Der allererste Volvo war ein Hecktriebler. Der war 1927 einfacher zu realisieren als der technisch aufwändigere Frontantrieb und brachte zudem Vorteile bei der Gewichtsverteilung. Den Umstieg auf den Frontantrieb vollzog Volvo erst Mitte der 1980er Jahre mit dem neuen Einstiegsmodell der 400er Klasse. Und erst 1998 lief in Göteborg mit dem P90 der – aus damaliger Sicht – letzte hinterradgetriebene Volvo vom Band, schwenkten die Schweden auf den Antrieb der Vorderräder um. „Jahr um Jahr hatte Volvo dem eindeutigen Trend zum Frontantrieb widerstanden. Nun ging eine Ära zu Ende“, heißt es dazu damals in einer Firmenchronik.

Thors Hammer 
Bis zu 300 kW und 670 Newtonmeter Drehmoment mobilisiert der neue Allradantrieb. Anhängelasten von bis zu 1800 Kilogramm lassen sich damit ziehen - und Sprints auf Tempo 100 in 4,8 Sekunden hinlegen. Foto: Volvo
Thors Hammer
Bis zu 300 kW und 670 Newtonmeter Drehmoment mobilisiert der neue Allradantrieb. Anhängelasten von bis zu 1800 Kilogramm lassen sich damit ziehen – und Sprints auf Tempo 100 in 4,8 Sekunden hinlegen. Foto: Volvo

25 Jahre später heißt es in Göteborg nun: Kommando zurück. Für die zweite Hälfte des Modellzyklus kriegt der vollelektrische Volvo XC 40 Recharge und sein sportliches Schwestermodell C40 einen neuen Antriebsstrang verpasst, bei dem entweder ausschließlich die Hinterachse angetrieben wird oder (bei Allradantrieb) die Hinterachse die Oberhand bekommt, mit mehr Leistung und Drehmoment.

Fast 100 Kilometer mehr Reichweite

Die erneute Antriebswende hat beileibe nichts mit Nostalgie zu, wie Lutz Stiegler am Rande der Fahrpräsentation in Berchtesgaden erläutert. Der ehemalige VW-Ingenieur aus Zwickau ist bei Volvo „Senior Technical Manager Propulsion“ und mithin für die Weiterentwicklung der Elektroantriebe verantwortlich. Der aufwändige Umbau diene vielmehr dazu, die Effizienz und Performance der beiden ersten Elektroautos von Volvo weiter zu verbessern. Statt wie bisher 418 Kilometer rollt der heckgetriebene XC 40 mit der kleinen, brutto 69 kWh fassenden Batterie nun bis zu 478 Kilometer weit. Bei der allradgetriebenen und „Extended Range“-Version mit dem 82 kWh fassenden Akku sind nun sogar Fahrten von bis zu 575 Kilometer ohne Ladepause drin – fast 100 Kilometer mehr als bisher.

Da kommt Freude auf 
Der neue Farbton "Sage Green Metallic" (Aufpreis 790 Euro) ist gewöhnungsbedürftig, der neue Antrieb nicht.
Da kommt Freude auf
Der neue Farbton „Sage Green Metallic“ (Aufpreis 790 Euro) kann depressiv machen, der neue Antrieb nicht.

„Bis auf den Klimakompressor und die 12-Volt-Batterie ist alles neu“, umreißt Stiegler die Maßnahmen am Antriebsstrang. Der 190 kW (258 PS) starke Permanentmagnet-Synchronmotor (PSM) der zweiten Generation, der die Hinterräder antreibt, sei eine Eigenentwicklung. Neu ist auch der Siliziumkarbid-Inverter, der den in der Batterie gespeicherten Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt und umgekehrt den beim Bremsen zurückgewonnenen Strom zur Speicherung in die Batterie. Allein der neue Inverter erhöht den Wirkungsgrad des Antriebs um fünf Prozent. Weitere fünf Prozent, rechnet Stiegler vor, bringe das „gemischte Doppel“ aus PSM hinten und Asynchronmaschine (ASM) vorne – bislang waren beim Allradradler zwei 150 kW starke ASM am Werk.

