Ab dem 1. Januar übernimmt Belgien die EU-Ratspräsidentschaft für das erste Halbjahr 2024 von Spanien. Das wird das Hauptaugenmerk der nationalen Regierung sein. Mit dem Abschluss der Verhandlungen über den Migrations- und Asylpakt und der erhofften Zustimmung des EU Parlaments zu den neuen Haushaltsregeln der Union sehen sich die Minister in einer großen Verantwortung auf der EU-Bühne. Die belgische Präsidentschaft wird auch die Debatte über die künftige EU-Erweiterung vorbereiten müssen.

Spanien, dessen Präsidentschaft endet, wird 2024 mit einer neuen Linksregierung beginnen. Um die schwierige Regierungsbildung zu erleichtern, hat Ministerpräsident Pedro Sánchez einem Gesetz zugestimmt, das eine Amnestie. Sie gilt für  diejenigen die in den katalanischen Unabhängigkeitsprozess involviert sind und noch offene Justizverfahren haben.

Diese Amnestie wird die politische Agenda für 2024 bestimmen. Die Europäische Kommission hat bereits angekündigt, dass sie die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit überprüfen werde. Spanien erwartet auch die mögliche Rückkehr des ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont und Proteste, die diese auslösen könnte.

Wahlen, Wahlen, Wahlen

Zwischen dem 6. und 9. Juni werden die Bürgerinnen und Bürger der 27 EU-Mitgliedstaaten an die Urnen gehen und ihre Stimme bei den Europawahlen abgeben. Viele rechnen mit einem starken Rechtsruck im Europäischen Parlament. 

In Frankreich könnte das Thema Migration im Mittelpunkt des Wahlkampfs für die Europawahl stehen. Im zweiten Jahr der zweiten fünfjährigen Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron gilt sie auch als Test seiner Amtsführung. Das wird die von Marine Le Pen unterstützte rechtsextreme Partei Rassemblement National (Nationale Versammlung), die  generell gegen Einwanderung ist, gegen die Partei Renaissance ausspielen, die zusammen mit mehreren zentralistischen Gruppen Macron unterstützt. Renaissance musste Zugeständnisse an die Rechte machen, damit das Parlament am 20. Dezember ein ausgewogeneres, aber immer noch umstrittenes Einwanderungsgesetz verabschieden konnte. 

Abseits der Europapolitik richtet Frankreich vom 26. Juli bis zum 11. August die Olympischen Spiele aus und plant außerdem die Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 8. Dezember.

Spanien könnte ein ähnliches Schicksal drohen, wenn die rechte Opposition versucht, die EU-Wahlen in ein erstes Plebiszit über die neu gebildete Regierung zu verwandeln. Kontrolle der ungeregelten Migration, Mangel an bezahlbarem Wohnraum, hohe Jugendarbeitslosigkeit oder die Kontrolle des öffentlichen Defizits werden 2024 in Spanien auf der Agenda stehen.

Der Wahlkampf für die Europawahlen in Slowenien wird sich sehr wahrscheinlich auf die Themen konzentrieren, die den Bürgern am meisten am Herzen liegen: Neben den Lebenshaltungskosten und der Inflation, die derzeit eine der höchsten in der Eurozone ist, werden dies sicherlich Migration, das (Nicht-)Funktionieren des Schengen-Raums sowie Themen wie  Hilfe für die Ukraine und die Haltung der EU im Hinblick auf die Lösung des Nahostkonflikts sein.

Neben den Europawahlen wird auch die US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 ein wichtiges außenpolitisches Ereignis sein. Sollte Donald Trump wiedergewählt werdenkönnte möglicherweise die US-Unterstützung für die Ukraine zurückgefahren werden, was dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände spielen würde. Es ist fraglich, ob die Europäer die Ukraine auf Dauer ohne die USA ausreichend unterstützen können und wollen, um Putins Expansionsbestrebungen entgegenzuwirken.

In der Ukraine wurden die ursprünglich für Anfang März geplanten Präsidentschaftswahlen wegen des anhaltenden Kriegsrechts abgesagt, da der Krieg mit Russland noch andauert. Anfang November betonte Präsident Wolodymyr Selenskij, „dass Wahlen jetzt nicht angebracht sind“.

Russland wird jedoch im März 2024 seine Präsidentschaftswahlen abhalten. Putins Gegner beschweren sich immer wieder darüber, dass die Wahlkommission die Registrierung von Kandidaten aufgrund angeblicher formaler Fehler ablehnt, wie zuletzt die Initiativgruppe der kremlkritischen Journalistin Jekaterina Duntsowa. Es gilt als sicher, dass Putin auch aus seiner fünften Kandidatur für das Präsidentenamt als Sieger hervorgehen wird. Der russische Präsident hat die Verfassung eigens ändern lassen, um erneut kandidieren zu können. Nach der aktuellen Fassung der Verfassung kann der 71-Jährige im Jahr 2030 zum letzten Mal kandidieren.

Eine Frau gibt ihre Stimme bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ab und wirft ihren Stimmzettel in die Wahlurne. Foto:Wolfgang Kumm/dpa

Nationale Wahlen in ganz Europa im Jahr 2024

Zusätzlich zu den anstehenden Europawahlen bitten mehrere europäische Länder ihre Bürgerinnen und Bürger,  bei einer Reihe von nationalen Wahlen ihre Stimme abzugeben. 

In Spanien finden die Regionalwahlen in Galizien, einer Hochburg der Partido Popular (PP), und im Baskenland statt. Dort sind die Parteien vertreten , die Premierminister Sánchez unterstützen.

In Belgien werden die Bürgerinnen und Bürger an den Bundes- und Regionalwahlen teilnehmen. Im Oktober werden die Bürger ein für Kommunalwahlen zweites Mal zur Wahlurne gerufen.

Rumänien steht ein atypisches Wahljahr bevor. Im Jahr 2024 werden die Bürgerinnen und Bürger voraussichtlich an vier verschiedenen Wahlen teilnehmen: Präsidentschafts-, Parlaments-, Kommunal- und Europawahlen. 

Auch in der Slowakei wird 2024 ein wichtiges innenpolitisches Jahr sein. Im Frühjahr werden die Bürgerinnen und Bürger nach fünf Jahren ein neues Staatsoberhaupt wählen. 

Die Alpenrepublik Österreich werden die Bürgerinnen und Bürger bei mehreren Landtags- und Kommunalwahlen ihre Stimmen abgeben. Im Jahr 2024 wird das Land auch ein neues Parlament wählen.

Auch in Deutschland stehen mehrere Wahlen an, darunter Regionalwahlen, bei denen Landesparlamente gewählt werden, sowie Wahlen von Kreistagen, Gemeinderäten und Bürgermeistern.

Deutschland wird im Januar und Juli/August der Gastgeber der Handball- und der Fußball-Europameisterschaften sein.

In Nordmazedonien stehen im nächsten Jahr sowohl Präsidentschafts- als auch Parlamentswahlen an. Die Präsidentschaftswahlen werden am 24. April abgehalten, während die mögliche zweite Runde voraussichtlich am 8. Mai zusammen mit den Parlamentswahlen stattfinden wird.

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Arbeiter kleben die neue Fassade der Büros der Europäischen Union mit dem Slogan „EU with you“ in Skopje, Republik Nordmazedonien, 24. September 2021. Foto: EPA-EFE/Georgi Licovski

Grünes Licht für die EU-Erweiterung bedeutet Umstrukturierung im eigenen Land

Die Länder, die den Kandidatenstatus innehaben, sind bestrebt, ihren Weg zum Beitritt weiter zu ebnen.

In Nordmazedonien werden Verfassungsänderungen angestrebt, beispielsweise um Minderheiten in die Präambel aufzunehmen. Das Land strebt auch Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, öffentliche Verwaltung und Schutz der Angehörigen von Minderheitengemeinschaften an. Auf dem EU-Ratsgipfel im Dezember wurde beschlossen, dass die EU bereit sei, die erste Phase der Beitrittsgespräche mit dem Land abzuschließen, sobald die Verpflichtung zur Annahme der Verfassungsänderungen erfüllt ist. Diese Änderung bleibt jedoch im Parlament vorerst blockiert, wobei mögliche Änderungen erst nach den Wahlen zu erwarten sind. 

Bosnien und Herzegowina (BiH), das vor einem Jahr den Kandidatenstatus erhalten hat, bekam 2023 unter Vorbehalt grünes Licht für die Aufnahme von Verhandlungen, sobald das erforderliche Maß an Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien erreicht ist. Die Kommission wird dem EU-Rat bis März 2024 darüber Bericht erstatten. Um verhandeln zu können, muss das Land Anfang nächsten Jahres Reformgesetze verabschieden, die den Kampf gegen Korruption verstärken, Rechtssicherheit schaffen und Argumente dafür liefern, dass das Land bei der Umsetzung von 14 entscheidenden Prioritäten Fortschritte macht. 

Andererseits forderten die europäischen Staats- und Regierungschefs die Behörden der Entität Republika Srpska auf, umstrittene Gesetze zurückzuziehen, die zu einem Rückschritt in Bezug auf die Grundfreiheiten in BiH führen würden. Besorgniserregend seien ein Gesetz, das Verleumdung unter Strafe stellt, sowie das Gesetz über „ausländische Agenten“, das eine besondere Überwachung von Nichtregierungsorganisationen vorsieht, die aus dem Ausland finanziert werden, und außerdem ein Gesetz, demzufolge die Entscheidungen des Hochrangigen Vertreters in dieser Entität nicht umgesetzt werden.

Im nächsten Jahr erwartet Albanien die Eröffnung des ersten Verhandlungsclusters. Im Dezember schloss das Land den Screening-Prozess zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften mit der Europäischen Union als erste Phase der Verhandlungen ab, die im Juli 2022 eröffnet wurden. Premierminister Edi Rama sieht es als unmittelbare Herausforderung an, rasche Fortschritte auf dem Weg in die EU zu erzielen, und betonte, dass Albanien heute über 50 Prozent der Kapazitäten verfüge, um als reif für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu gelten. Er würdigte die Arbeit der albanischen Verhandlungsführer, betonte jedoch, dass „wir noch am Anfang des Prozesses stehen“. 

Die Euro-Skulptur des Künstlers Ottmar Hörl leuchtet am Abend vor den Bankentürmen. Mit der Einführung einer gemeinsamen Währung hoben die EU-Staaten ihr Zusammenwachsen vor einem Vierteljahrhundert in eine neue Dimension. Foto: Arne Dedert/dpa

Beitritt zur Eurozone und zu Schengen

Rumänien hofft, das Schengen-Dossier im nächsten Jahr abschließend klären zu können, nachdem es das 2023 nicht erreichen konnte. Österreich hatte seine Position nach seinem Veto 2022 nicht geändert. Nach dem Ratstreffen für Justiz und Inneres Anfang Dezember gaben rumänische Beamte bekannt, dass Österreich seine Position aufgeweicht und dem Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum für den Flugverkehr zugestimmt habe.

Ursprünglich war geplant, dass Bulgarien 2024 der Eurozone beitreten solle. Im Februar 2023 erklärte die damalige geschäftsführende Finanzministerin Rositsa Velkova jedoch, das Land habe nicht alle Verpflichtungen erfüllt, die es mit dem Beitritt zum Wechselkursmechanismus der EU (WKM II) und dem Inflationskriterium eingegangen war. Deshalb hat Bulgarien das Zieldatum für den Beitritt auf den 1. Januar 2025 verschoben.

Bulgarien hat einen Aktionsplan für den Übergang von der bulgarischen Lew-Währung verabschiedet. Ein Lenkungsausschuss, in dem Euroskeptiker eine Schlüsselrolle spielen, sammelte genügend Stimmen für eine Petition für ein Referendum.  Bulgaren wurden darin aufgefordert , den Lew als einziges gesetzliches Zahlungsmittel bis 2043 beizubehalten. Die Zahl der Unterstützer-Stimmen waren ausreichend für die Abhaltung des Referendums, aber im  Juli 2023 lehnte das Parlament dies mit der Begründung ab, dass die Formulierung der Frage verfassungswidrig sei. Vazrazhdane, eine nationalistische und rechtsextreme Partei, brachte die Angelegenheit vor das Verfassungsgericht, wo der Fall noch anhängig ist.

Dieser Artikel wird wöchentlich veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.