereits 1921 entwirft Tiemann die Narziss, eiÂ�Â�ne fileÂ�Â�tierte Schrift in klassizistischem Charakter, welÂ�che in einer Schriftprobe von 1938 den Schnitten der TieÂ�mannAntiqua beigeordnet wird /05/. Julius Rodenberg be­ zeichnet die Tiemann-Antiqua als «ersÂ�Â�te deutsche Anti­ qua der neuen Zeit»,9 wobei er damit die in DeutschÂ�Â�land Anfang des 20.â•›Jahrhunderts entstehenden klassizisti­ schen Schriften meint. In England will William Morris den kraftlosen Schriften im 19.â•›Jahrhundert entÂ�gegentreten, indem er die Schrif­ ten des 15.â•›Jahrhunderts neu zeichnet, so dass sie diesen in Form und Qualität gleichkommen.10 Ausgelöst durch dessen Schaffen entsteht in Deutschland eine ErÂ�neue­ rungsbewegung,11 in deren Verlauf verschiedeÂ�Â�ne Künst­ ler Schriften im Neo-Renaissance-Stil entwerfen, unter ihÂ�Â�nen Peter Behrens mit der Behrens-MediÂ�Â�aeÂ�val 1909, im selben Jahr Walter Tiemann mit der Tiemann-MediaeÂ� val oder Jakob Erbar mit der Erbar-Â�Â�Â�Mediaeval 1920. In Deutschland stellt sich immer wieder die Frage des Â�Gebrauchs von Fraktur oder Antiqua, und einige Schrift­

/02/

Schriftmuster der originalen Tiemann-Antiqua und TiemannAntiqua kursiv mit Ligaturen und Mediäval-Ziffern.

/03/

Titelzeilen aus der ‹Zeit› im Handsatz der Tiemann-Antiqua.

/04/

Die neo-klassizistische HandsatzSchrift Ratio-Latein, eingesetzt im Feuilleton der ‹Zeit›.

/05/

/06/

/07/

Schriftprobe der Tiemann-Antiqua von 1938 in den Schnitten normal, kursiv und halbfett, inklusive der lichten, klassizistischen Narziss.

Die klassischen klassizis�tischen Schriften Bodoni, Didot und Walbaum, entstanden am Ende des 18.╛Jahrhunderts.

Schriften des neo-klassizisÂ�Â�Â�tischen Typus – Ratio-Latein 1923, Tiemann-Antiqua 1923, Egmont 1932 und CaleÂ�Â�donia 1938.

Bodoni Didot

Tiemann-Antiqua

Walbaum

Caledonia 304

W E R K S AT Z s c h R I F T

künstler versuchen Anfang des 20.â•›Jahrhunderts, beide Formen miteinander zu vereinen. Vor diesem Hinter­ grund entstehen Synthesen wie die Eckmann 1900 von Otto Eckmann oder die Behrens-Schrift 1901 von Peter Behrens. Dies bleibt nicht ohne Wirkung auf die FrakturSchriften selbst, auch hier werden Versuche zu eiÂ�Â�ner Ver­ Â�einfachung und Erneuerung der Form unternommen und so genannte Neo-Frakturschriften geschaffen,12 wie zum Beispiel die Deutscheâ•›Schrift 1910 von Rudolf Koch, die Hupp-Fraktur 1911 oder die Tiemann-FrakÂ�Â�tur 1914. Bald wird auch die klassizistische Antiqua einer Neuerung unterzogen /07/. Es entstehen die Winkelmann-AnÂ�Â�tiÂ�Â�Â�Â�qua 1921, die Ratio-Latein und die TieÂ�Â�Â�Â�Â�mann-AnÂ�Â�tiqua 1923. Sie besitzen wie ihre klassischen VorÂ�bilÂ�Â�der Bodoni, Didot oder die in Deutschland verbreiÂ�tete Walbaum /06/ eine gerade Schattenachse und einen starÂ�ken Fett-fein-Kont­ rast. Im Unterschied zu jenen sind jedoch die Bögen im Übergang von den fetten zu den feinen Linien weicher gestaltet, und die Proportionen der VersaÂ�lien differieren stärker /11/, was ihnen eine gewisse WärÂ�Â�me und Grazie verleiht. Die Schriften weisen – wo vorÂ�Â�hanÂ�Â�den – eine echte Kursive auf, bei der Tiemann haben die An- und Endstriche der Gemeinen einen eckigen Bogen. Gleichzeitig mit der Erneuerung der klassischen Â�SchrifÂ�ten besteht in Deutschland auch eine Rückbesinnung auf die Originale. 1913 bringt die H.â•›Berthold AG die DidotAntiqua und die Bauersche Giesserei die Bauerâ•›Bodoni sowie die Baskerville-Antiqua, beide 1924, heraus.13

/08/

Die ursprünglichen ck- und ch-Ligaturen werden von Frutiger übernommen – in der ‹Zeit› jedoch nicht eingesetzt.

/09/

Titelzeilen aus der ‹Zeit› in Frutiger’s LichtÂ�Â�satz-Version der TieÂ�Â�mann.

/10/

Die von Adrian Frutiger neu gezeichnete Tiemann light, eingesetzt im Feuilleton der ‹Zeit›.

/11/

/12/

/13/

/14/

Der neo-klassizistiÂ�sche Typus (Tiemann, oben) hat differierende Majuskelbreiten – der klassizistiÂ�sche (Bodoni, unten) angeglichene.

Handsatz-Tiemann-Antiqua, LichtÂ�Â�Â�satz-Tiemann roman und light (v. l.n.r.) – der Mittelstrich des E wird länger.

Handsatz-Tiemann (links), Lichtsatz-Tiemann roman (rechts) – die Winkel des W ändern sich zugunsÂ�ten der Innenräume.

Die Unterlängen von p und q werden in der Lichtsatzversion länger, die Serife des q der von p angeglichen.

FGO on FGO on

T ie m a n n

305

Schriftenvergleich Die unten in Vergleich gestellten Schriften sind ursprünglich Bleisatzschriften, welche für neue Techniken verfügbar gemacht werden. Die TieÂ�mannAntiqua, 1923 von Tiemann für den Handsatz der Schrift­ giesÂ�serei Gebr.â•›Klingspor gezeichnet, wird 1982 von Fru­ tiger an den Lichtsatz CRT der LinoÂ�tyÂ�Â�pe adaptiert und mit einem mageren Schnitt versehen. Die Newâ•›CaÂ�Â�Â�ledoÂ�nia ba­ siert auf der Caledonia 14, 1938 von Williamâ•›A.â•›Dwiggins für Linotype geÂ�Â�schaffen und 1979 15 von John Quaranta für den Lichtsatz aufbereitet. Die Fairfield, 1939 von Rudolf Ru˚ žicˇ ka ebenfalls für Linotype entworfen, wird 1991 von Alex Kaczun für den Digitalsatz überarbeitet. Beide Schrif­ ten werden zudem um einige Schnitte erweitert. Alle drei Schriften können in die neo-klassizistische Grup­ Â�pe eingeordnet werden, haben jedoch ihre Besonder­ heiten: Bei der Tiemann-Antiqua endet der Stamm der Minuskeln b und d in einer Rundung; das Majuskel-M hat geÂ�Â�spreizÂ�te SchenÂ�Â�kel. Ausserdem sind – wie auch bei der Fairfield – die Einläufe der Rundungen in den Stamm angesetzt. Die Fairfield weist bei aâ•›câ•›f und j Bogenab­ schlüsse auf, welche eine Verdickung, aber keine richtige Tropfenform besitzen. Auch bei der Newâ•›CaÂ�Â�Â�leÂ�doÂ�nia ist die Tropfenform eigenständig, und die Serifen münden teils gerade, teils rund in den Stamm.16 Bei der Tiemann-Antiqua nimmt Frutiger kleine Änderun­ gen gegenüber der Bleisatzversion vor: Die Winkel des W ändert er zugunsten verlängerter Haarlinien /13/, und der mittlere E-Strich wird länger /12/.

/15/

Figurenübersicht der Tiemann leicht im Lichtsatz der Linotype.

/16/

Die Tiemann weist durch ihren ausgeprägten Fett-fein-Kontrast eine stärkere Verbindung zur klassizisÂ� tischen Antiqua auf als die anderen beiden Schriften.

Hofstainberg New Caledonia John Quaranta (â•−William A.â•›Dwigginsâ•−) 1979 (1938â•−)

Hofstainberg Tiemann Adrian Frutiger (â•−Walter Tiemannâ•−) 1982 (1923â•−)

MQWb f j n 25 MQWbf j n25 M Schenkel gespreizt

Hofstainberg Fairfield Alex Kaczun (â•−Rudolf Ru˚žicˇkaâ•−) 1991 (1939â•−)

306

W E R K S AT Z s c h R I F T

Q vertikaler Ansatz des Schweif�s

W ohne Mittelserife

b eckiger Übergang in den Stamm, runder Übergang zur Serife

f Querstrich schräg angeschnitten

j kleiner i-Punkt, Auslauf ohne Tropfen

n eckiger Übergang in den Stamm

25 Bogen einmal mit und einmal ohne Tropfen

M Q W b f j n 25

Font-Herstellungâ•−: Digitalisiert durch Linotype

Font-Formatâ•−: OpenTypeâ•›Com

Tiemannâ•−™ Linotype 2 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlichâ•−: PostScript-Type-1 TrueType

A   B C D E F G H I J K LM N   O P Q R S T U V W X Y Z &  a b c d e f g h i j k l m n o p q r s   t u v w x y z ß 12 3 4 5 6 78 9 0

 You may ask w  hy so many differen  t typefaces. They all serve th e same purpose but they express man’s di versity. It is same diversity we find in wine. I once saw a list o f Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the sa me year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! To

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  Æ Œ ¥ $ £ € 12 3 4 5 678 9 0 å b ç d é f g h i j  k l m ñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  st fl æ œ ø ł ð [. , : ; ·’/ - – —] ( ¿ ¡“« ‹ › »” ! ? ) {§° % @‰*†}  Light

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aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’e  st cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, rele  ver soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient di  fférents.Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fr  agen sich, wÂ�arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie diene  n alle zum selben, aber machen die VielÂ�falt

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307

Schriftname Versailles

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1982  | 1984

Satztechnik Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – D. Stempel AG | Linotype – Adobe | Linotype

Schnitte 8 8

VE RSAI LLES Die Versailles entstand aus dem Eindruck, dass in der Linotype-Schrif­ten­bibliothek bei den Latine-Schriften noch eine Lücke sei. Die Méridien (siehe Seite 60) ist zwar ebenfalls eine Latine, die auch elegant ist, aber sie hat nicht das Verzierte, das diese Schriften auszeichnet. Mit der Versailles wollte ich eine Latine machen, die geschichtlich fundiert ist. Als ich an einem Type Selection Meeting bei Linotype Anfang der Achtzigerjahre meinen Entwurf zeigte /03/, sagte Mike Parker 1: «Genau das ist es.» Es ist ganz wenig verziert, ohne Schwänzli, gerade so ­­viel, dass es heute brauchbar ist. Die Linotype hat nach Marktlücken gesucht, und da kam ich mit meiner Idee gerade recht. Eigentlich ist die Schrift aus den Gesprächen mit Mike Parker während des Meetings entstanden. Wir diskutierten darüber, ob die klassische Lösung beim a mit spitzem Abschluss wie bei der Méridien oder die spielerische horizontale Lösung ­besser ist /01/. Einstimmig, es waren etwa zwölf Personen, wurde die spielerische Lösung mit der Ver­ dickung und dem horizontalen Abschluss ge­wählt. Dieser Bogenabschluss des a hat praktisch das gleiche Gewicht wie ein a mit Tropfen­form /17/. Es geht um die Gleichmässigkeit der Weiss­ räume und um die einheitliche Grauwirkung der ganzen Zeile. Die Latines gehörten über eine Zeitspanne von mindes­tens sechzig Jahren, von etwa 1840 bis in die Zeit des Jugend­stils hinein, zu den gebräuch­lichsten Schriften in Frankreich. Seit ich zu Beginn meiner schriftgestalterischen Tätigkeit bei Deberny &  Peignot mit Rémy Peignot über die Latines gesprochen hatte, war diese Schriftform als Idee in meinem Kopf und ich machte immer wieder Studien. Gerne wollte ich einmal eine echte Latine schaffen. Mir schwebte vor, diesen Geist, diese Eleganz neu zu be­leben. Als ich die Versailles zeichnete, hatte ich die Latins Maigres /10/ und Latins Étroits /11/ aus dem Schriftmusterbuch von Deberny &  Peignot vor dem Auge. Im Sinn dieser Vorlagen waren mindestens zehn bis zwanzig Textschriften im Schriftmusterbuch enthalten. In meinem Entwurf sind bei den Bogen der Buchstaben a f g j r y horizontale Abschlüsse mit Verdickungen zu finden. Das s ist anfänglich ebenfalls horizontal gewesen /01/, dort bin ich dann aber auf die klassische Form mit der Halbserife zurückgegangen /17/. Auch das c hat im Entwurf noch einen horizontalen Abschluss, später in der Ausführung wurde daraus eben­ falls ein vertikaler. Das ist in gewissem Sinn eine Inkonsequenz, hat doch das c in den klassi­ schen Schriften eine tropfenförmige Endung wie a f j und r und müsste demnach auch einen horizon­talen Abschluss bekommen. Bei den Latins Étroits von Deberny &  Peignot finden wir das c mit zwei verschiedenen Endungen, mit horizontalem Abschluss in den grösseren und mit ver­tikalem Abschluss in den kleineren Graden /11/, vielleicht kommt der Einfluss von dort. Eine weitere Erklärung wäre, dass es bei horizontalem Abschluss in den kleinen Graden mit dem e verwechselt werden könnte. Ich glaube aber, es war eher eine intuitive Lösung, doch was Gefühl und was Gedanke ist, kann man im Nachhinein schwierig sagen. Die Lesbarkeit stand jedenfalls nicht an erster Stelle bei der Ausarbeitung der Versailles. Ich habe bei der Ge­ 308

W E R K S AT Z s c h R I F T

Historisch ‹richtige› Latine Adrian Frutiger’s Schrift Versailles steht in keinem engeren Bezug zu der imposan­ ten Schlossanlage südwestlich von Paris, welche bereits im 17. Jahrhun­dert, zu Beginn des Klassizismus und rund zweihundert Jahre vor den Latine-Schriften ent­steht. Ver­ ­sail­les ist je­doch ein Inbegriff für Frankreichs Kultur und als Name für die Schrift bestens geeignet. Eine historische Latine-Inschrift findet sich an anderem Ort, in Marmor ge­meisselt bei der Opéra Garnier, der ersten Grand Opéra in Paris, am Pavillon Eugénie.2 Bei der Versailles orientiert sich Adrian Frutiger an den historischen Formen. 14 Latine-Schriften umfasst das Re­ gister ‹Latines› im ‹Spécimen Général› von Deberny & Peig­not 1926. Hinzu kommen 12 art­­verwandte Schriften, welche ebenfalls dreieckige Betonungen an den Strich­ enden aufwei­sen, aber mit ‹Antiques latinés›, ‹Orienta­ les› und ‹Helléniques› bezeichnet sind. Im Vergleich zu den Caractères Latins Maigres /10/ sowie den Carac­tè­res Latins Larges (siehe Seite 29) sind aber die einge­schwun­ ge­nen Bogenenden in der Versailles zurückhal­tender ge­staltet. In den Propor­tionen ist die Versailles näher bei­ den Latines Deuxième Série /16/, jedoch wirkt sie mit ihrem deutlich stärkeren Strich­kontras­t in der Aus­­­­rich­ tung verti­kale­r. Ausserdem sind die Serifenüber­gänge et­was weniger fliessend, was die Serifen härter er­schei­ nen­ lässt. Adrian Frutiger verzichtet bei der Versailles auf die von ihm bevorzugte Taillierung des Abstrichs. Dieses Begra­ digen mag einerseits gestalterischer Wille sein, anderer­ seits ist es aber auch mit Blick auf die digi­tale Technik zu ver­stehen. Das Vektorisieren, das Beschreiben von Kur­ven durch Aneinanderreihen von kurzen Geraden, lässt noch nicht die Qualität früherer Herstellungsverfahren zu. Den­ noch muss im Vergleich zum Beginn der 1980er Jah­­re ein­ techno­logischer Fortschritt eingetreten sein, wenn er 1985 schreibt: «Heute weiss ich um die Verfeine­rung der Wiedergabetechnik, und so ist auch meine letz­­te Schrift, ‹Versailles›, rückblickend auf die vergangene Tradition der­ ungeras­terten Satztechnik, bewusst wieder mit einer subtileren Strichgebung gestaltet.» 3 Die Versailles erscheint 1984 bei der D. Stempel AG in 8 Schnitten für den CRT-Satz der Linotype; etwas später wer­den zusätzlich Mediä­valziffern so­wie im mageren und normalen Schnitt Kapitälchen angeboten.4 Seit 1993 ist die­ Versailles als PostScript-Fonts erhältlich, jedoch ohne die genannten Erweiterungen.

/01/

Das Entwurfsblatt zur Versailles  dient als Kopiervorlage für das  Erstellen von Klebsatz – es enthält  zwei differierende Minuskel-a.

/02/

Konzept Grossfamilie Versailles –  die vertikale Achse und die horizontalen Bogenenden ermöglichen  einen stringenten Ausbau.

/03/

/04/

Klebsatz mit verkleinerten Entwurfszeichnungen – c und s besit z en  noch den horizontalen Abschluss,  das w noch eine Mittelserife.

Probewort des Schriftnamens –  die Serifenübergänge sind  noch ungekehlt, das s hat noch  das horizontale Bogenende.

/06/

Fünf Entwurfszeichnungen  zu Ornamenten und Vignetten mit  formalem Bezug zur Versailles –  bisher unrealisiert.

/05/

Entwurf des & (links) und des  J mit verspielterer Variante (Mitte) –  vom Minuskel-b abgeleitetes q mit  Korrektur angaben (rechts).



V E R SAI llE S

309

staltung einer Schrif­t einf­ach immer das Ganze gesehen. Die Endungen sind eine Sache vom optischen Ausgleich der Gewichte. Das j finde ich inzwischen etwas dick unten am Überlauf­, f­ast plump /19/. Es hat zu wenig Kontrast zwischen der horizontalen und vertikalen Bogenf­orm. Eine ähnliche Kritik könnte man beim r oben anf­ühren /17/. Es hat einen tief­en Einschnitt, aber dort, wo es in die Horizontale übergeht, empfinde ich es als zu dick. Das ist einf­ach nicht elegant. Beim Minuskel-g habe ich mich gegen die doppelschlaufige Form entschieden /18/. Für mich ist das gemeine g mit den drei Räumen eine zeitbedingte klassische Form. In der Versailles wollte ich jedoch eine moderne Lösung haben, obschon ich wusste, dass das markante klassische g eine Lesehilf­e ist. Auch bei den Latins Étroits von Deberny & Peignot hat das g die einschlaufige Form /11/. Im Zusammenhang mit der Lesbarkeit ist die Wahl bestimmt nicht optimal, aber wenn man es rein ästhetisch als Linie sieht, dann passt es gut. Im P und im Q ist eine grosse Spannung, auch in der Rundung des D /20/. Schaut man das Weiss an, was nicht ganz symmetrisch ist und doch symmetrisch wirkt, und die f­einen Einläuf­e in den Stamm, versteht man, was ich meine. Ich bin erstaunt über meine Arbeit – das D ist einf­ach schön. Die Zif­f­er 4 ist ungewöhnlich, sie zeigt eine kleine Wölbung /21/. Auch die 2 und die 7 weisen gebogene Diagonalen auf­ /23/. Da probierte ich, eine gewisse Eleganz hineinzubringen, damit es nicht so hart in der Zeile steht. Das zeichnet die Zif­f­ern insgesamt gegenüber den Versalien aus – sie sind schwungvoller. Ähnliche Formen sieht man auch schon bei den Latins Maigres /10/. Die Zif­f­er 1 ist ein Sonderf­all. Für mich muss sie eine Spur kräf­tiger gezeichnet sein als die Abstriche bei allen anderen Figuren /21/. Ich habe da immer an Kolonnenzif­f­ern auf­ Halbgeviertbreite gedacht. Denn bei der 1 mit ihrer schmalen Form erzeugt der

/07/

/08/

Die mit Breitfeder geschriebene  Form des a der Renaissance wird  in die Druckschrift des 20. Jahrhunderts übernommen.

Veränderung beim Bogenende des  a vom 15. bis 18. Jahrhundert –  Jenson, Garamond, Caslon, Fournier, Baskerville, Bodoni (v. l.n.r.).

Die Gestalt der Bogenenden Ein besonderes Merkmal in den Latine­Schriften ist die Formulierung der Bogen­ enden. Die verspielten ‹Schweineschwänzchen›, wie sie beispielsweise bei den Latines­Deuxiè­me­Série /16/ vor­ kommen, entsprechen nicht Frutiger’s Vorstellung einer zeitgemässen Latine­Werksatzschrift. Näher sind ihm die Caractères­Latins­Maigres /10/. Für die Versailles wählt er ähnliche Bogenenden, schneidet sie jedoch nicht diago­ nal, sondern horizontal. Während sie im Entwurf /01/ noch stark eingeschwungen gestaltet sind, erfahren sie in der realisierten Version eine Abschwächung. Eine weitere Änderung vom Entwurf zur Realisation zeigt sich in den Abschlüssen der Minuskeln c und s, sie wech­ seln von horizontal zu vertikal /17/. Frutiger entscheidet sich damit beim Minuskel­c für die ‹moderne› Form der Halbserife. Diese kommt beim c erst im 19. Jahrhundert in formaler Angleichung an das s und das Majuskel­C vor. Beispiele sind die Caractè­res­Latins­Larges und die Carac­ tères­Latins­Étroits /11/; letztere enthält aber auch das c mit eingeschwungenem Bogenende. Beim s wählt Fru­ tiger mit der Halbserife die allgemeingültige Form. Im Gegensatz zu den anderen runden Minuskeln hat das s seit je Halbserifen als Abschlüsse. Historisch zeigt sich eine grosse Vielfalt an Bogenenden. Hergeleitet von der geschriebenen Form des 15. Jahrhun­ derts ist das a ohne Betonung /07/, zum 18. Jahrhundert hin findet eine Entwicklung zur Tropfenform statt /08/, später kann das a auch eine Halbserife haben /12/.

/09/

/10/

/11/

Klischee für Verpackungsbeschriftungen von Deberny &  Cie. / Ch. Tuleu –  der Text in den Latine-Schriften ist  nachträglich eingedruckt.

Bei der Latins Maigres von  Deberny & Peignot sind die Bogen enden diagonal geschnitten  und nur wenig eingeschwungen.

Ein Schriftmuster von Deberny &  Peignot zeigt das obere Bogenende  des Minuskel-c bei der Latins Étroits in zwei Varianten.

310

W E R K S AT Z S c h R I F T

Latine-Schriften der ITC bei Linotype In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstehen bei den verschie­ denen Schriftgiessereien nur noch wenige Bleisatzschrif­ ten im Latine-Stil. Auch zu Beginn des Fotosatzes ­spielen sie vorerst kaum eine Rolle. Die 1970 in New York gegrün­ dete International Type­face Corporation, welche selber keine Setzmaschinen produziert, zeigt jedoch Interesse daran, auch etwas un­gewöhnlichere Entwürfe in ihr Sor­ timent aufzunehmen. In der Folge verkauft ITC Lizenzen ihrer Schriften an die diversen Setzmaschinenhersteller für deren Foto­satz- und Computersatz-­Systeme. Einer der Lizenznehmer von ITC-Schriften ist Linotype. Sie übernimmt die 1981 veröffentlichte Latine-Schrift ITC Barcelona /28/ von Edward Benguiat sowie die 1984, im selben Jahr wie die Versailles, realisierte ITC Veljovic­ /28/ von Jovica Veljovi c. ´ Adrian Frutiger’s Versailles ist somit nicht die einzige Latine-Schrift, die in den 1980er Jahren entsteht und bei Linotype erhält­lich ist. Im Katalog der Lino­type von 1984 ist die ITC Veljovic aber noch nicht enthalten. Im Umfang sind die drei Schrif­ten gleich. Sie haben je acht Schnitte, zwei Kapitälchensätze sowie zu­ sätzlich zu den Tabellenziffern entweder Mediäval- oder Kapi­tälchenziffern. Adrian Frutiger muss ausserdem da­ ran gedacht haben, zur Versailles passen­de Orna­mente oder Vignetten anzubieten. Mehr als fünf Entwurfsskiz­ zen sind jedoch nicht vorhanden /06/. Bei der späteren Linotype Didot (siehe Seite 362) kann er ­diese Idee dann verwirklichen.

beidseitig grössere Weissraum ansonsten ein helleres Bild. Ausgefallen sind die runden Guillemets, die An- und Abführungszeichen der Versailles /22/, das muss ich zugeben. Ich fand das eleganter, die eckigen waren mir zu hart. Zu kritisieren ist allenfalls, dass ich statt einer ­echten Kursiven einfach eine Schräggestell­te gezeichnet habe /18/. Im Schriftmusterbuch von Deberny &  Peignot gab es nur ganz wenige kursive Latines, und ich finde, die Eleganz dieser Schrift liegt an einem anderen Ort.5 Letztlich habe ich die Buchstaben nur ein wenig dünner gezeichnet, denn eine Kursive ist doch leichter als eine Geradestehende. Die Versailles erschien 1983. Ursprünglich war sie vektorisiert /25/. Bei der Schriftdigitali­ sierung gab es anfänglich die Pixel-Treppenstufen – furchtbar zum Anschauen und viel zu viel In­formation bei der Datenspeicherung eines Buchstabens. Nachher wurde das verringert, man nahm beim Vektorisieren bis zu zehn Pixel zu einem Segment zusammen. Erst später kamen die Bézier-Kurven.6 Trotz technischer Unzulänglichkeiten zu dieser Zeit ist mein Ge­fühl für die Versailles insgesamt immer sehr positiv gewesen. Ich habe nie verstanden, warum sie so we­nig Erfolg hatte. Ob­schon es einen umfangreichen Prospekt /24/ mit all meinen Schriften gab, wel­che bei Linotype erhältlich waren, darunter auch die Versailles, wurde vielleicht doch zu wenig Werbung für sie ge­macht.7 Dabei war sie eine gut ausgebaute Schrift mit vier Fetten und den dazugehörenden Kursiven, mit Minuskel­ziffern und beim mageren und normalen Schnitt zu­­sätzlich auch mit Kapitälchen /26/. Zu Zeiten des CRT - und Lasersatzes gab es dies alles, denn Anfang der Acht­zi­ger­jahre legte man Wert darauf. Es brachte auch Geld ein, die Fonts konnten durch den grösseren Umfang teurer verkauft werden. In der späteren PostScriptVersion sind die Minuskelziffern und Kapitälchen leider nicht mehr vorhanden.

/12/

/13/

/14/

/15/

Eingeschwungene Bogenenden beim Minuskel-a in den Latines des 19. und Halbserife in Schriften des 20. Jahrhunderts.

Verjüngtes Bogenende bei der Méridien (links), Tropfen bei der Iridium (Mitte), Unzialendung   bei der Versailles (rechts).

Frutiger gestaltet das Bogenende   bei seinen drei Latine-Schriften Président, Méridien und Versailles (v. l.n.r.) unterschiedlich.

Unterschiedliche Form der Serifen und Serifenübergänge bei Frutiger’s Latine-Schriften Président, Méridien und Versailles (v. l.n.r.).

a aa

22 2

/16/

/17/

/18/

/19/

Die Latines Deuxième Série von Deberny & Peignot weist einen geringen Strichkontrast und stark eingeschwungene Bogenenden auf.

Bei der klassizistischen Iridium (oben) hat das c eine Tropfenform,   bei der Versailles (unten) weist das c wie das s eine Halbserife auf.

Die Versailles hat eine Oblique   und keine Italic, obschon bei D & P mit der Latins Noirs Italiques   eine echte Kursiv vorhanden ist.

Die Bogenenden bei g j und y   wirken zwar gleichartig, sind aber   in Position, Form und Gewicht unterschiedlich.

acrs  acrs

aeg  aeg

gjy

/20/

/21/

/22/

Spannungsvolle Formen und Gegenformen – die Bogen verlaufen nicht gleichmässig und die Punzen haben keine rechten Winkel.

Um als Tabellenziffer genügend Prägnanz zu haben, sind Abstrich und Serife bei der Ziffer 1   deutlich kräftiger gehalten.

Runde Guillemets – wie in der Versailles – existieren bereits   zu Philippe Grandjean’s Romain du Roi von 1694  bis  1714 (links).

DPQ



14

«»

V ersai l l es

311

Bestimmen der Laufweite Beim Setzen von Text am Computer ist auto­ma­tisch die Standard-Laufweite 0 vor­ gegeben. Nur selten aber ist die­se Ein­stel­lung passend, denn die Laufweite ist abhängig von der Schriftart, dem Schriftschnitt und der Schrift­grösse. Während im Bleisatz die Ab­stim­mung dieser drei Parameter durch den­ Schrift­ gestalter und den Schrifther­steller vorgenom­men wird und durch den Schrift­­kegel ge­geben ist, ist seit­ dem körper­losen Foto­satz der Anwender für die richtige Lauf­ weite zustän­dig. Leider haben es die Schrifthersteller ver­passt, einen ein­heit­lich defi­nierten Nullwert für ihre Schriften zu bestimmen. Auch liefern sie keine Angaben, bei welcher Schriftgrösse die Laufweite 0 stimmig ist. Für jede Schrift, sogar für jeden Schriftschnitt muss daher die Laufweite durch Austesten be­stimmt werden. Dabei ist die Laufweite entscheidend für gute Leser­lichkeit sowie für ein ansprechendes, harmonisches Schriftbild. Grundsätzlich dürfen Wortbilder nicht zusammenklum­ pen, aber sie sollen auch nicht auseinanderfallen. Generell gilt: Kleine Schrift­­grade benötigen eine grösse­ re Laufweite, grosse Grade eine kleinere Laufweite (vgl. rechte Seite). Für Frutiger’s Werksatzschriften bei Lino­ type bedeutet dies, dass sie in den Lese­grös­sen praktisch immer mit Plus zu setzen sind. Im Weiteren benötigen auch feine Schrif­ten eine grosszügi­ge Laufwei­te, denn grosse Binnenräume erfordern grosse Zwischenräume. Im Gegensatz dazu kön­nen fette und schmale Schriften eher eng gesetzt werden.

/23/

Figurenübersicht der Versailles   im Lichtsatz CRT (KathodenstrahlTechnologie) von Linotype.

/24/

Umschlag und Innenseite –   die Broschüre von 1983 enthält alle damals bei Linotype erhältlichen Schriften Frutiger’s.

/25/

Stark vergrösserte Ziffer 5 aus der Broschüre – deutlich erkennbar sind die in Vektoren aufgeteilten Bogenformen des CRT-Satzes.

/26/

Figuren der Versailles normal   im Linotype-Schriftmusterbuch   von 1987 – im Probesatz sind   auch die Kapitälchen enthalten.

312

W E R K S AT Z s c h R I F T

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Versailles ™ Linotype 8 Schriftschnitte (+CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com

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Pourquoi tant



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45 Light

46 Light Italic

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75 Bold

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313

Schriftenvergleich Die Vielfalt an formalen Ausprä­ gungen bei den Latine-Schriften ist gross. Eine eindeu­ tige Formbeschreibung ist daher nur erschwert möglich. Dies ist neben der geringeren Anzahl und der Bedeutung in den 1950er Jahren vielleicht mit ein Grund, wes­halb den Schriften mit dreieckigen Serifen eine eige­ne Grup­ pe in den Druck­schriften-Klassifikationen verwehrt ge­­­ blie­ben ist. ­ Je nach Serifenstärke und Strichkontrast werden die Latines den Renaissance-, den Barock-, den serifenbeton­ten Antiqua, den Antiqua-Varianten oder den Inzisen zu­­geordnet. In der LinoTypeCollection von 1986 findet sich denn auch die ITC Barcelona bei den Anti­qua-Varian­ten, Frutiger’s Versailles bei den BarockAntiqua und die ITC Veljo­vic bei den Renaissance-­Antiqua  – insgesamt eine un­befriedigende Zuordnung. Ed Benguiat schafft mit der ITC Barcelona eine Latine mit wenig Strichkontrast, welche eingeschwunge­ne Bogen­ enden aufweist, kombiniert mit betonten Serifen, sogar beim Minuskel-c. Im Gegensatz dazu wirkt die ITC Veljo­ vic durch die flach-dreieckigen Serifen und den starken Strichkontrast spitzer. Und die asym­metri­schen Bogen­ verläufe geben ihr eine dynamische Anmutung. Anders die ­Versailles, sie ist statisch. Einzig die Ziffern brin­gen eine verspielte­re Kom­ponente hinein. Insgesamt wirkt sie ruhig, klar, ausgewogen und elegant, aber auch dis­tan­ ziert. Jeder Buchstabe steht separiert da, in sich stimmig, sich selbst genügend. Die Versailles wird ihrem Na­men durch ihre höfi­sche Anmutung durchaus gerecht.

/27/

Vermassung von Strichstärke   und Proportionen des normalen Schnittes der Versailles.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.93 Hs = 1.30 Hq = 0.64

nh = 6.96 cm nw = 5.92 ns = 1.14 nq = 0.85

oh = 7.40 cm ow = 7.18 os = 1.39 oq = 0.48

Hh : Hw = 1 : 0.79 Hw : Hs = 1 : 0.16 Hs : Hq = 1 : 0.49

nh : nw = 1 : 0.85 nw : ns = 1 : 0.19 nh : oh = 1 : 1.06 nw : ow = 1 : 1.21

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/28/

Die Versailles wirkt ausgewogener   und durch den Verzicht auf die ‹Schweineschwänzchen› ruhiger als die ITC Barcelona und ITC Veljovic.

Hofstainberg ITC  Barcelona Edward Benguiat 1981

Hofstainberg Versailles Adrian Frutiger 1984

JKPa c jw 24 J KPac jw 24 J Bogenende mit Halbserife

Hofstainberg ITC  Veljovic Jovica Veljovi c´ 1984

314

W E R K S AT Z s c h R I F T

K Winkel der Schenkel trifft spitz auf Stamm

P Einlauf in Stamm eckig, unten leicht ansteigend

a Bogenende anschwellend, horizontal geschnitten

c Bogenende oben mit Halbserife, unten verjüngt

j Bogenende anschwellend, horizontal geschnitten

w Scheitel ohne Mittelserife

24 Diagonalen gebogen, horizontale Balken nur leicht anschwellend

J K Pa c j w24

/29/

Der Vergleich zeigt die   ver­schiedenen Fettengrade und   den Winkel der Kursiven.

Light Roman Bold Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00  10.00

Hw 7.69 = 0.97 7.93 = 1 8.71 = 1.10 9.67 = 1.22 7.75 = 0.98

Hs 0.94 = 0.72 1.30 = 1 1.97 = 1.51 2.89 = 2.22 1.19 = 0.91

Hq 0.49 = 0.76 0.64 = 1 0.78 = 1.22 1.03 = 1.61 0.57 = 0.89

HHHH    H

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ¥$£€0 1   23456789 å bçdéfgh ij  klmñôpqrš  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ . , : ; · ’/ - – — ] (¿¡“«‹›»”!?) {§° %@ ‰* †} 

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95 Black

96 Black Italic

10°

/30/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge, Ausgangspunkt   ist die Versalhöhe.

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

1.00

0 cm

3.5

−30

4.0

132 100 70

4.3

10

ITC Barcelona 42.9 pt

HÔhxp7

1.00

129 100 74

10 −29

4.1

137 111 73

5.2

−30

4.1

Versailles 40.1 pt

HÔhxp7

10

ITC Veljovic´ 45.7 pt



V ersai l l es

315

Signete und Wortmarken

1979 – 1983

Haas Fotocomposition Fonts Schrifthersteller CH - Münchenstein Entwurf nicht realisiert

Verband landeskirchlicher Gemeinschaften des Kantons Bern Christliche Organisation CH - Bern

Atlantic Institute Internationales Institut für ökonomische, politische und kulturelle Belange F - Paris

Sogreah-Sogelerg-Sedim Unternehmen für Ingenieurwissenschaften F - Paris

Autoroute Rhône et Alpes Gesellschaft der Autobahnen im Departement Rhône-Alpes F - Bron

Association des Sociétés Françaises d’Autoroutes Vereinigung der französischen Autobahngesellschaften F - Paris Gestaltung: Lucette Girard

Christlicher Sängerbund der Schweiz Chorvereinigung Schweiz

PTT – Schweizer Reisepost Postautobetriebe CH - Bern

Animation des Autoroutes Art et Archéologie F - Paris Gestaltung: Brigitte Rousset Entwurf nicht realisiert

Winkel Verlag Buchverlag CH - Basel

CGE Novelerg Unternehmen für erneuerbare Energiequellen F - Paris Gestaltung: Brigitte Rousset

PTT – Post Telegraf Telefon Schweizer Post und Telekommunikationsbetriebe CH - Bern

CGE Distribution Vertrieb von elektrischen Geräten F - Montrouge

Scoricentres – Société nationale pour la vente des scories Thomas Staatliche Gesellschaft für Schlackeverwertung F - Paris

Philippe Lebaud Verleger F - Paris

Musée National de la Renaissance Château d’Ecouen F - Ecouen

Küppersbusch Systeme Konstruktion und Fertigung von Verpackungsanlagen D - Velbert

Musée de Grenoble Kunstmuseum F - Grenoble

Domaine Universitaire F - Pessac Gestaltung: Adrian Frutiger und Gérard Ifert

Haas’sche Schriftgiesserei 400 Jahre – Jubiläumssignet CH - Münchenstein

Collection Colibri Edition des Hallwag Verlages CH - Bern

316

SIG N ETE U N D WORTMAR KE N

Schriftherstellung

L  asersatz

Linotype Centennial Seite 318 Avenir Seite 330 Westside Seite 346 Vectora Seite 352

Der Begriff Laser bildet sich aus den Anfangsbuch­ staben der englischen Bezeichnung ‹Light Amplifica­ tion by Stimulated Emission of Radiation›, was über­ setzt ‹Lichtverstärkung durch Strahlenemission› be­­­ deutet. Die Lasertechnik verwendet einen Lichtstrahl, der einen speziell scharf gebündelten, ­mikroskopisch kleinen Lichtpunkt auf dem Ausgabematerial erzeugt. Dabei ist die Lichtstärke um ein Vielfaches höher als die anderer Lichtquellen. Während der Laserstrahl bei der Belichtung horizon­ tal über die gesamte Breite des Materials (Film, Foto­ papier, ab 1993 auch die Druckplatte) wandert /02/, wird er entsprechend der Form der Zeichen ein- oder aus­­geschaltet. Gegenüber der vertikalen Belichtung bei der CRT-Technik führt dies bei gleicher Auflösung zu einer besse­ren Schriftdarstellung /03/.Unterschied­ liche Schriftarten, -grössen, Zeilenabstände usw. be­ ­einflussen die Geschwindigkeit nicht. Die englische Monotype bringt 1976 mit der Laser­ comp eine der Pioniermaschinen für die hochauflösen­ de Laserbelichtung digitalisierter Schriften her­aus.

Mergen­thaler Linotype folgt 1979 mit dem Kompakt­ system ‹Omnitech 2000›. Satz und Belichtung sind hier in einer Maschine vereint. 1984 folgt mit der ‹Lino­ tronic 300› ein preiswerter separater Be­­lichter /01/. Mit einem vorgeschalteten RIP (Raster Image Pro­­ces­ sor) ermöglicht dies auch die hochauflösende Aus­ gabe von PostScript-Daten und da­­mit die Anbin­ dung an den Apple Macintosh. Ein folgender Schritt zu mehr Ökonomie und Ökologie ist die direkte Be­ ­lichtung von Druckplatten (Computer-to-Plate), wo­ ­durch die Film­belichtung wegfällt. Grundsätzlich besteht jeder Laserbelichter aus den Modulen (PostScript-)RIP und Recorder, die separat oder in einem Gehäuse zusammengefasst sein kön­ nen. Der RIP besteht aus dem Datenspeicher und dem Pro­­zessor zur Umwand­lung der Daten in Belich­ tungsbefehle. Zusätzlich ist eine Speichereinheit für das ständige Schriftenarchiv vorhanden. Das Modell A der Linotronic 200P be­­inhaltet eine 20-MB-Disk für die Speicherung von etwa 150 Schriften bei einer Auflösung von 250, 333 und 500 Linien/cm. Auf der

80-MB-Disk des Modells B lassen sich etwa 1000 Schrif­ten speichern und mit 666 Linien/cm gibt es eine weitere Auflösungsstufe. Der Recorder beginnt erst mit der Belichtung, wenn der gesamte Rechenvorgang abgeschlossen ist. Je nach Qualitätsanspruch kann die Belichterauflösung auf 1270 oder 2540 dpi eingestellt werden, bei man­ chen Modellen sogar bis 3251 dpi. Neben Schriftsatz bieten Laserbelichter auch die Möglichkeit Strichund Halbtonvorlagen zu belichten. Lichtquellen in Laserbelichtern fussen in erster Linie auf dem technisch aufwendigen Helium-Neon-Gas­ laser. Der erforderliche Modulator unterbricht den Laserstrahl entsprechend den RIP -Signalen und den erforderlichen Scanlinienlängen. Dieses komplizier­­ te Bauteil entfäll beim Hightech-Modell Linotronic 200P und wird bei gleichbleibender Lichtleistung durch Laserdioden mit langer Lebensdauer ersetzt.

/01/

/02/

/03/

Der Laserbelichter Linotronic 300 von Linotype (vorne) kann direkt mit der Entwicklungsmaschine (hinten) verbunden werden.

Schematische Darstellung des Lichtwegs bei der Linotronic 300 – die Belichtung erfolgt über die gesamte Breite des Fotomaterials.

Die vertikale CRT-Belichtung (links) zeigt Probleme in den steilen, die horizontale Laserbelichtung (rechts) in den flachen Diagonalen.

Fotoempfänger Zeilenlänge (72 pica) Zeilenanfangserkennung

Fotomaterial (Film oder Papier) Polygon-Spiegel

Umlenkspiegel Kollimator Filterrad Strahlaufweitungslinse Helligkeitseinstellung Fokussierlinse

Aplanat Motor (kon­stante Drehzahl)

Pre-Objektiv Periskop Ein-Aus; AO Modulator Konvergierlinse

Umlenkspiegel Feldebener Hohlspiegel

2 mw Helium-Neon Laser

/04/

/05/

Die Digitalisierung von Lasersatzschriften findet weiterhin mit dem Ikarus-System statt – enge Radien benötigen mehr Stützpunkte.

Anders als im Fotosatz, wo Zeichen um Zeichen belichtet wird, bauen sich im Lasersatz Linie für Linie ganze Schriftseiten auf.

Filmvorschub

Helium-Neon-Laser Optik Dichtefilter Ein Modulator

Lichtverzweiger Aus



Drehspiegel

sch R I FT h e r ste llu ng

317

Schriftname Linotype Centennial

Auftraggeber Linotype

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1985  | 1986

Satztechnik Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Linotype – Adobe  | Linotype

Schnitte 8 8

LI N OTYPE

C   E NTE N N IAL Die Centennial war eine Auftragsarbeit. Die Linotype wollte 1986 zum Gedenken an das 100jährige Jubiläum ihrer Zeilensetzmaschine 1 eine neue Schrift herausbringen. Es sollte eine Gebrauchsschrift sein, mit der bedenkenlos alle Texte gesetzt werden konnten, ganz im Sinne einer Konkurrenz zur allgegenwärtigen Times von Monotype. Im Zeitungsbereich gab es bei Linotype zwar die Excelsior, und die Bücher, vor allem Taschenbücher, waren in Deutschland durch die Aldus von Hermann Zapf geprägt. Aber die Times hatte eine andere Stellung. Wenn man nicht ­wusste, welche Schrift man nehmen sollte, wurde die Times ein­gesetzt. Das war bequem für Grafi­ker, die zu faul zum Nachdenken waren. So eine Schrift suchte die Linotype damals. Zur gleichen Zeit kam Olaf Leu 2 mit dem Bedürfnis nach einer ‹besser lesbaren› Bodoni. Er formulierte ganz klar, was das für eine Schrift sein sollte: eine schmallaufende, klassizis­ tische Antiqua – kräftig, gut lesbar und nicht zu hart im Kontrast. Das waren die Ausgangspunkte. Nach diesen Vorgaben zeichnete ich die ersten ­Entwürfe und Probesätze, was relativ schnell ging. Olaf Leu war das kritische Auge, und zusammen be­ sprachen wir, was gut ist und was nicht. Der Aufwand für die Centennial war beträchtlich. Es gab zwei Designgrössen, 12 pt für die Brotschrift- und 18 pt für die Titelschriftgrade /30/. Vom ersten Entwurf bis zur fertigen Schrift vergingen am Ende trotzdem nur acht Monate. Wir hat­ ­­­ten ja einen festen Termin; ausserdem war 1986 auch noch drupa-Jahr 3. Entsprechend ­wur­de die Schrift marketingmässig stark gefördert, wofür ein Kommunika­tionskonzept für die Markt­ einführung erarbeitet wurde /12/. Es ist jetzt im Nachhinein interessant zu sehen, wo die Centennial den Ansprüchen, die in diesem Konzept formuliert sind, gerecht wird und wo nicht. Das hat nichts mit der Qualität der Schrift zu tun, sondern mit der Ausgangssituation. Das ‹Anforderungsprofil› nennt zehn Kriterien, wonach die neue Schrift Folgendes sein soll: gut und schnell lesbar, normal, universell, lebendig, griffig, robust, straff, stolz, stabil und im heutigen Sinne klassisch. ‹Gut und schnell lesbar› – das müsste genauer definiert werden. Ist eine klassizistische Schrift überhaupt geeignet für schnelles Lesen? Im Vergleich zu anderen klassizistischen Schrif­ ­­ten, wie die im Konzept erwähnten Bodoni /17/ oder Madison /18/, ist das der Fall. Die ­Centennial hat nicht so einen starken Fett-fein-Kontrast, auf diese Weise ist der typische Flimmereffekt, der das Lesen erschwert, minimiert. ‹Normal›, das ist ein vager Begriff. Die Centennial entspricht eigentlich nicht ganz einer normalen Leseschrift, weil sie schmal läuft, andererseits passt sie mit dem abgemilderten Kontrast zwischen Haarstrichen und fetten Abstrichen, mit ihren offenen Formen und der grossen Mittellänge gut für den normalen Werksatz. ‹Universell›, was heisst das? Es gibt ja eigentlich keine universelle Schrift, weil wir schon von Anfang an zwei ganz klare unterschiedliche Gruppen haben, die Grotesk und die Antiqua. Die ­Centennial ist universell einsetzbar, ob Zeitung, Zeitschrift oder Buch, für alle auf dem lateinischen Alpha­ 318

W E R K S AT Z s c h R I F T

Der Anspruch von Linotype Die Er­­wartungen an den Erfolg der Linotype Centennial sind bei dem Schrifthersteller sehr hoch, was von verschiedenen Quellen belegt wird. Aus einer ‹Internen Mitteilung› vom 21. 2.1986 von René Kerfante, dem damaligen Abteilungsleiter der Schriftträgerfertigung bei Linotype, geht hervor: «Die Linotype Centennial muss so erfolgreich wie der SchriftKlassiker Times werden! Argumentation: Linotype bringt nicht noch irgendeine neue Schrift (zu den vielen exis­tie­ ­renden) heraus, sondern ein Schriftkonzept.» /01/ Für die Vermarktung des Schriftkonzepts engagiert Lino­ type einen ex­­ternen Berater, obwohl eine interne Marke­ tingabteilung besteht. Bodo Rieger erstellt ein 16­­-seiti­ges Kommunikationskonzept, in welchem er Auf­gaben­stel­ lung, Aus­gangs- und Bedarfssituation, Mar­­ke­ting- und Pro­­dukt­konzept, Positionierung der Schriftanmutung und Zielgruppen sowie das Kommunika­tions­konzept und die Anzeigentexte beschreibt /12/. In der Fachzeitschrift ‹DruckIndustrie› wird der Anspruch mit dem Vergleich zur Helve­ti­ca kommuniziert: «Ziel war, der Helvetica, der klassi­schen Schrift der Moderne, eine Schrift der moder­ nen Klassik nicht nur folgen zu lassen, sondern komplementär gegenüberzustellen.» 4 /03/ Insgesamt muss die Linotype Centennial sehr vielen und sehr hohen An­sprüchen gerecht werden. Sie soll in wirtschaftlicher Hinsicht eine Konkurrenz zur Times sein, sie soll vom Einsatz her eine besser lesbare Bodoni sein und sie soll zum 100-jährigen Jubiläum der ersten LinotypeSetzmaschine von 1886 etwas Besonderes sein. Ihr Name leitet sich denn auch aus dem lateinischen Wort ‹centum› (Hundert) ab. Der Namenszusatz ‹Linotype› ist zum einen Verweis auf die Herkunft, zum anderen ist er nötig, um eine Verwechslung mit der Bell Centennial zu vermeiden, einer Schrift von Matthew Carter für den Satz von Telefon­ büchern, 1976 zum Jubi­läum der amerikanischen Telefon­ gesellschaft AT&T in Auftrag gegeben.5 1986 erscheint die Linotype Centen­nial in acht Schnitten plus Mediävalziffern. Nicht enthalten im Katalog von 1987 sind die Kapitälchen im 45er- und 55er-Schnitt /32/ und noch gänzlich fehlt sie 1988 im ersten Linotype-Katalog für PostScript-Fonts.6 Zu Beginn werden meist klassische Schriften adap­tiert, und die Linotype Centennial hat sich in dieser kurzen Zeit noch nicht auf dem Markt behaupten können. Als einzige klassizistische Antiqua ist dort die Bodoni vertreten. Erst 1992 wird auch Frutiger’s Cen­ tennial als PostScript-Font zur Verfügung gestellt.

/01/

Interne Mitteilung der Linotype GmbH aus dem Jahre 1986 mit Bezug auf die Konkurrenzschrift Times Roman.

/04/

Werbeanzeige einer von Olaf Leu gestalteten Anzeigenkampagne für die Linotype Centennial.

/02/

Seite aus einer Werbemappe der Linotype AG mit einem Vergleich weiterer klassizistischer Schriften des Unternehmens. /03/

Artikel aus der Fachzeitschrift ‹DruckIndustrie› Nr. 11/1986 – als Referenzschrift wird hier die Helvetica angeführt.



LI noTypE c E n T E n n IAL

319

/05/

/06/

Entwurfszeichnung eines schmalen Schnitts, um die Grenze des Machbaren auszutesten.

Entwurf und Digitalisierungszeichnung einer breitfetten Variante (nicht ausgeführt).

/07/

/08/

Abklärung der optimalen Serifendicke am leichten Schnitt anhand des Buchstabens m – mit drei verschiedenen Stärken.

Feinabstimmung der Kehlung des Serifenübergangs sowie des Anstrichs, kombiniert mit verschiedenen Serifenstärken.

/09/

Selbstgefertigte Schablone aus IBM -Material zum Zeichnen der Serifen und gebogenen Stämme der Linotype Centennial.

320

W E R K S AT Z s c h R I F T

Charakterisierung von Schrift Eine Grundannahme in der Typografie ist, dass neben der Aufnahme der inhaltlichen Bedeutung eines Wortes die blosse Anmutung der Schrift Assoziationen und Emotionen hervorruft. Die­ se Annahme wird wissenschaftlich bestätigt. In seinem Buch ‹The Measurement of Meaning› geht der Psychologe und Kommunikationswissenschafter Char­les E. Osgood 1957 von zwei verschiedenen Wortbedeutun­ gen aus: der den­notativen (Hauptbedeutung) und der kon­­­no­tati­ven (Nebenbedeutung). Osgood entwickelt für die Messung der konnotativen Bedeutung das semanti­ sche Differential. Ein leicht variiertes Verfahren zur quan­ ti­ta­ti­ven Analyse subjektiver Bedeutungen entwickelt Peter Hofstätter. Sein Polaritätenprofil basiert auf einer meist siebenstufigen Skala, an deren Ende polare Asso­ zia­­tions­begriffe wie heiss / kalt usw. stehen.7 Dirk Wendt überträgt 1968 das semanti­sche Differential auf typo­grafische Fragestellungen und belegt, dass jede Schrift ihre eigene Anmutung besitzt. Für seine Untersuchung wählt er zwölf Adjektive mit fünfstufiger Skala von ‹sehr› bis ‹gar nicht›: elegant, klassisch, kitschig, dyna­ misch, sach­lich, ge­wöhn­lich, natürlich, schwerfällig, männ­ ­lich, harmonisch, deko­rativ und technisch.8 Eine neuere Arbeit zum Thema stammt von Christian ­Gutschi.9 Ebenfalls mehrere Adjektive führt das KommunikationsKonzept für die Linotype Centennial von 1986 auf, um damit das Anforderungsprofil an die Schrift festzuhalten und diese am Markt zu positionieren /12/.

/10/

Zur Linotype Centennial (oben) passender Entwurf einer taillier­ten Grotesk – in den 1990er Jahren konzipiert als Erweiterung zu einer Schriftsippe (siehe Seite 157).

/11/

Werner Schimpf und Adrian Frutiger bei der Besprechung des Entwurfs.

/12/

Sechs seitiger Auszug aus dem Marketing­konzept von Bodo Rieger zur Positionierung der Linotype Centennial.



L i n o t y p e Ce n te n n ial

321

bet basierenden Sprachen, für alle Druckverfahren und Papiersorten. Aber wirklich universell ist sie nicht, dazu ist sie viel zu stark geprägt von der klassizistischen Stilrichtung. ‹Lebendig›? Verglichen mit einer normal laufenden Übergangsantiqua scheint sie nicht sehr lebendig, aber doch immerhin lebendiger als die strenge Bodoni. ‹Griffig›, diesen Begriff finde ich gut. ­Griffi­ge Formen sind fürs Auge sofort erkennbar, eindeutig. Die Centennial hat solch griffige Formen, ob es jetzt eine Zahl ist oder ein k oder ein a. ‹Robust› im technischen Sinn meint, dass sie auf CRT- wie Laserbelichter, im Offset- und Tiefdruck funktioniert, und das tut sie. ‹Straff›? Die Centennial ist eine straffe Schrift. Sie zappelt nicht. Aber ‹stolz›, diese Eigenschaft besitzt meine Schrift nicht. ‹Stabil› dagegen ist sie und wohl auch ‹im heutigen Sinne klassisch›, wo­bei ich nicht genau weiss, was damit gemeint ist. Sie ist jedenfalls weder eine romantische noch eine Fantasieschrift, ich empfinde sie eher als elegant und in diesem Sinne klassisch. Eine Schrift mit gängigen Eigenschaftswörtern zu charakterisieren, statt durch formale Kriterien, ist durchaus interessant, jedoch auch schwierig. Olaf Leu hat mir jedenfalls nicht ge­sagt, die Schrift müsse klassisch sein oder lebendig. Er beschrieb auch nicht, wie die Ziffern oder andere professionelle Details auszusehen haben. Er sagte nur: Machen Sie mal, und dann schauen wir die Schrift gemeinsam an. Er hat sich einfach auf seine Augen verlassen. Und wenn er einverstanden war, wurde es so gemacht. Die Centennial hat einige formale Besonderheiten. Ihre x-Höhe beispielsweise wählte ich deutlich höher als die anderer klassizistischer Schriften /23/, in der Breite liess ich sie eher offen. Das verbessert die Lesbarkeit, weil es ein grösseres Bild ergibt. Von einigen Gemeinen wie n b a /05/ machte ich anfangs Versuche mit verschiedenen Breiten. Ich probierte aus, wie weit ich beim Verschmälern gehen kann. Am Minuskel-m habe ich die optimale Stärke der Se­

Eine klassizistische Standardschrift Ein Standard entsteht, wenn eine Schrift sehr oft benützt wird. Neben vielseitiger Einsetzbarkeit sind Ver­füg­barkeit auf allen Druck- und Satzverfahren und geringer Platzbedarf wichtige Parameter. Gute Les­­­­bar­keit und ein neu­trales Schrift­ bild, um eine grosse Vielfalt an In­­halten trans­­­por­tieren zu können, sowie ein zeitgemässer Aus­druck ge­­­hören eben­­so dazu wie eine gewisse Zeit­losig­keit. Typisches Beispiel einer Standardschrift ist die Times.10 Sie entspricht den genannten Kriterien in allen Punk­­ten und erreicht deshalb in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur im Zeitungssatz, sondern in allen An­ ­wendungsgebieten als Satz- und Auszeichnungsschrift grosse Verbreitung. Wegen der Ro­­bust­­heit ihrer For­­men und ihrem ökonomischen Platzbedarf wird sie gerne eingesetzt und – als Folge davon – auch für alle Satzverfah­ ren verfügbar gemacht und von allen wichti­gen Setz­ maschinenherstellern 11 ins Schriftensortiment auf­ge­nom­ men. So verdrängt sie mit der Zeit im Bekanntheitsgrad an­dere Barock-Antiquas wie die Caslon oder die Basker­ ville sowie im Zeitungs­be­reich zum Beispiel die ­Excelsior. Mit der Über­nahme der Times als fest installierte Schrift auf die Personal-Computer ist sie wiederum auch im Office-Bereich omnipräsent. Innerhalb der klassizistischen Gruppe wir­­ken die Schrif­ten Didot’s und Bodo­ni’s aus dem 18. Jahrhundert stilbildend. Durch ihre formale Qualität, Feinheit und tech­ni­sche Vollkommenheit setzen sie den Standard für Schriften

/13/

/14/

/15/

/16/

Der Schweif des Q ist nicht zen­­triert (entsprechend der Schattenachse), sondern leicht nach rechts versetzt angebracht.

Iridium (links) und Linotype Centennial (rechts) mit geschlauftem Et-Zei­­chen; Letztere auch mit geschlauftem Pfund-Zeichen.

Iridium und Linotype Centennial: unterschiedliche Handhabung gleichartiger Abschlüsse bei Majuskeln und Minuskeln.

Drei verschiedene Möglichkeiten der AE-Ligatur bei Iridium (links), Breughel (Mitte) und Linotype Centennial (rechts).

Q

&£ &£

SLJ SLJ ajr ajr

Æ Æ Æ

/17/

/18/

/19/

Schlech­tere Lesbarkeit der klassizistischen Bodoni aufgrund der geringen x-Höhe sowie des starken Fett-fein-Kontrasts.

Ebenfalls bei Linotype erhältlich sind die beiden schmallaufenden klassizistischen Schriften Madison und Century Expanded.

Universelle Einsetzbarkeit und geringer Platzbedarf wie bei der Times sind erklärtes Ziel beim Zeichnen der Linotype Centennial.

Bodoni Book 8.8 pt Sie fragen sich, w­a­rum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfü­gung zu ha­­ben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe mal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. Pourquoi tant d’Alpha­bets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. 322

W E R K S AT Z s c h R I F T

Madison Roman 8 pt Sie fragen sich, w­a­rum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfü­gung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe mal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. Pourquoi tant d’Alpha­bets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc.

Century Expanded Roman 8 pt Sie fragen sich, w­a­rum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfü­gung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe mal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. Pourquoi tant d’Alpha­ bets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc.

Times New Roman 8.6 pt Sie fragen sich, w­a­rum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfü­gung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe mal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. Pourquoi tant d’Alpha­ bets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc.

dieser Zeit. Die Bodoni ist bis heute der wichtigste Vertreter dieser Gruppe geblieben. Auf Wunsch von Grafik-Designer und Professor Olaf Leu soll die neue Schrift eine besser les­bare und öko­no­mi­ schere Bodoni werden. Linotype nimmt dies, neben dem 100-Jahr-Jubiläum der Setzmaschine, zum Anlass, mit der Linotype Centennial nicht nur eine neue Schrift her­ auszugeben, sondern einen neuen Standard innerhalb der klassizistischen Schriften anzustreben. Die Anforderungen an die Schrift führen zu Unter­schieden zwischen der Linotype Centennial und der Bodoni. So besitzt die Linotype Cen­tennial mit dem geringeren Strichkontrast, der höheren x-Höhe und den kräftigeren Serifen Merkmale, welche insgesamt ein ruhigeres Schriftbild be­wir­ ken. Da­durch ist Adrian Frutiger’s klassizistische Schrift vielseitig einsetzbar – bis hin zum Druck auf schlech­­­­tem Papier bei hoher Druck­geschwindig­keit. Im Satzvergleich mit der Times New Roman benötigt die Linotype Centennial etwas mehr Raum. Wird die Lino­ type Centen­nial um 5 % verschmälert, erreicht sie die glei­­che Raum­ausnutzung wie die Times /24/25/, was je­­ doch zu Lasten ihrer Lesbarkeit geht. Als Exklusivschrift von Linotype, welche zudem erst zwei Jahre nach der etablierten Bodoni als PostScript-Font in den Digitalsatz übernommen wird, findet die Linotype Centennial nicht die gleiche Verbreitung wie die Times oder die Helvetica. Ein möglicher Grund, weshalb ihr der von Linotype angestrebte Erfolg versagt bleibt.

ri­fen getestet /07/. Das war ein Versuch, die Grenze zu finden. Bei keiner anderen meiner Schriften bin ich so weit gegangen. Hier wollte ich unbedingt wissen, wo die richtige Stärke der Serifen liegt, damit es noch klassizistisch bleibt, nicht zu dick und nicht zu dünn ist und womöglich in der Belichtung Schaden erleidet. Ich fertigte Versionen mit dreieinhalb, vier und viereinhalb Millimetern Stärke an und entschied mich für die kräftigste. Für diese Schrift habe ich sehr viel Schweiss verloren. Da war der Wille, das Beste aus meiner Hand herauszuholen – mit allen Feinheiten. Dazu gehörte auch die Idee, dass die vertikalen Striche alle leicht tailliert sind – meine Art, eine Schrift lebendig zu machen. Für das Zeichnen der Überläufe und Ausläufe fertigte ich mir speziell für die Centennial geformte Schablonen /09/ aus IBM-Material 12 an, denn so etwas konnte man in keinem Geschäft kaufen. Zuerst schnitt ich die Form aus und dann feilte ich sie mit ganz feinem Schmirgelpapier so lange, bis es absolut stimmte. Für das Schleifen habe ich viel Fleiss verwendet. Ich war nicht zu faul, alle Rundungen gleich zu zeichnen. Dies hier ging einen Schritt weiter. Ich wollte sicher sein, dass alle Überläufe genau gleich sind. Für die Centennial hatte ich ein ganzes Sortiment selbst gemachter Schablonen, bei den ganz kleinen Rundungen benutzte ich eine MonotypeSchablone. Bei einigen Buchstaben gab es grundsätzliche Überlegungen. Wo wird beim Versal-Q der Schweif unten angesetzt? Es dünkte mich, bei einer klassizistischen Schrift, die ganz auf dem vertikalen Kreuz aufgebaut ist, sollte der Strich einigermassen aus der Mitte herauskommen. Hier ist er geringfügig nach rechts versetzt /13/, das könnte man kritisieren. Das Et-Zeichen ist ebenfalls klassisch gehalten /14/. Da die Amerikaner auf ‹ihrem› Et-Zeichen beharrten, entschied ich mich endgültig für die traditionierte Version. Auch beim Pfund-Zeichen entschied

/20/

/21/

/22/

/23/

Wechsel in der a-Form in der kursiven ae-Ligatur bei der Iridium (links), Beibehaltung der a-Form bei der Linotype Centennial (rechts).

Unterschiedliche f l-Verbindungen und Breiten bei Iridium (links) und Linotype Cen­ten­nial (rechts) – Lettern (oben), Ligaturen (unten).

Die Tabellenziffer 4 besitzt eine Fuss­serife, auf welche bei der Mediä­val­ziffer verzichtet wird, hier endet die 4 leicht anschwellend.

Die drei wichtigsten Vertreter der klassizistischen Stilgruppe Bodoni, Didot und Walbaum im Vergleich zur Linotype Centennial.

ae ae æ æ œ œ

fi fl fi fl fi   fl fifl

4 4

Bodoni Didot Walbaum Centennial

Linotype Centennial Roman 7.4 pt Sie fragen sich, w­a­rum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfü­gung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe mal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. Pourquoi tant d’Alpha­bets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc.

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Satzmuster der Linotype Centennial in gleicher optischer Grösse wie die Times und mit 95 % auf gleiche Laufweite gestaucht.

Formvergleich der Linotype Centennial mit der Times (unten) – in 100 % Breite (oben) und gestaucht auf Breite der Times (95 %, Mitte).

Centennial 7.7 pt – 5 % verschmälert Sie fragen sich, w­a­rum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfü­gung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe mal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. You may ask why so many diffe­ rent typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diver­ sity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. Pourquoi tant d’Alpha­­ bets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc.

Hamburgefonstiv Hamburgefonstiv



Hamburgefonstiv

Li notype C e n t e n n ial

323

ich mich für die klassische Lösung /14/, dazu gehört die Schlaufe unten. An solchen Einzelheiten sehe ich, wie stark der Wille war, nur wenig meiner persönlichen Auffassung hineinzubringen. Einzig beim Versal-J bin ich mir treu geblieben; hier eine Tropfenform anzusetzen, brachte ich nicht über mich /15/. Gewagt ist die Ligatur AE. Ich wollte unbedingt, dass das A ­symmetrisch ist. Dadurch ist allerdings der obere Teil des E sehr lang geraten /16/. Ich hatte keine feste ­Regel für diese Zeichen, es war einfach jedesmal eine neue Schrift für mich. Generell kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, mit einer klassizistischen Schrift in Konkurrenz zu einer Renaissance- oder Übergangs-Antiqua zu treten. Aber Wunsch und Be­­ schreibung der Schrift sind ganz klar von Olaf Leu gekommen. Von Mediäval war da nicht die Rede, und eine eng laufende Mediäval macht auch keinen Sinn. Wenn das Wort Übergangsschrift gefallen wäre, hätte mein Bleistift ganz anders gezeichnet. Den Bezug zur Times muss man ausschliesslich vom Erfolg her betrachten, dem Willen der Linotype, der allgegenwärtigen Times etwas entgegenzusetzen. Für mich selbst ist die Centennial eine sehr gute Leseschrift, eine auf breiter Ebene brauchbare Schrift für Werksatz, auf die ich richtig stolz bin. Obschon Linotype diesmal ­grosse Anstrengungen unternahm bei der Bekanntmachung und Vermarktung der Schrift, wurde sie nicht das gewünschte Zugpferd, welches die Linotype suchte. Meine Welt war die Grotesk, das ist ganz klar. Ich hätte gerne eine Leseschrift gemacht, die Erfolg hat. Das klappte nicht, ­meine Serifenschriften fanden nie die Verbreitung einer Univers oder Frutiger. Aber die Centennial gehört zu meinen professionellsten Schriften; sie entstand vor dem Hintergrund von 25 ­Jahren Erfahrung im Schriftzeichnen, mit einer absoluten Logik – und Gefühl natürlich.

100 Jahre Linotype-Setzmaschine Am 17. Juli 1886 er­­ hält der aus Deutschland in die USA eingewanderte Ottmar Mergenthaler das Patent für die ‹Blower›. Es ist die erste funktionierende Matrizensetz- und Zeilengiess­ maschine. Eine solche Maschine ist in der Druc­kerei der Zeitung New York Tribune installiert. Ihr Verleger White­ law Reid prägt mit dem Ausruf «A line of types!» ihren künftigen Namen: Linotype. Noch im selben Jahr publiziert der Verlag das erste maschinell ge­setz­te Buch ‹The Tribune Book Of Open Air Sports›.13 1986, zum 100-Jahr-Jubiläum der Maschine, bringt die Lino­type GmbH ihre Mergenthaler Schriftenbiblio­thek in einer neuen, äusserst gross­zügigen Aufmachung heraus. Konzipiert wird die LinoTypeCollection von Adrian Frutiger, Horst Heiderhoff, René Kerfante und Walter Wil­­­kes; gestaltet wird sie von Heinz Richter.14 Die Kollek­ tion gliedert sich in acht farb­lich ge­kennzeichne­te Klassi­ fikationsgruppen /27/. Verteilt auf sechs Plexi­­glas­boxen, platziert auf einem Rollwagen des Schweizer Möbelbausystems USM Haller /26/, enthält die LinoTypeCollection über 1600 ­Schrift­schnitte auf eben­so vielen doppelseitig bedruckten Blättern im Format A4 quer. Selbst­ver­ständ­ lich sind auch die acht Schnitte der von Adrian Frutiger für das Jubiläum geschaffenen Linotype Centennial enthalten /28/. Durch die Loseblatt-Form lässt sich die Kol­ lektion flexibel ­nutzen und ist leicht erweiterbar, zu­dem präsentieren die Blätter die Lasersatz-Schriften der Lino­ type ins­gesamt in hervorragender Weise.

/27/

Titelseite der mitgelieferten Bro­schüre zur Erläuterung der LinoTypeCollection mit dem Farbcode.

/26/

/28/

Rollwagen mit der LinoType­Collection – die sechs Plexiglasboxen enthalten über 1600 Schriftschnitte auf Muster­ blättern.

Vorderseite des Blattes zur Lino­type Centennial 55 mit Figuren­­ verzeichnis, Satzmustern sowie zusätzlichen Informationen.

324

W E R K S AT Z s c h R I F T



L i n o t y p e Ce n te n n ial

325

Zwei Designgrössen Die Linotype Centennial wird im Laser­satz von Beginn an in zwei Designgrössen ange­ boten, Designgrösse 12 pt für den Text­bereich und 18 pt für den Titelbereich. In der LinoTypeCollection von 1986 wird die Schrift jedoch nur in der Design­­grösse 12 pt gezeigt, obschon die Satzmuster bis zur Schriftgrösse von 84 pt reichen /28/. Im beiliegenden Heft zur Kollektion ver­merkt Lino­type zu den Design­grössen: «Bei der Herstellung von Fotosatz­ schrif­ten wird darauf geachtet, die Schriftzeichnungen (Design­größen) so anzulegen, daß die Schrift ihrer speziellen Bestimmung gemäß besonders geeignet ist. Die meis­ten unse­rer Fotosatzschriften sind so angelegt, daß alle Schriftgrade von einem Schrift­träger gesetzt werden kön­nen. […] Es gibt jedoch Schriften, die besonders empfindlich sind (z. B. Bodoni). Sie lassen sich nicht ohne Qualitätsverlust beliebig vergrößern oder verkleinern, weil sonst die charakteristischen Serifen zu dick oder zu dünn bzw. die Punzenöffnungen zu offen oder zu eng wer­­den.» Insbesondere bei Schriften mit ausgeprägtem Strichkontrast bietet Linotype zwei oder mehr Schriftträger an. Gemäss Empfehlung ist die Design­grösse 8 pt für die Schrift­­grade bis 10 pt geeignet, die Designgrösse 12 pt für die Schriftgrade von 9 bis 24 pt und die Design­ grösse 18 pt für die Schriftgrade ab 12 pt. Im Digitalsatz ist die Linotype Centennial nur noch in der etwas kräftigeren Designgrösse 12 pt erhältlich /30/. Zu­ dem zeigen sich die Abstriche begradigt /31/.

/29/

Figurenübersicht der Linotype Centennial im Lasersatz von Linotype.

   

/30/

/31/

Outline der heutigen Version über der nachgezeichneten Originalzeichnung der Designgrösse 18 pt.

Die erste Version von Linotype hat leicht taillierte Stämme (links), in der heutigen Version sind diese begradigt (rechts).

/32/

Die Linotype Centennial 55 ist in den Designgrössen 12 und 18 pt erhältlich – 1987 (oben) noch ohne, 1992 (unten) mit Kapitälchen.

326

W E R K S AT Z s c h R I F T

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Linotype Centennial ™ Linotype 8 Schriftschnitte ( +2 SC | +8 OsF | +CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

A B C D E F G H I J K L M N  O P Q R S T U V W X Y Z &  abcdefgh i jkl mnopq rs  t  uv wx yz ß1234567890

 Sie fragen sich

 warum es notwen dig ist, so viele Schriften zu r Verfügung zu haben. Sie dienen alle zu m selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Die se Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinka rte studiert mit sechzig Médoc-­Weinen aus dem selben Ja hr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gl eiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auc h mit der Schrift. You may ask why so many different typefaces. They all serve the sa me purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais to us étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de mê me pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber mach en die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich ha be einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem s elben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. Yo

66 pt | –30

50 pt | –15

33 pt | –15

22 pt |  –10

15 pt | 19 pt | – 5



u may ask why so many different type­­faces. They all serve the same purpose but they ex press man’s divesity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wi nes featuring sixty different Médocs all of th e same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuance s that are important. The same is true for typ efaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à expr

10 pt | 13 pt | 2

7.5 pt | 10.2 pt | 5

6 pt | 8 pt | 15

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45 Light

46 Light Italic

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55 Roman

56 Italic

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75 Bold

76 Bold Italic L i n o t y p e Ce n te n n ial

327

Schriftenvergleich Charakteristisch für die klassizis­ tische Antiqua sind die vertikale Schattenachse sowie die angeglichenen Proportionen der Buchstabenbreiten. Besonders prägend und daher Grund für den Vergleich von ITC Fe­­nice, Linotype Centennial und Corporate A – Letztere ursprünglich eine Exklusivschrift für den Daimler­Benz-Konzern – sind aber der schmale Duktus der drei Schriften, ohne dass es schmale Schriften sind, sowie die gros­se x-Höhe /36/. Alle drei Schriften wirken streng, mit eher nüchterner Eleganz. Gegenüber Bodoni und Didot, den stilbildenden klassi­ zistischen Schriften des späten 18. Jahrhunderts, ist die x-Höhe deutlich angehoben. Diesbezüglich kann die um 1800 von Justus Erich Walbaum geschnittene WalbaumAntiqua als Vorbild gelten /23/. Während die ITC Fenice vom Strichkontrast und der Seri­ fenform her am deutlichsten den Stilmerkmalen der klas­ si­zistischen Antiqua entspricht – ansonsten aber ­durchaus Eigenheiten aufweist –, ist dies bei der Linotype Cen­­­­ten­ nial weniger offensichtlich, und bei der Corpora­te A sind gar Elemente einer Barock-Antiqua zu finden, insbesondere in den gewölbten Serifenformen. Ihre gleich­mässi­ gen ovalen Bogenformen mit vertikaler Schattenachse verweisen jedoch auf die klassizistische Antiqua. Die Linotype Centennial ist im normalen Schnitt – auch in den Haarstrichen – relativ kräftig, was ihr eine gewisse Robustheit verleiht und sie vielfältig, auch unter er­­­schwer­ ten Bedingungen, einsetzbar macht.

/33/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Linotype Centennial.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.29 Hs = 1.56 Hq = 0.40

nh = 6.94 cm nw = 5.81 ns = 1.39 nq = 0.66

oh = 7.42 cm ow = 6.47 os = 1.62 oq = 0.40

Hh : Hw = 1 : 0.72 Hw : Hs = 1 : 0.21 Hs : Hq = 1 : 0.26

nh : nw = 1 : 0.84 nw : ns = 1 : 0.24 nh : oh = 1 : 1.07 nw : ow = 1 : 1.11

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/34/

Von den drei schmal anmu­tenden, statischen Schriften läuft die Lino­­­type Centennial am breites­ten und ihre Formen wirken weicher.

Hofstainberg ITC Fenice Aldo Novarese 1977

Hofstainberg Linotype Centennial Adrian Frutiger 1986

A G R a b n s  2 7 A G R a b n s  2 7 A Scheitel flach, Fussserife flach

Hofstainberg Corporate A Kurt Weidemann 1  990

328

W E R K S AT Z s c h R I F T

G Übergang vom Bogen zum Schaft rund, zum Fuss gekehlt

R Spielbein vertikal geschwungen, Endstrich rund aufschwingend

a Aufstrich mit Tropfen, Einlauf in Stamm leicht abfallend

bn Anstrich flach   bzw. nur leicht ansteigend,   b mit Fussserife

s Endstrich   mit Halbserife

2 Diagonale geschwungen, Endstrich schräg

7 Diagonale gebogen, Abschluss   rund

A G R a b n s  2 7

/35/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

Light Roman Bold Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00

Hw 7.09 = 0.97 7.29 = 1 7.92 = 1.09 8.39 = 1.15 6.92 = 0.95

Hs 1.27 = 0.81 1.56 = 1 2.19 = 1.40 2.62 = 1.68 1.48 = 0.95

Hq 0.40 = 1 0.40 = 1 0.49 = 1.22 0.49 = 1.22 0.42 = 1.05

HHHH  H 16°

/36/

132 100 74

HÔhxp7

0 cm

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ¥$£ € 1   234567890 å b ç d é f g h i j  k l mñ ôpq r š  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ . , : ; ·’/ - – — ] (¿¡“«‹›»”!?) {§ ° %@ ‰* † } 

95 Black

96 Black Italic

1234567890 1   234567890 åbç dé fgh i j 46 Light Italic OsF klm ñ ô pq r š tüvw x y z & 45 Light OsF & SC

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

1.00

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ¥$£€ 1234567890   å b ç dé fg h i j  k l m ñôp q r š  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [. , : ; ·’/- – — ] (¿¡“«‹›»”!?) {§° %@ ‰*†} 

−25

  234567890 1   234567890 1 åbçdéfgh i j  56 Italic OsF klm ñôpq r š  tüvw x y z & 55 Roman OsF & SC 3.5 10

1   234567890 1   234567890

3.4

75 Bold OsF

ITC Fenice 41.3 pt

1   234567890 1   234567890 95 Black OsF 130 105 70

HÔhxp7

1.00

0 cm

0 cm

96 Black Italic OsF

5.0 10

−30

4.3

130 100 71

4.1

Linotype Centennial 40.2 pt

)«IYQ

1.00

76 Bold Italic OsF

10 −30

4.2

Corporate A 43.5 pt



L i n o t y p e Ce n te n n ial

329

Schriftname Avenir Avenir Next •

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1987 |  1988

Satztechnik Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz PostScript Digitalsatz OpenType

Hersteller – Linotype – Adobe | Linotype   – Linotype •

Schnitte 6 12 24

AVE N I R Mitte der Achtzigerjahre blickte ich auf ein etwa vierzig Jahre andauerndes Auseinandersetzen­ mit den serifenlosen Schriften zurück. Ich empfand gewissermassen eine Verpflichtung, der stilistischen Weiterentwicklung folgend, selbst eine geometrische Grotesk zu zeichnen. Im Vor­feld machte ich eine Studie 1 über die Situation der bei Linotype verfügbaren Grotesk­schrif­ ten und stellte fest, dass eine moderne Fassung der konstruktivistischen Grotesk fehlte. Es gab­ die historischen Geometrischen aus den Zwanzigerjahren wie die Futura oder die ­Kabel /20/; Schrif­ten, welche wieder vermehrt in Mode kamen. Ich sah den Erfolg der ITC Avant Garde Gothic /27/ von Herb Lubalin und Tom Carnase und ich spürte, dass eine andere, neue grafische Welt be­gonnen ­hat­te. Diese neuen geometrischen Alphabete /32/ blieben aber Displayschriften, für den Textbereich waren sie ungeeignet. Ich begann, alle bestehenden Typen derselben Art zu ver­gleichen, um daraus mit all meiner Erfahrung ein selbständiges, der Gegenwart ent­ sprechendes Alphabet zu erarbeiten. Als Ausgangspunkt machte ich mir zur Aufgabe, die mit dem Zirkel gezogene Kreisform menschlicher zu gestalten. Ich setzte mich ins stille Kämmerlein und zeichnete zunächst ein auf dem Zirkelkreis aufgebautes o – als ersten und wichtigsten Buchstaben. Daran feilte ich mit dem Ziel, eine lesefreundliche, also fürs Auge angenehmere Rundung zu formen. Wissen­ schaftliche Untersuchungen zeigten, dass das menschliche Auge von Natur aus so geformt ist, dass es die Gefahr erkennt, welche eher von rechts oder links, als von oben oder unten kommen kann. Man kann das seitlich breitere Blickfeld mit zwei Fingern nachvollziehen: Hält man sie vor die Augen und zieht sie langsam nach der Seite weg, sind sie viel länger sichtbar, als wenn sie nach oben und unten weggezogen werden.2 Im Gegensatz dazu hat ein Fisch oder ein Vogel runde Augen, weil eben die Gefahr von allen Seiten kommen kann. Die Erkenntnis daraus war, dass die horizontalen Werte anders eingeschätzt werden als die vertikalen. Übersetzt auf die Schrift bedeutet dies, dass die horizontalen Striche dünner, die vertikalen dicker zu machen sind, so wie es die Schriftschneider schon seit langer Zeit praktizierten. Aus solchen Über­ legungen heraus wurde das o der Avenir geboren. Ich schaute es lange an, legte den Zirkelkreis und meine Form nebeneinander und sah: Das modulierte o hatte einen Klang, wohingegen der harte, runde Kreis einfach nur eine geometrische Form war, kein Buchstabe /01/. Beides zeigte ich meiner Frau Simone und auch einigen anderen Personen – die Reaktion war immer die gleiche: Beim modulierten o wusste jeder sofort, das ist ein Buchstabe. Diese Erfahrung bewog mich, weiter zu machen. Ausgehend von diesem o zeichnete ich das ganze Alphabet in einem leichten Schnitt. Alle Abstriche mussten zum o passen, es ging um ganz winzige Differenzierungen. In die horizon­ tale und vertikale Strichstärke legte ich so feine Unterschiede, dass sie das Auge praktisch nicht mehr sieht, sondern nur noch spürt. Ich begann mit dem Überlauf des n und schaute, wie­ dünn ich diesen machen kann, damit es noch zu meiner Schriftidee passt /01/. Vom ersten 330

W E R K S AT Z s c h R I F T

Avenir – eine humane lineare Grotesk Im ‹Linotype express› 1988 ist zur Avenir zu lesen: «Noch vor wenigen Jahren gab es Gesetze über unvermischbare Schriften und klar zu trennende Schriftgrößen. Man suchte nach dem größtmöglichen Kontrast zwischen groß und klein, mager und fett, farbig und weiß. Heute jedoch tendiert die Typografie zur weichen nuancierten Aussage.» Und weiter unten heisst es: «Durch genaues Verfolgen der stil­­is­ti­schen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte und den Ver­gleich aller bestehenden Typen 3 unternahm ich den Versuch, ein der Gegenwart entsprechendes Al­pha­bet zu erarbeiten. (…) Die auf diese Weise ent­stan­ dene Avenir versucht, allen gegenwärtigen Tendenzen sauber zu ent­sprechen. Die Typografen werden in ihr eine Schrift­form entdecken, die trotz aller kon­struk­ti­vis­tischen Strenge ein humanes Bild vermittelt.» 4 Mit der Avenir greift Frutiger das Ideal der antiken griechi­ schen Stein-Inschriften auf. «Kreis, Dreieck und Quadrat werden … Dogma einer neuen Religion. In ihrem Mittel­ punkt steht der Glaube an das Alphabet. Es ist Aus­druck menschlicher Leistung, nicht mehr göttlicher Fügung», schreibt Philipp Luidl.5 Wie zeigt sich nun die menschliche Meister­leis­­tung bei der Avenir, wie sie Frutiger im Gespräch erwähnt? 6 Verkör­pert die tech­nischste Schrift­ ­gattun­g, die konstruierte Schrift, nicht die Abkehr von der Menschlichkeit hin zur Maschine? Oder ist dies nur bei den mit Massstab und Zirkel konstruierten Schriften der Bauhaus-Künstler der Fall? Und wird durch die opti­ schen Kor­­rekturen am Zirkelkreis dem Technischen nicht einfach ein menschliches Antlitz verpasst? Le Corbusier schreibt: «Die Geometrie ist die Sprache des Men­schen.» 7 Zum Ausdruck kommt die Ansicht, dass die Geometrie zu­tiefst human ist. Auf der einen Seite basiert die Idee der geo­metrischen Schrift auf der Absolutheit der mathematischen Perfektion, den Grund­for­men wie Kreis, Quadrat und Dreieck sowie linearer Strich­stärke. Andererseits muss Schrift, ins­ ­besondere eine Werksatzschrift, um für das Auge ange­ nehm lesbar zu sein, opti­schen Kriterien ent­­spre­chen. Damit tut sich ein Widerspruch auf. Die Balance dafür zu­ finden, den Moment zu erkennen, in dem ­beide Aspek­te, die mathematische und die humane Form vereint und ausgewogen sind, ist für Adrian Frutiger die Meisterleis­ tung bei der Avenir. Die mathematisch perfekte Form für den Menschen angenehmer zu gestalten, empfindet Fru­ tiger als menschliche Meisterleistung.

o /01/

Zirkelkreise wirken oben und ­ unten sowie bei der Mündung in den Stamm zu fett (links) – ­ Adrian Frutiger’s ursprüngliche Reinzeichnung der Avenir (rechts).



A v e n ir

331

/02/

Frutiger’s Studie zur Avenir ­ vom Januar 1987 zeigt einen kurzen historischen Überblick und einen Vergleich zu bestehenden Schriften.

/03/

Varianten zur Avenir 55 – ­ doppelschlaufiges g, diagonal geschnittene Bogen­enden bei r t sowie a mit Endstrich (unten).

332

W E R K S AT Z s c h R I F T

Studie zur linearen Grotesk Für das Type Selection Meeting der Linotype im Februar 1987 verfasst Adrian Frutiger die Studie ‹Wo gibt es Marktlücken im heutigen Schriftenangebot?› 8 /02/. Er sieht die Möglichkeit einer modernen, für den Werksatz geeigneten, geometrischen Grotesk. Einleitend findet sich Grundsätzliches. Frutiger zeigt die Garamond stellvertretend für alle Druckschriften mit anund abschwellender Strichstärke, was auf das Schreiben mit der Breitfeder zurückgeht. Dieser stellt er die Schreibmaschinenschrift mit ihrer konstanten, durch das mechanische Fräsen bedingten Strichstärke gegenüber. Adrian Frutiger schreibt, dass dies eine rationelle Überlegung aus der Zeit der Industrialisierung sei. Schriften mit einer «sturen ‹Schnurlinie›» finden bei den Giessereien keine Aufnahme. Dagegen wird eine Vielzahl linearer GroteskSchriften mit optischen Korrekturen realisiert.9 In seiner Studie vergleicht Frutiger die Schriften Spartan, Futura, Neuzeit, DIN Neuzeit, Gill Sans, Kabel und ITC Avant Garde Gothic. Für die Avenir entwickelt er daraus eine Synthese. Er wählt im Gegensatz zur ITC Avant Garde Gothic eine normale x-Höhe und keine stark überhöhten Oberlängen, wie sie für die Futura typisch sind.10 Zudem greift er für a g t u die markanteren Formen der Gill Sans auf, beim g wird schliesslich aber die einschlaufige Form realisiert /03/. In den Minuskeln gleicht die Avenir am ehesten Wilhelm Pischner’s Neuzeit-Grotesk von 1929 /20/, in den Majuskeln ist sie sehr eigenständig.

Wort machte ich eine Verkleinerung und prüfte alles. Auf diese Weise entstand allmählich ein ganzes Kleinbuchstaben­Alphabet, dazu etwa zehn Grossbuchstaben. Es ging immer um feinste Nuancen. Die Avenir ist die einzige Schrift, die ich auf drei Kommastellen genau gemacht habe, dabei alles von Hand. In diesem Sinne habe ich es auf die Spitze getrieben. Es ist die genaueste Schrift, die ich gezeichnet habe. Bevor ich meine neue Schrift beim Type Selection Meeting vorstellte, bereitete ich mich wie immer gut vor. In einem Konzeptpapier /02/ stellte ich dar, welche Sans­Serif­Typen bei der Linotype bestehen und wo es Marktlücken gibt. Ich zeigte anhand des Testwortes ‹genova GENOVA› eine ganze Sammlung von serifenlosen Schriften, stellte Probetexte zusammen und verschiedene Fetten­Abstufungen. Vor solchen Treffen schrieb ich immer einen Rapport mit Erklärungen, auch zur historischen Entwicklung. So ausführlich wie bei der Avenir hab ich es aber nicht bei allen Schriften gehalten. Hier war es mir jedoch sehr wichtig, alle vergleich­ baren Schriften gegenwärtig zu machen. Das Fazit: «Es fehlt eine moderne Fassung der kons­ truktivistischen Grotesk.» /02/ Das Geometrische spielt als Grundgedanke bei der Avenir eine entscheidende Rolle. Es ist eine Spielart der Grotesk. Ich machte immer eine klare Teilung zwischen Antiqua und Sans Serif, das sind zwei Welten. Die eine Welt ist die der weicheren, runden Schrift für Literatur und Poesie, die andere die der sachlichen, klaren Schrift für Signalisation und Information. Eine Grotesk zu zeichnen, ist viel schwieriger; in einer Serifenschrift kann man einiges ver­ stecken, mit den Serifen etwas mogeln oder mit den Überläufen. Dagegen ist die Sans Serif wie ein glatter Fisch, er flutscht einem einfach durch die Finger, ist nicht greifbar oder gar begreif­ bar. Die Grotesk lag mir besser, hier wollte ich das ganze Spektrum umschreiben. Mein Ansatz

/04/

/05/

/06/

/07/

Die­Oblique­der­Avenir­ist­ elektronisch­erzeugt­und­enthält­ keine­optischen­Korrekturen­–­ ihr­Neigungswinkel­ist­8­Grad.

Nicht­den­geometrischen­Grotesk­ (links),­sondern­den­römischen­ Majuskeln­entsprechend,­hat­das­ Avenir­G­einen­Abstrich­(rechts).

In­der­Futura­weisen­K­und­R­eher­ kleine­Innenräume­auf,­bei­der­ ITC Avant Garde Gothic­und­Avenir­ist­ dies­unterschiedlich­gelöst­(v. l.n.r.).

Gegenüber­der­Futura­(links)­ und­der­ITC Avant Garde Gothic­ (Mitte)­besitzt­die­Avenir (rechts)­ eher­breite­Formen­von­f­r­t.

OO

GG GG KR KR KR

/08/

/09/

/10/

Die­Strichdicken­bei­der­Avenir­ sind­nicht­konstant­–­der­Vergleich­ macht­die­leichten­An­­und­ Abschwellungen­beim­O­ersichtlich.

Auch­die­lineare­Grotesk­Avenir­ hat­in­den­Aufstrichen­eine­ leicht­feinere­Strichstärke­als­ in­den­Abstrichen.

Dreimal­gleiche­Strichstärke­beim­ A­(links),­dreimal­differenziert­ beim­A­der­Avenir­(Mitte),­wie­die­ gespiegelte­Version­(rechts)­zeigt.

ODER

ODER AKNSV AKNSV

ifrt ifrt ifrt

AA /12/

Adrian­Frutiger’s­Avenir­Konzept­ der­sehr­fein­differenzierten­ Schriftschnitte­ermöglicht­ein­dem­ Verlaufsraster­ähnliches­Satzbild.

/11/

Der­jeweils­nächststärkere­ Schnitt­der­Avenir­entspricht­in­der­ Positiv­Negativ­Anwendung­ optisch­dem­leichteren­Schnitt.

Avenir LT 35 Avenir LT 45  Avenir LT 55  Avenir LT 65

Av E n I R

333

/13/

Die Avenir 35 und 95 bilden die ­ Pole zur Interpolation der Zwischen­ schnitte – Reinzeichnungen mit Hilfslinien und Korrekturen.

/14/

Klebsatz von 1992 zweier schmaler Schnitte sowie einer ultrafetten Version 125 – 2004 durch Linotype ­ in der Avenir Next realisiert.

/15/

Originalzeichnungen mit ­ Varianten – Q mit orthogonalem, die Punze beeinträchtigendem Querstrich, R mit offener Punze.

/16/

Zusammenmontierte Kreis­ segmente der Reinzeichnung für b d p q – die Unterlängen sind etwas kürzer als die Oberlängen.

334

W E R K S AT Z s c h R I F T

Frühe geometrische Serifenlose Die erste serifenlose Druckschrift Two Lines English Egyptian /17/ wird 1816 in der Schriftprobe von William Caslon IV. gezeigt.11 Sie greift das griechische Formprinzip von Kreis, Quadrat und Dreieck auf. Das hochformatige Doppelquadrat des römischen Formprinzips /19/ ist hier kein eindeutiger Bestandteil. Als geometrisch anmutende Sans Serif ist sie ein Solitär unter den Druckschriften des gesamten 19. Jahrhunderts.12 Erst 1916 wird das Konzept der geometrischen Schrift mit Edward Johnston’s Railway Type wieder aufgegriffen. Sie ist die Grundlage für Eric Gill’s 1927 veröffentlichter Gill Sans, deren Alternativzeichen eine geometrische Ausprägung haben /18/. Um 1920 bringt Wagner & Schmidt in Leipzig eine 1936 bei J. Wagner Kristall Grotesk genannte Schrift heraus /20/.13 Für die deutschen Linear-Grotesk ist das römische Formprinzip /19/ absolut charakteristisch, so für Jakob Erbar’s Erbar Grotesk 1926 /20/, Paul Renner’s Futura /23/ und für Rudolf Koch’s Kabel /24/, beide von 1927. Gemeinsam ist ihnen auch die lapidare Form, sichtbar an den spitzen Winkeln von A M N V W. Die Elementarfiguren Kreis, Quadrat und Dreieck prägen zudem die Lehre am Bauhaus.14 Die ab 1924 entworfenen Alphabete gelangen jedoch nicht zur Ausführung, auch Joost Schmidt’s ‹Konstruktion einer Grotesk auf Quadratbasis› /21/ nicht. Der Verzicht auf optische Korrekturen macht sie für längere Texte ungeeignet. Die römischen Proportionen spielen in den Versuchen keine Rolle.

war immer: Eine Schrift muss in eine ganze Familie erweitert werden können. Alfred Willimann, mein Lehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich, wollte von halbfett oder fett nie etwas wissen; für ihn gab es nur die einfache Linie. Den Gedanken der Schriftfamilie lehnte er komplett ab. Da trennten sich unsere Wege, denn ich bin doch ein Zeichner von Schriften, welche der gra­ fischen Gestaltung dienen. Im Willimann­Geist entstanden ist die Avenir jedoch hinsichtlich seiner Philosophie des Lapidaren. In ihr konnte ich die einfache Linie zum Ausdruck bringen, dazu aber all die feinen Unterschiede zwischen vertikal und horizontal machen, die man prak­ tisch nicht gesehen, sondern nur gespürt hat. In den Achtzigerjahren waren ganz zarte, feine Schriften Mode. Das findet sich auch in der­Avenir, von der ich, ausgehend vom leichten Schnitt, subtile Abstufungen machte, immer in Zwischenschritten. Die Feine benannte ich 45, den folgenden Schnitt 45.5, dann 55 und 55.5 /02/. Das wirkte wie ein Farbtonübergang; der Grafiker sollte mit feinen Übergängen spielen können. Ich hatte keinen Plan für eine vollständig ausgebaute Familie. Es ging mir zunächst nur um das Prinzip, eine geometrische Schrift zu entwickeln, die human, also dem mensch­ lichen Auge angenehm ist. Es gibt Details, die ich anders zeichnete als sonst. Das gemeine t zum Beispiel hat oben einen waagerechten Anstrich /07/, weil es sich um eine konstruierte Schrift handelt. Das i hat einen runden Punkt statt ein Quadrat /07/, weil mir das hier richtiger erschien. Für die Kleinbuch­ staben a und g habe ich zwei Formversionen gezeichnet /02/, eine angelehnt an die Futura und die ITC Avant­Garde­Gothic­und eine zweite Variante angelehnt an die Gill­Sans. Beim a entschied ich mich für die klassische Form, denn ein Kreis mit einem Strich ist für mich einfach kein a. Das klassische, zweiäugige g hingegen gehört absolut nicht in so eine pure konstruierte Schrift,

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/19/

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Die­erste­serifenlose­Druckschrift­ Two Lines English Egyptian,­1816­ von­William­Caslon­IV.,­entspricht­ dem­geometrischen­Typus.

Die­stilistisch­dynamische­ Gill Sans­enthält­im­Monotype­Guss­ auch­Alter­­nativformen­im­geo­­ metrischen­Stil.

Der­römischen­Proportion­einer­ Trajan­entsprechend­ist­das­E­der­ Futura­ein­Doppelquadrat,­nicht­so­ die­‹griechische›­Avenir­(v.o.n.u.).

Alle­realisierten­geometrischen­ Grotesk­der­1920er­Jahre­weisen­im­ Gegensatz­zu­den­Alphabeten­am­ Bauhaus­optische­Korrekturen­auf.

AEHOP AEHOP

AEHOP

Kabel

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/22/

/23/

/24/

Für­die­Bauhaus­Schule­in­Dessau­ typisches­Zirkelkreis­Alphabet­–­ Joost­Schmidt’s­‹Konstruktion­einer­ Grotesk­auf­Quadratbasis›.

Vor­1925­gestaltet­Paul­Renner­ eine­Vielzahl­an­Alternativfi­guren­ zur­Futura, sie­können­sich­beim­ Anwender­aber­nicht­durchsetzen.

Futura­Schriftprobe­der­Bauerschen­ Giesserei­von­1928­–­die­letzte­ Zeile­enthält­jeweils­Paul­Renner’s­ Alternativzeichen.­

Das­römische­Formprinzip­ als­Grundlage­der­geometrischen­ Grotesk­–­Konstruktionsschema­ von­Rudolf­Koch­zur­Kabel­1927.



Av E n I R

335

deswegen kam hier die aus der Kursiven entstandene Form zur Ausführung. Auch f r t habe ich in zwei Varianten gezeichnet, realisiert wurde das weniger diagonale Bogenende /02/. Anders als Futura oder ITC Avant­Garde­Gothic­hat die Avenir keine vollständig runde G­Form /05/. Das kam nicht in Frage, denn ein G hat für mich immer eine Ecke unten rechts. Der senkrecht geschnittene Kreis ist ja ebenfalls geometrisch. Beim R kommt der Abstrich nicht wie beim K direkt aus dem Stamm /06/. Der Innenraum unten wäre mir dann zu klein geworden. Die Versuche der schmalen Versionen /14/ wurden nicht ausgeführt. Genauso eine Kursive, es gibt keine konstruktivistische Kursive. In meinem Konzeptpapier hielt ich daher fest: «Eigent­ liche Kursiv­Schnitte sind in diesem Stil undenkbar. Aus wirtschaftlichen Überlegungen müss­ te trotzdem in jeder Fette ein geschwenkter Schnitt angeboten werden.» Anfänglich kam die Avenir in sechs geradestehenden Schnitten heraus /53/. Es entstanden vier leicht abgestufte Schnitte für den Textbereich, dazu gab es zwei fette Schnitte, die so angelegt waren, dass keine Kompromisse bei den gedrängten Buchstaben wie a oder e eingegangen werden mussten. Erst nachträglich wurde zu jedem Schnitt noch eine Geneigte hinzugefügt. Ich wurde später auch gebeten, eine Avenir ultrafett zu versuchen /14/. Ich erwiderte, wenn dafür eine starke Nach­ frage besteht, kann ich es probieren. Ich war einfach folgsam. Tatsächlich gab es dann aber keine Ultrafette, das kam gar nicht in Frage. Gegen einen weiteren Ausbau habe ich mich immer gesträubt. Ich habe aber nicht gesagt, man könne die Avenir nicht erweitern – ich wollte es einfach nicht. Inzwischen gibt es die Avenir­Next mit über zwanzig Schnitten /60/. Wenn es so gut ge ­ macht ist wie von Akira Kobayashi, dem künstlerischen Leiter bei Linotype, kann man absolut nichts dagegen sagen. Akira schickte mir von allen Schnitten ein Probewort und holte mein

/25/

/26/

/27/

Herb­Lubalin,­Art­Director­des­ Magazins­‹Avant­Garde›,­entwirft­ 1968­den­prägnanten­Kopf­–­ Titelblatt­der­Ausgabe­Nr.­5­/­1968.

Die­ITC Avant Garde Gothic­von­ Herb­Lubalin­und­Tom­Carnase­ erscheint­1970­–­Seite­mit­der­Extra­ Light­aus­dem­ITC­Prospekt­1974.

Die­Condensed­Schnitte­zeichnet­ Ed­Benguiat­1974;­A.­Gürtler,­ Ch.­Mengelt­und­E.­Gschwind­reali­ sieren­1977­die­Oblique­Schnitte.

Neue konstruierte Grotesk Für seine Konzeptstudie zur Avenir /02/ nimmt Frutiger eine ‹Zusammenstellung der Linotype-Grotesk-Schriften› nach formalen Kriterien geordnet vor. Innerhalb der Gruppe ‹Konstruierte Grotesk› unterteilt er die Schriften in ‹alte› wie Erbar, Futura usw. /20/ und ‹neue›, zu der er die ITC Avant Garde Gothic zählt /27/. Eine weitere Gruppe, welche ebenfalls konstruierte Schriften enthält, betitelt Frutiger mit ‹Phantasie-Grotesk›. Die meisten sind amerikanische Schriften der 1970er Jahre, deren Figuren teilweise vom üblichen Bild abweichen, indem Geraden oder Ecken wie bei der Bauhaus /32/ durch Bogen ersetzt sind.15 Gemeinsam ist den Schriften ein äusserst feiner Schnitt, ermöglicht durch die stetig verbesserte Fotosatztechnik. Den Beginn des Trends markiert Herb Lubalin’s Zeitschriftenkopf ‹Avant Garde› von 1968 /25/. In der Folge entstehen eine Vielzahl von Zirkelkreisschriften, unter anderen 1969 Colin Brignall’s Premier /32/ und 1970 die Schriftfamilie ITC Avant Garde Gothic /27/ von Herb Lubalin und Tom Carnase.16 Deren Ligaturen ermöglichen eine interessante Titelgestaltung, gleichzeitig fördern sie das enge Setzen. Vermutlich wird durch Verringern der Laufweite auch im Werksatz ein geschlossenes Satzbild der (zu) dünnen serifenlosen Schriften gesucht – mit verheerenden Folgen. Viele Texte der 1970er und 1980er Jahre – auch in Antiqua-Schrift – sind nur mühevoll zu lesen. Und einer Generation von jungen Schriftanwendern bleibt das Verständnis für gute Typografie vorenthalten.17

Avant Avant Avant Avant Avant Garde Garde Garde Garde Garde Gothic Gothic Gothic Gothic /28/

Adrian­Frutiger’s­Firmenschrift­ Alpha BP­von­1969­für­British­ Petroleum­Co.­hat­die­Futura­als­ Ausgangslage.

/29/

/30/

/31/

Auf­dem­Rechteck­basieren­die­ Bank Gothic, 1930­von­Morris­Fuller­ Benton,­und­die­Microgramma,­ 1952­von­A.­Butti­und­A.­Novarese.

Eine­konstruierte­Anmutung­ vermitteln­ebenfalls­die­Eurostile,­ 1962­von­Aldo­Novarese,­und­die­ Serpentine,­1972­von­Dick­Jenson.

Stichwort­Elektronik­–­ Data Seventy,­1970­von­Letraset;­ Russel Square,­1973­von­John­Russel;­ Letraset LCD ,­1981­von­Alan­Birch.

BankGothic Eurostile MICROGRAMMA

336

W E R K S AT Z S c h R I F T

Serpentine

Data Seventy Russel Square LETRASET LCD

New Wave und Techno Bei der Avenir schöpft Frutiger aus den Erfahrungen seiner Alpha BP /28/ von 1969. Er greift jedoch den nachwirkenden Trend der sehr leichten Schriftschnitte der 1970er Jahre auf und reagiert gleichzeitig mit den sechs fein abgestuften Schnitten /12/ auf die fliessenden Übergänge, wie sie als Farbverläufe für viele gestalterische Arbeiten des New Wave der 1980er Jahre typisch sind /33/. Damit schafft Frutiger eine Art Vorläufer der Multiple-Master-Idee. 1991 stellt Adobe mit dieser Technologie das stufenlose Generieren von Fonts in den vier Design-Achsen ‹Stärke›, ‹Breite›, ‹Designgrösse› und ‹Stil› vor. Der Stärkenregler zum Beispiel ermöglicht nun den Schriftanwendern selbst, innerhalb der Pole eine Vielzahl von Fettenabstufungen zu erzeugen. 1992 erscheinen die ersten beiden Multiple-Master-Schriften Myriad MM (siehe Seite 257) und Minion MM. Wie im vorangegangenen Jahrzehnt entstehen in den 1980er Jahren einige konstruierte Display-Schriften /36/. Im Gegensatz zu früher wird nun aber das Eckige betont, und oft gelangen sehr kräftige Schnitte zur Anwendung. Grosse Popularität erreichen Neville Brody’s Schriften, welche er für das Magazin ‹The Face› entwirft. Insbesondere die Typeface Two und die Typeface Six /37/ wirken im Techno stilbildend.18 Brody greift in seiner Gestaltung öfters auf die Symbolik des Konstruktivismus im frühen 20. sowie die der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts zurück. Seine Schriften und seine Typografie /34/ zeigen im Konstrast zur Avenir eine brachiale Kraft.

Einverständnis ein. Es gab einfach nichts auszusetzen. Es ist so perfekt, dass ich schliesslich sagte: Warum nicht? Aber wenn das Verlangen des Marktes nicht vorhanden wäre, hätte ich nicht zugestimmt. Der Schriftname Avenir ist natürlich eine bewusste Anspielung. Das habe ich extra ge­ macht. ‹Futura› ist ein aus dem Lateinischen abgeleitetes Wort für Zukunft, ‹Avenir› das franzö­ sische Pendant. Aber es ging mir gar nicht darum, mit Paul Renner’s oder auch Herb Lubalin’s Schrift zu konkurrieren. Es ging mir allein darum, Menschlichkeit in das geometrische Schrift­ konzept zu bringen. Erfolgreich war die Avenir anfänglich nicht. Ich sage dennoch: Von allem, was ich machte, wird diese Schrift am längsten bestehen, denn es ist so viel Reinheit in ihr. Dass ich die Fähigkeit gehabt habe, diese Schrift zu zeichnen, zeigt, wie fein geschliffen mein Schriftempfinden sein kann. Die Univers war eine markante Idee, die Frutiger auch, aber in der Avenir klingt eine Melodie, die viel subtiler ist als bei den anderen. Wenn so eine Buch­ stabenform wirklich gestimmt hat und man sagen konnte, jetzt sitzt es – das ist eine Freude. Die Freude ist grösser bei der Avenir als bei der Univers. Mit dem Univers­o ist man schneller zufrieden als mit einem o der Avenir. Das alles ist subjektiv, ich kann nicht anders als von einem Gefühl sprechen. Nicht die gedankliche Idee, sondern die zeichnerische Qualität der Avenir ist mein Meisterwerk. Alle Nuancen so fein zu zeichnen, dass man sie fast nicht sieht, aber doch spürt, kostete mich viel Kraft, es ist die schwierigste Schrift, die ich in meinem Leben gemacht habe. Immer hatte ich dabei die Natur des Menschen im Blick. Wesentlich ist, dass ich die Schrift in aller Stille ganz allein entwickelt und gezeichnet habe, keine Zeichner­ hilfe, niemand war dabei. Hier wird meine Persönlichkeit wie mit einem Nagel festgehalten. Ich bin stolz, dass ich die Avenir machen konnte.

/32/

/33/

/34/

Zirkelkreis­Schriften­ab­Ende­1960er­ Jahre­–­die­Bauhaus­von­Ed­Benguiat­ und­Victor­Caruso­ist­keine­Schrift­ des­Bauhauses­der­1920er­Jahre.

Für­den­New­Wave­typische,­ collagenartig­bunte­Gestaltung­ von­1983­der­amerikanischen­ Gestalterin­April­Greiman.

Seite­aus­‹The­Face›­77/­1986­–­Logo,­ Titelschrift­und­Gestaltung­von­ Neville­Brody,­gesetzt­in­Monotype­ Baskerville­und­Futura.

Premier

Washington

Horatio Bauhaus Blippo /35/

Konstruierte­Majuskelalphabete­ mit­zirkelkreisrundem­O­–­ die­ITC Busorama ist­ebenfalls­eine­ Schrift­von­Tom­Carnase.

ITC Busorama

PLAZA FRANKFURTER CHROMIUM ONE /36/

/37/

Schriften­von­Emigre­–­Modula,­ 1986­von­Zuzana­Licko;­Variex,­1988­ von­Licko­und­Rudy­VanderLans;­ Keedy Sans,­1991­von­Jeffrey­Keedy.

Neville­Brody’s­Typeface Two­ und­Typeface Six­erscheinen­1989­ leicht­überarbeitet­bei­Linotype als­Industria­und­Insignia.

Modula

Industria Industria Insignia Insignia

Variex Keedy Sans

Av E n I R

337

/38/

Figurenübersicht­der Avenir­normal­im­Lasersatz­ der­Linotype­Library.

Herstellung und Vermarktung Im Februar 1987 findet das Type Selection Meeting statt, bereits kurz darauf liefert Frutiger erste Probezeichnungen zur Erstellung eines Satzbeispiels. Anfang Mai legt er Druckproben der Avenir 55 auf unterschiedlichem Papier sowie Muster der geplanten Strichstärkenabstufungen vor. Im Juli folgt das Testwort ‹OHamburgefonstiv› in den Polschnitten 35 und 95. Ein Vertrag ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, dies erfolgt erst im August. Im Februar 1988 sind dann die Testbelichtungen der Avenir 35 auf einer CRTronic in 54 Einheiten fertiggestellt, zudem beginnt das Digitalisieren der Avenir 95. Im Mai 1988 findet das Interpolieren der Zwischenschnitte statt.19 Die vier fein abgestuften Schnitte der Avenir bieten nicht nur nuancierte Möglichkeiten im Textbereich, sie eignen sich zudem für eine kombinierte Positiv-Negativ-Wiedergabe /11/. Die zwei kräftigen Schnitte sind für Auszeichnungen und Titelsatz vorgesehen. Obwohl das Konzept beschrieben wird, gezeigt wird es in den Fachzeitschriften kaum und in der Broschüre gar nicht /39/.20 Geneigte Schnitte werden von Linotype im Laser- oder CRT-Satz nicht angeboten, die Schriftsetzer erzeugen sie bei Bedarf selbst. In PostScript sind die Oblique-Schnitte 1989 jedoch vorhanden. Da es sich aber um elektronisch schräg gestellte Versionen ohne optische Korrekturen handelt, beträgt der Winkel nur 8 Grad /04/. Die 1992 geplante Avenir 125 ultrafett und die schmalen Schnitte /14/ werden erst in der Avenir Next realisiert.

/39/

Die­achtseitige­Broschüre­von­1988­ orientiert­sich­weder­an­zeit­ gemässer­Gestaltung­noch­zeigt­ sie­die­Qualitäten­der­Avenir.

338

W E R K S AT Z S c h R I F T

/40/

Das­Faltblatt­zur­Vermarktung­ der­Avenir­wird­1990­an­der­Type­90­ Konferenz­in­Oxford­verteilt­–­ die­Handschrift­kontrastiert­zur­ geometrischen­Schrift.

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Avenir™ Linotype 12 Schriftschnitte  (+CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com XSF

A B C D E F G H IJ K LM N O P Q R S T U V W X Y Z &  a   bcd e fg h i j kl m n o p q rs t u v w x y z ß12 3 4 5678 9 0

 You may ask w  hy so many differen  t typefaces.They all serve the same purpose but they express man’s di versity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a li st of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different fro m the others. It’s the nuances that are important. The same i s true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! To us servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient di fférents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, warum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. S ie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weine n aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit de r Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity w e find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different M édocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même b

70 pt | –40

51 pt | –40

33 pt | –20

23 pt | –10

15 pt | 19 pt | 0



ut, mais aussi à exprimer la diversité de l’h omme. C’est cette même diversité que nou s retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai p u, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, ma is tous étaient différents. Tout est dans la nu ance du bouquet. Il en est de même pour l es caractères ! Sie fragen sich, warum es not wendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber

10.5 pt | 13 pt | 5

7.8 pt | 10.2 pt | 10

6.5 pt | 8 pt | 15

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35 Light

35 Light Oblique

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45 Book

45 Book Oblique

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55 Roman

55 Oblique A v e n ir

339

Schriftenvergleich Adrian Frutiger deckt mit der Avenir ganz offensichtlich eine Marktlücke ab, denn als geometrische Vergleichsschriften aus den 1980er Jahren können mit der Litera von Michael Neugebauer und der Insignia von Neville Brody lediglich Displayschriften gezeigt werden /42/. Als Werksatzschrift eignen sich diese beiden Schriften aufgrund ihrer sehr hohen x-Höhe und ihrer zum Teil eher eigenwilligen Zeichen nicht. Immerhin be­sitzen sie im Gegensatz zu anderen geometrischen Displayschriften dieser Zeit Kleinbuchstaben. Nicht zuletzt durch die geringere x-Höhe läuft die Avenir etwas weni­ger breit als die Litera und die Insig­nia. Beim Betrachten des o fällt sofort der Unterschied von der Avenir zur Litera und Insignia auf: Es ist ausgewoge­ ner. Die Aussenform wirkt kreisrund, ist jedoch minimal korrigiert; zur Hauptsache findet die optische Korrektur aber in der Innenform statt. Die Litera besitzt dagegen keine opti­sche Korrektur und erscheint deshalb auf den Seiten feiner als oben und unten. Bei der Insignia ist die Höhe insgesamt etwas geringer als die Breite. Die drei Vergleichsschriften unterscheiden sich deutlich. Bei der Litera ist aber stärker als bei der Avenir spür­bar, dass es sich um eine Synthese früherer Schriften handelt. Besonders die Nähe zur ITC Avant Garde Gothic ist augen­ ­fällig /26/, selbst wenn etliche Buchstaben eine andere Form haben und die x-Höhe leicht höher ist. Unterschied­ lich sind zudem die diagonal geschnittenen Bogenenden und die spitz zulaufenden Diagona­len.

/41/

Vermassung von Strichstärke ­ und Proportionen des normalen Schnittes der Avenir.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.71 Hs = 1.19 Hq = 1.10

nh = 6.61 cm nw = 5.77 ns = 1.11 nq = 1.02

oh = 6.95 cm ow = 7.07 os = 1.20 oq = 1.02

Hh : Hw = 1 : 0.77 Hw : Hs = 1 : 0.15 Hs : Hq = 1 : 0.92

nh : nw = 1 : 0.87 nw : ns = 1 : 0.19 nh : oh = 1 : 1.05 nw : ow = 1 : 1.22

H no nq

Hq

oq

Hh

nh

Hs

ns

Hw

os

nw

ow

/42/

Gegenüber Litera und Insignia weist die Avenir ein ausgewo­genes Verhältnis von x-Höhe zu Ver­sal­höhe auf, was einer der Gründe für ihre bessere Les­barkeit ist.

Hofstainberg L  itera Michael Neugebauer 1  983

Hofstainberg A   venir  Adrian Frutiger 1  988

GMRa t ov4 6 GM Ratov46 G M Rundung endet   breitrechteckige in vertikalem Proportion, V-Form Schaft ohne steht horizontal   Sporn auf der Basislinie

Hofstainberg I nsignia  Neville Brody 1  989

340

W E R K S AT Z s c h R I F T

R deutlich vom Stamm abgesetztes Spielbein

a klassische Form, Bogen diagonal geschnitten

t Stamm oben horizontal geschnitten, unten gebogen

o oben und   unten leicht reduzierte Strichstärke

v Winkel horizontal beschnitten

46 Winkel enden stumpf, Diagonale horizontal geschnitten

GMRatov46

/43/

Der Vergleich zeigt die ­ ver­schiedenen Fettengrade und ­ den Winkel der Kursiven.

Light Book Roman Medium Heavy Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00 10.00 10.00

Hw 7.44 = 0.96 7.48 = 0.97 7.71 = 1 7.88 = 1.02 8.23 = 1.07 8.67 = 1.12 7.62 = 0.99

Hs 0.93 = 0.78 0.99 = 0.83 1.19 = 1 1.35 = 1.13 1.77 = 1.49 2.18 = 1.83 1.17 = 0.98

Hq 0.85 = 0.77 0.94 = 0.85 1.10 = 1 1.27 = 1.15 1.60 = 1.45 1.94 = 1.76 1.11 = 1.09

HHHHHH H 8°

/44/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unter- und Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

126 100 76

HÔhxp7

1.00

0 cm

10 −26

0 cm

128 107 66

0 cm

6.2 10

−32

4.8

125 100 78

2.8

−27

3.5

Avenir 40.3 pt

HÔhxp7

1.00

3.4

Litera 42.8 pt

HÔhxp7

1.00

3.1

10

Insignia 45.5 pt



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65 Medium

65 Medium Oblique

Å B Ç D È F G H I J K L M Ñ Ô P Q R Š T Ü V W X Y Z & Æ Œ ¥ $ £ € 1234 567890 å b ç d é f g h i j k l m ñ ô p q r š t ü v w x y z ß fiflæœøłð [ . , : ; ·’/ - – — ] ( ¿ ¡ “« ‹ › » ” ! ? ) { § ° % @ ‰* † }

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85 Heavy

85 Heavy Oblique

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95 Black

95 Black Oblique A v e n ir

341

on

/45/

Im­Hintergrund­Adrian­Frutiger’s­ vermasste­Originalzeichnungen­ und­darübergelegt­die­PostScript­ Version­Avenir LT­35.

/46/

/47/

/48/

/49/

Anstrich­in­der­Avenir LT­(links)­ beim­m­innen­vertikal,­beim­n­ leicht­gebogen;­in­der­Avenir Next­ (rechts)­sind­sie­angeglichen.

Beim­K­der­Avenir LT­(links)­ verbindet­ein­kurzer­Steg­Abstrich­ und­Winkel,­in­der­Avenir Next­ (rechts)­ist­dies­geändert.

In­der­Avenir LT­(links)­entspricht­ das­e­der­Black­weniger­einem­ Zirkelkreis­als­beim­Bold­Schnitt­ der­Avenir Next­(rechts).

Gegenüber­der­Avenir LT­(links)­ wirkt­das­At­Zeichen­in­der­ Avenir Next­(rechts)­harmonischer­ und­weniger­eng.

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/50/

/51/

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/53/

In­der­Avenir LT­sind­die­Quer­ balken­bei­E­F­G­auf­gleicher­Höhe,­ in­der­Avenir Next­liegen­sie­bei­ F­leicht­und­bei­G­deutlich­tiefer.

Ein­Versatz­in­der­X­Diagonale­ ist­optisch­nötig­–­bei­der­Avenir LT (links)­ist­dieser­ausgeprägter­als­ bei­der­Avenir Next­(rechts).

Feinster­Strich­in­der­4­der­Avenir LT­ (links)­ist­die­Diagonale,­bei­der­ Avenir Next­(rechts)­die­Horizontale­–­ deren­Null­ist­ovaler­und­schmaler.

Die­ursprüngliche­Avenir LT­ mit­den­vier­fein­abgestuften­Text­­ schnitten­und­den­zwei­fetteren­ Titel­­und­Auszeichnungsschnitten.

XX

40 40

EFG EFG

342

W E R K S AT Z S c h R I F T

Avenir Light Avenir Book Avenir Roman Avenir Medium Avenir heavy Avenir Black

Avenir Next 2002 beschliesst Linotype den Um- und Ausbau der Avenir. Im Prospekt /59/ zur Vermarktung der Avenir Next steht: «Die Avenir als zeitgenössische Schrift und ihr wahres Potenzial wurden verkannt.» Und Akira Kobayashi, künstlerischer Leiter der Linotype, wird zitiert: «Es fehlen Schnitte, die die Avenir universeller einsetzbar machen.» 21 Adrian Frutiger’s Konzept, dem Layouter mit minimalen Fettenabstufungen ‹Textverläufe› zu ermöglichen /12/, ist nicht mehr aktuell. Gefragt sind differenziertere Schriftschnitte sowie ein grösseres Spektrum von ultraleicht bis schwer /60/. Zudem werden die schmalen Schnitte vermisst. Umgesetzt wird die Avenir Next von Akira Kobayashi im Dialog mit Adrian Frutiger. Die neue Version weist Verbesserungen auf. Die Anstriche bei m und n sind einander formal angeglichen und weniger stark gebogen /46/. Adrian Frutiger zeichnet diese ursprünglich sogar vertikal /45/. Der Winkel des Versal-K ist direkt an den Stamm gesetzt und der Steg eliminiert /47/. Beim X ist der Versatz im Aufstrich zurückhaltender /51/, die 4 erhält eine kräftigere Diagonale und die 0 eine ovalere, etwas schmälere Form /52/. Nun existieren auch Mediävalziffern /56/ und Kapitälchen /57/.22 In der Avenir Next ist ausserdem der Fett-fein-Kontrast gegenüber der Avenir LT minimal erhöht und die schmalen Schnitte weisen sehr deutlich verjüngte Einmündungen auf. Dadurch verliert die Avenir Next in den grossen Graden und insbesondere in den schmalen Schnitten etwas von ihrer linearen Anmutung /55/.

/54/

Figurenübersicht­der­ Avenir Next­Regular­in­der­ OpenType­Version­von­Linotype.

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/55/

Besonders­die­schmalen­Schnitte­ der Avenir Next­haben­stark­ verjüngte­Bogenmündungen­und­ wirken­daher­nicht­sehr­linear.

Avenir Next Condensed /56/

/57/

/58/

/59/

Die­Avenir Next­enthält­Mediäval­ ziffern­(links),­die­zu­den­Tabellen­­ und­Kapitälchenziffern­(rechts)­ formal­unterschiedlich­sind.­

Echte­Kapitälchen­wie­in­der­ Avenir Next­sind­eine­Bereicherung,­ und­in­den­serifenlosen­Schriften­ kommen­sie­vermehrt­auf.­

Die­Avenir Next­in­der­OpenType­ Pro­Version­eignet­sich­mit­den­ umfangreichen­Akzentzeichen­für­ den­Mehrsprachensatz.

Dreisprachiger­Prospekt­von­2004­ zur­Avenir Next­–­die­16­Seiten­ zeigen­Satzmus­ter­aller­Schnitte­ und­Anwendungsbeispiele.

1234567890 1234567890 SMALL CAPS

/60/

/61/

Die­sechs­Fettenabstufungen­der­ Avenir Next­umfassen­ein­grösseres­ Spektrum­–­gleich­bezeichnete­ Schnitte­differieren­zur­Avenir LT.

Avenir LT­(oben)­und­Avenir Next­ (unten)­haben­fast­dieselben­ Strichstärken­–­die­Stärken­Light­ und­Roman­sind­aber­weggelassen.

Avenir Next UltraLight Avenir Next Regular Avenir Next Medium Avenir Next Demi Avenir Next Bold Avenir Next Heavy

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Av E n I R

343

Font-Herstellung : Digitalisiert durch   Linotype

Font-Format : OpenType Pro

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UltraLight Condensed

UltraLight Condensed Italic

Condensed

Condensed Italic

Medium Condensed

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UltraLight

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Regular

Italic

Medium

Medium Italic

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UltraLight Cond. OsF & SC

UltraLight Cond. Ital. OsF & SC

Condensed OsF & SC

Condensed Italic OsF & SC

Medium Cond. OsF & SC

Medium Cond. Italic OsF & SC

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UltraLight OsF & SC

UltraLight Italic OsF & SC

Regular OsF & SC

Italic OsF & SC

Medium OsF & SC

Medium Italic OsF & SC

344

W E R K S AT Z s c h R I F T

Avenir™ Next Linotype 24 Schriftschnitte (+ CE )

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Demi Condensed

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Bold Condensed

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Demi

Demi Italic

Bold

Bold Italic

Heavy

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Bold Cond. OsF & SC

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Demi OsF & SC

Demi Italic OsF & SC

Bold OsF & SC

Bold Italic OsF & SC

Heavy OsF & SC

Heavy Italic OsF & SC



A v e n ir

345

Schriftname Westside

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1988 | 1989

Satztechnik Lichtsatz CRT, Lasersatz Digitalsatz TrueType

Hersteller – Linotype – Linotype

Schnitte 1 1

WESTS I D E Als Schriftgestalter hatte ich den Wunsch, in allen Stilen etwas zu zeichnen. Dahinter steckt ein gewisser Berufsstolz. Nach Mediäval, Latine, Egyptienne und Grotesk fehlte eine Italienne. Die Westside von 1989 ist mein Beitrag zu dieser Gruppe. Ihre Entstehung fällt in eine Periode, in­ der ich eine gewisse Leere spürte. Bis Ende der Siebzigerjahre war ich voll ausgelastet ge­ wesen mit Projekten. Dann kam eine ruhigere Phase, ich hatte plötzlich Zeit nachzudenken. Der­ ganze klassische Schriftenbereich, mit und ohne Serifen, war damals für mich abgeschlossen. Mit der Linotype Centennial hatte ich mein Werk abgerundet und eine Garamond-artige wollte ich nicht machen, das lag mir einfach nicht. Auch die Grotesk schien mir ausge­schöpft. Was fehlte, war eine Cowboy-Schrift mit dicken Serifen, wie sie zur ‹Corporate Identity› eines jeden Wildwest-Films gehört. Die bestehenden Italienne mit ihren Hammerfüssen fand ich sehr hart und streng /09/, das gefiel mir nicht; wie schon so oft reizten mich besonders die Innenformen. Die feinen Rundungen in den ­Serifen geben der Westside schliesslich einen eigenen Ausdruck /10/.­ Ein aus dieser Schrift gesetzter Text wirkt wie ein Webmuster. Ein weiterer Grund, mich an einer Italienne zu versuchen, war vielleicht, dass ich bei Lino­­type einen festen Beratervertrag hatte und mich verpflichtet fühlte, nie mit leeren Händen zu einem Type Selection Meeting zu kommen. Daher rührt auch die ständige Suche nach ­neuen Möglichkeiten. Das waren die inneren Triebfedern. Als ich der Kommission damals meinen Italienne-Entwurf vorlegte, stiess er auf Interesse. Man empfand diese Schrift als neuartig und klassisch zugleich. Mein Konzept für die Versalien war speziell: Alle Horizontalen habe ich­ dick, alle Vertikalen dünn gezeichnet. Das war eine Frage der Konsequenz. Das Verdicken der­­ Horizontalstriche war jedoch nur bei den Versalien möglich, bei den beiden Gemeinen a und e mit den kleinen Innenräumen hingegen nicht /16/. Im Gegensatz zu meinem Entwurf hat­ ten­ die bestehenden Italienne-Versionen nur verdickte Serifen und Bogen, die Querstriche sel­ ber waren stets dünn gehalten. Werner Schimpf, Leiter der Schriftenabteilung bei Linotype, der ­immer detaillierte Anmerkungen zu den Reinzeichnungen machte, notierte zu einem späte­ren Zeitpunkt auch prompt: «H – Querstrich zu fett?»1 Doch meine Idee war, mit den ­betonten Quer­ strichen das horizontale Band der Kleinbuchstaben weiterzuführen /16/. Durch die konsequente Strichführung und die runden Serifenübergänge entwickelte ich langsam einen Gegen­entwurf zu­ den bisherigen Italienne. Eines ist dabei typisch für mich: Ich schaute vorher nicht, was andere ge­macht haben. Ich zeichnete einfach, wie ich es eben ­wollte. In dieser Phase des schrift­ ge­stalterischen Prozesses war ich immer ganz eingeschlossen in mir selbst. Trotzdem hatte ich­ natürlich das Bild der Italienne in meinem Kopf. Der Name ‹Westside› stammte von mir. Die Schrift war Teil eines Gesamtpakets, bestehend aus vier Abwand­lungen: Das Konzept hatte vorgesehen, dass neben der Westside noch die Ver­ sionen ‹Eastside› und ‹Gothic F› sowie einige ‹Fancy›-Schriften realisiert werden sollten. Die dicken Serifen reiz­ten mich, etwas Spiele­risches zu machen. Ich lieferte mit der Westside die 346

AKZ I D E N Z sch R I FT

Das Konsequente in der Westside Adrian Frutiger gestaltet mit der Westside eine serifenbetonte Schrift der­­ Untergruppe Italienne. Allgemein sind die Italienne wie auch der verzierte Typus Toscanienne als so­ genann­te­ Western-Schriften bekannt 2 – eine Schriftart, die 1989 bei Linotype in der Mergenthaler Schriftenbibliothek eigent­ lich­ nicht vorkommt. Einzig Robert Harling’s Playbill von 1938 ist enthalten /09/. Für einen Schriftenhersteller mit Standort in den USA mag dies erstaunen, durch die ursprüngliche Ausrichtung auf Werksatzschriften lässt sich das jedoch erklären. Im Gespräch betont Adrian Frutiger seinen Ansatz einer konsequenten Strichführung. Alle horizontalen Partien der Buchstaben sind fett gehalten. Einzig die Quer­balken der Minus­keln a und e sind fein. Diese Balken zu be­tonen, kommt aus zweierlei Gründen nicht in Frage. Einer­seits lassen die kleinen Innenräume einen fetten Strich nicht zu, andererseits, und viel wichtiger, würden die hori­zon­ ta­­­­­len Bänder von Schriftlinie und x-Höhe dadurch ge­stört /16/. Es ist denn auch diese Bänderwirkung, die Fruti­ger vor allem anstrebt. Aus diesem Grund schafft er bei den unten zusammenlaufenden Diagonalen der Buchstaben  V W v w ebenfalls eine Verdickung.3 Selbst im y er­scheint diese, wenn auch zurückgenommen /15/. Zudem leiten die fet­ten Querstriche bei A B E F G H P R S das Band der x-Höhe weiter, jedoch etwas nach unten versetzt, da die optische Mit­te der Majuskeln tiefer liegt als die x-Höhe. Je einen weiteren Streifen bilden schliess­­­lich die Oberund­ Unterlängen, so dass diese vier Streifen das von Fru­ tiger er­wähnte Webmuster ergeben /16/. Adrian Frutiger nimmt bei seiner Umsetzung in Kauf, dass jene Majuskeln, welche keinen fetten Mittelstrich haben, deutlich heller er­scheinen /13/, wodurch in Versalwörtern kein harmonisches Schriftbild entsteht /10/. Dies gelingt aber auch bei anderen Italienne-Schriften selten, da dort oft bei den Diagonalbuchstaben helle Stellen am Kopf oder Fuss entstehen /09/. Das Konzept der Westside als Grundschrift mit Erweite­ rungen durch zusätzliche Serifenformen hätte vielleicht Erfolg gehabt, denn 1990 bringt Adobe einige Western­ Schriften heraus,4 welche Aufmerksamkeit erregen /12/. Zu Adrian Frutiger’s Varianten ‹Eastside›, ‹Gothic F› und ‹Fancy›-Schriften sind kaum Angaben vor­handen. Einzig ein Schreiben mit den erwähnten Versionen und ein Ent­ wurf einer englischen Latin /06/ sowie eine Skizze mit sechs Toscanien­ne-Varianten /07/ sind erhalten.5

/01/

H der Westside mit Digitalisierungspunkten und Dicktenangabe –  Reinzeichnung mit Bleistift auf  Transparentpapier (Originalgrösse).

/02/

Von Adrian Frutiger speziell für  die Westside gefertigte Schablone  zur Reinzeichnung identischer  Serifenübergänge.



WEsTsIDE

347

/03/

Von Adrian Frutiger zusammengestelltes Blatt verschiedenster  Arten von Zierschriften, darunter  eine Vielzahl von Toscanienne.

/04/

Schriftentwurf ‹Ritual› von 1980  mit Bezug zur Breughel sowie durch  die feinen Vertikalen und die  betonten Horizontalen zur Westside.

/05/

Undatierter Entwurf zur  Westside – die 1989 realisierte Form  weist etwa eine 30 % schmälere  Proportion auf. /06/

Undatierter Entwurf einer  Variante zur Westside im Stil einer  serifenbetonten englischen  Latin mit sehr kräftigen Serifen.

/07/

Adrian Frutiger’s Konzeption  beinhaltet Erweiterungen  der Grund version Westside durch  Variationen der Serifenformen.

348

AKZ I D E N Z sch R I FT

Die Untergruppe Italienne Bei den Italienne han­delt es sich um eine Untergruppe der serifenbetonten Schrif­ ten.­ Diese Akzidenz- und insbesondere Plakatschriften entstehen, wie auch die Egyptienne, im frühen 19. Jahrhun­ dert in Eng­land.6 Das ungewöhnliche Prinzip der über­­ höhten ­horizon­talen gegen­über den feineren ver­ti­kalen Partien hat einzig in der italienischen ­Rustica des 4./5. Jahr­ hunderts einen historischen Vorläufer (siehe Seite 387). Ob mit der Be­­zeich­nung Italienne dieser Be­zug geschaffen werden sollte, bleibt offen. Allgemein wird ein historisch-formaler Bezug verneint, zumal die­ser auch bei den an­de­ren Untergrup­pen wie Egyptienne und Toscanienne nicht vorhanden scheint.7 Die Italienne lassen sich gemäss František Muzika in zwei Gruppen unterteilen.8 Bei der jüngeren Form weisen nur die Kopf- und Fusspartie der Buchstaben eine Betonung auf /08/, bei der älteren Form findet sich bei den Majuskeln mit drei horizontalen Strichen wie B und R im Mittel­ strich eben­falls eine Betonung /08/. Die Westside /10/ ge­hört somit zur älteren Form. Keine Rolle bei der Eintei­ lung spielt, ob der Serifenübergang eckig oder gerundet ist.9 Diesen Unterschied hingegen macht Rob Kelly.10 Hans Rudolf Bosshard teilt die serifenbetonten Schriften in fünf Untergruppen ein: Egyptienne11, ohne Kehlung des­ Serifenübergangs; Clarendon, mit Kehlung; Italien­ne,­ überhöhte, fette Serifen gegenüber dünneren Schäften; Renaissance (Latine), dreieckige Serifen, und ­Toscanien­ne, gespaltene Serifen /11/.12

­Grundversion und Linotype wollte dann selbständig jeweils nur die Serifenformen ändern. Dazu kam es aber nicht. Es ist ja doch eine grosse Investition, eine ganze Schrift mit 120 Zeichen zu realisieren. Leider hatte die Westside zudem nur wenig Erfolg – ganz im Gegensatz zu unserer­ Annahme. Neben den rund zweitausend sehr freien Fantasieschriften der Achtzigerjahre war sie viel­leicht zu brav. Die Westside wird meistens gar nicht mit mir in Verbindung gebracht, dabei hatte ich eine­ riesige Freude daran, sie zu zeichnen. Einerseits war es ein grosser Spass, andererseits doch­ ernsthaft in dem Sinne, dass in den Einzelheiten alles perfekt ausgeführt werden musste.­ An ein paar Details gibt es rückblickend doch etwas auszusetzen: Das Versal-G geriet mir etwas­ zu schmal /13/. Das C wirkt breiter, offener, das Versal-O ebenfalls – das G könnte also leicht weiter laufen, schliesslich galt es nicht, alle Buchstaben gleich breit zu zeichnen. Ein wenig irritierend ist möglicherweise, dass Buchstaben wie K L M N – verglichen mit E F G H – deutlich heller erscheinen, da sie keine Betonung im Mittelteil aufweisen /13/. Kritisieren kann man viel­ leicht die sehr grossen i- und j-Punkte /10/; die Lesbarkeit wird dadurch nicht gerade verbessert.­ Aber auch dieses Merkmal ist aus der Konsequenz der dunklen horizontalen Bänder entstanden­ /16/. Ein Wort wie ‹Pourquoi› /14/ sieht denn auch gar nicht schlecht aus, weil es hier durch die fehlenden Ober­längen um den Punkt herum genügend Weissraum gibt. Die Arbeit an der Westside ging insgesamt zügig vonstatten.13 Gemacht habe ich es wie meis­­tens: Für die Reinzeichnungen schnitt ich erst die Schablonen und feilte mit Schmirgel­ papier deren Rundungen /02/, mit dem Zeichnen ging es dann ruck, zuck! Danach kamen die Än­derungsvorschläge von Werner Schimpf sowie das letzte reinzeichnerische Feilen an den einzelnen Formen. 1989 erschien die Westside. Sie ist eine sehr konsequente Schrift.

/08/

/09/

/10/

Italienne des 19. Jahrhunderts –   die ältere Form (oben) weist fette Querbalken auf, die jüngere Form (unten) bleibt in der Mitte fein.

Unterschiedliche Gestaltung   der Kopf- und Fusspartie bei den Diagonalbuchstaben A und W – P. T. Barnum, Playbill, Figaro (v. l.n.r.).

Mit den fetten Querbalken gehört die Westside zur älteren Italienne – die Kopf- und die Fusspartie   sind konsequent fett gehalten.

WANTED WANTED WANTED WANTED wildwest wildwest wildwest wildwest /11/

/12/

/13/

Die serifenbetonten Akzidenz­ schriften können gemäss ihrer Serifenform in die nachfolgenden fünf Gruppen unterteilt werden.

Westernschriften von Adobe Anfang der 1990er Jahre – die Vorlagen stammen aus Rob Roy Kelly’s Buch ‹American Wood Type: 1828–1900›.

Die Majuskeln der Westside sind in zwei Gruppen zu unterscheiden: mit fetter Mittepartie (oben) und mit feiner Mittepartie (unten).

COTTONWOOD IRONWOOD PONDEROSA  CLARENDON JUNIPER MESQUITE ROSEWOOD  ITALIENNE

 EGYPTIENNE

 TOSCANIENNE

ABEFGHPRS CKLMNOTZ

/14/

/15/

/16/

Italienne-Schriften gibt es von eng bis breit – die Westside erhält durch elektronisches Verbreitern auf   200 % eine ganz andere Anmutung.

Die zulaufenden Linien in den Diagonalbuchstaben weisen eine Betonung auf, das A wird mit   einer einseitigen Serife versehen.

Durch die betonten Partien bilden sich vier horizontale Streifen –   mit der Vertikalität der Westside entsteht eine Art Webmuster.

AVWvwy Pourquoi Pourquoi

ae bghipsv W e s t s ide

349

THE END

/17/

Entwurf zu einem möglichen Filmende, gestaltet in der Westside – das Fehlen fetter Querbalken kann gestalterisch auch anregen.

Schriftenvergleich Ende der 1980er Jahre erobern die Personal Computer ihren Platz bei den Gestaltern und­ Typografen und es werden Schriften diverser Hersteller für die noch junge ­Technologie des Desktop Publishing verfügbar gemacht. Trotzdem be­steht zu dieser Zeit auf den PCs ein Mangel an bekannten Schriften, aber­ auch eine grosse Vorfreude auf neue Schriften. Für die Schrift­ ­herstel­ler bieten die neuen – von der Hardware, jedoch noch nicht vom Betriebs­system un­abhän­gi­gen – Schrift­ formate die Mög­lich­keit, Schriften für einen weitaus grös­ ­­seren Anwender­kreis zu produzie­ren.14 Dadurch kön­nen auch Schriften herausgegeben werden, welche für redu­ zierte Anwen­dungs­bereiche gedacht sind oder kurzlebi­ gen Mode­strömungen folgen. Bis Mitte der 1990er Jahre entsteht eine auffällig hohe Zahl an so genannten Western-Schriften. Neben einigen, meist dekorativen Majuskelalphabeten von ­Adobe /12/ weisen drei andere Schriften jener Zeit Minus­keln auf: die ­West­side, die Buffalo Gal und die Wanted /18/. Ge­ mein­­sam sind ihnen zudem die überhöh­ten Se­ri­fen und der schmale Duk­tus. Während bei der Westside die Band­ wirkung betont wird, erzeugt die Buffalo Gal mit den für eine Toscanienne typischen doppelseitigen Spitzen in den ­Abstrichen eine zusätzliche feine hori­zontale Linie. Die traditionellste und gleich­zei­tig ‹modernste› Fassung des historischen Erbes schafft Letra­set mit der Wanted, indem Robert Harling’s Schrift Playbill als abgenutzte Holzschrift imitiert wird.

/18/

Der Westside und Buffalo Gal liegen strenge Konzepte zugrunde, während die Wanted eher das zufällig Entstandene vermitteln will.

Hofstainberg Westside Adrian Frutiger 1989

A Q S a g w y 3 6 A Einseitige Kopf­­serife, betonter Querbalken

Hofstainberg Buffalo Gal Thomas A. Rickner 1994

Hofstainberg Wanted (Playbill) Esselte Letraset (Robert Harling) 1995 (1938)

350

AKZ I D E N Z sch R I FT

Q Schweif in der Mitte vertikal angesetzt

S Diagonalstrich betont, beinahe horizontal

a breitwirkende Kopfpartie, Bogenmündung horizontal

g einschlaufige Form

w Schriftlinie betont durch rechteckige Sockel

y Kelch angefüllt, Unterlänge vertikal angesetzt

36 Bogenformen schliessend bzw. offen

A Q S a g w y 3 6

A Q S a g w y 3 6

Font-Herstellung : Digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Westside ™ Linotype 1 Schriftschnitt

Ebenfalls erhältlich : TrueType

A B C D E F G H I J K L M N   O P Q R S T U V W X Y Z &   a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t  uvwxyzß1234567890

Pourquoi tant d’Alp

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  Æ Œ ¥ $ £ € 1234567890 å b ç d é f g h i j  k l m ñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  fi fl æ œ ø ł ð [ . , : ; ·’/- – —] (¿¡“«‹›»”!?) { § ° % @ ‰ * † }  Regular

 habets différents! Tous s  ervent au même but, mais aussi à

 exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères! Sie fragen sich, w­arum es notwend ig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum sel

ben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weink  arte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many di  fferent type­­faces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for ty  pefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de  l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous éta  ient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie di  enen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie bei  m Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selb  en Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gle  ichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different typefa  81 pt | – 20

63 pt | –10

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12.5 pt | 13.2 pt | 20

9.5 pt | 10.2 pt | 30

7 pt | 8 pt | 50 W e s t s ide

351

Schriftname Vectora

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1988 | 1991

Satztechnik Lasersatz Digitalsatz PostScript

Hersteller – Linotype – Adobe | Linotype 

Schnitte 4 8

V E CTO RA Der Anstoss zur Vectora kam aus zwei Richtungen. Zum einen machte ich mir Gedanken über die­ damaligen Trends, denn ich sah die Einladungskarte zur ATypI-Konferenz 1988, gesetzt in der­ Trade Gothic. Die Zeit der glatten Groteskschriften schien für Grafikdesigner vorbei zu sein.­ Meine Gedanken gingen von der gerade fertiggestellten, geometrischen Avenir zu den American Gothics über. Ich machte eine Skizze, wie eine News Gothic in einem neuen Gewand aussehen könnte /06/. Zum anderen gab es eine Anfrage der Schweizerischen Volksbank. Sie wollten eine neue Unternehmensschrift und konnten sich nicht zwischen Helvetica und ­Univers entschei­ den­ – die Konkurrenz hatte auf die Futura umgestellt. Ich machte ihnen den Vorschlag, etwas in Richtung News Gothic /04/ zu suchen und fertigte eine weitere Skizze /07/. Den ersten Entwurf em­pfand ich als zuwenig passend; eine Bank hat etwas Hartes, da geht es um Pro­­zente sowie Dividenden und nicht um Literatur oder Musik. Aus der Schriftberatung ging schluss­endlich kein Auftrag hervor, aber aus den Überlegungen dazu entstand mit der Vectora meine letzte Schriftfamilie. Ich dachte bei der Konzeption dieser Schrift an die klein gesetzten Inserate in den Zeitun­ gen, an die Idee der ‹Classified News›, die mich schon immer sehr beeindruckt hatte. Morris Fuller Benton schuf mit der Franklin Gothic /04/ eine wichtige lesefreundliche Schrift. Und bei mir steht ja immer der Mensch im Vordergrund. Die Frage ist doch: Kann man eine Schrift lesen? Ich sah alte Leute mit dicken Brillengläsern mühsam Fahrpläne entziffern. Oder den Geschäfts­mann in der Zeitung die Börsenkurse studieren, meist in einer Grösse von 5 pt oder noch klei­ner. Für solch unterschiedliche Bedürfnisse machte ich die Vectora. Die American Gothics zeichnen sich durch den angesetzten Einlauf der Rundungen in den­ Stamm aus – knorrige Äste, die wie Balken ineinander hineingesetzt sind. Sie sind einfach in klei­nen Graden besser erkennbar als eine Rundung. Das habe ich für die Vectora ­übernommen. Speziell an der Vectora ist die hohe x-Höhe. Sie ist auch bei den American Gothics zu fin­­den, hier­ aber ist sie angelehnt an die x-Höhe der Antique Olive von Roger Excoffon /11/. Schon da­ mals, als er sie entwarf, diskutierte ich mit ihm über die Proportion von x-Höhe zu ­Versalhöhe; wir­ haben uns immer offen unsere Entwürfe gezeigt. Die Antique Olive war etwas ganz Neuartiges, und ich sah mit Begeisterung, was Excoffon machte. Ich betrachtete die Antique Olive immer als sehr schönen und auch gewagten Wurf. Durch die sehr hohe x-Höhe entstand bei der­ Vectora ein Problem: Ich musste die Querstriche von f und t herabsetzen. Hätte ich den horizontalen Strich beim f auf der x-Höhe plat­ziert, wäre die obere Punze des f zu klein gewor­ den /08/. Verbindungen wie rt oder tz wirken nun aber etwas unruhig /10/. Tatsächlich waren mir­ solche Verbindungen damals komplett egal, sie sind ohnehin nicht besonders häufig, und in­ kleinen Graden, wie zum Beispiel dem Satz in Telefonbüchern, stören sie mich nicht. Die Oberlängen der Gemeinen habe ich leicht höher gezogen als die Versalien /11/, stärker wollte ich es nicht machen – bei kompressem Satz kann so etwas problematisch werden, wenn 352

W E R K S AT Z s c h R I F T

Allgemeines zur Vectora Die Namensgebung der von­ den American Gothics 1 abgeleiteten Schrift Adrian Fruti­ ger’s bedarf einiger Abklärungen. Von Frutiger 1988 im Entwurf als ‹Relief› bezeich­net, ist die­ser Name im Engli­ schen nicht optimal.2 Adrian Frutiger macht 13 Vor­schläge, darunter seine Favoriten ‹Raster Gothic›, ‹­Delta­ Gothic›­ und ‹Grid›.3 In einem ‹Internal Memorandum› von­ Lino­ type werden sein erster und dritter Vorschlag auf­­­ge­nom­ men­ und drei weitere Namen hinzugefügt.4 Auch­­ un­­ter diesen findet sich keine Lösung, denn ein­­­ zu­­­­sätz­­liches Problem erscheint in Form des Pa­­­tent­­amtes, wel­ches kein Warenzeichen für Schriften mit dem Zusatz ‹Gothic› eintragen will.5 Von Linotype kommt schliess­lich der Vor­ schlag ‹Vektora› (anfänglich noch mit k ge­­schrie­ben) mit der Begründung: «… angelehnt an den geo­­me­tri­­­schen­ Vektor, der meist als mathematische Beschreibung für Grösse und Richtung einer physikali­schen­ Eigen­­schaft verwendet wird, zum Beispiel der Ge­schwindigkeit oder der Kraft.» 6 1991 erscheint sie dann als Vectora. Während der Arbeit an der ‹Relief› äussert Otmar Hoe­fer den Wunsch, sie so zu zeichnen, dass sie eine Einheit mit der Linotype Centennial bildet. Für Adrian Frutiger ist «dieser Gedanke nicht durchführbar, da eines der we­sent­ lichsten Merkmale der ‹Relief› die sehr hohe x-Höhe ist».7 ­Er konzipiert seine Schrift für den Bereich der ‹Classified News›, worunter er konsultative Texte in Zeitun­gen ver­ steht, zum Beispiel Programmhinweise oder Börsenkur­se, aber auch den Satz von Kleinanzeigen. Sind in den ersten Probe­belich­tungen die Querbalken von­ f und t noch auf x-Hö­he angebracht, setzt Frutiger die­se im Lauf der Arbeit nach unten /08/. Reinhard Haus, künstlerischer Leiter der Linotype-Hell AG, unternimmt einen Versuch, die Ver­­salhöhe auf gleiche Höhe wie die Oberlängen zu bringen /08/, was jedoch nicht zur Ausfüh­ rung kommt. Der geplante Fettenumfang der Schriftschnitte 45 bis 85­ wird bald bis zur Fette 95 erweitert, da die Strichstärke 85 für Überschriften und Schlagzeilen zu leicht erscheint; schliesslich fällt die Stärke 85 weg. Adrian Frutiger erstellt danach Rein­zeich­nungen der Schnitte 45 und 95, die beiden da­­zwischenliegenden Schnitte 55 und 75 werden interpoliert.­ Die Schrift exis­tiert von Beginn an für Laser­und Di­gital­satz (PostScript); für Laser­satz allerdings – wie die Ave­­nir auch – ohne Oblique-Schnitte. Dafür enthält die Vectora im Laser­satz in allen vier Schnitten Kapitäl­ chen und Minuskelziffern /01/.

/01/

Einband und Innenseite der ‹LinoTypeCollection› von 1992 – die Vectora enthält im Lasersatz Minuskelziffern und Kapitälchen.

/02/

Satzmuster der Vectora im Lasersatz von 1991 – in den Groteskschriften sind zu dieser Zeit Kapitälchen und Minuskelziffern noch selten.



V e c to ra

353

Unter- und Oberlängen zusammenstossen. Aus diesem Grund habe ich auch die Ziffern auf Ver­salhöhe gezeichnet. In Konsultationswerken wie Telefonbüchern /17/ und Fahrplä­nen sind die Ziffern die wichtigsten Zeichen. Ihre Formen sind bei der Vectora offen und unverwechsel­ bar,­ mit einer geraden Diagonale bei 6 und 9 /14/ und einem Kreuz bei der 8 /15/. Etwas ver­wun­ dert­ bin ich über den Abstrich der 1, der nicht leicht schräg nach rechts geneigt, sondern ge­ ra­­de­ ist, so dass die Ziffer etwas nach links zu kippen scheint /12/. Nie in der Welt ­hätte ich aber­ bei der 1 eine Serife gemacht, auch wenn diese den Raum etwas füllt. Ganz bewusst habe ich hingegen für die Vectora das klassische g gewählt /08/, weil es in kleinen Graden viel besser lesbar ist als die einfach ge­schlauf­te Form. Wenn das Auge über eine Zeile fliesst, ist ein zweischlaufiges g ein Merk­mal, eine Lese­­hilfe. Ich unterscheide da ganz deutlich zwischen einer Signalisations- und einer Buch­schrift. Man könnte natürlich sagen, das klassische g sei gleichfalls ein Signal. Aber wenn ich an die Häufigkeit des Vorkommens vom g denke und an das Ge­samtbild, was sich ergibt, wä­­re ein klassisches g in einer Signalisationsschrift in diesem Sinne keine direkte Lesehilfe. Für den Lasersatz entwarf ich damals zusätzlich Kapitälchen und Mediävalziffern. Damit wollte ich zeigen, dass die Vectora nicht nur eine Schrift für ‹Classified News› ist, sondern dass­ sie sich auch für den Akzidenzsatz eignet, also für die Einladung ins Konzert ebenso wie fürs Telefonbuch /02/. Man hat sie aber in den Digitalsatz nicht übernommen. Der Arbeitsname der Vectora war ‹Relief›, ich schlug neben anderen auch ‹Raster Gothic› vor. Der endgültige Name kam von Linotype. Ein Vektor war für mich eigentlich etwas Häss­ liches;­ aber Vectora klingt einfach gut, das hat etwas Mathematisches, Modernes; ich finde den Namen passend. Die Schrift erschien 1991. Ihre Vermarktung lief, soweit ich weiss, nicht

/03/

Englische Grotesque um 1876 von Stephenson Blake, Schelter Grotesk 1880 von Schelter und Giesecke, Akzidenz Grotesk 1909 von Berthold, beide aus Deutschland (v.o.n.u.).

Schelter Grotesk

/06/

Ein undatierter Entwurf zur Vectora weist taillierte Abstriche auf und die Bogen von a und e enden fast vertikal.

/04/

American Gothics (v. o. n. u.): Franklin Gothic 1902, News Gothic 1908, Lightline Gothic 1908, Bell Gothic 1938, Trade Gothic 1948.

Franklin Gothic News Gothic

Lightline Gothic B   ell Gothic Trade Gothic /05/

/07/

Die serifenlosen Schriften des 19. Jahr­hunderts haben gewöhnlich die doppel­schlaufige g-Form: Grotesque, Schelter Grotesk – anders die Akzidenz Grotesk (v. l.n.r.).

Undatierter Entwurf von Adrian Frutiger für die Schweizerische Volksbank – die Schrift orientiert sich an der News Gothic.

g

354

W E R K S AT Z s c h R I F T

American Gothics als Basis Neben Frederic W. Goudy­ gilt Morris Fuller Benton als der wichtigste amerikani­sche­ Schriftgestalter der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vier Jahre nach dem Zusammenschluss von 23 amerika­ nischen Schriftgiessereien zur American Type Founders Company tritt er 1896 als Assistent seines Vaters Linn Boyd Benton in die Zentrale der ATF New Jersey ein.8 In der Folge entwirft er rund 200 Schriftgarnituren 9 und prägt­ einen bedeutenden Grotesktypus, die American Gothics. 1902 erscheint die fette Franklin Gothic, 1903 die schmalfette Alternate Gothic, 1908 in normaler Strich­ stärke die News Gothic und im selben Jahr die magere Lightline Gothic. Zusammen bilden sie eine Art Schrift­ familie /04/, was bei den digitalen Versionen ITC Franklin Gothic und News Gothic nicht mehr nachvollziehbar ist, sind doch beide zu eigenständigen Schriftfamilien aus­ gebaut worden. Weitere bekannte Schriften sind die Bell Gothic /04/, 1938 von Chauncey H. Griffith bei Mer­gen­­ tha­ler Lino­type für die Telefonbücher der amerikani­schen Tele­fongesellschaft AT & T geschaffen, und von Jackson Burke die 1948 für denselben Schriften­­hersteller realisier­ te Trade Gothic /04/. Die Franklin Gothic besitzt wie die Grotesque von 1876 der englischen Schriftgiesserei Stephenson Blake einen gut erkennbaren Strichkontrast /03/, sie weist aber auch stilprägende Unterschiede auf. Bei den American Gothics ist die Anlage der Schrift schmaler und die Bogen münden eckig oder allenfalls mit sehr kleinem Radius ge­­rundet in

den Stamm. Die deutschen Groteskschriften des 19. Jahr­ hunderts, wie die Schelter Grotesk 1870 bzw. 1880 und die Akzidenz Grotesk 1898 bzw. 1909 /03/, besitzen anders als die englischen und amerikanischen auch in den fetten Schnit­ten kaum Strichkontrast. Zu den englischen sind aber die runden Bogenmündungen gleichartig. Ein Merkmal der American Gothics ist zu­­dem die doppel­ schlaufige g-Form. Im 19. Jahrhundert ist es die generell übliche Form und kein geografisches Unterscheidungs­ merkmal zwischen amerikanischer und deut­scher Schrift, wie die Schelter Grotesk aufzeigt. Die einfachere g-Form der jüngeren Akzidenz Grotesk kann somit als Moderni­ sierung gesehen werden /05/. Die Beliebtheit der American Gothics basiert auf ihrem schmalen, ökonomischen und dennoch gut lesbaren Duk­ ­tus. Dazu trägt die hohe x-Höhe bei /11/. Gerade in den kleinen Graden ist dies ein Vorteil. Der Franzose Roger Excoffon mit der Antique Olive und Adrian Frutiger mit der Vectora heben die x-Höhe nochmals stark an, was beim Minuskel-f zu einer sehr kleinen Punze führt. Roger Ex­­coffon löst diese Problematik 1966, indem er einerseits die Ober­­länge über die Versalhöhe hinaus verlängert und andererseits den Querbalken des f unterhalb der x-Höhe platziert. Adrian Frutiger greift ebenfalls zu diesen Mass­ nahmen, setzt jedoch aus Gründen der Konsequenz zu­­ sätzlich den Bal­ken des t nach unten. Ein Eingriff, der die Unruhe im Schriftbild stark erhöht, besonders in Kombi­ natio­nen mit r und z /10/.

so gut. Die Leute vom Marketing haben den Grundgedanken nicht gesehen. Ihre Qualitäten wurden zu wenig hervorgehoben. Man hätte bei ihrer Vorstellung stärker die Leser anpeilen müssen, für die eine solche Schrift nützlich und hilfreich ist. Es gab auch keinerlei oder kaum Prospektmaterial. Inzwischen sieht man sie häufiger, zum Beispiel in Nachschlagewerken und auch im Tabellensatz einiger Tageszeitungen. 2001 entwickelten Kurt Wälti und ich aus der Vectora einen Logo-Entwurf für das Zentrum Paul Klee in Bern /16/. Während vieler Jahre war Wälti bei der Schweizer Post für die Beschriftungen zuständig. Als Grundlage für das Museums-Logo sollte der Name Paul Klee stehen. Wir sprachen über das bildnerische Schaffen des Künstlers, und bald fiel der Be­­griff ‹Spielen›. Be­ trachtet man Klee’s Werk, hat man das Gefühl, er habe irgendwie immer gerne ge­spielt, so ernst sein Werk auch ist. Klee ist ganz nah bei der Kinderzeichnung, bei der Vereinfachung. Es fiel das­ Wort ‹Tütschi›, wie ­das Puzzle auf Berndeutsch heisst, und da war mir klar, die passende Schrift für das Logo musste wie ein Puzzle aussehen, wie aus Einzelstücken zusammengesetzt. Und­ dafür eignete sich die Vectora, weil sie angesetzte Einläufe in den Stamm hat und somit eine meiner wenigen Schriften ist, bei der man Lücken setzen kann, ohne dass es den Buchstaben weh tut. Der anfängliche Entwurf mit der ganz leichten Taillierung in den Abstrichen wäre eine interessante Schrift gewesen /06/. Sie ist nicht so glatt, es kommt etwas Weiches hinein. Wenn ich­ jetzt jünger wäre, wäre es schön, so etwas auszuarbeiten, mit der heute möglichen hohen Auf­lösung … Ich möchte sagen, dass die Vectora vielleicht die Schrift ist, bei der ich am wenigs­ ten­ ­erfunden habe, weil ja die Franklin Gothic, News Gothic oder Trade Gothic ihre Lesbarkeit bereits bewiesen hatten.

/08/

/09/

‹Relief›-Probe, Querbalken bei f t auf   x-Höhe, einfache g-Form, höhere Oberlängen; ‹Version RH› mit höherem Versal-H; Vectora 45 (v.o.n.u.).

Nicht ausgeführter Schnitt 85  der ‹Relief›-Probe von 1989 (Mitte) zwischen der Vectora 75 (oben) und 95 (unten).

Hamburgefonstiv Hamburgefonstiv

Hamburgefonstiv

/10/

/11/

Unterschiedliche Positionierungen   der Querbalken bei t und f –   News Gothic, Antique Olive und Vectora (v.o.n.u.).

Bereits die News Gothic weist   eine hohe x-Höhe auf, doch bei der Antique Olive und der Vectora ist sie nochmals deutlich angehoben.

Hlaep Hlaep Hlaep

Hirtzfeld H   irtzfeld

Hirtzfeld /12/

/13/

/14/

/15/

Typisch bei den American Gothics wie Bell Gothic und News Gothic ist die Fussserife bei der 1 – die Vectora hat diese nicht (v. l.n.r.).

Die Ziffer 3 der Bell Gothic hat   eine dynamische Form, die News Gothic und die Vectora haben eine statische Form (v. l.n.r.).

Die Bell Gothic (links) und die Vectora (rechts) weisen eine offene, diagonale Form der 6 auf,   die News Gothic ist geschlossener.

Bei der Bell Gothic bilden zwei   breite Ovale die Form der 8, bei der News Gothic und der Vectora   ist es die geschlaufte Form (v. l.n.r.).

66 6

888

11 1

33 3

V e c t o ra

355

Grösse und Wirkung einer Schrift Der Schriftgrad wird im Bleisatz durch den Schriftkegel, also durch den Bleiklotz, bestimmt. Er ist eine mit dem­ Typometer in Punkt (Cicero) messbare Grösse. Beim Digi­­talsatz dagegen ist die Kegelhöhe fiktiv. Sie ist nicht messbar, aber im kompressen Satz (z. B. 9 pt / 9 pt) ersicht­lich.­ Einen ungefähren, aber nicht verlässlichen An­­­halts­punkt für den Schriftgrad liefert die Distanz von der Ober­­­kante Oberlänge zur Unterkante Unterlänge /18/. Neben dem Schriftgrad ist einzig die Schrift- bzw. Basis­ linie normiert – die Versalhöhe, Oberlänge, x-Höhe und Unterlänge sind da­­gegen variabel. Entsprechend zeigen die­ Schrif­ten bei gleichem Schriftgrad sehr unterschiedliche Höhen /18/.Aus diesem Grund sind die Schriftmuster­ seiten des vorliegenden Buches jeweils in optisch gleich grosser Schrift gesetzt und nicht in gleicher Punktgrösse.­ Die Vectora wirkt durch ihre sehr hohe x-Höhe deutlich grösser als andere Schriften, grösser auch, als der an­­­­ge­ ge­bene Wert vermuten lässt. Sie ist daher im Muster­text (rechts) etwas kleiner gesetzt als zum Beispiel die Avenir in ihrem Muster­text (siehe Seite 339). Auch die Grösse des Formats, des Satzspiegels bzw. der Satzbreite verändert die Wahrnehmung des Schriftgrads. Kleine Formate, enge Ränder und  schmale Satzbrei­ten lassen eine Schrift etwas grösser er­­scheinen. ­Gross­­zü­gi­ger­ Umgebungsraum dagegen lässt die Schrift leicht klei­­­ner wirken /19/. Auch zu enge Laufweite bei kleinen Schriftgraden lässt die Schrift kleiner erscheinen.

/16/

Logoentwurf 2001 von Kurt Wälti und Adrian Frutiger für das Zentrum Paul Klee in Bern auf Basis der Vectora (nicht ausgeführt).

/17/

Schriften für kleine Schriftgrade – Bell Gothic 1938 von Chauncey H. Griffith, Bell Centennial 1978 von Matthew Carter, Vectora (v. l.n.r.). Reimgarthauser Oliver 273 11 46 Friaulbeerenstr. 68 – Elisabeth Maria Musikerin 561 38 20 Havannaweg 452 Reimstrasser Monika Grafikerin 121 67 98 Barbadosstr. 17 Reinbüchel Hannelore 669 43 72 Meeresblickstr. 793 – Bruno Hochbauzeichner 547 32 33 Holunderbachstr. 4 Reinzach Robert u. Veronica 785 90 12 Oranienburgstr. 96 Reinzmann Annarosa Visagistin 643 01 41 Brissagostr. 191 – Bastian Apotheker 532 83 38 Milanostr. 75 – Orlando Securitaswächter 989 68 23 St.Petersburg-Str. 240 Reinzmichel Borchert Franca 176 25 99 Buchsbaumgartenstr. 90 Reiores Sarah-Nina 340 24 47 Paradiesvogelallee 6

Reimgarthauser Oliver 273 11 46 Friaulbeerenstr. 68 – Elisabeth Maria Musikerin 561 38 20 Havannaweg 452 Reimstrasser Monika Grafikerin 121 67 98 Barbadosstr. 17 Reinbüchel Hannelore 669 43 72 Meeresblickstr. 793 – Bruno Hochbauzeichner 547 32 33 Holunderbachstr. 4 Reinzach Robert u. Veronica 785 90 12 Oranienburgstr. 96 Reinzmann Annarosa Visagistin 643 01 41 Brissagostr. 191 – Bastian Apotheker 532 83 38 Milanostr. 75 – Orlando Securitaswächter 989 68 23 St.Petersburg-Str. 240 Reinzmichel Borchert Franca 176 25 99 Buchsbaumgartenstr. 90 Reiores Sarah-Nina 340 24 47 Paradiesvogelallee 6

Reimgarthauser Oliver 273 11 46 Friaulbeerenstr. 68 – Elisabeth Maria Musikerin 561 38 20 Havannaweg 452 Reimstrasser Monika Grafikerin 121 67 98 Barbadosstr. 17 Reinbüchel Hannelore 669 43 72 Meeresblickstr. 793 – Bruno Hochbauzeichner 547 32 33 Holunderbachstr. 4 Reinzach Robert u. Veronica 785 90 12 Oranienburgstr. 96 Reinzmann Annarosa Visagistin 643 01 41 Brissagostr. 191 – Bastian Apotheker 532 83 38 Milanostr. 75 – Orlando Securitaswächter 989 68 23 St.Petersburg-Str. 240 Reinzmichel Borchert Franca 176 25 99 Buchsbaumgartenstr. 90 Reiores Sarah-Nina 340 24 47 Paradiesvogelallee 6

/18/

Durch die unterschiedliche x-Höhe wirken die Kabel, Avenir, Vectora im gleichen Schriftgrad (12 pt, 30 pt) ungleich gross (v.o.n.u.).

Schriftgrad Schriftgrad Schriftgrad

Schriftgrad Schriftgrad Schriftgrad /19/

Ein enges Umfeld lässt eine Schrift gegenüber dem gleichen Schriftgrad in einem grosszügigen Umfeld etwas grösser erscheinen.

Schriftgrad Schriftgrad

/20/

Blatt von Adrian Frutiger, welches die Beziehungen seiner Schriften zu anderen serifenlosen Schriften aufzeigt.

356

W E R K S AT Z s c h R I F T

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Vectora ™ Linotype 8 Schriftschnitte (+CE )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Com

 A B C D E F G H I J K L M N  O P Q R S T U V W X Y Z &  abcd e f g h i j kl m n o p q rs  t u v w x y z ß12 345678 9 0

Sie fragen sich

warum es notwendi g ist, so viele Schriften zur Ver fügung zu haben. Sie dienen alle zum selb

e   n, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt is t wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit se chzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleich wohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces.They all serve the same purpose but they express man’s diversi ty. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty d i­fferent Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from t he others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’h omme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un j our, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étai ent différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Ver f­ügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Me nschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. T hey all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the sam

63 pt | –5

45 pt | 0

30 pt | 10

21 pt | 15

13.5 pt | 19 pt | 20



e diversity we find in wine. I once saw a list of M­ édoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but eac­ h was different from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typeface­ s. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous ser vent au même but, mais aussi à exprimer la dive rsité de l’homme. C’est cette même diversité qu e nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai p u, un jour, relever soixante crus, tous ante crus,

9 pt | 13 pt | 35

6.8 pt | 10.2 pt | 40

5.4 pt | 8 pt | 50

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45 Light

46 Light Italic

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55 Roman

56 Italic

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75 Bold

76 Bold Italic V e c t o ra

357

Schriftenvergleich Die unten ge­­zeigten Schriften Corporate S von Kurt Weide­mann, Meta von Erik Spieker­ mann und ­Vectora von Adrian Frutiger werden Anfang der­ 1990er Jahre veröffentlicht. Gemein­sam ist ihnen die hohe bis sehr hohe x-Höhe und der eher schmale Duk­­tus. Sie treffen damit das Schriftempfinden der Zeit, geprägt auch durch die digitalen Adaptionen von Franklin Gothic und­ News Gothic /04/, welche 1987 bei Adobe / Linotype zu­ den ersten serifenlosen Schriften im PostScript-­Format­ gehören. Trotz Ähnlichkeiten mit den American Gothics gehören weder die Corporate S noch die Meta zu dieser Gruppe. Bei der Meta weisen die offenen Bogen zur dyna­mischen Sans Serif und bei der Corporate S liegt der Unter­­schied in­ den runden Bogenmündungen. Weide­mann’s Kon­zept einer Hausschrift entsteht 1984, zwei Jahre spä­ter bietet er Daimler-Benz die Corporate A·S·E an, worauf sie 1989 zur­ exklusiven Corporate Type des Konzerns wird.10 In­­zwi­ schen ist die Schrift­sippe frei erhältlich. Sie umfasst drei aufeinander abgestimmte Schrift­familien: Antiqua, Sans und Egyptienne. Anders als bei den American Gothics weist das G der drei Vergleichsschriften keinen Sporn auf und die Arme des K­ bilden einen Winkel. Bei der Meta und der Vectora ist zu­dem das t oben schräg angeschnitten. Zu Beginn ge­ staltet Frutiger sein g in der einfachen, von der Kursive ab­geleiteten Form /08/. Realisiert wird aber die für eine American Gothic typische doppelschlaufige Form.

/21/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Vectora.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.28 Hs = 1.28 Hq = 1.03

nh = 8.29 cm nw = 6.08 ns = 1.22 nq = 1.12

oh = 8.65 cm ow = 7.01 os = 1.30 oq = 0.99

Hh : Hw = 1 : 0.73 Hw : Hs = 1 : 0.17 Hs : Hq = 1 : 0.80

nh : nw = 1 : 0.73 nw : ns = 1 : 0.20 nh : oh = 1 : 1.04 nw : ow = 1 : 1.15

H no nq

Hq

Hh

nh

ns

Hs

oq

Hw

os

nw

ow

/22/

Statische Grotesk, dynamische Grotesk, statische Grotesk amerika­ nischer Prägung (v.o.n.u.) –   trotz differierender Subklassifikation sind Ähnlichkeiten vorhanden.

Hofstainberg Corporate S Kurt Weidemann 1990

Hofstainberg Meta+ Erik Spiekermann 1991

Hofstainberg Vectora Adrian Frutiger 1991

G K M e g h s16 G KM e g h s 16 G K M e g h s 16 G Querbalken vertikal geschnitten, Bogen endet diagonal

358

W E R K S AT Z s c h R I F T

K Winkel überlappt Stamm

M Schenkel vertikal, breite Proportion

e Bogen schliesst optisch die Form

g Ohr horizontal, Schlaufe mündet eckig in Diagonale

h eckige Mündung in Stamm, asymmetrischer Bogen

s Bogenende mit gleichem Winkel wie beim e

16 Diagonale der 1 ohne, der 6 mit Betonung, 1 ohne Fussserife

/23/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Geneigten.

Light Roman Bold Black Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00  10.00 10.00

Hw 6.85 = 0.94 7.28 = 1 8.08 = 1.11 8.78 = 1.21 7.24 = 0.99

Hs 0.88 = 0.69 1.28 = 1 2.09 = 1.63 2.74 = 2.14 1.25 = 0.98

Hq 0.72 = 0.70 1.03 = 1 1.59 = 1.54 2.05 = 1.99 1.09 = 1.06

HHHH  H

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  Æ Œ ¥ $ £ € 1   234567890 å b ç d é f g h i j  k l m ñ ô p q r š  t ü v w x y z ß  fiflæœøłð [ . , : ; · ’/ - – — ] ( ¿¡ “«‹ ›»”!?) { § ° % @ ‰* † } 

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95 Black

96 Black Italic

10.8°

/24/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unter- und Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

`-€ˆO

1.00

0 cm

0 cm

0 cm

−30

3.8

132 105 73

4.4

Corporate S 42.9 pt

10 −28

3.8

127 109 83

3.1

Meta+ 41.7 pt

HÔhxp7

1.00

4.4 10

)ÏIYQ

1.00

130 101 71

10 −26

3.1

Vectora 40.1 pt



V e c t o ra

359

Signete und Wortmarken

1   984    – 1990

Filatures Fulmen Fribourg Autobatterien / Kug­el­ lager / Transmissionen CH - Fribourg

Filatures Fulmen Fribourg Autobatterien / Kug­el­ lager / Transmissionen CH - Fribourg

Lyven Lebensmittelvertrieb F - Colombelles

Westiform Neonbeschriftungen CH - Niederwangen

Ministère des Finances Recherches Finanzministerium Frankreich

Ministère des Finances Recherches Service de l’Information Finanzministerium Frankreich

Ministère des Finances Recherches Finanzministerium Frankreich

Fonderie Lyonnaise Turbines Turbinenfabrikant F-Lyon

Blanchard Editeur Verleger F - Le Plessis-Robinson

Circuit Dijon-Prenois Motorsport-Rennstrecke F - Prenois

Frutiger Heimtextil Produktion und Handel von Haushaltstextilien CH - Interlaken

Johann Wolfgang GoetheUniversität D - Frankfurt am Main

Éditions de la Thièle Buchverlag CH - Yverdon

SEK – Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund Logo zum 75. Jubiläum Gestaltung: Kurt Wälti

Arguments Theologische Zeitschrift Frankreich Gestaltung: Bruno Pfäffli

Erdyn consultants Wissenschaftliche und technische Beratung F - Paris

NEC – Nippon Electric Company Elektronikkonzern J - Tokio Überarbeitung des bestehenden Signets

Lyven Lebensmittelvertrieb F - Colombelles

Compagnie Générale de Travaux de la Voirie Gesellschaft für Strassenbau Frankreich

360

Sig n ete U n d worTmar ke n

Schriftherstellung

D   igitalsatz

Während im Handsatz und maschinellen Bleisatz die Schrift als dreidimensionaler Körper vorhanden ist Herculanum und beim Fotosatz quasi zweidimensional als Schrift­ Seite 370 scheibe oder Grid, sind es inzwischen lediglich ge­­ Frutiger   speicherte Daten. Auch wenn beim OCR - und Laser­ Capitalis satz die Schriften ebenfalls digital vorliegen, wird hier Seite 380 der Begriff Digitalsatz für die Zeit ab 1984 verwendet, Pompeijana als mit dem Desktop Publishing (DTP) eine neue Ära Seite 384 beginnt. Ursprünglich für den Bürosektor gedacht, Rusticana setzt sich das Desktop Publishing rasant in der Druck­ Seite 390 Frutiger Stones ­vor­stufe durch. Frutiger Symbols Massgeblich beteiligt an der so genannten digitalen Seite 396 Revolution sind die drei Firmen mit A: der ComputerLinotype   Hersteller Apple Inc. mit dem Macintosh, der Maus Univers und der grafischen Be­­nut­zeroberfläche; Aldus Inc. Seite 110 mit dem Layoutprogramm PageMaker und Adobe Frutiger Next Systems Inc. mit der Seiten­be­schrei­­bungs­sprache Seite 259 PostScript. Dazu kommen Canon mit der Herstellung Avenir Next Seite 343 des Laserprinters und Linotype mit dem PostScriptRIP und dem hochauflösenden Laserbelichter Lino­ Nami Seite 402 tronic 300. Die auf dem Macintosh fest installierten Linotype Didot Seite 362

Schriften stammen von Linotype und der Internati­ onal Typeface Corporation ITC. Desktop Publishing, auch als ‹Druckerei auf dem Schreibtisch› bezeichnet, bietet die ­Voraussetzun­gen zum elektronischen Publizieren. Mit der grafi­schen Benutzeroberfläche werden nicht mehr wie bei den Satzgeräten nur Texte, sondern auch ge­­scann­­te Bil­ der und Grafiken am Personal Computer im Layout platziert. Sobald die Gestaltung einer Sei­­te beendet ist, kann sie über einen hochauflösenden Laserdruc­ ker bzw. Laserbelichter ausgegeben wer­den. Diese Ausgabemöglich­keiten innerhalb des DTP gehen auf die von Adobe entwic­kelte Sei­­ten­beschrei­bungs­ sprache PostScript zurück. Per­­fektioniert wird die Arbeitsweise mit den Möglichkeiten von ‹wysiwyg› (what you see is what you get) auf dem Bildschirm. Um diese sichtbaren Informatio­nen auf ein Ausgabe­ medium zu übertragen, wird ein ‹Raster Image Pro­ cessor› (RIP) benötigt, welcher die von der Seiten­ beschreibungssprache übertrage­nen Codes für den Laser­belichter umwandelt.

Für die Schriftgenerierung am Computer entstehen Pro­gram­­me wie Fontographer, FontStudio, Ikarus M, FontMaster und FontLab. PostScript-Schriften benötigen zwei Dateien, für die Bildschirmdarstel­lung ein Bitmap-File (ScreenFont) und für die Drucker­ausgabe ein Outline-File (Printer Font). Während die Konturbeschreibung eines Zei­ chens in den PostScript-Fonts in Bézier-Kurven er­­­ folgt /02/, sind es Q-splines im TrueType-Format von Apple und Microsoft /03/. Diese Datei ist sowohl für die Bildschirm- als auch für die Druckerdarstellung geeignet. Für die niedrige Auflösung des Monitors und des Laserprinters, insbesondere auch für kleine Schrift­­grade, wird jedoch ein Hinting benötigt, wel­ ches die Schrift ausgeglichener darstellt /04/. Das OpenType-Format von Adobe und Microsoft er­möglicht erstmals, die gleiche Schriftdatei für das Macintosh- und Windows-Betriebssystem zu verwen­ den. Zudem kann ein Font nun über 65 000 Glyphen enthalten und nicht mehr nur 256 wie bei PostScriptund TrueType-Fonts.

Frutiger Serif Seite 413 /01/

Verschiedene Arten von digitalisierter Schriftform – Entwurf, Bitmap-, Vertikallinien-, Vektor- und Horizontallinien-Beschreibung.

/02/

/03/

/04/

Bézier-Kurven des PostScript-Type-1Formats – ein Viertelkreis wird mit zwei Ankerpunkten und zwei Hanteln gebildet.

Q-splines des TrueType-Formats – ein Viertelkreis wird mit zwei Ankerpunkten und vier Verbindungspunkten gebildet.

Automatisch umgewandelte Outline-Zeichnung in Bitmap – ohne Hinting (oben), mit Hinting (unten).



sch R I FT h e r ste llu ng

361

Schriftname Linotype Didot

Auftraggeber Linotype-Hell AG

Gestalter Adrian Frutiger ( Firmin Didot )

Entwurf  | Herausgabe 1990 | 1991

Satztechnik Digitalsatz PostScript

Hersteller – Adobe | Linotype

Schnitte 6

LI NOTYPE

DI DOT Die Belichtungstechnik war Anfang der Neunzigerjahre so weit fortgeschritten, dass ich diese­ hoch­entwickelte Technik einmal bis ins Letzte ausreizen wollte.1 Ich überlegte mir, was das Schwierigste sei, das man machen könne, und kam auf die Didot. Mit ihrem extremen Kon­trast von­ den ultrafeinen Haarlinien zu den fetten Abstrichen war sie eine technische Heraus­forde­ rung­ – ein Grund, weswegen sie bis zu diesem Zeitpunkt nur im Blei existierte und fast völlig in­ Vergessenheit geraten war. An einem Type Selection Meeting wurde mein Vorschlag angenom­ men, und so liess ich mich vom angesehenen Buchhändler Paul Jammes 2 in Paris, dem wohl bes­ten Kenner des Werkes der Familie Didot, beraten und kaufte bei ihm ein Buch mit dem Titel­ ‹La Henriade› /01/. Dieses Buch ist aus der von Firmin Didot geschaffenen origi­nalen Didot­ gesetzt, und mit diesem wollte ich bei Linotype zeigen, wie schön diese Schrift ist. Es war 1819 ge­­druckt, und im Vorwort bestätigte Firmin Didot die Verwen­­dung der von ihm geschnittenen Let­tern, was als Beweis der Originalität wichtig war. Sie ist ein künstlerischer Höhepunkt im Schrift­schaffen der Fa­milie Didot und nicht nur technisch, sondern auch formal unerhört schön.­ Die Didot’s waren eine bedeutende Dynastie; von François, dem Vater, über dessen Söhne Fran­ çois­ Ambroise und Pierre François sowie deren Söhne Pierre und Firmin auf der einen sowie Henri und Saint-Léger auf der anderen Seite bis hin zu deren Erben waren alle erfolgreich im Schrift-­ und Druckgewerbe sowie in der Papierherstellung tätig. Ich möchte hier wiederholen, was ich einst über die Didot schrieb: «In der Ent­wick­lung der­ lateinischen Druckschrift kann die klassizistische Antiqua und vor allem die Spät­­form des­ von Firmin Didot gravierten Alphabetes als eine der markantesten formalen Neu­e­­run­­gen ge­­ wer­­­tet werden. Von Jenson zu Baskerville haben sich die Striche ver­feinert, aber ihr Duktus bleibt­ an der geschriebenen Form der Renaissance-Kalligrafie haften /04/. Bodoni und Didot ha­­ben die Strichabläufe bewusst vom schräg liegenden Einschlag der Breitfeder ent­fernt, in­­ dem­ sie An- und Abstriche, Serifen und Überläufe auf einem streng horizontal-verti­kalen Ras­­­ter aufgebaut haben. Diese Tendenz zu einem streng sachlichen Aufbau der Buch­­sta­ben ent­­sprach genau dem Zeitgeist der aufbrechenden Revolution am Ende des 18. Jahr­hunderts.» 3 Meine Idee war, die Didot ausgehend vom Original ‹La Henriade› neu zu interpretieren. Es­ gab ganz feine optische Anpassungen. Dabei habe ich versucht, nicht zu stark meine Hand hineinzubringen, wie man es mir ja bei der Adaption der Baskerville an den Lumitype-Fotosatz vorgeworfen hatte. Ich habe ein paar Details begradigt und die Schrift insgesamt etwas regel­ mässiger gemacht. Die Verkrümmungen einiger Linien in der gedruckten Vorlage /01/ schienen mir handwerklich bzw. technisch bedingt zu sein. Das lag in der Schriftenfertigung mit Stempel,­ Matrize und Typenguss, im Druckverfahren oder im Papier begründet. Das macht zwar trotz der­ Steifheit, welche die klassizistischen Schriften haben, ihre Lebendigkeit aus. Solche Sachen wollte ich nicht kopieren. Auf gar keinen Fall wollte ich die Schrift willentlich fehlerhaft machen.­ Das mag meiner Schrift den Vorwurf einbringen, sie sei zu glatt oder zu wenig lebendig, aber 362

W E R K S AT Z s c h R I F T

Die Entstehung der Linotype Didot Seit 1986 exis­tiert bei Linotype die Idee, eine Didot ins Programm auf­­zu­neh­men. Der Produktionsplan enthält unter «weitere­ Un­­ter­suchungen» eine ‹Firmin Didot› mit dem Vermerk «Test­font sollte erstellt werden».4 Die von Firmin Didot um­ 1800 geschaffenen Schriften gelten wegen ihres ein­ wandfreien Schnittes, des offenen Gesamtbilds und des aus­geprägten Gegen­satzes zwischen den feinen Haarund­ den fetten Grund­linien als schönste Didot-Schrif­ten und bilden oftmals die Ausgangsbasis für Nach­ah­mun­gen­ und Nachschnitte. Als die Teilnehmer des Type Selection Meetings vom 26. Ok­tober 1989 5 den Vorschlag zur Didot annehmen, ist­ die Zeit wohl einfach reif für diese Schrift, zumal bis da­hin ei­­ne solche auf den aktuellen Satzsys­temen und im DTP nicht zur Ver­fügung steht. Bei der Haas’schen Schrif­­t­gies­ serei 6 werden Didot-Schrif­ten von Deberny & Peignot /09/ als Vorlage zur Adap­tion angefor­dert, und im August 1990 stehen diese in gedruckter Form zur Verfü­gung.7 Ob je­doch die im Schriftmus­terbuch von De­ber­ny & Peignot ab­gebildeten Schriften Firmin Didot’s Origi­nal­e sind, ist nicht belegt.8 Adrian Frutiger lässt sich zusätzlich vom Buchhändler und Antiquar Paul Jammes in Paris be­­­­raten. Für Linotype kauft er bei ihm das in losen Blättern vorlie­ gende­ Buch ‹La Hen­riade›, gedruckt 1819 und ge­schrie­ ben von Voltaire 9, in dessen Vorwort Firmin Didot selbst den Gebrauch seiner Schrift bestätigt. Nach ersten Probezeichnungen wird das Projekt Di­dot nochmals auf die Möglichkeiten der Umsetzung geprüft. Dies geschieht durch Adrian Frutiger, Reinhard Haus, künst­leri­scher Lei­­ter von Linotype, und André Gürtler am 13. März 1991.10 André Gürtler schlägt ein drei­teili­ges Kon­ zept vor,­ wie die Didot zu realisieren sei.11 Adrian Frutiger findet die­­­­­ses­ zwar interessant, erachtet es jedoch aus Zeit- und Marke­tinggründen als nicht umsetzbar, was auch die Mei­­nung von­ Linotype ist. In der Folge wird am ursprüng­lichen Kon­­­zept, einer überarbeiteten Neuauf­ lage der Didot, festgehalten. Adrian Frutiger zeichnet auf der Basis von ‹La Henriade› den Ro­man- und den Italic-Schnitt; zusätzlich konzipiert er einen fetten Schnitt. Im Weiteren zeichnet er ausge­ hend von einer Schrift Didot’s aus dem Schriftbestand von De­­­­ber­­ny & Peignot eine Headline-Version. Auf dem ATypI-Kongress in Parma 1991 wird die Schrift in den 4 Schnitten­ Roman, Italic, Bold und Headline vorgestellt; heute umfasst sie 6 Schnitte.

/01/



L i n o t y p e D id o t

363

ich fand es grundfalsch, eine Verkrümmung ins L zu bringen, nur damit es so aussieht, als wäre­ der Stempel in die Matrize hineingeschlagen worden. Ich bin dankbar, dass ich während meiner­ Zeit bei Deberny &  Peignot in der Giesserei miterlebt habe, was das überhaupt heisst, Stempel zu­ schnei­den, Kup­fer­matrizen zu schlagen und Typen zu giessen. Hätte ich all die technischen Einflüsse mit ein­­beziehen sollen? Unsere Kopier-, Satz- und Druckmethoden sind doch heutzu­ tage ganz anders als die im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert üblichen. Der Ausgangspunkt war also das Ideal der klassizistischen Didot, nicht das unvollkommene Druckbild. André Gürtler, der als Berater beigezogen wurde, schlug ein dreiteiliges Konzept vor: eine originalgetreue Didot, dann eine zweite, für die heutige Zeit leicht überarbeitete Version, und eine­ dritte, bei der ausgehend vom Original eine neue klassizistische Antiqua zu entwickeln wäre, die mehrere Schnitte umfassen und zu einer grösseren Familie ausbaufähig sein würde. Dieser Vorschlag kam aber zu spät, das Projekt war schon zu weit fortgeschritten. Vertrieb und­ Marketing hätten wohl auch nicht mitgespielt. Ein Alphabet zu zeichnen und auszuführen, war eine grosse Investition, die gut überlegt sein musste. Also wurde die Linotype Didot, wie ursprünglich geplant, leicht überarbeitet und in vier Schnitten realisiert. Dass meine Anpassung gegenüber dem Original ausgewogener ist, sieht man am Versal-A, da habe ich in der Breite etwas dazugegeben, es ist aber immer noch leicht zu schmal /05/. Beim Versal-N links oben bei der Serife ist beim Original der Diagonalstrich bis zur Serife durchge­ zogen, während er in meiner Version beim Stamm abschliesst, welcher ein wenig nach rechts ver­setzt ist. Die rechte untere Spitze reicht überdies unter die Basislinie, so konnte ich den rech­ten Stamm etwas weiter nach rechts versetzen /05/. Das machte ich, weil im Original die Proportionen der Räume unregelmässig verteilt sind. Für die Kursive liess ich aus ‹La Hen­riade›

/02/

/03/

Die Bodoni normal von Linotype für Lasersatz in den Designgrössen   8, 12 und 18 pt – bei gleichem Schrift­­grad sind die Unterschiede sichtbar.

Seite aus dem Originaldruck der ‹La Henriade› von 1819 (links) und gesetzte Version mit   der Linotype Didot (rechts).

Designgrössen Im Bleisatz besitzt jede Grösse einer Schrift ihr eigenes Design. Die kleinen Grade wer­ den aus optischen Gründen etwas fetter und breiter kon­ zipiert als die grossen Grade. Mit dem Fotosatz ändert sich dies. Von einer Vorlage werden nun mehrere Grössen­ be­­lichtet. Die formalen Unterschiede jeder Schriftgarnitur­ fallen damit weg. Dies macht sich umso mehr be­merk­bar, je stärker der Kontrast zwischen den fetten Strichen und den feinen Strichen ist. Doch ist den Fachleuten bei Lino­type diese Problematik bewusst, und für die dem Bleisatz folgenden Techniken wer­den heikle Schriften in mehreren Designgrössen er­ stellt. In ihrem Schriftmusterbuch für Laser- und CRT-Fonts von 1992 wird die Thematik geschildert und anhand von Abbildungen er­läutert /02/. Gerhard Höhl, Leiter der Schriftproduktion, stellt auch bei­ der Linotype Didot diese Tatsache fest und bemerkt in­ einem inter­nen Schreiben, dass zusätzlich zum RomanSchnitt eine Headline-Vari­an­te für den Satz grosser Grade­ erstellt werden muss.12 Sie wird umge­hend in Arbeit ge­ nommen und fällt weniger fett als der Bold-Schnitt aus. In den Zei­chenfor­men ist sie zudem schmaler angelegt. Bald entsteht basierend auf dem Headline-Font ein zu­ sätzlicher Ini­tials­-Font mit leicht fet­te­ren Grundstrichen, jedoch glei­cher­ Zeichenbreite.

26 pt, Designgrösse 8 pt

26 pt, Designgrösse 12 pt

26 pt, Designgrösse 18 pt

/04/

Entwicklung des Anstrichs aus dem Gebrauch mit der Schreib­feder: Jenson, Garamond, Baskerville –   im Klassizismus mit der Didot löst sich die Form vom Schreiben.

nnnn /05/

/06/

/07/

/08/

Originaldruck aus ‹La Henriade› (links) und Linotype Didot Roman – das A wird breiter, das N aus­gewogener.

Der Headline-Schnitt (rechts) ist schmaler als der Roman-Schnitt (links) und weist abweichende Zeichenformen bei a f  und t auf.

Der Bogenverlauf beim P und der Schweif des Q differieren zwischen Roman-Schnitt (links) und Headline-Schnitt (rechts).

Abweichende Formdetails und der Krümmungsverlauf unterscheiden den Roman-Schnitt (links) vom Headline-Schnitt (rechts).

ALN afnt afnt PQ PQ 364

W E R K S AT Z s c h R I F T

47 47

Die Original-Vorlagen Die Grundlage zur Linotype Didot bilden zwei verschiedene Vorlagen. Für die Schnit­­te­ Roman und Italic steht das Buch ‹La Henriade› /01/ Pate. Mit einer Schriftgrösse von etwa 18 pt ist es eine­ ideale Grundlage für die Neuzeichnun­gen, welche für die De­­sign­grösse von 18 pt geschaffen werden. Für den Headline-Schnitt (und darauf folgend die Initials) ist das Alphabet von Firmin Didot aus dem ‹Meisterbuch der Schrift› von Jan Tschichold Ausgangslage. Die Schrift stammt laut Bildverweis von der Schriftgiesserei ­Deberny & Peignot und ist ebenfalls in adäquater Grösse, nämlich in 48 pt /09/ und 72 pt, abgebildet. Adrian Frutiger hält sich formal an die jeweiligen Vorlagen, und so weisen der Ro­­man- und Headline-Schnitt unterschiedliche Zeichen­ formen auf, zum Beispiel bei P Q /07/ 4 und 7 /08/. Nach Fertig­stellung der Linotype Didot wird zu Mar­ke­ ting­­zwecken eine aufwendige Broschüre aus edlem Büt­ ten­papier hergestellt.13 Sie besteht aus einem Umschlag mit Blindprägung und zwei Einlageblättern. Diese zeigen nachgesetzt den Haupttitel /10/ und eine ­Textseite /03/ des Buchs ‹La Henriade›, wodurch der anmutige his­tori­ sche Druck wieder auflebt. Auf der Innen­seite des Um­ schlags wird der Vermerk angebracht: «Ein Nach­druck aus dem Buch ‹La Henriade›, gesetzt mit der neu­en Lino­ type Didot.» Die für den Nachdruck des Haupt­titels ver­ wendeten Schriften entsprechen in den De­tails­ jedoch nicht den ausgelieferten Schnitten der Linotype Didot. Sie entsprechen aber auch nicht dem Original /11/.

/09/

Die Firmin Didot der Pariser Schriftgiesserei Deberny & Peignot dient als Vor­lage für die HeadlineVersion der Linotype Didot.

/10/

Titelseite von ‹La Henriade›, nachgesetzt mit der speziell für diesen Druck umgearbeiteten Linotype Didot.

/11/

Vergleich zwischen der OriginalDidot aus ‹La Henriade›, dem Nachdruck, der Linotype Didot Bold und Headline (v.o.n.u.).



LA H ENRIADE LA H ENR IADE L i n o t y p e D id o t

365

alle kursiven Wörter fotografieren – sie ergaben aber kein ganzes Alphabet. Das f mit diesen starken Überhängen war im Original so vorhanden /03/, das habe ich nicht erfunden, das hätte ich mir nie erlaubt. Danach zeichnete ich den Headline­Schnitt für den Titelsatz. Er hat die Didot von Deberny & Peignot zum Vorbild /09/, welche sich deutlich von der Schrift im Buch ‹La Henriade› unter­ scheidet. Die Titelschrift läuft schmäler und zeigt einen stärkeren Kontrast /06/; zudem diffe­ rieren einige Einzelzeichen, beispielsweise das P mit dem unterschiedlichen Bogenansatz /07/, dann das Q mit seinem Schweif /07/ sowie die 4 und die 7 /08/. Für die Headline­ und auch für die Textversion der Linotype Didot wurde jeweils nur eine Designgrösse in 18 pt erstellt. Er­ staunlicherweise war beim normalen Schnitt sogar der 8­pt­Grad noch lesbar. Einen Text aus der Linotype Didot in dieser Grösse zu setzen, ist allerdings nicht realistisch. Dies war mehr eine Feststellung: Selbst das funktioniert noch, so etwas können die Laser­Belichter von Lino­ type­Hell ausgeben. Die Ornamente der Linotype Didot sind nicht von mir. Als Vorlage diente wohl das D &P­ Schriftmusterbuch /12/. Wenn ich eine Auswahl hätte treffen sollen aus all diesen, wäre meine Wahl anders ausgefallen. Es ist mir ein Rätsel, wer das entschieden hat. Als ich das Didot­Projekt damals vorschlug, dachte ich, die Grafiker hätten Interesse an einer solch kontrastreichen Schrift. Leider hat sie am Ende niemand haben wollen, obwohl eine edle PR­Broschüre hergestellt wurde, sogar mit einer Prägung. Dafür wurden die Titelseite /10/ und eine Innenseite /03/ von ‹La Henriade› nachgesetzt. Erst später wurde die Linotype Didot einige Male verkauft und Adobe übernahm sie in Lizenz.

Ornamente und Zierschnitte Der Linotype Didot werden in zwei zus­ätzlich­en Fonts­ Ornamente zur Seite ges­tellt. Dies­e neue Idee f­­ür die Pos­tScript­Sch­rif­­ten der Linotype h­at im Buch­druck Tradition. Der Sch­rif­­tmus­ter­ katalog von D & P 1926 zeigt allein 19 Seiten mit ‹Vignettes­ Style Didot› /12/, neben 5 Seiten ‹Vignettes­ Elzéviriennes­› und 3 Seiten ‹Vignettes­ XIX e Siècle›. Wäh­rend die Sch­muckf­­ormen Ende des­ 18. Jah­rh­underts­ eine gros­s­e Bandbreite von einf­­ach­en bis­ komplexen Or­ namenten bes­itzen, werden bei Linotype eh­er einf­­ach­e Formen zur Ums­etzung aus­gewäh­lt. Sie ents­prech­en in ih­ren Einzelzeich­en der geometris­ch­­plakativen Formen­ s­prach­e der 1980er Jah­re. In der Reih­ung entf­­alten s­ie ih­re volle Wirkung /13/. Neben Ornamenten s­ind auch­ Ziers­ch­rif­­ten im Klas­s­izis­­ mus­ weit verbreitet und of­­t s­eh­r üppig aus­ges­tattet. Lino­ type greif­­t dies­ auf­­ und es­ ents­teh­t auf­­ Bas­is­ der Linotype  Didot Bold ein lich­ter s­ch­attierter Sch­nitt, genannt Open­ f­­ace. Er wird um 1992 entworf­­en und 1995 Teil einer Serie von 8 DIN­A4­Blättern /15/.14 Doch­ ers­t 2007 kommt dies­er Sch­nitt zur Veröf­­f­­entlich­ung. Der Initials­­Font mit s­einen breiten Grunds­trich­en bildet die Bas­is­ f­­ür den Entwurf­­ eines­ weiteren Ziers­ch­nitts­ /14/. Zwei Zeich­en aus­ dem Ornamenten werden f­­ür die Verzierung aus­gewäh­lt. Der Entwurf­­ kommt jedoch­ nich­t zur Aus­f­­üh­rung. Wie der Initials­­Sch­nitt s­tammen auch­ die Ornamente und Ziers­ch­nitte nich­t von Adrian Frutiger, s­ondern ent­ s­teh­en intern bei Linotype.

/12/

Ausschnitt einer Seite ‹Vignettes Didot› aus dem Schriftmusterbuch von Deberny & Peignot von 1926. /15/

Beispielanwendung von 1995 mit der Linotype Didot Openface, 1993 entworfen, jedoch erst 2007 ins Sortiment aufgenommen.

       

   /13/

Satzbeispiel mit Kombinationen von Schmuckzeichen aus der Linotype Didot Ornaments.

366

W E R K S AT Z S c h R I F T

/14/

Didot Floriated Capitals von Pierre Didot l’Ainé (links) und der nicht ausgeführte Entwurf eines Zierschnitts von Linotype (rechts).

Font-Herstellung : Digitalisiert durch   Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Linotype Didot ™ Linotype 6 Schriftschnitte ( +1 SC | +3 OsF )

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

 AB C D E F G H I J K LM N   O P Q R S T U V W XY Z &   a b c d e f g h i j k l m n o pq r s  t u v w x y z ß12 3 4 5 6 7 8 9 0

Y    ou may ask w   hy so many differe  nt typefaces. They all serv e the same purpose but they express

man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I­­ once saw a list of Médoc wines featuring sixty different ­ Médocs all of the same year. All of them were wines but e­ach was different from the others. It’s the nuances that a­re important. The same is true for typefaces. Pourquoi t ant d’Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année­. I­ l s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance ­ du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, warum es no­t­ wendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben,­ aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. I ch habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen­ aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht a­ l­les der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es a uch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. Th­ ey all serve the same purpose but they express man’s diversity. It­ i­s the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wine­ s featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them­ were wines but each was different from the others. It’s the nuance­­s 72 pt | –30

54 pt | –5

36 pt | 3

25 pt | 5

16 pt | 19 pt | 10

that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets diffé­ rents ! Tous servent au même but, mais a­ u­ssi à exprimer la diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous ret­ rouvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est da­ ns la nuance du bouquet. Il en e est de

11 pt | 13 pt | 20



8.2 pt | 10.2 pt | 30

Å BÇ DÈ FG HIJKLMÑ ÔPQR ŠT Ü VWXYZ& ÆŒ¥$£€ 12 3 45 678 9 0 å bçdéfgh ij k l m ñôpqr š tüvwxyzß fiflæœøłð [. , : ;·’/- – —] ( ¿¡“« ‹ › »” !? ) { § ° % @ ‰* †}

Å BÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQR ŠTÜ V WXYZ& ÆŒ ¥$£€ 12 3 4 5 6 7 8 9 0 åbçdéfghij klmñôpqrš tüvwxyzß fi flæœøłð [ . , : ; ·’ / - – — ] ( ¿ ¡“ « ‹ › »” ! ? ) {§ ° % @ ‰* †}

Roman

Italic

Å BÇDÈFG HIJKLMÑ ÔP QR ŠT Ü V WXYZ& ÆŒ¥$£€ 1234567890 å b ç défgh ij k lmñôpqr š tüvwxyzß fiflæœøłð [ . , : ; · ’/- – —] (¿ ¡“«‹ ›»” ! ?) {§° % @ ‰* †}

Å BÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQR ŠT Ü VWXYZ& ÆŒ¥$£€ 12 3 4 5 6 7 8 9 0 å bçdéfghij k lmñôpqr š tüvwxyzß fiflæœøłð [ . , : ;·’/- – —] (¿¡“«‹›»”!?) { § ° % @ ‰* † }

Bold

Openface

1234567890 12 34 5 6 7 8 9 0 å b ç d é f g h i j Italic Oldstyle Figures k lmñôpqr š tüvwxyz& Oldstyle Figures & Small Caps

1234 5 6 7 8 9 0 Bold Oldstyle Figures

6.8 pt | 8 pt | 40 L i n o t y p e D id o t

367

Schriftenvergleich Alle drei unten gezeigten Schriften sind vom Schrifttypus des Firmin Didot abgeleitet. Sie variieren in Form und Anlage, je nachdem, welche Druck­ vorlage als Basis der Adaption dient. Während Adrian Frutiger’s Linotype Didot Roman von den­ Schriften Firmin Didot’s aus dem Buch ‹La Henriade› /03/ abgeleitet ist, orientiert sich Jona­than Hoefler bei seiner Version, welche ab 1991 für die Zeitschrift­ ‹Harper’s Bazaar› ensteht und 1992 erstmals zum Einsatz kommt,15 am ‹Spécimen de nouveaux caractères› von Pierre­ und Jules Didot von 1819.16 Als Grundlage dient ihm­ haupt­ sächlich die darin enthaltene Grosse­ Sans­ Pa­reille No. 206, eine Schrift von Molé le jeune, welche sehr ähnlich zur Abbildung im ‹Meisterbuch der Schrift› von Tschichold und damit zur Schrift Firmin Di­dot’s ist. Hoefler bereitet die HTF Didot in drei Fetten mit dazugehöriger Italic sowie in sieben Design­grössen von 6 bis 96 pt auf.­ Unten abgebildet ist die De­sign­grösse 16 pt. Die Didot LP, geschaffen 1995 von Garrett Boge, basiert auf der Version aus dem Schriftmusterbuch der Schrift­­­­­­ giesserei Ludwig & Mayer von 1926, welche sich ihrer­seits an die Didot von Deberny & Peignot /09/ anlehnt. Dabei handelt es sich um eine frühe Version von Firmin Didot, etwa aus dem Jahr 1784. Der Strichkontrast der Didot LP ist weniger stark aus­geprägt, woraus sich schliessen lässt, dass sie von einem kleineren Schriftgrad abgeleitet ist als die anderen­ beiden hier gezeigten Versionen.

/16/

Vermassung von Strichstärke und Proportionen des normalen Schnittes der Linotype Didot.

Roman

Hh = 10.00 cm Hw = 7.50 Hs = 1.40 Hq = 0.19

nh = 6.02 cm nw = 5.71 ns = 1.20 nq = 0.20

oh = 6.39 cm ow = 6.55 os = 1.42 oq = 0.20

Hh : Hw = 1 : 0.79 Hw : Hs = 1 : 0.19 Hs : Hq = 1 : 0.13

nh : nw = 1 : 0.95 nw : ns = 1 : 0.21 nh : oh = 1 : 1.06 nw : ow = 1 : 1.15

H no oq

nq

Hq

Hh

nh

ns

Hs

Hw

os

nw

ow

/17/

Im Vergleich zu den anderen Didot-Nachschnitten wirkt die Linotype Didot – entgegen dem Original – ausgewogener in den Proportionen.

Hofstainberg Linotype Didot Adrian Frutiger ( Firmin Didot ) 1991 ( ca. 1800 )

KN R a b f n 3 4 K Schenkel mit minimalem Steg zum Stamm

Hofstainberg HTF Didot Light 16 Jonathan Hoefler ( Molé le jeune ) 1992 (1819 ) 

Hofstainberg Didot LP Garrett Boge ( Firmin Didot ) 1995 ( ca. 1784 )

368

W E R K S AT Z s c h R I F T

N Punzen sind proportio­­nal einander angeglichen

R geschwungenes, nach rechts versetztes Spielbein

a Haarlinie mündet steil in den Stamm und hängt nicht durch

b runder Übergang von Bogen in Stamm

f grosszügige Bogenform

n breite Form, langgezogener Haarstrich

34 unten kein Tropfen, Diagonale gebogen

KNR a b f n 3 4

KN R ab f n 3 4

/18/

Der Vergleich zeigt die ver­schiedenen Fettengrade und den Winkel der Kursiven.

Roman Bold Italic

Hh 10.00 cm 10.00  10.00 

Hw 7.50 = 1 8.12 = 1.08 6.66 = 0.89

Hs 1.40 = 1 2.01 = 1.44 1.20 = 0.86

Hq 0.19 = 0.1 0.20 = 1.05 0.20 = 1.05

Å BÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQR ŠT Ü VWXYZ& ÆŒ¥$£€ 123 456789 0 å bçdéfghij k lmñôpqrš tüvwxyzß fiflæœøłð [. , : ; ·’/- – —] ( ¿¡“«‹ ›»” ! ?) { § ° % @ ‰* †}

HH  H

Headline

19.6°

12 34 5 6 7 8 9 0 Headline Oldstyle Figures

å bçdéfg hijklmñ ôpqrštü vwxyz s æ œ ø ł ð

/19/

Der Höhenvergleich zeigt die Unterschiede von x-Höhe zu Unterund Oberlänge – Ausgangspunkt ist die Versalhöhe.

130 102

HÔhxp7

1.00

0 cm

61

10 −40

0 cm

6.6

Linotype Didot 40.2 pt

133 104

)¾IYQ

1.00

Initials 6.7

61

7.0 10

−45

7.4

HTF Didot 40.3 pt

   

        

Ornaments 1

3×Sc["

1.00

0 cm

57

7.5

−40

7.0

  



 

                                       

130 100





  Ornaments 2

10

Didot LP 42.6 pt



L i n o t y p e D id o t

369

Schriftname Herculanum

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1990 | 1991

Satztechnik Digitalsatz PostScript

Hersteller – Adobe | Linotype – Linotype

Schnitte 1 3

HERCULaNuM Die Grundidee zum Projekt ‹Type before Gutenberg› kam von mir. Den Vorschlag ­unterbreitete ich­ 1989 an einem Type Selection Meeting. Noch im gleichen Jahr wurde das Gesamtkonzept entwickelt und 1990 vorgestellt. Die Broschüre mit den ersten sechs Schriften /15/ – ein richti­ ger Schnellschuss – wurde auf der ‹Type ’90› in Oxford erstmals verteilt und war inner­halb kürzester Zeit vergriffen. Die Idee des Projekts war, geschriebene Schriften von der Antike bis zu der Zeit von Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts neu zu interpretieren. Als eine Art Gegenpol sollte zu Beginn vom Desktop Publishing noch etwas anderes entstehen als nur Adaptionen von klassischen Schriften und komische neue Fantasie­schriften. Mit ‹Type before Gutenberg› sollte ein Pro­­jekt gestartet werden, welches auf historischen Vorlagen basierende, ausdrucks­starke kalligrafische Schriften hervorruft. Es ist selbstverständlich meine Meinung, dass man heutzutage versuchen kann, die Geste des Schreibens am Computer nach­zuahmen. Wenn es gut gemacht ist, warum nicht? Das Ganze war kein Gedanke, der plötzlich über Nacht da war. Als ich mit Aaron Burns in Kontakt kam, der 1970 die International Typeface Corporation ITC 1 mitgegründet hat, schlug ich ihm vor, solche ­Schriften ins Programm aufzunehmen. Aber er verstand damals gar nicht, was ich wollte. Es war ihm einfach nicht modern genug. Etwa zwanzig Jahre später stellte ich also diese alte Idee im Type Selection Meeting von Linotype vor. Otmar Hoefer und weitere Personen der Linotype Deutsch­land trafen dann die Auswahl der Mitwirkenden. Ich fand die ge­troffene Wahl für das Projekt nicht ganz glücklich. Karlgeorg Hoefer, Herbert Maring und Gott­fried Pott – das waren sicher keine ­schlechten Kalligrafen, aber vielleicht zum Teil ein wenig brav. Es fehlten Leute wie David Kindersley, André Gürtler oder Hermann Zapf, die ein wenig Pfeffer hineingebracht hätten. Ich selbst ver­mochte das nicht. Später schlug ich der Linotype André Gürtler noch vor, doch ein Beitrag von ihm kam dann nicht zustande. Zum Projekt wurde auch ein Gutachten vom Paläografen Prof. Dr. Peter Rück erstellt.2 Er war Inhaber des Lehrstuhls für Historische Hilfswissenschaften an der Universität Marburg und nahm alles genau unter die Lupe. Aber die Frage lautet doch: Wo hört die Paläografie auf und wo fängt die Kalligrafie an? Darüber haben wir viel dis­kutiert, und unse­­re Meinungen gin­ ­gen manchmal weit auseinander. Als Wissen­schaftler konnte er sich nur schwer in die typo­ grafische Welt der Schriftgestal­ter und Schriftanwender hineindenken. Zum Teil hatte er aber sicher Recht. Er schrieb zum Beispiel, dass die Entwürfe deutsch wirken. Vom paläografischen Standpunkt einmal abgesehen, gibt es beim Gestalten von Schreib­ schriften für den Satz ein fundamentales Problem: Wie erhält man das Gestische der geschrie­ benen Schrift? Im Bleisatz wurde mit aller Mühe versucht, zum Beispiel mittels Schräg­guss 3, die kalligrafische Geste von geschriebener Schrift in der Druckschrift zu ermöglichen. Ich den­ ­­ke­ da etwa an die Legende /13/ von F.  H. Ernst Schneidler, die 1937 bei der Bauerschen ­Giesserei in Frankfurt herauskam und weltweit verwendet wurde. 370

AKZ I DE N Z sch R I FT

‹Type before Gutenberg › Am 26. Oktober 1989 prä­ sentiert Adrian Frutiger am Type Selection Meeting der Linotype AG in Eschborn bei Frankfurt seinen Projekt­ vorschlag ‹Type before Gutenberg›. Zur Darstellung der Idee fügt er die American Uncial von Victor Hammer ins Dossier 4 ein, die 1953 bei der Schriftgiesserei ­Klingspor erscheint und seit 1988 als Neue Hammer Unziale /13/ bei­ Linotype erhältlich ist.5 Auf zwei weiteren Seiten zeigt er­ etwa dreissig von Hans Eduard ­Meier handge­­schrie­bene Bei­­­spie­le. Es sind Interpre­tationen der Schrift­­for­men von der griechischen Antike bis zum 16. Jahrhundert, wie sie in Meier’s Broschüre ‹Die Schrift­entwicklung› zu finden sind.6 Seine eigene Diplomarbeit ‹Schrift.Die Entwicklung­ der europäischen Schriften, in Holz geschnit­ten› 7 fügt­ Adrian Frutiger nicht bei /01/. «Diese großartige Idee», schreibt Otmar Hoefer, der Pro­ jektzuständige bei Linotype, wird daraufhin an drei Kalli­ grafen vergeben, alle von der Schreibwerkstatt Klingspor Offen­bach 8, «um zu diesem Thema kalligrafische Entwürfe­ von wichtigen Stilen der damaligen Zeit aus der Sicht un­serer heutigen Lese­gewohnheiten zu erstellen».9 Es sind­ Inter­pretationen historischer Schriften und keine ge­ ­treu realisierten Nachzeichnungen, hält Hoefer fest. Mit Kritik ist also zu ­rechnen, als der beauftragte Paläograf Pe­ter Rück seinen Bericht zu den ersten sechs Schrif­ten des Projekts ‹Type before Gutenberg› abgibt. Peter Rück kritisiert Duktus, unhistorische Formelemen­­te und Pro­ por­­tio­nie­rung und merkt an, «daß alle sechs Entwürfe ‹sehr­ deutsch› wirken». Die Erklärung dafür sucht er in der­ Schulung deutscher Kalligrafen. «In ihren Vor­stel­lun­ gen­ bestehen Schrif­­ten aus deutlich unterschiede­nen Haar-­ und Schattenstrichen und klar markierten Köp­­fen und Füssen. Man hat den Eindruck, daß sie Fraktur denken,­ auch wenn sie Antiqua schreiben …» Und weiter: «Alle sechs Schriftmus­ter wirken systematisch er­starrt und kalt, ganz anders als die Produkte des organi­schen Schriftden­ kens vor der Gotik.»10 Um der ­stereo­­typen Wiederholung der Figuren ent­gegen­ zuwirken, schlägt Rück vielfältige Ligaturen, Buch­­staben­ ­varianten und unterschiedliche Spationierung vor. Den Buchstabenvarianten /02/ gegenüber ist Adrian Fruti­ger aufgeschlossen und – wie bereits bei seinen ers­ten Schrif­ ten für Deberny & Peignot – zeichnet er solche. In der Bro­­­­­­­­­schüre von 1990 /15/, welche an der ‹Type ’90› in Ox­ ford auf­liegt, sind sie noch nicht enthalten, bei Heraus­ gabe der Herculanum 1991 liegen sie dann vor.11

/01/

Umschlag und Innenseite der Diplomarbeit von Adrian Frutiger 1951 – der Holzschnitt zeigt eine Interpretation der älteren römischen Kursive des 1. Jahrhunderts.

/02/

Undatierter Klebentwurf, Filzstift auf Transparentpapier (Originalgrösse) – einzelne Zeichen werden noch überarbeitet.



h E R cu lAN u m

371

Um die Idee ‹Type before Gutenberg› besser nachvollziehen zu können, lohnt es sich, kurz einen Blick auf die Druckschriften zur Zeit Gutenberg’s zu werfen, denn zu dieser Zeit fand eine Entwicklung statt: weg von der manuellen Geste. Bei den Drucklettern der Gotico­Antiqua12 Mitte des 15. Jahrhunderts, welche am Übergang von der gotischen Schrift zur Renaissance­ Antiqua die geschriebene humanistische Minuskel aufgreift, spürt man in den Kleinbuchstaben noch deutlich die manuelle Geste /06/. Siebzig bis achtzig Jahre später bei der Garamond /08/ aber eigentlich schon nicht mehr. Der Wandel passierte innerhalb von fünfzig Jahren. Bereits die Antiqua von Nicolas Jenson um 1470 hatte an der Basis Serifen. Der Federansatz ist noch oben im schrägen Anstrich der Kleinbuchstaben ersichtlich. Am Fuss der Buchstaben jedoch sind die Serifen auf das Liniehalten im Schriftguss ausgerichtet /08/. Anders bei geschriebenen Schriften. Der Kalligraf gibt zwar unten einen Druck auf die Feder, damit etwas mehr Tinte fliesst, aber der Abstrich endet durch die schräge Federhaltung spitz, oder allenfalls entsteht eine Rundung. Aus optischen Gründen, damit die Abstriche gegenüber den runden und hori­ zontalen Strichen nicht zu kurz wirken, sollten die Spitzen etwas unterhalb der Schriftlinie zu stehen kommen. Für das Projekt ‹Type before Gutenberg› steuerte ich selbst zunächst nur die Herculanum bei; Pompeijana (siehe Seite 384) und Rusticana (siehe Seite 390) folgten erst später. Die antiken römischen Schriften kannte ich in­ und auswendig und bewunderte sie; spätestens seit meiner Diplomarbeit /01/ spukten sie mir immer wieder durch den Kopf. Die Herculanum ist die Nachahmung einer römischen Majuskelkursive /03/. Diese antike Schrift ist so wunder­ bar – hätte ich je ein Original gesehen, wäre ich innerlich erzittert vor ihrer Schönheit. Wenn man bedenkt, zu welcher Zeit das entstand … Ursprünglich wurde sie mit einem Griffel, latei­

/03/

/04/

Die römische Majuskelkursive wird mit dem Stilus auf Wachstafeln und in Putz graviert sowie auf Papyrus geschrieben (v.o.n.u.).

Römische Majuskelkursive vom Papyrus ‹Carmen de bello Actiaco› – Nachzeichnung aus dem 19. Jahrhundert von John Hayter.

Historische Betrachtung zur Herculanum Neben der mit Hammer und Meissel in Stein gehauenen Capitalis Monumentalis besteht zu Beginn unserer Zeitrechnung auch die Majuskelkursive bzw. ältere römische Kursive. Historische Beispiele finden sich auf Wachstafeln und als Graffiti in Stuck oder Putz geritzt sowie auf Papyrus geschrieben /03/. «Im Unterschied zur ‹Steinschrift› zeich­ net sie sich aus durch flüssigen Duktus, der die Handbe­ wegung abbildet und deshalb sehr lebendig und wenig statisch wirkt», schreibt Peter Rück.13 Gemäss Peter Rück stützt sich Adrian Frutiger bei seiner Herculanum auf die Schrift des ‹Carmen de bello Actiaco›, einem Lied auf die Seeschlacht von Actium, das zwischen 31 vor Chr. und 79 nach Chr. in Herculanum auf Papyrus geschrieben wird. Jedoch ist nicht das Original Grund­ lage für die ‹Remus›, so der Arbeitsname der Herculanum, sondern die Nachzeichnung vom Anfang des 19. Jahrhun­ derts, welche der englische Archäologe John Hayter nach dem bereits schwer lesbaren Papyrus aus Neapel ange­ fertigt hat /04/. Eine sehr schlecht gemachte Nachzeich­ nung, findet der Paläograf Jean Mallon.14 Entsprechend fällt die Kritik von Peter Rück aus: «Der ‹Remus›­Entwurf kann deshalb nicht im Vergleich zum Original – denn als historische Schrift ist sie eigentlich eine ‹Fälschung› –, sondern nur zur Nachzeichnung von John Hayter beurteilt werden. Die ‹Remus› wirkt sowohl runder als auch stati­ scher als die Vorlage. Obwohl der lebendige Verlauf des Mittelbandes durch die variablen Buchstabenhöhen (Ver­

/05/

Zu zehn Majuskeln (oben) bestehen mehrheitlich schmalere Alternativbuchstaben auf der Minuskeltastatur (unten).

AK MNRU V X YZ akmnru v x y z 372

AKZ I DE N Z sch R I FT

kleinerung des O, Streckung des S) recht gut getroffen ist, verleiht die Horizontalisierung der (in der Vorlage schrägen, d. h. dynamisch aufwärtsgerichteten) Balken in A E F H der ‹Remus› eine statische Mittelachse, die der Vorlage nicht entspricht. Das übertrieben breite M bildet eine weiche Girlande, während die Vorlage sich mehr einem Doppelgiebel annähert. Die Wahl des rein ovalen O (in der Vorlage vielgestaltig) und noch viel mehr die des gestreckten unzialen E scheint mir unglücklich; die­ ses E kommt in der Vorlage nur ein einziges Mal vor, nor­ malerweise ist dort zeitentsprechend das Kapital­E mit aufwärtsstrebenden Balken verwendet. Diese Elemente machen die ‹Remus› runder und weicher … als die Vor­ lage nahelegt. Die Schaftansätze des H sind zu kräftig, ebenso die G­Zunge, die in der Vorlage viel leichter und stärker nach rechts gespreizt ist. Einzelne Wider­ sprüche ergeben sich aus einem ‹falschen› Duktus der ‹Remus›; so ist das A der Vorlage nicht in drei, sondern in zwei Bewegungen gezeichnet. … Dazu kommt, daß die Buchstabenkörper … nach links hängen, in der ‹Remus› aber vertikal stehen. Horizontalisierung und Vertikali­ sierung – insgesamt die begradigte Bereinigung – sind moderne Züge … aus dem 20. Jahrhundert. Die Vorlage wirkt deshalb viel lebendiger, handnäher und kursiver als die ‹Remus›. Das läßt sich nicht ganz ändern, aber zumindest könnte die Schrägstellung der Balken den Rundungen eine ausgleichende winklige Spitzigkeit entgegensetzen.»15

nisch ‹stilus›, in Wachs geschrieben /03/. Der Stilus ist ein Stück Holz oder Metall mit einem spitzen Ende zum Schreiben und einem breiten, abgeflachten Ende zum Glätten des Wachses, wenn etwas zu löschen war. Als Vorlage für die Schrift Herculanum verwendete ich ein Blatt mit einer römischen Majuskel­Kursive aus Neapel bzw. Herculanum /04/, der Schwesterstadt von Pompeji – daher auch der Name.16 Im Grunde habe ich diese ‹nur› ein wenig schöner nach­ gezeichnet. Das sage ich, ohne dass ich meinen Stolz verletzen müsste. Allerdings bezweifelt der schon erwähnte Schweizer Gutachter Peter Rück mit Bezug auf seinen bekannten franzö­ sischen Kollegen Jean Mallon, dass diese Vorlage das Original authentisch wiedergibt. Er schreibt, sie basiere auf der sehr schlecht gemachten Nachzeichnung des Engländers John Hayter von Anfang des 19. Jahrhunderts. Ich dagegen finde dessen Arbeit schön gemacht, mit Liebe und Fleiss. Es sind sogar die Fehler übernommen. Nein, ich bin voller Ehrfurcht und fühle mich dem Menschen, der das gemacht hat, näher als dem Paläografen, der meint, es sei nur eine schlechte Nachahmung. Letztlich kann man das doch von jedem nachgezeichneten Forschungsdokument sagen. Selbstverständlich hat eine Umsetzung stattgefunden, aber eine liebevolle und ernsthafte. Die ersten Entwürfe zeichnete ich – das klingt vielleicht brutal – mit einem dicken Filzstift /02/. Ich wählte keinen eckigen, sondern einen abgerundeten, mit dem ich doch auch Anstriche machen, aber auch tupfen und ausmalen konnte. Die Entwürfe habe ich mit dem Bleistift etwa in 48 pt vorskizziert, damit ich die Schwünge hineinbekomme, dann füllte ich die Konturzeich­ nungen mit dem Filzstift aus. Das war also gezeichnet. Doch meine allerersten Skizzen waren wohl schon eher geschrieben als gezeichnet, jedenfalls wirken sie sehr flüssig. Meine Natur war aber nie das Kalligrafieren, sondern immer das Schneiden. Das Abtragen und das Stehen­

/06/

/07/

Gotico­Antiqua aus Cicero’s ‹De oratore› von Konrad Sweynheim und Arnold Pannartz, gedruckt 1465 in Subiaco bei Rom.

Testbelichtung der Herculanum Regular mit elektronisch angefetteter Strichstärke zur Bestimmung des Bold­Schnitts.

/08/

Bei der Gotico­Antiqua ist der Federzug oben und unten ersichtlich, bei Jenson und Garamond unten kaum bzw. gar nicht mehr (v. l.n.r.).

/09/

/10/

/11/

Entgegen John Hayter’s Nach­ zeichnung weist die Herculanum horizontale Balken bei A E F H auf, zudem ist das E nicht spitzig.

Für Frutiger ist die Form des T wie ein Stempel, das U reine Geste, das N besteht aus zwei Geraden und einer Geste dazwischen.

Die drei Schnitte der Herculanum – Regular von 1990, Bold von 1992, basierend auf der Strichstärke 1.5, und Outline.

AEFH

TUN

OHAMBURGEFONSTIV OHAMBURGEFONSTIV OHAMBURGEFONSTIV h E R cu lAN u m

373

lassen – genau gleich, wie ich es in meinen Holzschnitten von Pflanzendarstellungen gemacht habe.17 Diese Art zu denken und zu fühlen kam noch aus meiner Schriftsetzerlehre. Wenn du Typograf wirst, bleibt dir das ein Leben lang. Bei der Herculanum habe auch ich die Buchstabenformen interpretiert. In der Vorlage findet sich beispielsweise ein schönes Versal-R mit leicht diagonalem, geschwungenem Stamm /04/, das ich aber in dieser Form nicht übernommen habe. Stattdessen ent­warf ich zwei Formen des R mit geradem Abstrich, ein schmaleres und ein weiter auslaufendes /05/. Für mich als Typograf und Schriftgestalter war klar, dass es immer wieder einen geraden Strich braucht, damit der Duktus in jedem einzel­nen Wortbild stimmt. Der Wechsel zwischen freier Bewegung und geradem Strich ist ­notwendig, sonst fällt alles auseinander. Aus diesem Grund wählte ich beim R statt des ge­schwungenen den geraden Abstrich. Auch wenn dies nicht genau der Vorlage entsprach. Die Buchstaben der Herculanum zeigen beides: gerade Abstriche und gestuelle, geschwun­ gene Verbindungen. Das T ist dabei wie ein Stempel, das U dagegen ist reine Geste, und das N be­steht aus zwei Geraden und aus einer Geste dazwischen /10/. Einige Buchstaben gibt es in zwei Versionen, einer starren und einer bewegten /05/, wie es bereits bei der ­Initiales Président (siehe Seite 32) und der Ondine (siehe Seite 55) der Fall war. Buchstaben mit Schrägen eig­­nen sich gut dafür; bei anderen, vor allem bei den nur aus Geraden bestehenden, kann ich mir ­Varianten nicht vorstellen, etwa beim H. Ein Alternativ-O sehe ich auch nicht. Auch beim E­ der Herculanum habe ich keine Alternativform geschaffen. Ich hätte zwar zum runden E durch­ aus eine historisch belegte eckige Variante zeichnen können, unterliess dies aber. Der Pa­läo­graf Peter Rück bemängelte meine Entscheidung. Er schrieb, das runde E sei historisch gesehen zu

Die TBG -Schriftpakete Die sechs 1990 in Oxford vorgestellten kalligrafischen Schriften des Projekts ‹Type before Gutenberg› /14/ erscheinen in zwei Paketen, ein ers­tes Paket noch im selben Jahr. Enthalten sind neben Adrian Frutiger’s Herculanum die Omnia von Karlgeorg Hoefer, eine Unziale mit Bezug zum 8. Jahrhundert, und die­ Duc de Berry von Gottfried Pott, welche auf die fran­ zösische Bastarda in den Stundenbüchern des Duc de Berry­ aus dem 15. Jahrhundert hinweist /12/. Das zweite Paket vertreibt Linotype ab 1991. Erneut leis­ten­ Gottfried Pott mit der Carolina, einer Interpretation der karolingischen Minuskel des 8. Jahrhunderts, sowie Karl­ georg Hoefer einen Beitrag. Otmar Hoefer’s Vater ist mit­ der San Marco, einer auf dem 14. Jahrhundert basie­ren­den­ italienischen Rotunda, vertreten. Vervollständigt wird das­ Paket mit Herbert Maring’s Clairvaux, deren Vor­lage in der­ deutschen Frühgotik des 13. Jahrhunderts zu finden ist­ /12/. Die Vorschläge zu den sechs Schrift­namen stam­ men mit Ausnahme des Namens Omnia von Peter Rück. Er­ ist somit nicht nur als Kritiker, sondern auch als Namens­ geber in das Projekt involviert.18 Karlgeorg Hoefer entwirft 1991 noch eine weitere kalli­ grafisch hergeleitete Druckschrift /14/. Wie der Name Ben­eta andeutet, ist sie von der süditalie­nischen Buchund Urkundenschrift ‹Littera beneventana› des 10. bis 12. Jahrhunderts inspiriert. Ursprünglich kein Bestandteil des Pake­ts TBG 2, wird sie von Linotype im Jahr 2007 die­sem Paket als vierte Schrift beifügt.19

/13/

Von historischen Handschriften abgeleitete Scripten – Legende 1937 von F.  H. Ernst Schneidler; Neue Hammer Unziale 1953 von Victor Hammer.

Legende

Neue Hammer Unziale /14/

/15/

TBG 1 und 2 – Omnia, San Marco (und Beneta) von Karlgeorg Hoefer; Carolina, Duc de Berry von Gottfried Pott; Clairvaux von Herbert Maring.

Broschüre ‹Type before Gutenberg› von 1990 – zur Herculanum sind die fünf weiteren kalligrafischen Schriften (links) enthalten.

Omnia

Carolina Clairvaux San Marco Duc de Berry

Beneta /12/

Historische Handschriften: Unziale, 8. Jh.; Karolingische Minus­ kel, 8. Jh.; Gotische Minuskel, 13. Jh.; Rotunda, 14. Jh.; Bastarda, 15. Jh.

374

AKZ I DE N Z sch R I FT

/16/

Satzanleitung zur Herculanum – Frutiger empfiehlt generell das Setzen mit Grossstellung; Anhäufungen gleicher Formen sind aber durch die Alternativzeichen zu ersetzen.



h E R cu lAN u m

375

selten. Am häufigsten käme das eckige E mit den ansteigenden Querstrichen vor /04/. Ich ­meine, es gilt das E in Verbindung mit dem S zu betrachten – es ist eine Frage von Ziehen und Stossen. Der Schreiber aus dem 19. Jahrhundert hat nie gestossen, auch beim E und S nicht. Ich habe aber die Tendenz, ganz leicht zu stossen, was historisch nicht richtig ist. Mit Grif­fel und Filz­ stift kann man das machen, mit der Feder könnte man dies natürlich nicht. Da kommen wir wieder zum heiklen Problem der richtigen Geste. So war ich auch in diesem Fall bei E und S mehr Zeichner und Schriftschneider als Paläograf oder Kalligraf. Das lässt sich in fast allen Buchstaben der Herculanum nachweisen. Von meiner Schrift wurde 1990 zunächst ein Schnitt realisiert. Er findet sich in der obers­ ten Zeile einer Testbelichtung mit verschiedenen interpolierten Strichstärken. Entstanden ist der Test bei Linotype auf der Suche nach einem zusätzlichen Schnitt /07/. Ich leiste­te mir zudem den Spass, eine Outline zu zeichnen /11/, obwohl ich wusste, dass das historisch betrachtet eine Dummheit ist. Die Outline hat mich aber immer angezogen. Vielleicht kommt darin doch die Seele der Patissiers, die ich in der Familie habe, zum Vorschein. Die Herculanum verkaufte sich ganz gut. Jedenfalls entschloss sich Linotype 2003, noch den halbfetten und den Outline-Schnitt zu veröffentlichen. Akira Kobayashi ­schickte eines Tages Proben und fragte an, ob ich mit den Versionen einverstanden sei. Seit Mai 2001 ist er künstlerischer Direktor bei Lino­type. Solange er dort wirkt, braucht man keine Schriftverstümmelungen zu fürchten. Vermutlich hätten die Kollegen des Projekts bei der Herculanum als Kalligrafen manches anders interpretiert, freier, kalligrafischer. Denn der Kalligraf schreibt Wörter, der Typograf hingegen setzt Buchstaben – das ist ein grosser Unterschied. Als Schriftgestalter bin ich mit meinem Schaffen ganz eindeutig dem Typografen verpflichtet.

Schriftenvergleich Mit der Herculanum, der Mission und der Reliq sind drei Interpretationen antiker Majuskel­ kursiven in Vergleich gestellt /17/. Dem historischen Fak­ tum entsprechend weisen Frutiger’s Herculanum und die­ Mission von Steve Miggas kein Minuskelalphabet auf. Bei­ Carl Crossgrove’s Reliq wird aus diesem Grund verzichtet,­ die Minuskeln zu zeigen. Um einem zu monotonen Schriftbild entgegenzuwirken, stehen bei der Herculanum diverse Alternativ­zeichen zur Verfügung. Bei der Reliq sind es drei Schriftschnitte mit Varianten. Der unten gezeigte Schnitt ‹Active› ist etwas schwungvoller in der Strichführung und unterschiedlicher­ in den Höhen der Buchstaben, zudem tanzen diese mehr als­ beim Schnitt ‹Calm›. Beim Schnitt ‹ExtraActive› wird dies alles nochmals gesteigert.20 Beim Vergleich der drei Schriften ist die unterschiedliche Strichgestalt augenfällig. Adrian Frutiger betont bei der Herculanum konsequent die Enden der Abstriche, womit die Stämme eine leichte Taillierung erhalten. Dagegen fin­det sich bei der Mission und der Reliq eine mehr linea­ re­ Strichführung und die Abstriche enden differenzierter, von betont über linear bis verjüngt. Die Anmutung der bei­den Schriften erinnert daher eher an die in Wachs oder­ Putz geschriebenen Majuskelkursiven, während die Her­ cu­­­lanum eher den mit Rohrfeder geschriebenen Versio­ nen entspricht. In der Skelettform der Buch­sta­ben und Zif­fern sowie in den Proportionen weisen die drei Schrif­ ten hingegen eine grosse Ähnlichkeit auf.

/17/

Die Herculanum weist im Vergleich zur Mission und Reliq taillierte Abstriche und stärker betonte Strichenden auf, sie wirkt dadurch kalligrafischer.

HofstainbeRg H   erculanum  Adrian Frutiger 1  991

AE Km q u 2 5 A breite Form, Scheitel überragt Aufstrich

Hofstainberg M   ission  Steve Miggas 1  998

HOFSTAINBERG R   eliq  Carl Crossgrove 1  998

376

AKZ I DE N Z sch R I FT

E schmale, abgerundete Form

K Anstrich betont, Arme leicht versetzt, unten sehr weit ausladend

M Schenkel gespreizt, mittlere Diagonalen hoch über der Basislinie stehend

Q Schweif direkt aus dem Bogen gezogen, weit ausragend

U Abstrich kräftiger als Aufstrich

2 ausgewogene Form, serifenartige Betonungen

5 dynamische Form, unter die Basislinie ragend

AE KM Q U 2 5

AEKMQU 2 5

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Herculanum™ Linotype 3 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

A B C D E F G H I J K L M N  O   PQ R S T U V W X Y Z&  abcdefghijklmnopqr  s  tuvwxyz1234567890

Sie fRagen Sich WARuM es notweN dig ist, so Viele SchRiften ZU  r VeRfÜgung zU haben. Sie dieNeN AllE zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus. Diese vIELFALT IST WIE BEIm WEIN. ICH HABE EINMAL EINE WEINkARTE s­­t­­u  dieRt mit sechzig médoc-­weinen aus dem selben jahr. das isT Au  snahmslos Wein, Aber Doch Nicht Alles Der Gleiche Wein. ES HAT EBEN GLEICHWOHL NU­ANCEN. SO IST ES AUCH MIT DEr SCHRIft.You May Ask Why So Many DiffeRent Typefaces. They All SeRve The Same PuRpose But hey expRe  ss man’s diveRsity. it is the same diveRsity we find in wine. i once saw a list of MÉDOC WI  NES FEATURING SIXTY DIFFERENT MÉDOCS ALL OF THE SAME YEAr. ALL OF THEM weRe wines b  ut each was diffeRent fRom the otheRs. it’s the nuances that aRe impoRtAnt. The Same Is TRue For Typefaces. PouRquoi Tant D’ALPHABETS DifféRents ! Tous SeRvENt AU même BUT, M  AIS AUSSI À EXPRIMER LA DIVERSITÉ DE l’homme. C’EST CETTE MÊME DiveRsité que nous RetRou  vons dans les vins de médoc. j’ai pu, uN jour, Relever soixante cRus, tous de la même an  NÉE. IL S’AGISSAIT CERTES DE VINS, MAIS TOUS ÉTAIEnt DIFféRents. tout est da  ns la nuance du bouquet. il en est de même pour Les CaRactèRes ! Sie FRage  n Sich, W­aRum Es Notwendig Ist, So Viele SchRiFtEN zUr VERFÜGUNG ZU HABEN. SIE DIENEN ALLE ZUm SELBEN, ABEr MACHEN Die viel­falt des mensc  hen aus. diese vielfalt ist wie beim wein. ich hAbe Einmal Eine WeinkaRte StudieRt Mit Sechzig médoc-weinen Aus Dem selben jahr. das ist ausnah  mslos wein, aber doch nicht alles der gleiche WEIN. ES HAT EBEN GLEIChWOHL Nu­ANCEN. SO IST ES AUCH MIT DER SCHRIFT. You MaY ask why so mA

65 pt | –75

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377

Schriftname Shiseido

Arbeitgeber Shiseido Co. Ltd.

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1991 | 1991

Satztechnik Digitalsatz TrueType ?

Im Juni 1991 – ich war des Schriftzeichnens müde und mitten in den Plänen unseres neu­en­ Hauses in Bremgarten bei Bern sowie am Ordnen von Bergen angehäufter Papiere – kamen vier Japa­ner von der Kosmetikfirma Shiseido aus Tokio. Sie zeigten mir einen Prospekt mit­ einer breiten, der Wortmarke der Firma ähnlichen Titelschrift und einem aus der Optima ge­ setzten Text /05/. So werden unsere Prospekte heute gedruckt, sagten sie, denn die Optima ist weltweit ver­breitet. Ob ich nicht die Aufgabe übernehmen möchte, passend zur ­Wortmarke eine Textschrift zu entwickeln. Es gab bereits das Versal­alpha­bet /02/, allerdings mit vielen Schwächen. Dieses galt es zu überarbeiten und durch Kleinbuchstaben, Zif­­­fern und einige Akzentzeichen zu erweitern; an der Wortmarke durfte nichts geändert werden. Im Leben habe ich nie Nein sagen können, und so schlug ich einen sehr hohen Preis vor. Zwei Tage später lagen Auftrag und Anzahlung vor – ich musste den Auftrag annehmen. Meine negative Einstellung verflog nach den ersten Skizzen, ich hatte dann doch eine Rie­ senfreude an der Schrift, sie ist eine interessante Spielart zwischen Grotesk und Antiqua. Bei einer Antiqua kann man schöne Bewegungen hineingeben, eine Grotesk ist dagegen viel stati­ scher – die Shiseido liegt dazwischen. Und sie wirkt sehr elegant. Eine so gesetzte und zart ge­druckte Schriftseite riecht buchstäblich nach Parfum /07/. Für die Ausführung hatte ich zum Glück einen guten Grafiker, Serge Cortesi.1 Wäre er nicht da­ gewesen, hätte ich den Auftrag nicht angenommen. Seine Ausbildung zum Schriftzeichner hatte er im Atelier National de Création Typo­graphique 2 absolviert. Von dort kannte ich ihn. Die­ ersten Versuche zur Shiseido machte ich aber selbst und wie immer schwarz-weiss. Für die­ Kontur nahm ich einen feinen Filzstift, zum Ausfüllen einen gröberen. Ich sehe noch die Skizzen vor mir, sie hingen die ganzen Ferien über an einer Wäscheleine vor der Wand. Auch im­ Pariser Atelier hängte ich die Buchstaben immer auf. Ich musste die Schrift etwas feiner machen als die Wortmarke, denn man sieht an der Kleb­arbeit /03/, dass sie im Fliesstext zu dick ist. Diese Entscheidung war reine Gefühlssache. Es ging mir um Eleganz. So ein ganzer Schrift­ block wirkt aus einer Halbfetten zu schwer. Die Grundschrift für ein Kosmetikprodukt muss etwas ganz Zartes sein. Verglichen mit der Wortmarke ist der mittlere E-Querstrich in der Textversion länger – meine Art des Schriftverständnisses /08/. Das E mit kurzem Querstrich mag ich einfach nicht. Auch andere Buchstaben, wie das Q, habe ich leicht geändert. Bei all meinen Firmenschriften, in­klusive der Shi­­seido, hat das t oben einen flachen, hori­zontalen Abschluss. Meine Satzschrif­ ten,­ auch die serifenlosen (bis auf die geometrische Avenir), haben einen schrägen Ab­schluss. Für­ mich gibt es in einer klassischen Schrift kein gerades t, denn der Anstrich ist vom Schreiben­ mit der Feder abgeleitet. Aber eine Firmenschrift hat für mich nicht den gleichen Stellenwert wie­ eine Schrift für Bücher, selbst wenn man längere Texte damit setzt. Da ist für mich ein Un­ter­schied, und der zeigt sich in so einem Detail. 378

F i r m e n s c h RI F T

Hersteller – Morisawa ?

Schnitte 2

Ein Hauch von einer Schrift Shiseido, gegründet 1872, hat eine lange Tradition, bekannte Designer für den visu­ el­len Auftritt des Unternehmens zu engagieren. Dies geht­­ auf den Sohn des Firmengründers zurück, welcher zu­­ Studien in Europa weilt. Er adaptiert die Tendenzen euro­­päischen Designs auf die Werbung von Shiseido,3 was­ für­ eine japanische Firma sehr ungewöhnlich ist. 1980­ über­nimmt der Franzose Serge Lu­tens 4, welcher vor­ ­her be­reits für ‹Vogue› und Dior arbeitet, die Verantwor­ tung für das internationale Image des Kosmetik­un­ter­­neh­ mens Shiseido. Die Wortmarke mit den lateinischen Buchstaben exis­tiert bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts und entwickelt sich­ schnell zur heutigen Form. In den 1960er Jahren wird neben der Wortmarke die formal ähnliche Peignot /04/ für­ die Titelzeilen, zum Beispiel auf Plakaten, eingesetzt.5 Auch findet eine Art Copperplate Gothic für kürzere Mengentexte Anwendung.6 Zu Beginn der 1990er Jahre sind die Texte in Optima oder Times gesetzt. Ausserdem liegt ein Majuskelalphabet vor /02/, welches für Titeleien zum Einsatz kommt /05/.­ Zur­ Überarbeitung dieses Alpha­ bets wird Helmut Schmid an­­gefragt, ein in Japan leben­ der, bekannter Gestalter deut­­scher Herkunft, ausgebil­ det an der Schu­le für Gestaltung in Basel. Er vermittelt den Auftrag mangels Zeit an den für ihn damals grössten Schriftgestalter Adrian Frutiger weiter.7 Das Majuskelalphabet muss nach Meinung Frutiger’s kom­ p­lett überarbeitet werden. Er kritisiert den Strichkon­trast zwischen fetten und feinen Linien, dass die Strich­stärke der Haarlinien nicht in allen Buchstaben gleich ist, die breite Proportion einiger Buchstaben, den Q-Schweif und­ vieles mehr. Auch ist im Vergleich mit der Wortmarke die Strichstärke des Alphabets leicht fetter und die runden Buch­staben sind schmaler gehalten /06/. In der Folge entwirft Fru­tiger ein komplettes Alphabet in ei­nem feinen Schnitt /08/. In Zusammenarbeit mit Serge Cortesi folgt ­di­rekt anschliessend auch ein­ Bold-Schnitt für Titel- und Auszeichnungstexte. Die Shiseido ist nicht Frutiger’s erste serifenlose Schrift mit ausgeprägtem Strichkon­ trast. Bereits 1959 konzipiert er für den Flughafen Orly eine auf der Peignot und der Uni­­­vers basierende Schrift für das Beschriftungs­system des Flughafens (siehe Seite 134). Bei Shiseido wird das Alphabet im Lauf der Zeit erweitert und auch die japanische Schrift dem Duktus der lateini­ schen angepasst,8 jedoch ohne Mitwirkung von Frutiger.­

/01/

/02/

/03/

Die Wortmarke von Shiseido, seit Beginn des 20. Jahrhunderts in ähnlicher Form verwendet, ist Grundlage für das Alphabet.

Das Vorgänger-Alphabet der Shiseido hat nur Majuskeln und wird als Titelschrift eingesetzt (Gestalter unbekannt).

Schriftentwurf in einer der Wortmarke ähnlichen Strichstärke – Klebsatz von Serge Cortesi mit Korrekturen von Adrian Frutiger.

/04/

/05/

Eine Schrift mit ausgeprägtem Strichkontrast und differenzierten Buchstabenbreiten ist die Peignot, 1937 von A. M. Cassandre.

Ausschnitt einer Broschüre, gesetzt im Vorgänger-Alphabet und der Optima (links), Probebelichtung der Shiseido Roman von Frutiger (rechts).

ACHMQRS /06/

Vergleich zwischen der Wortmarke, dem Vorgänger-Alphabet und der Shiseido Bold (v.o.n.u).

/07/

/08/

Produktebroschüre (undatiert) – Text in der Shiseido normal und halbfett gesetzt.

Frutiger’s Alphabet Shiseido im normalen Schnitt und einige Zeichen des Bold-Schnitts (unten).

ALPhAB eT s h i s e i DO

379

Schriftname Frutiger Capitalis

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1991 | 2005

Satztechnik Digitalsatz OpenType

Hersteller – Linotype

Schnitte 3

f  rutiger

C   APITALI S /01/

Undatierte Zeichnung zur ‹Capitalis Outline› – beim P und in der Folge auch beim R verwirft Adrian Frutiger die offene Punze.

/02/

Ausschnitt aus einer Probebelichtung von 14 Zeichen der 1992 in ‹Symbolica› umbenannten ‹Capitalis Outline› in 18 pt.

/03/

Historische Inschriften: Zwei römische Lapidarschriften um Christi Geburt (oben) und aus dem 1. Jh. n. Chr.

380

AKZ I D E N Z sch R I FT

Eine weitere römische Schrift Für das 1989 von Adrian Fruti­ger lancierte Linotype-Projekt ‹Type before Gutenberg› TBG steuert er selbst drei Schriften bei: Her­ cu­lanum, Pom­­peijana und Rusticana. Sie alle basieren auf­ antiken römischen Schriften. 1991 entsteht noch ein weiterer TBG -Entwurf, eine lichte Schrift­ mit zusätzlichen Symbolen /04/. Ihre Vorlage ist eben­falls bei den antiken römischen Lapidar-Inschriften zu­ suchen /03/, doch wie bei seinen anderen TBG-Schrif­ ten entspricht der Entwurf nicht direkt einem histori­schen­ Vorbild, sondern ist eine eigenständige Interpretation. Scheint die Herculanum vom Schrei­ben mit dem Stilus abgeleitet, die Pompeijana vom Schrei­ben mit der Rohrfeder und die Rusticana vom Einmeisseln in Stein, ist bei Frutiger’s Outline-Entwurf ein Werkzeug der Antike nicht mehr erkennbar. Die Schrift wirkt wie mit einem Filzstift ge­­­zeichnet. Für Adrian Frutiger hat das Entwerfen dieser Schrift etwas Befreiendes nach der Arbeit an so vielen ernst­haf­ten und akribischen Schriften.1 Unter dem Arbeits­­namen ‹Capi­talis Outline› wird der Ent­ ­wurf vom Gremi­um des Type Selection Meetings für das vierte TBG-Paket in Planung genommen und ein Business­ plan erstellt. 1992, nach Testbelich­tungen mit 14 reingezeichneten Buchstaben /02/, stoppt Linotype jedoch das in ‹Symbolica› umbenann­te Projekt. Fruti­ger schreibt in seinen Memoiren: «Ein weiteres Projekt war eine römi­ sche Kapitalschrift Outline mit etwas feier­lichem Ausdruck. … Das Projekt kam nicht zur Ausführung.» 2 2005 holt Linotype den Entwurf wieder hervor, überarbei­ tet ihn und veröffentlicht die Schrift unter dem Namen Frutiger Capitalis. Doch die Zeichenformen zeigen sich ge­gen­über dem Entwurf und der Probe­­­­belich­tung von 1992 weniger fein und weniger akkurat ausfor­muliert /06/, auch ändert die Aus­­rich­tung mancher Buch­­staben, zum Bei­spiel beim A. Zu­­dem sind die Kon­­tur­linien fet­­ter an­ ge­­legt und in den Winkeln verdickt. In ihrem Verlauf schei­nt die unregelmässige Linien­stärke eher willkürlich ent­stan­den zu sein, was besonders in den gros­­sen Graden­ er­­sichtlich ist /05/. Beim Regular-Schnitt, welcher durch das Aus­fül­len des Outline-Schnitts entstanden sein muss, fallen die teilweise optisch kleinen Pun­zen auf. Insgesamt ver­­­­­liert die Schrift etwas die von Adrian Frutiger angestrebte Feier­lich­keit. Die Frutiger Capitalis erscheint 2005 als OpenType-Font in den Schnitten Regular und Outline, erweitert durch den­ Signs-Zeichensatz.

/04/

B

Entwurf der ‹Capitalis Outline› mit Symbolen, vorgestellt am Type Selection Meeting im November 1991.

/05/

/06/

Adrian Frutiger’s Reinzeichnung von 1991 (schwarz) im Vergleich mit der digitalen Frutiger Capitalis (rot).

Vergleich von Frutiger’s Entwurf mit der Probebelichtung von 1992 und der Frutiger Capitalis (v. o. n. u).



AEN

/07/

Probebelichtung von 1992 zur Abstimmung der ‹Frutiger Signs› mit der damals noch ‹Symbolica› genannten Schrift. F R u T I g E R c A p I TA l I s

381

Frutiger Capitalis Signs Adrian Frutiger sieht beim Entwurf der ‹Capitalis Ou­tline› zusätzlich lineare Symbole vor. Zur Entstehung der Zeichen schreibt er: «Der erste Schritt bestand in der Auswahl, der im Buch ‹Der Mensch und seine Zeichen› 3 abgedruckten Zeichnungen zu realisieren. […] etwa 90 Zeichen […] sind zur Zeit in Verarbeitung mit Hilfe des Digitalsystems. […] Je länger ich mich mit diesem Projekt befasse, je umfangreicher dehnen sich die verschiedenen Ressorts [und] Zeichenvariationen aus. Ich hatte z. B. vorgesehen, 2 oder 3 Hand-Symbole zu zeichnen. Beim Durchdenken des Themas sind mehr als 20 daraus geworden.» 4 Die Symbole werden, um den vorgesehenen Umfang von 334 Zeichen unterbringen zu können, in vier Fonts aufgeteilt und 1992 unter dem Arbeitsnamen ‹Fru­tiger Signs› ausgelagert. Der Businessplan von Linotype hebt die Einzigartigkeit gegenüber bestehenden Pi-Fonts hervor,5 dennoch wird das Vorhaben zurückgestellt. Sind in der Probebelichtung von 1992 die Zeichen formal auf die Schrift abgestimmt /07/, ist dies bei der Fru­tiger Capitalis 2005 nicht mehr der Fall. Sie sind in Liniendicke und Qualität uneinheitlich und wirken ohne die nötige Sorgfalt erstellt. Es scheint, als wären sie nach dem Scan durch den Computer generiert worden. Die vorgenommene Auswahl und Unterteilung in acht Gruppen, ersichtlich im Prospekt /08/, ist nicht nachvollziehbar.6 Fru­tiger Capitalis Signs ist Adrian Frutiger’s persönlicher Kosmos an Symbolen, schreibt Linotype. /08/

Zwei Seiten aus dem achtseitigen Linotype-Prospekt von 2005 – die Signs sind in insgesamt acht Gruppen unterteilt.

/09/

Gemeinsam sind den drei Schriften mit lapidarem Charakter die anschwellenden, diagonal geschnittenen Strichenden.

HOFSTAINBERG Hoffmann  Richard Lipton ( Lothar Hoffmann )    1993

HOFSTAINBERG ITC Woodland  Akira Kobayashi 1997

Hofstainberg Frutiger Capitalis  Adrian Frutiger  2005

AB HM RX 3 8

ABHMRX=8 ABHMRX38 A geschwungener,  dynamischer  Abstrich, kleine  Punze

382

AKZ I D E N Z sch R I FT

B unterer Bogen  endet links  vom Stamm in  einem Sporn

H diagonaler  Querbalken

M V-Form  gerundet

R geschlossene  Punze

X abgerundete  Winkel,  Strichenden  anschwellend

3 Form oben  horizontal

8 kreuzende  Linien, Punzen  in der Spitze  abgerundet

Font-Herstellung : Digitalisiert durch   Linotype

Frutiger Capitalis Linotype 3 Schriftschnitte

Font-Format : OpenType Std

A   B C D E F G H I J K L M N  O   P Q R S T U V W X Y Z &  A   BCDEFGHIJKLMNOPQR  S  TUVWXYZ 1234567890

P   ourquoi Tan  t d’Alphabets difF érents! Tous servent A u même but, mais aussi à exprim er la diversité de l’homme. C’est cette même DIVe­r  sité que nous retrouvons dans les vins de Médoc. ­  J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la­ M­  ême année. Il s’agissait certes de vins, mais tous ét­  aient différents. Tout est dans la nuance du B­ouq­  uet. Il en est de même pour les caractères! Sie fragen sich, warum es Notwe  ndig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle ZUm sel  ben, aber machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie Beim W­ein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-WeInen aus de­m selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht ALLes der gl­  eiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different type­­faces. They all seRVE THE SAme purp ­ Ose but they express man’s diversity. It is the same diversity we fI­ 

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383

Schriftname Pompeijana

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf | Herausgabe 1992 | 1992

Satztechnik Digitalsatz PostScript

Hersteller – Adobe | Linotype

Schnitte 2

Pompe i jana Beim Projekt ‹Type before Gutenberg› folgten auf das erste Paket mit der Herculanum erst im dritten Paket wieder Schriften von mir: 1992 die Pompeijana und 1993 die Rusticana. Der Name­ Pompeijana kam von der Linotype.1 Er nimmt Bezug auf die antike Stadt, die 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuv verschüttet und erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt und freigelegt wurde. Hier finden sich an den Hauswänden einige Belege für diese Schriftform /05/. Aber in erster Linie wurde die Capitalis Rustica wohl mit der Feder auf Pergament geschrieben. Die klassischen Vorlagen sind eigentlich alle mit der Rohrfeder geschrieben. Das be­gann mit der Capitalis ­Qua­drata /05/ mit horizontaler oder sehr flacher Federstellung. Dann kam die ­Rusti­ca.2 Die Be­­­zeichnung erhielt sie durch ihr etwas rus­ti­kales, bäuerisches Aussehen gegenüber der Capita­lis Monumen­talis. Ihre Feder­haltung ist sehr steil, der Winkel wurde auf 25° bis 30° ge­ schwenkt /09/.3 Daher kommt der Wechsel des Strichs – von den dünnen respektive zarten Ab­ strichen zu den dicken Balken. Steiler ging nicht, das ist für mich ein Endpunkt in der schrift­ geschichtlichen Ent­wicklung. Es entstand eine Kapitalschrift, die sehr eng läuft und lebendig wirkt. Ähn­liches, aber mit viel steiferer Anmutung, geschah später wieder bei der gotischen Minuskel (Textura) mit den ganz engen spitzen Buchstabenformen /05/. Bei der Vorarbeit zur Pompeijana schaute ich in Albert Kapr’s Buch ‹Schriftkunst› und in­ ‹Hoffmanns Schriftatlas›.4 Auch wollte ich sehen, was Hans Eduard ­Meier in seiner ­Broschüre ‹Die Schriftentwicklung› zeigt /08/.5 Die Vorlagen meines Leh­rers an der Kunst­gewerbeschule in Zürich, Alfred Willimann, ­hatte ich ebenfalls zur Hand, mit diesen alleine begnügte ich mich aber sicher nicht. Erste Entwürfe zur Pompeijana habe ich mit der Breitfeder auf gut geleimtes Papier ge­ schrieben, ungefähr 30 pt gross, vielleicht ein bisschen grösser. Es ist ausser der Ondine die einzige Schrift, zu der ich die Vorlagen geschrieben und nicht ge­zeichnet habe. Es wäre mir unmöglich gewesen, eine Rundung so zu zeichnen, wie die Feder sie zieht. Solche Rundungen wie beim D oder O kann man nur mit der Feder schreiben. Das zu zeichnen wäre mir nie in den Sinn gekommen. Es muss doch fliessen. Mir ist die Feder durch das viele Schreiben in Fleisch und Blut übergegangen, und dies bewirkt vielleicht doch einiges für die Qualität einer Schrift. Es geht um die richtig proportionierte Dynamik im Strich. Jeder möge selbst einmal probieren, mit der Feder Schrift zu schreiben, am besten unter Anleitung. Andererseits hätte ich bei einer Antiqua­schrift nie einen Entwurf mit der Feder vorgeschrieben. Trotzdem sind zum Beispiel in der Méridien die Rundungen gut ge­wor­den. Ich glaube jedoch mit Bestimmtheit sagen zu können: Ein Schriftzeichner, der niemals Schrift geschrieben hat, schafft keine guten Rundun­ gen. Die Überläufe sind einfach heikel. Von Hand zu schreiben ist doch etwas anderes als zu zeichnen. Man erkennt beispielsweise in den Rundungen der Pompeijana eine andere Span­ nung und Lebendigkeit als etwa in der Méridien, die dann doch etwas Konstruier­tes oder, bes­ ser gesagt, etwas Ge­zeichnetes hat. 384

AKZ I D E N Z sch R I FT

Fortsetzung ‹Type before Gutenberg› Nachdem im ersten Paket des Projekts ‹Type before Gutenberg› mit der­ Herculanum (siehe Seite 370) eine und im zweiten Paket keine Schrift von Adrian Frutiger enthalten ist, sind es im dritten Paket gleich zwei Schriften: die ­Pompeijana und die Rusticana (siehe Seite 390). Wiederum handelt es­ sich um Schriften der römischen Antike. Der Name ­Pompeijana verweist auf den 79 n. Chr. vom Vul­kan Vesuv verschütteten antiken Ort Pompeji südöst­ lich­ von Neapel.6 Adrian Frutiger orientiert sich bei seiner kalligrafischen Schrift jedoch nicht an den dort vorge­fun­ denen historischen Inschriften /05/, sondern viel­­mehr an der antiken Buchschrift. Diese­ mit der Rohr­feder ge­schrie­ ­be­ne Schriftform der Capitalis Rustica /05/ wirkt durch ihren grossen Strichkontrast spitzer als die mit dem Flach­ pinsel auf die getünchte Mauer gemalten Inschriften in Pompeji. Für die Pinselschrift des 1. Jahrhunderts wie auch für die Rohr­federschrift des 4. Jahrhunderts gilt jedoch eine ganz spe­zielle schriftgestalterische Besonder­heit. Durch die oftmals sehr steile Haltung des Schreibwerk­ zeugs sind die vertikalen Striche­ feiner als die Horizontal­ striche /09/. Historisch gesehen, bleibt dies bis ins 19. Jahr­ hundert etwas Einmaliges in der latei­ni­schen Schriftform. Erst mit den so­ genannten Westernschriften, den Italienne (siehe Seite 346), findet diese aussergewöhnliche Aus­ prägung eine Entsprechung. Wie bei der Herculanum, der ersten kalligrafischen Schrift für das Projekt ‹Type before Gutenberg›, greift Adrian Fru­tiger auch bei der Pompeijana auf seine Erfahrungen aus dem Schriftunterricht bei Alfred Willimann an der Kunst­gewerbeschule in Zürich zurück. Seine Abschluss­ arbeit 1951 weist ebenfalls eine in Langholz geschnittene Ca­pita­lis Rustica auf /01/.7 Zudem schneidet er in seinem zwei­­ten Jahr als Schrift­entwerfer bei der Schrift­giesserei De­­berny & Peignot in Paris einen weiteren Holz­schnitt mit einer Rustica /02/. Es ist der Druckstock für die Neu­ jahrskarte mit besten Wünschen für das Jahr 1953. Eine möglichst getreue Nachbildung einer historischen Vorlage ist nicht Adrian Frutiger’s Ziel für die ­Pompeijana. Entsprechend wählt er nicht Fotografien einer bestimmten­ Vorlage, sondern konsultiert auch nach­geschriebene Ver­ sionen, wie jene von Hans Eduard Meier aus der Bro­ schüre ‹Die Schriftentwicklung› /08/. Wichtiger ist ihm, dass­ eine möglichst ausgewogene Satzschrift entsteht. Die­ Pompeijana entsteht 1992 und wird mit einem zusätz­ lichen Font für die Rahmengestaltung versehen.

/01/

Abschlussarbeit 1951, Holzschnitt von Adrian Frutiger – die rechte Seite des Leporellos zeigt eine Rustica des 4. bis 5. Jahrhunderts.

/02/

Neujahrsgrusskarte 1953 von Deberny & Peignot – der Holzschnitt mit Text in Rustica stammt vom neuen Mitarbeiter Adrian Frutiger.



P o m pei j ana

385

/03/

Undatierte Filzstiftzeichnung zur Pompeijana auf Transparent­papier, das E auf weissem Papier ist aufgeklebt (Originalgrösse).

/04/

Bleistiftzeichnungen auf montierten Transparentpapieren – mit dem Skalpell sind Fehler abgeschabt (leicht verkleinert).

386

AKZ I D E N Z sch R I FT

Gestaltung der Pompeijana Im Gespräch erwähnt Frutiger, dass er für den Entwurf der Pompeijana die Buch­ staben kalligrafiert hat.8 Ein solches Blatt ist nicht erhal­ ten geblieben, auch finden sich kaum Entwürfe zur Schrift. Einzig einige mit Filzstift auf Transparentpapier gezeich­ nete Buchstaben /03/ sowie die Ziffern und wenige wei­ tere Zeichen mit Bleistift auf Transparentpapier können hier gezeigt werden /04/. Bei beiden Entwürfen ist die formale Übereinstimmung zur realisierten Fassung recht gross, und dennoch sind bei einigen Zeichen auch offen­ sichtliche Unterschiede festzustellen. In manchen Buchstaben zeigt die Pompeijana Ähnlich­ keiten zur Rustica in Adrian Frutiger’s Diplomarbeit /01/, in anderen Buchstaben mehr zur geschriebenen Version von Hans Eduard Meier. Dass Frutiger diese zum Entwurf beizieht, bestätigt er im Gespräch und ist auch durch eine vergrösserte Kopie belegt.9 Zum Beispiel gleicht das C der Form von Meier, das S hat ebenfalls dessen geschlos­ senere Bogenform /08/ und auch das D ist in Frutiger’s Entwurf noch diagonal ausgerichtet. Bei der realisierten Fassung findet sich jedoch eine geänderte Form, nun ist sie runder, womit er sie näher an die Form seiner Diplom­ arbeit anlehnt. Auffällig wirkt das Q mit dem kurzen, nach unten gebogenen Schweif und das G mit dem unter die Schriftlinie ragenden Schaft. Während Ersteres um 500 n. Chr. in der Handschrift ‹Vergilius Palatinus› vorkommt /05/, ist Letzteres unüblich. Den diagonalen, verlängerten Schaft übernimmt Frutiger von Meier /08/.10

Ich achtete darauf, dass alle Vertikalen so fein als möglich sind, um einen Kontrast her­ vorzubringen zu den kurzen, dicken, horizontalen Strichen, wobei in meiner Schrift die feinen Striche vorherrschen. Der Wechsel von dick zu dünn, das ist ein heikler, aber schöner Kontrast­ ablauf. Betrachtet man die Buchstaben D und R der Pompeijana im Wort ‹Druckschrift› der letzten Zeile des Satzmusters /06/, fällt auf, dass die Abstriche wirklich sehr fragil sind. Interes­ sant ist in diesem Zusammenhang ein Blick in die handschriftlichen Vorlagen, den ‹Vergilius Palatinus› zum Beispiel /05/. Dort sind die dünnen Striche teilweise sogar noch feiner. Es ist auch alles sehr eng geschrieben, verschmilzt fast ineinander. Das Schriftbild der Pompeijana dagegen ist heller; meine Schrift läuft weiter. Es zeigt sich hierin deutlich meine Art von Schrift­ Setzen anstelle von Schrift­Schreiben. Jeder Buchstabe wirkt für sich und hält doch mit seinen Nachbarn das Wort zusammen. Es ist ein grosser Unterschied, ob ich eine solche Schrift schreibe oder aber setze bzw. so zeichne, dass sie gesetzt werden kann. Daher gibt es ein paar Unterschiede zu den Vorlagen aus dem 4. Jahrhundert. Die Buchstabenweiten sind von mir ein wenig angeglichen worden, die Innen­ und Zwischenräume der Buchstaben sollten in etwa gleich sein. Das ist mir einfach in Fleisch und Blut übergegangen, das kann ich nicht ändern. Das E zum Beispiel ist bei mir breiter und somit leichter vom F zu unterscheiden /06/ – in den alten Handschriften ist das durchaus nicht eindeutig –, und beim M der Pompeijana sind die Schrägen weniger steil als in den historischen Vorlagen, der Buchstabe wirkt dadurch luftiger. Meine Buchstaben laufen insgesamt recht breit, die Serifen sind zudem sehr kurz, fast nur ein Punkt; dadurch ist die Bandwirkung der Zeilen nicht so deutlich wie in den Rustica­Vorlagen. Die Schrift ist aber besser lesbar.

/06/

Satzmuster von 1991 – ‹Rustica 1›, welche Frutiger’s Reinzeichnungen entspricht, und ‹Rustica 2›, eine etwas kräftigere Version (v.o.n.u.).

/07/

/05/

Historische Handschriften: Wandschrift in Pompeji, 1. Jh.; Capitalis Rustica ‹Vergilius Vaticanus› und ‹Vergilius Palatinus›, 4. Jh.; Capitalis Quadrata, 4. Jh.; gotische Minuskel, 15. Jh. (v.o.n.u.).



Im Entwurf ist die Öffnung des O unten, bei den Probebelichtungen oben, in der ausgeführten Version wiederum unten (v. l.n.r.).

O Po m PE IjA N A

387

/08/

Die von Hans E. Meier geschriebene Capitalis Rustica aus der Broschüre ‹Die Schriftentwicklung› ist eine Vorlage für die Pompeijana.

/09/

Mit dem Winkel beim Schreiben mit der Breitfeder verändern sich Strichstärke und Strichkontrast – Römische Capitalis, Capitalis Quadrata, Capitalis Rustica (v. l.n.r.). 45 – 6 5° ( 2 5 – 4 5°)

80 – 9 0° ( 0 –10°)

10 – 3 0° ( 6 0 – 8 0°)

Schriftenvergleich Im ‹Fontbook›, dem umfang­ reichen Schriftenkatalog des FontShop International von 2006, sind die Carus und Pompeijana den Blackletter, die Virgile den Display­Schriften zugeordnet.11 Obwohl ein formaler Bezug zu den gebrochenen Schriften nicht ganz von der Hand zu weisen und auch die Einteilung als Titel­ satzschrift möglich ist, ganz glücklich ist die sehr diffizile und aufwendige Zuordnung hier nicht gelöst. Historisch richtig und formal stimmig wäre der Platz im Register der Skripten gewesen.12 Die drei Schriften des Typus Capitalis Rustica entstehen alle Anfang bis Mitte der 1990er Jahre. Den historischen Gegebenheiten entsprechend handelt es sich um reine Majuskelschriften, da in den antiken Rustica­Handschrif­ ten noch keine Kleinbuchstabenformen vorhanden sind, obschon diese Entwicklung zur Zeit der Rustica im 4. und 5. Jahrhundert bereits eingesetzt hat.13 Beim Vergleich der Schriften zeigen sich Unterschiede in den Buchstabenformen wie beim A, das bei der Virgile gemäss den Vorlagen keinen Querstrich hat. Unterschied­ lich ist auch die Anlage der Schriften. Die Virgile ist insge­ samt kräftiger gehalten und hat weniger Strichkontrast. Sie wirkt dadurch weniger spitz als die Pompeijana und die Carus, welche beide sehr feine Haarstriche aufweisen. Durch die weniger stringente Strichführung und die teil­ weise engen Punzen entsteht bei der Carus ein fleckiges, aber kein atypisches Schriftbild für eine handschriftlich hergeleitete Druckschrift /10/.

/10/

Verglichen mit den beiden anderen Rustica-Interpretationen wirkt die Pompeijana heller, härter und spitziger.

HOFSTAINBERG Virgile Franck Jalleau 1991

HOFSTAINBERG Pompeijana Adrian Frutiger 1992

AB F G K Q V1 5 ABFG KQ V 1 5 A kurzer, über  dem Aufstrich  liegender  Querbalken

HOFSTAINBERG Carus Jürgen Brinckmann 1995

388

AKZ I D E N Z sch R I FT

B Punzen offen und  geschlossen, nicht  ganz so extremer  Grössenunterschied

F Versalhöhe  bleibt  eingehalten

G gebrochene  Bogenform, Schaft  unter die Grundlinie ragend

K oberer Arm  nach rechts  gebogen

Q kurzer Schweif  nach links  zurückgebogen

V Diagonalen  durch Lücke  voneinander  getrennt

15 Rhombusförmige  Serife, sehr  spitze Anmutung

ABFG K Q V15

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Pompeijana™ Linotype 2 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType OpenType Std

 A B C D E F G H I J K L M N   O P Q R S T U V W X Y Z &   ABC D E FGH I J KLMNOPQ R   STU V W XY Z 1 2 3 4 56 7890

 Pourquoi tant  d’Alphabets différenT s! Tous servent au même but, M ais aussi à exprimer la diversité de l’hoM me. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vi ns de Médoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différ  ents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même po ur les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notWEndig ist, so

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Borders

viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen d ie Viel­falt des Menschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich hab­e einmal eine Weinkarte studiert mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnah mslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many di­fferent type­­faces. They al l serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was differ ent from the others. It’s the nuances that are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous s ervent au même but, mais aussi à exprimer lA diversité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de M édoc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même an née. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout e st dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractèr

61 pt | –5

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9.5 pt | 13 pt | 50



7.5 pt | 10.2 pt | 60

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389

Schriftname Rusticana

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf  | Herausgabe 1992 | 1993

Satztechnik Digitalsatz PostScript

Hersteller – Adobe | Linotype

Schnitte 2

RUS TICANA Die Rusticana erschien 1993 als weiterer Zusatz zum Projekt ‹Type before Gutenberg›. Vorlage für diese Schrift sind die römischen Lapidarschriften des 3. bis 2. vorchristlichen Jahr­hun­derts,­ wie sie beispielsweise František Muzika in ‹Die schöne Schrift›, Band 1, zeigt /09/.1 Aber im Grun­ de ist die Rusticana eine Kreation von mir bezie­hungsweise eine Mischung aus historisch Überliefertem und meinem per­sönlichen Stil. Es handelt sich einfach um eine Arbeit aus dem Geist der römi­schen Antike heraus, umgewandelt in die moderne Zeit. Der ­Schriftname stammte von Linotype. Die Namensgebung ist sehr wahrscheinlich vor allem für Paläografen ver­wirrend. Meine ein Jahr früher ­entstandene Pompeijana verkörpert nämlich den Stil der so­ genannten Capitalis Rustica (siehe Seite 387), während die Rusticana benannte Schrift eher mit der deut­ lich älteren römi­schen, zumeist in Stein gemeisselten Lapidar verwandt ist /07/. Ich bin nie an ein Type Selection Meeting gegangen, ohne etwas ­Neues vorzustellen. Man hat­ fast erwartet, dass ich mit einem Entwurf erscheine. Irgendwie fühlte ich mich gezwungen, nicht mit leeren Händen hinzugehen. Mein Vorschlag zur Rusticana beruhte wohl auf einem Kleb­satz. Meist hatte ich am Anfang nur das Testwort ‹OHamburgefonstiv›. Das war natürlich noch­ nicht perfekt ausgegli­chen. Über die Zurichtung kann man sich bei diesem Testwort aber gar kein richti­ges Urteil bilden, denn die Formen und Gegenformen sind viel zu unterschied­ lich.­ Üblicherweise stellt man jeden Buchstaben zwischen zwei m oder n, bei Versalschriften zwischen zwei H, um eine gute Zurichtung zu erhalten. Es gibt ein Plakat meines Lehrers Alfred Willi­mann zu einer Ausstellung über altrömische Porträtplastik; so schön und lebendig die La­pidar­­schrift hier ist, die Abstände zwischen den Buchstaben stimmen nicht. Das hat mich bei­ Willimann immer gewundert. Ich denke, wer niemals selbst im Winkelhaken spationiert hat,­ der be­herrscht das einfach nicht. In den Meetings wurde oft über die Zurich­tung diskutiert. Rein­hard Haus hat ein ungeheuer scharfes Auge, er konnte immer sofort ein prägnantes Urteil fäl­len. Auch Arthur Ritzel und sein Nachfolger Werner Schimpf hat­ten das im Blut, sie waren ja noch an den Umgang mit den Linotype-Matrizen gewöhnt. Das ist ein Hauch zu weit, hiess es­ dann, oder ein Hauch zu eng. Betrachtet man das erste Satzmuster, dann fällt das Wort ‹SONNENTAU› noch auseinander, besonders zwischen den beiden N /01/. Meine Entwürfe sind mit dem Filzstift entstanden /04/, teilweise habe ich sie getupft /05/. Sie­ zeigen eine Betonung der serifenartigen Ausläufe. Charakteristisch für die Rusticana ist, dass­ die leicht verbreiterten Endstriche nahezu im rechten Winkel zur Strichführung geschnit­ ten­ sind. Typisch sind auch die stark unterschiedlichen Buchstabenbreiten. Die runden Buch­ staben­ wie etwa C und S sind sehr schmal, die übrigen eher weit gehalten. Interessant finde ich das Q,­ es wirkt archaisch. Und die Ziffern treten sehr eigenständig auf /11/.

390

AKZ I D E N Z sch R I FT

‹Type before Gutenberg› zum Dritten Für seine dritte Schrift innerhalb des Linotype-Projekts ‹Type before Gutenberg› greift Adrian Frutiger erneut auf eine Schriftform der römischen Antike zurück. Vorlage sind Stein­inschriften des 3. und 2. Jahrhunderts vor unserer Zeit­rechnung /07/. Die Grundlage der Rusticana ist also schrift­geschichtlich älter als jene von Herculanum und Pom­peijana. Die Anmutung von Frutiger’s Lapidarschrift (lat. ‹lapis›, ‹lapidis› Stein; ‹lapidarius› in Stein gehauen) wirkt jedoch durch ihre grafische Qualität eher zeitnaher gegenüber den anderen beiden Schriften mit kalligrafi­ schem Charakter. Eine der Rusticana ähnliche Schrift findet sich in Adrian Fru­tiger’s Diplomarbeit nicht, denn die ‹frühe römische Kapitalis› schneidet er ohne anschwellende Strichenden ins Holz.2 Formal verwandt ist aber eine Titelschrift, deren Strich­enden betonter und weniger ver­mittelt aus­fallen /08/. 1976 zeichnet Adrian Frutiger die Buchstaben für die er­schie­­­ne­ne Broschüre ‹Le Louvre›.3 Das Pariser Museum ist regel­mässiger Kunde im Atelier Frutiger et Pfäffli, und es­ ist Bruno Pfäffli, der über Jahre hinweg Publika­tionen für das Museum gestaltet, auch die Broschüre. Oft setzt er­­ dafür als Erster die Schriften Frutiger’s ein. Auf einem handgeschriebenen Blatt von Linotype wird im­ Februar 1992 die Frage aufgeworfen, ob es weitere Vor­schläge ausser den beiden Namen Pompeijana und Rusticana gibt. Gemäss dem Blatt laufen zu diesem Zeitpunkt noch beide Schriften unter dem Namen ‹Rustica›. Auch Adrian Frutiger’s zwei Ordner mit den Kopien der Rein­zeichnungen tragen diese Bezeichnung.4 Der Name Rusticana kann nicht als glücklich bezeichnet werden. Die Verwirrung mit der Pompeijana, welche dem Typus der Capitalis Rustica entspricht, ist einfach zu gross. Zudem fehlt ein eigentlicher Bezug zu rustikal, bäuerisch. Dem dritten Paket des ‹TBG ›-Projekts gehört neben der Pom­peijana und der Rusticana noch Karlgeorg Hoefer’s Notre Dame an /10/. 1993 entstanden, ist diese von der go­tischen Minuskel des 14. und 15. Jahrhunderts ab­ge­lei­ tet.­ Alle drei Schriften enthalten einen Schriftzeichensatz und eine Erweiterung. Adrian Frutiger schafft für die Ge­ staltung von Rahmen und Hinter­grundmuster so genannte­ Border-Fonts und auch Karl­georg Hoefer entwirft einige wenige Ornamente /10/. Von 1990 bis 1993 veröffentlicht Linotype neun Schriften des Projekts ‹Type before Gutenberg›; diese werden auch­ von Adobe ins Programm aufgenommen.

/01/

Undatierter Probesatz der Rusticana in den Grössen 10 bis 24 pt – die Zurichtung der Schrift ist noch nicht ganz befriedigend gelöst.



Ru sTIcANA

391

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Plakat, 1953 von Alfred Willimann – passend zum Ausstellungsthema ‹Altrömische Porträtplastik› entwirft er eine lapidare Schriftform.

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Titelgestaltung für einen Artikel der Zeitschrift ‹Art de France› 1962 von André Gürtler in Zusammen­ arbeit mit Adrian Frutiger.

/04/

Undatierte Entwürfe zur Rusticana – die Strichenden werden in der Folge noch verstärkt und die Zeichen erfahren formale Änderungen.

/05/

Undatierter Entwurf mit Filzstift auf glattes Papier getupft – die Formen beziehen sich auf christliche Inschriften des 4. bis 6. Jh. n. Chr.

392

AKZ I D E N Z sch R I FT

Formänderungen der Strichenden Bei den frühen griechischen Inschriften­ findet sich ein lineares Schrift­bild. Durch das Einritzen in Stein leiten sich zu­­dem die verjüng­ ten, abgerundeten Strichenden ab /06/. Dieselbe Strichgebung weisen römische Inschriften des 6. bis­ 4. Jh. v. Chr. auf. Mit grösserer Akuratheit geschaffene Inschriften zei­ gen weniger verjüngte und weniger abgerun­dete Enden sowie im 4. Jh. v. Chr. auch rechtwinklige Ab­schlüsse /06/  – eine Qualität, wie sie weit früher schon in­ den griechi­ schen In­schrif­ten besteht. Diese bilden den Aus­gangs­ punkt unserer serifen­losen Schriften. Bereits um 250 v. Chr. wird in römischen Inschriften der ge­stalterische Wille sichtbar, die Abschlüsse zu be­tonen. Es entstehen Schriften mit anschwellenden Strichenden /07/. Frutiger greift diesen gestalterischen Ansatz für die Rusticana auf. In seinen ersten Entwürfen verlaufen die Abstriche aber noch beinahe parallel /04/. In den zwei Jahrhunderten vor Christi Geburt entwickeln die Stein­metze immer mehr eine Schrift­form mit Serifen, wobei die Schriften noch von linearer Gestalt sind /09/. Etwa ab 50 v. Chr. wird dann durch das Vormalen mit dem Flachpinsel und das Meisseln die Strichmodulierung zum Standard, es entsteht die Capitalis Monumentalis /09/. Daneben bleibt die lineare Form weiter bestehen. Be­son­ de­rs christ­liche Inschriften Roms zeigen diese Eigenschaft bis­ ins 6. Jh. n. Chr. /07/. Ein Entwurf Frutiger’s deu­tet an, dass diese Schriftform mit den eigentlichen End­strichen eben­falls in seine Überlegungen hineinspielt /05/.

/06/

Die Striche der römischen Inschriften vom 6. bis 1. Jh. v. Chr. zeigen eine Entwicklung vom verjüngten Ende zur Serifenform.

/07/

/08/

Historische Inschriften: Römische Lapidar des 3. Jh. v. Chr. (oben, Mitte) sowie eine christliche Inschrift des 5. Jh. n. Chr. (unten).

Umschlag der von Bruno Pfäffli 1976 gestalteten Broschüre für den Louvre in Paris mit einem Schrift­ entwurf von Adrian Frutiger.

/09/

Von František Muzika nach­ gezeichnete römische Inschriften: 250–150 v. Chr., 1. Jh. v. Chr. und 1. Jh. n. Chr. (v. l. n. r.).



R u s ti c ana

393

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Pompeijana

/10/

‹Type before Gutenberg› 3 enthält Frutiger’s Pompeijana und Rusticana mit je einem Border-Font sowie Karlgeorg Hoefer’s Notre Dame mit einigen Ornamenten.

       

  Rusticana

    Notre   Dame  

Schriftenvergleich Die gemeinsame Basis der drei un­­­ten gezeigten Inzisen ist ihre antike Herkunft. Doch es­ sind keine Kopien historischer Inschriften, sondern sie weisen eigene Stilmerkmale auf. Die Schriften besitzen rechtwinklig geschnittene Strich­ enden. Trotzdem unterscheiden sie sich in diesem Merk­ mal wesentlich. Die Lithos beruht auf den griechischen In­schriften des 4. Jh. v. Chr.; Serifen haben sich zu dieser Zeit noch nicht herausgebil­det. Das Vorbild der Rusti­ca­na­ sind römi­sche Inschriften um 200 v. Chr. mit konkaver Strichführung /07/.5 Die Strichenden (von Serifen kann in­ dieser frühen Form noch nicht gesprochen werden) sind be­tont und führen in einem weichen Übergang zur Mitte­ des Stammes, wodurch die konkave Form entsteht. Die Syntax Lapidar Serif verweist auf Vorlagen mit deutlich sicht­baren Endstrichen, die sich um 200 v. Chr. herausbil­ den.­ Ein verkürzter Übergang in den Stamm gibt ihnen die­ Gestalt stumpfer Dreiecke. Besitzt die Lithos stark differierende Buch­­sta­ben­breiten, was selten zu finden ist bei den griechi­schen In­schriften, so­ sind jene der Syntax Lapidar Serif eher angeglichen, was­ wiederum für eine frühe römische Inschrift un­ge­wöhn­ lich ist. Im Gegensatz zur Lithos und Rusticana mit den quadratischen Proportionen weist die Syntax Lapi­dar­ Serif eine konstant rechteckige Ausdehnung auf. Alle drei Schriften besitzen unsere heutigen Formen der Ziffern. Ursprünglich verwenden die Griechen und Römer aber Buchstaben als Ziffern.

/11/

Zwischen der Lithos ohne Serifen und der Syntax Lapidar Serif mit den Endstrichen steht die Rusticana mit ihren Schwellserifen.

Hofstainberg L  ithos C  arol Twombly 1  989

Hofstainberg R  usticana A   drian Frutiger 1  993

CLpQ uy 3 4 CLPQUY34 C sehr enge Bogen­form, anschwellende Strichenden

HOFSTAINBERG S  yntax Lapidar Serif Display H  ans Eduard Meier 2  000

394

AKZ I D E N Z sch R I FT

L Querbalken ansteigend

P Punze unten offen

Q Schweif vertikal

U Ab- und Aufstrich nicht senkrecht, spitzer Bogen

Y asymmetrische Form, offener Winkel, Strichenden diagonal geschnitten

3 Form oben horizontal, unten offen

4 offene Form, Enden schräg geschnitten

CLPQUY34

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : OpenType Std

Rusticana™ Linotype 2 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : PostScript-Type-1 TrueType

A B C D E F G H I J K L M N  O   P Q R S T U V W X Y Z &  ABCDEFGHIJKLMNOPQR   STUV   WXYZ1234567890

Y   ou may ask

Å B Ç D È F G  H I J K L M Ñ  Ô P Q R Š T Ü  V W X Y Z &  ÆŒ ¥ $ £ € 1234567890 åbçdéfghij  klmñôpqr    štüvwxyz  fiflæœøłð [ . , : ; · ’/ - – — ] (¿¡“« ‹ › » ”!?) {§° % @ ‰* †}  Roman

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5 pt | 8 pt | 15 R u s ti c ana

395

Schriftnamen Frutiger Stones / Frutiger Symbols

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf | Herausgabe 1992 | 1998

Satztechnik Digitalsatz PostScript

Hersteller – Linotype

Schnitte 3/3

FRUTIGER

STONES

/01/

Weihnachtsgruss 1992 von Adrian Frutiger.

396

AKZ i D e n Z SCH r i Ft

Vom Stein zur Schrift Die Natur spielt eine grosse Rolle in Adrian Frutiger’s Schaffens- und Lebensphilosophie. Schon während seiner Studienzeit in Zürich sammelt er Kieselsteine im Flussbett der Sihl und ritzt Formen und Schriftzeichen in ihre Oberfläche (siehe Seite 14). Mit dem Ursprünglichen setzt er sich vor allem in seinem künstlerischen Werk intensiv auseinander. Aus schriftgeschichtlichen Abhandlungen sind Adrian Frutiger ausserdem die prähistorischen Steine von Mas d’Azil bekannt /02/,1 auf welche Zeichen in schwarzer und roter Farbe gemalt sind. Ihr Alter wird mit 12 000 bis 6000 v. Chr. angegeben, und sie stellen einen Vorrat an entwickelten Zeichen dar.2 An einem Type Selection Meeting von Linotype kommt ein Vorschlag von Jyll Becker zur Besprechung, ein auf dreieckigen Konturen basierender Schriftentwurf, innerhalb derer die ebenfalls dreieckförmigen Buchstaben integriert sind /03/. Der Entwurf wird nicht zur Ausführung gebracht, aber bei Adrian Frutiger fällt die Idee, innerhalb einer variablen Grundform ein Alphabet zu entwerfen, auf fruchtbaren Boden. Mit spielerischem Ansatz eine Schrift zu kreieren hat ihn seit seiner Zeit bei Deberny & Peignot, auf der Suche nach Titelsatzschriften, beschäftigt. Er skizziert innerhalb seines eigenen Formenkanons in amorphen Konturen ein Alphabet und sendet es in Anspielung auf den Entwurf Becker’s als Weihnachtsgruss an Otmar Hoefer /01/. Das Schreiben landet bei den Akten, bis Linotype sich auf der Suche nach neuen Schriften 1998 wieder darauf besinnt. Die Schriften ihres – neben Hermann Zapf – wichtigsten Gestalters Adrian Frutiger verkaufen sich gut, und eine solche Art von FrutigerSchrift wäre etwas Neues. Frutiger sagt im Gespräch 2002: «Sie graben bei Linotype die alten Sachen aus und fragen mich, ob sie damit was machen dürfen. Ich sagte: Macht nur, ich mache nichts mehr.» 3 So entsteht bei Linotype diese unkonventionelle Schrift. Gegenüber Frutiger’s Entwurf sind die Konturformen in der digitalen Umsetzung glatter, das N zum Beispiel besitzt eine kreisrunde Aussenform. Die Kontur weist ausserdem in allen Zeichen eine durchgehend gleiche Strichstärke auf, wodurch die Schrift an Reiz verliert. Von Frutiger als Rolling Stones bezeichnet, bekommt sie bei Linotype den Arbeitsnamen Frutiger Pebbles 4, bis sie bei der Veröffentlichung 1998 den Namen Frutiger Stones erhält.

/04/

Schriftmusterprospekt zur Frutiger Stones und Frutiger Symbols, gestaltet von Leonardi .Wollein, Berlin.

/02/

/05/

Bemalte Kieselsteine aus der Mittelsteinzeit (Mesolithikum), gefunden in der Höhle von Mas d’Azil in Südfrankreich.

Entwurfszeichnung von Adrian Frutiger für zwei verschiedene Et-Zeichen, realisiert wird nur das rechte.

/03/

/06/

Jyll Becker’s Entwurf mit dem Titel ‹Dreiecksvariationen›, eingereicht bei Linotype 1992, basiert auf einer einheitlichen Grundform.

Die Kleinbuchstabentastatur (unten) enthält die Versalformen, die aber auf der Grundlinie versetzt und teilweise gedreht sind.

HAMBURGEFONS hamburgefons

F r u t i g e r S t o n e S / S y m b o l S

397

/07/

/08/

Einige Entwurfszeichnungen zur Frutiger Symbols, mit handschriftlichen Notizen von Adrian Frutiger.

Sieben verschiedene Darstellungen sind mit den drei bestehenden Schnitten (links) durch Überlagerung (rechts) möglich.

Frutiger Symbols Der Frutiger Stones wird ein SymbolFont in drei Schnitten zur Seite gestellt. Symbole sind Frutiger’s zusätzliches Spezialgebiet, denn er beschäftigt sich seit Jahren mit ihnen und gibt 1978, 1979 und 1981 die dreibändige Publikation ‹Der Mensch und seine Zeichen› heraus.5 Insgesamt 51 verschiedene Symbole zeichnet Frutiger, er teilt sie in vier Gruppen ein: AF-Symbole (aus seinem künstlerischen Schaffen abgeleitet), Tiere, Kartenspiel, Zodiac-Zeichen (astrologische Zeichen) /07/ und, ohne Gruppe, das Gegen-Atom-Zeichen. Als es bei Linotype zur Realisation der Frutiger Symbols kommt, kann er also auf einen reichen Fundus zurückgreifen. Einige Formen übernimmt er aus seiner Publikation, andere entwirft er neu, aber alle sind speziell auf dem Konzept von Kontur- und Innenform aufgebaut, dem Duktus der Frutiger Stones angepasst. In der Frutiger Symbols besonders zur Geltung kommen Form und Gegenform, denn die Gegenform ist durch die Konturlinie gefasst. Durch die Gleichwertigkeit der beiden Formen ergeben sich viele Spielarten der Kombination von Vordergrund und Hintergrund /08/. Die drei verschiedenen Schnitte Regular (Symbol mit Kontur), Positiv (Symbol ohne Kontur) und Negativ (Gegenform des Symbols) können jeweils durch Überlagerung miteinander kombiniert werden, eine weitere Möglichkeit ist die Kombination aller drei Schnitte miteinander. Alle drei Fonts sind dicktengleich.

/09/

Alle drei Schriften besitzen eine mehr oder weniger sichtbare flächige Begrenzung, welche der Schrift ihre Form gibt.

H0FSTAINBERG C  ameo Solid David Farey / Richard Dawson 1  995

HOFSTAINBERG F  2F Poison Flowers  Alessio Leonardi 1  998

Hofstainberg F  rutiger Stones  Adrian Frutiger 1  998

ABH K N RY50 A BH KN R Y50 A B H K N R Y 50 A Schenkel  asymmetrisch

398

AKZ i D e n Z SCH r i Ft

B Achse leicht  nach links  geneigt

H  obere Punze  grösser als  untere Punze

K  Schwerpunkt  im oberen  Bereich

N  Konturform  er scheint  geo metrisch  kreisrund

R  Achse leicht  nach rechts  geneigt

Y Abstrich  senkrecht  ausgerichtet

5 0 ovale  Grundform

Font-Herstellung : Adobe Font digitalisiert durch Linotype

Font-Format : PostScript-Type-1

Frutiger Stones / Frutiger Symbols Linotype je 3 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : TrueType

ABCDEFGHI JKL M N OPQR S T U V W X Y Z & abcdefghijklmnopqr stuvwxyz1234567 890

Sie fragen sich warum es notwendig ist so vi ele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Vielfalt des Menschen aus D­i­e­ s­e Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe ei­ n­­mal eine Weinkarte studiert mit sech­z­ ig­­ Médoc-­Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different typefaces. They all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the same diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines fea turing sixty different Médocs all of the same year. All of them were wines but each was different from the others. It’s the n­ua­ nces that are important. The s ame is true for typefa­ c­­es. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous ser vent au même but, mais aussi à exprimer la diversi­té de l’homme. C’est cette même diversité que nous r­e ­trouvons dans les vins de Medoc. J’ai pu, un jour, r­el­ e­­ver soixante crus, tous de la même année. Il s’agis­ sait certes de vins, mais tous étaient différents. T­ o­­ut est dans la nuance du bouqu bouque quet. Il en e­s­­

58 pt | –95

42 pt | –70

30 pt | –60

21 pt | –55

14 pt | 19 pt | –35



t de même pour les caractères! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie d­i­ e­­nen alle zum selben, aber mac­ hen die Viel­falt des Menschen a­us. Diese Vielfalt ist wie be­i­­ m­ Wein. Ich habe einmal eine W­­ e­inkarte studiert mit sechzi­g Médoc-Weinen aus d selben Jah

9 pt | 13 pt | –25

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0 4 8 < D H L P a e i m q

Stones Regular

Symbols Regular

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0 4 8 < D H L P a e i m q

Stones Positiv

Symbols Positiv

ÅBÇDÈFG HIJKLMÑ ÔPQRSTÜ V W X Y Z & Æ Œ ¥ $ £ € 1 2 3 45 678 90 åbçdéfghij klmñôpqrs tüvwx yz / fi flæ œ ø fl ( . , : ; ·’/ - – — ) [¿¡“« ‹ › » ”!?] { § °%@‰ * † }

0 4 8 < D H L P a e i m q

Stones Negativ

Symbols Negativ

1 5 9 A E I M Q b f j n r

1 5 9 A E I M Q b f j n r

1 5 9 A E I M Q b f j n r

F r u t i g e r S t o n e s /  S y m b o l s

2 3 6 7 : ; B C F G J K N O R S c d g h k l o p s

2 3 6 7 : ; B C F G J K N O R S c d g h k l o p s

2 3 6 7 : ; B C F G J K N O R S c d g h k l o p s

399

Schriftname Frutiger Neonscript

Auftraggeber Westiform

Gestalter Adrian Frutiger

Entwurf | Herausgabe 1996 | 1996

Satztechnik Neonröhren Digitalsatz TrueType

Hersteller – Westiform – URW

Schnitte 1 1

FR U T IG E R

N E ON S C R IP T /01/

Geschriebene Initialen zur Grotesk, um 1930 von Rudolf Koch – mit der linearen Strichführung ist sie passend zur Kabel erstellt.

/03/

Schriftentwürfe von Adrian Frutiger mit verbundenen Zeichen Anfang der 1950er Jahre für Deberny & Peignot (verkleinert).

/02/

Bekannte verbundene Schriften verschiedener Stile: Künstlerschreibschrift 1902, Kaufmann 1936, Mistral 1953.

Künstlerschreibschrift Kaufmann Mistral 400

s i g N A L i s At i o N s s c H r i F t

Eine Neon-Leuchtschrift Obwohl Adrian Frutiger zwischen 1952 und 1954 Versuche unternimmt, verbundene Schriften zu zeichnen, ist die 1996 entstandene Frutiger Neonscript die einzige, welche im Lauf seines Schriftschaffens ausgeführt wird. Auf der Suche nach neuen Akzidenzschriften, welche zur Realisation der Initiales Phoebus (siehe Seite 38) und Ondine (siehe Seite 50) führt, entstehen während seiner frühen Zeit bei Deberny & Peignot drei Skizzen, die er bis heute auf bewahrt hat /03/. Es handelt sich um geschriebene Formen, bei denen die Dickten und damit die Anschlüsse der Buchstaben durch Vertikalstriche gekennzeichnet sind. Der Ansatz einer verbundenen Schrift wird nicht weiterverfolgt. Adrian Frutiger nimmt folgendermassen Stellung: «Für mich besteht eine Druckschrift immer aus einzelnen Buchstabenelementen. Die bestehenden Schreibschriften bei Deberny & Peignot, die so genannten Calligraphiques, waren sehr gut gemacht, aber ich wusste, was es für die Schriftgiesser bedeutete, diese zu produzieren. Eine solche Schrift hat wegen der Genauigkeit in der Herstellung dreimal so viel gekostet wie eine normale Schrift. Ich kannte auch die Mistral /02/ von Roger Excoffon. Diese Freiheit im Schreiben hat mich fasziniert und ich habe immer gedacht, eine solche Schrift würde ich auch gerne machen. Im Wort ‹moteur› /03/ sieht man den Versuch, etwas im Stil der Mistral zu machen. Das hätte man ausarbeiten können.»1 Auch lineare verbundene Schriften entstehen im Druckschriftenbereich, meist für die Kombination mit serifenlosen Schriften /01/. Es bedarf besonderer Umstände, bevor Frutiger sich an die Ausarbeitung einer verbundenen Schrift macht. In den 1980er Jahren lernt er Niklaus Imfeld kennen,2 den Besitzer der Westineon 3, in dessen Firma vor allem die Univers und die Frutiger für die Leuchtreklamenherstellung eingesetzt werden. Zu Imfeld entwickelt sich eine Freundschaft, und Frutiger entwirft 1987 bei der Namensänderung der Firma in Westiform nicht nur das neue Logo (siehe Seite 360), sondern konzipiert 1996 eine verbundene lineare Schrift für die Herstellung von Neonbeschriftungen. Wie schon so oft wird Frutiger also für den Entwurf einer Schrift von einem technischen Aspekt motiviert. Die Frutiger Neonscript wird auch im TrueType-Format als Digitalfont hergestellt /04/ – zu welchem Zweck bleibt allerdings unklar.4 Frei erhältlich ist sie nicht.

/04/

Figurenübersicht der Frutiger Neonscript im Digitalsatz TrueType von URW.

A B C D E FG H IJ K LMN O P Q R S T U V WX Y Z ab c d e fghijkl m n äop q rst uv wxy z 12 3456 78 9 0

/05/

Anwendung der dreidimensionalen Neonleuchtschrift Frutiger Neonscript.

/06/

Skizzen von Adrian Frutiger zu den Versalien der Frutiger Neonscript (links) und Alternativvarianten (rechts).

FR UTIG E R N EON SC R I PT

401

Schriftname Nami

Gestalter Adrian Frutiger Akira Kobayashi

Entwurf  | Herausgabe 1952 | 2007

Satztechnik Digitalsatz OpenType

Hersteller – Linotype

Schnitte 3

N   AMI /01/

Undatierte Bleistiftzeichnung von Adrian Frutiger aus den frühen 1950er Jahren – beim ‹Delta›-Projekt sind mehrere Schnitte konzipiert.

ITC Eras FF Advert Hoffmann /03/

Formal verwandte Schriften zur Nami – Eras 1976 von Albert Boton, FF Advert 1991 von Just van Rossum, Hoffmann 1993 von Lothar Hoffmann bzw. Richard Lipton.

/02/

Historische Inschriften: Römische Lapidar, 3. Jh. v. Chr. (oben), Unzial-Steininschrift, 4. Jh. n. Chr. (unten).

402

AKZ I D E N Z sch R I FT

LT Veto a FF Dax FF Signa /04/

Beispiele von Schriften mit glattem Bogeneinlauf beim Minuskel-a – Linotype Veto 1994 von Marco Ganz, FF Dax 1996 von Hans Reichel und FF Signa 2000 von Ole Søndergaard.

Ein halbes Jahrhundert bis zur Realisation Zu Beginn seiner grossen Laufbahn als Schriftgestalter ­entwirft Adrian Fruti­ger bei Deberny & Peignot in Paris mit der ‹Delta›­ /01/ eine Unzial-Grotesk, wie er den Schrifttypus nennt. Die­ Inspiration dazu erhält Frutiger im historisch gepräg­ ten­ Schriftunter­richt bei Alfred Willi­mann sowie durch des­sen Arbeiten. Mehr als ein halbes Jahrhundert später wird der Entwurf realisiert. Basierend auf dem Ent­wurf und­ den zwei Klebsätzen der ‹Delta› von 1952 /07/ entsteht die 2007 veröffentlichte Nami – es ist also das Werk des 24-jährigen Adrian Frutiger, welches Linotype vom in­­­­zwischen 79-jährigen umsetzt. Entsprechend gross ist sein Stolz über die Realisation. Prägend für die An­mutung der ‹Delta› und damit auch für­ die Nami sind die römische Lapidar des 3. Jh. v. Chr. und­ die römische Unziale des 4. / 5. Jh. n. Chr. /02/. Letztere steht am Übergang von der Majuskel- zur Minuskel­ schrift und vereint in einem Alphabet Zeichenformen bei­­­­der Alpha­­­bete. Aus heutiger Sicht findet sich dafür die Bezeichnung Ein-Alphabet-Schrift. Die ‹Delta› wird bei D & P nicht in die Produktion aufgenommen und auch die Zusammen­arbeit mit Cassandre führt 1954/1955 nicht zur Um­­setzung des Projekts (siehe Seite 36). Den Ansatz einer Ein-­Alphabet-Schrift verfolgt Adrian Frutiger nicht weiter. ­Hingegen greift er bei wei­ te­ren Groteskentwürfen häufig die Taillierung der Ab­stri­ che auf, ebenfalls ein wesentliches Merkmal der ‹Delta›. Doch auch da­mit bleibt ihm der Erfolg versagt, weder­ die ‹Ge­­spannte Grotesk› von 1962 noch ‹University› noch ‹Primavera› von Anfang der 1990er Jahre finden zur Pro­ duk­tion den nöti­­gen Willen (siehe Seite 157). Und auch ein erster Versuch, die ‹Delta› ohne Unzial­formen bei Lino­type zu platzieren, führt in den 1980er Jahren nur zu ein paar Rein­zeichnungen und Probebe­lichtungen mit dem­ Arbeitsnamen ­‹Dolmen› (siehe Seite 296). 2006 tragen die Text­proben den Arbeitsnamen ‹Tectum›. Die Entwür­fe /05/ und Reinzeichnungen /06/ entstehen in­ den zwei Jahren zuvor. Akira Kobayashi, künstlerischer Leiter der Linotype, und Adrian Frutiger arbeiten Hand in­ Hand am Projekt, wie Frutiger schreibt.1 Als der OpenType-Font 2007 in den drei Schnit­­ten Light, Regular und Bold erscheint, weckt der Schriftname ‹Nami› (jap. ‹Welle›) Er­innerungen an den verheerenden Tsunami, der nach einem Seebeben am 26. Dezember 2004 rund um den­ Indischen Ozean 230 000 Menschen in den Tod ­reisst und in der Welt grosse Bestürzung auslöst.2

/05/

Undatierte Entwurfszeichnungen zur Nami – noch nicht definitiv sind der C- und G-Bogen sowie der Abstrich bzw. Schweif bei G und Q.

/06/

Reinzeichnungen zur Nami – a und b haben einen glatten Bogeneinlauf, beim c wird die geometrische Form nicht beibehalten. /07/

Klebsätze der zwei Varianten des ‹Delta›-Entwurfs von 1952 (oben) – nachgesetzt mit Alternativzeichen in der Nami von 2007.

tiens, mon unique  enfant, mon fils, prends ce breuvage. sa chaleur te rendra

tiens, mon unique  enfant, mon fils, prends ce breuvage. sa chaleur te rendra

Tiens, mon unique  enfant, mon fils, prends ce breuvage. Sa chaleur te rendra

TIENS, MON UNIQUE  ENFANT, MON FILS,  PRENDS CE BREUVAGE.  SA CHALEUR TE REND

NAm I

403

Schriftenvergleich Zu Adrian Frutiger’s Nami finden sich mindestens zwei Schriften, die eine grosse Verwandt­ schaft aufweisen: die Skia, 1994 von Matthew Carter für Apple Computer entworfen, und von Hans Eduard Meier­ die Linotype Syntax Lapidar aus dem Jahr 2000. Gemein­ same Grundlage der drei Schriften ist die lineare Strichqualität der römischen Lapidarschriften /02/. ­Insbesodere die Linotype Syntax Lapidar wirkt durch die rudimentären,­ zackigen Formen von a h m n r sowie durch das leicht ge­ neigte und nicht präzis linienhaltende Schriftbild sehr ar­chaisch /11/. Die Syntax Lapidar und die Alternativformen der Nami /09/ tendieren aber auch zur römischen Unziale /02/, wie das A ohne Querbalken, das runde, offene E und das G mit­dem Abstrich nach unten aufzeigen. An diesen Buch­ staben ist der schriftgeschichtliche Übergang von den Majuskel- zu den Minuskelformen besonders gut ablesbar.­ Bei der Nami ist dieser Prozess quasi weiter fortgeschritten, zu sehen an den Minuskelformen h m n. Die Minuskeln der Skia und der Nami sind, ähnlich den Majuskeln, schlicht geformt. Ihre Anlage ist zudem weit, offen und grosszügig. Charakte­ristisches Merkmal ist die­ vereinfachte Form des a. An­knüp­fend an wenige ­frühere Schriften (siehe Seite 298) liegt der glatte Bogen­einlauf Mitte der 1990er Jahre plötzlich im Trend.3 Es entstehen neben Matthew Carter’s Skia zum Beispiel die Linotype ­ Veto 4 von Marco Ganz, die FF Dax 5 von Hans Reichel und­ die FF Signa von Ole Søndergaard /04/.

/08/

Die Nami enthält sowohl Majuskel(links) als auch Minuskelziffern (rechts), jeweils dicktengleich (oben) und proportional (unten).

1234567890 1234567890 1  234567890  /09/

/10/

Die Alternativfiguren der Nami basieren auf der römischen Unziale und Halbunziale des 4./ 5.  Jh. n. Chr. – vom g bestehen zwei Varianten.

Durch die Vielzahl an Akzent­ buchstaben eignet sich die Nami auch für den Satz verschiedenster Sprachen.

aegghlmnrtu åċðęģħĩȷķł ʼnő Hofstainberg ŕşťùŵÿž

/11/

Die Ähnlichkeit der drei Schriften ist augenfällig, besonders wenn die Alternativformen der Nami in Erinnerung gerufen werden.

Hofstainberg

EMRaegn68

Hofstainberg

EM R a e g n 6 8

Skia Matthew Carter 1994

Linotype Syntax Lapidar Hans Eduard Meier 2000

Hofstainberg Nami Adrian Frutiger, Akira Kobayashi 2007

EM Raegn68 E DoppelquadratProportion, mittlerer Balken verkürzt

404

AKZ I D E N Z sch R I FT

M Diagonalen fast parallel, Strichenden konkav eingebuchtet

R Abstrich tailliert, Übergang von Bogen zu Spielbein stumpf

a Bogen ansteigend, Bogeneinlauf glatt

e gerundeter Übergang

g flache, beinahe horizontale Bogenverläufe

n gerundeter Übergang vom Abstrich zum Bogen

68 geschlossene Punzen, kreuzende Linien

Font-Herstellung : Digitalisiert durch Linotype

Font-Format : OpenType Com

Nami ™ Linotype 3 Schriftschnitte

Ebenfalls erhältlich : PostScript-Type-1 TrueType

ABC D E FG H I J K LM N O P Q R S T U V W X Y Z &  abcde f ghijklmnopqrs tuvwx yz ß12345 678 9 0

You may ask

why so many dif  ferent typefaces.They all se

rve the same purpose but they exp  ress man’s diversity. It is the same diversity we find in win  e. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty differe  nt Médocs all of the same year. All of them were wines b  ut each was different from the others. It’s the nuances th  at are important. The same is true for typefaces. Pourquoi tant d‘Alphabets différents ! Tous servent au même but, mais aussi à exprimer la diver  sité de l’homme. C’est cette même diversité que nous retrouvons dans les vins de Mé  doc. J’ai pu, un jour, relever soixante crus, tous de la même année. Il s’agissait certes de vins, mais tous étaient différents. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Verfügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, aber machen die Viel­falt des Me  nschen aus. Diese Vielfalt ist wie beim Wein. Ich habe einmal eine Weinkarte studiert  mit sechzig Médoc-Weinen aus dem selben Jahr. Das ist ausnahmslos Wein, aber doch nicht alles der gleiche Wein. Es hat eben gleichwohl Nu­ancen. So ist es auch mit der Schrift. You may ask why so many different typefaces. Th  ey all serve the same purpose but they express man’s diversity. It is the sam  e diversity we find in wine. I once saw a list of Médoc wines featuring sixty d  ifferent Médocs all of the same year. All of them were wines but each was d  ifferent from the others. It’s the nuances that are important. The same is tru  e for typefaces. Pourquoi tant d’Alphabets différents ! Tous servent au mêm 

76 pt | –30

57 pt | –25

34 pt | –22

25 pt | –10

15 pt | 19 pt | 0



e but, mais aussi à exprimer la diversité de l’ho  mme. C’est cette même diversité que nous retro  uvons dans les vins de Médoc. J’ai pu, un jour, re  lever soixante crus, tous de la même année. Il s’  agissait certes de vins, mais tous étaient différen  ts. Tout est dans la nuance du bouquet. Il en est de même pour les caractères ! Sie fragen sich, w­  arum es notwendig ist, so viele Schriften zur Ver  fügung zu haben. Sie dienen alle zum selben, ab  er machen die Viel­falt des Menschen aus. Diese 

10 pt | 13 pt | 5

7.3 pt | 10 pt | 5

5.7 pt | 7.8 pt | 13

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405

signete und Wortmarken

1 991 – 2008

Association Française de communication (?) Tätigkeit unbekannt Frankreich

Reformiertes Pfarramt Interlaken Ost CH - Interlaken

Sorec SA – Sté de Réalisation Electronique du Centre Computer-Zubehör F - Paris

Industrie de Béton Fachverband der Betonindustrie Frankreich

Pro Bremgarten Kulturelle Vereinigung CH - Bremgarten

FFT Tätigkeit unbekannt Ort unbekannt

Fiduciaire – Michel Favre SA Treuhand-Gesellschaft CH - Echallens

Philip Raix Arzt Email-Platte für Eingangsbereich F-Paris

Congrès International de Psychiatrie Internationaler Psychiatriekongress Ort unbekannt

Psycho Thérapies, Praxis für Psychotherapie Ort unbekannt

changer Zeitschrift einer biblischen Gesellschaft Schweiz

La Poste / Die Post / La Posta Schweizer Post CH - Bern

Paul Klee Zentrum CH - Bern Gestaltung: Adrian Frutiger und Kurt Wälti Entwurf nicht realisiert

Haussmann Tätigkeit unbekannt Ort unbekannt

Atelier 96 Architektur und Design CH - Lausanne /Vionnaz

406

s I G N E T E U N D W O R T m A R K E N

« Ich bin fasziniert von der Einfachheit eines abstrakten Zeichens, von der Anziehungskraft der Buchstaben, die, aneinandergereiht, alle Gedanken der Welt sichtbar machen können.» Adrian Frutiger

Synopsis

/01/

«Der Kern des Zeichens ist wie der reine Ton in der Musik – die Aussenform jedoch bewirkt den Klang» – Adrian Frutiger 1980 in ‹Type Sign Symbol›.

410

Syn o pS i S

Apollo Breughel Iridium Tiemann LT Centennial LT Didot Méridien Versailles Egyptienne F Serifa Glypha Univers OCR-B Frutiger Avenir Vectora Icone

Garamond Bembo Palatino Caslon Baskerville Times Bodoni Walbaum Vendôme Clarendon Excelsior Rockwell Caecilia Franklin Gothic Helvetica Syntax Meta

/02/

Überlagerung von je 17 Werksatzschriften – Frutiger’s Schriften (oben) ergeben eine einheitlichere Elementarform als die anderen bekannten Schriften (unten).



F r utig e r-Sch r i Fte n

411

C E H O R V a b e n o s y



Werksatzschriften

Akzidenzschriften

C E H O R V a b e n o s y



C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y

C E H O R V

C E H O R V

C E H O R V a b e n o s y

C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y

C E H O R V a b e n o s y

C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y C E H O R V a b e n o s y



C E H O R V a b e n o s y

C E H O R V C E H O R V C E H O R V a b e n o s y



C E H O R V a b e n o s y C E H O R V C E H O R V

C E H O R V a b e n o s y

Formprinzipien Beim Entwerfen seiner Werksatzschriften ist Adrian Frutiger vom Ge­­dan­ken ge­­lei­tet, dienliche Schriften zu ge­stalten – menschliche Schriften nennt er es. Die Werksatz­schriften sollen funktionell, möglichst gut le­serlich und gleichzeitig ästhetisch sein, sowohl in den Konsultations- und Lesegrössen als auch in den Schaugrössen. Nicht selten wählt Adrian ­ Frutiger da­­­für die Taillierung des Stamms, um die Härte einer Schrift zu nehmen /03/. Ein künstlerischer Ausdruck, ein persönlicher Duktus ist dagegen nicht sein primäres Ziel. Gleichwohl zeigt sich schon sehr früh in seinem schriftgestalterischen Schaffen, dass seinen ­Schrif­ten ein charakte­ristischer Wesenszug innewohnt, der un­­­­­­­ver­wechsel­bar ist. Ein grundsätzliches und bestimmendes Formprinzip in den­ Schriften Frutiger’s ist die Ausge­wogen­heit. Das Schrift­­bild ist sowohl durch ausgeglichene Buch­ stabenfor­men geprägt /05/ als auch durch die Ge­­stalt der Gegen­for­men, auf die er ebenso viel Wert legt. Seine Schriften vermitteln Sachlichkeit, Neutralität, gleichzeitig Präsenz und an­­genehme Unaufgeregtheit. Sie zeigen Anmut, Mo­­dernität, besitzen ei­­nen unprätentiö­sen Stil und eine Art von zurück­hal­­­tender Eleganz. Hingegen sind Aus­­­gelas­sen­heit, Emotio­na­ lität und Famosität, aber auch prägnante Sper­­rigkeit keine Attribute seiner Werk­satz­­schriften. Der Leitgedanke, menschliche Schriften zu schaffen, geht bei Adrian Frutiger auch immer einher mit dem Bewusstsein, Schriften der Satztechnik angepasst zu entwerfen. Dies beeinflusst die Formgebung seiner Schriften. Einer­seits weisen Schriften von ihm, wie zum Beispiel Frutiger, Breughel oder Linotype Centennial, die nötige Robustheit auf, um unter er­schwer­ ­ten Be­­dingungen gut leserlich zu sein, anderer­seits zeigt eine Schrift wie die Iridium eine grazile An­mut, wie sie im Fotosatz der 1950er bis 1980er Jahre sel­ten geblieben ist. Adrian Frutiger’s Schriften sind nie gegen die Hand gestaltet. Immer ist Alfred Willimann’s fundierte kal­ li­grafi­sche Grundlage in den Schriften spürbar wie auch die schrift­zeichnerische Ausbildung bei Walter Käch. Und im­mer sind Adrian Frutiger’s Werksatz­ schrif­ten durch das Verbreitern der Punzen, insbeson­ dere bei den Minuskeln, geprägt, das sein Men­tor Emil Ruder Mitte der 1950er Jahre bei der Univers ein­ge­bracht hat. Dadurch laufen die Schriften von ­Fru­tiger eher breit, was sich im Vergleich mit Schriften anderer Gestalter zeigt /02/.

Renaissance-Antiqua Apollo, Breughel Klassizistische Antiqua Iridium, Tiemann, LT Centennial, LT Didot Latines Président, Phoebus, Méridien, Versailles Serifenbetonte Antiqua Egyptienne F, Serifa, Glypha, Westside Serifenlose Antiqua LT Univers, OCR -B, Frutiger, Avenir, Vectora Inzisen Icone, Rusticana, Frutiger Capitalis, Nami Skripten Ondine, Herculanum, Pompeijana

/05/

/06/

Exemplarische Vergleiche: für Frutiger’s Werksatzschriften typische Ausgewogenheit (links) – andere Schriften (rechts).

/07/

Exemplarische Vergleiche: für Frutiger’s Werksatzschriften typische Ähnlichkeit der Bogen­enden (links) – andere Schriften (rechts).

I I I I I I

/03/

/04/

Einige von Adrian Frutiger’s Schriften weisen taillierte Abstriche auf, was die Härte aus der Schrift nimmt.

Ob mit oder ohne Serifen, asymmetrisch oder symmetrisch – es liegt eine grosse Vielfalt in der Gestaltung der Strichenden.

B B

a a

E E

G G

/08/

syn o ps i s

I I I I I I I I I I I I I I I I I I

Exemplarische Vergleiche: für Frutiger’s Werksatzschriften typische Gestalt (links) – andere Schriften (rechts).

Exemplarische Vergleiche: in Frutiger’s Werksatzschriften sind die Breiten der Majuskeln tendenziell angeglichen (links) – andere Schriften (rechts).

414

I I

A A

Breughel

| Berkeley

Apollo

| Baskerville

Frutiger

| Syntax

Univers

| Imago

Eurostile

A

CGS acers

CGS acers

CGS CGS acegs acegs

DEHOS

e e f f

H H H

Univers

| Futura

Méridien

| Jenson

Breughel

| Bembo

Versailles

| Benguiat

Méridien

| Jenson

Avenir

| Futura

DEHOS

Bernhard Gothic

Breughel

| Mendoza

DEHOS DEHOS

Méridien

| Bembo

DEHOS DEHOS

DEHOS

Frutiger

| Gill Sans

DEHOS

Avenir

| Avant Garde

Proportionen Adrian Frutiger’s Werksatzschriften zeigen – von Ausnahmen abgesehen – bei gleicher Versalhöhe eine grosse Konstanz in den Breiten /09/. Insgesamt legt er seine Schriften grosszügig an, sie weisen ein eher weites Schriftbild auf und durch die meist hohe xHöhe auch grosse Punzen (Innenräume). Seine Schriften sind deshalb auch in kleinen Schriftgrössen gut leserlich. Die Buchstabenproportionen der Grossbuchstaben eines Alphabets gleicht Adrian Frutiger tendenziell an. Nie besetzt er die beiden Extreme in einer Schrift, das auf dem Doppelquadrat basierende Majuskel-E und das kreisrunde Majuskel-O. Entweder wählt er das E breiter wie bei der Avenir oder gestaltet das O als Oval wie bei der Frutiger. Ausschlaggebend für das angleichende Prinzip ist das Konzept der gut ausgebauten Schriftfamilie, wie es Adrian Frutiger 1954 bei der Univers entwickelt hat. Bei vier verschiedenen Weiten – eng, schmal, normal und breit – verwässern unterschiedliche Buchstabenproportionen das Konzept.

H7 H7 H7 /09/

/10/

Frutiger’s Werksatzschriften – in einheitlicher Versalhöhe überlagert – zeigen oft Ähnlichkeiten in den Proportionen.

Bei Frutiger’s Werksatzschriften sind gleiche Versal- und Ziffernhöhen üblich – OCR-B, Serifa und Versailles.

Strichstärken

35

45

Breughel Iridium LT Centennial

Egyptienne F Serifa Glypha LT Univers Frutiger Avenir Vectora Icone

75

85

95

H H H HH H H H

H

H

H

HHH

Méridien Versailles

65

HH

Apollo

Mit Bezug auf das Schriftensortiment der neuen Fotosetzmaschine Lumitype entwickelt Adrian Frutiger 1954 bei Deberny & Peignot in Paris sein bekanntes Nummernsystem. In einer fünfstelligen Zahl vereint es mehrere Angaben, unter anderem wird durch das System die verlässliche Schriftbestellung ermöglicht. Dieses Konzept ist auch aus typografischer Sicht interessant, da es gleichzeitig ein Schriftklassifikationssystem beinhaltet (siehe Seite 76). Von der fünfstelligen Nummer hat Linotype bei den Schriften von Adrian Frutiger (und auch bei einigen anderen Schriften) die letzten beiden Stellen übernommen. Meist wird das Nummernsystem mit dem Schriftkonzept Univers in Zusammenhang gebracht. Die erste Ziffer der zweistelligen Zahl bezeichnet die Stärke, die zweite Ziffer bezeichnet die Weite und Lage einer Schrift (siehe Seite 95). Dabei darf die Stärkenangabe, beispielsweise 45 mager, nicht als mathematisch festgelegte Strichstärke verstanden werden. Vielmehr zeigt die Zahl einen ungefähren Richtwert für die Strichstärke. Bei manchen Schriften stimmt der Eindruck aber überhaupt nicht mit der angegebenen Zahl überein. Besonders offensichtlich ist dies bei der Avenir und bei der Icone. Bei der Avenir liegt der Grund in Adrian Frutiger’s Konzept, Zwischenschnitte zu entwerfen, um einen fliessenden Textverlauf zu ermöglichen. Bei der Icone hingegen ist wohl einfach ein Fehler unterlaufen. Die bestehenden Mängel sprechen jedoch keinesfalls gegen das System generell /13/. Inzwischen wendet Linotype das Nummernsystem bei den Schriften von Adrian Frutiger nicht mehr konsequent an. So ist beispielsweise die numerische Bezeichnung der Schriftschnitte bei der Breughel weder im ‹Typeface Catalog› von 2006 noch am Computer ersichtlich, obwohl ursprünglich vorhanden. Und bei der Icone sind die Nummern im Katalog zwar aufgeführt, nicht aber beim Anwählen des Fonts im Layoutprogramm. Linotype scheint sprachliche Bezeichnungen zu bevorzugen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass das Frutiger-Nummernsystem den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt. Bei der Linotype Univers mit 63 Schnitten ist das Nummernsystem auf gewöhnungsbedürftige, aber praktikable drei Stellen erweitert worden. Eine Lösung, die das Wirrwarr an Schnittbezeichnungen vermeiden könnte.

55

H H

HHH H HHH H H H H H H H

H H H H H

H H H H H H H H H H H H H

H HH

H

HHHHH HHHHHH

/11/

Im Gegensatz zur Frutiger mit fünf Schnitten hat die Avenir mit sechs Schnitten ein weniger breites Spektrum an Strichstärken.

HHHH HHHHH HHHH HHHHH

/12/

Bei der Linotype Centennial bleiben die Serifen und Querbalken gleich, bei der Glypha nehmen sie mit anwachsender Strichstärke zu.

HHH HHHH

/13/

Verteilung der Strichstärken anhand des von Adrian Frutiger 1954 entwickelten Nummernsystems. /14/

Bei der Méridien bleiben die Innenräume mit anwachsender Strichstärke konstant, bei der Versailles werden sie schmäler.

F R UTIG E R-SCH R I FTE N

415

Formbetrachtungen Bei Adrian Frutiger’s Schriften sind einige Formprin­ zip­ien vorzufinden, die bereits in seiner ersten Schrift Pré­sident enthalten sind und die sein Schriftschaffen insgesamt prä­gen. Es sind formale Merkmale, wel­che die meisten Schriften von Adrian Frutiger sehr leicht erkennbar bzw. wiedererkennbar machen. Die auf dieser Doppelseite aufgeführte Auswahl an exem­pla­rischen Buchstaben ermöglicht ein vergleichendes Be­­trach­ten­ der digital erhältlichen Schriften Frutiger’s. Da­­mit einhergehend werden seine Form­ prinzipien er­sicht­lich, aber auch die Ausnahmen. Die in den einzelnen Schriftkapiteln nachzulesenden Aus­ ­sagen von Adrian Fru­tiger machen die Ausnahmen nachvollziehbar. Nur sel­ten ist er seinen schrift­ge­ stal­­terischen und den schrift­histori­schen Prinzi­pien un­­treu – was nicht ein Fehler sein muss –, und dann hat er dafür seine Gründe. Diese können zum Beispiel tech­nischer Art sein wie bei der OCR-B. Mit­unter ist er auch nicht ganz frei in der Ausformulierung sei­­ner Schriften, was sich offensichtlich beim Et-Zeichen in den Linotype-Schriften zeigt /38/. Bei den Schrifther­ stellern nehmen die involvierten Personen durchaus Ein­­fluss auf die formale Gestaltung. Schlussend­lich über­nimmt Frutiger auch stilistische Merkmale einer Klassifi­ka­tionsgruppe wie den Sporn bei den serifen­ betonten An­tiqua. Serifa, Glypha und Westside sind mit diesem Merk­mal versehen /17/. Sie entsprechen damit nicht der historischen Grundform der Ca­pi­ta­lis Monumentalis und auch nicht einem Prinzip von Adri­ an Frutiger.

J J

Renaissance-Antiqua Apollo, Breughel Klassizistische Antiqua Iridium, Tiemann, LT Centennial, LT Didot Latines Président, Phoebus, Méridien, Versailles Serifenbetonte Antiqua Egyptienne F, Serifa, Glypha, Westside Serifenlose Antiqua LT Univers, OCR -B, Frutiger, Avenir, Vectora Inzisen Icone, Rusticana, Frutiger Capitalis, Nami Skripten Ondine, Herculanum, Pompeijana

Klassizistische Antiqua Iridium, Tiemann, LT Centennial, LT Didot Latines Président, Phoebus, Méridien, Versailles

Serifenlose Antiqua LT Univers, OCR -B, Frutiger, Avenir, Vectora Inzisen Icone, Rusticana, Frutiger Capitalis, Nami

Latines Président, Phoebus, Méridien, Versailles Serifenbetonte Antiqua Egyptienne F, Serifa, Glypha, Westside

/16/

Der Schweif des Majuskel-Q dringt nie in die Rundung ein – einzige Ausnahme bildet das Q der OCR-B, bedingt durch technische Gründe.

a a a a a a a a a a a ×

a

Skripten Ondine, Herculanum, Pompeijana

Klassizistische Antiqua Iridium, Tiemann, LT Centennial, LT Didot

/15/

×

Serifenbetonte Antiqua Egyptienne F, Serifa, Glypha, Westside

Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q

J J J J J J

Die Majuskeln in den Schriften Frutiger’s stehen auf der Basislinie – das J bildet nur selten, das Q etwas häufiger eine Ausnahme.

a a

Renaissance-Antiqua Apollo, Breughel

Renaissance-Antiqua Apollo, Breughel

J J J J J J J J J J J J J J J J J J

Q Q

×

×

×

×

g g

a a a a a a

Skripten Ondine, Herculanum, Pompeijana

×

×

×

×

/22/

Beim charakteristischen Frutiger-a mündet der Mittelstrich horizontal in den Stamm, die beiden Innenräume wirken ausgeglichen.

Anhand der doppelschlaufigen bzw. der einfachen g-Form wird eine deutliche Trennung von klassischen zu modernen Schriften sichtbar.

Cc Cc

Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc Cc ×

×

Cc

×

×

×

×

In klassischen Schriften sind unterschiedliche Bogenendungen beim Majuskel-C und Minuskel-c üblich – auch in Frutiger’s Schriften.

syn o ps i s

×

g g g g g g

/21/

/27/

416

×

g

Serifenlose Antiqua LT Univers, OCR -B, Frutiger, Avenir, Vectora Inzisen Icone, Rusticana, Frutiger Capitalis, Nami

g g g g g g g g g g g

G G

K K

R R

W W

G G G G K K K K R R R R W W W W G G G G K K K K R R R R W W W W G G G G K K K K R R R R W W W W G G G G G K K K K K R R R R R W W W W W G G G G K K K K R R R R W W W W G G G K K K R R R W W W /17/

/18/

/19/

/20/

Entsprechend der römischen Capitalis Monumentalis ist das Majuskel-G unten abgewinkelt und besitzt keinen Sporn.

Die Arme des Majuskel-K bilden einen Winkel – versetzte Diagonalstriche finden sich bei Frutiger nur ansatzweise.

Beim R sind Bogen und Spielbein meist aus einer Bewegung geschaffen – seltener ist das Spielbein an die Horizontale angesetzt.

Das W zeigt eine einfache Form – nur bei der LT Didot treffen die Diagonalen versetzt aufeinander, auch die Mittelserife ist selten.

i i

i i i i i i i i i i i ×

i

×

×

×

×

×

n n

i i i i i i

n n n n n n n n n n n ×

×

n

×

×

×

×

t t

t t t t t t t t t t t

n n n n n n

×

×

t

×

×

×

×

y y

t t t t t t

y y y y y y y y y y y ×

×

y

×

×

×

×

y y y y y y

/23/

/24/

/25/

/26/

Bei den klassischen Schriften wählt Frutiger den runden i-Punkt, sonst meist den eckigen – bei der Ondine ist er kalligrafisch geprägt.

Fast immer ist die Mündung vom Bogen in den Stamm gerundet – Ausnahmen sind die Breughel, die Tiemann und die Vectora.

Basierend auf dem Schreiben mit der Breitfeder ist der Anstrich des t diagonal – mit Aus­­nahme der geometrischen Avenir.

Die Unterlänge des Minuskel-y zeigt bei Frutiger’s Schriften meist einen Bogen, teilweise mit Halb­serife oder Tropfen.

db db

gg gg

db db db db gg gg g g db db g g gg db db db db gg gg g g db db db db db g g gg gg gg db db gg ×

×

×

×

×

×

×

db

×

×

×

×



×



×

×

×

×

×

&& &&

&& && && && && && && && && &&  && && & & && && && && &&  &&   && && &&  &&&

/28/

/29/

/30/

Die gespiegelte, statische Form dominiert, auch bei Egyptienne F und Frutiger – bei den dynamischen Schriften differieren d b stärker.

Einzig bei vier Schriften wechselt die Form des g – von der doppelschlaufigen Roman- zur einfachen Italic-Form.

Frutiger’s Schriften zeigen zwei Grundtypen des & – abweichend davon sind das & der Méridien italique und der Rusticana.



F r u t i g e r - s c h RI F T e n

417

Satz- und Sonderzeichen Ein Schriftzeichensatz ist um ein Vielfaches grösser, als es im ersten Moment den Anschein macht. Neben den je 26 Grossbuchstaben und Kleinbuchstaben sowie den 10 Ziffern besteht eine Schrift zusätzlich aus weiteren Lautzeichen für verschiedene europäische Sprachen, darunter auch Akzentbuchstaben sowie Sprachligaturen wie beispielsweise Æ æ und Œ œ /33/. Auch das Eszett (ß) ist eine Sprachligatur, zusammengesetzt aus Lang-s und Rund-s /39/. Der Standardzeichensatz eines digitalen Fonts enthält zudem die Ligaturen fi fl und das Et-Zeichen /38/. Das Prinzip der Währungszeichen ähnelt in formaler Hinsicht den isländischen Buchstaben Ð ð. Die Buchstaben erhalten oft eine Ergänzung durch einen oder zwei Striche. Vervollständigt wird eine Schrift durch rund dreissig Satzzeichen, etwa zwanzig Sonderzeichen wie zum Beispiel @ § % und etwa einem Dutzend mathematischer Zeichen. Ein normal ausgebauter Font enthält rund 160 zu gestaltende Zeichen. Einerseits bedingt durch die Internationalisierung, aber auch durch den Anspruch an Qualitätssatz besteht zunehmend ein Bedarf an grösseren Zeichensätzen. Das neue digitale Schriftformat OpenType bietet die Grundlage, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können. Andererseits entstehen damit Bedürfnisse nach noch grösseren Zeichensätzen. Tendenziell werden die Fonts umfangreicher und damit der Aufwand für die Schriftgestalter grösser.

Renaissance-Antiqua Apollo, Breughel Klassizistische Antiqua Iridium, Tiemann, LT Centennial, LT Didot Latines Président, Phoebus, Méridien, Versailles Serifenbetonte Antiqua Egyptienne F, Serifa, Glypha, Westside Serifenlose Antiqua LT Univers, OCR -B, Frutiger, Avenir, Vectora Inzisen Icone, Rusticana, Frutiger Capitalis, Nami Skripten Ondine, Herculanum, Pompeijana

$ $

$ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $

£ £

£ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £

$ $ $ $ $ $

£ £ £ £ £ £

/31/

/32/

Frutiger’s Schriften haben bei Linotype meist den durchgehenden Strich beim $-Zeichen – er bevorzugt die offene Version.

Frutiger’s charakteristisches £-Zeichen ist möglichst schlicht gehalten, ohne Schlaufe und ohne geschwungene Linie.

/36/

/37/

Bei der Méridien ist das CédilleHäkchen wie die anderen Akzente ursprünglich unverbunden – bei Linotype wird dies geändert.

Bei der digitalen Version von Frutiger’s Ondine behält Linotype die ursprüngliche Form des Cédille bei.

Ç

Çç

Ziffern Für Adrian Frutiger haben die Ziffernformen einen gestalterisch hohen Stellenwert. Die Eindeutigkeit in der Erkennung ist ihm wichtig, spätestens seit seiner Signalisationsschrift Alphabet Roissy 1970, welche er für den Flughafen Paris-Roissy Charles-de-Gaulle konzipiert hat. Seine Studie zur Erkennbarkeit der Ziffernformen ist sehr aufschlussreich (siehe Seite 227). So gestaltet er zum Beispiel die Ziffer 1 nie nur als Strich, fast immer ist auch ein ausgeprägter Aufstrich vorhanden /40/. Und bei der Ziffer 6 macht der Unschärfetest deutlich, dass die Version mit der offenen Bogenform und nicht die diagonale Form am besten erkennbar bleibt. In seinen Werksatzschriften finden sich statische und dynamische Ziffernformen /40/. Eine geschriebene und damit asymmetrische, nicht ganz Linie haltende Anmutung ist aber selten. Bei der Ziffer 6 ist das Verhältnis von statischer, geschlossener Form (links) zu dynamischer, offener Form (Mitte, rechts) in etwa ausgeglichen. Bei der Ziffer 8 kommt die geschlaufte Form (links) häufiger vor als die statische, aus zwei Ovalen gebildete (rechts). Bei der 3 dominiert hingegen die statische Form (links). Ein Grund dafür ist, dass Adrian Frutiger mehrheitlich statische Werksatzschriften entwirft. Zu seinen Schriften entstehen selten Minuskelziffern – und falls doch, ähneln sie formal meist sehr den Tabellenziffern.

418

Syn o pS i S

/40/

Die Aufteilung und Überlagerung der unterschiedlichen Ziffernformen zeigt deren Häufigkeit in Frutiger’s Werksatzschriften. /41/

Für die Uhr ‹My Ego› der Schweizer Uhrenmarke Ventura entwirft Adrian Frutiger 2002 speziell auf das runde Zifferblatt abgestimmte Ziffernformen.

Æ Æ

Œ Œ

Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ Æ ×

« «

Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ Œ ×

« « « « « « « « « « « « « « « « « ×

« « « « « «

/33/

/34/

/35/

Grosse Formenvielfalt bei Æ und Œ – die Kombination kann ausgewogen, aber auch durch den linken oder rechten Buchstaben dominiert sein.

In klassischen französischen Schriften sind runde Guillemets nichts Ungewöhnliches – Frutiger übernimmt diese in die Versailles.

Der Schlusspunkt ist rund bei den klassischen Schriften, meist eckig bei den modernen und mit freier Form bei den Skripten.

/38/

In den Linotype-Schriften ist das charakteristische Frutiger-& selten, Linotype Univers und Frutiger  Next enthalten es jedoch (unten).

/39/

Auch beim ß erfolgt nach der Zeit bei Deberny & Peignot ein Wechsel von der dynamischen zur statischen Form.

& & & & & & & & & & & & & & & & & & & && & & & & & & & ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß ß

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Kursive In den deutschsprachigen Fachpublikationen findet selten eine Unterscheidung zwischen einer echten Kursive (Italic) und einer geneigten Schrift (Oblique) statt. Für beide Schriftformen wird das Wort Kursive (von lat. ‹currere› laufen, eilen) verwendet. Zudem zeigt sich eine oftmals falsche Interpretation des Begriffs Oblique. Mit Oblique ist nicht eine optisch unkorrigierte Fassung einer elektronisch schräg gestellten Schrift gemeint. Es ist keine wertende Bezeichnung für ungenügende Qualität. Eine Oblique kann als geneigte Schrift gezeichnet oder durch elektronisches Schrägstellen generiert werden. Bei letzterem Verfahren ist eine nachträgliche manuelle Überarbeitung unumgänglich, um die optischen Mängel durch das Schrägstellen zu beheben. Das charakteristische Merkmal der Italic ist das flüssigere Schriftbild gegenüber der aufrechten Schrift (Roman). Aldus Manutius gibt 1501 in Venedig erstmals ein kleinformatiges Buch in einer von Francesco Griffo geschnittenen Italic heraus. Abgeleitet ist die Druckschrift von der Cancelleresca, der in den italienischen Kanzleien geschriebenen Schrift. Bei einer Italic sind die Buchstaben jedoch unverbunden. Kein zwingendes Merkmal für eine Italic ist die Neigung, sie kann auch aufrecht stehen. Hingegen läuft sie traditionell schmaler, sie ist feiner, heller und sie weist deutlich andere Zeichenformen auf. Insbesondere die Minuskeln a e f g k p v w x y z zeigen oftmals eine zur Roman unterschiedliche Form. Fast gleich viele Schriften von Adrian Frutiger besitzen eine Italic beziehungsweise eine Oblique /42/.

Renaissance-Antiqua Apollo, Breughel



aef aef

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aef



Latines Président, Phoebus, Méridien, Versailles Serifenbetonte Antiqua Egyptienne F, Serifa, Glypha, Westside

Serifenlose Antiqua Univers, OCR -B, Frutiger, Avenir, Vectora Inzisen Icone, Rusticana, Frutiger Capitalis, Nami



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15° / 14,5°

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Klassizistische Antiqua Iridium, Tiemann, LT Centennial, LT Didot

Skripten Ondine, Herculanum, Pompeijana

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19° / 16° / 19,5° 13,5° / 9,5° 13,5° / 12° / 10° 16° / 12° / 8° / 11° 12°

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Bei den klassischen Schriften gestaltet Frutiger zur Roman eine Italic, bei den anderen Schriften bevorzugt er die Oblique.

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Adrian Frutiger’s Italic-Schnitte weisen nicht immer den gleichen Winkel bei den Grossund Kleinbuchstaben auf.



Hl Hl F r utig e r-Sch r i Fte n

419

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Die Vielfalt an Asterisk-Formen in Adrian Frutiger’s Schriften lässt eine grosse Freude am Entwerfen erkennen.

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syn o ps i s



F r u t i g e r - s c h RI F T e n

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Anmerkungen

Beruflicher Weg   a12 1 Die Grundlage der Angaben in diesem Kapitel entstammen zu einem grossen Teil dem Typoskript ‹Aufzeichnungen aus dem Beruf› von Adrian Frutiger sowie aus seinem Buch ‹Ein Leben für die Schrift›. Im Weiteren sind In­formationen aus den Gesprä­ chen eingearbeitet. Die Bezüge zu Walter Käch’s Lehrern be­ ruhen auf Recherchen der Herausgeber. 2 Erich Alb (Hg.): ‹Adrian Frutiger – Formen und Gegenfor­men /  Formes et contreformes / Forms and counterforms›, Text von Roland Schenkel, Cham 1998, Seite 79. 3 Adrian Frutiger: ‹Ein Leben für die Schrift›, Interlaken 2003, Seite 17. 4 ALE: ‹Schrift – Signet – Symbol. Formgebung in Schwarz und Weiss. Ausstellung von Adrian Frutiger im Berner Gutenberg­ museum›, in: Publikationsorgan unbekannt 1973 (vermutlich Gewerkschaftszeitung). 5 25 Jahre später erscheint die ‹Setzerbibel› in der sechsten Aus­ gabe mit einer Gesamtauflage von 27 000 Exemplaren. – Vgl. Leo Davidshofer, Walter Zerbe: ‹Satztechnik und Gestal­ tung›, Zürich / Bern 1945, 6. Auflage 1970. Der Verlag des Bildungsverbandes Schweizerischer ­Typo­gra­­fen BST veröffentlicht zum Ende der Bleisatzära eine zweibän­ di­ge ‹Setzerbibel›. – Vgl. Hans Rudolf Bosshard: ‹Techni­sche Grund­­lagen zur Satzherstellung›, Band 1, Bern 1980; Hans Ru­ dolf Boss­­hard: ‹Mathematische Grundlagen zur Satzherstel­ lung›, Band 2, Bern 1985. 6 Dabei handelt es sich um die Rede des Fähnrichs Karl Hediger in Gottfried Keller’s Novelle ‹Das Fähnlein der sieben Aufrech­ ten›. 7 Ernst Jordi: ‹Zum Geleit›, in: Adrian Frutiger: ‹Die Kirchen am Thunersee›, Interlaken 1948, Seite 5. 8 Die Claudius basiert auf geschriebenen Vorlagen von Rudolf Koch. Noch zu Lebzeiten des Vaters stellt sein Sohn Paul zwi­ schen 1931 und 1934 einen Grad der Fraktur-Schrift her. Die weiteren Grade werden bei der Schriftgiesserei Gebr. Klingspor in Offenbach am Main geschnitten und 1937 herausgegeben.   – Vgl. Hans Adolf Halbey: ‹Karl Klingspor – Leben und Werk›, Offen­bach am Main 1991, Seite 143. 9 Die Angaben zu Satz und Druck sind hinten in Frutiger’s Buch aufgeführt. – Vgl. Adrian Frutiger: ‹Die Kirchen am Thuner­ see›, Interlaken 1948, Seite 49. 10 Adrian Frutiger macht diese Angabe auf Seite 21 in seinem Buch ‹Ein Leben für die Schrift›. Bei Max B. Kämpf handelt es sich um den Grafiker und nicht um den Kunstmaler Max Kämpf. 11 Die Fachklasse für Fotografie an der Kunstgewerbeschule in Zürich wird 1932 gegründet. Hans Finsler ist bis 1958 der Leiter. Unter anderem erhalten die später bekannten Magnum-Foto­ grafen Werner Bischof, René Burri und Ernst Scheidegger ihre Ausbildung bei Hans Finsler und Alfred Willimann. 12 Adrian Frutiger: ‹Aufzeichnungen aus dem Beruf›, Typoskript­ Seite 17. 13 Edward Johnston: ‹Writing and Illumina­ting and Lettering›, Lon­­don 1906. 14 Edward Johnston: ‹Schreibschrift, Zierschrift & angewandte Schrift›, aus dem Englischen übersetzt von Anna Simons, Leip­ zig 1910. 15 Rudolf von Larisch: ‹Unterricht in ornamentaler Schrift›, Wien 1905. 16 Fritz Helmut Ehmcke: ‹Ziele des Schriftunterrichts›, Jena 1911. 17 Bereits von 1925 bis 1929 unterrichtet Walter Käch an der kunst­ gewerblichen Abteilung der Kunstgewerbeschule in Zürich grafisches Entwerfen und Holzschnitt. – Vgl. Friedrich Friedl, Nicolaus Ott, Bernard Stein: ‹Typographie – wann wer wie›, Köln 1998, Seite 314. 18 Walter Käch: ‹Schriften Lettering Ecritures – Geschriebene und gezeichnete Grundformen / The principle Types of run­ ning hand and drawn caracters / Principales familles d’écritures courantes et de lettres dessinées›, Olten 1949. – Walter Käch: ‹Rhythmus und Proportion in der Schrift / Rhythm and Propor­ tion in Lettering›, Olten 1956. – Walter Käch: ‹Bildzeichen der Katakomben›, Olten 1965. 19 Adrian Frutiger: ‹Aufzeichnungen aus dem Beruf›, Typoskript­ Seite 29. 20 Adrian Frutiger: ‹NZZ Swiss made: Adrian Frutiger, der Typo­ graf aus Leidenschaft›, Zürich 2001. 21 Adrian Frutiger im Gespräch mit Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm vom 25. 3. 2002. 22 Adrian Frutiger: ‹Schrift Ecriture Lettering – Die Entwicklung der europäischen Schriften, in Holz geschnitten / Bois originaux illustrant l’évolution de l’écriture en Europe / The develop­ment of European letter types carved in wood›, Zürich 1951. 23 Adrian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen›, Textbear­ beitung von Horst Heiderhoff. Band 1: ‹Zeichen erkennen Zei­ chen gestalten›, Frankfurt am Main 1978; Band 2: ‹Die Zeichen der Sprachfixierung›, Frankfurt am Main 1979; Band 3: ‹Zeichen, Symbole, Signete, Signale›, Frankfurt am Main 1981.

424

An hang

24 Adrian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen›,Textbearbei­ tung von Horst Heiderhoff. Band 1: ‹Zeichen erkennen Zeichen gestalten›, Frankfurt am Main 1978, Seite 32. 25 Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980. 26 Persönliche Aufzeichnungen von Adrian Frutiger (Typoskript). 27 Emil Ruder: ‹Typographie – Ein Gestaltungslehrbuch / Typo­ graphy – A Manual of Design / Typographie – Un Manuel de Création›, Sulgen / Zürich 1967. 28 European Computer Manufacturers Association, Genf. 29 Adrian Frutiger im Gespräch mit Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm vom 26. 1. 2001. Président   a26 1 Adrian Frutiger: ‹ Schrift Ecriture Lettering – Die Entwicklung der europäischen Schriften, in Holz geschnitten ›, Zürich 1951. 2 In Frankreich heissen die Versal­schriften allgemein ‹ Initiales › –  auch solche mit Kapitälchen. 3 Der Begriff ‹ Latines › verweist auf Latium und da­­­­mit auf die In­ schriften der römischen Antike. 4 Schriftmusterbuch der Schriftgiesserei ­ Flinsch, Frankfurt am Main, undatiert (etwa Ende 1910er Jahre). 5 Für die bei uns heute als Renaissance-Anti­qua be­­kannte Klassi­ fikationsgruppe den Namen der holländischen Druckerdynas­ tie Elzevier zu wählen, ist sehr er­­staunlich angesichts der franzö­ ­si­schen Tradition eines Claude Garamont und zugleich wider­ sprüchlich, da die Elzeviers erst ab dem späten 16. Jahrhundert als Drucker ­tätig sind. 6 Der in Frankreich für die Grotesk verwendete Begriff ‹ Antique › verweist auf die ursprüngliche Herkunft der serifenlosen Schrif­ ten, die griechische Antike. Auch in England finden wir im 19. Jahr­­hundert mit ‹ Antique › bezeichnete Schriften. Der Begriff wird jedoch nicht einheitlich verwendet, so werden serifenbe­ tonte Schriften als auch Latines-Schriften damit bezeichnet. – Vgl. Nicolete Gray: ‹ Nineteenth Century Ornamented Type­ faces ›, London 1976. 7 Die Illustration zeigt die drei hauptsächlichen Typen von Seri­ fen, übereinander platziert und in chronologischer Abfolge: in Weiss die spitze Form der Latines; dahinter in Schwarz – gleich einem Schatten bzw. einer historischen Grund­lage – die kräfti­ ge­re Serifenform der Renaissan­ce-Antiqua mit gekehltem Seri­ fen­übergang; dazwischen, gerastert mit ausgespartem Wort elzevirs, die rechtwinklige Form. – Vgl. Fonde­ries Deberny &   Peignot: ‹ Spécimen ­Général ›, Tome II, Paris 1926. 8 František Muzika betitelt ein Kapitel mit diesem Begriff und verweist darauf, dass in England bereits in den 1840er Jahren, also vor William Morris und seiner Kelmscott Press, vermehrt wieder die Antiqua von Caslon in der Buchtypografie verwen­ det wird. Paul Shaw, Lektor der englischen Ausgabe des vor­ liegen­den Buches, merkt an, dass sich Muzika’s Aussage haupt­ sächlich auf die Arbeit von William Pickering bezieht. Nur am Rande erwähnt Muzika die Latines-Schriften, einzig eine Re­nais­ ­­sance-Antiqua der Schriftgiesserei Genzsch & Heyse aus dem Jahr 1882 wird angeführt, aber nicht gezeigt. – Vgl. František Muzika: ‹ Die schöne Schrift ›, Band 2, Prag 1971, Seite 382 ff. 9 Vgl. Nicolete Gray: ‹ Nineteenth Century Or­na­­mented Type­ faces ›, London 1976, Seite 78. 10 Vgl. Nicolete Gray: ‹ Nineteenth Century Or­na­mented Type­ faces ›, London 1976, Seite 81. 11 Vgl. Albrecht Seemann: ‹ Handbuch der Schrift­­arten. Eine Zusammen­stellung der Schrif­ten der Schriftgiessereien deut­ scher Zunge ›, Leip­zig 1926. 12 Bei der Tiffany von Deberny & Peignot handelt es sich nicht um die 1974 erschienene gleichnamige ITC Tiffany von Ed Benguiat. 13 Copperplate Gothic sowie Monotype Spartan (nicht zu ver­ wechseln mit der serifenlosen Spartan) sind die gleiche Schrift verschiede­ner Hersteller. Be­­kannt ist diese auch als Mimosa.­­  – Vgl. Stempel Haas: ‹ Universal-Schriftprobe ›, Frankfurt am Main / München­­stein 1974. 14 Engravers Roman ist auch unter dem Namen Hermes bekannt.   – Vgl. Stempel Haas: ‹ Univer­sal-Schriftprobe ›, Frankfurt am Main / Mün­chen­stein 1974. 15 Vgl. ‹Textverarbeitung, Maschinenschreiben und E-Mails ›, in: ‹ Duden 1 – Die deutsche Recht­schrei­bung ›, Mannheim / Leip­ zig / Wien / Zürich 2006, Seite 107. 16 Vgl. Jan Tschichold: ‹ Formenwandlungen der et-Zeichen ›, Frankfurt am Main 1953. – Vgl. Andreas Stötzner: ‹ Signa. Bei­ träge zur Signographie ›, Heft 2, Grimma 2001. 17 Gespräch mit Adrian Frutiger von Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm vom 26. 1. 2001.

Delta (Schriftentwurf)   a36 1 Grundlage der Ein-Alphabet-Schrift ist die rö­mische Unziale des 4. /5. Jahrhunderts, ­die am Übergang von der Grossbuch­ staben- zur Kleinbuchstabenschrift steht; sie vereint Formen beider Alphabete in sich. Phoebus   a38 1 Als Zierschriften werden Schriften bezeichnet, welche in Strich­ führung und /oder Anmutung vom üblichen Charakter einer Le­seschrift abweichen – sie dienen besonders dem Schauen. Heute wird eher von dekorativen Schriften oder Display Fonts gesprochen. In der Druckschriften-Klassifikation DIN 16518 wer­ den die Zierschriften vollständig der Gruppe VII Antiqua-Vari­ anten zugeordnet. Hans Rudolf Bosshard führt eine ‹Typologie der Zierschriften› auf. Dabei unterscheidet er folgende Haupt­ gruppen: konturierte, filetierte, gravierte, strukturier­te, scha­ blonierte, negative, kassettierte, plastische, ornamentale bzw. verzierte und perspektivische Schriften. Die Phoebus wird dort als Beispiel der Hauptgruppe ‹Plastische Schriften›, Untergrup­ pe ‹Schattenschrift› gezeigt. – Vgl. Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grundlagen zur Satzherstellung›, Bern 1980, Seite 94–103. R. S. Hutchings verwendet folgende Kategorien: Inlines and Outlines, Three-Dimensional (enthält auch verschiedene Arten von schattierten Schriften), Embellished (ornamentierte Schrif­ ten), Engraved, Halftone and Shaded (schattiert meint hier schraffiert), Cameo (weisse Schrift auf dunklem Grund) sowie Stencil (schablonierte Schriften). Die Phoebus ist den ‹ThreeDimensio­nal› zugeordnet. – Vgl. R. S. Hutchings: ‹A Manual of Decorated Typefaces›, London 1965. 2 Adrian Frutiger verweist in den Gesprächen öfters auf die um­ fangreiche, gut dokumentierte Abhandlung der Druck­schrif­ ten von W. Turner Berry, A. F. Johnson, W. P. Jaspert: ‹The Encyclopaedia of Type Faces›. Die 1. Auflage (ohne Jaspert) ist 1953 in London publiziert. 3 ‹Caractère. Revue mensuelle des industries graphi­ques›, Paris. 4 Viele Publikationen, auch von Adrian Frutiger, führen nach der Président als zweite Schrift die Ondine an. 5 Dabei handelt es sich um den äusserst feinen Schnitt, welcher heute in digitaler Form vorliegt, ehemals als Gill Sans Shadow No. 1 (Monotype Series No. 406) be­­zeichnet; den leicht kräfti­ geren Schnitt mit tiefen Schat­­ten Gill Sans Shadow No. 2 (No. 408) sowie jenen mit kurzen Schatten Gill Sans Shadow No. 3 (No. 338). Die Schnitte No. 406 und No. 408 entstehen 1936, der Schnitt No. 338 bereits 1932. Ge­mäss ‹Monotype Recorder›, New Series 8, 1990 ist Eric Gill nicht daran beteiligt. – Vgl. Max Caflisch: ‹Schrift­analysen›, Band 2, St. Gallen 2003, Seite 37. 6 Die Umbra, 1935 von Robert Hunter Middleton für die Ludlow Typograph Company, Chicago, geschaffen, basiert auf seiner eigenen geometrischen Grotesk Tempo. Sie unterscheidet sich nur in einigen Buchstaben von der Gill Sans Shadow No. 1 der Mono­type von 1936. Auch die älteste dieser sehr ähnlichen Schattenschriften, die auf der Berthold Grotesque basierende 1928/1929 entstandene Plastica der Schrift­giesserei H. Berthold AG, Berlin, wie auch die Semplicità Ombra der Società Nebiolo, Turin, zeigen das selbe Verhältnis von Strichstärke und Schat­ tentiefe. – Vgl. W. P. Jaspert, W. Turner Berry, A. F. John­son: ‹The Encyclopaedia of Type Faces›, London 1970. 7 Für die Schriftgiesserei D. Stempel AG gestaltet Rudolf Wolf 1937 zu seiner serifenbetonten Memphis auch die schattierte Version Memphis Luna. – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Chronik der Schriftgiesserei D. Stempel AG. Sechzig Jahre im Dienste der Lettern›, Frankfurt am Main 1954. – W. Turner Berry, A. F.   John­son, W. P. Jaspert: ‹The Encyclopaedia of Type Faces›, London 1962, führen sie als Luna auf. – Das Schriftmusterbuch ‹Schriftprobe der Unionsdruckerei Bern› bezeichnet sie – wohl fälschlicherweise – als Lumina. Dies ist jedoch der Name einer kontu­rierten Schrift von Jakob Erbar. 8 Die 1927 für den Phoebus-Palast entstandenen Plakate zeigt das Buch von Martijn F. Le Coultre, Alston W. Purvis: ‹Jan Tschichold. Plakate der Avantgarde›, Basel 2007. 9 Zudem entsteht 1930 der Entwurf ‹Konturlose Schattenschrift› des Bauhaus-Typografen Herbert Bayer. Der Entwurf wird als Bleisatzschrift nicht realisiert, inzwischen ist aber ein digitaler Font erhältlich, Bayer Shadow. – Vgl. Magdalena Droste (Hg.): ‹Herbert Bayer. Das künstlerische Werk 1918–1938›, Berlin 1982, Seite 134 f. – Vgl. auch: www.p22.com (Mai 2008). 10 Zur Realisation der Beta-Version der Phoebus hat Dalton Maag in London 2003 keine Vorlage mit vollständigem Zeicheninven­ tar zur Verfügung. Aus diesem sowie konzeptionellen Gründen beauftragen Heidrun Osterer und Philipp Stamm 2006 Rainer Gerstenberg, Schriftenservice D. Stempel GmbH in Frank­furt am Main, die Initiales Phoebus in der Kegelgrösse 36 pt neu zu giessen. Dafür liefert die Walter Fruttiger AG in München­stein bei Basel die Originalmatrizen von Deberny & ­Peignot. Im Früh­ jahr 2007 setzt Romano Hänni in Basel das Figurenverzeichnis und druckt dieses auf Baryt­papier, wodurch eine künftige Über­ arbeitung und Erweiterung des Fonts in bestmöglicher Qualität realisierbar wird.

Element-Grotesk (Schriftentwurf)   a46 1 Der Name ‹ Element-Grotesk › wird – im Einverständnis mit Adrian Frutiger – von den Herausgebern bestimmt. Frutiger selbst betitelt diesen Entwurf in einem Manuskript mit « Eine zusammensetzbare Schrift ». 2 Vom französischen Schriftgestalter Marcel Jacno erscheinen bei Deberny & Peignot unter ­ anderen die Initiales Film 1934 (siehe Seite 40), die Scribe 1936 und die Jacno 1948. 3 Marcel Jacno kreiert die Chaillot 1950 als Haus­­schrift für das Théâtre National Populaire in Paris. 1954 wird sie bei Deberny   & Peignot für den Anreibesatz ‹Typophane › adap­tiert. Federduktus (Schriftentwurf)   a48 1 Ein Minimum ist bei der Schriftbestellung die kleinstmögliche Menge an Bleilettern mit ­einer unterschiedlichen Anzahl Let­ tern je Zeichen. Die Zeichen sind nach der durchschnittlichen Häufigkeit ihres Vorkommens im Text berechnet. In jeder Sprache ist daher die Festlegung des Minimums verschieden. Ondine   a50 1 Zwar hat Deberny & Peignot mit der Scribe, 1937 von Marcel Jacno entworfen, eine spontan anmutende Schreibschrift im Sorti­ment. Gegen den lebendigen Duktus der 1953 von Roger Excoffon geschaffenen handschriftlichen Mistral kommt sie je­ ­doch nicht mehr an. Die Scribe bleibt bis 1954, bis zur Entstehung der Améthyste und Bolide von Georges Vial, die Einzige dieser Art bei Deberny & Peignot. 2 Das von Erich Alb im Verlag SyndorPress herausgege­be­ne drei­ sprachige Buch ‹Adrian Frutiger – Formen und Gegenformen›, Cham 1998, dokumentiert umfassend das freie künst­lerische Werk Frutiger’s. 3 Vgl. ‹Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bän­den›, 19., völlig neubearbeitete Auflage, Band 22, Mann­­heim 1993, Seite 620. 4 Das Handsatz-Schriftenprogramm einiger Schriftgiesse­reien ist noch erhältlich, unter anderem die Schriften von: Deberny   & Peignot, Haas’sche Schriftgies­serei, D. Stempel AG, Fonde­rie Olive und Società Nebiolo. Die Schriften sind zu beziehen bei: Walter Fruttiger AG, München­stein (CH), bzw. Schrif­ten-Service D. Stempel GmbH, Rainer Gerstenberg, Darmstadt (D). 5 Die Unziale oder Uncia­lis, eine mit der Breitfeder ge­­schriebene römische Buchschrift, entwickelt sich ab dem 2. Jahrhundert aus den römi­schen gemischten Buchschriften – ihre vollende­te Form findet sie im 4. Jahrhundert. Obwohl noch nicht sehr ausgeprägt, weist die Unziale in mehreren Buchstaben Minuskel­ for­men sowie Ober- und Unterlängen auf, sie wird aber noch den Majuskelschriften zugerechnet. – Vgl. František Muzika: ‹Die schöne Schrift›, Band 1, Prag 1965, Seite 173 ff. 6 Die traditionellen Schreibwerkzeuge Breit- und Spitzfeder wer­ den im 20. Jahrhundert vermehrt von Redisfeder, Pinsel, Stift, Filz- und Kugelschreiber abgelöst. Insbesondere Alphabete, welche die Spontanität des Pinselstrichs suggerieren, werden in den 1950er Jahren als Druckschriften umgesetzt. 7 Das Trockentransferverfahren ‹Typophane› (siehe Seite 223) wird erstmals in der Zeitschrift ‹Caractère› Nr. 3, März 1954, von Deberny & Peignot angeboten. 8 Roger Excoffon heiratet die Tochter von Albert Olive, welcher 1914–1938 die Fonderie Olive in Marseille leitet – danach wird dessen Sohn Marcel Direktor. 1945–1959 ist Roger Excoffon künstleri­scher Berater der Schriftgiesserei. 1978 wird der Betrieb an die Haas’sche Schriftgiesserei verkauft. – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 555 ff. 9 Die Calligraphiques noires von Deberny & Peignot ist eine Spitz­ federschrift im Stil der englischen Schreib- und Gravurschriften des 18. und 19. Jahrhunderts. 10 Die Druckschriften-Klassifikation DIN 16518 der Deut­s­chen In­ dustrie-Norm entspricht längst nicht mehr den Anforderungen, die an eine zeitgemässe Schriftenordnung gestellt werden – zu viel hat sich seit ihrer Einführung 1964 im Schriftschaffen verändert. Für das Verständnis des Werkes von Adrian Frutiger er­scheint sie uns dennoch hilfreich, da sie während seiner Schaf­fens­zeit aktuell war, in ähnlicher Form als ‹Classification Vox› auch in Frankreich. 11 Hans Rudolf Bosshard’s ‹Neuer Vorschlag für eine ­Klassifikation der lateinischen Druckschriften› sieht eine Zusammenlegung der Gruppen VIII und IX zu den ‹Lateini­schen Schreibschriften› vor – mit den vier Untergruppen Spitz­feder­schriften, Breitfeder­ schriften, Schnur­­zugschriften und Pinselschriften. – Vgl. Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grundlagen zur Satzherstellung›, Bern 1980, Seite 72 f.

Méridien   a60 1 Adrian Frutiger nennt im Gespräch Januar bis Mai 1953, was jedoch kaum wahrscheinlich ist, da er erst im Spät­sommer 1952 nach Paris kommt und vor der Méridien die drei Schriften Initiales Président (3–4 Monate), ­Initia­les Phoebus (2 Monate) und Ondine (6 Wochen) entstehen. Auch ist er an den Reinzeichnun­ gen der Initiales Cristal von Rémy Peignot beteiligt. Überdies gilt es, den Betrieb mit der gesamten Produktion kennenzulernen, und die Herstellung der Schrif­ten muss begleitet und über­wacht werden. – Gespräch mit Adrian Frutiger von Erich Alb, Rudolf Barmettler, Philipp Stamm vom 26. 2. 2001. 2 Georges Peignot zeichnet 1912/13 den geraden und kursiven Schnitt der Caractères Garamont (verbürgt ist die ­Schreibweise mit t auf der Titelseite eines von Claude Garamont verlegten Buches von 1545). In den 1920er Jahren vollendet der Sohn Charles die angefangene Schrift; sie erscheint 1930. ­Betreffend der verwendeten Vorlagen für Peignot’s Garamont sind in der Fachliteratur unterschiedliche Angaben zu finden. So vermerkt Philipp Bertheau, dass als Vorlagen die gedruckten Bücher Garamont’s dienten. Dagegen schreibt Max Caflisch, dass dieser, wie so manch anderer Nachschnitt des 20. Jahrhunderts auch, eigentlich auf Jean Jannon’s Caractères de l’Université von 1621 basiert, deren Originaltypen in Paris in der Imprimerie Natio­nale lagern. – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschrif­ ten im 20. Jahr­hundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 418. – Vgl. Max Caflisch: ‹Schriftanalysen›, Band 1, St. Gallen 2003, Seite 117 ff. 3 ‹Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bän­den›, 19., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 14, Mannheim 1991, Seite 481. 4 1972 erwirbt die Haas’sche Schriftgiesserei Deberny & Peignot und damit die Rechte an den Schriften. Eine Beteiligung an der Haas’schen hält die D. Stempel AG, welche nun die Méridien in ihr Fotosatz-Schriftenprogramm aufnimmt und ausbaut. 1989 übernimmt Linotype die Haas’sche Schriftgiesserei und damit alle Rechte an den Schriften. Die Schriftgusswerkstatt wird in der Folge herausgelöst und an Walter Fruttiger ver­kauft, der diese seither als Fruttiger AG betreibt. – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 555 ff. 5 Der französische Schriftsteller Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732–1799) wirkt auch als Hofuhr­macher, Harfenlehrer, Dichter, Publizist, Geheimagent, Handelsherr, Spekulant und Verleger (Mitherausgeber der ersten Gesamtausgabe der Werke Voltaires). – Vgl. ‹Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bän­den›, 19., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 2, Mannheim 1987, Seite 689. 6 ‹La Folle Journée ou Le Mariage de Figaro› löst bei der Uraufführung in Paris eine ungeheure Begeisterung aus – das Buch erfährt im ersten Jahr seines Erscheinens 15 Neuauflagen. Der Inhalt ist symptomatisch für die Stimmung der vorrevolutionä­ ren Epoche in Frankreich. – Vgl. John Carter, Percy H. Muir (Hg.): ‹Bücher die die Welt verändern›, München 1968, Seite 426. 7 Im April 1949 führen René A. Higonnet und Louis Moyroud zusammen mit Bill Garth den Prototyp der Photon im Zusammenhang mit der Jahresversamm­lung der American News­­paper Publisher’s Association ANPA vor. Die Präsentation vor einem ausgewählten Publikum im Hotel Waldorf Astoria in New York hat zum Ziel, Geldgeber für die Weiterentwicklung zur Produktionsreife zu finden. – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003. 8 1946 präsentieren die Konstrukteure René A. Higonnet und Louis M. Moyroud dem interessierten Fachpublikum an der École Estienne in Paris erstmals ihre Idee einer elektronischen Fotosetzmaschine. Acht Jahre später wird die Fotosetzmaschine Photon erstmals in Europa am Salon TPG 1954 in Paris von Deberny & Peignot vor­­­­­gestellt. Dabei handelt es sich noch nicht um die französische Lumitype. Diese wird erstmals 1956 gezeigt (mit Frutiger’s erster Schrift für die Lumitype, der Méridien). – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003. 9 Vgl. Walter Käch: ‹Rhythm and Proportion in Lettering / Rhyth­ mus und Proportion in der Schrift›, Olten 1956, Seite 22 ff. 10 Ebd. 11 Adrian Frutiger: ‹Die Etienne-Schriften – ein Erscheinungsbild der lateinischen Schrift›, in: ‹Typografische Monatsblätter› 10/1977, St. Gallen 1977, Seite 6.



12 Im Handsatz ist jede Schriftgrösse in der Breite eigens zugerichtet. Sperren, also die Laufweite zu erhöhen, ist zwar einfach, aber aufwändig durch Spatien zu bewerkstelligen, das Verringern der Laufweite ist hingegen nur durch seitliches Ab­­fräsen des Bleikegels möglich. Beim Fotosatz und beim heutigen Digitalsatz ist die Laufweite variabel, und durch das Skalieren der Schrift muss die Laufweite angepasst werden. Leider haben sich die Schrifthersteller seither aus der Verantwortung gestoh­ len und diese an die Anwender delegiert: beim Fotosatz mehrheitlich noch an Fachpersonen (was jedoch keine Garantie für guten Satz ist, wie die Typografie der 1970er und 1980er ­Jahre deutlich zeigt), beim Digitalsatz mit Personal Computern nun auch an Laien. Wünschenswert wäre heute, dass die Schrifthersteller bei ihren Schriften zumindest bekannt geben, für welche Schrift­grösse die Standard-Laufweite 0 optimal ist. Leider bleibt dies wohl eine vergebliche Forderung, denn in den meis­ ten Schriften ist nicht einmal in allen Schnitten dieselbe Laufweite für die gleiche Schriftgrösse passend einzusetzen. Möglicherweise weist Adobe mit dem ‹Optischen Kerning› den Weg. Für rasche Anwendung im Bürosektor bringt die automatische Regulierung der Laufweite sicher­lich eine Verbesserung der Satzqualität; für hoch­­­wertigen Satz ist das ‹Optische Kerning› jedoch (noch) nicht fein genug bestimmt. 13 Die ‹Typographischen Monatsblätter› 3/1958, Seite 147, berichten einerseits über das erste Buch auf Lumitype, ‹Le Mariage de Figaro›, gesetzt in Méridien, andererseits wird die Méridien vorgestellt. 14 Karl Schmid (1914–1998), Fachlehrer, 1964–1972 Leiter der Abteilung für wissenschaft­liches Zeichnen an der Kunstgewerbeschule Zürich; Holzschneider von Jean Arp. 15 Adrian Frutiger: ‹Die Etienne-Schriften – ein Erscheinungsbild der lateinischen Schrift›, in: ‹Typografische Monatsblätter› 10/1977, St. Gal­­len 1977, Seite 6 f. 16 Ebd., Seite 4. Caractères Lumitype   a74 1 Um neben Bill Garth weitere Sponsoren zu finden, wird 1949 an­lässlich der Jahrestagung der American News­­paper Publishers Association ANPA im New Yorker Hotel Waldorf-Astoria eine Präsentation durchgeführt, an welcher ein noch sehr rudi­ mentärer Prototyp einem Teil der geladenen Gäste vorgestellt wird. Die anlässlich dieser Präsentation gewonnenen Sponso­ ren werden mit Vertragsunterzeichnung Mitglied der zu diesem Zweck gegründeten Graphic Arts Research Foundation GARF. – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003, Seite 104 f. 2 Von Beginn an wird das Projekt Photon-Lumitype in den Fachzeitschriften gespannt verfolgt und kommentiert, so zum Beispiel in ‹La France Graphique› Nr. 31, Juli 1949, Seite 27–30 und Nr. 55, Juli 1951, Seite 22–23. Charles Peignot weiss also mindes­ tens aus den Fachzeitschriften von diesem Projekt. Durch seine Verbindung zur École Estienne, an der 1946 ein Prototyp der Lichtsatzmaschine präsentiert wird, ist eine frühere Kenntnisnahme wahrscheinlich. Nach einem Besuch Peignot’s in den USA 1950 und mehreren Gesprächen unterbreitet er den Entwicklern 1952 einen Vertragsentwurf. 1953 sind sich beide Parteien einig, aber wegen Ab­klärung von Interessen Dritter am Projekt wird der Vertrag erst am 30. 3. 1954 unterzeichnet. – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003, Seite 200 f. 3 Aus den USA wird eine Photon 100 nach Paris verfrachtet, welche sodann von Deberny & Peignot am Salon TPG 1954 präsentiert wird. 4 ‹Association Typographique Internationale›, gegründet 1957 durch Charles Peignot unter Mitwirkung von John Dreyfus. Charles Peignot amtiert 16 Jahre als deren erster Präsident. – Vgl. www.atypi.org 5 Am 5. 2. 1953 präsentiert Vannevar Bush im Namen der GARF Aldro Gaul’s Buch dem Präsidenten des MIT, Karl Comp­­ton. Dieses wichtige Ereignis ruft ein grosses Echo bei den amerikanischen Tageszeitungen hervor, deren Mitglieder zum Gross­ teil im Stiftungsrat der GARF sitzen. In Wirklichkeit ist das Buch auf dem Vorläufermodell ‹Petunia› gesetzt worden; die Photon 100 ist noch weit entfernt davon, produktions­reif zu sein. – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumiè­re›, Paris 2003, Seite 136 f. 6 Ihre Photon 100 schenkt Deberny & Peignot dem GutenbergMuseum in Mainz (D), die erste Lumi­type 200 kann im Musée de l’imprimerie in Lyon (F) besichtigt werden. 7 Über die Geschichte der Photon-Lumitype geben folgende Publikationen ausführlichen Bericht: – Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003. – Alan Marshall: ‹La Lumitype-Photon›, Lyon 1995. – L. W. Wallis: ‹A Concise Chrono­ logy of Typesetting Developments 1886–1986›, Worcester­shire 1988.

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8 Der Name ‹Garaldes› setzt sich aus den Namen Gara­mont und Aldus (Manutius) zusammen. Auch bei den ‹Didones› sind mit Didot und Bodoni ein französischer und ein italienischer Ge­ stalter die zwei Namengeber. 9 Adrian Frutiger: ‹Determination des bases pour l’étude et le dessin des caractères à utiliser pour la Lumitype›, 14. 6. 1954. 10 Die ATypI anerkennt 1960 die ‹Classification Vox› als Standard. Der beschlussfassende Ausschuss besteht aus Maximilien Vox, Walter Tracy, Gerrit W. Ovink, Adrian Frutiger, Aaron Burns und Hermann Zapf. 1962 wird die von 9 auf 10 Gruppen erweiterte ‹ATypI-Classification› angenommen; die gebrochenen Schrif­ten sind nun in einer angehängten separaten Gruppe. Folgen­de Länder übernehmen die Klassifikation, die Stilbezeichnun­gen sind jedoch uneinheitlich: Frankreich, BRD, Italien, Niederlande, England, Spanien und Portugal. – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Klassifikation. Bemühungen um eine Ordnung im Druckschrif­ tenbestand›, Darmstadt 1975, Seite 15 ff und 52 ff. 11 «Ce disque remplace 3 tonnes de matrices dont le prix serait de 40 millions de Fr. environ. Il pèse 1.000 grammes et son diamètre est de 20 cm.» – Deberny & Peignot: ‹La Lumitype Possibilités Exemples›, Paris ca. 1957. 12 Fliegende Akzente haben gegenüber den festen Akzentbuch­ staben den grossen Vorteil, dass pro Akzent nur ein Zeichen­ platz belegt wird und dass jeder Akzent theoretisch zu jedem Buchstaben stehen kann. Bei der Lumitype sind oft benutzte Akzente als feste sowie als fliegende Akzente vorhanden, wahr­ scheinlich um die Belichtungsgeschwindigkeit nicht zu be­ein­ trächtigen. 13 Die Schriften der Monotype können eine mögliche Vorlage ge­­wesen sein, insbesondere wäre dies durch ihre Einteilung in 18 Einheiten nahe liegend. Aus formaler Sicht erscheinen die Schrif­ten von Deberny & Peignot als Vorlagen jedoch wahr­ scheinlicher, denn einerseits konn­­ten Originale herangezogen werden und andererseits konnte dem Wunsch der Kunden entsprochen werden, ihre gewohnten Handsatztypen auch im Foto­satz wieder zu finden. 14 Die Schreibweise von Garamont in den historischen Dokumen­ ten ist uneinheitlich; gesichert mit t ist sie zu Garamont’s Leb­ zeiten durch das Titelblatt des Buches ‹L’histoire de Thucydide Athenie› mit dem Druck­­ver­merk: «Imprimé a Paris par Pierre Gaultier pour Ichan Barbé & Claude Garamont. 1545.» – Gerda Finsterer-Stuber (Hg.): ‹Geistige Väter des Abend­­landes›, Stutt­­gart 1960, Kapitel 35. 15 Bei der Cambridge Garamond handelt es sich gemäss dem Schreiben ‹Type Face & Machine Data› der Photon Inc. vom 23. 2. 1955 um die Adaption der American Garamond (von Mor­ ris Fuller Benton); bei der im ‹Technical Memorandum No. 62› der Photon Inc. vom 7. 3. 1956 aufgeführten Paris Gara­mont ist die Adap­­­tion von Georges Peignot’s Garamont gemeint. 16 Im Typeface Specimen der International Photon Corporation wird die Times 451-55 ff. als Photon-Schrift vermerkt. 17 Bei Photon wird die Kegelhöhe gewählt – wie dies auch im Blei­ satz üblich ist –, wodurch bei den Photon-Schriften keine sicht­ bare, einheitliche Schrifthöhe existiert. Im Gegen­satz dazu steht Fru­tiger’s wegweisender Entscheid, bei den LumitypeSchrif­ten die Versalhöhe zu normieren. Leider wird Frutiger’s Ansatz bei Ein­führung von Adobe PostScript 1983 nicht über­ nommen – noch heute sind in den digitalen Schriften die Versal- und x-Höhen uneinheitlich. 18 Sukzessive wird das Schriftensortiment bei beiden Herstellern ausgebaut. Für Lumitype entstehen nach 1961 folgende Schrif­ ten (alphabetisch geordnet): Beauchamp, Bodoni Book, Cen­ tury, Clarendon, Imprint, Modern, Olympic, Plantin, Gras Vibert und Neo Vibert sowie Weiss-Antiqua. Auch Frutiger’s Président wird auf die Lumitype adaptiert. Bei der International Photon Cor­po­ra­tion, deren künstlerischer Leiter Ladislas Mandel wird, entstehen folgende weitere Schriften: Aster, Candida, ­Edgware, Gill, Haverhill, Sofia-Latin, Textype, Thomson, eine weitere Times so­­wie Univad, eine Univers-Adaption für kleinste Schrift­grade von Ladislas Mandel. Zudem werden einige nichtlateinische Alphabete realisiert, eine griechische ­Univers in vier Schnitten beispielsweise und eine kyrillische Univers, genannt Mir, in acht Schnitten, beide ebenfalls von Ladislas Mandel gezeichnet. Die amerikanische Dymo Graphic Systems tritt die Nachfolge von Photon-Lumitype an und führt in ihrem Schriftenprospekt 1976 Schriften von Photon wie auch von Lumitype bzw. Inter­ national Photon Corporation auf­. 19 Ein Blatt mit dem Titel ‹Deberny Peignot 1956/57›, von Albert Boton 2003 signiert, zeigt Fotografien mit den genannten Per­ sonen, zum Beispiel Ladislas Mandel bei der Arbeit an der Caslon italique. Von Ladislas Mandel gibt es einen Artikel in englischer Sprache über die Mitarbeiter des Schriftenateliers der International Pho­ ton Corporation. Dort ist zu Annette Blanchard (geb. Celsio) vermerkt: «[…] Since 1959 [mit handschrift­licher Korrektur auf 1954], she has taken part in realiz­ing a great number of alpha­ bets in the Lumitype-Photon catalogue.» – Ladislas Mandel: ‹Our IPC Type Design Studio in Paris›, in: unbekannt, Seite 5.

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20 Giambattista Bodoni: ‹Manuale Tipografico›, Band 1, Parma 1818, Seite 41 (Filosofia 4 / Cadice), Seite 100 (Parangone 2 / Vel­ teri), Seite 103 (Ascendonica 2 / Chieri). – Vgl. Octavo Cor­po­ ra­tion: ‹Giambattista Bodoni: Manuale Tipografico›, Oakland 1998 (CD-ROM). 21 Die Bodoni-Adaptionen sind sehr oft deutlich stren­ger gehal­ ten als die Originale. Fast immer sind sie be­­­gradigt, die Punzen in den Proportionen angeglichen und die Ober- und Unterlän­ gen stark verkürzt. Insbesondere die lebendige, etwas verspiel­ te Eleganz und Grazie der grossen Grade der Bodoni fehlen meis­tens. Univers   a88 1 Adrian Frutiger: ‹Der Werdegang der Univers›, in: ‹Typogra­ phische Monatsblätter›, ‹Sondernummer Univers›, 1/1961, ­Seite 10. Gesetzt in Monotype Univers. 2 Emil Ruder: ‹Univers, eine Grotesk von Adrian Frutiger›, in: ‹­Typographische Monatsblätter› 5/1957, Seite 364 f. 3 Hans-Rudolf Lutz schreibt: «Adrian Frutiger schafft mit der Uni­ vers das erste wirkliche Schriftprogramm. Seine Arbeitsweise steht im Gegensatz zum üblichen Vorgehen, Schriftfamilien erst dann zu ergänzen, wenn sich nach einigen Grundschnitten ein Erfolg abzeichnet.» – Hans-Rudolf Lutz: ‹­Typoundso›, Zürich 1996, Seite 43. 4 Ursprünglich ist der mit Bleistift beschriftete Entwurf auf Feb­ ruar 1951 datiert. Adrian Frutiger radiert dies in den 1990er Jahren aus und korrigiert auf 1950, dem Beginn der Entwurfs­ arbeit. – Vgl. Adrian Frutiger: ‹­Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 12. 5 Emil Ruder: ‹Univers, eine Grotesk von Adrian Frutiger›, in: ‹­Typographische Monatsblätter› 5/1957, Seite 362. 6 Mit Bezug zur Allgemeinen Gewerbeschule Basel seien folgen­ de in Univers gesetzte Bücher erwähnt: Emil Ruder: ‹Typogra­ phie›, Sulgen 1967; Hans Wichmann (Hg.): ‹Armin Hofmann: Werk Er­­kundung Lehre›, Basel 1989. Hingegen ist das 1965 erschienene Buch von Armin ­Hofmann ‹Methodik der Form und Bildgestaltung› in Akzidenz Grotesk gesetzt. Von Helmut Schmid ist das Buch ‹der Weg nach Basel›, Tokyo 1997, erschie­ nen. Darin sind Arbei­ten weiterer Basler Schüler zu finden, wie auch im Buch von Richard Hollis: ‹Schweizer Grafik›, Basel 2006, Seite 251 ff. Er führt ehemalige Basler Schüler wie ­Daniel Friedman, April Greiman, Willi Kunz auf, die in den USA tätig sind. 7 Vgl. Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 19. 8 Ein undatierter Entwurf mit einer Bleistiftzeichnung des n trägt den Titel ‹Antique DP›. 9 Adrian Frutiger greift Formprinzipien auf, welche Walter Käch beschreibt und zeigt, und bildet diese in den eigenen Büchern teilweise ab. Beispielsweise legen Frutiger und Käch Wert da­ rauf, dass der Schweif des Q nicht die Punze beeinträchtigt. Auch wird das Versetzen der Striche beim M und damit das Öffnen der spitzwinkligen Innenräume, um einem fleckigen Schriftbild vorzubeugen, bei Käch beschrieben. In den Details ist Frutiger dann aber diffe­renzierter. So zeigen beispielsweise die Querstriche beim E feine Stärkenunterschiede; je kür­zer der Balken, desto feiner. Nicht so bei Käch, hier haben die drei Balken zwar ebenfalls unterschiedliche Längen, sie sind aber alle gleich kräftig. – Vgl. Walter Käch: ‹Schriften Lettering Ecritures›, Olten 1949, Seite XVII ff. 10 Das ‹Memorandum: Sans serif design by Deberny et Peignot› von Louis Rosenblum, ­Schriftverantwort­licher der Photon Inc., datiert vom 27. 2. 1956 an diverse, mit dem Projekt Photon-Lu­ mitype betraute Personen, do­­ku­­­mentiert: ­«Attached is a dis­ play showing the 14 widths and weights of the typeface desi­ gned by D & P that is known in Europe as ‹antique›. For obvious reasons we should like to select a new family name. Among the sugges­tions that have been made are ‹universal›, ‹con­ stellation› and ‹cosmos›.» Bei­­­gefügtes Schema zeigt die 14 geradestehenden Schnitte der späteren Univers. 11 Ebd. 12 Emil Ruder: ‹Univers, eine Grotesk von Adrian Fruti­ger›, in: ‹­Typographische Monats­blätter› 5/1957, Seite 361 ff. 13 Gemäss Gespräch mit Adrian Frutiger vom 28. 3. 2001 stammt das Schema von Rémy Peignot. Rudolf Hostettler, der Heraus­ geber der TM, nennt zwar Adrian Frutiger, meint dies jedoch im übergeordneten Sinn. – Vgl. ‹­Typographische Monats­blät­ter› 11/1963, Seite 690 f. 14 Tendenziell weist die Neigung auf 16.5° hin, je nach Schnitt und Zeichen. Auch die Linotype Univers wurde etwas stärker, näm­ lich um 16.3°, geneigt.

15 Die Inserate und Poster, welche Hans-Rudolf Lutz 1964 entwirft, sind Teil einer Serie für die englische Monotype. – Vgl. HansRudolf Lutz: ‹Ausbildung in typografischer Gestaltung›, Zü­ rich 1996, Seite 168 ff. Aus seiner Serie typografischer Porträts, die er 1967/68 für die Handsetzerei Ernst Gloor in Zürich gestal­ tet, ist das Porträt von Karl Marx in Univers gesetzt. – Vgl. HansRudolf Lutz: ‹­Typoundso›, Zürich 1996, Seite 38 ff. – Von der Handsetzerei Ernst Gloor kommt 1966 zudem die Broschüre ­‹Univers› mit typografischen Blättern von Fridolin Müller her­ aus. 16 Adrian Frutiger: ‹Der Werdegang der Univers›, in: ‹Typo­ graphische Monatsblätter›, ‹Sondernummer Univers›, 1/1961, Seite 11. 17 Das Schriftgussprogramm wird 1972 bei Deberny & Peignot ein­ gestellt. Die Haas’sche Schriftgiesserei übernimmt die Firma und damit deren Schriftensortiment. 18 Die Grotesque wird unterschiedlich datiert. Die abgebilde­ten Schriften sind nicht identisch. – Mit 1834 bei: ­Nicolete Gray: ‹Nineteenth Century Ornamented Typefaces›, London 1976, Seite 39. – Mit 1832 bei: ­W.P. Jaspert, W. T. Berry, A. F. John­ son: ‹Encyclopaedia of Type Faces›, London 1970, Seite 287. 19 Die Breite Magere Grotesk von Schelter & Giesecke, Leipzig, wird unterschiedlich da­­tiert. – Mit 1870 bei: Georg Kandler: ‹Alphabete. Erinnerungen an den Bleisatz›, Band 2, Kornwest­ heim 2001, Seite 37. – Mit 1840 bei: Philipp Ber­theau: ‹Buch­ druckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 218. Aus dieser Quelle geht aber nicht hervor, ob zu diesem frühen Zeitpunkt bereits Minuskeln vorhanden sind. Gezeigt wird sie sodann auf Seite 2 mit dem Vermerk Bauer & Co, Stuttgart 1895. Ob es sich um die­selben Schriften handelt, ist nicht ersichtlich. Dies wäre aber möglich, da die Schriften in identischer oder leicht ab­gewandelter Form von verschiedenen Giessereien produziert wur­den. Die Breite Fette Grotesk wird auf Seite 512 als Schrift der Bauer & Co auf ca. 1880 datiert, auf Seite 218 wiederum ist diese mit 1902 als Schrift von Schelter & Giesecke angegeben, gezeigt werden sie nicht. Erwähnt wird zudem ein halbfetter Schnitt mit 1890.   – Abgebildet und datiert mit 1880 wird die Breite Fette Grotesk von Schelter & Giesecke unter: www.fontshop.de/fontblog/ C420185419/E430231085/index.html (Januar 2008). 20 Vgl. Wolfgang Beinert: www.typolexikon.de/g/grotesk.html (Mai 2007). 21 Karl Gerstner, Mitbegründer der bekannten Werbeagentur GGK (Gerstner, Gredinger, Kutter), baut in den 1960er Jahren die Akzidenz Grotesk zu einer systematischen Schriftfamilie aus, ähnlich dem Univers-System. Sie erscheint für den Foto­ satz der H. Berthold AG unter dem Namen Gerstner Programm.   – Vgl. Karl Gerstner: ‹Programme entwerfen›, Teufen 1968, Seite 29 ff. – Vgl. Karl Gerstner: ‹Rück­blick auf 5 × 10 Jahre Graphik Design etc.›, Ostfildern-Ruit 2001, Seite 96 ff. 22 Helmut Schmid: ‹Der Weg nach Basel›, Tokyo 1997, Seite 65. 23 Emil Ruder: ‹Univers, eine Grotesk von Adrian Fruti­ger›, in: ‹Typo­graphische Monatsblätter› 5/1957, Seite 361. 24 Für diese Gruppe der statischen Grotesk mit den horizontalen Bogenenden wird oft die Bezeichnung Neo-Grotesk verwendet. Die Folio, 1956–63 bei der Bauerschen Giesserei in Frankfurt erschienen, stammt von Konrad F. Bauer und Walter Baum. Sie ist in Frankreich unter dem Namen Caravelle bekannt. Die Mer­ cator, 1957–61 bei Lettergieterij Amster­dam herausgekommen, stammt von Dick Dooijes. Vom Zürcher Grafiker Max Miedinger erscheint 1957 die Neue Haas Grotesk, für die Haas’sche Schrift­ giesserei. Sie wird laufend ausgebaut und ab 1961 von der D. Stempel AG / ­Linotype zu Helvetica umbenannt. Die Recta von 1958–61 von Aldo Novarese ist eine Schrift der italienischen Schriftgiesserei Nebiolo. Von Karlgeorg Hoefer stammt die Per­ manent, 1962 entstanden für die Giesserei Ludwig & Mayer in Frankfurt sowie die Giesserei Simoncini in Italien. 25 Gert Wunder­lich’s Maxima, 1970 für die ostdeutsche Typoart gestaltet, ist stark formverwandt zur ursprünglichen Idee der Univers. In den Versalien hat sie jedoch einen vielfältigeren Rhythmus, ähnlich den Proportio­nen der Capitalis Monumen­ talis. Vom Team 77, André Gürtler, Christian Mengelt und Erich Gschwind, stammt die Haas Unica. Sie erscheint 1980 als Über­ arbeitung der ur­­sprünglichen Neuen Haas Grotesk. Das Team 77 analysiert als Grundlage die originale Helvetica-Version der Haas’schen Schriftgiesserei, die Helvetica von Linotype, die Akzidenz Grotesk von Berthold und die Univers von Deberny & Peignot. Der Name Unica kann auch als Verweis auf Univers und Helvetica inter­pretiert werden. – Vgl. A. Gürtler, C. Men­ gelt, E. Gschwind: ‹Von der Helvetica – zur Haas Unica›, in: ‹Typografische Monatsblätter› 4 /1980, Seite 189 ff. 26 ‹Monotype Newsletter› Nr. 140, Bern, Oktober 1966, letzte ­Seite. 27 Olivier Nineuil: ‹Ladislas Mandel – explorateur de la typo fran­çaise›, in: ‹Etapes Graphiques› Nr. 10, 1999, Seite 44. 28 Autor unbekannt: ‹Caractéristique de l‘Antique Presse (version Mandel)›, 14. 11. 1962. 29 Adrian Frutiger: ‹Historique des caractères par Adrian Fruti­ ger (pour mémoire)›, 27. 4. 1988.

30 Brief vom 28. 2. 1973 von Adrian Frutiger an Dr. Walter Greisner: «Ich glaube, dass es richtig ist, eine weitere Entwicklung eines Schriftstils in einem Schriftkreis, dessen Buchstaben­formen so stark abweichen vom lateini­schen Alphabet, wie es der Fall ist für cyrillisch, griechisch, u. a., als eigenständige Neuschöpfung betrachtet werden kann, auch wenn an der Basis der Charakter des originellen Schriftstils steht.» 31 Die Rechtslage für die Erweiterung der Univers scheint etwas unklar zu sein. Walter Greisner von Stempel erfährt, dass Com­ pugraphic die Univers kyrillisch von André Gürtler anpassen lassen will, und reklamiert in einem Brief vom Juni 1973 an den Direktor der Haas’schen Schriftgiesserei, dass Gürtler gar nicht berechtigt sei, diese Umarbeitung vorzunehmen (Brief vom 20. 6. 1973 von Walter Greisner an Alfred Hoffmann). Postwen­ dend antwortet die Haas’sche Schriftgiesserei, dass Greisner’s Auffassung geteilt wird. Es wird aber auch festgehalten, dass das Gleiche auf die kyrillischen Schnitte der Univers zutrifft, die Adrian Frutiger im Auftrag der D. Stempel AG zeichnet. Denn: «Haas hat mit Wirkung ab 1. 1. 1973 sämtliche zeitlich und örtlich unbegrenzten Rechte an der Univers von DP erworben und ist allein berechtigt, über die Univers zu verfügen.» (Brief vom 29. 6. 1973 der Haas’schen Schriftgiesserei an D. Stempel AG, Walter Greisner.) 32 Notiz vom 4. 7. 1974 von Adrian Frutiger an Dr. Walter Greisner mit beiliegendem Alphabet der kyrillischen Univers, genannt Mir, von Ladislas Mandel. 33 Bereits 1971 zeichnet Adrian Frutiger ein kyrillisches Alphabet für den IBM-Composer. Er merkt in einem Brief an Walter Greis­ ner an: «Die Zeichnungen sind jedoch für einen anderen Zweck nicht zu gebrauchen, da ich erstens das Recht dazu nicht habe, und zweitens, da das Einheitensystem der Composer zu untypo­ graphisch ist.» 34 Aus der Vereinbarung zwischen den Schriftgiessereien Mono­ type und Deberny & Peignot vom 4. 1. 1965 geht hervor, dass Adrian Frutiger für Monotype die griechische und kyrillische Variante der Univers zeichnen soll. Im Archiv der Mono­type sind jedoch – laut dem künstlerischern Leiter Robin Nicholas (Januar 2007) – lediglich Zeichnungen der griechischen Varian­ te zu finden. Für die kyrillische Version existieren nur Kopien jener Zeichnungen, welche ab 1973 von Stempel / Linotype her­ gestellt wurden und als Grundlage für die Version von Mono­ type dienten. 35 Asher Oron ist ein israelischer Grafikdesigner, welcher an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem unterrichtet. 36 Der Hergang zur Entstehung der Oron ist abgedruckt in einer Publikation. Asher Oron: ‹A new Hebrew sans serif for bi­ lingual printing›, in: unbekannt, Seite 16/17. 37 Im Schriftenkatalog ‹­Typography› 9/1989 von Hell ist bei den Schriften von Bitstream die Univers als Swiss 722 enthalten. In späteren Bitstream-Publikationen (Faltposter ‹Bitstream Type­ face Library› von 1992) ist sie umbenannt in Zurich. 38 Zusätzlich zu den ursprünglich 21 Schnitten der Univers sind es die Schnitte 69, 85, 86, 53 Oblique, 63 Oblique, 73 Oblique, 93 und 93 Oblique, die Negativ-Schnitte 65, 75, 76 sowie die lich­ ten Schnitte (Outline) 65, 67, 73. 39 Es ist sehr erstaunlich, dass ausgerechnet bei der durchkonzi­ pierten Univers ein solch grosses Durcheinander besteht. Lino­ types ­ Schriftmusterbücher der ­ digita­len Schriften von 1984, 1987 und 1992 zeigen die schrägen Schnitte in 16°, die schmalschrägen jedoch in 12°. Mit der Übernahme der Univers in den Fotosatz von Mergenthaler Linotype wird 1969 begonnen. Die ersten Schnitte 55, 56, 65 und 66 (alle auf gleiche Dickte ge­ bracht) haben in den Schrägen den 16°-Winkel; die parallel dazu entstandenen schmal-schrägen Schnitte (wiederum du­ plexiert) hingegen den ­­­12°-Winkel. Der Ent­schluss dafür ist in erster Linie satztechnisch begründet, die schmal-schrägen Schnitte sollen möglichst platz­­­sparend sein. In der Folge wer­ den die 12°-Schnitte weiter ausgebaut, auch in normaler Brei­ te, dies zudem mit Bezug auf Übereinstimmung der Univers im Fotosatz und Zeilenguss ab 1973. Erst 1982 entstehen weitere 16°-Schnitte, die 46 und 76. 40 Offensichtlich der Univers nicht entsprechend ist die spitze Ecke bei der Ziffer 7 im normalen Schnitt der PostScript-Version von 1987. – Vgl. Erik Spiekermann: ‹Mr. Univers›, in: ‹Page› 3/1990, Seite 62 ff. 41 Schreiben vom 19. 10. 1993 von Linotype-Hell, Gerhard Höhl an Adrian Frutiger. Leider ist in der neuen Linotype ­Univers von dem umfangreichen Vorhaben nichts übrig ­ geblieben, auch die in der Werbebroschüre angekündigten Mediävalziffern und Kapitälchen sind bis heute nicht erhältlich. 42 Bei den f-Ligaturen handelt es sich nicht um echte Ligatu­ren, sondern um unverbundene, auf einen ‹Kegel› platzierte Buch­ stabenpaare.

43 Adrian Frutiger zeigt sich sehr erfreut über die erfrischende Univers Flair – jahrelang hängt das Alphabet in seinem Atelier und er bildet es ab. – Adrian Frutiger: ‹L’histoire des Anti­ ques›, in: TM/RSI 1/1988, Seite 9. Neben der Univers Flair 1970 gestaltet Phil Martin in gleicher Weise die Helvetica Flair für das Fotosatzgerät VGC Photo Typositor von Visual Graphic Cor­ poration. Der US-Amerikaner gründet 1969 Alphabet Innova­ tions, 1974 Type Spectra. Er greift sich bekannte Schriften und nimmt Ver­­änderun­gen – seiner Meinung nach Verbesserungen   – an der Form vor, ohne aber Lizenzen an den Schriften zu be­ sitzen oder Tantie­men zu bezahlen. – Vgl. www.houseoftype. com/articles.asp (Januar 2008). 44 Die Neue Helvetica ist im Linotype-Schriftmuster­katalog be­ reits seit 1988 mit 35 Schnitten vertreten – nummeriert nach dem ur­­sprüng­­lichen Univers-Sys­­tem. Zusätzlich wird die (alte) Helvetica mit 47 Schnitten angeboten. 45 Ausgearbeitet haben das dreistellige Nummernsystem Hans Peter Dubacher, Reinhard Haus und Otmar Hoefer. 46 Die Originalmatrizen, unter anderem der Handsatztypen von Deberny & Peignot, Fonderie Olive und Società Nebiolo, sind beim Nachfolger der Haas’schen Schriftgiesserei, der Walter Fruttiger AG, München­stein (CH), gelagert und können bei Be­ darf noch heute gegossen werden. 47 Undatiertes Typoscript, etwa 1998. 48 Der erste Schnitt der Folio, der schmalfette Schnitt, er­­scheint 1956 bei der Bauerschen Giesserei, der nor­mal­­­­breite, der hier gezeigte magere wie auch der halbfette und der breithalbfette Schnitt kommen 1957 heraus. – Vgl. Philipp Ber­theau: ‹Buch­ druckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 484 und 540. 49 Die Helvetica wird von der D. Stempel AG unsystematisch aus­ gebaut: Zu den acht Schnitten der Neuen Haas Grotesk, welche in Helvetica umbenannt wird, werden sechs Schnitte früherer Garnituren der Haas adap­­­­tiert und fünf Neuschnitte von der D. Stempel AG selbst vorgenommen. – Vgl. Philipp Ber­theau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 501 und 509. 1983 wird die Helvetica bei Stempel einer Revision unterzogen und unter dem Namen Neue Helvetica mit einheitlicher Gestaltung und aufeinander abgestimmten Schnitten herausgebracht. – Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Helvetica_%28Schriftart%29 (Mai 2007). Egyptienne F   a118 1 1964 fand im Monotype House, Salfords, Redhill, Surrey eine Ausstellung über Frutiger’s Schaffen statt. Die Broschüre doku­ mentiert ein Teil des ausgestellten Werkes. 2 Im englischen und im französischen Text wird 1958 genannt, im deutschen Text steht 1956. 3 Horst Heiderhoff: ‹ Formen und Gegen­formen. Gestaltungs­ einheiten im Leben des Schrift­künstlers Adrian Frutiger ›, in: Hans-Joachim Koppitz (Hg.): ‹ Gutenberg-Jahrbuch 1985 ›, Mainz 1985, Seite 29. 4 Dass Charles Peignot daran interessiert war, die französische Typografie voranzutreiben, und immer wieder das Ausserge­ wöhnliche suchte, spiegelt sich in einem Text von Maximilien Vox wider, der Peignot’s Leis­tun­gen und Ambitionen würdigt: «Eine [Ambition] davon ging darauf hinaus, das Werk seines Vaters fortzusetzen; eine andere darauf, ein Werk zu hinter­ lassen, das der Tradition nichts schuldig blieb. Empfindlich für neue Ideen […], unablässig bedacht auf die Entdeckung von Persönlichkeiten und Tempe­ramenten […], so wußte Peignot einen anregenden und vor allem erfolg­verspre­chenden Glau­ ben an das Schrift- und Druckwesen in Frankreich zu verbrei­ ten.» – Maximilien Vox: ‹Das halbe Jahrhundert 1914–1964›, in: Georg Kurt Schauer (Hg.): ‹ Internationale Buchkunst im 19. und 20. Jahrhundert ›, Ravensburg 1969, Seite 252. 5 Das Schriftmusterbuch ‹ compo dp › aus dem Jahr 1961 enthält neben Egyp­tienne-Schriften aus dem 19. Jahrhundert einzig die 1933 realisierte Pharaon, eine wenig harmonische, stilis­tisch der Rockwell und Memphis zugehörige Type. 6 Brief von Adrian Frutiger an Dr. Walter Greisner vom 9.4.1973. 7 Hans Bockwitz schreibt: « Nach dem napoleoni­schen Feldzug in Ägypten, der das alte Kulturland am Nil nach jahrhunderte­ langer Vergessenheit wieder in aller Erinnerung brachte, kam es in England zu einer lebhaften Ägypten­begeisterung, die sich aufs höchste steigerte, als 1802 mit dem gekaperten fran­zösi­ schen Schiff ‹ Eygyptienne › der rätselhafte dreisprachi­ge Roset­ ta-Stein nach London kam […].» – Hans H. Bockwitz: ‹ ­Bei­träge zur Kulturgeschichte des Buches ›, Leipzig 1956, Seite 31. 8 Dabei handelt es sich um die schattierte Two-line pica in shade von 1815/17. 1832 erscheint bei Blake & Stephenson die erste Outline-Version, 1848 bei Thorow­good die Two Lines English Clarendon. – Vgl. Nicolete Gray: ‹ Nine­teenth Century Orna­ mented Typefaces ›, London 1976, Seite 26, 41, 67.



9 Gemeint ist hier die Two Lines English Egyptian von William Caslon IV. – Vgl. Nicolete Gray: ‹Nineteenth ­Century Orna­ mented Type­faces›, London 1976, Seite 38. – Max Bollwage weist mit Beispielen darauf hin, dass es sich bei der erwähnten Schrift um die erste serifenlose Druckschrift handelt. Schriften ohne Serifen kommen jedoch auf Münzen und als In­­schriften in den vorange­gan­ge­nen Jahrhunderten immer wieder vor. – Vgl. Max Bollwage: ‹Serifenlose Linearschriften gibt es nicht erst seit dem 19. Jahrhundert›, in: Stephan Füssel (Hg.): ‹ Guten­ berg-Jahrbuch 2002 ›, Mainz 2002, Seite 212 ff. 10 Bei einigen digitalen Schriften sind heute ebenfalls mehrere Designgrössen erhältlich, zum Beispiel bei der ITC Bodoni von 1994, der ITC Founders Caslon von 1998, der MvB Sirenne von 2002 und der Cycles von 1990–2004. 11 Vgl. Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grundlagen zur Satz­her­stellung ›, Bern 1980, Seite 90. 12 Vgl. Hans Peter Willberg: ‹Wegweiser Schrift ›, Mainz 2001, Seite 57 und 67. Opéra   a130 1 Im vierseitigen Schriftmusterprospekt Opéra (undatiert, etwa 1960) wird einzig der Schriftgrad 8 pt genannt. 2 Brief vom 27. März 1958 von Alfred Devolz, Inhaber der Firma Sofratype, an Charles Peignot, Inhaber der Fonderies Deberny   & Peignot, in welchem die mündliche Vereinbarung zwischen den beiden Pariser Firmen in Bezug auf Adrian Frutiger’s Arbeit für Sofratype festgehalten ist. 3 Ebd. 4 Brief vom 25. März 1958 von Adrian Frutiger an Alfred Devolz mit der Absenderadresse: Privé: 11, rue Roger Salengro, Mont­ rouge. 5 ‹Informations TG› Nr. 47, 1. Juli 1960, Seite 2. Alphabet Orly   a134 1 In der Rubrik ‹échos› der Fachzeitschrift ‹Informations TG› wird vermeldet, dass für den am 24. Februar 1961 neu eingeweihten Flughafen Orly eine Schrift entstanden ist, basierend auf der Univers und der Peignot unter der Leitung von Adrian Frutiger.   – Vgl. ‹Informations TG › Nr. 76, 3. März 1961, Seite 1. 2 Das Archiv der ‹Aéroports de Paris› befindet sich auf dem Ge­ lände des Flughafens Orly. 3 Es sind nur zwei Schnitte der Alphabet Orly erhalten, die gerade­ stehenden sowie geneigten Versalien und Zif­­­fern in normaler Breite. Die beiden breiten Schnitte konnten nicht aufgefunden werden. Ladislas Mandel, ehemals Frutiger’s Mitarbeiter bei Deberny & Peignot, bewahrt bis zu seinem Tod im Jahr 2006 die Kleinbildnegative (sogenannte Mikrofilme) auf – er war an den Reinzeichnungen beteiligt. Heute sind die Negative im Musée de l’imprimerie in Lyon (F). 4 Auf den Fotografien des Flughafens Orly sind ab den 1950er Jahren verschiedenste Schriften zu finden. Die als Vorgänger­ version bezeichnete Schrift ist noch 1961 enthalten. Sie zeigt vom Ansatz her eine gewisse Verwandtschaft zur Alphabet Orly. Speziell die runde und damit weder für die Peignot noch für die Univers typische G-Form weist auf einen formalen Zu­ sammen­hang hin. Apollo   a138 1 1887 werden erste Patente an den Amerikaner Tolbert Lanston vergeben betreffend einer Einzelbuchstaben-Giess­setz­ma­schi­ ne. Daraufhin wird in Washington D. C. die Lanston Monotype Company gegründet; nach einer Experimentierphase von 1890 und 1894 fehlt aber das Geld zur Weiterarbeit. Der Engländer Lord Dunraven kauft die Rechte an Monotype und in der Folge wird 1897 die Lanston Monotype Corporation Ltd. in London gegründet. Die ers­ten zwei Maschinen werden 1898 in London und Washington D. C. installiert. – Vgl. www.monotypeimaging. com/aboutus/timeline.aspx (März 2008). Eine Monotype-Anlage be­steht aus zwei getrennten Appara­ ten, dem Tastapparat (zum Per­forieren des Lochstreifens) und der Einzelbuchstaben-Giess­setz­maschine, die vom Lochstrei­ fen gesteuert wird. 2 Neben der Photon-Lumitype können beispielsweise die Lino­ film von Linotype oder der ATF Typesetter genannt werden, 1961­­ bringt zudem Compugraphic ihre erste Anlage auf den Markt. 3 Monotype Corporation protokolliert den Produktionsverlauf im Dokument mit dem Titel: ‹History of Preparation for «Apollo»; London Order E. 585›. 4 In der ‹List of Monophoto Faces available› ist die Apollo 645 Roman / Italic sowie die Apollo 665 Semi-Bold in den Grössen 6–24 pt mit ‹Short descenders› aufgeführt. – In: The Monotype Corporation Limited: ‹Specimen Book of «Monophoto» Film­ setter Faces›, Salfords / England, undatiert.

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5 Im ‹Monotype Recorder› Nr. 1 vom Dezember 1979 wird vermel­ det: « ‹Monophoto› APOLLO was used for six of the books se­ lected for the National Book League exhibition of British Book Design and Production this year. Apart from six others set in ‹Monophoto› Plantin, no single typeface was used for as many of the selected books as APOLLO.» 6 In der Ausstellung werden neben Frutiger’s Schriften verschie­ dene Signete und eine Vielzahl an Buchumschlägen für die Édi­ tions Hermann, Paris, gezeigt. Auch seine Diplomarbeit und die Bücher ‹Genesis› und ‹Partages› mit den Holzschnitten sind Teil der Ausstellung. 7 Der Monophoto-Katalog weist hauptsächlich Werksatzschriften auf, darunter die bekannten Monotype-Klassiker Bembo, Per­ petua, Poliphilus, Spectrum and Times und viele amerikanische­ Schriften. Enthalten sind auch einige serifenbetonte und serifen­ lose Schriften. 8 Monotype Corporation: ‹Graphismes by Frutiger. Monotype House›, London 1964. 9 Erwähnt und / oder gezeigt wird die Apollo in folgenden Aus­ gaben: ‹Monotype Newsletter›: Nr. 74, Nov. 1964; Nr. 78, März 1966; Nr. 81, Mai 1967. ‹Monotype Recorder›: Vol. 43 No. 2, 1965; Vol. 43 No. 3, 1968; New Serie No. 1, 1979. 10 Allan Hutt: ‹Monophoto Apollo›, in: ‹British Printer›, Dezem­ ber 1964, Seite 84. 11 Notiz vom 5.11.1970 vom Sekretariat des ‹Typographical Com­ mittee›. 12 Vgl. Hans Widmann (Hg.): ‹Gutenberg-Jahrbuch 1971›, Mainz 1971, Seite 424 f. 13 Jan Middendorp: ‹Dutch Type›, Rotterdam 2004, Seite 145 f. 14 Ebd. Alphabet Bouygues (Schriftentwurf)   a148 1 Der amerikanische Kühlschrankhersteller Frigidaire, früher Teil der General Motors Company, erlangt grosse Bekanntheit und Erfolg. Ab 1939 übernimmt Raymond Loewy, der amerika­ nische Pionier des Industrial-Design und Verfechter der Strom­ linienform das Design der Frigidaire-Kühlschränke. Andere bekannte Hersteller, welche in den 1950er Jahren ebenfalls Kühlschränke mit den typischen abgerundeten Ecken im Sorti­ ment haben, sind beispielsweise Hoover und Bosch. Christoph Bignens schreibt: «Der grosse Einsatz in Werbung und Design zahlte sich für manche Firma auch in einem Bereich aus, den ihr Marketing vorerst gar nicht intendiert hatte, nämlich in der Kunst. Im Falle von Frigidaire war es der Schweizer Spätdadaist Jean Tinguely, der 1960 die Marke in die Domaine der Kultur hob. Er hatte sich einen gebrauchten Frigidaire beschafft und ihn so verändert, dass beim Öffnen der Tür eine Feuerwehr­ sirene zu heulen beginnt. Tinguely nannte sein Werk ‹Frigo Duchamp› – eine Hommage an sein künstlerisches Vorbild, Marcel Duchamp, in dessen New Yorker Atelier die Sirene einst gewesen sein soll.» – Christoph Bignens: ‹American Way of Life. Architektur Comics Design Werbung›, Sulgen / Zürich 2003, Seite 106 ff. 2 Bruno Pfäffli, Frutiger’s langjähriger Mitarbeiter und spä­terer Atelierpartner, gestaltet einige Entwürfe für In­­se­­ra­­te, welche – wenn überhaupt – nur spärlich er­­schei­nen. Er glaubt, dass die Schrift, falls sie tatsächlich realisiert wird, nur kurze Zeit Verwen­ dung findet. Im Archiv der Firma sind keine Unterlagen mehr über dieses Projekt aufzufinden. Concorde   a150 1 Schreiben vom 5. 6. 1961 von Alfred Devolz, Sofratype, an ‹Mon­ sieur le Directeur› bei Deberny & Peignot. Das Schreiben ant­ wortet auf einen Brief vom 20. 4. 1961 mit Referenz AF / T E , was den­ Schluss nahelegt, dass mit ‹Monsieur le Directeur› Adrian Frutiger gemeint ist. Ersichtlich ist aus diesem Schreiben eben­ falls, dass die Arbeit von Adrian Frutiger – wie schon bei der Opéra – im Einvernehmen mit Deberny & Peignot durchgeführt wird. 2 Gespräch von Heidrun Osterer, Philipp Stamm und deren Mit­ ar­bei­­terin Andrea Näpflin mit André Gürtler am 23. 5. 2005. Die Ton­­­­band­­aufnahme und Transkription sind im Archiv der Schwei­ zeri­schen­­ Stiftung Schrift und Typographie. 3 Ein Rauchabzug entsteht, wenn der gravierte, ungehärtete Stem­­pel über eine Kerzenflamme gehalten wird, wobei sich am Schriftbild feiner Russ absetzt. Wird der Stempel mit der Russ­ schicht auf ein Barytpapier gedrückt, erhält man ein genaues Ab­bild des Schriftbildes. Dieses Verfahren wird zur letzten Über­ prüfung des Stempels vor dem Härten angewendet. 4 Gespräch von Heidrun Osterer, Philipp Stamm mit Günter Ger­ hard Lange am 24. 7. 2004 in Leipzig.

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5 Eric Gill nimmt beim bekannten Schriftlehrer Edward Johns­­­­ton­ Unterricht in Kalligrafie und Schriftgestaltung. Daraus entsteht eine tiefe Freund­­­­schaft. 1913 werden die beiden Schriftgestal­ ter gebeten, für London Transport und damit für die London Underground eine Signalisationsschrift zu gestalten. Johnston beginnt 1915 die Arbeit allein, da Gill verzichtet; als Berater ist er jedoch auf Honorarbasis an der Mitgestaltung dieser neu­ artigen Sans Serif beteiligt. – Vgl. Max Caflisch: ‹Schriftana­ lysen›, Band 2, St. Gallen 2003, Seite 7 ff. 6 Neben mehreren anderen Schriften gestaltet Jan van Krimpen eine umfangreiche Schriftsippe, die Romulus. Sie entsteht zwi­ schen 1931 und 1937. Die Renaissance-Antiqua erscheint im nor­malen, in einem geneigten, im halbfetten sowie im schmal halbfetten Schnitt. Dazu gesellt sich eine sehr ele­gan­te schmal­ laufende Kursive, eine Cancelleresca Bastarda. Auch­ eine grie­ chische Version wird geschnitten. Besonders von­ Interesse ist hier die Romulus Sans Serif in den vier Schnitten light, regular, semibold und bold. Von diesen wird jedoch nur der Schriftgrad 12 pt realisiert. – Vgl. John Dreyfus: ‹The Work of Jan van Krim­ pen›, London 1952, Seite 36 ff.; vgl. auch: Paul A. Bennett: ‹J. van Krimpen. On Designing and Devising Type›, New York 1957, Seite 51 ff. 7 Hervorragend beschrieben und dargestellt wird diese Thematik­ in der Broschüre zu Hans Eduard Meier’s Syntax. – Vgl. Erich Schulz-Anker: ‹Formanalyse und Dokumentation einer serifen­ losen Linearschrift auf neuer Basis: Syntax Antiqua›, Frankfurt am Main 1969. Serifen-Grotesk / Gespannte Grotesk (Schriftentwürfe)   a156 1 Adrian Frutiger schreibt im Brief vom 4. Mai 1993 an Linotype, Gerhard Höhl: «Beigefügt sind ebenfalls die beiden Projekte Primavera und Cooperline (dies sind Arbeitsnamen). Ich sende sie Ihnen ohne weitere Kommentare, gelegentlich werden wir darüber sprechen können.» 2 Mit dem Arbeitsnamen ‹Cooperline› verweist Frutiger auf die Verwandtschaft zur Copperplate Gothic. Der Bezug zu Oswald B. Cooper und seiner Cooper Black dürfte hingegen unbeab­ sichtigt sein. 3 Deberny & Peignot ist 1962 noch damit beschäftigt, die Univers für den Handsatz fertig zu stellen. Und im Fotosatz Lumitype stehen zu dieser Zeit weitere Adaptionen bestehender Schrif­ ten im Vordergrund. Zudem hätte eine weitere grosse serifen­ lose Schriftfamilie den Verkauf der Univers konkurrenziert. 4 Einem Schreiben Frutiger’s vom 29. 11. 1991 an Linotype, Rein­ hard Haus, mit dem beigefügten Entwurf des Multiple-MasterProjekts ‹University› ist eine Notiz angeheftet – mit folgendem Kommentar von Reinhard Haus zuhanden weiterer Mitarbeiter der Linotype: «… schaue Dir einmal … die Einzel­formen an! Ich bin nach einer ersten Durchsicht nicht begeistert!» Alphabet Algol   a160 1 Vgl. L. Bolliet, N. Castinel, P. J. Laurent: ‹un nouveau ­langa­ge scientifique. algol. manuel pratique›, Paris 1964. 2 Microgramma, 1952 von Alessandro Butti und Aldo Novarese für die Società Nebiolo, Turin (I) geschaffen. 3 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Algol_60 (Juli 2007). 4 Die Éditions Hermann, 1876 gegründet, werden 1956 vom Ver­ leger und Antiquar Pierre Berès gekauft. Kaufbedingung ist die Übernahme des wissenschaftlichen Buchbestandes, wel­ cher im Lager vorhanden ist. Es handelt sich hierbei um Veröf­ fentlichungen wichtiger Mathematiker wie Élie Joseph Cartan, Jules Henri Poincaré, Paul Langevin oder auch Albert Einstein. 1961 kommt ein erster, umfangreicher Katalog heraus, gestal­ tet von Adrian Frutiger. 5 Am Anfang entwirft Adrian Frutiger ein Firmenlogo und die Ge­ schäftsbeschriftung, bevor er sich um die Gestaltung der Buch­ umschläge kümmert. 6 Bei seiner Tätigkeit für die Éditions Hermann wird Frutiger ab 1960 von Bruno Pfäffli und André Gürtler unterstützt, welche hauptsächlich Arbeiten für ‹Art de France› vornehmen. 7 Auf Seite 11 der Publikation ‹algol› sind die Zeichen vermerkt: Ziffern (10), Buchstaben (52), weitere Basissymbole (54; davon 6 Satzzeichen, 4 Klammerzeichen, 19 mathematische Zeichen und 25 Wortzeichen). 8 Vgl. André Gürtler: ‹Schrift im Lichtsatz›, in: ‹Typographische Monatsblätter› Nr. 3/1966, Seite 209. Serifa   a162 1 Im Februar 1960 kaufen René Higonnet, dessen Sohn René-Paul sowie Louis Moyroud die Firma Deberny & Peignot; etwa 1962 wird Charles Peignot durch René-Paul Higonnet ersetzt. – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003, Seite 214 ff. 2 2007 wird die Fundición Tipográfica Neufville in Bauer Types umbenannt und verwaltet nicht mehr nur die Lizenzrechte ihrer eigenen Schriften, sondern vertreibt auch Schriften anderer Hersteller.

3 Gespräch von Heidrun Osterer, Philipp Stamm und deren Mit­ arbeiterin Andrea Näpflin mit André Gürtler am 23. 5. 2005. Tonbandaufnahme und Transkription im Archiv der Schweize­ rischen Stiftung Schrift und Typographie. 4 American Type Founders. 5 Mündliche Auskunft von Bruno Pfäffli am 27. 8. 2007. 6 Gespräch der Herausgeber mit dem ehemaligen Vorstands­ mitglied Dr. Walter Greisner am 12. 8. 2002. 7 Im Vertrag zwischen Adrian Frutiger und der Bauerschen Gies­ serei vom 24./29. Juni 1966 ist von der geplanten Realisierung der vier Schnitte Buch, halbfett, fett und schmalfett die Rede, mit später möglichen Erweiterungen wie mager, kursiv, schmal­ mager und breitfett. Auch das Schreiben vom 27. November 1975 der D. Stempel AG an die Fundición Tipográfica Neufville, die Nachfolgerin der Bauerschen Giesserei, führt vier Schnitte, welche in Lizenz übernommen werden, auf. In Fachbüchern fin­ det sich hingegen nur die Erwähnung von zwei Schnitten der Serifa im Bleisatz. So ist in ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhun­ dert› vermerkt, dass die Serifa für Handsatz in den Schnitten mager (später mit normal bezeichnet) und halbfett erscheint. Die ‹Encyclopaedia of Type Faces› zeigt diese beiden Schnitte. Max Caflisch, auf dessen Initiative die Serifa bei der Bauerschen Giesserei heraus­gegeben wird, gibt hingegen in seinem Buch ‹Schrift­analysen› an, dass die Serifa in den Schnitten normal und kursiv fertiggestellt wird. In einem Schreiben von Walter Greis­ ner an Prof. Dr. G. W. Ovink vom 29. 3. 1983 steht nochmals etwas anderes: «Die Serifa wurde von Adrian Frutiger in den Schnit­ ten mager, halbfett und schmalfett für den Handsatz in den Jahren 1966 und 1967 für die Bauersche Giesserei geschaffen.» Wieviele und welche Schnitte der Serifa im Bleisatz tatsächlich realisiert werden, ist auch für Wolfgang Hartmann von Bauer Types nicht klar. – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 524; W. Pincus Jaspert, W. Turner Berry, A. F. John­­son: ‹The Encyclopaedia of Type Faces›, London 1970, Seite 205; Max Caflisch: ‹Schriftanalysen›, Band 2, St. Gallen 2003, Seite 95. 8 ‹Typografische Monatsblätter› 10/1977, Seite 578. 9 Die Erweiterung der Schnitte erfolgt mit Hilfe des Ikarus-Pro­ gramms von Dr. Peter Karow. 10 Linotype übernimmt nach langjähriger Zusammenarbeit 1985 die D. Stempel AG. 11 Von zwei bekannten Herstellern von Anreibeschriften, Letraset und Mecanorma, hat nur ersterer die Serifa im Sortiment und dann auch nur den normalen Schnitt. – Vgl. die Schriftkataloge ‹Mecanorma Graphic Book 14›, Versailles 1988; ‹Letraset›, Glatt­ brugg 1990. 12 Adrian Frutiger: ‹Über die Planung einer Schrift: Beispiel Serifa›, in: Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 36 f. – Die erwähnten Abbildungen erscheinen im Artikel von Hans Kuh: ‹Aus der Werkstatt einer Schriftgießerei›, in: ‹Son­derdruck Serifa aus der Gebrauchsgraphik Juni 1968›. 13 Da die Abbildungen in den beiden Publikationen in unter­ schiedlicher Anordnung publiziert sind, erlauben wir uns, aus optischen Gründen eine eigene Anordnung zu wählen. – Vgl. Hans Kuh: ‹Aus der Werkstatt einer Schriftgießerei›, in: ‹Son­ derdruck Serifa aus der Gebrauchsgraphik Juni 1968›; Adrian Frutiger: ‹Der Konstruktivismus in der Schrift: zur Serifa›, in: Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 34 f. 14 Das Normblatt der Druckschriftenklassifikation DIN 16518 von 1964 führt zur Gruppe V ‹Serifenbetonte Linear-Antiqua› aus: «Die Haar- und Grundstriche der Serifenbetonten Linear-Anti­ qua unterscheiden sich wenig in der Dicke oder sind sogar, einschliesslich der Serifen, optisch einheitlich (linear). Allen Schriften dieser Gruppe ist die mehr oder weniger starke, aber immer auffallende Betonung der Serifen gemeinsam.» Als Bei­ spiele sind die Clarendon, Volta, Schadow, Pro Arte und Mem­ phis aufgeführt. Der Aspekt der Linearität in den Strichstärken von Auf- und Abstrich ist bei den aufgeführten Schriften nur in der Memphis gegeben, alle anderen haben einen deutlichen Strichkontrast. Ausserdem ist die Formulierung der Serifen­ stärke sehr offen gehalten. – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Klas­ sifikation – Bemühungen um eine Ordnung im Druckschriften­ bestand›, Darmstadt 1975, Seite 90. 15 Besonders Serifenschriften, welche für eine weniger hochwer­ tige Papierqualität geschaffen wurden, so genannte Zeitungs­ schriften, sind schwierig einzuteilen, da sie ein etwas kräfti­ge­res Schriftbild in den Strichstärken und in den Serifen aufweisen. 16 Die fünf Gruppen sind: Egyptienne: Serifen ohne Kehlung; Clarendon: Serifen mit Kehlung; Italienne: überhöhte, fette (ge­ kehlte oder ungekehlte) Serifen gegenüber dünneren Schäf­ ten; Renaissance: dreieckige Serifen; Toscanienne: gespaltene Serifen. – Vgl. Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grund­ lagen zur Satzherstellung›, Bern 1980, Seite 79 f.

17 Die Beschreibung zur Untergruppe a ‹Serifenbetonte LinearAntiqua, abgeleitet von der Klassizistischen Antiqua› ist leider sehr einseitig, sie scheint ausschliesslich auf die Schriften des Clarendon-Typus bezogen zu sein. Für die aufgeführte Serifa ist sie nur bedingt passend: «Ihre Formen ergeben sich aus der Klassizistischen Antiqua durch die Verdickung der Haarstriche. Dennoch bleiben die Strichstärken deutlich unterschieden. Die Serifen sind stark ausgerundet.» Auch die Schriftbeispiele sind nicht immer passend. So ist die PMN Caecilia dieser Unter­ gruppe zugeordnet, obschon sie eindeutig von der Renais­ sance-Antiqua abgeleitet ist. – Vgl. Sauthoff, Wendt, Will­ berg: ‹Schriften erkennen›, Mainz 1998, Seite 36 ff. 18 Schriften werden nach zwei Aspekten betrachtet, Form und Stil. Die Form-Hauptgruppen sind: Antiqua, Grotesk, Egyptienne, Schreibschrift und Fraktur; die Stil-Hauptgruppen sind: Dyna­ misch, Statisch, Geometrisch und Dekorativ. – Vgl. Hans Peter Willberg: ‹Wegweiser Schrift›, Mainz 2001, Seite 49. 19 Frühe holländische serifenbetonte Schriften des dynamischen Stils sind die Cursivium 1986 von Jelle Bosma, die Oranda 1987 von Gerard ­Unger und die PMN Caecilia 1990 von Peter Matt­ hias ­Noordzij. Zu erwähnen sind zudem die ITC Officina Serif von Erik Spiekermann 1990 und Sumner Stone’s Silica 1993. – Vgl. Max Caflisch: ‹Schriftanalysen›, Band 2, St. Gallen 2003, Seite 96 ff., 100 ff., Seite 111 ff. 20 Hans Kuh: ‹Aus der Werkstatt einer Schriftgießerei›, in: ‹Son­ derdruck Serifa aus der Gebrauchsgraphik Juni 1968›. 21 Ebd. 22 Hans Peter Willberg: ‹Wegweiser Schrift›, Mainz 2001, Seite 66 ff. 23 Nach telefonischer Auskunft von Günter Gerhard Lange am 10. 9. 2007 wird die serifenlose Venus der Bauerschen Giesse­ rei von den deutschen kartografischen Instituten für die Be­ schriftung der Landkarten verwendet. Um in Anlehnung an diese Schrift, welche als Normschrift für Karten deklariert ist, eine ähnliche mit Serifen zu haben, wird die Venus Egyptienne realisiert. Das Heft ‹Schriftmusterbuch – Schriften, Ziffern, Zei­ chen und Ligaturen der Stempelei der HVA X › führt denn auch diese beiden Schriften als Kartenschriften auf. Herausgegeben ist es von Unterabteilung Kart der Hauptvermessungsabtei­ lung X, Bad Godesberg – datiert mit Bleistift auf 1948. In den 1960er Jahren bringt die H. Berthold AG diese Schrift auf ihre Fotosetzmaschine Diatype. Als Satzschrift aufgeführt ist sie im Schrift­muster­buch ‹Berthold Foto­types E1› von 1974. OCR-B   a176 1 Die ECMA wird am 17. Mai 1961 gegründet, Gründungsmitglie­ der sind Aktiebolaget ADDO, Compagnie des Machines Bull, N. V. Electrologica, English Electric-Leo-Marconi Computers LTD, IBM -WTEC , ICT International Computers and Tabulators Ltd, ITT Europe Inc, NCR The National Cash Register Company Ltd, Ing. C. Olivetti & Co. S.p.A, SEA Société d’Electronique et d’Automatisme, Siemens & Halske AG , Sperry Rand Internatio­ nal Corp. und Telefunken Aktiengesellschaft. 2 Gilbert Weill ist 1967 Ingenieur an der École Polytechnique und Directeur de Programme au Centre National d’Études Spatiales, Paris. – Vgl. ‹Typographische Monatsblätter› 1/1967, Seite 29. 3 Da die Abkürzung des Namens ‹International Organization for Standardization› in den Sprachen zu unterschiedlichen Abkür­ zungen geführt hätte, einigte man sich auf die Kurzbezeichnung ISO, abgeleitet vom griechischen ‹isos›, was ‹gleich› bedeutet. 4 Neben den nationalen Kommissionen für Normierung gibt es auch thematisch zusammengefasste, meist aus Firmen zusam­ mengeschlossene Organisationen, welche Normen formulie­ ren. Eine solche ist die ECMA . Um international akzeptiert zu werden, ist für alle Organisationen die Eingabe und Zertifizie­ rung durch die ISO zwingend. 5 Vgl. ‹Monotype mit OCR-Schriften›, in: ‹Deutscher Drucker› Nr. 21, 1971, Seite VII. 6 Ruedi Rüegg, Godi Fröhlich: ‹Typografische Grundlagen›, Zürich 1972, Seite 220. 7 Heute ist die OCR-B in digitaler Form bei Adobe, Bitstream, Elsner+Flake und Linotype erhältlich. 8 Wie trendy die OCR-B in den 1990er Jahren ist, zeigt sich unter anderem daran, dass neben der OCRB czyk von 1994 mit den Schnitten normal und bold eine weitere Überarbeitung exis­tiert, die FF OCR-F von Albert-Jan Pool aus dem Jahr 1995 in den drei Schnitten light, regular, bold.

Univers IBM Composer   a190 1 Die serifenbetonte Schrift Pyramid weist formale Ähnlichkeiten­ mit der Rockwell 1934 und der Scarab 1937 der beiden engli­ schen­ Schriftgiessereien Monotype und Stephenson Blake auf.­ 2 European Computer Manufacturers Association. 3 Ohne die Speichereinheit sind Blocksatz und zentrierter Satz sehr­ aufwändig zu setzen, da jede Zeile doppelt getippt wer­ den muss,­ um sie ausschliessen zu können. 4 In der Folge werden gemäss Adrian Frutiger weitere klassische Schrif­ten­ wie die Janson, Garamond und Baskerville usw. reali­ siert. 1968 sei IBM dann soweit gewesen, neue, auf die Technik des Com­posers abgestimmte Schriften zu zeichnen, worauf Adrian Fru­­tiger’s­ Schriftentwurf ‹Delta›, eine Semi-Egyptienne, entsteht. Gemäss Identifont wird auch die von Howard Kettler 1956 ent­ worfene Schreibmaschinenschrift Courier von Adrian Frutiger für­ die IBM -Selectric-Serie umgezeichnet. – Vgl. www.identifont. com (August 2007). 5 Gemäss den schriftlich aufgezeichneten ‹Memoiren› von Adrian Frutiger. 6 Frutiger hält für die IBM -Mitarbeiter Vorträge, unter anderem in Southampton (GB), September 1967, in Barcelona (E), April 1968, und in Mailand (I), September 1968. 7 In den 1980er Jahren wird Adrian Frutiger erneut zur Mitarbeit eingeladen, diesmal von IBM Sindelfingen (D). Er hat in Folien gestanzte Schriften zu kontrollieren. 8 Bereits vor dem Composer existieren bei IBM neben den her­ kömm­lichen Schreibmaschinen mit Monospace-Schriften auch Schreib­maschinen, welche Schriften mit vier oder fünf Einhei­ ten­ haben. 9 Aus: ‹Der IBM Magnetband-Composer. Eine neue Technik der Satzherstellung›, IBM Deutschland, Sindelfingen (undatiert). 10 Von der Univers sind Kugelköpfe in folgenden Schnitten und Grössen für den IBM Composer produziert worden: Light 8, 10, 11 pt; Medium 7, 8, 10, 11 pt; Medium Italic 8, 10, 11 pt; Bold 8, 10, 11 pt; Light Condensed 10, 11, 12 pt; Medium Condensed 10, 11, evtl. 12 pt; Medium Italic Condensed 10, 11 pt; Bold Condensed 10,­ 11, 12 pt. 11 Undatiertes Schreiben von Emil Ruder mit dem Titel «Qualitä­­­ ten der ‹Delta›». Ruder listet darin auf: «Als BuchdruckschriftAngleichung an die Schreibmaschinenschrift. Die Schönheiten einer Schreib­ma­schinenschrift mit den Qualitäten einer Buch­ druckschrift. – Für­­ ein­ Setzmaschinensystem, limitiert durch 7 Einhei­ten,­ ge­schaf­­fen.­­ Limitierung ist nicht Einschränkung, son­ dern charakteristisches Merkmal. – Die technischen Aspekte haben den Vorrang, dadurch entsteht eine neue Aesthetik, eine technische Aesthetik, beispielhaft für alle Setzmaschinen­ systeme. […] – In der ‹Delta› sind die sprachlich bedingten Formeigenschaften der sogenannten Nationalschriften (Gara­ mond, Baskerville, Bodoni usw.) überwunden. Die Schrift ist  in den wichtigsten Sprachen ohne Einschränkung gut lesbar. […] – Der ‹Delta› liegt die zeitgemässe Auffassung zugrunde, dass Form aus Material und Technik entsteht ». Alphabet EDF-GDF   a198 1 In dieses Kapitel sind Teile aus einem Manuskript von Horst Hei­derhoff eingeflossen, in welchem er einen Text von Adrian Frutiger zum Projekt EDF-GDF aus dem Jahr 1975 für die Fach­ zeitschrift ‹form› überarbeitet hat. 2 Das Gespräch mit Adrian Frutiger wird am 14. 1. 2002 geführt. Die Firma EDF erneuert 2005 wiederum ihr Signet, wobei das Majuskel-E durch ein Minuskel-e ersetzt wird. Das blaue Recht­ eck wird zugunsten einer mit Pinselduktus gezeichneten oran­ gen Sonne oberhalb des Monogramms eliminiert. 3 Im Jahr 1964 beauftragt die Generaldirektion von EDF ihre Ab­ tei­lung Ser­vice Création-Diffusion mit der Erarbeitung eines Pro­gramms­ für einen einheitlichen Unternehmensauftritt. Da­ für sollen Spe­zia­listen aus den Bereichen Grafik und Architektur beigezogen werden. Unter der Leitung von Jacques Veuillet und Francis Bou­crot werden drei Persönlichkeiten involviert: der Architekt Nicolas Karzis, der Grafiker Giulio Confalonieri und der Schrift­entwerfer Adrian Frutiger. – Vgl. Louis Flach: ‹L’image de firme d’Electricité de France EDF›, in: ‹Contacts électriques›, Nr. 84, Juli 1970, Seite 10. 4 Auf der internen Mitteilung ‹Communiqué interne N° 7. Une nou­­velle identité pour EDF› vom 28. 6. 2005 ist das Monogramm­ EDF mit abgerundeten Ecken und kombiniert mit zwei blauen Dreiecken abgebildet, datiert mit 1958. 5 Faltblatt der Firma Électricité de France, Titel unbekannt, ohne Jahrzahl, im Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typo­graphie.



Katalog (Schriftentwurf)   a202 1 Aus dem maschinengeschriebenen Blatt ‹Note sur le Chelten­ ham› geht nicht hervor, was genau zur Begutachtung vorliegt. Erich Schulz-Anker spricht jedoch einen geneigten Schnitt und eine mögliche echte Kursive an; Letztere scheint somit nicht vorzuliegen. 2 Das DIN -A4-Blatt mit dem Titel ‹Katalog (in Richtung Chelten­ ham)› trägt die Nummer 3 innerhalb einer Serie von drei ähn­ lichen Blättern mit aufgeklebten Schriftentwürfen – Nummer 1 ist die ‹Serifen-Grotesk›, Nummer 2 die ‹Gespannte Grotesk›. 3 Erich Schulz-Anker, künstlerischer Leiter der D. Stempel AG, er­ wähnt in einem Schreiben vom 15.3.1968 an Adrian Frutiger die­ Zusendung von Vergleichsabzügen der Candida, Excelsior und­ Melior. In einem weiteren Schreiben vom 11.12.1968 heisst es: «Während ich diesen Brief diktiere, kommen eben Vergleichs­ abzüge Ihrer neuen ‹Zeitungsschrift› mit den Schriften Excelsior,­ Melior und Candida […] auf den Tisch.» – Im vorliegenden Buch ist nur ein kleiner Ausschnitt des Vergleichs abgebildet, ausser dem v sind jedoch alle Zeichen enthalten. 4 Erich Schulz-Anker kritisiert die Zeitungsschrift mit folgenden Worten: «Ich hatte bei der ersten flüchtigen Durchsicht des Ab­ zuges spontan einige Randnotizen gemacht, die ich hier zu­ nächst unfrisiert wiedergebe:  1) Schrift insgesamt zu fett.  2) Mit­­tellängen entschieden zu hoch (es kommt nicht darauf an, einen schmalen Eindruck zu erzielen, sondern einen schmalen Lauf).  3) Die abgerundeten kurzen Serifen erwecken etwas  den Eindruck, als sei die Schrift ‹abgequetscht›. Bei der ‹Chel­ ten­ham› gehört das abgerundet Stumpfhafte zum Charakter der Schrift, daher entsteht dort nicht dieser Eindruck. Bei der F-Schrift­ ist die Zeichnung selbst sonst sehr exakt – daher rührt mö­glicherweise die optische Täuschung. Die ‹Cheltenham› hat übrigens sehr niedrige Mittellängen.» Erich Schulz-Anker plä­ diert dafür, dass eine Zeitungsschrift so un­­auf­fällig wie möglich sein soll. Sie darf weder zu breit noch zu schmal wirken. Der Ansatz der kurzen Serifen sollte weiterverfolgt werden, wenn die Schrift feiner und die Mittellängen niedriger wer­den. Über den im Brief erwähnten Jonic-Versuch und das BodoniWalbaum-Projekt ist den Herausgebern nichts bekannt. 5 1968 entwirft Arthur Ritzel die Rotation. Im Auftrag von Linotype fertigt die D. Stempel AG von 1970 bis 1971 die SetzmaschinenMatrizen für diese Schrift. – Vgl. Philipp Bertheau (Hg.): ‹Buch­ druckschriften im 20. Jahrhundert›, Darmstadt 1995, Seite 531. 6 Die vier Schriftentwürfe mit den Probesätzen ‹une pomme du monde› sind auf einem Barytabzug zusammengestellt. Beim Barytabzug mit dem handschriftlichen Vermerk ‹Konzept von 1969› ist die Vergleichszeile in Méridien weggeschnitten. 7 Die Ähnlichkeit zur Cheltenham ist nicht unbedingt offensicht­ lich, da Adrian Frutiger’s Entwurf kräftiger ist und weniger Strich­ kontrast­ aufweist. Doch in den kurzen Serifen und in den Propor­ tionen der­ Zeichen zeigt sich die Verwandtschaft – auch wenn bei Fru­tiger’s Entwurf Oberlänge und x-Höhe im Verhältnis zur Versal­höhe etwas höher angelegt sind. 8 Tatsächlich wirken die meisten Zeitungsschriften, ab­­gesehen von­ der Times New Roman und der Rotation, im Vergleich zu Fru­­tiger’s Entwurf deutlich breiter. Devanagari / Tamil   a206 1 Die Idee zur Gründung des National Design Institute geht auf Charles und Ray Eames zurück, welche von der indischen Re­ gierung beauftragt sind, dem Land Lösungswege aufzuzeigen für seinen Weg in eine industrialisierte und moderne Zukunft, ohne die Tradition zu vernachlässigen. Im ‹Indian Report› aus dem Jahr 1958 schlagen sie unter anderem die Gründung eines vom Staat unterhaltenen Design Institutes vor, welches 1961 gegründet und in der Folge autonom verwaltet wird. 2 Vgl. ‹Poster Collection 07 – Armin Hofmann›, Baden 2003, Sei­ te 72. 3 Die genaue Anzahl der Schriftsysteme in Indien ist nicht leicht zu eruieren und teilweise widersprüchlich. Harald Haarmann schreibt 1991 in seinem Buch ‹Universalgeschichte der Schrift› auf Seite 523 von 19 offiziell anerkannten Schriften für 14 offi­ ziell anerkannte Sprachen, auf Seite 527 jedoch von 15 offiziell anerkannten Sprachen. Eli Franco und Karin Preisendanz nen­ nen in ihrem Artikel ‹Die indischen Schriften› 11 Schriften für 16 offizielle Sprachen, in: ‹Der Turmbau zu Babel›, Band IIIa, Seite 296. Mahendra Patel nennt auf Anfrage 11 Schriften. Auf den Geldscheinen werden 11 Schriften (in 13 Sprachen) gezeigt, was die häufigst anzutreffende Zahl ist, wenn man die Schriftabbil­ dungen in den Fachartikeln konsultiert. – Vgl. Harald Haar­ mann: ‹Universalgeschichte der Schrift›, Frankfurt 1991, Seite 523 und 527. Eli Franco, Karin Preisendanz: ‹Die indischen Schrif­ten›, in: ‹Der Turmbau zu Babel. Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift›, Band IIIa, Wien 2003, Seite 296. 4 In Sanskrit werden die Wörter ohne Abstand geschrieben, je­ doch gibt es auch Ausnahmen von dieser Regel. 5 Calam ist eine indische Schreibfeder, gefertigt aus einem Bam­ busrohr, welche an der Spitze in einem speziellen Winkel flach zugeschnitten wird (ähnlich einer Breitfeder).

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6 Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 91. 7 Heute Varanasi genannt. 8 Die Entstehung der Brāhmī-Schrift beginnt etwa im 3. Jahrhun­ dert v. Chr. In der religiösen Tradition der Hindus wird die Ent­ stehung ihrer Schrift dem Gott Brahmā zugeschrieben. Indische Wissenschaftler versuchen, eine Ableitung von der bis heute nicht vollständig entzifferten Indus-Schrift herzustellen, eine etwa 2400 v. Chr. entstandene und um 1500 v. Chr. wieder aus­ gestorbene Schrift aus dem Nordwesten Indiens, jedoch sind keine Zwischenschritte auffindbar. Deutsche Wissenschaft­ler haben die bisher glaubhafteste These aufgestellt, dass Indien mit seiner vorwiegend mündlichen Tradition erst spät seine Schriftlichkeit (wieder-)entwickelt. Die Kharos∙t∙hī-Schrift, wel­ che nur kurz vor der Entwicklung der Brāhmī-Schrift entsteht, weist eindeutige Bezüge zur aramäischen Schrift auf. 9 Im Lauf der Zeit werden in die Verfassung immer mehr Sprachen offiziell aufgenommen. In der ersten Fassung von 1947 sind 13 Sprachen festgelegt, derzeit sind es 22; die neueste dazuge­ kommene Sprache, Maithilī, wird 2003 aufgenommen. 10 Mahendra Patel: ‹Letters for Tomorrow. Experiments in TypeForm Development›. National Institute of Design, Ahmedabad, undatiert, Seite 3. 11 Mahendra Patel arbeitet gemäss seiner E-Mail vom 23. 8. 2005 im Atelier Frutiger in Arcueil bei Paris von Dezember 1970 bis Januar 1972. 12 Adrian Frutiger: ‹Brief aus Indien›, Separatdruck aus ‹Typo­ graphische Monatsblätter›, 6/7 1967. 13 Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 92. Alpha BP   a214 1 Gegründet wird das Design-Studio 1962 – ursprünglich von  Alan Fletcher, Colin Forbes und Bob Gill. Letzterer verlässt 1965  die Firma und Theo Crosby wird neuer Partner. Ab 1969 leitet ­Georg Staehelin das Büro in Zürich. 1972, mit dem Beitritt der beiden Partner Kenneth Grange und Mervyn Kurlansky, wird die bekannte Agentur Pentagram Design gegründet sowie zusätzliche Firmensitze eröffnet; in New York etwa 1976, in San Francisco in den 1980er Jahren und in Austin in den 1990er Jahren. 2 Ein Gespräch mit Alan Fletcher über dessen Zusammenarbeit mit Adrian Frutiger führt Heidrun Osterer am 6. 4. 2005 in Basel. Während des Gesprächs erfolgt ein Telefonat mit Colin Forbes. Dieser Unterredung vorausgegangen ist ein Treffen mit Georg Staehelin am 31. 3. 2005 in Ottenbach bei Zürich. 3 Vgl. ‹Identity design: Corporate programmes›, in: ­Pentagram: ‹Living by design›, London 1978, Seite 27 ff. 4 Ähnlich wie bei Emil Ruder, der die Univers als Universalschrift für alle lateinischen Sprachen und alle Arten von Anwendun­ gen definiert (siehe Seite 88), lässt sich dies bereits beim Bau­ haus-Meister Herbert Bayer feststellen. Bayer entwirft in den Jahren 1925 /26 verschiedene Varianten seiner Minuskelschrift ‹Universal›. Auf den Entwurfsblättern sind teilweise handschrift­ liche Notizen angebracht, die Aufschluss über den grösseren Zusammenhang der Schrift geben. Herber Bayer versteht die konstruierte Schriftform als die in den verschiedenen Satztech­ niken universal einsetzbare Schrift sowie als ‹Weltschrift› für die ‹übernationale Verständigung›. – Vgl. Ute Brüning: ‹Zur Typografie Herbert Bayers›, in: ‹Herbert Bayer – Das künstle­ rische Werk 1918–1938›, Berlin 1982, Seite 118 ff. 5 Frutiger’s Schrift unterscheidet sich dadurch auch von der 1964 entstandenen Corporate Type des ameri­kanischen Ölkonzerns Mobil, welche das Designstudio Chermayeff & Geismar, New York basierend auf der Futura realisiert. – Vgl. www.cgstudionyc. com (Juni 2008). Documenta   a218 1 Die Exklusivität der Schrift steht zur Diskussion. Sie ist im Falt­ prospekt ‹Linotype Fotosatz Schriften – im 18-Einheiten-Sys­ tem für­ Linocomp, Linofilm VIP und Linotron› von Mergen­thaler Lino­type aufgeführt und somit käuflich zu erwerben. Der Pros­ pekt ist mit Bleistift datiert auf 1974. 2 Telefongespräch von Heidrun Osterer mit Fritz Sutter am 28. Mai­ 2001. 3 Als Arbeitsname ist die Documenta mit k geschrieben, in der veröffentlichten Broschüre ist die Schreibweise hingegen mit c, weshalb hier diese Schreibweise verwendet wird. – Vgl. ‹Lino­ type Fotosatz Schriften – im 18-Einheiten-Sys­tem für­ Linocomp, Linofilm VIP und Linotron›, Eschborn, etwa 1974. 4 Die Breite (Dickte) für die einzelnen Zeichen der Linotype-Foto­ ­satz­schrif­­ten beträgt zu dieser Zeit zwischen 5 und 18 Einhei­ten. Für die Documenta wird für alle Zeichen die gleiche Dickte von 12 Einheiten festgelegt. 5 Gemäss Fritz Sutter werden mit der Documenta Schriftstücke (Baulose) für den Bau der Autobahn durch den Gotthardtunnel gedruckt, ausserdem kommt sie beim Druck der Börsenkurse sowie bei Radio- und Fernsehprogrammen zum Einsatz.

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Alphabet Facom   a220 1 Bruno Pfäffli, zuerst als Mitarbeiter des Ateliers Frutiger, ab 1974 als Teilhaber des Ateliers Frutiger & Pfäffli, gestaltet und layou­ tet die zwischen 200 und 350 Seiten umfassenden Kataloge. Adrian Frutiger entwirft für Facom die Einbände der Kataloge und die Hausschrift. Ebenfalls für die Firma Facom realisiert Adrian Frutiger Kunst am Bau. In der Eingangshalle des Werkes in Morangis (F) ist ein Marmorrelief von 9 m Länge angebracht.   – Vgl. Erich Alb (Hg.): ‹Adrian Frutiger – Formen und Gegen­ formen›, Cham 1998, Seite 100. 2 Der 1918 gegründete französische Werkzeughersteller Facom ist einer der ersten Kunden des frisch bestehenden Ateliers Frutiger. André Mosès, Sohn des Firmengründers ­Louis Mosès, übernimmt 1924 das Unternehmen. 50 Jahre später verstirbt er und in der Folge endet vermutlich auch die Zusammenarbeit mit dem Atelier Frutiger & Pfäffli. So ist beim Jubiläumskatalog 1978 nur noch der Einband von Adrian Frutiger gestaltet. 3 Im Gespräch mit den Herausgebern erwähnt Bruno Pfäffli am 23. 7. 2001, dass der Kontakt über die Firma Victor-Michel, Foto­ lithos und Satzherstellung, zustande kommt. 4 Frutiger’s Aussagen beziehen sich möglicherweise auf den Facom-Katalog F67 von 1964, eventuell aber auch erst auf den Katalog F68 von 1967. Dieser ist in der Univers gesetzt, noch ohne die Alphabet Facom. Stark stilisierte Umrisszeichnungen sind bereits in den früheren Katalogen enthalten, der Katalog F64 von 1960 ist jedoch in der Antique Olive Nord und der Gill Sans gesetzt. 5 Der Direktor der Firma Facom sieht Adrian Frutiger’s Exklusiv­ schrift für EDF und gibt ebenfalls eine Hausschrift in Auftrag.   – Information von Bruno Pfäffli im Gespräch mit den Heraus­ gebern am 23. 7. 2001. 6 Lucette Girard gestaltet die kombinierte Bild-Wort-Marke im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Agence Raymond Loewy, Paris. Sie ist im Facom-Katalog F64 von 1960 noch nicht enthalten, spätestens beim Katalog F67 prägt sie dann den Einband. Im Gegensatz zur auf Seite 221 abgebildeten Fassung der Bildmar­ ke (reproduziert von einem Briefbogen datiert mit 11. 5. 1984) ist bei der originalen Version der mittlere Strich erst ab der Hälfte der Strichstärke diagonal geschnitten. 7 In einem Schreiben vom 22. 6. 1983 antwortet Günter Gerhard Lange auf eine Anfrage von Adrian Frutiger, dass nach zehn Jahren vom Facom-Projekt weder Originalzeichnungen noch schriftlichen Unterlagen vorhanden sind. Aus dem Brief geht nicht hervor, aus welchem Grund Adrian Frutiger nach den Originalvorlagen und schriftlichen Unterlagen angefragt hat.   – Das Schreiben befindet sich im Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie. 8 Siehe: www.facom.fr/fr/index.htm (November 2007) 9 1974 bietet der Facom-Katalog mehr als 4000 Referenzen. – Vgl. www.facom.de (September 2007). 10 Horst Heiderhoff berichtet ausführlich über die typografische Organisation des Werkzeugkataloges Facom durch das Atelier Frutiger & Pfäffli, Paris. Beschrieben und abgebildet wird der Katalog F73 von 1973. – Vgl. Horst Heiderhoff: ‹Der Katalog als didaktischer Mittler zwischen Angebot und Nachfrage›, in: ‹form›, 1975-III-71, Seite 19 ff. 11 Ebd., Seite 19. 12 Ebd., Seite 23. Alphabet Roissy   a224 1 Beim Farbspezialisten handelt es sich um den französischen Dekorationsgestalter Jacques Filacier. 2 Neben den im Text aufgeführten Personen und dem in Anmer­ kung 1 erwähnten Jacques Filacier gilt es noch den französi­ schen Designer J. A. Motte zu erwähnen, der für die Gestaltung des Innenausbaus zuständig ist. – Vgl. Adrian Frutiger: ‹Die Beschriftung des Flughafens Paris-Roissy›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1977, Seite 9. 3 Adrian Frutiger, Horst Heiderhoff: ‹Das Beschriftungs­ system des größten Flughafens Europas – Der neue «Aéroport Charles de Gaulle» in Roissy›, in: ‹form. Zeitschrift für Gestal­ tung›, Nr. III-67, 1974, Seite 25 ff. 4 Vgl. Adrian Frutiger: ‹Die Beschriftung des Flughafens ParisRoissy›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1977, Seite 9 ff. 5 Vgl. Erich Alb (Hg.): ‹Adrian Frutiger – Formen und Gegenfor­ men›, Cham 1998, Seite 100 ff. 6 Die Assoziation mit der Assistance publique, der Fürsorge und den Waisen- oder Armenhäusern, war so stark, dass die Mit­ arbeiter des Flughafens unter Streikandrohung das Tragen der Berufskleidung mit dem applizierten Monogramm AP ablehn­ ten. – Information von Bruno Pfäffli im Gespräch mit den Heraus­ gebern am 23. 7. 2001. 7 Bruno Pfäffli gestaltet typografische Illustrationen, beispiels­ weise in Form einer Sonne oder von Schneekristallen. Ausser­ dem sind abstrahierte Landkarten mit den Flugverbindungen enthalten. – Vgl. Adrian Frutiger, Bruno Pfäffli: ‹Neuge­ staltung des Air-France-Flugplans›, in: ‹Typografische Monats­ blätter›, 1/1971, Seite 9 ff.

8 Vgl. Walter Diethelm: ‹Signet Signal Symbol›, Zürich 1970, Seite 32. 9 Ursprünglich eine Exklusivschrift für die Pariser Flughäfen, wird sie von Jean Widmer, ebenfalls einem erfolgreichen Schweizer Gestalter in Paris, 1972 für die braunen touristischen Hinweis­ schilder entlang der französischen Autobahnen übernommen. 10 Adrian Frutiger: ‹Die Beschriftung des Flughafens ParisRoissy›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1977, Seite 10. 11 Adrian Frutiger: ‹Die Beschriftung des Flughafens ParisRoissy›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1977, Seite 12. 12 Das handschriftliche Blatt ‹17. Mai 79 – Corrections Alphabet TV Roissy› befindet sich im Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie. Alphabet Brancher   a230 1 Bruno Pfäffli schreibt am 8. 3. 2005 in einer E-Mail, da der Name Brancher acht Buchstaben und deren Farbenfächer ‹Multiset 500› acht Grundfarben hat, liegt es auf der Hand, dass die acht Grundfarben für die acht Buchstaben verwendet werden. 2 Zitat aus einem Manuskript von Horst Heiderhoff vom 14. 8. 1975 betreffend die Artikel ‹Facom›, ‹Brancher› und ‹EDF› für die Zeit­ schrift ‹form›. Als Grundlage für den sehr stark überarbeiteten Text dient ein Manuskript von Adrian Frutiger. – Beide Manu­ skripte befinden sich im Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie. 3 Gespräch von Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm am 14. 1. 2002 mit Adrian Frutiger über dessen diverse Firmen­ alphabete. 4 Im gleichen Stil ist zudem Frutiger’s serifenbetonte Akzidenz­ schrift Algol von 1963 (siehe Seite 160) gehalten. Nicht diesem Stil entspricht hingegen die 1968 entstandene Firmenschrift Alpha BP für British Petroleum Co., doch ist deren runder Stil durch den Kunden vorgegeben (siehe Seite 214). 5 Beispiele von Firmenschriften mit rechteckiger Grund­form des O: Majuskel- und Minuskelalphabet für 3M (USA) von 1961, basierend auf Georg Trump’s City von 1931, Gestalter nicht er­ wähnt. Vgl: ‹Design Industrie›, Nr. 84–85/1967, Seite 22 und Nr. 87/1969, Seite 19. – Minuskelalphabet für Berliet (F), vor 1962, Gestalter nicht erwähnt. Vgl. ‹Esthétique Industrielle›, Nr. 56– 57/1962, Seite 44. – Majuskelalphabet für IBM (USA), 1966 von Paul Rand; ebenfalls auf der City basierend. Vgl. ‹Design Indus­ trie›, Nr. 81/1966, Seite 23. – Majuskelalphabet für Benrus Watch Company (USA), 1967 von Rudolph de Harak. Vgl. Henri Hille­ brand (Hg).: ‹große designer in der werbegraphik›, Band 6, München 1971, Seite 117. 6 Adrian Frutiger listet die erwähnten Anwendungen des Signets in einem undatierten Manuskript auf. – Das Manuskript befin­ det sich im Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie. 7 Bei der modifizierten Wortmarke ‹Brancher› sind die Buchsta­ ben schma­ler und dadurch weniger ästhetisch, das N weist nun mit der symmetri­schen Form eine verminderte Erkennbarkeit auf. Der stilisierte Bienen­korb ist etwas verkleinert und wirkt zurückhaltender. – Vgl. www.brancher.com (Oktober 2007). Iridium   a234 1 Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Chronik der Schriftgiesserei D. Stempel AG Frankfurt a. M. – Sechzig Jahre im Dienste der Lettern. 1895–1955›, Frankfurt a. M. 1954. Die Chronik ist bis ins Jahr 2001 weitergeführt unter: http://www.systemarchitektur. de/stempel/ChronikStempel.pdf (Oktober 2007). 2 Bei Linotype Deutschland wird 1967 mit der Fabrikation von Fotosetzmaschinen begonnen, im Gegensatz zur Mergenthaler Linotype in den USA, die be­­reits 1954 ihre erste, ‹Linofilm› ge­ nannte Maschine auf den Markt bringt. 3 Im Interview von Kurt Kohlhammer mit Dr. Walter Greisner ist in einer Bildlegende angegeben, dass die Kamera auf einem 16 t schweren Granitblock mit den Massen 300 × 200 × 60 cm montiert ist. – Vgl. ‹D. Stempel AG: Auch die Zukunft der Schrift steht auf zwei Beinen, dem Bleisatz und dem Fotosatz›. In: ‹Deutscher Drucker› Nr. 19, 15. 5. 1975, Seite 6. 4 Vgl. ‹Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bän­den›, 19., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 10, Mannheim 1991, ­Seite 631. 5 Scangraphic nennt ihre Kopie der Iridium weniger edel Iron. – Vgl. Lawrence W. Wallis: ‹Modern encyclopedia of typefaces 1960–90›, London 1990, Seite 91. 6 Vgl. ‹D. Stempel AG mit Auftragseingängen zufrieden›, in: ‹Deutscher Drucker› vom 6. 6. 1968, Seite X. 7 Vgl. ‹Linotype GmbH: 1970 brachte Erfolgsrekord›, in: ‹Deut­ scher Drucker› vom 3. 12. 1970, Seite VIII. 8 Gespräch von Heidrun Osterer und Philipp Stamm mit Walter Greisner am 12. 8. 2002.

9 Linotype verwendet duplexierte Matrizen: Pro Matrize ist ein Zeichen aus zwei verschiedenen Schnitten einer Schrift vorhan­ den. Dies ermög­licht es, inner­halb eines Textes Auszeichnun­ gen vorzuneh­men, ohne den Matrizensatz zu wechseln. Meis­ tens sind der normale und der kursive oder der normale und der halbfette Schnitt miteinander kombiniert. 10 Rubilithfolie (auch Ulanofolie) besteht aus einer durch­sichtigen Trägerfolie, auf welcher eine dünnere Folie in roter Farbe auf­ gezogen ist, die das für die Belichtung relevante UV-Licht zu­ rückhält. Mit dem Skalpell wird die Form in die rote Membrane geschnitten und die zu belichtenden Teile werden danach ab­ gezogen. 11 Vgl. Erich Schulz-Anker: ‹«Iridium-Antiqua» – eine spezifi­ sche Fotosatzschrift auf klassizistischer Basis›, in: ‹Deutscher Drucker› Nr. 14, 12. 4. 1973, Seite 22. – Vgl. auch: ‹Typografische Monatsblätter› 5/1973, Seite 410. 12 Im Gegensatz zu den Fotosatz-, Lichtsatz- und Lasersatzschrif­ ten, bei welchen meist nur eine Designgrösse (optimiert auf den Schrift­­grad von 12 pt wie bei der Iridium oder 18 pt) vor­ handen ist, sind die Handsatzschriften in den ver­schiede­nen Schriftgraden formal unterschiedlich ge­­schnit­­­­­­ten. Die kleinen Grade lau­fen breiter, haben eine grössere x-Höhe und weniger Strichkontrast, was die Leser­­lich­keit verbessert. Die grossen Grade sind schma­ler ge­­staltet und feiner in der Anmutung. Aus­ nahmen mit zwei oder drei Design­­­grössen im Fotosatz bilden meist klassi­zis­tische Schriften, da dort die Qualitätseinbusse am offensicht­lichsten ist. Zum Beispiel wird die Bauer ­Bodoni bei Linotype 1987 in den Designgrössen 8, 12 und 18 pt angeboten.   – Vgl. ‹LinoTypeCollection. Mergen­thaler Schriftenbibliothek›, 1987, Seite 38 sowie Seite 274 f. 13 In Frankreich sind in der Buchtypografie die klassizistischen Schriften Bodoni und Didot auch Mitte des 20. Jahrhunderts stark im Gebrauch; in Deutschland werden eher Schriften aus der Gruppe der Renaissance-Antiqua verwendet. 14 1895 gründet David Stempel in Frankfurt am Main eine Firma, welche Ausschlussmaterial für den Handsatz und Walzen für den Buchdruck giesst. 1897 über­nimmt er eine erste Schrift­ giesserei – weitere Übernahmen folgen –, und mit dem Inge­ nieur Wilhelm Cunz tritt der Schwager ins Unternehmen ein, der im Jahr darauf Teilhaber wird. Ab 1900 werden ­Matrizen für den Linotype-Maschinensatz gefertigt. – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Chronik der Schriftgiesserei D. Stempel AG Frank­ furt a. M. – Sechzig Jahre im Dienste der Lettern. 1895–1955›, Frankfurt a. M. 1954. 15 Die deutsche Linotype GmbH stellt ihre erste Fotosetzmaschi­ ne Linofilm-Europa LFE erst 1970 vor. Bei der amerikanischen Mergenthaler Linotype Company beginnt das Zeit­alter des Fotosatzes 1954 mit dem Lino­film-System. 1964 folgen dann die Lino­film-Quick, 1968 die Linofilm-Super-Quick und 1970 die Linofilm VIP. Mit der Linotron 1010 von 1965 in den USA sowie mit der Linotron 505 von 1967 der englischen Schwes­ter­ gesellschaft Linotype-Paul Ltd. werden frühe Ka­­tho­­­­­denstrahlFotosetz­maschinen entwickelt. – Vgl. Lawrence W. Wallis: ‹A Concise Chronology of Typesetting Developments 1886–1986›, Severn, Worcestershire 1991. 16 Arthur Ritzel, 1910–2002, ist Stempel- und Schriftschneider­ meister und leitet ab 1963 die Abteilung für Schriftentwurf und Stempelschneiderei der D. Stempel AG. 1971 entwirft er die Zeitungsschrift Rotation. 17 Seit 1925 ist Hans Gutenberg Stempel, der Sohn des Firmen­ gründers David Stempel in der Firma, seit 1927 auch Walter H. Cunz, der Sohn des Mitinhabers Wilhelm Cunz. – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Chronik der Schriftgiesserei D. Stempel AG Frankfurt a. M.›, 1954. – Philipp Bertheau, Eva Hanebutt-Benz, Hans Reichardt: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert›, Darmstadt 1995, Seite 571 f. 18 Von Hermann Zapf erscheinen bei der D. Stempel AG unter anderem folgende Schriften: Gilgengart, 1941 beendet, aber erst 1950 veröffentlicht; Novalis Antiqua, 1947 geschnitten aber nie herausgegeben; Palatino Antiqua 1948, Michelangelo 1950, Sistina 1951, Virtuosa, Melior und Saphir 1952, Kompakt, Lino­ type Aldus und Linotype Mergen­thaler Antiqua 1954, Optima 1958, Noris Script 1976. Bei der Mergenthaler Linotype ­Company in New York erscheinen unter anderem: Linofilm Venture 1969 und Linofilm Medici 1971. – Vgl. Knut Erichson, John ­D reyfus (Hg.): ‹ABC-XYZ apf. Fünfzig Jahre Alphabet Design›, Offen­ bach / London 1989, Seite 251. 19 Erich Schulz-Anker’s Artikel zur Iridium-Antiqua von erscheint in verschiedenen deutschsprachi­gen Fachzeitschriften: ‹Druck Print› 3/1973, Seite 160 f., ‹Deutscher Drucker› Nr. 14, 12. 4. 1973, Seite 22, ‹Typografische Monatsblätter› 5/1973, Seite 410. 20 Vgl. Friedrich Friedl, Nicolaus Ott, Bernard Stein (Hg.): ‹Typographie – wann wer wie›, Köln 1998, Seite 275 f.

21 Vgl. Adrian Frutiger, Horst Heiderhoff: ‹Das Be­­schriftungs­ system des größten Flughafens Europas – Der neue «Aéroport Charles de Gaulle» in Roissy›, in: ‹form. Zeitschrift für Gestal­ tung›, 1974-III-67, Seite 25 ff. – Horst Heiderhoff: ‹Der Kata­ log als didaktischer Mittler zwischen Angebot und Nachfrage›, in: ‹form. Zeitschrift für Gestaltung›, 1975-III-71, Seite 19 ff. – Horst Heiderhoff: ‹Formen und Gegenformen. Ge­­stal­tungs­ ein­hei­ten im Leben des Schriftkünstlers Adrian Fruti­ger›, in: ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985›, Mainz 1985, Seite 29 ff. 22 Adrian Frutiger berichtet darüber in den handschrift­lichen Aufzeichnungen seiner Memoiren, Seite 45 ff. 23 Bruno Pfäffli gibt auf Anfrage an, dass Adrian Frutiger nach 1966 kaum mehr unterrichtet. Er selbst übernimmt den Lehr­ auftrag von Frutiger. 24 Die zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage erscheint 1989 im Fourier-Verlag und ist in einem Band zusammenge­ fasst sowie in der auf dem Computer verfügbaren Linotype Centennial gesetzt. 2004 erscheint das Buch in seiner 9. Auf­ lage, inzwischen im Marix-Verlag. Das Werk ist in sechs Spra­ chen übersetzt (spanisch, englisch, italienisch, portugiesisch, französisch, koreanisch). 25 Autologic Schweiz und USA (ehemals Bobst Graphic Lausanne) übernimmt 1977 André Gürtler’s Basilia. Es zeigt sich aber, dass sie für den Fotosatz nochmals überarbeitet werden muss, wes­ halb sie erst ein Jahr später erscheint. 1984 nimmt Linotype die Basilia in ihr Schriftensortiment auf. – Vgl. André Gürtler: ‹Basilia – eine klassizistische Type›, in: ‹Officina. Mitteilungen des Hauses Schwabe & Co. AG›, Basel, November 1989, Seite 27 ff. Alphabet Métro   a244 1 Die umfangreiche Fotogalerie des London Transport Museum zeugt von den Anfängen der Londoner Untergrund-Bahn. – Vgl.  www.ltmcollection.org/photos/index.html (Juli 2008). 2 Edward Johnston, 1872–1944, ist Schriftgestalter, Kalligraf, Fach­ autor und Lehrer. 1906 erscheint sein bedeutendes Lehrbuch ‹Writing and Illuminating and Lettering›, welches 1910 unter dem Titel ‹Schreibschrift, Zierschrift & angewandte Schrift›, auf Deutsch übersetzt von seiner Schülerin Anna Simons, her­aus­ kommt. Schrift­entwürfe: Hamlet-Type 1912–1927, Imprint-Anti­ qua (mit E. Jackson, G. Mey­nell und J. H. Mason) 1913, Johnston Sans Serif 1916. 3 Colin Banks überarbeitet die Johnston 1979 zur New Johnston und er­­weitert sie auf 9 Schnitte; 2 weitere Schnitte (Book und Book Italic) werden später von der Agentur Banks ­& Miles da­zu­ ge­fügt. – Vgl. Max Caflisch: ‹Schriftanalysen›, Band 2, St. Gal­ len 2003, Seite 7 ff. 4 Hector Guimard, 1867–1942, ist einer der wichtigsten französi­ schen Künstler des Art Nouveau. Alphabet Centre Georges Pompidou   a248 1 Jean Widmer studiert Grafik an der Kunstgewerbeschule Zürich. 1953 siedelt er nach Paris über, um dort als Grafiker und Art Director zu arbeiten. 1970 gründet er in Paris sein eigenes Ate­ lier Jean Wid­mer, nach Einbezug von Ernst Hiestand 1974 (an­ lässlich des Wettbewerbs für das Centre Georges Pompidou) wird es in Visual Design Association VDA umbenannt. Nach dem Ausscheiden von Ernst Hiestand heisst es Visuel Design. Er unterrichtet von 1961 bis 1995 an der École Nationale Supé­ rieure des Arts Décoratifs in Paris. 2 Ernst Hiestand studiert Grafik an der Kunstgewerbeschule Zü­ rich. Von 1980 bis 1986 ist Lei­ter der Fach­­klasse für Grafik an der Kunstgewerbeschule Zürich. Er lebt und arbeitet in Zürich. 3 Durch den französischen Staatspräsident Georges Pompidou initiiert, wird in Paris das Centre Pompidou von den Architekten Renzo Piano und Richard Rogers erbaut, welche 1971 den aus­ geschriebe­nen Architekturwettbewerb gewinnen. Nach sechs­ jähriger Bau­zeit wird es 1977 eröffnet. Der offizielle und komp­ lette Name, welcher selten benutzt wird, lautet: ‹Centre national d‘art et de culture Georges Pompidou›. Das Centre selbst be­ nutzt in seinen Publikationen die Kurzversion ‹Cen­tre Georges ­Pompidou›. 1999, mit der Überarbeitung des visuellen Erschei­ nungsbildes durch Intégral Ruedi Baur et associés, ändert sich der Name auf ‹Centre Pompidou›. 4 Die Namensgebung der Schrift ist nicht ganz eindeutig, bis heute werden Arbeits- und offizieller Name verwendet. Cathe­ rine de Smet schreibt, dass beide Namen je nach Fall einge­ setzt werden. – Vgl. Catherine de Smet: ‹Histoire d’un ­rectangle rayé. Jean Widmer et le logo du Centre Pompidou›, in: ‹Les Cahiers du Musée national d’art moderne› Nr. 89, Herbst 2004, Seite 15. – Gemäss Hans-Jürg Hunziker heisst die Schrift ‹Centre Georges Pompidou, CGP ›, die Bezeichnung ‹Beaubourg› sei ein in­offi­zieller Name gewesen. Adrian Frutiger nennt sie kon­ sequent ‹Alphabet Beaubourg› und in den Gestaltungsricht­ linien des überarbeiteten Erscheinungsbildes von 1999 wird sie ‹Beaubourg› genannt.



5 Frutiger meint die ‹IBM Machine de Direction›, auf Englisch ‹IBM Executive Typewriter› genannt; eine elektrische Schreib­ maschine, deren Schriften Dickten von 4 Einheiten aufweisen. 1946 kommt die Maschine auf dem Markt. 6 Das Manuskript von Adrian Frutiger mit dem Titel ‹Alphabet Beaubourg› ist einem Brief von Marc Piel der Groupe ENFI Design vom 10. 2. 1978 beigelegt, welcher das Manuskript an Adrian Frutiger zurücksendet. 7 Auch Adrian Frutiger wird angefragt. Sein Vorschlag, gemein­ sam mit Leen Averink eingegeben, scheidet jedoch in der ers­ ten Run­­de aus. 8 Eine der Aufgaben der Wettbewerbsteilnehmer be­­steht in der Stellungnahme zur Frage, ob das Centre ein Logo braucht. Viele Agenturen schlagen daraufhin vor, kein Logo zu benut­ zen, denn in dieser Zeit nach 1968 werden Logos eher als Zei­ chen kommerzieller Aktivität und als inkompatibel mit einer kulturellen Institution angesehen. Trotzdem bricht kurz vor der Eröffnung des Centre in der Direktion ein Streit darüber aus, und 1977 entwirft Jean Widmer das in der Folge bekannt ge­ wordene Streifenlogo, dessen Form von der Fassade des Ge­ bäudes abgeleitet ist. 9 Die Basiselemente des Orientierungssystems sind die Schrift, die Farben, die Vertikalität und die verbalen Konstanten. Die Farben sind wie folgt zugeteilt: Gelb für das Centre selbst, Grau für die Direktion. Bei den vier Departementen steht die Farbe Grün für die ‹Bibliothèque publique d’information›, Blau für das ­  ‹Centre de Création Industrielle› (CCI), Violett für das ‹Institut de Recherche et de Coordination Acoustique  /  Musique› (IRCAM) und Rot für das ‹Musée national d’art moderne›. 10 Catherine de Smet stellt die Entstehungsgeschichte des visuel­ len Konzepts für das Centre Georges Pompidou inklusive Wett­ bewerb detailliert dar. – Vgl. Catherine de Smet: ‹Histoire d’un rectangle rayé. Jean Widmer et le logo du Centre Pompidou›, in: ‹Les Cahiers du Musée national d’art moderne› Nr. 89, Herbst 2004, Seite 6 ff. 11 Hans-Jürg Hunziker arbeitet von 1971 bis 1975 im Atelier Fruti­ ger. Danach geht er, dem Projekt folgend, zum Centre Pompi­ dou, um an der Umsetzung und Weiterentwicklung des von Visuel Design festgelegten Erscheinungsbildes zu arbeiten. Nach der Eröffnung 1977 richtet er dort ein internes Atelier ein und macht sich noch im gleichen Jahr mit einem eigenen Ate­ lier in Paris selbst­ständig. – Vgl. Hans-Jürg Hunziker: ‹­Siemens. Brand Notebook 1. Unsere Schrift›, München 2001, Seite 37 f. 12 Die Anreibebuchstaben werden bei Mecanorma hergestellt. Es stehen Einzelzeichen zur Verfügung sowie die komplette Namensbezeichnung der De­­partemente und des Centre, wel­ che – als Wort ge­­setzt und ausgeglichen – appliziert werden können. 13 Zum 20-­­jährigen Jubiläum des Centre Pompidou 1995 wird der Schrift ein zusätzlicher Bold-Schnitt beigefügt sowie der Zei­ chensatz insgesamt er­­weitert. 14 Auf der Website des Centre Pompidou heisst es: «11. Identité visuelle: ‹– la typographie (le DIN et le caractère Beaubourg)›».   – Vgl. www.centrepompidou.fr/rapport99/index.htm (Dezem­ ber 2007). Frutiger   a250 1 Hans-Jürg Hunziker erlangt insbesondere mit seiner exklusiven Schriftsippe für den Siemens-Konzern grössere Bekanntheit. – Vgl. ‹Siemens Brand Notebook 1 – Unsere Schrift›, München 2001. 2 Vgl. Font Shop: ‹100 beste Schriften aller Zeiten›, Berlin 2007. www.100besteschriften.de (Januar 2008). 3 Gemäss der Fachautorin Silvia Werfel verwendet die Zeitung ‹Trouw› ab 2005 Gerard Unger’s Swift als Zeitungsschrift. 4 Erik Faulhaber vermittelt in seinem Buch ‹Frutiger: Die Wand­ lung eines Schriftklassikers› und in einem Interview im ‹type­ forum› den Eindruck, die Idee und die vollständige Ent­wicklung der Frutiger Next käme von ihm. Am 23. 2. 2006 gibt Bruno Steinert von Linotype in einem Zusatz zum Interview folgende Stellungnahme ab: « … Ohne diesen Zusatz würden also wei­ terhin zahlreiche Freunde der Schriften Frutigers glauben, Faul­ haber hätte (mit Adrian Frutiger als Mentor) die Frutiger Next geschaffen. Und genau das ist nicht der Fall … Herr Faulhaber hat keinerlei Rechte an der Frutiger Next und kann die Initiative oder alleinige Urheberschaft an dieser Schriftfamilie in keiner Weise für sich beanspruchen, sehr wohl aber eine Mitwirkung, die ihm auch nicht genommen wer­den soll.» – Vgl. ‹Interview: Faulhabers Verwandlung der Frutiger›, in: www.typeforum.de/  news_254.htm (Januar 2008). 5 Vgl. Erik Faulhaber: ‹Frutiger: Die Wandlung eines Schrift­ klassikers›, Sulgen / Zürich 2004, Seite 60. 6 Ebenfalls im Jahr 1985 entsteht zudem von Adrian Frutiger die kyrillische Version der Frutiger in 14 Schnitten. – Vgl. ‹Linotype Typeface Catalog A–Z›, Bad Homburg 2006.

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7 Die Zeichnungen der normalbreiten Schnitte sind mit Roissy bezeichnet, später teilweise durchgestrichen und durch den Namen Frutiger ersetzt. Die Rechte an der Alphabet Roissy lie­ gen bei der Flughafengesellschaft Aéroports de Paris ADP. 8 Gemäss Walter Greisner sind neben den juristischen Gründen auch sprachliche Gründe ausschlaggebend. Der französische Name wird als ungeeignet erachtet, da er für englischsprachi­ge Personen schwierig auszusprechen ist. 9 Vgl. ‹Linotype Library – Schriftenhandbuch›, PostScript-­Schrif­ten, Linotype AG, Eschborn bei Frankfurt 1988. 10 Ausser der Ondine haben Frutiger’s frühe Schriften Méridien, Univers, Egyptienne F und Apollo die weiche, fliessende Form des Scharf-s, welche sich aus der ss-Ligatur herausgebildet hat. Als Frutiger erstmals bei einer deutschen Giesserei eine Schrift herausbringt, die Serifa, wechselt er zur harten Form, resultie­ rend aus der sz-Ligatur. Einzig die Linotype Didot, eine franzö­ sische Schrift, und die Nami, wel­che auf den frühen Schriftent­ wurf Delta zurückgeht, haben danach noch die fliessende Form. Adrian Frutiger’s Aussage erstaunt dennoch, da ihm bei der Univers der Beweis gelingt, dass auch im fetten Schnitt eine gute, fliessende Ligatur möglich ist. 11 Vgl. Kurt Winterhager: ‹Zur Frutiger-Schrift›, in: ‹form›, 95-III1981, Seite 1. In derselben Ausgabe schreibt Kurt Weidemann eine Einleitung mit dem Titel: ‹Zu Adrian Frutiger›. 12 Über die Neugestaltung der ‹form› wird in einem separaten Dossier auf 58 Seiten berichtet. Darin enthalten ist unter ande­ rem ein Interview mit Adrian Frutiger sowie ein Artikel über Lucas de Groot und die interpolierte Schrift F Frutiger Book. – Vgl. Andreas Liedt­­ke, Lucas de Groot: ‹Befragt: Adrian Frutiger, Schrift­entwerfer. «Ich bin der Backsteinbrenner»›, in: ‹form 150 Dossier reform›, 2/1995, Seite 47 ff. – Ines Wagemann: ‹Mit ­Hilfe mathematischer Formeln›, ebd. Seite 50. 13 Reinhard Haus an Dr. Stückradt: ‹Betrifft Frutiger-Design für die Zeitschrift form›, ‹Interne Mitteilung› der Linotype-Hell vom 25. 8. 1995. 14 Beim Berechnen des Zwischenschnitts der Frutiger im Auftrag vom Studio Dumbar entwickelt Lucas de Groot sein Interpola­ tions-Modell. Ebenfalls im Auftrag der Agentur schafft Lucas de Groot die Corpid (ur­­sprüng­­lich Agrofont) für ein niederlän­ disches Minis­terium. Die bisherige Corporate Type Frutiger ist die Ausgangsbasis für die neue, deren Strichstärke und Propor­ tionen der Frutiger 55 entsprechen. Zudem ist Lucas de Groot als Type-Director bei Meta Design in Berlin an der FF Transit beteiligt, einer Variante der Frutiger für die Berliner Transporte.   – Vgl. Jan Middendorp: ‹Dutch type›, Seite 219 ff. 15 Kurt Wälti ist in der Werbegruppe der Schweizer Reisepost für die Gestaltung und Beschriftung der Postautos zu­­ständig. Er beschliesst – nach dem Besuch eines von Adrian Frutiger gelei­ teten Seminars an der Schule für Gestaltung in Bern vom 31. 1. bis 4. 2. 1977 –, seinem Arbeitgeber die Schrift Frutiger vorzu­ schlagen. Ab 1978 wird diese sukzessive bei den Postautos ein­ gesetzt. Ab 1980 übernimmt auch die schweizerische PTT die Frutiger für die Beschriftung der Poststellentafeln, bevor sie 1993 die Hausschrift für das Gesamtunternehmen wird. Durch Kurt Wälti erhält Adrian Frutiger 1979 zudem den Auf­ trag, das Reisepost-Signet neu zu gestalten. Gegenüber der Version aus dem Jahr 1969 des Grafikers Werner Mühlemann wickelt Frutiger das Posthorn anders; er schliesst die Windung zum Trichter und trennt dafür das Mundstück ab (SIGN Seite 316). Kurt Wälti zitiert Frutiger mit den Worten: «Denn das We­ sen des Horns wird bestimmt durch die Seite, wo der Ton he­ rauskommt.» Auch bei der Erneuerung des PTT-Signets ist Adrian Frutiger be­­teiligt. Der Ent­wurf von 1976 des internen Grafikers Martin Alten­bur­ger wird von ihm überarbeitet, indem er die drei Buch­­­­staben PTT neu zeichnet und mit Abstand zum oben offenen Kreuz platziert (SIGN Seite 316). Die­ses präg­nante Signet ersetzt ab 1982 das bisherige Wappen-Sig­net. Bei den 1997 entstandenen Wortmarken LA POSTE DIE POST LA POSTA (SIGN Seite 406) arbeiten die Freunde Kurt Wälti und Adrian Frutiger ein weiteres Mal zusammen. – Angaben ­gemäss ‹Da­ tenzusammenstellung Kurt Wälti 7. 12. 2007›. – Vgl. auch: Ad­ rian Frutiger: ‹Ein Leben für die Schrift›, Interlaken 2003, Seite 106 ff. 16 Gespräch am 25. 3. 2002 mit Adrian Frutiger von Erich Alb, ­Rudolf Barmettler und Philipp Stamm. 17 Die Linotype Ergo von Gary Munch wird 1997 ins Linotype-Pro­ gramm aufgenommen, 1999 die Linotype Projekt von Andreas Koch. 18 In einer internen Mitteilung vom 7. 10. 1992 mit beiliegendem Satzvergleich schreibt Reinhard Haus von Linotype-Hell: «Die Satzschrift ‹Myriad› von Adobe ist vom ‹ästhetischen Gesamt­ eindruck› her eine Kopie unserer ‹Frutiger›. Allerdings hat es Adobe zweifellos verstanden, diese Kopie mit einer Vielzahl von minimalen Formänderungen und einem geänderten pro­ portionalen Konzept zu versehen. […] Allerdings ist im Gesamt­ konzept der ‹Myriad› die Absicht eindeutig sichtbar, sich mit einem Plagiat an den Erfolg unserer weltweit eingeführten Schrift ‹Frutiger› anzuhängen.» Später muss Adobe kontaktiert

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worden sein, da am 2. 2. 1993 ein Brief an Adrian Frutiger geht, in dem die Eigenständigkeit der Myriad dargestellt und aufge­ zeigt wird. Unterschrieben ist der Brief von Fred Brady, Manager of New Typographic Development, sowie den beiden Schrift­ gestaltern Robert Slimbach und Carol Twombly. 19 Handschriftliche Anmerkung von Adrian Frutiger auf einer ‹In­ ternen Mitteilung› von Linotype-Hell vom 7. 10. 1992. 20 Akira Kobayashi ist Schriftgestalter und seit 2001 künstleri­scher Leiter der Linotype GmbH. 21 Erik Faulhaber schreibt: «Mein Auftraggeber [Linotype Library GmbH] wünscht als Zugabe für den Markt … eine echte Kursive. Obwohl sich auch Adrian Frutiger von dieser Entwicklung ab­ grenzt, wird sie durchgesetzt.» Es bleibt aber nicht bei einer Zugabe, sondern wird zum Standardschnitt. – Vgl. Erik Faul­ haber: ‹Frutiger: Die Wandlung eines Schriftklassikers›, ­Sulgen / Zürich 2004, Seite 76. 22 Fax vom 7.  4. 1999 von Adrian Frutiger an Linotype: «Liebe Freun­de, Die Kursiv-Variante von Silja Bilz liegt vor mir. Es ist eine schöne, feingefühlte Variante. Ich sehe jedoch darin fol­ gende Hemmungen: Zum einen ist m. E. eine Grotesk mit ge­ schriebener Anmutung nur in mager und normal denkbar – die Schrift in fetter Version verliert den Charme. – Zum anderen kann eine solche Version der ganzen Familie nur als kleine Zugabe dienen. – Ich denke immer noch an Markt-Lücken. Der Markt ist übersättigt mit ‹normalen› Schriften. In meinen Alter­ tümern habe ich diese Zeilen gefunden. Aber ich bin nicht mehr die Generation der neuen Wege. – Verzeiht die Kritik. Freundschaftlich Adrian F.» 23 Brief vom 14. 4. 1999 von Adrian Frutiger an Bruno Steinert der Linotype: «Lieber Herr Steinert, vor einer Woche bat mich Rein­ hard Haus zu einem Projekt einer lebendigeren Frutiger-Kursiv einer seiner Studentinnen Stellung zu nehmen. Meine gefaxte Antwort muss nicht befriedigend gewesen sein, denn ich habe nichts mehr gehört. Ich erlaubte mir, meiner seit immer gehal­ tenen Ausschau auf Marktlücken auszudrücken. Ich finde, dass es richtig ist, die Schulung junger Menschen nach bestehen­ den, guten Schriften zu unternehmen. – Ich habe jedoch das Empfinden, dass die kommende Generation, gut geschult und die Gesetze der Lesbarkeit kennend, neue Wege suchen sollte. Die Möglichkeiten sind lange nicht ausgeschöpft (ich denke jetzt nicht an all die Spiele mit Phantasie-Schriften) sondern an Schriften, mit welchen Text gesetzt werden kann, denn dieses Gebiet ist der Brotkorb einer Firma wie Ihrer (unserer darf ich sagen). Ich habe in meinen vielen alten Papieren nach Erinne­ rungen in dieser Richtung Ausschau gehalten. Leider habe ich nicht mehr viel von all den Gedanken-Anstößen gefunden, welche aus langen Diskussionen in Type-Selection-Meetings erörtert wurden. Ich habe einige Kopien (leider schlechte) zu­ sammengeklebt und sende sie Ihnen beiliegend. – Ich tue es nicht mit dem Gedanken, dass davon etwas ausgeführt werden sollte, ich möchte keine neuen Schriften mehr ‹anhängen›! Ich möchte damit nur einen Wegweiser geben um anzudeuten, auf welchen Wegen ich nach Textschriften zu suchen die jungen Menschen vorantreiben würde. – Ich möchte damit niemanden verletzen – nehmen Sie es als einfachen Gedanken-Austausch an. – Mit freundlichen Grüßen, an Sie lieber Herr Steinert, Ihre Gattin vor allem und Ihre Mitarbeiter. Ich bleibe freundschaft­ lich Ihr A. Frutiger.» 24 Dem zweiseitigen Brief ist ein drittes Blatt beigefügt mit den verschiedenen Schriftentwürfen der ‹Delta› (siehe Seite 36) und dem serifenlosen Schriftentwurf ‹Dolmen›, welcher bei Lino­ type bereits in zwei Schriftschnitten ausgearbeitet vorliegt, je­ doch in der Folge nicht zur Vermarktung gelangt (siehe Seite 296). 25 In den Detailvergleichen des vorliegenden Buches wird der Roman-Schnitt der Frutiger LT nicht mit dem Regular-Schnitt, sondern mit dem Medium-Schnitt der Frutiger Next verglichen, da sich diese in der Strichstärke ähnlicher sind. 26 Die Frutiger Next Pro ist eine OpenType-Version der Linotype mit erweitertem Zeichenumfang. Ebenfalls erhältlich ist die Schriftfamilie als Central-European-Font CE mit den Akzenten für die osteuropäischen Sprachen. 27 Immer wieder wird an das Rechtsempfinden der Schriftnutzer appelliert, und zwar bis heute. Einige Beispiele: Die ATypI wird 1957 ins Leben gerufen, um Schrifthersteller und Schriftanwen­ der zusammenzubringen und einen ‹Code Moral› zum Schrift­ verhalten zu etablieren. Die Linotype-Hell AG veröffentlicht ein un­­datiertes Faltblatt mit dem Titel ‹Typografie zwischen Kunst und Kommerz›, in welchem Hinweise zu zwei Kopien von Lino­ type-Schriften aufgeführt sind. Es wird erklärt, wie anspruchs­ voll es ist, ein Alphabet zu entwickeln, was geistiger Diebstahl ist und welche Konsequenzen daraus zu erwarten sind. Auch Font Shop International lanciert 1992 zusammen mit anderen Schrifthäusern eine Aufklärungskampagne mit dem Titel ‹Kul­ turgut Schrift› und schiebt 2000 die Broschüre ‹Alles was Recht ist› nach, welche 2001 in einer 3., völlig neu be­­arbeiteten Auf­ lage erscheint.

28 Mit der Renaissance-Antiqua hat die Syntax-Antiqua das dyna­ mische Formprinzip gemeinsam. Die Unterschiedlichkeit liegt im Wech­selstrich mit Serifen bei der Renaissance-Antiqua im Gegensatz zum Gleichstrich ohne Serifen bei der Syntax. Erich Schulz-Anker zeigt und erläutert in hervorragender Weise die historische Ent­­wicklung von der Renaissance-Antiqua zur klassi­ zistischen Antiqua und weiter zur konventionellen Linearschrift (statische Grotesk) bis hin zur Syntax-Antiqua von Hans E. Meier.   – Vgl. Erich Schulz-Anker: ‹Form­­analyse und Dokumen­tation einer serifenlosen Linearschrift auf neuer Basis: Syntax-Anti­ qua›, D. Stempel AG, Frankfurt am Main, 1969. 29 Die Serifenschrift Demos ist 1976 die erste Schrift des hollän­ dischen Schriftgestalters Gerard Unger für die CRT-Technolo­ gie der Firma Dr. Ing. Rudolf Hell in Kiel. 1977 folgen die serifen­ lose Schrift Praxis sowie 1984 die beinahe aufrechte serifenlose Italic Flora. – Vgl. Jan Middendorp: ‹Dutch Type›, Rotterdam 2004, Seite 167 f. 30 VSS ist der Schweizerische Verband der Strassen- und Verkehrs­ fachleute. 1993 beschliesst eine VSS -Expertenkommission die Überarbeitung der konstru­ierten VSS -Schrift. Angefragt wird Adrian Fruti­ger, welcher die bestehende Schrift einer kriti­schen Prüfung unterzieht und aufzeigt, mit welchen Formveränderun­ gen eine bessere Lesbarkeit der Signalisation erreicht werden könne. Für eine Entscheidung lässt sich der Verband jedoch Zeit, und als Frutiger 1998 erneut angefragt wird, lehnt er eine weitere Zusammenarbeit ab. 31 Das Bundesamt für Strassen ASTRA wird 1998 gegründet. 32 Viktor Stampfli arbeitet von 1973 bis 1975 bei Jean Widmer in Paris an der touristischen Signalisation der Autoroute du Sud, für welche die Roissy eingesetzt wird. Aus diesem Grund geht 1999 die Anfrage an ihn, die Konzeption der Astra Frutiger zu übernehmen, nach­­dem Adrian Frutiger dafür nicht mehr zur Verfügung steht. 33 Die FF Transit ist gegenüber der Astra Frutiger hervorragend ausgebaut. Die Grundschnitte sind die FF Transit Back positiv und negativ sowie die FF Transit Front positiv und negativ, je­ weils in den Schnitten normal, italic und bold (insgesamt also 12 Schnitte). Dazu kommt die FF Transit Print in 5 Schnitten. Ab­ gerundet wird die Schrift mit Piktogrammen und Extra-Schnit­ ten für die Nummern der U- und S-Bahnen. Glypha   a268 1 Die Karnak von Robert Hunter Middleton erscheint bei Ludlow, die Memphis gestaltet Rudolf Wolf für die D. Stempel AG und die Pharaon ist eine Schrift von Deberny & Peignot. Mit Phara­ oh hat eine Kopie der Glypha von Varityper den fast gleichen Namen. Bei Scangraphic erscheint Frutiger’s Schrift unter dem Namen Gentleman. – Vgl. Lawrence W. Wallis: ‹Modern Ency­ clopedia of Typefaces 1960–90›, Lon­don 1990. 2 Vertrag einer neuen Egyptienne mit Arbeitsname ‹Champion› zwischen der Bauerschen Giesserei, Frank­­furt, und Adrian Fru­ tiger vom 24. 6. 1966. 3 Lizenzen ihrer Schriften vergibt die Fundición Tipográfica Neuf­ ville S.A. bei entsprechender Nachfrage an verschiedene Ma­ schinenhersteller. Bis zur Einführung des Personal Computers bilden die Satzgeräte geschlossene Systeme. Die Schriften sind also nicht von einer Fotosetzmaschine auf eine andere über­ tragbar. Entsprechend ist das Angebot an Schriften ein wichti­ ges Verkaufsargument für den Maschinenhersteller. 4 Die Glypha entsteht ab 1976 und wird 1977 fertiggestellt. Nach unserem Stand der Kenntnis wird sie je­­doch erst ab 1980 ver­ marktet. Im Inhaltsverzeichnis des Katalogs ‹Linotype Fotosatz Schriften Teil 3›, Stand Juli 1980, ist sie erstmals aufgeführt. Gemäss Walter Greisner wird die Glypha zurückgestellt, weil die Kapazitäten für die Anpassung der bestehenden Schriften auf den Fotosatz benötigt werden. 5 Brief vom 25. 11. 1982 von Fundición Tipográfica Neufville S.A., Wolfgang Hartmann an D. Stempel AG, Dr. Walter Greisner. 6 Antwortschreiben vom 8. 12. 1982 von D. Stempel AG, Walter Greisner an Fundición Tipográfica Neufville S.A., Wolfgang Hart­mann. 7 Paragraph 2 des 1975 neu redigierten Code Moral der ATypI lautet: «Die Mitglieder halten es mit ihrer Berufsehre für nicht vereinbar, die Schriften eines anderen Mitgliedes innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach Herausgabe der Schrift in identischer oder leicht abgewandelter Form nachzubilden, gleichgültig, welche Mittel und Verfahren, welche Form oder Grösse hierzu verwendet werden …» – Wolfgang Hartmann an Professor G. W. Ovink im Brief vom 24. 2. 1983, Seite 2. Der Code Moral wird mit der neuen Registrierung der ATypI mit Sitz in New Jersey (USA) im Jahr 2004 aufgehoben. 8 Schiedsspruch der ATypI in Sache Serifa versus Glypha, Paris, 22. 4. 1983, unterzeichnet vom permanenten Schiedsrichter der ATypI für Plagiatsfragen, Gerrit Willem Ovink, sowie von den beigestellten Schiedsrichtern Eckehart Schumacher-Gebler und Gerard Unger.

9 Stellungnahme vom 28. 4. 1983 von G. W. Ovink an Adrian Fruti­ ger sowie vom 4. 5. 1983 an Dr. Walter Greisner. 10 Das Vorgehen zur Erstellung der Glypha aus der Serifa 55 be­ schreibt eine Notiz, datiert vom 15. 11. 1976, von Werner Schimpf, Mitarbeiter der D. Stempel AG. Icone   a276 1 Adrian Frutiger: ‹Das Miterleben einer Wandlung. Schrift­ zeichen für die Satztechnik der Gegenwart›, in: Hans-Joachim Koppitz (Hg.): ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985›, Mainz 1985, Seite 22. 2 Adrian Frutiger: ‹Schrift und Papier – der Mensch heute›. Vor­ trag an der Generalversammlung der Association Typographi­ que Internatio­nale ATypI in Basel am 22. September 1980, in: ‹Typografische Monatsblätter› 5/1980, Seite 272; dreisprachig publiziert, gesetzt in der Icone. 3 Beim Lichtsatz liegen die Zeichen nicht mehr als Negativform vor, sondern als digitale Daten. Mit einer Kathodenstrahlröhre (Cathode Ray Tube CRT ) werden die Buchstaben in Pixel oder vertikale Streifen zerlegt und auf Film oder Papier belichtet. Dies ermöglicht ein elektronisches Modifizieren der Schrift. 4 Der Neigungswinkel der kursiven Icone ist schwierig zu bestim­ men, doch bei den abgebildeten Entwürfen sind es eher 6 Grad (links) sowie 18 oder gar 19 Grad (rechts). 5 In der Linotype-Klassifikation sind Schriften, welche nicht ein­ deutig einer anderen Gruppe entsprechen, der Gruppe 6 ‹An­ tiqua-Varianten› zugeordnet. Auf Englisch wird die Gruppe als ‹Decorative and Display› und auf Französisch als ‹Caractères de fantaisie› bezeichnet. 6 Die Icone Outline Bold wird noch nicht aufgeführt im doppel­ seitigen Inserat der Mergenthaler Linotype ­ Company, publi­ ziert in der amerikanischen Zeitschrift ‹U&lc›, Nr. 1, März 1980, der ITC . 7 Die Outline-Version wird nur für Katalog- und Kapiteltitel ver­ wendet, inklusive Plakat und Einladung. Der Katalog erscheint im April 1979. Zu diesem Zeitpunkt existiert die Icone noch nicht im Sortiment der Linotype. Die not­­wendigen Buchstaben werden von Frutiger mit Filzstift auf Pergamentpapier gezeich­ net. Bruno ­Pfäffli, typografischer Gestalter und Atelierpartner von Adrian Fruti­ger, verwendet meist als Erster die neu erschie­ nenen Schrif­ten Fru­tiger’s. Oft setzt er sie in der Kataloggestal­ tung für die Pariser Museen ein. 8 Aus verkleinert reproduzierten Originalzeich­nun­gen der Buch­ staben wird ein Klebsatz erstellt, indem die einzelnen Buchsta­ ben auf Dickte geschnitten und zu einem Probetext zusammen­ geklebt werden. 9 Horst Heiderhoff: ‹Formen und Gegenformen. Gestaltungs­ einheiten im Leben des Schriftkünstlers Adrian Frutiger›, in: Hans-Joachim Koppitz (Hg.): ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985›, Mainz 1985, Seite 59. 10 Zitiert aus einer Umfrage der Fachzeitschrift Eurographic Press: ‹Über die Zukunft von Schrift und Typografie›, in: ‹DruckIndus­ trie›, St. Gallen, Nr. 12 / 27. 6. 1985, Seite 9. 11 Zitiert aus: Adrian Frutiger: ‹Adrian Frutiger himself›. Vortrag gehalten an der ‹Type ’87› in New York, in: ‹Der Druckspiegel› 8/1988, Seite 922 f. 12 Als Beispiele seien hier die psychedelischen Rockplakate von Bonnie MacLean und Wes (Robert Wesley) Wilson genannt. – Vgl. Lewis Blackwell: ‹Schrift als Experiment. Typographie im 20. Jahrhundert›, Basel 2004, Seite 118. 13 In der italienischen ‹Classificazione Novarese› von 1957 steht die Gruppe ‹Lapidari› am Beginn. In An­­passung an die Klassi­ fikation der ATypI wird sie 1965 jedoch als Gruppe VII aufge­ führt. Der Begriff ‹Lapidari› nimmt Bezug auf das lateinische ‹lapis› (Stein) und das italienische ‹lapide› (Gedenkstein). – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Klassifikation. Bemühungen um eine Ordnung im Druckschriftenbestand›, Seite 34 ff., Seite 54. 14 Der dreisprachige Schriftenkatalog von Adobe führt die ‹Inzi­ sen› als ‹Glyphic› und ‹Polices Glyptiques› auf. – Vgl. ‹AdobeSchriftenbibliothek. Referenzhandbuch›, San Jose 2000, Seite 40. Breughel   a286 1 Die erste Lichtsetzmaschine ist die Digiset der Firma Dr.-Ing. Rudolf Hell in Kiel aus dem Jahr 1965. Die Kathodenstrahlröhre (Cathode Ray Tube CRT ) überträgt das digitale Schriftbild, in Pixel oder vertikale Linien zerlegt, auf den Film. Bei der Vektor­ darstellung, einem späteren CRT-Verfahren, werden nicht mehr die vertikalen Bildlinien des Buchstabens als Weiss-SchwarzWerte beschrieben, sondern die Umrisslinien. Um Speicher­ platz zu sparen, werden Kurvenbeschreibungen in mehrere gerade Segmente unterteilt. Erst als die Bézier-Kurve, 1960 von Pièrre Bézier für den französischen Autohersteller Renault ent­ wickelt, An­­fang der 1980er Jahre Einzug in die Schrifttechno­ logie hält, wird zusammen mit der hochauflösenden Laserbe­ lichtung wieder eine präzise Schriftdarstellung möglich. Diese Schriften werden auch als Vektor­fonts bezeichnet.

2 Linotype nennt 1981 als Entstehungsjahr der ­Breughel. Mögli­ cherweise ist Frutiger’s Schrift jedoch erst 1982 fertiggestellt worden. René Kerfante, damals Abteilungsleiter Schriftträger­ fertigung bei der D. Stempel AG, wird in einem Gespräch folgen­ dermassen wieder­gegeben: «Die ‹Breughel›, eine neue Werk­ satzschrift von Adrian Frutiger im Stil der Renaissance-Antiqua, werden wir demnächst vorstellen.» – Vgl. ‹Dem Schrift­­schaffen verpflichtet. Zu Gast bei der D. Stempel AG›, in: ‹Der Druck­ spiegel› Nr. 9/1982, Seite 687. 3 Hans Rudolf Bosshard unterteilt die Gruppe V Serifenbetonte Linear-Antiqua in fünf Untergruppen: «Va Egyptienne, Serifen ohne Kehlung; Vb Clarendon, Serifen mit Kehlung; Vc Italienne, überhöhte, fette (gekehlte oder ungekehlte) Serifen gegen­ über dünneren Schäften; Vd Renaissance, dreieckige Serifen; Ve Toscanienne, gespaltene Serifen.» – Vgl. Hans Rudolf Boss­ hard: ‹Technische Grundlagen zur Satzherstellung›, Bern 1980, Seite 79. 4 Der in der Breughel 65 gesetzte Vergleich zur Jenson entspricht nicht in allen Zeichen der Textvorlage, es handelt sich eher um einen visuellen Vergleich. Aus diesem Grund ist auch das Minus­ kel-f zum Lang-s beschnitten worden. 5 Adrian Frutiger macht in den Gesprächen leicht vari­ierende Angaben zur Strichstärke einer Buchschrift. Zudem sagt er: «Was als angenehm empfunden wird, unterliegt einem Wandel. So würden wir heute die Jenson als halbfetten Schnitt bezeich­ nen.» 6 In der Broschüre ‹Schriften von Adrian Frutiger› des Linotype Font Center, 1983 herausgegeben von der D. Stempel AG, ist fälschlicherweise das 16. Jahrhundert angegeben (siehe Seite 292). 7 Schreiben von Adrian Frutiger an Kurt Weidemann, datiert vom 18. 2. 1984. Der Kontakt zum Typografen und Grafik-Designer Kurt Weidemann besteht schon früh. So publiziert dieser als Schriftleiter der deutschen Fachzeitschrift ‹Der Druckspiegel› beispielsweise im Dezember 1961 einen Artikel zum Signet­ schaffen von Adrian Frutiger. 8 An der Umfrage der Eurographic Press 1985 nehmen sechs Schriftkünstler, sieben Schrifthersteller und sechs Schriftanwen­ der teil. – Vgl. ‹Über die Zukunft von Schrift und Typografie›, in: ‹DruckIndustrie› Nr. 12, St. Gallen, 27. 6. 1985, Seite 3 ff. Bereits 1976 führt die Eurographic Press eine Umfrage unter 14 Schriftkünstlern durch. – Vgl. ‹Die Zukunft unserer Druckschrif­ ten›, in: ‹Deutscher Drucker› Nr. 1–2 / 8. 1. 1976, Seite 2 ff.; Teil 2 der Umfrage in: ‹Deutscher Drucker› Nr. 3 / 22. 1. 1976. 9 Eurographic Press, 1959 gegründet, ist ein Zusammen­schluss von heute 15 europäischen Fachzeitschriften der grafischen Industrie. – Vgl. www.eurographicpress.com (Dezember 2007) 10 Zitiert aus: ‹DruckIndustrie› Nr. 12, St. Gallen, 27. 6. 1985, Seite 9. 11 Adrian Frutiger: ‹Das Miterleben einer Wandlung. Schrift­ zeichen für die Satztechnik der Gegenwart›, in: ‹GutenbergJahrbuch 1985›, Mainz 1985, Seite 20. 12 Für Walter Greisner, den Vorstand der D. Stempel AG, ist der Ausbau zu grösseren Schriftfamilien eine Bereicherung für die Schriftanwender. – Vgl. ‹Dem Schrift­­schaffen verpflichtet. Zu Gast bei der D. Stempel AG›, in: ‹Der Druckspiegel› Nr. 9/1982, Seite 680. 13 Besonders die Schriftenfertigung mit Peter Karow’s Digitalisie­ rungssystem ‹Ikarus› bei der Firma URW ermöglicht eine Ver­ einfachung und Verkürzung der Produktionszeit. 14 In den Schriftmusterkatalogen der Linotype von 1983 und 1984 sind noch keine Kapitälchen und Minuskelziffern zur Breughel enthalten. 1986 werden sie in der ‹LinoTypeCollection 1987› ge­ zeigt. 15 Bei Frutiger’s Schriften ist dieser praktikable Ansatz nicht un­ gewohnt. Er entspricht aber nicht dem üblichen Vorgehen der Schriftgestalter, da sich meist alle Figuren der beiden Ziffern­ sätze Tabellenziffern und Mediävalziffen in Form, Proportion und Dickte unterscheiden. 16 Pieter Breughel der Ältere, geboren um 1525/30 in Breda (?); gestorben am 9. September 1569 in Brüssel, wird auch ‹Bauern­ breughel› genannt. Bekannt sind seine Darstellungen des bäuer­­lichen Lebens im Flandern des 16. Jahrhunderts. 17 Die Raleigh von 1977 (bei Linotype mit 1978 datiert) basiert auf der Cartier des kanadischen Schriftgestal­ters Carl Dair. Er ent­ wirft die Schrift für die ‹Montreal World’s Fair 1967›. In der Folge erweitert Adrian Williams die Schrift um drei Schnitte für den Display-Bereich und Robert Norton entwickelt die Textversion.   – Vgl. www.myfonts.com (Dezember 2007). 18 William (Bill) Garth, Präsident und Mehrheitsaktionär der Firma Lithomat, welche Offsetdruckplatten aus Papier herstellt, ist zudem Präsident der Graphic Arts Research Foundation. Diese Stiftung wird 1949 in den USA gegründet, um die Entwicklung der Lumitype-Photon von René Higonnet und Louis Moyroud voranzutreiben. 1950 wird die Firma Lithomat in Photon Inc. umbenannt. 1960 verlässt Garth die Photon Inc. und gründet zusammen mit Ellis Hanson die Compugraphic Corpora­tion, welche Fotosetzmaschinen herstellt. – Vgl. Alan Marshall: ‹Du plomb à la lumière›, Paris 2003.



19 Die Zeichnungen zur Garth Graphic stammen ursprünglich von John Matt und entstehen Mitte der 1960er Jahre. Bevor jedoch die Schrift erscheinen kann, gibt die American Typefounders ATF die ­Pläne für den Foto­satz auf. In den späten 1970er Jahren überarbeiten Constance Blanchard und Renee Le Winter bei Compugraphic die in Vergessenheit geratene Matt Antique und bauen sie aus. Ihren Namen erhält sie nach dem ­Gründer der Compugraphic und ehemali­gen Präsidenten der Phonton Inc. Bill Garth. – Vgl. www.myfonts.com (Dezember 2007). Dolmen (Schriftentwurf)   a296 1 Der Dolmen [franz., zu breton. taol ‹Tisch› und maen ‹Stein›] ist eine Grabkammer mit rechtecki­gem oder poly­gonalem Grund­ riss, erbaut aus vier bis sechs senk­recht aufgestellten Tragstei­ nen sowie ein bis zwei Deck­steinen. Sie sind ebenerdig oder in den Boden eingetieft angelegt und mit runden oder läng­ lichen Hügeln abgedeckt. – Vgl. ‹Brockhaus Enzy­klopädie in vierundzwanzig Bänden›, Mannheim 1988, ­Seite 591. 2 Von wem die Semplicità der Società Nebiolo stammt, geht aus den konsultierten Quellen nicht hervor; einzig zur schattierten Version ­Semplicità Ombra wird Alessandro Butti als Schriftge­ stalter aufgeführt. – Vgl. www.klingspor-museum.de/Klingspor  Kuenstler/Schriftdesigner/Butti/AButti.pdf (Februar 2008). 3 Hans Reichel’s Schrift erscheint 1983 bei der H. Berthold AG unter dem Namen Barmen, bevor sie 1990 in Barmeno umbe­ nannt wird. 1999, sechs Jahre nach dem Konkurs der H. Berthold AG, bringt der Font Shop in Berlin die Schrift unter dem Namen FF Sari heraus. – Vgl. www.sanskritweb.net/forgers/barmen.pdf (Februar 2008). 4 Gespräch mit Adrian Frutiger, geführt von Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm am 24. April 2003. 5 Adrian Frutiger unterscheidet zwischen der Grundform, dem Skelett eines Buchstabens, welches die Erkennbarkeit gewähr­ leistet, und der Ausgestaltung, welche die Anmutung erzeugt. Er schreibt 1994: «Die Arbeit des Schriftentwerfers gleicht der­ jenigen eines Couturiers, welcher den unveränderten nackten Körper bekleidet.» – Vgl. Adrian Frutiger: ‹Denken und Schaf­ fen einer Typografie›, Villeurbanne 1994, Seite 17. – Auch den Vergleich mit Musik zieht Frutiger ab und zu heran. «Der Kern des Zeichens ist wie der reine Ton in der Musik – die Aussen­ form jedoch bewirkt den Klang.» – Vgl. Adrian Frutiger: ‹Type Sign Symbol›, Zürich 1980, Seite 69. Tiemann   a302 1 Rainer Frenkel: ‹Abschied vom Blei. Aus dem konservativen Innenleben der Zeit›, in: ‹Die Zeit› Nr. 20, Hamburg 14. 5. 1982, Seite 1. 2 Walter Tiemann, 1876–1951, Studium der Künste in Leipzig und Dresden, Studienaufenthalte am Rhein und in Paris, ab 1898 für Verlage tätig, ab 1903 Lehrer an der Staatlichen Akademie für Graphische Künste Leipzig, ab 1905 Zusammenarbeit mit Karl Klingspor, 1907 Gründung der Janus-Presse mit Carl Ernst Poe­schel, 1920–1941 und 1945–1946 Direktor der Staatlichen Akademie für Graphische Künste Leipzig, 1946 mit der Ehren­ doktorwürde ausgezeichnet. 3 Die Ratio-Latein von F. W. Kleukens erscheint 1923 oder 1924 bei der Schriftgiesserei D. Stempel AG, um 1925 ist sie zudem auf der Linotype-Setzmaschine erhältlich. 4 Die D. Stempel AG stellt als Mehrheitseignerin der Schriftgies­ serei Gebr. Klingspor 1956 deren Gussprogramm ein und über­ nimmt einen Teil der Schriften in ihr Sortiment (die TiemannAntiqua befindet sich nicht darunter). 1984 übernimmt sodann Linotype die D. Stempel AG, und die Rechte an den Schriften gehen auf die Linotype über. 5 Jovica Veljović ist Schriftent­werfer, Typograf, Grafik-Desig­ner und Lehrer für Schrift und Typografie in Hamburg. – Vgl. Fried­ rich Friedl, Nicolaus Ott, Bernard Stein: ‹Typographie – wann wer wie›, Köln 1998, ­Seite 529 f. 6 Gleichzeitig wird eine komplette Überarbeitung des Layouts vorgenommen, wel­che der als Zeitungsdesigner be­­kann­­te Süd­ amerikaner Mario García vornimmt. Er stellt – unter anderen Änderungen – der Tiemann nach langen Jah­ren der Kombina­ tion mit der Times Roman nun die Garamond als Textschrift zur Seite. 7 Nach seiner ersten Schrift für die Gebr. Klingspor, der auf dem Stil der Renaissance-Antiqua basierenden Tiemann-Mediaeval von 1909 (die Überarbeitung einer Type, welche er mit Carl Ernst Poeschel 1907 für ihre gemeinsam gegründete JanusPresse schafft), wendet sich Walter Tiemann den von ihm be­ vorzugten gebrochenen Schriften zu. Er entwirft die TiemannFraktur 1914, Peter Schlemihl 1914, Tiemann-Gotisch 1924, KleistFraktur 1928 und Fichte-Fraktur 1935. Drei weitere AntiquaSchriften sind die Orpheus 1928, Daphnis 1931 und Euphorion 1935. Alle von Walter Tiemann entworfenen Schriften werden bei den Gebr. Klingspor gegossen. – Vgl. Julius Rodenberg: ‹In der Schmiede der Schrift›, Berlin 1940, Seite 121 ff. 8 So arbeiten auch der Künstler Otto Eckmann und der Architekt Peter Behrens für die Gebr. Kling­spor.

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9 Vgl. Julius Rodenberg: ‹In der Schmiede der Schrift›, Berlin 1940, Seite 127. 10 William Morris studiert Theologie und arbeitet erst als Archi­ tekt, dann als Maler, bevor er die Kelmscott Press gründet. Sein Ziel ist das Wiederaufblühen des Handwerks als Kunst. Er ent­ wirft unter anderen die auf Nicolas Jenson’s Renaissance-Anti­ qua basierende Golden Type. Die Schrift ist ge­schnitten von Edward Prince. 11 Vgl. Seite 26: ‹Allgemeines zur Président›. 12 Eine Vereinfachung der Frakturformen wird bereits Ende des 18. Jahrhunderts von Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und von Johann Friedrich Unger versucht, um weiterführend einer deutschen Fraktur gegenüber der Antiqua den Weg zu bahnen.   – Vgl. Gustav Bohadti: ‹Von der Romain du Roi zu den Schrif­ ten J. G. Justus Erich Walbaums›, H. Berthold AG, Berlin / Stutt­ gart 1957, Seite 40. 13 Eine Initialwirkung dafür hat möglicherweise der Erfolg des Bodoni-Nach­schnitts von Morris Fuller Benton, der 1910 bei der American Type Founders veröffentlicht wird. 14 Caledonia (Kaledonien) ist gemäss der ‹Brockhaus Enzyklopä­ die› der keltisch-römische Name für Schottland. 1938 wird die Caledonia, in Deutschland als Cornelia bekannt, auf Grund­ lage der Scotch Roman von 1907 und der ebenfalls bei Mono­ type erschienenen Bulmer gestaltet. Die Scotch Roman ist eine Zusammenfassung der von Richard Austin um 1810 für die Wil­ son Foundry in Glasgow und die William Miller & Co in Edin­ burgh gezeichneten klassizistischen Schriften die dem Vorbild von Bodoni und Didot folgen. Diese Schriften werden im Aus­ land unter der Bezeichnung Scotch populär. – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 91, 397, 482. 15 Das Jahr der Überarbeitung ist nicht eindeutig zu evaluieren. Die ‹LinoTypeCollection› der Mergenthaler Type Library von 1986 gibt das Jahr 1979 an. – L. W. Wallis nennt das Jahr 1981. Vgl. Laurence  W.  Wallis: ‹Type Design Developments 1970 to 1985›, Arlignton 1985, Seite 77. – Im aktuellen ‹Typeface Cata­ log› der Linotype GmbH von 2006 ist 1982 vermerkt. 16 Fairfield und New Caledonia können aufgrund der genannten Kriterien auch zur Gruppe der Neo-Barockschriften gezählt werden. Insbesondere das Minuskel-b mit dem oben leicht an­ geschrägten und unten diagonal beschnittenen Stamm weist in diese Richtung, aber auch das Minuskel-e der Fairfield mit der offenen Bogenform. Versailles   a308 1 Mike Parker studiert Architektur und Grafik Design in Yale. Von 1950 bis 1980 ist er bei der Mergenthaler Linotype Company in Brooklyn, New York, tätig; erst als Assis­tent von Jackson Burke, später als Director of Typographic Development. In seine Zu­ ständigkeit fällt die Überführung und den Ausbau der Zeilen­ satzschriften in den Foto- und CRT-Satz. 1981 gründet er zu­sam­ men mit Matthew Carter, Cherie Cone und Rob Friedman die Bitstream Inc. – Vgl. www.fontbureau.com/people/MikeParker (November 2007). Matthew Carter lernt Schriftgestaltung in Charterhouse, Surrey (England). 1960 lernt er in Mike Parker kennen. 1963 kommt er mit Crosfield Electronics, dem Vertrieb der Photon / Lumitype Fotosetzmaschinen, zusammen. In Paris lernt er Adrian Frutiger kennen. Von 1965 bis 1971 arbeitet er als Schriftgestalter bei der Mergenthaler Linotype in den USA, danach bis 1981 für die amerikanische, die britische und die deutsche Linotype. 1981 gründet er zu­sam­men mit Mike Parker, Cherie Cone und Rob Friedman die Bitstream Inc., 1991 mit Cherie Cone die Carter & Cone Type Inc. Bekannte Schriften von Carter sind unter ande­ ren: Olympian 1970, Galliard 1978, Bell Centennial 1978, Char­ ter 1987, Verdana 1996. – Vgl. Margaret Re: ‹Typographically Speaking. The Art of Matthew Carter›, New York 2003. 2 Reinhard Haus – von 1978 bis 1982 sporadisch im Atelier Fruti­ ger tätig – erwähnt, dass Frutiger ihm diese Inschrift aus na­po­ leonischer Zeit gezeigt hat. Der französi­sche Kaiser Napoleon III. beschliesst 1858, eine neue Oper bauen zu lassen. Überra­ schend gewinnt der junge Architekt Charles Garnier den­ Wett­ bewerb, obschon sich Kaiserin Eugénie gegen den Entwurf ausspricht. Von 1861 bis 1875 wird das imposante Pari­ser Opern­ haus, wel­ches heute offiziell ‹Opéra National de Paris› heisst, gebaut. ‹Grand Opéra› bezeichnet ein Opern-Genre, wel­ches in der Zeit nach der französischen Revo­lution (1789–1799) aus Elementen der ernsten und der komischen Oper entsteht. – Vgl. Julia Droste-Hennings, Thorsten Droste: ‹Paris: Eine Stadt und ihr Mythos›, Köln 2005, Seite 307 f. 3 Vgl. Umfrage der Euro Graphic Press: ‹Über die Zukunft von Schrift und Typografie›, in: ‹DruckIndustrie› Nr. 12, St. Gallen 1985, Seite 9. 4 Im Linotype-Schriftmusterbuch ‹Digitale Schriften› von 1984 sind die Mediävalziffern und Kapitälchen noch nicht enthalten. Spätestens die Schriftenblätter aus der Plexiglasbox der ‹Lino­ TypeCollection› von 1986 zeigen diese dann.

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5 Das Schriftmusterbuch ‹Spécimen Général›, Band 2, der Fon­ deries Deberny & Peignot von 1926 führt einzig die Caractères­­ Latins Noirs Italiques sowie die Caractères Antiques Italiques ­ La­ti­nés auf. Bei Letzterer handelt es sich um eine Grotesk mit an­schwellenden Strichenden. 6 Vgl. Breughel: Anmerkung 1, Seite 433. 7 Zur Vermarktung der Versailles schaltet Linotype in der ameri­ ka­nischen Zeit­schrift ‹U&lc› ein zwei­spra­chiges Inserat. In der deutschen Fachzeitschrift ‹Novum Gebrauchsgraphik› 5/1985, Seite 67 ff., erscheint zur Versailles und den Latine-Schrif­ten zu­ dem der vierseitige Artikel ‹Eine neue Schrift von Adrian Fruti­ ger›, geschrieben von Reinhard Haus, dem Lei­ter des Lino­typeSchrif­ten­ateliers.   Ein wesentliches Marketingmittel ist die 1983 von Linotype publizierte, 28-seitige, dreisprachige Broschüre ‹Schrif­ten von Adrian Frutiger›, welche kostenlos bezogen werden kann. Auf jeweils einer Doppelseite werden seine zehn bei Linotype er­ hältlichen Schriften vorgestellt: Meridien, Iridium, Egyptienne F, Glypha, Serifa, Univers, Fruti­ger, Icone, Breughel und Ver­sailles (Reihenfolge gemäss der Broschüre). Eine Rezension da­rüber druckt die Fachzeitschrift ‹Der Druckspiegel› 5/1984 auf Seite 45 ab. Im Herbst 1984 startet Linotype zudem die Aktion ‹Das grosse Frutiger-Schriften-Angebot›. Der Mappe mit Preisliste und Bestellschein ist auch die Broschüre beigelegt. Beim Kauf von mindestens vier Schrift­schnitten für die CRTronic oder die­ Linotron 202 kostet ein Schnitt 1080 Mark (damals rund 380 US Dollar); zusätzlich wird bei Abnahme einer oder mehrerer Schriftfamilien ein Rabatt von 5 % gewährt. Im Vergleich dazu kostet bei Linotype heute ein digitaler Schnitt der Versail­les rund 33 bzw. die gesamte Schriftfamilie 259 US Dollar (Februar 2008). Linotype Centennial  a318 1 Ottmar Mergenthaler, aus Deutschland in die USA eingewan­ dert, stellt 1886 in New York die erste Matrizensetz- und Zeilen­ giessmaschine, genannt ‹Blower›, vor. Im Jahr 1890 wird die Mergenthaler Linotype Company gegründet. 2 Olaf Leu, geboren 1936 in Chemnitz (D), ist Grafik-Designer und von 1986 bis 2003 an der FH Mainz Professor für Corpo­ rate Design. 3 Die drupa, als Abkürzung für Druck und Papier, bezeichnet die alle vier Jahre in Düsseldorf stattfindende Messe der Druck- und Kommunikationsbranche. Sie ist eine der wichtigsten und grössten Fachmessen der Welt. 4 Vgl. ‹DruckIndustrie› 11/1986, Seite 42. 5 Die Bell Centennial erscheint 1978 für den CRT-Fotosatz der Linotron 606. Sie basiert auf der Bell Gothic, gezeichnet 1938 von Chauncey H. Griffith für die AT&T und für die Mergenthaler Linotype. – Vgl. www.myfonts.com/fonts/adobe/bell-centen­ nial/ (März 2008) – Jaspert, Berry, Johnson: ‹The Encyclo­ paedia of Type Faces›, London 1970, Seite 252. 6 Vgl. ‹Linotype Library. Schriftenhandbuch›, Eschborn bei Frank­ furt 1988. 7 1952 wird das semantische Differential von Charles E. Osgood vorgestellt und 1957 publiziert. In Deutschland führt 1955 Peter Hofstätter die Methodik in leicht variierter Form als Polaritäten­ profil ein. – Vgl. Charles E. Osgood, G. J. Suci, P. H. Tannen­ baum: ‹The Measurement of Meaning›, Urbana 1957. – http:// de.wikipedia.org/wiki/Semantisches_Differenzial (März 2008). 8 1965 untersucht Dirk Wendt am Psychologischen Institut der Universität Hamburg die Lesbarkeit von Druckschriften. 1968 untersucht er 18 verschiedene Druckschriften, darunter auch Frutiger’s Univers und Serifa auf ihre Anmutungsqualität. – Vgl. Dirk Wendt: ‹Untersuchungen zur Lesbar­keit von Druckschrif­ ten, Bericht Nr. 2›, Hamburg 1965 (ver­viel­fältigtes Manuskript);   – Dirk Wendt: ‹Semantic Differentials of Typefaces as a Me­ thod of Congeniality Research›, in: ‹The Journal of Typographic Research›, Vol. II, Cleveland 1/1968. – Peter Karow: ‹Schrift­ technologie. Methoden und Werkzeu­ge›, Berlin / Heidelberg 1992, Seite 405 ff. 9 Christian Gutschi, Mag. Medienpsychologie, Universität Wien, bestimmt für seine Untersuchung ein Polaritä­ten­­profil mit 23 Adjektivpaaren. – Vgl. Christian Gutschi: ‹Psychologie der Schriften›, Teil 1, in: ‹Page› 8/1996, Seite 54 ff.; Teil 2, in: ‹Page› 9/1996, Seite 64 ff.; Teil 3, in: ‹Page› 10/1996, Seite 74 ff.; Teil 4, in: ‹Page› 12/1996, Seite 66 ff.; Teil 5, in: ‹Page› 1/1997, Seite 52 ff.   – Vgl. www.medienpsychologie.at (März 2008). 10 Die zur Gruppe der Übergangs-Antiqua gehörende Times wird 1932 von Stanley Morison für die englische Tageszeitung ‹The Times› geschaffen. 11 Die beiden wichtigsten Setzmaschinenhersteller sind unbestrit­ ten Linotype und Monotype. Auch bei Berthold, Compugraphic, Hell, IBM, Intertype, Ludlow, Photon-Lumitype u. a. ist die Times wichtiger Bestandteil des Schriftensortiments. Im Anreibever­ fahren bieten sowohl Letraset als auch Mecanorma die Times an.

12 Mit ‹IBM -Material› meint Frutiger die damals bei IBM ge­bräuch­ liche masshaltige, sehr feste PE -Folie, welche für Probe-Belich­ tungen der IBM -Schriften eingesetzt wird. 13 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ottmar_Mergenthaler (März 2008). 14 Vgl. ‹LinoTypeCollection – Mergenthaler Schriftenbibliothek›, Eschborn bei Frankfurt 1986. Avenir   a330 1 Die ‹Zusammenstellung der Linotype-Grotesk-Schriften› ist Be­ stand­teil von Frutiger’s Studie ‹Wo gibt es Marktlücken im heu­ ti­gen Schriften-Angebot?› vom Januar 1987. Die Zusammenstel­ lung wird zudem in verschiedenen Publikationen veröffentlicht.   – Vgl. Adrian Frutiger: ‹L’histoire des Antiques›, in:­ ‹TM/RSI › 3/1988 (es ist die Fortsetzung des Artikels aus ‹TM/RSI ›­ 1/1988).  – Adrian Frutiger: ‹Zur Geschichte der linearen, seri­fen­­­losen Schriften›, Eschborn etwa 1988, Seite 17. – Adrian Fru­tiger: ‹Nachdenken über Zeichen und Schrift›, Bern 2005, Seite 94 f. (Die Datierung in der letztgenannten Publikation ist nicht kor­ rekt, der Artikel ist nicht 1975, sondern 1985 verfasst und­ nicht 1978, sondern 1988 publiziert worden.) 2 Der Raum, der mit beiden Augen ohne Augenbewegungen über­blickt werden kann, wird als Gesichtsfeld bezeichnet. Bei den Erwachsenen beträgt die horizontale Ausdehnung des Gesichtsfelds beider Augen zusammen etwa 170°, die vertikale etwa 110°,­ wobei am Rand (beidseits ~10°) nur bewegte Ob­ jekte wahrge­nommen werden. – Vgl. http://de.wikipedia.org/ wiki/, Gesichts­feld (April 2008). 3 Gemeint ist «der Vergleich aller bestehenden linearen Schrif­ ten». 4 Adrian Frutiger: ‹Konstruktivistisch und human. Avenir – eine neue serifenlose Linear-Antiqua von Adrian Frutiger›, in: ‹Lino­ type express› 2/1988, Seite 2. 5 Philipp Luidl: ‹Schrift – die Zerstörung der Nacht›, München 1993,­ Seite 75. 6 Das Gespräch mit Adrian Frutiger über die Avenir führen Erich Alb,­ Rudolf Barmettler und Philipp Stamm am 25. 3. 2002, es wird­ am 22. 4. 2002 fortgesetzt. 7 Le Corbusier: ‹Kommende Baukunst›, Stuttgart, Berlin, Leip­ zig 1926, Seite 55. Zitiert nach Kimberly Elam: ‹Proportion und Komposition: Geometrie im Design›, New York 2006, Seite 5. 8 Adrian Frutiger: ‹Wo gibt es Marktlücken im heutigen Schrif­ ten-­Angebot? Eine Studie und ein Vorschlag im Bereiche der Grotesk-Schriften. Es fehlt eine moderne Fassung einer konstruk­ tivistischen Grotesk›, Januar 1987, 10 Seiten. 9 In der ‹Encyclopaedia of Type Faces› wird eine Vielzahl an geo­ me­tri­schen Schriften gezeigt. Neben Erbar Grotesk, 1926 von Ja­kob Erbar, Futura 1927 von Paul Renner, und Kabel (Cable) 1927 von Rudolf Koch, sind es unter anderen: Elegant-Grotesk, 1928 von Hans Möh­­ring; Bernhard Gothic, 1929 von Lucian Bern­ hard; Super, 1930 von Arno Drescher; Tempo, 1930 von Robert Hunter Middleton. Hingegen fehlt beispielsweise die unter Mit­ ­arbeit von Wilhelm Pischner ent­­standene Neuzeit-Grotesk von 1928 – Vgl. Jaspert, Berry, Johnson: ‹Ency­clopaedia of Type Faces›,­ London 1970. 10 Ursprünglich weist Paul Renner’s Futura Buchschrift im Bleisatz der Bauerschen Giesserei sehr unterschiedliche Verhältnisse in den Höhen auf, wie in Philipp Bertheau’s Buch nachvollzogen werden kann. In den grossen Graden wirken x- Höhe und Ober­ län­ge nahe­zu gleich, bei 48 pt ist das Verhältnis etwa 10 : 8,5. In­ den Lese- und Konsultationsgrössen reduziert sich das Verhält­ nis der Oberlänge deutlich, was der Leserlichkeit sehr dien­lich ist. Bei 10 pt ist das Verhältnis etwa 10 : 7, bei 6 pt nur noch  etwa 10 : 6. – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Geschichte der Schrift›, Darmstadt 1995,­ Seite­ 303. – Leider wird für den Fotosatz und später für den­ Digitalsatz nur eine Designgrösse umgesetzt, in der ‹Lino­ TypeCollection› 1992 wird als Designgrösse 12 pt genannt. Das Verhältnis ist hier etwa 10 : 7,6. – Vgl. ‹LinoTypeCollection›, Esch­ born 1992, Seite 233. 11 Der Gebrauch der Two lines english egyptian ist bisher in keiner Drucksache nachgewiesen. Hingegen ist diese Schriftform in der Architektur bekannt. Max Bollwage leitet ihre Herkunft von den Inschriften auf griechischen Tempeln ab und weist eine Kon­­tinuität in der Verwendung serifenloser Majuskeln als In­ schriften auf Münzen, Grab­­mälern und Gebäuden nach. – Vgl. Max Bollwage: ‹Serifenlose Linearschriften gibt es nicht erst seit dem 19. Jahrhundert. Mutmaßungen eines Typografen›,  in: Stephan Füssel (Hg.): ‹Gutenberg-Jahrbuch 2002›, Mainz 2002, Seite 212 ff. 12 Die serifenlosen Schriften des 19. Jahrhunderts basieren eher auf­ Rechteck und Oval und verkörpern damit das klassizisti­sche­ Formprinzip.

13 Eine genaue Datierung der in Leipzig bei Wagner & Schmidt ge­­schnittenen und wenigstens auf zehn Garnituren ausgebau­ ten geometrischen Grotesk ist leider nicht bekannt. Eben­falls fehlen Angaben zum Entwerfer. 1922 erscheint sie mit teilweise­ anderen Formen als Universal bei der Staatsdruckerei in Prag, 1930 als Polar Grotesk bei der Schriftgiesserei J. John Söhne in Hamburg und 1931 als Rund Grotesk bei C. E. Weber in Stutt­gart.­ Kristall Grotesk nennt sie 1937 die Norddeutsche Schriftgies­ serei­ in Berlin, später ist sie unter diesem Namen auch bei ­Jo­han­­nes Wagner in Ingolstadt erhältlich. Die Schriftgiesserei Berlingska in­ Lund (Schweden) führt sie als Saxo im Sortiment und José Iran­­zo in Barcelona als Predilecta. – Vgl. Philipp Ber­ theau: ‹Buch­druckschriften im 20. Jahrhundert. Atlas zur Ge­ schichte der Schrift›, Darmstadt 1995, Seite 191. 14 Das Bauhaus wird 1919, ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg, in Weimar gegründet. 1920 entsteht der Vorkurs und der Schwei­ zer­ Lehrer und Künstler Johannes Itten wird dessen Leiter. In sei­­nem Unterricht werden gestalterische Übungen mit den  Ele­­mentarformen Kreis, Quadrat und Dreieck durchgeführt. Im­ Bei­trag ‹Elementar-Schule› schreibt J. Abbott Miller auf Seite 21:­ «Itten, Klee und Kandinsky wollten die Ursprünge der ‹visuel­len­ Sprache› aufdecken; sie suchten diesen Ursprung in der ele­­men­ taren Geometrie, den reinen Farben und in der Abstrak­tion.» Ab­ 1923 prägen Quadrat, Kreis und Dreieck verstärkt das Bild vom Bauhaus. Unter anderem gestaltet László Moholy-Nagy, der nun Vorkurs-Leiter ist, in diesem Jahr ein Zeichen mit den geo­metrischen Grundformen für die Publika­tionen der Bau­ haus-­Presse. Zudem beginnt Josef Albers mit seinem Entwurf einer elementaren Schablonenschrift und Herbert Bayer mit Ent­­würfen, die schliesslich im Alphabet ‹Universal› münden. 1924­­ verliert das Bauhaus aus politischen Gründen die Unter­ stützung der Stadt Weimar und zieht 1925 nach Dessau, bevor es dort 1932 von der Stadtverwaltung auf Antrag der National­ sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP geschlossen wird. Für kurze Zeit besteht es noch in Berlin, 1933 wird es dann endgültig auf­gelöst. Adolf Hitler hat die Macht an sich gerissen, die Werke von Bauhaus-Künstlern und -Sympathisanten werden­­­­ als entartete Kunst verfemt, worauf viele Studenten und Leh­rer emigrieren. – Vgl. Ellen Lupton, J. Abbott Miller (Hg.): ‹Drei­ eck,­ Quadrat und Kreis. Bauhaus und Design-Theorie heute›, Basel 1994. – Vgl. auch: www.bauhaus.de/bauhaus1919/zeittafel­  1919.htm (April 2008). 15 Neben Tom Carnase’s ITC Busorama von 1965 und der ITC Bau­ haus, 1975 von Ed Benguiat und Victor Caruso, können weitere Schriften aufgeführt werden, zum Beispiel: Churchward, 1970­ von Joseph Churchward; ITC Ronda, 1970 von Tom Carnase;  Pre­mier, 1970 von Colin Brignall; Washington, 1970 von Russel Bean;­­ Blippo bzw. die fast identische Pump, 1970 von Bob New­ man; Horatio, 1971 ebenfalls von Bob Newman; Plaza, 1975 von Alan Meeks. 16 Herb Lubalin erweitert den 1968 gestalteten Zeitschriftenkopf ‹Avant Garde› in einer ersten Phase zu einem Majuskelalphabet­ und ergänzt dieses mit zusätzlichen Majuskel-Ligaturen. 1970 er­scheint dann die voll ausgebaute Schrift Avant Garde Gothic bei Lubalin, Burns & Co. Inc. Realisiert werden vorerst die drei Schnitte X-Light, Medium und Demi in Zusammenarbeit mit­ Tom Carnase. Im selben Jahr gründen Aaron Burns, Herb Luba­ lin und Edward Rondthaler in New York die International Type­ face Corporation ITC . Selbst­­­ver­ständ­lich wird die Avant Garde Gothic ins Programm aufgenommen, und es entstehen die­ bei­ den weite­ren Schriftschnitte Book und Bold. 1974 folgen die­ vier schmalen von Ed Benguiat gezeichneten Schnitte und 1977 die fünf Oblique-Schnitte, welche von André Gürtler, Chris­tian Mengelt und Erich Gschwind geschaffen werden. 17 Zu dieser Zeit werden in den meisten Setzereien und Drucke­ rei­en die Schriften generell mit reduzierter Laufweite gesetzt, und­ dies als übliche Praxis den Schriftsetzerlehrlingen gelehrt. Selbst Schriftherstel­ler wie die H. Berthold AG vermit­teln diese Grund­haltung in ihren Schriftmusterbüchern. Alle Schrif­ten wer­ den in fünf Laufweiten gezeigt: weit, normal, eng, sehr eng und extrem eng. Die als normal definierte Laufweite wirkt­ aus heu­ tiger Sicht bereits etwas eng, doch eine stärkere Unterschnei­ dung wird für­ Akzidenzsatz teilweise emp­foh­len: «Als Normal­ schriftweite wird­ […] die Schriftweite vorgestellt, die ein Leser auch beim Erfassen längerer Texte als ange­nehm und rich­tig empfindet. Der­ Satz soll weder löcherig weit noch graphisch eng aussehen.­ Schrift soll beim Lesen nicht auf sich len­ken, son­ dern sich als Trans­­portmittel geistigen Guts bescheiden unter­ ordnen. Ge­ringe Textmengen in gestalteten Anzeigen, Etiket­ ten, Werbe­druck­sachen wirken in Normal­schriftweite, ins­be­ son­­dere bei schmalen Satz­breiten und kleinem Rand, weiter als im größeren Textverbund. In diesen Fällen ist es nicht nur aus ästhetischen, son­dern auch aus Lesbarkeitsgründen ange­ bracht, eine enge oder­ gar sehr enge Schriftweite einzuset­ zen.» – Vgl. ‹Berthold Fototypes E2, Body Types›, Berlin / Mün­ chen 1980, Seite XV f.

18 Neville Brody gestaltet als Art Director für die englische Zeit­ schrift ‹The Face› mehrere Schriften, unter anderem 1984 die Type­­face Two. 1989 erscheint sie als Industria bei Linotype in einer­ Solid- und einer Inline-Version, jeweils als Standard- und als Alternate-Zeichensatz. Die Typeface Five von 1985/86, die bei Lino­type 1990 als Arcadia erscheint, und die Typeface Six von­ 1986, die Insignia heisst, haben beide ebenfalls einen zu­ sätzlichen Alter­nate-Schnitt. Alle drei Schriften weisen im Ver­ gleich zu den ursprünglichen Versionen einige Unterschie­de auf. – Vgl. Jon Wozencroft: ‹The Graphic Language of Neville Brody›, München / Luzern 1988, Seite 26 ff. – Vgl. www.fontshop. de (Juli 2008). 19 Gemäss der Interpolationstabelle vom 10. 5. 1988 von Walter Schimpf sind die sechs Avenir-Schnitte von fein zu fett folgen­ dermassen abgestuft: 0 %, 11.25 %, 24.5 %, 38.1 %, 68.5 %, 100 %. 20 Über die Avenir wird mehr oder weniger umfangreich berichtet.­ Als Grundlage der Texte in den verschiedenen deutsch­spra­chi­ gen­ Fachzeitschriften dient ein umfangreiches Manuskript, das Adrian Frutiger handschriftlich verfasst hat. Unter anderem in fol­genden Publikationen sind Artikel erschienen: – ‹Linotype ex­­­press› [dt.] 2/1988, Seite 2; ‹Linotype express› [engl.] autumn 1988; ‹Graphic Repro› 12/1988, Seite 22 ff.; ‹Deutscher Drucker› 15. 12. 1988, Seite g21; ‹DruckIndustrie› 3/1989, Seite 32; ‹WorldWide Printer› 6/1989, Seite 68 f.; ‹Page› [dt.] 6/1992, Seite 50 ff. Zudem publiziert Linotype Faltblätter, Einlageblätter und Bro­ schüren. – Vgl. Adrian Frutiger: ‹Eine neue konstruktivisti­ sche Schrift›, Eschborn undatiert (ca. 1988); Typographics of Chelten­ham: ‹The King who glimpsed the future›, Cheltenham 1988; Linotype: ‹Avenir – A new sans serif from Adrian Frutiger›, Eschborn undatiert (ca. 1990). 21 Vgl. den Prospekt ‹Linotype Library, Platinum Collection: Avenir­ Next by Adrian Frutiger›, Bad Homburg 2004/2006, Seite 3 und 4. 22 Die Pro-Version der Avenir Next enthält zudem eine grössere Anzahl an Akzentzeichen für den Fremdsprachensatz. Auch die Avenir LT ist für den europäischen Fremdsprachensatz ausge­ baut, dafür sind jedoch die zwölf separaten CE-Schriftschnitte (Central European) not­wendig. Westside   a346 1 Werner Schimpf, Leiter des Schriftenateliers bei der Linotype AG,­ stellt die Frage in einem Schreiben an Adrian Frutiger vom 10. 1. 1989. Weiter unten merkt er an: «Diese Frage tangiert das Gesamtkonzept der Versalien», womit er generell das­ Prin­zip der beton­ten Mittelstriche bei der Westside hinterfragt. Zu die­ sem Zeitpunkt liegen ihm die ersten Belichtungen der digitali­ sierten Probe­zeichnungen vor. 2 In den USA werden nur die Italienne, die als ‹French Clarendons› oder als ‹French Egyptians› bekannt sind, mit Western in Verbin­ dung gebracht. Die Toscanienne vermitteln eher den Bezug zum Zirkus. 3 Dieses Merkmal enthält ebenfalls die 1939 bei der Schriftgies­ serei­ Amsterdam herausgegebene Schrift Hidalgo von Stefan Schlesinger. – Vgl. W. Jaspert, W. Berry, A. F. Johnson: ‹Ency­ clo­paedia of Type Faces›, London 1970, Seite 113. 4 Die Schriften basieren auf Vorlagen im Buch: Rob Roy Kelly: ‹American Wood Type: 1828–1900›, New York 1970. 5 Werner Schimpf führt in seinem Brief vom 10. 1. 1989 an Adrian Frutiger neben der Westside die ‹East­side›,­ die ‹Gothic F› so­ wie ‹Fancy›-Schriften auf. Der Kopie des Briefes sind leider keine Probebuchstaben beigefügt, so dass die abgebildeten undatierten Entwurfszeichnungen nicht eindeutig zugeordnet werden können. Schimpf bekundet Inter­es­se­ an Probebuch­ staben der ‹Eastside›, die eine Modifikation der­ Westside dar­ stellt. Zur ‹Gothic F› schreibt er: «Die Probe­buch­staben mit den angesetzten Ecken haben wir in unter­schied­licher Satzqualität belichten lassen, gerade im low-reso­lution-Bereich stören die Ecken und wirken bald wie Serifen.» Beim nächsten Type Se­ lection Meeting vom 25. 1. soll auch über eine mögliche Aus­ wahl von ‹Fancy›-Schriften gesprochen werden. Dem Brief sind auf Wunsch von Adrian Frutiger elektronische Modifika­tionen der Westside beigelegt, verschmälert bzw. verbreitert­ auf­ 80 %, 90 %, 120 %, 140 % und 160 %. 6 Sowohl eine Italienne als auch eine Toscanienne, beide mit 1821­ datiert, sind bei Nicolete Gray aufgeführt. Im ersten Fall handelt­ es sich um die Italian von Caslon & Catherwood, im zweiten Fall um die Two-line english Tuscan der Giesserei Thorowgood. – Vgl. Nicolete Gray: ‹Nineteenth Century Ornamented Type­ faces›, London 1976, Seite 32 f.



7 František Muzika schreibt: «Eine weitere Form … der Akzidenz­ schriften des 19. Jahrhunderts ist eine Schriftart, die bei ihrer Ent­stehung in England den Namen Tuscan erhielt. Diese Be­ zeichnung ist ebenso zufällig und unbegründet wie die Namen Egyptienne, Antique, French Antique, Italienne u. ä. Wie die Egyp­tienne mit Ägypten und die Italienne mit Italien nichts ge­ ­meinsam hatten, so hat auch die toskanische Schrift keinerlei Be­ziehung zu der italienischen Provinz Toskana oder zur toska­ ni­schen Ordnung der römischen Baukunst. Ihre Bezeichnung kann­ man also wieder nur mit kommerziellen Gründen erläu­ tern […]» – František Muzika: ‹Die schöne Schrift in der Ent­ wicklung des lateinischen Alphabets›, Band 2, Prag 1965, Seite 338. 8 Vgl. František Muzika: ‹Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets›, Band 2, Prag 1965, Seite 332 ff. 9 Insgesamt erweist sich eine Unterteilung der serifenbetonten Schriften in Untergruppen mit ecki­gen bzw. gekehlten Seri­fen­ übergängen als wenig sinnvoll, da es kein prägnantes Merkmal­ ist. Es sollte denn auch nicht bei den Egyptienne-Schriften ange­ wendet werden. Dagegen wäre die Unterteilung der serifen­be­ tonten Schriften in solche ohne und solche mit Strichkontrast interessant. Zur letzteren Gruppe sind dann die Schriften des Clarendon-­Typus zu zählen. – Vgl. hierzu Seite 168. 10 Die Bezeichnung Egyptienne darf in diesem Fall nicht mit der gleichnamigen allgemeinen Bezeichnung für serifenbetonte Schrif­ten verwechselt werden. 11 Rob Roy Kelly unterscheidet zwischen French Clarendons mit gerundeten und French Antiques mit eckigen Serifenübergän­ gen. – Vgl. Rob Roy Kelly, ‹American Wood Type: 1828–1900›, New York 1970, Seite 130. 12 Vgl. Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grundlagen zur Satz­ ­­­herstellung›, Bern 1980, Seite 79. 13 Drei Monate nach den ersten Belichtungen der Probebuchsta­ ben bestätigt Werner Schimpf im Schreiben an Adrian Frutiger vom 13. 4. 1989 den Erhalt der Versalien und Gemeinen zur West­ side. Im Brief vom 5. 8. 1989 nimmt Adrian Frutiger noch Korrek­ turen an der Zurichtung und an einigen Zeichen vor. Im Wesent­ lichen scheint die Schrift aber fertig zu sein. 14 Apple Macintosh, Windows-PC sowie Unix-Workstations und  de­ren­ Printer-Umgebungen machen zu dieser Zeit noch unter­ schied­­liche Schriftformate nötig: PostScript-Type-1, TrueType und­ PostScript-Type-3. Vectora   a352 1 Der Ausdruck ‹Gothic› wird erstmals 1837 in den USA für eine serifenlose Schrift gebraucht. 2 ‹Relief› bedeutet in der englischen Sprache nicht nur die ‹drei­ dimensionale Darstellung›, der Begriff wird auch im Sinne von ‹Wohl­tat› und ‹Erleichterung› benutzt und kann darüber hinaus auch ‹Rechtshilfe› oder ‹Sozialhilfe› bedeuten. 3 Gemäss dem Schreiben von Adrian Frutiger an W. Glathe vom 12. 4. 1990­ sind die weiteren Namensvorschläge Grid Gothic, Regular Gothic, Register, Scan Gothic, Alpha, Omega, Sigma, Data Gothic, Digest Gothic und Register Gothic. 4 Gemäss dem Schreiben von A. Semmelbauer vom 25. 6. 1990 sind die­ fünf Namensvorschläge in der Reihenfolge ihrer Prio­ rität: Ras­ter­ Gothic, Grid Gothic, Formula, Tartan Gothic sowie Villa ­Gothic.­­­ 5 Das Patentamt versteht den Begriff ‹Gothic› als Bezeichnung für­ eine Schriftart, weswegen dieser nicht schützbar ist. 6 Vgl. Reinhard Haus: ‹American Blend›, in: ‹Page› 6/1991, ­Seite 80. 7 Gemäss Schreiben von Adrian Frutiger an Otmar Hoefer vom 23. 1. 1990. 8 Linn Boyd Benton ist der Erfinder mehrerer ­Maschinen für die Stahl­­­stempelgravur, unter anderem des Pantografen. Seine ers­te­ Maschine wird 1885 in den Vereinigten Staaten patentiert. 1894 wird er zu einem der Direktoren der neugegründeten ATF ernannt. Im selben Jahr entsteht zudem in Zusammenarbeit mit­ Theodore Low De Vinne seine bekannte Schrift Century für das ‹Century Magazin›. Sein Sohn Morris Fuller Benton tritt 1896 in die Schriftgiesserei ein und wird bereits 1900 zum ‹chief type­ designer› ernannt. Auch er wird Direktor der ATF. – Vgl. Wolf­ gang Beinert: www.typolexikon.de (Juni 2008). – Vgl. auch Patricia A. C ost: ‹Linn Boyd Benton, Morris Fuller Benton, and Typemaking at ATF› in: ‹Printing History›, 31-32/2002, Seiten 27–44. 9 Die rund 200 Schriftgarnituren entstehen zwischen 1896 und 1937. Eine Schriftgarnitur umfasst die unterschiedlichen Schrift­ grade eines Schriftschnitts. Diese können in den verschiedenen Graden ein unterschied­liches Aussehen haben. 10 Vgl. Yvonne Schwemer-Scheddin: ‹Ästhetik der Technik. Zur neuen Corporate-Schrift von Daimler-Benz und deren Gestalter Kurt Weidemann›, in: ‹Page› 7/1990, Seite 54 ff.

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Linotype Didot a362 1 Ab 1986 kann mit dem Laser RIP (Raster Image Processor) Lino­ tronic 500 die Produktion von kompletten Tageszeitungen und­ Bildmagazinen auf höchs­tem drucktechnologischem Niveau gearbeitet wer­den. – Vgl. www.typolexikon.de/l/linotype.html (Mai 2008). 2 Das Pariser Antiquariat Paul Jammes besitzt eine Vielzahl von Original-Drucken der Familie Didot. Dessen Sohn André rea­li­ siert 1998 mit Hilfe von Pierre Firmin-Didot, einem Nachkom­ men (Ur-Ur-Ur-En­kel) von Firmin Didot, ei­­ne Ausstellung und einen Katalog zu Leben und Werk dieser grossen Familie. – Vgl. André Jam­mes: ‹Les Didot. Trois siècles de typographie et de bibliophilie 1698–1998›, Paris 1998. 3 Zitat aus einem undatierten Manuskript von Adrian Frutiger,  wel­ches die Grundlage zum Artikel in der Fachzeitschrift ‹Page›­  bildet. Das Manuskript befindet sich im Ar­chiv der Schwei­ze­ri­ schen Stiftung Schrift und Typographie. – Vgl. Reinhard Haus: ‹Klassizistisches Erbe›, in: ‹Page›, 12/1991, Seite 66. 4 Im ‹typeface productionplan 1986›, Seite 9, ‹subject for further investigation = 4› führt Linotype eine Didot auf. 5 In einem ‹Internal Memorandum› der Linotype AG an Otmar Hoe­fer und zwei weitere Linotype-Mitarbeiter vom 22. 8. 1990 erwähnt Anja Plowright, dass die Didot am Type Selection Mee­ ting vom Oktober 1989 zur Realisation ausgewählt wurde. Im Protokoll des Meetings ist von der Didot jedoch nicht die Rede, hingegen vom Projekt ‹Type before Gutenberg›. 6 Das Schriftgussprogramm der Fonderies Deberny & Peignot, Paris, wird ab 1971 von der Haas’­schen Schrift­giesserei, Mün­ chenstein / Basel, weiterge­führt und geht nach der Auflösung von Deberny & Peignot 1974 in deren Bestand über. 7 ‹Internal Memorandum› der Linotype AG von A. Plow­­right vom 22. 8. 1990. 8 Bei Deberny & Peignot ist durch die lange Tradition und diver­ se Zusammenschlüsse von Schriftgiessereien, darunter auch die Schriftgiessereien Didot’s, eine Vielzahl an klassizis­tischer Schrif­ten mit Namen Didot vorhanden. Das Schriftmuster­buch führt die Namen der Gestalter nicht auf, und nur selten findet der Entwerfer im Schriftnamen Erwähnung. Die Linie Peignot der Schriftgiesserei Deberny & Peignot geht auf die Schriftgiesserei Fonderie Générale in Paris zurück. In die­ser vereinen sich die Schrift­giessereien von drei Linien: Die erste geht auf Vibert und des­sen Nachfolger zurück, die zweite­ führt über Pierre und Firmin Didot zurück zu François Ambroise Didot und die dritte stammt von Molé ab. Unter dem Dach von Deberny & Peignot sind also die wichtigen französischen Schrift­ giessereien des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts vereint.   – Vgl. Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahrhun­ dert›, Darmstadt 1995, Seite 56 f. 9 Voltaire, eigentlich François Marie Arouet, ist einer der bedeu­ tendsten Schriftsteller und Philosophen Frankreichs. Sein Werk­ ‹La Henriade›, begonnen 1717 während seiner Gefangenschaft in der Bastille und vollendet 1723, ist ein Heldengesang auf den französischen König Heinrich IV. Es erscheint in vielen Auf­ lagen, darunter jener von Firmin Didot. 10 ‹Internal Mitteilung› der Linotype AG von Reinhard Haus an Gerhard Höhl vom 9. 4. 1991. 11 Schreiben von André Gürtler an Günter Zorn, Leiter Schriften bei der Linotype AG, vom 29. 12. 1990. 12 ‹Interne Mitteilung› der Linotype AG von Gerhard Höhl an  M. Tann­rath vom 22. 7. 1991. 13 Faltblatt mit zwei Einlageblättern, Büttenpapier, DIN -A4,­ Druc­k­ zweifarbig schwarz-rot, mit Blindprägung. 14 Gemäss Otmar Hoefer’s Mitteilung vom 20. 5. 2008 werden  die­ acht Blätter von Linotype mit Testversio­nen verschiedener Schrif­ten 1993 zur Evaluation der Kundennachfrage erstellt. Auf­ grund deren Ergebnis wird die Linotype Didot Openface nicht fertiggestellt. Auf den acht Blättern sind ausserdem jeweils  die Schriften Herculanum, Notre Dame+, Grace, Koch Antiqua+, Pine,­ Terrazzo und Noodles abgebildet. Die ers­ten drei werden bald darauf realisiert, sie sind im Schriftmusterbuch der Lino­ type von 1996 enthalten, die letzten vier dagegen nicht. Die Pine erscheint 2003 als Linotype Pine. 15 Jonathan Hoefler kreiert seine HTF Didot 1991 im Auftrag des Ma­gazins ‹Harper’s Bazaar›, wo sie 1992 erst­­mals zur Veröffent­ lichung kommt. Hoefler wird angefragt, weil zu diesem Zeit­ punkt auf dem amerikanischen Markt keine Didot für die mo­ dernen Satzgeräte erhältlich ist. Die Linotype Didot, ab 1991 in Europa vertrieben, kommt erst 1992 auf den­ amerikani­schen Markt. Jonathan Hoefler weist darauf hin, dass die HTF Didot nicht von Adrian Frutiger’s Linotype Didot abstammt. – E-Mails von Jonathan Hoefler an Heidrun Osterer vom 16. 8. 2006 und 6. 12. 2006. 16 Pierre Didot setzt seine Druckerzeugnisse in den Schriften ­seines Bruders Firmin, bis er 1809 mit dem Stempelschneider Vibert seine eigene Schriftgiesserei gründet. – Vgl. Gustav Bohadti: ‹Von der Romain du Roi zu den Schriften J. G. Justus Erich Walbaums›, Berlin / Stuttgart 1957, Seite 19 f.

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Herculanum   a370 1 Die International Typeface Corporation ITC wird 1970 in New York ­von Aaron Burns, Herb Lubalin und Ed Rondthaler gegrün­ det. Die Gesellschaft hat zum Ziel, Schriften unabhängig von den­ Satzsystemen verfügbar zu machen. Schriftentwürfe diver­ ser­ Schriftgestalter werden angekauft und sehr erfolgreich in Lizenz an verschiedene Schrifthersteller weiterverkauft. Zur Ver­ ­marktung gibt die ITC ab 1973 das Magazin ‹U&lc› (Upper and lower­ case) heraus. 1986 kauft Letraset die ITC auf und 2000 wird­ sie von Agfa-Monotype übernommen, existiert je­­doch bis heute weiter. – Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/International_  Typeface_Corporation (Mai 2008). 2 Der Historiker Prof. Dr. Peter Rück (1934–2004) ist ab 1980/81 Inhaber des Lehrstuhls für Historische Hilfswissen­schaften und Archivwissenschaft an der Philipps-Universität in Marburg. 1990  wird er von Linotype ­beauftragt, ein paläografisches Gutachten über­ die ersten sechs vor­liegen­den Schriftentwürfe des Pro­ jekts­ ‹Type before Gutenberg› zu verfassen. Eine Pro­jekt­be­spre­ chung,­ an der Peter Rück teilnimmt, findet Anfang Juni 1990 bei der Lino­type AG in Eschborn statt. Das umfangreiche Gut­ achten zu­ den sechs kalligrafischen Entwürfen sendet Peter Rück mit Da­tum vom 10. Juli 1990 an Günter Zorn, Senior Dept. Manager der­ Linotype. Im Begleitbrief schreibt er: «Nehmen Sie es mir nicht­ übel, wenn ich die ­Entwürfe so nüchtern wie möglich dis­kutie­re und kri­­tisiere. Es ist mir klar, daß eine Firma wie Linotype­ auch andere als historische Gesichtspunkte be­ rück­sichtigen muß,­ wenn sie ein neues Produkt lanciert. Aber ich sollte mich ja nicht als Marketing-Stratege, sondern als Pa­ läograph äußern.»­ – Zur Biografie des Schweizers Peter Rück vgl. www.peterrueck.ch/cv.htm (Mai 2008). 3 Um zu vermeiden, dass bei den Schreibschriften über den Blei­ kegel hinausragende Überhänge abbrechen, entstehen bereits­ im 19. Jahrhundert bei Didot auf Schrägkegel gegossene Schrif­ ten. – Vgl. Gustav Bohadti: ‹Die Buchdruckletter. Ein Hand­ buch für das Schriftgiesserei- und Buchdruckgewerbe›, Berlin 1954, Seite 156. 4 Adrian Frutiger stellt für die Präsentation des Projektvorschlags im Oktober 1989 ein fünfseitiges Dossier mit dem Titel ‹Type before Gutenberg› zusammen. In der neunzeiligen Einführung hält er fest, dass geschriebene Buchstabenformen einen faszi­ nierenden Ausdruck aufweisen und dass viele dieser Schriften leicht auf die heutigen Satztechnologien adaptierbar sind. 5 Eine erste Fassung der Hammer-Unziale wird bereits 1923/24 ge­schnitten und 1925 von der Schriftgiesserei Klingspor ange­ meldet. Die überarbeitete und 1953 veröffentlichte American­­­ Uncial bezeichnet Victor Hammer als grossen Schritt, wie aus der­ Korrespondenz mit Karl Hermann Klingspor hervorgeht. – Vgl. Hans Adolf Halbey: ‹Karl Klingspor – Leben und Werk›, Offen­bach am Main 1991, Seite 134 f. – Victor Hammer’s Ansatz unterscheidet sich zu jenem des Projekts ‹Type before Guten­ berg›. Ihm geht es nicht so sehr darum, kalligrafische Schriften zu entwerfen, sondern für ihn ist die Unziale die leserlichste und harmonischste Schriftform und er möchte die perfekte Version gestalten. Aussagen darüber sind zu finden in: Victor Hammer: ‹The Forms of Our Letters›, Typophile Monographs, New Series no. 6, Lexington 1989; sowie in: John Rothstein: ‹Victor Hammer, Artist and Craftsman›, Boston 1978. 6 Vgl. Hans Eduard Meier: ‹Die Schriftentwicklung / The Deve­ lopment of Script and Type / Le développement des caractè­res›,­ Zürich 1959, Cham 1994. 7 Vgl. Adrian Frutiger: ‹Schrift Ecriture Lettering. Die Entwick­ lung der europäischen Schriften, in Holz geschnitten›, Zürich 1951. –­ Ein Nachdruck der Broschüre erscheint unter dem Titel: ‹Schriften des Abendlandes in Holztafeln geschnitten / Bois ori­ gi­naux illustrant l’évolution de l’écriture en Occident / The Deve­ lop­ment of Western Type carved in wood plates›, Cham 1996. 8 1987 wird der Verein ‹Schreibwerkstatt Klingspor Offenbach, För­derkreis internationaler Kalligraphie e.V.› gegründet. Vor­aus­ ­gegangen ist die 1982 von Karlgeorg Hoefer und seiner Frau Maria initiierte ‹Schreibwerkstatt für Jedermann›. Karlgeorg­ Hoefer wird 1946 ‹Lehrer für Schrift› an der Werkkunstschule Of­fenbach. Zum Ende seiner 33-jährigen Lehrtätigkeit erhält er­ 1979 die Professur. Wie Hoefer geben auch Gottfried Pott und Her­bert Maring Kurse und Workshops in Kalligrafie. – Vgl. www. schreibwerkstatt-klingspor.de – Vgl. auch: www.kghoefer.de/ KgHoefer_Lebensabschnitte.html (Mai 2008). 9 Aussage von Otmar Hoefer zum Schriftenprojekt ‹Type before Gutenberg› aus dem internen Memorandum der Linotype AG vom 24. 1. 1990, Seite 1. 10 ‹Paläographische Bemerkungen zu Type before Gutenberg von­ Professor Dr. Peter Rück›, Philipps-Universität Marburg, Gutach­ ten­ vom 10. Juli 1990, Seite 1. 11 Die 16-seitige Broschüre ‹Type before Gutenberg› existiert in un­­terschiedlichen Fassungen. In der Ausgabe 1990 der Lino­ type AG sind die Alternativzeichen zur Herculanum noch nicht ent­halten, in der Ausgabe 1991 der Linotype-Hell AG werden drei­ Alternativzeichen prominent auf Seite 5 gezeigt.

12 Zu Beginn der Entwicklung der Druckschriften des Renaissan­ce­Typus entstehen zahlreiche Übergangsformen, welche unter dem­ Begriff ‹Gotico-Antiqua› zusammen­gefasst werden. «Mit diesem Sammelnamen ist also nicht die Schrift eines bestimm­ ten­ zeichnerischen Typus gekennzeichnet, sondern eine ganze Gruppe von Schriften, in denen Elemente beider Stiltypen in sehr­ verschiedenen Verhältnissen vermischt sind. Es werden hier­ auch Schriften eingereiht, deren gotischer Charakter noch sehr deutlich ist, ebenso wie andere, die in dieser Beziehung häufig berechtigte Zweifel auslösen …» Und vier Seiten weiter schreibt František Muzika: «In Italien, ihrem Geburtsland, wur­ de die Gotico-Antiqua als Handschrift frühzeitig überwunden, und als Druckschrift kommt sie hier eigentlich spontan und in einer schon so wenig gotischen Form vor, daß ihre Einordnung in die Schriftarten dieser Klasse noch umstritten­ ist.» – František Muzika: ‹Die schöne Schrift›, Band 2, Prag 1965, Seite 92, 96. 13 ‹Paläographische Bemerkungen zu Type before Gutenberg von­ Professor Dr. Peter Rück›, Philipps-Universität Marburg, Gut­ach­ ten vom 10. Juli 1990, Seite 3. 14 Vgl. Jean Mallon: ‹Paléographie romaine›, Madrid 1952, ­Seite 174. 15 ‹Paläographische Bemerkungen zu Type before Gutenberg von­ Professor Dr. Peter Rück›, Philipps-Universität Marburg, Gutach­ ten vom 10. Juli 1990, Seite 3 f. 16 Herculanum (auch Herculaneum) ist eine antike Ruinenstätte am­ West­fuss des Vesuvs in Italien. Sie liegt bei und zum Teil unter­ der heutigen Küstenstadt Ercolano. Gemäss der Sage wird­ Herculanum von Herakles gegründet. Im Jahr 63 zerstört ein Erdbeben den vornehmen Villenort, und nur 16 Jahre später, im Jahr 79, verschüttet ein Vulkan­ausbruch Herculanum und eben­falls Pompeji. 1709 wird Herculanum zufällig entdeckt. – Vgl. ‹Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden›, Band 9, Mannheim 1989, Seite 696. 17 In Karl Schmid’s Unterricht an der Kunstgewerbeschule Zürich entstehen 1949 mehrere in Langholz geschnittene Pflanzen­ motive von Frutiger. – Vgl. Erich Alb (Hg.): ‹Adrian Frutiger – For­men und Gegenformen›, Cham 1998, Seite 16 f. 18 ‹Paläographische Bemerkungen zu Type before Gutenberg von Professor Dr. Peter Rück›, Philipps-Universität Marburg, Gutach­ ten vom 10. Juli 1990, Anlage 2. 19 Vgl. www.linotype.com (Mai 2008). 20 Vgl. www.adobe.com/de/type/ (Mai 2008). Shiseido    a378 1 Serge Cortesi absolviert unter anderem bei Hans-Jürg Hunziker­ eine zweijährige Weiterbildung in Typo­­grafie am Atelier Natio­ nal de Création Typographique (ANCT ). Nachfolgend ar­bei­­tet­­  er auf dessen Vermittlung als Freelancer für Adrian Frutiger am Shiseido-Alphabet sowie weiteren, kleinen Projekten und unter­ stützt auch Bruno Pfäffli bei dessen Aufträgen. – E-Mail von Serge Cortesi an Heidrun Osterer vom 27. 5. 2008. – Vgl. auch www.sergecortesi.com (Mai 2008). 2 Das Atelier National de Création Typographique (ANCT ), spä­ ter Ate­lier National de Recherche Typographique (ANRT ), ist ein Institut, welches 1984 in Paris zur Förderung der Typografie gegründet und um 2002 nach Nantes transferiert wird. 2006 wird es­­ geschlossen. Bekannte Dozierende neben Hans-Jürg Hunziker sind André Baldinger, Albert Boton, Peter Keller (ab 1990 Direktor) und Jean Widmer. – Telefonische Auskunft vom 16. 6. 2008 von Peter Keller an Heidrun Osterer. 3 Shinzo Fukuhara, Sohn des Firmengründers Arinobu Fukuhara unternimmt jahrelange Reisen durch Amerika und Europa, die grossen Eindruck bei ihm hinterlassen. Dies zeigt sich später in­ einem ästhetischen Ansatz in Produktdesign und Werbung, wie­ er in Japan bis­her nicht dagewesen ist. 1916 richtet er eine Design­­abteilung ein und sammelt junge Leute um sich, die sich aus­­schliesslich mit Werbung und Design befassen, ungeachtet der Tatsache, dass Shiseido damals lediglich ein einziges Kos­ metikgeschäft hat. Das Design ist vom Jugendstil geprägt mit Einflüssen von Art déco und arabesken Elementen. Aus der krea­­­tiven Interpretation des europäischen Designs entwickelt sich langsam der Shiseido-Stil. – Vgl. www.shiseido.co.jp/g/ story/html/sto21600.htm (Mai 2008). 4 Serge Lutens, dessen Berufsbildung aus einer abgebrochenen Coiffeur-Lehre besteht, ist ab 1963 für ‹Vogue› und ab 1968 für Dior­ tätig, bis der Autodidakt ab 1980 bei Shiseido seine Visio­ nen umsetzen kann. Unter seiner Führung bekommt die Firma­ nicht nur ein neues Gesicht, sondern erweitert auch die Produkt­ palette um Parfums. Lutens selbst kreiert die Düfte und richtet gleich selbst das hauseigene Geschäft ‹Les Salons du Palais Royal­ Shiseido› in Paris ein, wo die Parfums verkauft werden. – Vgl. Renate Wolf: ‹Betäubend›, in: ‹Die Zeit›, Nr. 40, Hamburg 1996,­ Seite 91. – Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Serge_Lutens (Juli 2008). 5 Auf einem Plakat von 1966 mit dem Titel ‹Beauty Cake› ist die Peignot für den Titel eingesetzt. – Vgl. www.shiseido.co.jp/g/ story/html/sto21600.htm (Mai 2008).

6 Kleinplakat mit Mehrfarbenillustration für den Shiseido-Schön­ heitssalon. – Vgl. ‹Graphis›, No. 122, Vol. 21, Zürich 1965, Seite 503. 7 Angaben gemäss Gespräch von Helmut Schmid und Philipp Stamm am 22. 2. 2005 in Basel sowie einem E-Mail von Helmut Schmid vom 22. 8. 2005. 8 Telefonische Auskunft am 30. 1. 2007 von Frau Tomoko, Assis­ tant Creative Director, Shiseido Paris. Frutiger Capitalis a380 1 Vgl. die Linotype-Broschüre ‹Fonts in Focus 2›, Bad Homburg 2006, Seite 4. 2 Adrian Frutiger schreibt seine Lebenserinnerungen zwischen 1996 und 1998 nieder. Sie befinden sich im Archiv der Schwei­ zerischen Stiftung Schrift und Typographie. 3 Vgl. Ad­­rian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen›, 3 Bän­ de, Frankfurt 1978, 1979, 1981. 4 Fünfseitiges Schreiben von Adrian Frutiger an Otmar Hoefer vom­ Januar 1993. 5 Der von der Linotype-Mitarbeiterin Anja Plowright erstellte Businessplan vom 19. 6. 1992 erklärt das Vorhaben dieses PiFonts, den Zielmarkt, die Wettbewerbssituation und die Distri­ bution. 6 Die acht Gruppen sind: ‹Signs from Various Cultures›, ‹The Song of Sa­­lo­­mon›, ‹Christian & Religious Symbols, Crafts & Animals Signs›, ‹Signs of the Zodiac›, ‹Stars›, ‹Hand Signs›, ‹Vignettes for the Koran› und ‹Life Signs›. Pompeijana   a384 1 Das Gutachten ‹Paläographische Bemerkungen zu Type before­ Gutenberg von Professor Dr. Peter Rück› vom 10. Juli 1990 führt in Anlage 2 verschiedene Namen für Adrian Frutiger’s Schrift Herculanum auf, unter anderem auch den Ortsnamen Pompei. Eventuell ist die Namensgebung für die Pompeijana dadurch beeinflusst. 2 Ausgehend von den Wandbeschriftungen in Pompeji des 1. Jh. n. Chr. wird heute üblicherweise die Capitalis Rustica vor die Capitalis Quadrata gesetzt. Deren Formen finden sich erst im 4. und 5. Jh. n. Chr. 3 Adrian Frutiger’s Gradangabe des Winkels ist typografisch ge­ prägt. Er geht vom aufrechten Schriftschnitt mit 0° aus und nicht wie allgemein üblich von der Horizontale. Entsprechend der Neigung einer Kursive gibt er somit den Winkel der Federhal­ tung an – eine steile Federhaltung wie bei der Rustica hat eine niedrige Gradzahl. Anders Stan Knight, er schreibt, dass die Vertikalstriche der Rustica des ‹Vergilius Palatinus› mit 80°, die Bogen mit 60° und die Diagonalstriche mit 45° geschrieben sind. – Vgl. Stan Knight: ‹Historical Scripts›, New Castle, Dela­ ware 1998, Seite 25. 4 Vgl. Alfred Finsterer (Hg.): ‹Hoffmanns Schriftatlas. Ausge­ wählte Alphabete und Anwendungen aus Vergangenheit und Gegenwart›, Stuttgart 1952, Seite 3. – Vgl. Albert Kapr: ‹Schrift­ kunst. Geschichte, Anatomie und Schönheit der lateinischen Buch­staben›, Dresden 1971, Seite 33. 5 Vgl. Hans Eduard Meier: ‹Die Schriftentwicklung / The Deve­ lopment of Script and Type / Le développement des caractères›, Zürich 1959, Cham 1994. 6 Pompeji, italien. Pompei, liegt südöstlich des Vesuv. Die antike­­  Stadt wird nacheinander von Oskern, Etruskern und Samniten bewohnt und unter Sulla römische Kolonie. Durch ein Erd­beben­­  am 5. 2. 62 (oder 63) n. Chr. wird die Stadt schwer be­schädigt und­ ist erst teilweise wieder aufgebaut, als am 24. 8. 79 ein Vul­ kan­ausbruch den Ort wie auch das benachbarte Herculanum vollständig verschüttet. – Vgl. ‹Brockhaus Enzyklopädie in vier­ undzwanzig Bänden›, Band 17, Mannheim 1992, Seite 349. 7 Vgl. Adrian Frutiger: ‹Schrift Ecriture Lettering. Die Entwick­ lung der europäischen Schriften, in Holz geschnitten›, Zürich 1951, Cham 1996. 8 Das Gespräch mit Adrian Frutiger zur Pompeijana führen Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm am 18. 3. 2003. 9 Die vergrösserte Kopie der von Hans Eduard Meier geschrie­ benen Rustica ist Teil der Unterlagen zur Pompeijana, welche Adrian Frutiger dem Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie übergeben hat. 10 Hans Eduard Meier gibt auf der letzten Seite seiner 48-seitigen Broschüre ‹Die Schriftentwicklung› die Quellen seiner Schreib­ vorlagen an. Für die Rustica verwendet er eine Reproduktion des­ ‹Vergilius Palatinus› aus dem Buch von Hermann Degering. Ein G mit Unter­länge ist dort die Ausnahme. Es ist eine Zier­ form, die sich einzig in der letzten Zeile einer Seite findet. – Vgl. Hermann Degering: ‹Die Schrift. Atlas der Schriftformen des Abendlandes vom Altertum bis zum Ausgang des 18. Jahrhun­ derts›, Berlin 1929, Seite 29. 11 Die Virgile ist im Register ‹Display› auf Seite 508, die Carus im Re­gister ‹Blackletter› auf Seite 6 und die Pompeijana auf Seite 23 abgebildet. – Vgl. Mai-Linh Thi Truong, Jürgen Siebert, Erik Spiekermann: ‹FontBook. Digital Typeface ­Compendium›, Berlin 2006.

12 Im ‹FontBook› wird eine eher grobe Unterteilung der Schriften in die acht Gruppen Sans, Serif, Slab, Script, Display, Blacklet­ ter, Symbols und Non-Latin verwendet. Bei der Classification Vox 1963 und bei der Druckschriftenklassifikation DIN 16518 sind die Skripten, die Druckschriften mit handschriftlicher An­ mutung, in zwei Gruppen unter­teilt. Die Gruppe VIII Schreib­ schriften (Scriptes) enthält die Kurrent- (Briefe) und die Kanzlei­ schriften (Dokumente). Der Gruppe IX Handschriftliche Antiqua (Manuaires) werden Schriften zugeordnet, die von der Antiqua oder deren Kursiv herkommend, in einer persönlichen Weise abgewandelt sind. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Gruppe sind aber auch die historischen Buchschriften. Adrian Frutiger’s Herculanum ist den Skripten zuzuordnen, Ondine und Pompei­ jana den Manualen Antiqua. – Vgl. Mai-Linh Thi Truong, Jür­ gen Siebert, Erik Spiekermann: ‹FontBook. Digital Typeface ­Compendium›, Berlin 2006. – Vgl. Georg Kurt Schauer: ‹Klas­ si­fikation. Bemühungen um eine Ordnung im Druckschriften­ bestand›, Darmstadt 1975. 13 Die Entwicklung der Schriftarten zeigt in der römischen Antike parallele Verläufe. Eine jüngere Schriftform ersetzt demnach nicht automatisch ein ältere, sondern es findet eine Erweiterung der Schriftencharaktere statt. Zudem bestehen nebeneinander verschiedene Anwendungsbereiche, bei denen sich die Schrift­ formen durch unterschiedliche Schriftträger und Schreib­werk­ zeuge anders ausbilden. Drei bedeutende Bereiche sind auszu­ ­machen: die Inschrif­ten, die Buchschriften und die Kor­res­pon­ denz­schriften. Durch schnelleres Schreiben der Majuskeln bilden sich Ober- und Unterlängen heraus und die Buchstabenformen erfahren Abrundungen. Es entstehen die Minuskelformen, natürlicher­ weise zuerst im Bereich der flüchtigen Handschriften, in den Kur­­rentschriften [zu lat. currere ‹laufen›]. Gegen Ende des 1. Jahr­ ­­hunderts finden sich in der Majuskelkursive vereinzelt Klein­ buchstabenformen, in der Minuskelkursive des 3. Jahrhun­derts­ sind sie dann ausgeprägt. Auch die römische gemisch­te Buch­ schrift des 2. und 3. Jahrhunderts weist Minuskelformen auf.­ Eine­ Fortsetzung dieser Entwicklung zeigt sich in der römi­schen ­Unziale des 4. und 5. Jahrhunderts und noch weit mehr in­ der römischen Halbunziale des 5. Jahrhunderts. Dort dominieren sie dann das Schriftbild. Die gleichzeitig geschriebene Buch­ schrift Capitalis Rustica hin­gegen weist keine Minuskelformen auf. Die noch heute gültige Form der Klein­buch­staben ist in der karolingischen Minuskel des 8. Jahrhunderts ersichtlich. Rusticana   a390 1 Vgl. František Muzika: ‹Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets›, Band 1, Prag 1965, Seite 96 und Tafel 11. 2 Vgl. Adrian Frutiger: ‹Schrift Ecriture Lettering. Die Entwick­ lung der europäischen Schriften, in Holz geschnitten›, Zürich 1951. 3 Vgl. Pierre Quoniam: ‹Le Louvre›, Éditions de la Réunion des musées natio­naux, Paris 1976. 4 Von Adrian Frutiger sind zwei schmale Ordner mit Kopien der Reinzeichnungen der Pompeijana und Rusticana an das Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie über­ reicht worden. Beide sind mit ‹Rustica› beschriftet. 5 František Muzika bezeichnet die Schriftform, welche um 250 bis 150 v. Chr. zu den Enden hin anschwellende Abstriche hat, als ‹Römische Monumentalschrift, konkave Übergangsform›. – Vgl. František Muzika: ‹Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets›, Band 1, Prag 1965, Seite 96.

Frutiger Neonscript a400 1 Adrian Frutiger am 26. 1. 2001 im Gespräch mit Erich Alb, Rudolf­ Barmettler und Philipp Stamm zur Ondine. 2 Adrian Frutiger schreibt in seinen Memoiren, dass der Kontakt zu Niklaus Imfeld über Kurt Wälti zu­­stande kommt. Wälti arbei­ tet für die Beschriftungen der Schweizer Post mit der Firma Westi­neon zusammen. Als deren Inhaber­ Niklaus Imfeld hört, dass Wälti mit Fruti­­­ger in Kontakt steht, bit­tet er darum, Adrian Frutiger kennenlernen zu dürfen. Durch die daraus­ entstehen­ de Freundschaft kommt Adrian Frutiger zu den Aufträgen von Logo und Schrift als auch zu einem Verwaltungsratsmandat von Westiform. 3 Westineon, hervorgegangen aus der amerikanischen Firma Wes­tinghouse, produziert Hochspannungs-Neon-Röhren. Heu­ te produziert Westineon elektrische Lampen und Leuchten, das Beschriftungsgeschäft hat Westiform übernommen. – Vgl. www.westiform.com (Juni 2008). 4 Aus Angst vor Schriften- oder Ideenklau ist die Firma Westiform­ nicht bereit, weitere Informationen zur Frutiger Neonscript und deren Verwendung zu geben. Nami   a402 1 Brief von Adrian Frutiger vom 16. Juni 2006 mit Textproben der Nami an Heidrun Osterer und Philipp Stamm. 2 Das Sumatra-Andamanen-Beben, ein Seebeben mit Stärke 9,1 auf der Richterskala, löst am 26. Dezember 2004 mehrere Flut­ wellen aus. Der Tsunami (‹tsu›, jap. Hafen; ‹nami›, jap. Welle) hinterlässt in West-Indonesien, Thailand, Indien und Ostafrika immense Schäden. Er fordert 230 000 Tote, über 110 000 Ver­ letzte und macht mehr als 1,7 Millionen obdachlos. Der Begriff ‹Tsunami› stammt von ja­panischen Fischern, welche bei der Rück­kehr vom Fischfang den Hafen vom Meer verwüstet vor­ finden, obwohl auf offener See für sie kein aussergewöhnlicher Wellengang bemerkbar gewesen ist. – Vgl. http://de.wikipedia. org. – Vgl. www.proz.com/kudoz/english_to_german/geology /1002175-tsunami.html (Juni 2008). 3 Der glatte Bogeneinlauf findet sich in den serifenlosen Schrif­ ten­ vereinzelt bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts – unter anderem in Morris Fuller Benton’s Jugendstil-Schrift Hobo von 1910. Die Gill Sans aus den Jahren 1928–32 von Eric Gill hat ebenfalls dieses Merkmal, jedoch nur in den Minuskeln b d p q. Es sind denn auch meist von der Renaissance-Antiqua abge­ leitete Serifenlose, welche glatte Bogeneinläufe aufweisen, oft auch nur in den Minuskeln b und q. In den 1980er Jahren und noch verstärkter in den 1990er Jahren entstehen Schriften mit diesem Merkmal, sie werden zum eigentlichen Trend. Wie viele und welche von den Buchstaben a b d g m n p q r u in dieser Art ge­staltet sind, ist unterschiedlich bei den folgenden Schrif­ten: FF Dax, Linotype Ergo, Fedra Sans, Formata, Generica, Lux Sans, PTL Manual Sans, DTL Prokyon, Raldo, FF Sari (Barmen), Sassoon Sans, Skia, Linotype Veto. 4 Die Linotype Veto des Zürcher Grafikers Marco Ganz erscheint 1994 ursprünglich unter dem Namen Evo bei der H. Berthold Systeme GmbH, der Nachfolgegesellschaft der H. Berthold AG.   – Vgl. Yvonne Schwemer-Scheddin: ‹Die Evo – Spiegel der Alltagskultur›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, Zürich 1/1996, Seite 1 ff. 5 Mit der FF Dax knüpft Hans Reichel an seine Schrift Barmen von 1983 an, welche 1999 unter dem geänderten Namen FF Sari bei FontShop International neu aufgelegt wird.

Frutiger Stones / Frutiger Symbols   a396 1 Die Kenntnis dieser Steine ist belegt durch den dritten Band seiner Trilogie ‹Der Mensch und seine Zeichen›, wo sie abge­ bildet wer­den. – Vgl. Adrian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen. Zeichen, Symbole, Signete, Signale›, Frankfurt 1981, Seite 97, 111. 2 Harald Haarmann und Károly Földes-Papp ordnen sie dem Me­ solithikum (ca. 10 000 bis 6000 v. Chr.) zu. Hans Jensen gibt ihr Alter mit 12 000 bis 8000 v. Chr. an und fügt sie dem Paläo­lithi­ kum zu. – Vgl. Harald Haarmann: ‹Universalgeschich­te der Schrift›, Frankfurt / New York 1991, Seite 63. – Károly FöldesPapp: ‹Vom Felsbild zum Alphabet›, Stuttgart 1966, ­Seite 36 f. – Hans Jensen: ‹Die Schrift in Vergangenheit und Gegenwart›, Berlin 1969, Seite 30. 3 Adrian Frutiger im Gespräch mit Erich Alb, Rudolf Barmettler und Philipp Stamm am 25. 2. 2002. 4 In einer von Linotype erstellten, undatierten Übersicht von Fru­ tiger-Schriften ist sie mit dem Arbeitsnamen Frutiger Pebbles aufgeführt. Pebbles ist das englische Wort für Kieselsteine. 5 Vgl. Adrian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen›, Text­ bearbeitung von Horst Heiderhoff, 3 Bände, Frankfurt am Main, 1978, 1979, 1981.



An hang

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« Der Kern des Zeichens ist wie der reine Ton in der Musik. Die Aussenform jedoch bewirkt den Klang.» Adrian Frutiger

Verzeichnisse

Biografie

Auszeichnungen

Vorträge

1956 Erster Vortrag über die Univers und die Klassifikation von Druckschriften École Estienne, Paris, Frankreich.

1928 Adrian Johann Frutiger, geboren am 24. Mai in Un­terseen bei Interlaken, Schweiz.

1961—67 Externer künstlerischer Leiter bei Deberny &  Peignot, Paris, Frankreich.

1950 Preis des Eidgenössischen Departements des In­nern, Bern, Schweiz.

1944—48 Schriftsetzerlehre bei Otto Schlaefli AG, Interla­ken, Schweiz.

1963—64 Erteilt Kurse an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Paris, Frankreich.

1944—48 Besuch der Gewerbeschule (Berufsschule) Bern, Schweiz. Fachlehrer: Walter Zerbe.

1963—73 Zusammenarbeit mit der ECMA , Genf, Schweiz, zur Erarbeitung der OCR-B, danach sporadische Zusammenarbeit.

1960 Advertentie campagnes 1959, für die Citroën-Wer­­be­kampagne ‹La joie de vivre›, gestaltet gemeinsam mit Bruno Pfäffli, verliehen von De Arbeiderspers, Amsterdam, Niederlande.

1948—49 Anstellung als Handsetzer bei Gebr. Fretz AG, Zürich, Schweiz. 1949—51 Weiterbildung an der Kunstgewerbeschule in Zürich,­ Schweiz. Fachlehrer: Walter Käch, Karl Schmid, Al­fred Willimann. 1951—52 Atelier mit dem wissenschaftlichen Zeichner Willi Urfer, Zürich, Schweiz. 1952 Heirat mit Paulette Flückiger aus Porrentruy, Schweiz. 1952—60 Anstellung als Schriftgestalter bei Deberny & Peig­not, Paris, Frankreich.

1963—81 Berater bei IBM für Schreibmaschinenschriften, Adaption von bestehenden Schriften für den Ku­gel­kopf in Lexington, USA, und Orléans, Frankreich. Weltweit Schulung der Mitarbeiter in Schrift­geschichte und Schriftentwicklung. 1965 Erste Reise nach Japan zu einer Sitzung der ECMA in Tokio. Auf der Rückreise Besuch des National Institute of Design in Ahmedabad, Indien, auf Einladung von Armin Hofmann. 1965—68 Atelier Frutiger, Villa Moderne, à la Vache Noire, Arcueil, Frankreich. 1967 Dreiwöchiger Aufenthalt am National Institute of Design, Ahmedabad, Indien.

1968 Chevalier dans l’ordre des Arts et des Lettres, Ministère de la Culture et de la Communication, Paris, Frankreich. 1970 Auszeichnung beim Wettbewerb ‹Die Schönsten Schweizer Bücher›, gemeinsam mit Bruno Pfäffli für ‹Im Anfang Au commencement In the be­gin­­ning›, Bern, Schweiz. 1971 Silbermedaille beim Wettbewerb ‹Schönste Bücher aus aller Welt›, gemeinsam mit Bruno Pfäffli für ‹Das Hohe Lied Salomos› an der Interna­tionalen Buchkunst Ausstellung Leipzig, Deutschland. 1974 Ehrung von Interlaken durch eine Wappenscheibe, Interlaken, Schweiz.

1952—60 Lehrtätigkeit an der École Estienne, Paris, Frankreich (Berufsschule für das grafische Gewerbe).

1968—85 Ständiger Berater der D. Stempel AG, Frankfurt am Main, Deutschland.

1954 Geburt von Sohn Stéphane, Tod von Ehefrau Paulette.

1969—74 Atelier Frutiger + Pfäffli, Villa Moderne, à la Vache Noire, Arcueil, Frankreich.

1954—58 Leiter des Ateliers für Schriftzeichnen bei De­ber­ny & Peignot, Paris, Frankreich.

1972 Tod von Tochter Anne-Sylvie.

1987 Goldmedaille des Type Directors Club, New York, USA.

1974—92 Atelier Frutiger / Atelier Pfäffli, Villa Moderne, à la Vache Noire, Arcueil, Frankreich.

1989 Jäggi-Preis der Buchhandlung Jäggi, Basel, Schweiz.

1980 Tod von Tochter Annik.

1990 Officier de l’ordre des Arts et des Lettres, Ministère de la Culture et de la Communication, Paris, Frankreich.

1954—66 Lehrtätigkeit an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs, Paris, Frankreich. Bis 1968 noch vereinzelt Vorlesungen. 1955 Heirat mit Simone Bickel aus Genf, Schweiz, einer Freundin von Paulette. 1956 Geburt von Tochter Anne-Sylvie. 1957—67 Künstlerischer Leiter bei Éditions Hermann, Paris, Frankreich. Verleger: Pierre Berès. 1958 Geburt von Tochter Annik. 1958 Erste Reise in die USA zu Photon Inc., um die Probleme zu beheben, welche bei der Erstellung der Zeichnungen für die Foto­setzmaschine Photon auf­treten. 1958—60 Künstlerischer Leiter bei Deberny & Peignot, Paris, Frankreich. 1960 Gemeinsam mit Rémy Peignot Aufbau und Leitung eines internen ‹Atelier de composition› bei Deberny & Peignot, Paris, Frankreich. 1961—65 Selbständigkeit Atelier Frutiger, Place d’Italie, Paris, Frankreich.

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An hang

Seit 1985 Ständiger Berater bei Linotype, Eschborn und Bad Homburg, Deutschland. 1992 Umzug nach Bremgarten bei Bern, Schweiz. 2008 Tod von Ehefrau Simone.

1984 Paul-Haupt-Preis, Bern, Schweiz. 1986 Gutenberg-Preis der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft und der Stadt Mainz, Deutschland.

1993 Grand Prix National de la Culture, Section Arts Graphiques, Paris, Frankreich. 2006 SOTA Typography Award, The Society of Typo­graphic Aficionados, Boston, USA. 2007 Prix Designer 2007, Bundesamt für Kultur, Bern, Schweiz.

Auswahl

17.11.1960 ‹Nos caractères sont ils l’expression de notre époque?› École Estienne, Paris, Frankreich. 20.9.1964 Vortrag in der Reihe ‹Heritage Series› Gallery 303, New York, USA. 3.5.1966 ‹Technik und Schriftform› Allgemeine Gewerbeschule, Basel, Schweiz in Zusammenhang mit einer einwöchigen Gastdozentur. 19.5.1966 ‹Grundsätzliche Betrachtungen über den Buchdruck› Typografisches Forum im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz, Gutenbergmuseum, Mainz, Deutschland. 25.9.1966 Vortrag über die technische Entwicklung der Druckschrift Gallery 303, New York, USA. 22.11.1966 Vortrag über die technische Entwicklung der Druckschrift Im Rahmen der ‹Cours Magistraux› an der École Estienne, Paris, Frankreich. September 1967 Vortrag über Typographie IBM , Southampton, Grossbritannien. 9.11.1967 Vortrag über Schriften in Indien Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz im Unesco-Gebäude, Paris, Frankreich. 10.11.1967 ‹Alphabets pour la lecture automatique, magnétique et optique› Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz im Unesco-Gebäude, Paris, Frankreich. April 1968 ‹La Typographie› IBM, Barcelona, Spanien. September 1968 Vortrag zum Thema: Typografische Möglichkeiten im Zeitalter des Computers Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz, Frankfurt am Main, Deutschland. September 1968 ‹La Typographie› IBM, Mailand, Italien. 27.11.1968 Referat über Anpassung von Bleisatzschriften an den Fotosatz Presse-Empfang der D. Stempel AG und Linotype, Frankfurt am Main, Deutschland. Juni 1969 ‹Entwurf von Buchstaben für Kathodenstrahlröhren-Systeme› Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz an der Karls-Universität, Prag, Tschechien.

Ausstellungen Auswahl

Oktober 1973 ‹Graphische Bildung des Technikers und typografische Bildung des Typographen› Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz, Kopenhagen, Dänemark.

20.10.1988 ‹Du caractère manuscrit au caractère d‘imprimerie› La société française de graphologie, Paris, Frankreich.

28.5.1974 ‹Die Verantwortung des Schriftenherstellers gegenüber dem Unterbewusstsein des Lesers› Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz im Unesco-Gebäude, Paris, Frankreich.

8.11.1988 Vortrag über die Sans-Serif-Schriften Organisiert von Linotype, London, Grossbritannien.

29.11.1979 ‹Schrift in der Umwelt› / ‹Zukunft der Schrift, Schrift in der Zukunft der neuen Medien› Zwei Vorträge an der Hochschule für bildende Künste, Braunschweig, Deutschland. 5.2.1980 ‹Datenprogramme und Laserstrahlen — die neuen Schreibwerkzeuge› Typographische Gesellschaft, München, Deutschland. 22.9.1980 ‹Schrift und Papier — Der Mensch heute› Im Rahmen der ATypI-Konferenz, Basel, Schweiz. 26.1.1982 ‹Textschriften und Buchtypografie heute› Organisiert vom Arbeitskreis Frankfurter Verlagshersteller in den Räumen der Stiftung Buchkunst, Frankfurt am Main, Deutschland. 24.2.1984 ‹Mensch und Schrift› Kantonale Schule für Gestaltung, Biel, Schweiz.

8.12.1988 ‹modern-day type and design› Vortrag zum 20. Geburtstag des Frederic W. Goudy Award am Rochester Institute of Technology, New York, USA. Mai 1989 ‹Zur inhaltlichen Harmonie von Text und Bild. Das Hohelied Salomos / Die Schöpfungs­ geschichte› Vortrag anlässlich eines Symposiums zur Internationalen Buchkunst Ausstellung iba, Leipzig, Deutschland. April 1989 Referat Im Rahmen des HRP-Medienseminars im Hotel Intercontinental, Oerlikon, Schweiz. 19.10.1989 ‹Zeichen erkennen, mit dem Gefühl — mit dem Verstand› Schule für Gestaltung, Basel, Schweiz. November 1989 Vortrag Anlässlich der Veranstaltung ‹Type & Typo›, Hamburg, Deutschland.

30.5.1985 Vortrag über Schönheit und Lesbarkeit einer Schrift Anlass unbekannt, Göteborg, Schweden.

November 1989 Vortrag Kantonsbibliothek, St. Gallen, Schweiz.

November 1986 ‹Technik und Schriftform› Organisiert von Linotype im Centre Georges Pompidou, Paris, Frankreich.

2.9.1990 ‹The designer’s response› Im Rahmen der ATypI-Jahreskonferenz, Oxford, Grossbritannien.

10.12.1986 ‹Schriftqualität für den digitalen Fotosatz› Schule für Gestaltung, Bern, Schweiz.

27.10.1990 ‹Von der Type zur Typografie› Vortrag am Tag der Typografie, Hotel Bern, Bern, Schweiz.

Mai 1987 Vortrag über Schönheit und Lesbarkeit einer Schrift Arbeitskreis Forum Typographie, Offenbach, Deutschland.

1.11.1991 ‹Gibt es die ideale DTP-Schrift?› Im Rahmen des Fachsymposiums ‹Typo ade!?›, organisiert von abc-Winterthur Textbildtechnik im Technorama Winterthur, Winterthur, Schweiz.

28.6.1987 Vortrag über Schönheit und Lesbarkeit einer Schrift Tokio, Japan. Oktober 1987 Rede zur Verleihung der Gold-Medal des Type Directors Club New York, USA.

16.1.—11.2.1961 ‹Deux cents ans de création de caractères› École Estienne, Paris, Frankreich. 5.10.—16.10.1963 ‹L’Œuvre graphique de Adrian Frutiger› Galerie Pierre Berès, Paris, Frankreich. 6.10.—30.10.1964 ‹Graphismes by Frutiger› Monotype Printing House, London, Grossbritannien. 3.5.—28.5.1966 ‹Adrian Frutiger, Paris — Schriftkünstler› Gewerbeschule, Basel, Schweiz. 21.9.1973—… ‹Schrift — Signet — Symbol. Formgebung in Schwarz und Weiss› Gutenbergmuseum, Bern, Schweiz. 21.11.1976—2.1.1977 ‹Adrian Frutiger — Zeichen Schriften Symbole› Gutenbergmuseum, Mainz, Deutschland. 3.6.—26.6.1988 Freie Arbeiten Könizer Galerie, Köniz, Schweiz. Herbst 1988 ‹Litera, Znak, Symbol› Wanderausstellung durch die Städte Danzig (während des ATypI-Kongresses), Thorn, Warschau, Krakau und Breslau, Polen. 15.4.—12.8.1994 ‹Adrian Frutiger, son œuvre typographique et ses écrits› Maison du Livre, de l’Image et du Son, Villeurbanne, Frankreich. September 1994 ‹Adrian Frutiger, Denken und Schaffen einer Typografie› Unterseen, Schweiz. 19.10.—19.11.1994 ‹Hommage an die Schrift› Schule für Gestaltung Bern, Schweiz (Organisation: Gesellschaft der Freunde des Gutenbergmuseums Freiburg). 6.11.—29.11.1994 ‹Adrian Frutiger, son œuvre typographique et ses écrits› Atrium, école des arts visuel de l’Université Laval édifice la Fabrique, Quebec, Kanada.

Ab 1998 ‹Formen und Gegenformen› Wanderausstellung. Idee und Konzept: Erich Alb 18.6.—…8.1998 Heidelberger Druckmaschinen AG, Heidelberg, Deutschland (anlässlich der Feier zum 70. Geburtstag von Adrian Frutiger) 9.10.—11.10.1998 Rat für Formgebung, Frankfurt, Deutschland, im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 4.2.—19.3.1999 Design Zentrum Thüringen, Weimar, Deutschland 19.5.—30.6.2000 Basler Papiermühle, Basel, Schweiz 1.11.2000—30.5.2001 Gutenberg Museum, Fribourg, Schweiz 14.6.—10.8.2001 Institut für Medien und Kunst, Lage-Hörste, Deutschland 28.2.—14.4.2002 Gutenbergmuseum, Mainz, Deutschland, letzter Ausstellungsort; Adrian Frutiger schenkt dem Museum die Ausstellung.

Ab 1999 ‹Read me — mit Adrian Frutiger durch die Welt der Zeichen und Buchstaben› Wanderausstellung. Idee und Konzept: Anja Bodmer und Jürg Brühlmann 17.6.—1.8.1999 Forum für Medien und Gestaltung, Kornhaus, Bern, Schweiz 13.1.—27.2.2000 Gewerbemuseum Winterthur, Schweiz 21.6.—3.9.2000 19 th International Biennale of Graphic Design Brünn, Tschechien 20.11.—10.12.2000 National Institute of Design, Ahmedabad, Indien 8.5.—25.5.2002 Grafist 6, The Sixth International Istanbul Graphic Design Week, Istanbul, Türkei 1.6.—1.7.2004 Berner Fachhochschule — Hochschule für Architektur, Bau und Holz HSB, Biel, Schweiz 12.8.—31.10.2005 Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, Schweiz. 21.10.—3.11.1999 ‹Okakura. Adrian Frutiger. Typoarchitektur› Fachhochschule für Technik und Wirtschaft FHTW, organisiert vom Internationalen Design Zentrum, Berlin, Deutschland.

Februar 1995 Titel nicht bekannt École des arts décoratifs, Genf, Schweiz.

29.4.—30.10.2000 ‹Adrian Frutiger: Gesang der Wandlungen› Symbole, Zeichen, Wasserzeichen. Klostermühle Thierhaupten, Thierhaupten, Deutschland.

25.4.—23.6.1996 ‹Adrian Frutiger, his typographic work and his written› Design Exchange Resource Toronto, Kanada.

19.5.—5.9.2004 ‹Off Side Art 2: Adrian Frutiger — Type Designer› Haus Konstruktiv, Zürich, Schweiz.

Oktober bis Mitte Dezember 1996 ‹Adrian Frutiger: Gesang der Wandlungen› Symbole, Zeichen, Wasserzeichen. Basler Papiermühle, Basel, Schweiz.

24.11. 1987 ‹Fyrsta alþjóðlega letursamsætið á Íslandi› Island. 18./19.2.1988 ‹Sequential Design› 14th Icograda Student Seminar, London, Grossbritannien.

Oktober 1997 ‹Symbole und Zeichen — freie grafische Arbeiten› Kirchgemeindehaus, Bremgarten bei Bern, Schweiz.

5.9.1988 ‹Zeichen und Gefühl, Zeichen und Verstand› Bałtyskie Centrum, Danzig, Polen.



An hang

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Publikationen von Adrian Frutiger

Fachartikel von Adrian Frutiger Auswahl

‹Die Rede des jungen Hediger› Arbeit im 4. Jahr der Schriftsetzerlehre an der Gewerbeschule der Stadt Bern, 1947.

‹Type — Sign — Symbol› Mit Beiträgen von Maurice Besset, Emil Ruder und Rudolf Schneebeli, ABC-Verlag, Zürich 1980.

‹de Symboles en Signes. promenades› Symbolkarte, Ausrüstung wie HallwagStrassenkarten, Syndor Press, Cham 1997.

‹Der Werdegang der Univers›, in: ‹Typo­ graphische Monatsblätter›, ‹Sondernummer Univers›, 1/1961, ­Seite 10.

‹Die Kirchen am Thunersee› Abschlussarbeit der Schriftsetzerlehre mit Holzschnitten von Adrian Frutiger; Text und Satz Adrian Frutiger, Druckerei Otto Schlaefli AG, Interlaken 1948.

‹Zur Geschichte der linearen, serifenlosen Schriften› Broschüre der Linotype AG, ca. 1986.

‹Formen und Gegenformen — Formes et contreformes — Forms and counterforms› Text von Ronald Schenkel, gedruckt in 1400 Ex. im 17-Farben-Offsetdruck, davon 98 Ex. vom Autor signiert, nummeriert und von einem Farb­­­prägedruck auf Büttenpapier begleitet, aus Anlass des 70. Geburtstages von Adrian Frutiger, herausgegeben von Erich Alb, Syndor Press GmbH, Cham 1998 — broschierte Ausgabe: Syndor Press, Cham 1999.

‹Die Herstellung einer Drucktype›, in: ‹Typo­ graphische Monatsblätter›, ‹Sondernummer Univers›, 1/1961, ­Seite 13 — in: ‹Typo­rama. Rund um das graphische Gewerbe›, Basel 1964, Seite 39 ff.

‹Schrift — Ecriture — Lettering. Die Entwicklung der europäischen Schriften, in Holz geschnit­­ten — Bois originaux illustrant l’évolution de l’écriture en Europe – The development of European letter types carved in wood› Abschlussarbeit an der Kunstgewerbeschule Zürich, Verlag des Bildungsverbandes Schweizerischer Buchdrucker, Zürich 1951. ‹Au commencement› Text aus dem ersten Kapitel der Genesis, gesetzt im Handsatz mit der Univers 55, 24 pt, mit 15 Holzschnitten von Adrian Frutiger, gedruckt in 140 Exemplaren im Atelier Frutiger, heraus­gegeben von Pierre Berès, Éditions Hermann, Paris 1962. ‹partages› 26 Holzschnitte von Adrian Frutiger, gedruckt in 75 Exemplaren im Atelier Frutiger, heraus­gegeben von Pierre Berès, Éditions Hermann, Paris 1962. ‹Univers› Mit Texten von Adrian Frutiger und Emil Ruder, Handsetzerei Ernst Gloor (Hg.), Zürich 1966. ‹Cantique des Cantiques de Salomon —  Das Hohe Lied Salomos — The Song of Songs which is Solomon’s — ‫›אשר לשלמה שיר השירים‬ Mit Illustrationen von Adrian Frutiger, Typo­grafie von Bruno Pfäffli, Druckerei Winterthur AG, Winterthur 1966 /  Flamberg-Verlag, Zürich 1967. ‹Im Anfang — Au commencement — In the beginning — ‫›בראשית‬ Mit Illustrationen von Adrian Frutiger, Typo­grafie von Bruno Pfäffli, Druckerei Winterthur AG, Flamberg-Verlag, Zürich, und Castella-Verlag, Albeuve 1969. ‹Typographical Training for Technicians and technical training for Typographers› Booklet, Copenhagen 1973. ‹Der Mensch und seine Zeichen› Textbearbeitung: Horst Heiderhoff. D. Stempel AG, Frankfurt am Main / Heiderhoff Verlag, Echzell. Erste Auflage, Band 1: ‹Zeichen erken­­nen Zeichen gestalten›, 1978. Band 2: ‹Die Zeichen der Sprachfixierung›, 1979. Band 3: ‹Zeichen, Symbole, Signete, Signale›, 1981. — Aktuelle 10. Auflage (Sammelband, broschiert): Marix Verlag, Wiesbaden 2006. Übersetzungen: Spanisch: ‹Signos Símbolos Marcas señales›, Barcelona 1981. Französisch: ‹Des signes et des hommes›, Lausanne 1983; ‹L’Homme et ses signes›, Reillanne 1999. Englisch: ‹Signs and Symbols›, London 1989 und 1998; New York 1998. Italienisch: ‹Segni & simboli›, Viterbo 1996. Portugiesisch: ‹Sinais & Símbolos›, São Paulo 1999. Polnisch: ‹Człowiek i jego znaki›, Warschau 2003. Koreanisch: ‹l’Homme et ses signes. ›, ‹Der Mensch und seine Zeichen. ›, beide Seoul 2007.

‹Der Prophet Jona› Bilderzyklus, Könizer Galerie, Köniz, Schweiz 1988. ‹Zeichen› Gestaltung Jost Hochuli, Typotron AG, St. Gallen 1989 (Heft 7 aus der Reihe Typotron-Hefte). ‹Adrian Frutiger, son œuvre typographique et ses écrits› Ausstellungskatalog, Texte von Jost Hochuli und Adrian Frutiger, mit Beiträgen von Andrew Blum, Roger Chatelain, Martin Enzensberger, Horst Heiderhoff, Emil Ruder, Hans Schneebeli und Kurt Weidemann, Maison du Livre, de l’Image et du Son, Villeurbanne 1994. ‹Adrian Frutiger. Denken und Schaffen einer Typografie› Ausstellungskatalog, Texte von Jost Hochuli und Adrian Frutiger, mit Beiträgen von Andrew Blum, Roger Chatelain, Martin Enzensberger, Horst Heiderhoff, Emil Ruder, Hans Schneebeli und Kurt Weidemann, Maison du Livre, de l’Image et du Son, Villeurbanne 1994. ‹Eine Typografie› Neuausgabe von ‹Adrian Frutiger. Denken und Schaffen einer Typografie›, Vogt-Schild-Verlag, Solothurn 1995 — 5. Neuausgabe, Syndor Press, Cham 2001. ‹Schriften des Abendlandes in Holztafeln geschnitten. Bois originaux illustrant l’évolution de l’écriture en Occident. The Development of Western Type carved in wood plates› Nachdruck der Abschlussarbeit von 1951, Syndor Press, Cham 1996. ‹Gesang der Wandlungen› Symbole von Adrian Frutiger, umgesetzt in Wasserzeichen von Markus Müller, Basler Papiermühle, Basel 1996. ‹Song of Changes› Symbole von Adrian Frutiger, umgesetzt in Wasserzeichen von Markus Müller, Basler Papiermühle, Basel 1996. ‹Symbole Zeichen. Wanderungen› Symbolkarte, Ausrüstung wie HallwagStrassenkarten, Selbstvertrieb, Bern 1996. ‹Symbole Zeichen. Wanderungen› Neuausgabe der Symbolkarte, Ausrüstung wie Hallwag-Strassenkarten, Syndor Press, Cham 1997. ‹Symbols and Signs. Explorations› Symbolkarte, Ausrüstung wie HallwagStrassenkarten, Syndor Press, Cham 1997.

‹Worte für einen Strich — Paroles pour un trait — Words for line drawings› Beiheft zu ‹Formen und Gegenformen›, Text von Adrian und Simone Frutiger, herausgegeben von Erich Alb, Syndor Press, Cham 1998. ‹Geometrie der Gefühle – Géométrie des sentiments – Geometry of feelings› Herausgegeben von Erich Alb, Syndor Press, Cham 1998. ‹Lebenszyklus — Cycle de la vie — Life Cycle› Auszug aus ‹Formen und Gegenformen›, herausgegeben von Erich Alb, Syndor Press, Cham 1999. ‹À bâtons rompus. Ce qu’il faut savoir du caractère typographique› Texte von Adrian Frutiger, Roger Chatelain, Marcelle Charrière, Horst Heiderhoff, Yves Perrousseaux und Emil Ruder, Atelier Perrousseaux, Reillanne 2001. ‹Ein Leben für die Schrift› Verlag Schlaefli & Maurer, Interlaken 2003. ‹Entstehung und Wandel unserer Schrift› Text von Adrian Frutiger und Hans Flück, Verlag Wegwarte, Bolligen 2003.

‹How I came to design Univers›, in: ‹­Print in Britain›, Januar 1962, Vol. 9, Seite 263. ‹un livre jeune et courageux sur la typographie›, in: ‹Informations TG›, Nr. 134, 25.3.1962, ­ Seite 3. Vorwort in: Emil Ruder: ‹Typographie — Ein Gestaltungslehrbuch. Typography — A Manual of Design. Typographie — Un Manuel de Création›, Sulgen / Zürich 1967. ‹OCR -B: normalisierte Schrift für optische Lesbarkeit — OCR-B: Caractère normalisé pour la reconnaissance optique — OCR -B: A standardized character for optical recognition›, in: ‹Typographische Monats­ blätter›, 1/1967, Seite 29. ‹Composeuse Multipoint›, in: ‹Typographische Monatsblätter›, 1/1967, Seite 76. ‹OCR-B: A Standardized Character for Optical Recognition›, in: ‹The Journal of Typo­graphic Research›, Volume 1, Nr. 2, 1967, Seite 137 ff. (mit André Gürtler und Nicole Delamarre). ‹Typography with the IBM Selectric Composer›, in: ‹The Journal of Typographic Research›, Volume 1, Nr. 3, 1967, ohne Seitenangabe. ‹Brief aus Indien›, Separatdruck aus ‹Typo­ graphische Monatsblätter›, 6–7/1967.

‹Une vie consacré à l’écriture typographique› basierend auf ‹Ein Leben für die Schrift›, Atelier Perrousseaux, Reillanne 2004.

‹Les alphabets pour la lecture automatique, magnétique et optique›, in: ‹Caractère›, 12/1967, Seite 47 f. — in: ‹Arts et Techniques Graphiques›, Nr. 75, 3–6/1968, Seite 198 ff.

‹Nachdenken über Zeichen und Schrift› Haupt-Verlag, Bern 2005.

‹IBM Composer›, in: ‹IBM Journal›, New York, USA 1968.

‹Adrian Frutigers Buch der Schriften› Marix Verlag, Wiesbaden 2005.

‹Letter Forms in Photo-typography›, in: ‹The Journal of Typographic Research›, Cleveland Ohio, Vol. 4, Nr. 4, 1970.

‹Anfangsgeschichten› Holzschnitte, Zeichnungen und Collagen von Adrian Frutiger, Marix Verlag, Wiesbaden 2006. ‹Symbole: Geheimnisvolle Bilder-Schriften, Zeichen, Signale, Labyrinthe, Heraldik› Haupt-Verlag, Bern 2008.

‹The Evolution of Composition Technology›, in: ‹IBM Journal of Research and Development›, Vol. 12, 1/1968. Auch als Separatdruck 1974. ‹Die Herstellung von Schriftträgern für Foto­­satz­systeme mit hohen Belichtungs­ geschwindigkeiten›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1969, Seite 9 ff. ‹Über die Zukunft der Schrift für automatische optische Lesbarkeit›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 3/1970, Seite 203 ff. ‹La forme des caractères à l‘âge de la photocomposition›, in: ‹Informations TG›, Nr. 500, 1970, Seite 3 ff. — in: ‹Typografische Monats­­blätter›, 2/1970, Seite 141 ff. ‹Neugestaltung des Air-France-Flugplans›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1971, Seite 9 ff. (gemeinsam mit Bruno Pfäffli). ‹L’évolution des caractères pour la lecture optique automatique›, in: ‹Informations TG›, Nr. 535, Januar 1971, Seite  3 ff.

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Filme / Videos

Radio-Interviews

‹Adrian Frutiger. Bemerkungen zum Schriftentwerfen› Interview am 10.4.1996 von Erik Spiekermann. Font Shop 1996, Video, 33 Minuten, Sprache: Deutsch.

Titel unbekannt Interview am 18.11.1984, Radiosender unbekannt, 20 Minuten, Sprache: Mundart.

Auswahl

‹Die Verantwortung des Schriftenherstellers dem Unterbewusstsein des Lesers gegenüber›, in: ‹Typografische Monats­ blätter›, 8–9/1974, Seite 607 ff. ‹Schreiben und Lesen›, in: ‹Typografische Monats­blätter›, 11/1974.

Vorwort in: Van Nostrand Reinhold Company: ‹The International Type­­ Book›, New York 1990. Vorwort in: Christopher Perfect, Gordon Rookledge: ‹Rookledge’s international type­­-finder: the essential handbook of typeface recognition and selection›, New York 1991.

‹Das Beschriftungs­system des größten Flug­hafens Europas — Der neue «Aéroport Charles de Gaulle» in Roissy›, in: ‹form. Zeitschrift für Gestaltung›, Nr. III-67, 1974, Seite 25 ff. (gemeinsam mit Horst Heiderhoff).

‹Gibt es die Ideale DTP-Schrift?›, in: ‹Fach­symposium Typo ade!?›, Winterthur 1992, Teil 2, Seite 4 ff. Abdruck eines Referats, gehalten am 1.11.1991 am Fachsymposium ‹Typo ade!?›.

‹Holzschnitte zum ersten Kapitel der Bibel›, in: ‹Das Hardermannli›, Nr. 23, Interlaken 1974.

‹Die Schriftfamilie Univers›, in: ‹Officina›, Juni 1992, Seite 18 ff.

‹Schrift am Röntgenbildschirm›, in: ‹Deutscher Drucker›, 23/1975, Seite 6 f.

‹Was ich für die Zukunft sagen möchte …›, in: ‹Heidelberg Nachrichten›, 1/1998.

‹A.Typ. I Arbeitsseminar in Basel›, in: ‹Typo­grafische Monatsblätter›, 8–9/1975, Seite 499 ff.

Vorwort in: Philip Jodidio: ‹Paul Andreu, architect›, Basel 2004.

‹Die Beschriftung des Flughafens Paris-Roissy›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1977, Seite 9.

‹Adrian Frutiger›, in: ‹Le musée Gutenberg à Fribourg. Das Gutenberg Museum in Freiburg›, Gesellschaft der Freunde des Gutenbergmuseums, Fribourg 2004.

‹Die Etienne-Schriften — ein Erscheinungsbild der lateinischen Schrift›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 10/1977, Seite 1 ff.

‹Adrian Frutiger. Schriftengestalter› Dokumentationsfilm, Regie: Anne Cuneo, Fama Film AG, Zürich 1998, Video, 54 Minuten, mit Beiträgen von Max Caflisch, Marco Ganz, Bruno Pfäffli, Rieder Saluz, Bernard Campiche, Roger de Weck, Reinhard Haus, Bruno Steinert, Flavia Mosele, Sascha Graf, Tobias Krauser. Sprachen: Französisch, Deutsch, Italienisch, Untertitel: Deutsch und Englisch.

Auswahl

‹Der Stradivari der Buchstaben. Adrian Frutiger — Berner Schriftgestalter mit Weltruf› Redaktion Luzia Stettler, ausgestrahlt am 2. Mai 2002 auf Schweizer Radio DRS 1, 50 Minuten, Sprache: Deutsch.

‹Adrian Frutiger: Racine — Fais-moi un signe› Video, 1998/1999. Ausgestrahlt auf Télévision Suisse Romande. Sprache: Französisch. ‹Frutiger› Kurzporträt für die Alliance Graphique Internationale AGI. Regie: Peter Knapp, Paris 2001, DVD, 8 Minuten, Sprache: Französisch. ‹Adrian Frutiger, der Typograf aus Leidenschaft› in: ‹NZZ Swiss made›, realisiert von Beat Rauch, Video, 6 Minuten, Sprache: Deutsch. Ausgestrahlt im Schweizer Fernsehen SF 2 am Sonntag, 11.3.2001, um 21.30 Uhr. ‹Adrian Frutiger. Der Mann von Schwarz und Weiss› Dokumentarfilm, Regie: Christine Kopp und Christoph Frutiger, Interlaken 2004, DVD, 47 Minuten, Sprachen: Mundart, Deutsch, Französisch, Englisch.

‹Das Schriftbild: Kleid der Lesebotschaft›, in: ‹Deutscher Drucker›, 35/1978, Seite 4 ff. ‹Schrift und Papier — der Mensch heute›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 5/1980, Seite 272, auch als Separatdruck. Abdruck des Vortrags an der Generalversammlung der Association Typographique Internatio­nale ATypI in Basel am 22. September 1980. ‹Type, Paper and You›, in: ‹Champion: The Printing Salesman’s Herold›, Book 4, Stamford, Connecticut 1982. ‹Das Miterleben einer Wandlung. Schriftzeichen für die Satztechnik der Gegenwart›, in: Hans-Joachim Koppitz (Hg.): ‹GutenbergJahrbuch 1985›, Mainz 1985, Seite 19. ‹L’histoire des Antiques›, Teil 1 in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1988, Seite 9. Teil 2 in: ‹Typografische Monatsblätter›, 3/1988, Seite 35, auch als Sonderdruck für Linotype France. ‹Konstruktivistisch und human. Avenir — eine neue serifenlose Linear-Antiqua von Adrian Frutiger›, in: ‹Linotype express› [dt.], 2/1988, in: ‹Linotype express› [engl.], autumn 1988, in: ‹Graphic Repro›, 12/1988, in: ‹Deutscher Drucker›, 15. 12. 1988, in: ‹DruckIndustrie›, 3/1989, in: ‹World-Wide Printer›, 6/1989, in: ‹Page› [dt.] 6/1992. ‹Eine neue konstruktivistische Schrift›, Eschborn bei Frankfurt, etwa 1988. ‹Adrian Frutiger himself›, in: ‹Der Druckspiegel›, 8/1988, Seite 919. Exklusiv-Abdruck des Vortrags von Adrian Frutiger, gehalten anlässlich der Verleihung der Goldmedaille des Type Directors Club of New York.



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Publikationen zu Adrian Frutiger’s Werk

Fachartikel zu Adrian Frutiger’s Werk

Auswahl

Auswahl

Schweizerischer Typographenbund (Hg.) ‹Sondernummer Univers› ‹Typographische Monatsblätter›, 1/1961. The Monotype Corporation ‹Monotype Newsletter› Nr. 130, April 1963. Der Univers gewidmete Ausgabe, Beilage zur Fachzeitschrift ‹Graphia›. Kurt Weidemann ‹Atelier Adrian Frutiger, Paris. Schrift und Schriftmarke› Typografische Beilage 12a aus ‹Der Druck­spiegel›, Dezember 1961. Kurt Weidemann ‹Atelier Adrian Frutiger, Paris. Marques et Typographie› Typografische Beilage 12a aus ‹Der Druck­spiegel›, Dezember 1961. Maurice Besset ‹A propos de recherches récentes d’Adrian Frutiger› Sonderdruck aus ‹Typographische Monatsblätter›, 8—9/1963, Seite 537 ff. John Dreyfus ‹Graphismes by Frutiger. The graphic work of Adrian Frutiger› Ausstellungskatalog, London 1964. Stanislav Souček ‹Sondernummer Frutiger — Zapf› ‹typografia›, Nr. 9, Prag 1965. Ove Andersson und Sture Löfberg ‹Bokstavsgestaltning. Stjärnseminariet Adrian Frutiger› Grafiska Institutet, Stockholm 1967. Bauersche Giesserei (Hg.) ‹Serifa Vorprobe› Mit Textbeiträgen von Emil Ruder und Hermann Zapf, Frankfurt am Main 1967. Hans Kuh ‹Aus der Werkstatt einer Schrift­gießerei› Son­derdruck Serifa aus der ‹Gebrauchsgraphik›, Juni 1968. Walter Zerbe ‹Schrift, Signet, Symbol: Formgebung in Schwarz und Weiss› Ausstellungskatalog, Bern 1973. Gutenberg-Gesellschaft (Hg.) ‹Adrian Frutiger. Zeichen, Schriften, Symbole› Faltblatt zur gleichnamigen Ausstellung, Mainz 1976. Text von Kurt Weidemann. D. Stempel AG ‹Typefaces designed by Adrian Frutiger. Schriften von Adrian Frutiger. Caractères crées par Adrian Frutiger› Mit Textbeiträgen von Horst Heiderhoff, Frankfurt am Main 1983. Horst Heiderhoff ‹Formen und Gegenformen. Gestaltungs­einheiten im Leben des Schriftkünstlers Adrian Frutiger› Sonderdruck aus dem ‹Gutenberg-Jahrbuch 1985›, Mainz 1985. Gutenberg-Gesellschaft Mainz ‹Adrian Frutiger. Gutenberg-Preisträger 1986› Mit Beiträgen von Dr. Anton M. Keim, Dr. Walter Greisner, Adrian Frutiger. Mainz 1986 (107. Druck der Reihe ‹Kleine Drucke der Gutenberg-Gesellschaft›).

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Linotype Library ‹Linotype Didot. Die Wiederentdeckung des Klassizismus› Sonderdruck aus ‹Der Druckspiegel›, 11/1992 und 12/1992, Eschborn 1992. Reinhard Haus ‹Linotype Univers› Sonder­veröffentlichung des ‹Columnum› — Journals von Linotype, Nr. 22, Mai 1997, zur Erstvorstellung der neuen Linotype Univers. Friedrich Friedl ‹Die Univers von Adrian Frutiger› Herausgegeben von Volker Fischer, Verlag form, Frankfurt am Main 1998 (aus der Reihe DesignKlassiker). Friedrich Friedl ‹L’Univers d’Adrian Frutiger› Herausgegeben von Volker Fischer, Verlag form, Frankfurt am Main 1998 (aus der Reihe DesignKlassiker). Friedrich Friedl ‹The Univers by Adrian Frutiger› Herausgegeben von Volker Fischer, Verlag form, Frankfurt am Main 1998 (aus der Reihe DesignKlassiker). Friedrich Friedl ‹zum siebzigsten geburtstag. adrian frutiger› Druck der Festrede von Friedrich Friedl aus Anlass des 70. Geburtstages von Adrian Frutiger, gehalten im Heidelberger Schloss, Verlag Hermann Schmidt, Mainz 1998. Erik Faulhaber ‹Frutiger. Die Wandlung eines Schrift­klassikers› Niggli Verlag, Sulgen 2004. Zur Entstehung der Frutiger Next. Anja Bodmer, Jürg Brühlmann ‹Read me — mit Adrian Frutiger durch die Welt der Zeichen und Buchstaben› Leporello zur gleichnamigen Wanderausstellung, Verlag Hochparterre, Zürich 2008.

Unbekannt: ‹Langholzschnitte von Adrian Frutiger, Glattbrugg /Zürich, gedruckt ab Galvanos›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 12/1951, Seite 523. Erstveröffent­ lichung seiner Holzschnitte ‹Hafer›, ‹Weide›, ‹Kiefer›, ‹Schachtelhalm›, begleitet von Gedichten. Emil Ruder: ‹Eine Entwicklungsgeschichte der Schrift›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 12/1951, Seite 536. Vorstellung von Frutiger’s Diplomarbeit. Unbekannt: ohne Titel, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 11/1954, Seite 560. Notiz zur Herausgabe der drei neuen Schriften Phoe­­bus, Ondine und Président von Deberny & Peignot im Produktionsjahr 1953/1954. Emil Ruder: ‹Univers, eine Grotesk von Adrian Frutiger›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 5/1957, Seite 364 f. E. Mauduit: ‹Les artistes du graphisme. Adrian Frutiger›, in: ‹­L’Imprimerie Nouvelle›, Nr. 29, Juni 1958, Seite 18 ff. Emil Ruder: ‹Zu den Arbeiten von Adrian Frutiger›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 7—8/1959, Seite 445 ff. Unbekannt: ‹La création d’une nouvelle typographie›, in: ‹­L’Imprimerie Nouvelle›, Dezember 1959, Seite 57 f. Alfred Willimann: ‹Adrian Frutiger›, in: ‹Caractère Noël›, 1959. Lebenslauf Frutiger’s und Abbildung der humanistischen Minuskel aus seiner Abschlussarbeit. Unbekannt: ‹Du caractère français «Univers»›, in: ‹L’Imprimerie Nouvelle›, Nr. 52, Juni 1960, Seite 111. Unbekannt: ‹Une nouvelle typographie, l’Univers d’Adrian Frutiger›, in: ‹Esthétique Industrielle›, 45/1960, Seite 12 ff. Emil Ruder: ‹Die Univers in der Typographie›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, ‹Sondernummer Univers›, 1/1961, Seite 18 ff. Paul Heuer: ‹Matrizenherstellung für den Einzelbuchstabensatz — Probleme bei der Herstellung der «Monotype» Univers›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, ‹Sondernummer Univers›, 1/1961, Seite 21 ff. Emil O. Biemann: ‹Univers … a new concept in european type design›, in: ‹­Print›, Nr. XV:1, Jan./Febr. 1961, Seite 32 ff. Unbekannt: ‹Univers ou la forme au service de la fonction›, in: ‹­Informations TG›, Nr. 36, März–April 1961, Seite 25. John Dreyfus: ‹Univers in action›, in: ‹Penrose Annual›, 55/1961, Seite 15 ff. Charles Peignot: ‹Le Méridien et les Univers›, in: ‹­Art de France›, Paris 1961, Seite 431 f. Walter Amstutz (Hg.): ‹Frutiger Adrian, France›, in: ‹Who’s who in graphic art›, Zürich 1962, ­Seite 161. Eurographic Press: ‹Designer’s profile: Adrian Frutiger›, in: ‹­Print in Britain›, Vol. 9, Januar 1962, Seite 258 ff.

Paul Heuer: ‹Zwischenbericht über den Schnitt der Monotype-Univers›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 1/1962, Seite 10. Unbekannt: ‹Werbung für Citroën. Publicité pour Citroën. Atelier Adrian Frutiger, Paris›, in: ‹­Typographische Monatsblätter›, 1/1962, Seite 35 ff. Unbekannt: ‹Who is who: Adrian Frutiger›, in: ‹­Informations TG›, Nr. 124, 16. 3. 1962, Seite 4. M. C. L.: ‹Adrian Frutiger›, in: ‹­Le Monde›, 18. 10. 1962. Notiz zur Ausstellung seines künstlerischen Werks in der Galerie Berès, Paris. Unbekannt: ‹Un nouvel alphabet: L’Algol›, in: ‹Informations TG›, 2. Trimester 1963, Seite 2 ff. Unbekannt: ‹Univers›, in: ‹Monotype Technical Bulletin›, Nr. 57, Oktober 1963, Seite 2 ff. Frederick Lambert (Hg.): ‹unbekannt›, in: ‹Letter Forms: 110 Complete Alphabets›, London 1964. Dennis Cheetham, Brian Grimbly: ‹Design analysis: Typeface›, in: ‹Design›, Nr. 186, Juni 1964, Seite 61 ff. Bericht zur Univers, Interview von Matthew Carter mit Adrian Frutiger. Pierre Descargues: ‹Les graphistes suisses font la loi à Paris›, in: ‹­Feuille d’avis de Lausanne›, 13.10.1964, Seite 58. Bericht über vier massgebende Schweizer Gestalter in Paris; in dieser Ausgabe Albert Hollenstein und Adrian Frutiger. John Dreyfus: ‹Monophoto Apollo. A new face by Frutiger›, in: ‹Monotype Newsletter›, Nr. 74, November 1964, Seite 10. Allan Hutt: ‹Monophoto Apollo›, in: ‹British Printer›, Dezember 1964, Seite 84 f. Unbekannt: ‹Monophoto Apollo — eine neue Schrift Frutigers›, in: ‹Typographische Monats­blätter›, 2/1965, Seite 96 f. Unbekannt: ‹Caractère Univers Deberny Peignot›, in: ‹Esthétique Industrielle›, 74/1965, Seite 27 ff. Monotype Corporation (Hg.): ‹Correct speci­­­fication of Univers›, in: ‹­Monotype Newsletter›, 75/1965. Unbekannt: ‹Face to face with Univers›, in: ‹Print design and production›, Vol. 2, März/April 1966, Seite 23 ff. Unbekannt: ‹Some vital facts about Univers›, in: ‹Monotype Newsletter›, Nr. 80, Dezember 1966, Seite 12 f. Unbekannt: ‹Stilskapare›, in: ‹Dagens Nyheter›, 2.6. 1967. Kurze Zeitungsnotiz mit Bild über Frutiger in einer schwedischen Tageszeitung. Eugene M. Ettenberg: ‹Frutigers Serifa: Timely Display face and legible Text Type›, in: ‹Inland Printer/American Lithographer›, Vol. 163, Nr. 2, Mai 1969, Seite 56. Emil Ruder: ‹Actualités graphiques. Le Serifa, d‘Adrian Frutiger›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 1/1970, Seite 79. Marcelle Charrière: ‹Rencontre: Adrian Frutiger›, in: ‹Informations TG›, 15.—22. Juni 1970, Seite 4 ff.

Louis Flach: ‹L’image de firme d’Électricité de France EDF›, in: ‹Contacts électriques›, Nr. 84, Juli 1970. Bericht über das neue Erscheinungsbild der Firma mit Erwähnung dessen Gestalters, Adrian Frutiger. Franz Knuchel: ‹Über das Werk Adrian Frutigers›, in: ‹Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee›, Interlaken 1971, Seite 60 ff. Walter Tappolet: ‹Adrian Frutiger und seine Genesis›, in: ‹Quatember›, 4/1970—71, Seite 2. ALE: ‹Schrift — Signet — Symbol›, in: Unbekannte Gewerkschaftszeitung, Herbst 1973. Kurzer Bericht zu Frutiger’s gleichnamiger Ausstellung im Gutenberg Museum, Fribourg, Schweiz, mit ausführlichem Lebenslauf. Erich Schulz-Anker: ‹«Iridium-Antiqua» — eine spezifische Fotosatzschrift auf klassizistischer Basis›, in: ‹Deutscher Drucker›, Nr. 14, 12.4.1973, Seite 22. — In: ‹Druck Print›, 3/1973, Seite 160 f. — In: ‹Typografische Monats­ blätter›, 5/1973, Seite 410. Unbekannt: ‹«Devanagari» — Frutigers neue Schrift›, in: ‹Deutscher Drucker›, Nr. 1, 10.1.1974, Seite V. S.B.: ‹Eine zeitgemässe Devanagari. Adrian Frutiger, Paris›, in: ‹Novum Gebrauchs­ graphik›, 4/1975, Seite 44 ff. Horst Heiderhoff: ‹Der Katalog als didaktischer Mittler zwischen Angebot und Nachfrage›, in: ‹form›, 1975-III-71, Seite 19 ff. Bericht zur Gestaltung des Produktkatalogs der Werkzeugfirma Facom, ausgeführt vom Atelier Frutiger + Pfäffli. John Dreyfus, François Richaudeau: ‹Frutiger Adrian›, in: ‹La chose imprimée›, Les Encyclopédies du savoir moderne, Paris 1977, Seite 161. Kurz-Lebenslauf mit Foto. Horst Heiderhoff: ‹Erste Frutiger-Ausstellung in der Bundesrepublik›, in: ‹Wandelhalle der Bücherfreunde›, 1/1977, Seite 21 ff. Bericht zur Ausstellung ‹Adrian Frutiger — Zeichen Schriften Symbole›. Heinrich Beck: ‹Schriftform, Lesbarkeit, Lese­mechanik›, in: ‹Deutscher Drucker›, 1/1979, Seite 14. Leserkommentar zu Frutiger’s Artikel ‹Das Schriftbild: Kleid der Lesebotschaft›, in: 35/1978, Seite 4 ff. Marcelle Charrière (aus dem Französi­schen von Helen Reshetnik und Pam Manfried): ‹Adrian Frutiger. Type and I›, in: ‹Typographic›, Vol. 11, Nr. 2, Juni 1979, Seite 8 ff. Unbekannt: ‹Interview with Adrian Frutiger›, in: ‹Graphics World›, Nr. 9, September 1979, Seite 22 ff. Roger Chatelain: ‹Adrian Frutiger›, in: ‹­Revue Suisse de l’imprimerie›, 4/1980, Seite 221 ff. Bericht über Frutiger’s Werk anlässlich der Herausgabe seines Buches ‹Type Sign Symbol›. Eli Reimer: ‹Frutiger Grotesk›, in: ‹Bogtrykkerbladet›, 3/1981, Seite 77 ff. Tony Bisley (?): ‹Adrian Frutiger›, in: ‹Baseline›, 4/1981, Seite 3 ff.

A. J. Bisley: ‹Typefaces + Corporate identity systems›, in: ‹­Graphics World›, Nr. 32, September 1981, Seite 49 ff. Zur Alphabet EDF-GDF, Alphabet Métro und Alpha BP. Kurt Weidemann: ‹Zu Adrian Frutiger›, in: ‹form›, 95-III-1981, Seite 3. Klaus Winterhager: ‹Zur Frutiger-Schrift›, in: ‹form›, 95-III-1981, Seite 1. Jorge Frascara: ‹Frutiger Adrian›, in: ‹Contemporary Designers›, Macmillan Publishers, London 1984, Seite 212 ff. Horst Heiderhoff: ‹Der Gestaltungswille des Schriftdesigners Adrian Frutiger›, in: ‹Linotype Express›, 3/1984, Seite 9. Georg Ramseger: ‹Verdiente Ehrung für ver­­dienstvollen Mann›, in: ‹Börsenblatt›, Nr. 96, 30. 11. 1984, Seite 2824 ff. Lothar Konietzka: ‹Der Weg durch die Wüste ist vorüber …›, in: ‹Grafik Design + Technik›, etwa 1985, Seite 86 ff. Interview mit Adrian Frutiger. Reinhard Haus: ‹Eine neue Schrift von Adrian Frutiger›, in: ‹Novum Gebrauchsgraphik›, Mai 1985, Seite 67 ff. Bericht zur Versailles. Eurographic Press: ‹Über die Zukunft von Schrift und Typografie›, in: ‹DruckIndus­trie›, Nr. 12, 27. 6. 1985, Seite 3 ff. Befragung von 14 angesehenen Schriftkünstlern und Typografen durch die Arbeitsgemeinschaft Eurographic Press, einer Vereinigung von 10 europäischen Druckfach­zeit­schrif­ten. Colin Cohen: ‹The letters page›, in: ‹Creative Review›, September 1986, Seite 70 f. Bericht zum Schriftschaffen Frutiger’s anlässlich der Herausgabe der Linotype Centennial. Caryl Holland: ‹Typography, Technology & Adrian Frutiger›, in: ‹Graphics World›, Nr. 62, September-Oktober 1986, Seite 69 ff. Walter Greisner: ‹Adrian Frutiger: Laudatio auf den Träger des Gutenberg-Preises 1986›, in: ‹BDG-Mitteilungen›, Nr. 79, Oktober 1986, Seite 12 ff. Bergner: ‹Internationales Schriftschaffen. Adrian Frutiger›, in: ‹Papier und Druck›, 35/1986, Seite 407 ff. Kurt Wolff: ‹Der Druckspiegel im Gespräch mit Adrian Frutiger›, in: ‹­Der Druckspiegel›, 12/1986, Seite 1477 ff. Sebastian Carter: ‹Adrian Frutiger›, in: ‹Twentieth century type designers›, Trefoil Publications Ltd., London 1987, Seite 156 ff.

Andreas Bellasi: ‹Adrian Frutiger. Ein Leben für die schöne Schrift›, in: ‹Tages-Anzeiger Magazin›, Nr. 25, 25.6.1988, Seite 24ff. Unbekannt: ‹Frutiger’s new face›, in: ‹Linotype Express›, 14/1988. Bericht in der Hauszeitung von Linotype über die Avenir. Manfred Klein: ‹TypoNews Univers/Helvetica›, in: ‹Der Druckspiegel›, 6/1988, Seite 674. Gegenüberstellung der Univers zur Helve­tica anlässlich der nun auch auf dem Apple Macintosh zur Verfügung stehenden Univers. Unbekannt: ‹Frutiger looks to the future›, in: ‹Graphic Repro›, Dezember 1988, Seite 22 ff. Unbekannt: ‹Avenir — eine neue serifenlose Linear-Antiqua von Adrian Frutiger›, in: ‹Deutscher Drucker›, Nr. S2, 15. 12. 1988, Seite g21. — In: ‹DruckIndustrie›, Nr. 3, 7. 2. 1989, Seite 32. — In: ‹Der Polygraph›, 4/1989, Seite 253. Eckehart SchumacherGebler (Hg.): ‹Adrian Frutiger. Frutiger 55›, in: ‹26 Lettern›, München 1989, Kalenderblatt September/ Oktober. Kalender im Zwei-Wochen-Turnus mit kurzen Beschrieben zu 26 Schriften. Gret Heer, Thomas P. Hermann: ‹Du sollst die Schrift nicht verhunzen›, in: ‹Tages-Anzeiger›, 12. 5. 1989, Seite 69 f. Unbekannt: ‹Sanserif — gone digital›, in: ‹WorldWide Printer›, 6/1989, Seite 68 f. Erik Spiekermann: ‹Mr. Univers›, in: ‹Page›, 3/1990, Seite 62 ff. Unbekannt: ‹Der Schlüssel Macher›, in: ‹Cicero›, 3/1990, Seite 16 ff. Interview mit Frutiger anlässlich der Wahl der Linotype Centennial als Textschrift für das Magazin. Reinhard Haus: ‹Type before Gutenberg›, in: ‹Page›, 1/1991, Seite 58 ff. Reinhard Haus: ‹American Blend›, in: ‹Page›, 6/1991, Seite 78 ff. Bericht zur Vectora. Reinhard Haus: ‹Klassizistisches Erbe›, Teil 1 in: ‹Page›, 11/1991, Seite 82 ff. Teil 2 in: ‹Page›, 12/1991, Seite 66 ff. Bericht zur Linotype Didot. Eckehart SchumacherGebler (Hg): ‹Iridium. Adrian Frutiger›, in: ‹26 Lettern›, München 1992, Kalenderblatt Februar/März. Kalender im Zwei-Wochen-Turnus mit kurzen Beschrieben zu 26 Schriften. Reinhard Haus: ‹Moderner Konstruktivismus›, in: ‹Page›, 6/1992, Seite 50 ff. Bericht zur Avenir.

Charles Bigelow: ‹Philosophies of Form in Seriffed Typefaces of Adrian Frutiger›, in: ‹Fine Print On Type›, Bedford Arts, London 1988, Seite 171 ff.

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Carrie Blackford: ‹Face to face with Adrian Frutiger›, in: ‹Hot Graphics International›, 1988, Seite 14 f.

Hermann Pfeiffer: ‹Vom Zeichen zur Schrift in der Handschrift des Adrian Frutiger›, in: ‹Der Druckspiegel›, 9/1993, Seite 775 ff.

Roger Chatelain: ‹Les Antiques dans l’œuvre d‘Adrian Frutiger›, in: ‹Revue Suisse de l’imprimerie›, 1/1988, Seite 1.

Reinhard Haus: ‹Le nouveau Didot›, in: ‹Revue Suisse de l’imprimerie›, 2/1994, Seite 8 ff.

Roger Chatelain: ‹Les caractères dessinés par Adrian Frutiger›, in: ‹Typografische Monatsblätter›, 3/1988, Seite 33.



Unbekannt: ‹Didot›, in: ‹Der Druckspiegel›, 2/1994.

Giovanni Lussu: ‹Adrian verso il Duemila›, in: ‹Linea Grafica›, Nr. 292, 4/1994, Seite 10 ff. Jost Hochuli: ‹Adrian Frutiger›, in: ‹Druck­Indus­trie›, Nr. 11, 31.5.1994, Seite 15 ff. Abdruck des Vorworts vom Ausstellungs­ katalog ‹Adrian Frutiger, son œuvre typo­graphique et ses écrits›. Sabine Pirolt: ‹Adrian Frutiger, l‘homme qui créa l‘Univers›, in: ‹L’Hebdo›, 26. 1. 1995, Seite 54 f. Andreas Liedt­­ke, Lucas de Groot: ‹Befragt: Adrian Frutiger, Schrift­entwerfer. «Ich bin der Backsteinbrenner»›, in: ‹form 150 Dossier reform›, 2/1995, Seite 46 ff. Roger Chatelain: ‹Adrian Frutiger raconte›, in: ‹Revue Suisse de l’imprimerie›, 2/1995, Seite 1 ff. Abdruck eines Exposés von Frutiger, verfasst anlässlich eines internationalen Kolloquiums 1994 zum Thema Fotosatz im Musée lyonnais de l’imprimerie et de la banque in Lyon. Michael Düblin: ‹Schriften für Menschen›, in: ‹Basler Magazin›, Nr. 3, 18. 1. 1997, Seite 12 f. Alessio Leonardi: ‹Familienplanung›, in: ‹Page›, 8/1997, Seite 46ff. Bericht zur überarbeiteten Univers-Familie. Patrick Bachmann, Norbert Richter: ‹Schrift ist ein Werkzeug, nicht eine Mode›, in: ‹X-Time Die grosse Zeitung›, 4/1998, Seite 78 f. Hermann Pfeiffer: ‹Atelierbesuch beim Schriftkünstler Adrian Frutiger›, in: ‹Deutscher Drucker›, Nr. 39, 15.10.1998, Seite 22. Stefan Bettschon: ‹Der PC ist keine Schreibmaschine. Adrian Frutiger und der technische Wandel der Typographie›, in: ‹Neue Zürcher Zeitung›, Nr. 156, 9.7.1999, Seite 71. Yvonne Schwemer-Scheddin: ‹Reputations. Adrian Frutiger›, in: ‹eye›, 31/1999, Seite 10 ff. Abdruck eines Interviews von Yvonne Schwemer-Scheddin mit Adrian Frutiger, durchgeführt während der ATypI-Konferenz 1998 in Lyon. Roger Chatelain: ‹Adrian Frutiger. Une œuvre protéiforme›, in: ‹Étapes›, Nr. 60, März 2000, Seite 50 ff. Helmut Kraus: ‹Original und Originaler›, in: ‹Page›, Nr. 12/2001, Seite 58 ff. Artikel zur Frutiger Next. Konrad Rudolf Lienert: ‹Wege durch Adrian Frutigers Privatarchiv›, in: ‹Tages-Anzeiger›, 24.5.2003, Seite 51. Klaus-Peter Nicolay: ‹Schrift — dem Leben angepasst›, in: ‹Druckmarkt›, Nr. 19, Oktober 2004, Seite 10 ff. Manuel Krebs, Cornel Windlin: ‹ASTRA Fruti­ger-Autobahn›, in: ‹soDA #27›, Volume 5, März 2005, Seite 17. Gerrit Terstiege: ‹Meine Schriften sollen klingen›, in: ‹form. The Making of Design›, Nr. 221, Juli /August 2008, Seite 74 ff.

An hang

447

Schriften von Adrian Frutiger

Schrifthersteller

Adrian Frutiger’s Schriften in chrono­ logischer Folge mit Entwurfs- und Erscheinungsjahr sowie Einsatzgebiet.

1968 | 1969 Alpha BP Firmenschrift

1988 | 1989 Westside Akzidenzschrift

1969 | 1970 Documenta Werksatzschrift

1988 | 1991 Vectora Werksatzschrift

1952 | 1954 Initiales Président Akzidenzschrift

1970 | 1971 Alphabet Facom Firmenschrift

1990 | 1991 Linotype Didot Werksatzschrift

1952 | (2007) Delta Schriftentwurf

1953 | 1953 Initiales Phoebus Akzidenzschrift

1970 | 1972 Alphabet Roissy Signalisationsschrift

1990 | 1991 Herculanum Akzidenzschrift

1953 | — Element-Grotesk Schriftentwurf

1953 | 1954 Ondine Akzidenzschrift

1971 | 1972 Alphabet Brancher Firmenschrift

1991 | 1991 Shiseido Firmenschrift

1953 | — Federduktus Schriftentwurf

1953 | 1957 Méridien Werksatzschrift

1972 | 1972 Iridium Werksatzschrift

1991 | 2005 Frutiger Capitalis Akzidenzschrift

1953 | 1957 Univers Werksatzschrift

1973 | 1973 Alphabet Métro Signalisationsschrift

1992 | 1992 Pompeijana Akzidenzschrift

1961 | — Alphabet Entreprise  Francis Bouygues Schriftentwurf, Firmenschrift

ca. 1956 | ca. 1958 Egyptienne F Werksatzschrift

1973 | 1974 Roissy-Solaris Klapplamellenschrift

1992 | 1993 Rusticana Akzidenzschrift

1958 | 1960 Opéra Werksatzschrift

1973 | 1976 Univers Cyrillic Werksatzschrift

1992 | 1998 Frutiger Stones / Frutiger Symbols Akzidenzschrift

1959 | 1961 Alphabet Orly Signalisationsschrift

1974 | 1976 Alphabet Centre  Georges Pompidou Signalisationsschrift

1996 | 1996 Frutiger Neonscript Signalisationsschrift

1974 | 1976 Frutiger Werksatzschrift

1996 | 1998 Linotype Univers Werksatzschrift

1976 | 1980 Glypha Werksatzschrift

1998 | 2001 Frutiger Next Werksatzschrift

1978 | 1979 Caractères TVP Bildschirmschrift

1999 | 2002 Astra Frutiger Signalisationsschrift

1978 | 1980 Icone Werksatzschrift

2002 | 2004 Avenir Next Werksatzschrift

1978 | 1982 Breughel Werksatzschrift

(1952) | 2007 Nami Akzidenzschrift

1982 | 1982 Tiemann Werksatzschrift

(1954) | 2008 Frutiger Serif Werksatzschrift

1960 | 1964 Apollo Werksatzschrift 1961 | 1964 Concorde Werksatzschrift 1962 | 1964 Antique Presse Akzidenzschrift 1963 | 1963 Algol Akzidenzschrift ab 1963 | ab 1965 OCR-B Werksatzschrift 1963 | 1967 Serifa Werksatzschrift 1964 | 1966 Univers  IBM Composer Werksatzschrift

1982 | 1984 Versailles Werksatzschrift

1964 | 1967 Alphabet EDF-GDF Firmenschrift

1985 | 1985 Frutiger Cyrillic Werksatzschrift

1967 | 1967 Univers Greek Werksatzschrift

1985 | 1986 Linotype Centennial Werksatzschrift

1967 | 1973 Devanagari / Tamil Werksatzschrift

1987 | 1988 Avenir Werksatzschrift

448

An hang

Adrian Frutiger’s Schrift­entwürfe in chrono­logischer Folge mit Entwurfsjahr.

1962 | — Serifen-Grotesk Schriftentwurf 1962 | — Gespannte Grotesk Schriftentwurf 1965 | — Katalog Schriftentwurf 1969 | — Delta  IBM Composer Schriftentwurf 1980 | — Dolmen Schriftentwurf 1991 | — University Schriftentwurf 1993 | — Cooperline Schriftentwurf 1993 | — Primavera Schriftentwurf

F

USA

Deberny & Peignot (1923—1972) Das Pariser Unternehmen entsteht durch den Zusammenschluss von zwei traditionsreichen Schriftgiessereien. Deren erster Zweig, Deberny, geht auf die Firmen von Joseph Gillé (1748— 1789), J. F. Laurent (1818—1823) und J. L. Duplat (17…—1824) zurück, die sich 1827 unter dem Namen Laurent, [Honoré] Balzac & Barbier vereinen. Nach mehreren Namens- und Besitzänderungen firmieren sie 1923 unter Girard &  Cie. Der andere Zweig, Peignot, lässt sich auf François Ambroise Didot (ab etwa 1775) und dessen Sohn Firmin Didot zurückführen. Mitte der 1830er Jahre geht das weit verzweigte Familienunternehmen in der Fondérie Générale auf, die wiederum von der Schriftgiesserei Peignot & Fils 1912 gekauft wird. 1923 entstehen aus dem Zusammenschluss von Girard & Cie mit Peignot & Cie die Fonderies Deberny &  Peignot unter der Leitung von Henri Menut. Von 1939 bis 1962 (64?) ist Charles Peignot Generaldirektor. Louis Moyroud, René A. Higonnet sowie dessen Sohn René-Paul Higonnet kaufen das Unter­nehmen, und Letzterer übernimmt die Leitung. Unter seiner Führung wird Deberny & Peignot 1972 liquidiert. Gussprogramm und Schrift­lizenzen übernimmt die Haas’sche Schriftgiesserei. Schriften von Adrian Frutiger bei D & P: Initiales Président Initiales Phoebus Ondine Méridien Univers Antique Presse

Photon Inc. (1950—1960) Bill Garth, Besitzer der Firma Lithomat in Cam­­­bridge, Massachusetts, USA , welche OffsetDruckplatten herstellt, kommt über das Massachusetts Institute of Technology MIT in Kontakt mit den französischen Ingenieuren René A. Higonnet und Louis M. Moyroud. Er engagiert sich in der Folge für deren Versuche zur Entwicklung einer Fotosetzmaschine. 1950 ändert Lithomat ihren Namen in Photon Inc. und 1960 fusioniert Photon Inc. mit der Société Lumitype zur International Photon Cor­poration. Schriften von Adrian Frutiger für die Foto­setzmaschine Photon: Latine (Méridien) Univers

Société Lumitype (1955—1960) Die Gesellschaft wird 1955 in Paris mit Sitz bei Deberny & Peignot gegründet. Ziel ist, die Fotosetzmaschine Lumitype in Paris zu bauen und in Europa zu vertreiben. 1960 geht die Société Lumitype zusammen mit der amerikanischen Photon Inc. in der International Photon Corporation auf. Schriften von Adrian Frutiger für die Fotosetzmaschine Lumitype: Schriftadaptionen anderer Gestalter Méridien Univers Egyptienne Algol Sofratype (19…—1969) Der Schweizer Alfred Devolz gründet in Paris die Firma Sofratype. Die kleine Firma produziert und vertreibt Matrizen für Zeilensetzmaschinen. 1969 wird sie von der Mergenthaler Linotype Company aufgekauft. Schriften von Adrian Frutiger für Sofratype: Opéra Concorde (mit André Gürtler)

IBM (seit 1896) Das Unternehmen geht auf die von Herman Hollerith 1896 gegründete Tabulating Machine Company zurück und produziert Maschinen, welche zur Auszählung und Erfassung von Daten dienen, welche per Lochkarte eingege­ben werden. 1924 wird die Firma in Inter­national Business Machines IBM umbenannt. In den 1950er und 1960er Jahren entwickelt sie ihre ersten Com­­puter. IBM ist Gründungs­mitglied der ECMA . Schriften von Adrian Frutiger für den Composer: Univers IBM Composer Schriftadaptionen anderer Gestalter und fremdsprachige Schriften

GB

CH

D

Monotype (1895—1985) In Amerika gründet Tolbert Lanston, Erfinder der Monotype Setz- und Giessmaschine, 1887 seine erste Firma. Ab 1897 wird eine Ma­schine gebaut, welche die Grundlage für alle weiteren Monotype-Maschinen bildet. Um die benötigten finanziellen Mittel zur Weiterarbeit zu beschaffen, werden die Patentrechte im gleichen Jahr nach Grossbritannien verkauft, und in Salfords, Surrey, wird die Lanston Monotype Corporation gegründet. Ab den 1920er Jahren gewinnt die englische Monotype immer mehr an technischer und wirtschaftlicher Bedeutung. 1966 wird der amerikanische Zweig von der United States Banknote Corporation aufgekauft und 1969 aufgegeben. 1998 wird Monotype von Agfa gekauft und firmiert bis 2005 unter dem Namen Agfa Monotype. Mit Monotype Imaging firmierend kauft das Unternehmen 2006 die Linotype GmbH. Schriften von Adrian Frutiger bei Monotype: Univers Apollo Univers Greek Devanagari / Tamil (mit Mahendra Patel)

ECMA (seit 1961) Die European Computer Manufacturers Association ECMA ist eine private Normierungs­ organisation zur Standardisierung von Infor­­mations- und Kommunikationssystemen und Unterhaltungselektronik mit Sitz in Genf. Sie wird am 17. Mai 1961 von 13 Computerund Schreibmaschinenherstellern gegründet. Gründungsmitglie­der sind: Aktiebolaget ADDO, Compagnie des Machines Bull, N. V. Electrologica, English Electric-Leo-Marconi Computers LTD, IBM-WTEC , ICT International Computers and Tabulators Ltd, ITT Europe Inc, NCR The National Cash Register Company Ltd, Ing. C. Olivetti & Co. S.p.A., SEA Société d’Electronique et ’Automatisme, Siemens  & Halske AG, Sperry Rand International Corp., Telefunken Aktiengesellschaft. 1994 wird der Name in ECMA International geändert, um der internationalen Ausrichtung der Organisation Rechnung zu tragen. Schrift von Adrian Frutiger bei der ECMA : OCR-B

Bauersche Schriftgiesserei (1837—1972) Johann Christian Bauer gründet die Schriftschneiderei 1837 in Frankfurt am Main, welche von seinen Söhnen übernommen und 1873 verkauft wird. 1898 erwirbt sie Georg Hartmann und kauft verschiedene Schriftgiessereien dazu. Nach seinem Tod 1954 führt dessen Schwie­ger­sohn Ernst Vischer die Geschäfte, bis dieser 1962 ebenfalls stirbt. Von 1964 bis 1967 ist Walter Greisner Geschäftsführer. Nach der Liquidation der Firma 1972 übernimmt die Fundicón Tipo­­gráfica mit deren Inhaber Wolf­­gang Hartmann, Enkel von Georg Hartmann, das Gussprogramm und führt es bis 1995 fort. Unter dem Namen Bauer Types vertreibt sie Schriften in digitaler Form. Schrift von Adrian Frutiger bei der Bauerschen Schriftgiesserei: Serifa

Westiform (seit 1948) Das Schweizer Familienunternehmen geht aus der amerikanischen Gesellschaft Westinghouse hervor. In der Schweiz beginnt es 1948 unter dem Namen Westineon mit der Herstellung von Hochspannungs-Neon-Röhren. Die Familie Imfeld übernimmt 1959 von der Westineon die Abteilung ‹Neon› und baut sie weiter aus. 1987 erfolgt die Umbenennung in Westiform. Schrift von Adrian Frutiger bei Westiform: Frutiger Neonscript



D. Stempel AG (1895—1985) Von David Stempel 1895 gegründet, stellt die D. Stempel AG ab 1900 Matrizen für Linotype-Zeilensetzmaschinen her. Nach vielen An- und Verkäufen sowie Beteiligungen an weiteren Schriftgiesseren wird Walter Greisner 1967 Geschäftsführer und 1973 Vorstandsvorsitzender. 1983 wird die Produktion für LinotypeMatrizen eingestellt, 1985 die Firma liquidiert. Die Schriftträgerfertigung übernimmt die Linotype GmbH, die technische Einrichtung einschliesslich der Stempel und Matrizen geht an die Technische Hochschule Darmstadt, welche 1986 eine Schriftgusswerkstatt einrichtet, geleitet von Rainer Gerstenberg. Heute ist diese in das Druckmuseum eingegliedert, welches seinerseits ein Bestandteil des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt ist. Schriften von Adrian Frutiger bei der D. Stempel AG: Schriftadaptionen anderer Gestalter Documenta Iridium Frutiger Univers Cyrillic (mit Alexei Chekoulaev) Glypha Icone Breughel Versailles Frutiger Cyrillic

Linotype (seit 1886) 1890 wird die Mergenthaler Linotype Company in Brooklyn, N. Y., USA, gegründet, um die von Ottmar Mergenthaler gemachte Erfindung einer Zeilensetz- und Giessmaschine zu kommerzialisieren. Kurz nach der Gründung entstehen Niederlassungen in England (1890) und Deutschland (1896). Ab 1900 erfolgt die Herstellung der bisher aus Amerika gelieferten Matrizen in Deutschland durch die D. Stempel AG, und nun decken die Niederlassungen in den drei Ländern unabhängig voneinander den jeweilig zugewiesenen Markt ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der deutsche Firmensitz von Berlin nach Frankfurt verlegt, welcher 1983 zum Konzernsitz avanciert. 1985 geht die D. Stempel AG mit ihrem kompletten Schriftenbestand in der Linotype auf. Linotype besitzt schliesslich die Rechte an den Schriften der ehemaligen Firmen Benjamin Krebs, Schriftgiesserei Klingspor, Haas’sche Schriftgiesserei und damit einhergehend auch an den Schriften von Deberny & Peignot, Fonderie Olive und Società Nebiolo. Die Schriften der Haas’schen Schriftgiesserei sind im Schriftguss bei Walter Fruttiger bis heute erhältlich und werden in der Schriftgusswerkstatt von Rainer Gerstenberg gegossen. 1987 wird Linotype eine AG, 1990 fusioniert sie mit der Firma Dr. Ing. Rudolf Hell zur Linotype-Hell AG, 1997 erfolgt die Umwandlung in eine GmbH, und 2006 wird Linotype von Monotype Imaging aufgekauft. Schriften von Adrian Frutiger bei Linotype: Tiemann (Original von Walter Tiemann) Linotype Centennial Avenir Vectora Westside Herculanum Linotype Didot (Orignal von Firmin Didot) Frutiger Stones / Frutiger Symbols Pompeijana Rusticana Linotype Univers Frutiger Next (mit R. Haus, S. Bilz, E. Faulhaber) Avenir Next (mit Akira Kobayashi) Frutiger Capitalis Nami (mit Akira Kobayashi) Frutiger Serif (Akira Kobayashi)

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Wirkungsstätten und Personen

Während seiner beruflichen Laufbahn — sei es als Angestellter, freier Mitarbeiter oder in seinem eigenen Atelier — arbeitet Adrian Frutiger mit internen und externen Personen zusammen, welche ihn bei der Umsetzung seiner Aufträge unterstützen. Sie sind in der folgenden, nach dem heutigen Stand des Wissens erstellten Übersicht zusammengefasst.

Zusammenarbeit mit Firmen

1969—1974 Atelier Frutiger + Pfäffli, Villa Moderne, Arcueil, Frankreich Bruno Pfäffli — Typografischer Gestalter Nicole Delamarre — Schiftzeichnerin Hans-Jürg Hunziker — Schriftgestalter Verena Pfäffli — Mitarbeiterin Satz Brigitte Willay geb. Rousset — Zeichnerin und Layouterin

1952—1960 Deberny & Peignot, Paris, Frankreich Charles Peignot — Direktor Rémy Peignot — Grafiker Harry Boller — Typografischer Gestalter Albert Boton — Schriftzeichner Annette Celsio — Schriftzeichnerin Lucette Girard — Schriftzeichnerin Ladislas Mandel — Schriftzeichner Robert Meili — Typografischer Gestalter Jean Mentha — Typografischer Gestalter Marcel Mouchel — Leiter Abt. Gravur Marcel Nebel — Typografischer Gestalter Extern A. M. Cassandre — Künstler 1960 Deberny & Peignot — Atelier de création Paris, Frankreich André Gürtler — Typografischer Gestalter Rémy Peignot — Grafiker Bruno Pfäffli — Typografischer Gestalter 1961—1964 Atelier Frutiger, Place d’Italie, Paris, Frankreich Suzanne Curtil — Sekretärin Nicole Delamarre — Schriftzeichnerin André Gürtler — Schriftgestalter Bruno Pfäffli — Typografischer Gestalter Extern Rudolf Mumprecht — Künstler Peter Willi — Fotograf 1965—1968 Atelier Frutiger, Villa Moderne, Arcueil, Frankreich Martin Altenburger — Typografischer Gestalter Suzanne Curtil — Sekretärin Nicole Delamarre — Schriftzeichnerin Bruno Pfäffli — Typografischer Gestalter Verena Pfäffli — Mitarbeiterin Satz Sylvain Robin — Schriftzeichner Brigitte Rousset — Zeichnerin und Layouterin Extern Nadine Bonnier — Mitarbeiterin Schrift­ Françoise … — Friskettschneiderin Mahendra Patel — Schriftgestalter, National Institute of Design, Ahmedabad, Indien Peter Willi — Fotograf



Extern Leen Averink — Gestalterin Gérard Ifert — Grafiker Rudolf Mumprecht — Künstler Mahendra Patel — Schriftgestalter, National Institute of Design, Ahmedabad, Indien Sylvain Robin — Schriftzeichner Peter Willi — Fotograf Françoise … — Friskettschneiderin

1975—1992 Atelier Frutiger / Atelier Pfäffli, Villa Moderne, Arcueil, Frankreich Bruno Pfäffli — Typografischer Gestalter Helena Nowak — Reinzeichnerin Verena Pfäffli — Mitarbeiterin Satz Extern Serge Cortesi — Schriftzeichner Lucette Girard — Schrift- und Reinzeichnerin Sylvain Robin — Schriftzeichner

Adrian Frutiger realisiert Schriften für mehrere Firmen. In der folgenden, nach dem heutigen Stand des Wissens erstellten Übersicht ist aufge­listet, wann er mit welchen Firmen zusammen­arbeitet und mit welchen Personen er dabei in Kontakt kommt. 1954—1960 Société Lumitype Paris, Frankreich … Bernard — Fotograf René Gréa — Ingenieur 1954—1960 Photon Inc. Cambridge, Massachusetts, USA René A. Higonnet — Ingenieur, Entwickler Louis M. Moyroud — Ingenieur, Entwickler Louis Rosenblum — Leiter Schriftenatelier 1957—1967 Éditions Hermann Paris, Frankreich Pierre Berès — Verleger 1959—ca. 1965 Sofratype Paris, Frankreich Alfred Devolz — Inhaber 1960—1962 Monotype Corporation Salfords, Surrey, Grossbritannien John Dreyfus — Typografischer Berater Stanley Morison — Typografischer Berater 1960—1974 Brancher  Vélizy, Frankreich Pierre Brancher (Vater) — Inhaber Olivier Brancher (Sohn) — Inhaber 1961—ca. 1963 Synergie Werbeagentur Paris, Frankreich 1963—1973 (danach sporadisch) ECMA European Computer Manufacturers Association Genf, Schweiz Dara Hekimi — Generalsekretär Gilbert Weill — Compagnie des Machines Bull 1966—1968 Bauersche Giesserei Frankfurt am Main, Deutschland Konrad F. Bauer — Künstlerischer Leiter Walter Greisner — Vorstandsmitglied 1963—1978 Facom Morangis, Frankreich André Moses — Inhaber 1964—1981 IBM International Business Machines Armonk, USA / Orléans, Frankreich André Bonnier — Abteilungsleiter Kugelkopf produktion Max Caflisch — externer Schriftberater Henri Friedlaender — Schriftgestalter Fritz Kern — Bereichsleiter grafische Produkte J. François Leblanc — Leiter Schriften­ abteilung

1965— 1967 EDF-GDF Paris, Frankreich Jacques Veuillet — Projektleiter Francis Bou­crot — Projektleiter Nicolas Karzis — Architekt Giulio Confalonieri — Grafiker 1967—1972 National Institute of Design Ahmedabad, Indien Mahendra Patel — Schriftzeichner Gira Sarabhai — Gründerin und Leiterin Abt. Design 1968—1969 Crosby / Fletcher / Forbes London, Grossbritannien Alan Fletcher — Designer Colin Forbes — Designer Georg Staehelin — Designer 1968—1985 D. Stempel AG Frankfurt am Main, Deutschland Walter Cunz — Vorstandsmitglied Walter Greisner — Vorstandsmitglied Reinhard Haus — Schriftzeichner Horst Heiderhoff — Künstlerischer Leiter Arthur Ritzel — Leiter Schriftenabteilung Erich Schulz-Anker — Künstlerischer Leiter 1969—1970 National-Zeitung Basel, Schweiz Fritz Sutter — Leiter Satzproduktion Lichtsatz 1970—1976 Aéroport de Paris Paris, Frankreich Paul Andreu — Architekt Jacques Filacier — Farbspezialist 1973 Régie Autonome des Transports Parisiens Paris, Frankreich Paul Andreu — Architekt  … Ebeling — Direktor 1982 Die Zeit Hamburg, Deutschland seit 1985 Linotype / Mergenthaler Linotype Company Eschborn / Bad Homburg, Deutschland Reinhard Haus — Leiter Schriftenatelier, Künstlerischer Leiter Hans Wolfgang Glathe — Leiter Schriftlizenz verwaltung Otmar Hoefer — Marketingleiter Gerhard Höhl — Leiter Schriftenabteilung René Kerfante — Leiter Schriftträger­fertigung Akira Kobayashi — Künstlerischer Leiter Werner Schimpf — Leiter Schriftenabteilung, Künstlerischer Leiter Bruno Steinert — Direktor Brooklyn, USA Matthew Carter — Type-Designer Mike Parker — Typographic Director seit 1987 Westiform Niederwangen, Schweiz Niklaus Imfeld — Inhaber 1991 Shiseido  Tokio, Japan Yutaka Kobayashi — Künstlerischer Leiter

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Bild- und Bildquellenverzeichnis

Wir danken allen Leih- und Lizenzgebern für die uns zur Verfügung gestellten Bücher, Zeitschriften und Gegenstände sowie die dafür überlassenen Abdruckrechte. Alle Bildrechte verbleiben bei den Leih- und Lizenzgebern. Abbildungen, die nachfolgend nicht aufgeführt sind, wurden von den Herausgebern hergestellt oder reproduziert. Soweit nicht anders verzeichnet, betrifft die erste Nennung den Leihgeber / Besitzer des abgebildeten Objektes, die zweite Nennung den Hersteller der Reproduktion. Die Werke von Adrian Frutiger befinden sich, wenn nicht anders vermerkt, im Archiv der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Wir haben uns bemüht, die Abbildungsrechte zu allen im Buch gezeigten Abbildungen nach bestem Wissen und Gewissen ausfindig zu machen. Bei allfälligen Berichtigungen und weiteren Informationen bitten die Herausgeber um Benachrichtung an den Verlag.

Vorwort /01/ Fotografie: Hansueli Trachsel. Beruflicher Weg /01/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /02/ aus: Oskar Bätschmann: ‹Schreibkunst. Schulkunst und Volkskunst in der deutschsprachigen Schweiz 1548 bis 1980›, Zürich 1981; Kunstgewerbe­museum der Stadt Zürich, Museum für Gestaltung. /03/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /04/ Adrian Frutiger: ‹Die Kirchen am Thunersee›, Otto Schlaefli, Buch- und Kunstdruckerei AG, Interlaken 1948. /05/ Leo Davidshofer, Walter Zerbe: ‹Satztechnik und Gestaltung›, herausgegeben vom Bildungsverband Schweizerischer Buchdrucker, Zürich / Bern 1970. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /06/07/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /08/ aus: Jan Tschichold: ‹Meisterbuch der Schrift›, Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965. /09/ Januar 1950. Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, Medien- und Informationszentrum MIZ-Archiv. Fotografie: Margot Koch-Ruthe, Fachklasse für Fotografie der Kunstgewerbeschule Zürich. /10/ aus: ‹Neue Graphik› 12/1962. /11/ Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung. /12/ Leihgeber: Leni Willimann-Thöny †, Münsingen BE. /13/ Fotografie: Peter Stähli, Gsteigwiler. /14/ Walter Käch: ‹Rhythmus und Proportion. Rhythm and Proportion›, Verlag Otto Walter AG, Olten 1956. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /15/16/17/ Walter Käch: ‹Schriften Ecriture Lettering›, Verlag Otto Walter AG, Olten 1949. Fotografien: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /18/ Fritz Kern, Arlesheim. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /19/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /20/ aus: ‹Typografische Monatsblätter› 4/1970. /21/ ‹Typographische Monatsblätter› 1/1961, Gestaltung Titelblatt: Emil Ruder. Emil Ruder: ‹Typographie›, Verlag Niggli AG, Sulgen 2001. Fotografien: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /22/ aus: Adrian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen› Band 1, D. Stempel AG, Frankfurt am Main 1978. /23/ Adrian Frutiger: ‹Der Mensch und seine Zeichen›, D. Stempel AG, Frankfurt am Main 1978, Band 1. — ‹Type Sign Symbol›, ABC-Verlag Zürich 1980. — Erich Alb (Hg.) ‹Adrian Frutiger — Formen und Gegenformen›, Verlag Niggli AG, Sulgen. Fotografien: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. Président /01/18/22/ St. Bride Library, London. /02/ aus: ‹La France Graphique›, Nr. 115, Juli 1956. /03/ aus: Deberny & Peignot: Titel unbekannt, o. J. /04/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /07/ aus: ‹Manuel Français de Typographie Moderne›, Paris 1924. /10/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /21/22/ aus: Deberny & Peignot: ‹Initiales fantaisies›, 1956, Musée de l’imprimerie, Lyon. /27/ Musée de l’imprimerie, Lyon. Delta /01/ Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung. /02/05/06/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /07/ Fotograf unbekannt.

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Phoebus /01/02/09/12/21/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /03/ aus: Deberny & Peignot: ‹typographie›, etwa 1957. /05/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /07/ aus: Philipp Bertheau: ‹Buchdruckschriften im 20. Jahr­ hundert›, Darmstadt 1995. Element-Grotesk /01/02/03/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. Federduktus /01/04/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /02/ Fotografie: unbekannt. Ondine /02/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /04/ Fotografie: André Gürtler, Basel. — Gotische Halbkursiv aus: Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grundlagen zur Satzherstellung›, Verlag des Bildungsverbandes Schweizerischer Typografen, Bern 1980. /08/ Leihgeber: Jean Mentha, Cortaillod. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /10/11/ Leihgeber: Papiermühle Basel. /12/ St. Bride Library, London. Méridien /01/03/04/05/06/07/08/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /02/38/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /09/ Beaumarchais: ‹Le mariage de Figaro›, Berger-Levrault, Paris 1957. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /10/ André Gürtler, Basel. /11/ aus: Johannes Gutenberg: ‹Biblia Latina›, Faksimile-Edition der Inkunabel Inc. 1 in der Bibliothèque Mazarine, Paris. /14/ aus: Jan Tschichold: ‹Meisterbuch der Schrift›, Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965. /15/ aus: Walter Käch: ‹Schriften Ecriture Lettering›, Verlag Otto Walter AG, Olten 1949. /36/37/39/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. /41/ Bibliothèque Forney, Paris. — Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Caractères Lumitype /01/ Fotografie: Philippe Karrer, Basel. /02/ aus: ‹Caractère›, Dezember 1975. /03/08/28/30/35/39/ Musée de l’imprimerie, Lyon. /05/ aus: Friedrich Friedl: ‹Typografie. wann wer wie›, Könemann Verlagsgesellschaft, Köln 1998. /06/ Yves Perrousseaux, Reillanne. /09/10/12/13/14/16/20/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. /11/ aus: ‹Techniques Graphiqes› Nr. 6/1957. /40/ aus: ‹Atlantis›, 1954, Nr. 7. /41/ aus: Richard Burkhardt: ‹grafische technik — heute und morgen›, Stuttgart 1959. /42/ aus: ‹Imprimerie Nouvelle›, Juni 1958. /43/ Bibliothèque Forney, Paris. Fotografie: J-H. M. /44/ Bibliothèque Forney, Paris. Fotografie: J. Mourreau. Univers /02/12/15/18/ aus: ‹Typographische Monatsblätter› 5/1957. /03/ Fotografie: Albert Boton. /04/05/06/07/08/16/33/39/51/52/53/55/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /09/ Fotografie: André Gürtler, Basel. Capitalis Monumentalis aus: Johannes Muess: ‹Das römische Alphabet›, Callwey, München 1989. /10/ aus: Adrian Frutiger: ‹Denken und Schaffen einer Typografie›, Maison du Livre, de l’Image et du Son, Villeurbanne 1994. /17/41/42/ Musée de l’imprimerie, Lyon. /20/ aus: Schweizerische Verlagsdruckerei G. Boehm: ‹Schrift- und Druckproben›, Basel o. J. /36/ Tania Prill Lutz (aus: ‹Typographische Monatsblätter› 9/1967). /37/ Jean Mentha, Cortaillod und Alfred Hoffmann, Basel. /38/ aus: ‹Deutscher Drucker› 3/1972. /40/ oben: Ladislas Mandel, Le Paradou. Mitte, unten: Musée de l’imprimerie, Lyon. /43/45/ Linotype AG, Bad Homburg. /44/ Monotype Imaging, Salfords, Surrey. /46/47/ Papiermühle, Basel. /50/ aus: ‹Typografische Monatsblätter› 1/1988. /54/ Fotografie: Erich Alb, Cham. /57/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel.

Egyptienne F /01/03/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /02/ Fotografie: Georges Dudognon (aus: ‹Informations TG›, November 1970, Nr. 526). /16/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. /20/23/ Linotype AG, Bad Homburg. Opéra /01/02/03/04/07/ Ladislas Mandel, Le Paradou. Alphabet Orly /01/03/06/ Aéroports de Paris. /05/ Ladislas Mandel, Le Paradou. Apollo /01/03/04/05/ Adrian Frutiger. Monotype Images, Salfords, Surrey. /02/14/ Monotype Imaging, Salfords, Surrey. /06/ aus: Jan Tschichold: ‹Meisterbuch der Schrift›, Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965. /23/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /25/ aus: ‹Gutenberg-Jahrbuch› 1971. /26/ aus: ‹Monotype Recorder› 1/1979. St. Bride Library, London. Alphabet Entreprise Francis Bouygues /01/02/04/05/06/07/08/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /03/ aus: Walter Käch: ‹Schriften Ecriture Lettering›, Verlag Otto Walter AG, Olten 1949. Concorde /01/ Basler Papiermühle, Schweizerisches Museum für Papier, Schrift und Druck, Basel. /02/03/12/15/ André Gürtler, Basel. /04/ aus: Johannes Muess: ‹Das römische Alphabet›, Callwey, München 1989. /05/ aus: Max Caflisch: ‹Schriftanalysen›, Band 2, Typotron AG, St. Gallen 2003. /10/ André Gürtler, Basel. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. Serifen-Grotesk /Gespannte Grotesk /01/02/04/05/06/09/10/14/15/16/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /11/ Fotografie: Viktoria Juvalta. Alphabet Algol /01/ L. Bolliet, N. Gastinel, P. J. Laurent: ‹Un nouveau langage scientifique — algol›, Éditions Hermann, Paris 1964. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /03/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. Serifa /01/06/07/30/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /02/03/04/05/08/14/29/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /32/33/34/ Bauer Types, Barcelona. Gestaltung: Bruno Pfäffli, Paris. OCR-B /01/10/21/23/24/28/36/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /25/26/ aus: Hans Rudolf Bosshard: ‹Technische Grundlagen zur Satzherstellung›, Verlag des Bildungsverbandes Schweizerischer Typografen, Zürich 1980. /17/18/19/20/ ECMA: ‹ECMA Standard for the alphanumeric Character Set OCR-B for Optical Recognition› 1963. /27/32/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. /38/ aus: ‹Arts et Techniques Graphiques› Nr. 75/1968. /39/ Identitätskarte der Schweizerischen Eidgenossenschaft /40/ aus: ‹Typografische Monatsblätter› 11/1974.

Univers IBM Composer /01/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /07/08/14/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /09/10/11/ aus: ‹IBM Journal of Research and Development› Nr. 1, Vol. 12, 1968. /12/ IBM: ‹IBM Composer-Schriften›, o. J. /13/ Hans-Jürg Hunziker, Auxerre. /14/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. Alphabet EDF-GDF /01/ aus: Electricité de France Gaz de France: ‹Memoires de la Communication›, Paris 1994. — www.edf.fr. /03/08/09/ Electricité de France Gaz de France: ‹La reception du public dans les unites de la distribution›, Paris 1968. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /04/05/06/07/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE.

Katalog /01/02/03/04/05/07/10/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /08/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Devanagari / Tamil /03/ Fotograf: unbekannt. /06/ Fotografie: André Gürtler, Basel. /07/ aus: ‹Typographische Monatsblätter› 6—7/1967. /08/ Publikation unbekannt. /11/ aus: Monotype Corporation: ‹Specimen Book of «Monotype» Non-Latin Faces›, Salfords, Redhill ca. 1972. /13/16/17/18/19/22/23/29/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /20/24/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /21/ Fotografie: Bruno Pfäffli, Paris. /26/27/28/29/ Mahendra Patel. Alpha BP /01/09/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /02/ aus: ‹Graphics World› 32/1981. — www.bp.com. /03/04/ aus: ‹Graphics World› 32/1981. /05/ Bauhaus-Archiv, Berlin. VG Bild-Kunst Bonn. /08/ aus: Lewis Blackwell: ‹Schrift als Experiment›, Birkhäuser Verlag, Basel 2004. /10/ Georg Staehelin, Ottenbach. Fotografie: Pentagram. /11/ Fotografie: Pentagram. Documenta /03/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /07/ Linotype AG, Bad Homburg. Alphabet Facom /02/03/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /04/05/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. Alphabet Roissy /01/02/28/ Fotografie: Erich Alb, Cham. /03/05/06/07/08/10/11/13/14/19/20/21/22/23/26/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /04/ ‹Typografische Monatsblätter› 1/1977. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /09/ aus: Max Caflisch: ‹Schriftanalysen›, Band 2, Typotron AG, St. Gallen 2003. /25/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /27/ Fotografie: Jean-J. Moreau. Alphabet Brancher /01/ aus: Kurt Weidemann: ‹Der Druckspiegel›, Dezember 1961, Typografische Beilage 12a. /02/04/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /03/05/07/ Bruno Pfäffli, Paris. /06/ aus: ‹Caractère› 1/1967 — aus: ‹Informations TG›, Nr. 578, März 1972. Iridium /05/ Linotype AG, Bad Homburg. /16/23/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. /17/ Gutenberg Bibliothek Mainz. /21/22/Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /25/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. Alphabet Métro /06/08/09/10/11/13/14/15/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /07/ Fotografie: Pio Corradi. Alphabet Centre Georges Pompidou /01/ Ernst Hiestand, Zürich. /03/ aus: Jean Widmer: ‹Jean Widmer›, Maison du Livre, de l’Image et du Son, Villeurbanne 1991. /04/ Hans-Jürg Hunziker, Auxerre. Frutiger /04/ aus: Conways: ‹Quick name a sans›, London o. J. /05/06/07/23/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /24/25/33/70/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin. /29/35/ Linotype AG, Bad Homburg. /30/ Schweizerische Stiftung Schrift und Typographie, Bern. /68/69/ aus: Schweizerische Normenvereinigung: ‹Normalschrift für Signale›, Zürich 1972. Fotografie: Viktor Stampfli. /70/ Fotografien: Philippe Karrer, Basel, Viktor Stampfli, Winikon. /71/ aus: Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute: ‹Strassensignale›, Zürich 2002. /75/ MetaDesign Berlin.

Glypha /07/ aus: D. Stempel AG: ‹Typefaces designed by Adrian Frutiger. Schriften von Adrian Frutiger. Caractères créés par Adrian Frutiger›, Frankfurt am Main 1983.

Vectora /01/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel. /02/06/07/20/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /16/ Kurt Wälti, Urtenen-Schönbühl.

Icone /01/02/03/04/05/06/07/08/09/33/ Adrian Frutiger, Bremgarten BE. /15/ Linotype AG, Bad Homburg. /28/ aus: ‹Linotype Express› 14 /1988. /29/30/31/ aus: ‹Der Polygraph›, Sonderdruck 1988. /32/ Fotografie: Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Basel.

Linotype Didot /01/03/ Linotype AG, Bad Homburg. /09/ aus: Jan Tschichold: ‹Meisterbuch der Schrift›, Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965. /14/ aus: W. Turner Berry: ‹Encyclopedia of Type Faces›, Blandford Press, London 1970.

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Für die Abbildungen in den Erklärungen zur Satztechnik danken wir folgenden Personen, Firmen und Institutionen für die Überlassung der Abdruckrechte: Fritz Antenen, IBM, Linotype AG, Monotype Imaging, Peter Karow, Musée de l’imprimerie Lyon, Polygraph Verlag Press Medien GmbH & Co KG, Wikimedia Commons (Ian Ruotsala).

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Literaturverzeichnis

Periodika Für die Recherche konsultierte Zeitschriften und Jahrbücher: ‹Art de France› ‹Bulletin officiel des cours professionnels› ‹Caractère. Revue mensuelle des industries graphiques› ‹Caractère Noël› ‹Deberny & Peignot, Bulletin d’information› ‹Der Druckspiegel› ‹Der Polygraph› ‹Design Industrie› ‹Deutscher Drucker› ‹DruckIndustrie› ‹Esthétique Industrielle› ‹Etapes Graphiques› ‹form› ‹Graphê› ‹Graphis› ‹Gutenberg-Jahrbuch› ‹Informations TG› ‹L’Imprimerie Nouvelle› ‹La France Graphique› ‹Métiers graphiques› ‹Monotype Newsletter› ‹Monotype Recorder› ‹Neue Graphik› ‹Officina. Mitteilungen des Hauses Schwabe & Co AG, Basel› ‹Page› ‹Techniques graphiques› ‹Typografische Monatsblätter / Revue Suisse de l’imprimerie / Swiss Typographic Magazine› ‹U&lc› (Upper and lower case) ‹Visible Language› ‹Werk›

Internet (Auswahl) http://de.wikipedia.org http://en.wikipedia.org http://fr.wikipedia.org http://ellie.rit.edu:1213/dphist1.htm http://sammlungen-archive.hgkz.ch www-05.ibm.com www.100besteschriften.de www.adobe.com www.atypi.org www.bauhaus.de www.bitstream.com www.bleisetzer.de www.brancher.com www.centrepompidou.fr www.cgstudionyc.com www.edf.fr www.emigre.com www.eurographicpress.com www.facom.fr / www.facom.de www.fontbureau.com www.fontinform.de www.fonts.com www.fontshop.de www.houseoftype.com www.identifont.com www.itcfonts.com www.kghoefer.de www.klingspor-museum.de www.letraset.com www.linotype.com www.medienpsychologie.at www.monotypeimaging.com www.imprimerie.lyon.fr www.myfonts.com www.obib.de www.p22.com www.proz.com www.perrousseaux.com www.peterrueck.ch www.porcheztypo.com www.sanskritweb.net www.schreibwerkstatt-klingspor.de www.sergecortesi.com www.shiseido.co.jp www.stbride.org www.systemarchitektur.de www.typofonderie.com www.typeforum.de www.typography.com www.typolexikon.de www.westiform.com

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Schriftkataloge Für die Recherche und Schriftvergleiche verwendete Schrift­ musterbücher (Schriftmuster-Prospekte sind nicht aufgeführt). Adobe Systems Incorporated: ‹Adobe Type Library. Reference Book / Adobe-Schriftenbibliothek. Referenzhandbuch / Guide de Référence de la Typothèque Adobe›, San Jose 2000. Agfa Monotype: ‹Creative Alliance 9.0›, Wilmington (MA) 1999. Bauersche Giesserei: ‹Schriftenprobe›, Frankfurt am Main 1960. Bauersche Giesserei: ‹Des Buchdruckers Schatzkästlein›, Frankfurt am Main o.J. H. Berthold AG: ‹Berthold-Schriften›, Hauptprobe Nr. 428, Berlin o.J. H. Berthold AG: ‹Berthold Fototypes E1›, Berlin 1974. H. Berthold AG: ‹Berthold Fototypes E2, Body Types›, Berlin / München 1980. H. Berthold AG: ‹Berthold Fototypes E3›, Berlin 1982. Bitstream ‹Bitstream Typeface Library — PostScript›, Cheltenham Gloucestershire etwa 1989. Compugraphic Corporation: ‹A portfolio of text & display type›, Wilmington (MA) 1980. Compugraphic Corporation: ‹Compugraphic Typefaces›, Vol. 1+2, Wilmington (MA) 1985. Deberny & Peignot: ‹Spécimen Général›, Tome I+II, Paris 1926. Deberny & Peignot: ‹La Lumitype Possibilités Exemples›, Paris etwa 1957. Deberny & Peignot: ‹typographie›, Paris o.J. Deberny & Peignot: ‹Liste des Caractères Lumitype›, Paris o.J. (1961). Deberny & Peignot: ‹compo dp›, Paris o.J. (1961). Emigre: ‹Emigre›, Nuth 1998. Schriftgiesserei Flinsch: Frankfurt am Main, undatiert (Ende 1910er Jahre). FontShop International: ‹FontBook. Digital Typeface Compen­ dium›, Berlin 1998 und 2006. Haas’sche Schriftgiesserei: ‹Hauptprobe›, Münchenstein o.J. Haas France: ‹Spécimen de Caractères›, Paris o.J. Haas Stempel: ‹Universal-Schriftprobe›, Münchenstein / Frankfurt am Main 1974. Handsetzerei Ernst Gloor: ‹Univers› mit typografischen Blättern von Fridolin Müller›, Zürich 1966. Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH: ‹Typography› 9/1989, Kiel 1989. IBM: ‹IBM Composer-Schriften›, Sindelfingen o.J. Imprimerie Nationale: ‹Le Cabinet des Poinçons de l’Imprimerie Nationale›, Paris 1963. International Photon Corporation: ‹Typefaces›, o.J. International Typeface Corporation: ‹The ITC Typeface Collection›, New York 1980. Intertype Company: ‹InterType Faces›, Brooklyn / New York 1958. Letraset: ‹Letraset›, Glattbrugg 1990. Lettergieterij Amsterdam: ‹Auslese Moderner Druckschriften / Choix de caractères modernes›, Amsterdam o.J. Linotype GmbH: ‹Linotype-Schriften›, Berlin / Frankfurt 1967. Linotype: ‹Linotype Fotosatz Schriften — im 18-Einheiten-System für Linocomp, Linofilm VIP und Linotron›, Eschborn etwa 1974. Linotype Font Center: ‹Digital Type Faces / Digitale Schriften / Caractères digitalisés›, Eschborn bei Frankfurt 1984. Linotype AG: ‹LinoTypeCollection. Mergenthaler Type Library / Mergenthaler Schriftenbibliothek / Typothèque Mergen­ thaler›, Eschborn bei Frankfurt 1986 und 1987. Linotype AG: ‹Linotype Library — Typeface Handbook / Schriftenhandbuch / Catalogue de Caractères› (PostScript), Eschborn bei Frankfurt 1988. Linotype-Hell AG: ‹LinoTypeCollection. Linotype Laser Fonts / CRT Fonts›, Eschborn bei Frankfurt 1992. LinotypeLibrary: ‹Typeview Font Catalog 6.0›, Eschborn 1996. LinotypeLibrary: ‹FontExplorer Font Catalog›, Bad Homburg 1998 und 2001. Linotype GmbH: ‹Typeface Catalog A—Z›, Bad Homburg 2006. Matrotype: ‹Matrotypefaces›, o.J. Mecanorma: ‹Mecanorma Graphic Book 14›, Versailles 1988. Mergenthaler Linotype: ‹mergenthaler vip typeface›, Band 1+2, New York 1980. Mergenthaler Linotype Stempel Haas: ‹54 unit General Typefaces›, o.J. Mergenthaler Linotype Stempel Haas: ‹Display Typefaces›, o.J. Mergenthaler Linotype Stempel Haas: ‹Text Typefaces›, o.J. Mergenthaler Linotype Stempel Haas: ‹digital typeface directory›, Eschborn 1983. Monotype Corporation: ‹Specimen Book of «Monotype» Printing Types›, Vol. 1+2 Salfords, Redhill etwa 1970. Monotype Corporation: ‹Specimen Book of «Monotype» Non-Latin Faces›, Salfords, Redhill etwa 1972. Monotype Corporation: ‹Specimen Book of «Monophoto» Filmsetter Faces›, Salfords, Redhill o.J.

Photon Inc.: ‹Photon Phototypesetting Typefaces›, Wilmington (MA) o.J. (etwa 1972). Schweizerische Verlagsdruckerei G. Böhm: ‹Schrift- und Druck­proben›, Basel o.J. Società Nebiolo: ‹Caratteri Indispensabili alla Tipografia Moderna›, Turin o.J. D. Stempel AG: ‹Gesamtprobe der lieferbaren Schriften›, Frankfurt am Main 1974. Unionsdruckerei Bern: ‹Schriftprobe der Unionsdruckerei Bern›, o.J. Unterabteilung Kart der Hauptvermessungsabteilung X (Hg.): ‹Schriftmusterbuch — Schriften, Ziffern, Zeichen und Ligaturen der Stempelei der HVA X›, Bad Godesberg 1948.

CD-ROM Octavo Corporation, ‹Giambattista Bodoni: Manuale Tipografico›, Oakland 1998.

Dank / Sponsoren

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den nachfolgend aufgeführten Institutionen, Firmen und Personen für die Förderung und Unterstützung der Publikation. Ohne ihren Beitrag wäre dieses Werk nicht erschienen.

Dank für die grosszügige finanzielle Unterstützung  Adrian Frutiger, Bremgarten BE Sandoz-Familienstiftung, Pully Mit Unterstützung von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

Dank für Sachleistungen Arctic Paper Deutschland GmbH (Wolfgang Lübbert) Dr. Cantz’sche Druckerei GmbH & Co. KG, Stuttgart (Hermann Kuhnhäuser) Klingspor-Museum Offenbach am Main (Stefan Soltek, Andrea Weiß) Musée de l’imprimerie, Lyon (Alan Marshall, Pierre-Antoine Lebel) MetaDesign, Berlin polygraph, Press Medien GmbH & Co. KG, Detmold Dank für kostenfreie Schriften Elsner + Flake — Barcelona, Carus, Columna, Egyptian 505, Playbill Fontbureau — Agenda, Hoffmann Fonthaus (Mark Solsburg) — Cameo FontShop — FF Advert, FF Bau, FF Dax, FF Signa ‹form› — F Frutiger Walter Fruttiger — Méridien, Ondine, Initiales Phoebus, Initiales Président, Univers (Vergünstigung der Original Bleisatzschriften) Hoefler & Frere-Jones (Jonathan Hoefler) HTF Didot light 16 Letterperfect — Didot LP Linotype AG — Avenir Next, Basilia, Beneta, Linotype Didot Openface, Frutiger LT, Frutiger Next, Frutiger Cyrillic, Frutiger Serif, Litera, Nami, Linotype Syntax Lapidar, Linotype Univers, Vendome, Vialog Monotype Imaging — Albertina, Buffalo Gal, Figaro, Virgile Typos, Peter H. Singer — Boton, Poppl Laudatio URW++ — Corporate A, Legende

Dank für Material und Informationen Paul Andreu, Paris Aéroports de Paris, Orly (Stefania Bator, Photothèque) Albert Boton, Paris Basler Papiermühle (Alfred Hoffmann, Stefan Meier, Markus Müller) Basler Zeitung (Fritz Sutter, Heinrich Schanner) Bauer Types, Barcelona (Wolfgang Hartmann) Pierre Berès †, Paris Bibliothek Forney, Paris (Martine Guillermaine Boussoussou) Bibliothèque nationale de France, Paris Bouygues, Paris (Hubert Engelmann) Brancher, Tremblay-les-Villages (Sebastien Brancher) Max Caflisch †, Meilen Dr. Cantz’sche Druckerei GmbH & Co. KG, Stuttgart (Hermann Kuhnhäuser) Roger Chatelain, Mont-sur-Lausanne Comedia, Bern (Hans Kern) Serge Cortesi, Paris ‹Die Zeit›, Hamburg (Andrea Beekmann, Ulrike Pieper, Ruth Viebrock) EDF-GDF, Paris (Damien Kuntz) ETH-Bibliothek, Zürich Fachbibliothek der Schule für Gestaltung Basel Facom, Morgangis (Thierry Givone) Dave Farey, London Alan Fletcher †, London Colin Forbes, Westfield (NC) Rainer Frenkel, Hamburg Friedrich Friedl, Frankfurt am Main Jürg Fritzsche, St. Gallen Adrian Frutiger, Bremgarten BE Erich Frutiger, Interlaken Simone Frutiger †, Bremgarten BE

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Rainer Gerstenberg, Darmstadt Walter Greisner, Königstein André Gürtler, Basel Gutenberg-Bibliothek Mainz (Claus Maywald-Pitellos, Wolfgang Steen, André Horch) Gutenberg-Gesellschaft (Gertraude Benöhr) Romano Hänni, Basel Reinhard Haus, Maintal Jost Hochuli, St. Gallen Hans-Jürg Hunziker, Paris Peter Keller, Paris Fabian Kempter, Basel André Jammes, Paris Günther Gerhard Lange, Großhesselohe Olaf Leu, Wiesbaden Günther Lieck, Zürich Linotype, Bad Homburg (Bruno Steinert, Otmar Hoefer, Bernd Hofmacher, Hans Reichardt) Bruno Maag, London Ladislas Mandel †, Le Paradou Jean Mandel, Arles Jean Mentha, Cortaillod Monotype Imaging, Salfords, Surrey (Robin Nicholas) Luis Murschetz, München Marcel Nebel, Basel Mike Parker, Portland (ME) Mahendra Patel, Ahmedabad Yves Perrousseaux, Reillanne Bruno Pfäffli, Paris Tania Prill, Zürich François Rappo, Lausanne Rochester Institute of Technology (Amelia Hugill-Fontanel) Fiona Ross, London Helmut Schmid, Osaka Christian Schmidt-Häuer, Hamburg Werner Schneider, Wiesbaden Jonas Schudel, Gockhausen Yvonne Schwemer-Scheddin, Planegg Pierre di Sciullo, Paris Paul Shaw, New York Martin Sommer, Basel Georg Staehelin, Ottenbach Viktor Stampfli, Winikon St. Bride Library, London (Nigel Roche) Typemuseum London (Duncan Avery) URW++, Hamburg (Stefan Einkopf, Peter Rosenfeld) Jovića Veljovic, Hamburg Gregory Vines, Basel Kurt Wälti, Urtenen-Schönbühl Westiform AG, Niederwangen (Niklaus Imfeld) Dank für Mitarbeit — Gestaltung, Layout, Fotografie, Repro­ duktion, Korrektorat, Produktion Kaspar Elsaesser, Michael Hartmann, Simon Hauser, Philippe Karrer, Angelo A. Lüdin, Andrea Näpflin, Tamara Nakhutsrishvili, Sandra Rizzi, Sybille Schaub, Matthias Schneider, Esther Stamm, Daniela Stolpp

Impressum

Buchidee Friedrich Friedl, Adrian Frutiger, Erich Alb Konzeption, Gestaltung, Layout, Projekt­organisation feinherb, Visuelle Gestaltung. Basel Heidrun Osterer & Philipp Stamm Gespräche mit Adrian Frutiger zu seinem Schaffen Erich Alb, Rudolf Barmettler, Philipp Stamm Texte aus den Gesprächen mit Adrian Frutiger Silvia Werfel in Zusammenarbeit mit Heidrun Osterer, Philipp Stamm Texte aus den Recherchen Heidrun Osterer, Philipp Stamm Texte zu den Techniken der Schriftherstellung Peter Karow, René Kerfante, Heidrun Osterer, Hermann Pfeiffer, Philipp Stamm Fachlektorat Erich Alb, Adrian Frutiger, Bruno Pfäffli, Paul Shaw Textredaktion Thomas Menzel Korrektorat Esther Stamm Verwendete Schriften Avenir, Avenir Next, Egyptienne F, Linotype Univers und weitere Schriften der Linotype GmbH, Bad Homburg sowie Schriften anderer Hersteller Reproduktionen feinherb, Visuelle Gestaltung. Basel weissRaum, Basel (Kaspar Elsaesser) Papier Inhalt: Munken Pure, 130 g /m2 (Arctic) Vorsatz: f-color / schwarz (Zanders) Überzug: Peyer Princesse Druck VVA / Konkordia / Wesel Kommunikation, Baden-Baden

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind abrufbar im Internet über http://dnb.d-nb.de Das Buch erscheint im Jahr 2008 parallel in englischer Sprache unter dem Titel Adrian Frutiger — Typefaces. The Complete Works (ISBN 978-3-7643-8581-1) sowie in französischer Sprache unter dem Titel Adrian Frutiger — Caractères. L’Œuvre complète (ISBN 978-3-7643-8582-8). Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch be­­gründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikro­verfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs­ weiser Verwer­tung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Copyright © 2009 Birkhäuser Verlag AG Basel · Boston · Berlin Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media © 2009 für die abgebildeten Werke bei den Fotografen und Künstlern und ihren Rechtsnachfolgern; für die abgebildeten Werke von Adrian Frutiger bei der Schweizerischen Stiftung Schrift und Typographie, Bern Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN: 978-3-7643-8576-7

Buchbinderische Verarbeitung Großbuchbinderei Josef Spinner GmbH, Ottersweier

987654321

www.birkhauser.ch



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