Neuer Akku mit besserer Zellchemie

Die neue Mixtur spare nicht nur 18 Kilogramm Gewicht, sondern erlaube es auch, den vorderen Motor ohne Energieverbrauch mitlaufen zu lassen, wenn der Schub der Heckmaschine ausreicht. „Zudem kriegen wir mehr Kraft auf die Straße, wenn sie benötigt wird.“ Um das Paket abzurunden, bekam der große Akku über eine neue Zellchemie eine größere Leistungs- und Energiedichte. Diese erlaubt es auch, die Ladegeschwindigkeit zu erhöhen: Die maximale Ladelastung beträgt hier nunmehr 205 statt wie bisher 150 kW. Zumindest für sechs Minuten, wie Stiegler einräumt. Mehr lasse sich aus einer 400-Volt-Architektur nicht herausholen, ohne dass es zu „Lithium-Plating“ kommt, der Abscheidung von metallischem Lithium auf der negativen Elektrode. Das Phänomen verkürzt die Lebensdauer der Zellen und erhöht das Ausfallrisiko sowie die Brandgefahr.

Geschmacksfrage 
Ob der Volvo als C40 mit Fließheck oder als XC40 mit Steilheck geordert wird, ist egal: Der Preis ist gleich. Foto: Volvo
Geschmacksfrage
Ob der Volvo als C40 mit Fließheck oder als XC40 mit Steilheck geordert wird, ist egal: Der Preis ist gleich. Foto: Volvo

Aber genug der Theorie. Wie wirkt sich das Maßnahmenpaket auf das Fahrerlebnis aus?

Zunächst einmal gar nicht groß. Denn der Volvo C40 zählte schon vorher zu den angenehmsten Stromern auf dem deutschen Markt. Mit hohem Fahrkomfort und großer Laufruhe, mit einem für ein Elektroauto dieser Größenordnung mehr als ordentlichen Raumangebot und einem hochwertigen und mit vielen liebevoll gestalteten Details ausgestalteten Interieur. Ganz lässig, aber auch nicht immer sehr sparsam zu fahren: Verbräuche von bis zu 25 kWh/100 km stellten sich in der Allradversion bei Fahrern mit einem schweren rechten Fuß schnell ein.

Stromverbrauch sinkt deutlich

Und nun? Hatten wir selbst auf kurvenreichen Bergstraßen Mühe, den Durchschnittsverbrauch auf über 20 kWh/100 km zu bringen. Im Schnitt landeten wir bei 18,2 kWh/100km. Und die Fahrfreude ist durch die Verlagerung der Kräfte auf die Hinterachse tatsächlich spürbar gestiegen. Neigte der Fronttriebler früher – ganz typischerweise – zum Untersteuern, also in schnellen Kurven zum Schieben über die Vorderräder, so „schwänzelt“ er nun. Ganz leicht und dank ESP auch auf nassen Fahrbahnen ganz ungefährlich. Aber so, dass der C40 deutlich sportlicher daherkommt als zuvor. Auch weil das Fahrwerk recht dynamisch abgestimmt ist und auch die Lenkung gute Rückmeldungen gibt.

Schotter-fest
Der Volvo C40 ist eine Mischung aus Coupé und SUV. Die Geländegängigkeit des Crossover sollte aber nicht überschätzt werden. Foto: Rother
Schotter-fest
Der Volvo C40 ist eine Mischung aus Coupé und SUV. Die Geländegängigkeit des Crossover sollte aber nicht überschätzt werden. Foto: Rother

Einen speziellen Sportmodus sucht man im Volvo-Stromer allerdings vergeblich. Auf den persönlichen Geschmack einstellen lässt sich lediglich die Rekuperation – etwas umständlich im Untermenue des neun Zoll großen Zentralbildschirms statt über einen Knopf oder eine Wippe am Lenkrad. Es gibt die Möglichkeit zum Ein-Pedal-Fahren bis zum Stillstand, aber auch einen Automatik-Modus, der die Rekuperationsleistung von bis zu 100 kW pro Achse in Zusammenarbeit mit dem Abstandsradar den Straßen- und Verkehrsverhältnissen anpasst. Für entspanntes Fahren ist also gesorgt.

Preise steigen um gut sechs Prozent

Natürlich hat der ganze Aufwand seinen Preis. So müssen für den C40 ebenso wie für den XC40 Recharge mit Single Motor inzwischen wenigstens 47.500 Euro aufgewendet werden, für den Hecktriebler mit großem Akku noch einmal 6.950 Euro mehr. Und das elektrische Sportcoupé sowie das SUV sind mit Allradantrieb nicht für unter 61.400 Euro zu bekommen. Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren betrug der Preis für die allradgetriebene Topversion noch 57.890 Euro. Da sieht man mal, was die Inflation anrichtet.

Artikel teilen

2 Kommentare

  1. Thomas

    300kW und 670nw Drehmoment und dann nur 1800kg Anhänger, wo ist da der Fortschritt?

    Antworten
  2. Verbraucher

    Ab 47.500 €, Allrad ab mind. 61.400 €. Was soll das? Bedarf besteht an 25.000 € E-Autos, falls noch nicht mitbekommen.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert