Begutachtungshilfe

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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                 Stand: 12.12.2002 1.2 Timed „Up & Go“ Störungen der Mobilität und Stürze sind zentrale Probleme bei alten Patienten. Hausarzt und Geriater sollten sie so bald wie möglich erkennen, um präventive, diagnostische und therapeutische Maßnahmen einleiten zu können. Timed „Up & Go“ nach PODSIADLO & RICHARDSON überprüft die minimale Beweglichkeit, die beispielsweise die Voraussetzung für den selbständigen Gang zur Toilette ist. Das Überqueren einer Straße erfordert eine minimale Gehgeschwindigkeit von 0,5 Metern pro Sekunde. Timed „Up & Go“ beinhaltet einfache Aufgaben zur Erfassung der Mobilität, die in Sekunden gemessen werden. Handlungsanleitung: Timed „Up & Go“ Der Proband sitzt auf einem Stuhl mit Armlehne (Sitzhöhe ca. 46 cm). Er darf ggf. ein Hilfsmittel (z. B. Stock) benutzen. Die Arme liegen locker auf den Armstützen, und der Rücken liegt der Rücklehne des Stuhles an. Beim Erreichen dieser Position hilft der Untersucher nicht mit. Nach Aufforderung soll der Proband mit einem normalen und sicheren Gang bis zu einer Linie laufen, die in drei Metern Entfernung vor dem Stuhl auf dem Boden angezeichnet ist, sich dort umdrehen, wieder zum Stuhl gehen und sich in die Ausgangsposition begeben. Die dafür benötigte Zeit wird in Sekunden notiert; es ist keine Stoppuhr vorgeschrieben. Vor der eigentlichen Zeitmessung kann der Proband den Bewegungsablauf üben. Der Untersucher darf den Bewegungsablauf einmal demonstrieren. Ø Ergebnisinterpretation: Zeitdauer unter 10 Sekunden: Die Probanden sind in ihrer für den Alltag erforderlichen Mobilität völlig uneingeschränkt. Zeitdauer zwischen 11 und 19 Sekunden: Die Probanden sind weniger mobil, aber es bestehen noch keine Einschränkungen für die Erfordernisse des täglichen Lebens. Zeitdauer zwischen 20 und 29 Sekunden: Die Probanden sind in ihrer Mobilität soweit eingeschränkt, dass funktionelle Auswirkungen wahrscheinlich sind. Die Gehgeschwindigkeit dieser Gruppe liegt im allgemeinen noch bei den ca. 0,5 Metern pro Sekunde, die als minimale Erfordernis zu einem sicheren Überqueren einer Strasse gelten. Die entsprechende Patientengruppe ist aber gefährdet, weitere Einschränkungen ihrer Bewegungsfähigkeit zu erleiden. Zeitdauer über 30 Sekunden: Bei diesen Probanden liegt eine ausgeprägte Mobilitätseinschränkung vor, die in der Regel eine intensive Betreuung und eine adäquate Hilfsmittelversorgung erforderlich macht. 21
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                   Stand: 12.12.2002 1.3 Motilitätstest nach TINETTI Dem Timed „Up & Go“ schließt sich der Motilitätstest nach TINETTI an. Bei vielen Patienten mit offensichtlichen Gangstörungen zeigt eine neuromuskuläre Untersuchung kein Korrelat. Die unmittelbare Beobachtung des Bewegungsablaufes ist der körperlichen Untersuchung des Bewegungsapparates oft überlegen. Der Motilitätstest nach TINETTI ist in der Lage, Patienten mit erhöhtem Sturzrisiko zu identifizieren. Er analysiert einzelne Funktionen der Mobilität, wie Balance und Stand sowie Gangbild, mit Hilfe eines vorgegebenen Punktescore. Die maximal erreichbare Punktzahl beträgt 28 Punkte. Eine erniedrigte Punktzahl sagt erhöhtes Sturzrisiko vorher. Beide Verfahren eignen sich gut zu Verlaufskontrollen. Handlungsanleitung: Motilitätstest nach TINETTI Der Proband hat verschiedene Aufforderungen des Untersuchers zu befolgen. Art und Sicherheit der Durchführung werden bewertet. Beliebige Hilfsmittel dürfen verwendet werden. Sie werden auf dem Erhebungsbogen notiert. ·   Die Prüfung von Stand und Balance beinhaltet die Einzelschritte Aufstehen, Stehen in den ersten Sekunden, Stehen mit geschlossen Augen, Drehen auf der Stelle und wieder Hinsetzen. ·   Weiter wird die Standfestigkeit des Probanden durch mehrere leichte Stöße gegen die Brust überprüft. Der Untersucher sollte bei diesem Manöver in unmittelbarer Nähe des Probanden sein. ·   Bein Aufstehen soll beurteilt werden, ob dies dem Probanden beim ersten Anlauf gelingt oder ob er z. B. die Armlehne des Stuhles als Stütze braucht. ·   Beim Stehen ist es wichtig zu beurteilen, ob die Testperson einen Halt benötigt und ob die Füße geschlossen sind. ·   Zur Beurteilung des Gehens wird das Gangbild nach Schrittauslösung, Schrittlänge, Schritthöhe, Schrittsymmetrie, Gangkontinuität, Wegabweichung, Schrittbreite und Rumpfstabilität analysiert. Ø Ergebnisinterpretation: Punktezahl unter 20: Es besteht ein erhöhtes Sturzrisiko. 22
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                                            Stand: 12.12.2002 Motilitätstest nach TINETTI (modifiziert) I.      Balancetest Punkte                    0                       1                  2                    3                       4 Gleichgewicht im    unsicher               sicher, stabil Sitzen Aufstehen vom       nicht möglich          nur mit Hilfe      diverse Versuche;      braucht Armlehne      in einer fließenden Stuhl                                                         rutscht nach vorn      oder Halt (nur 1      Bewegung Versuch) Balance in den      unsicher               sicher, mit Halt   sicher, ohne Halt ersten 5 Sek. Stehsicherheit      unsicher               sicher, aber ohne  sicher, mit geschlossene       geschlossenen Füße               Füßen Balance mit         unsicher               sicher, ohne Halt geschlossenen Augen Drehung 360° mit    unsicher; braucht      diskontinuierl.    kontinuierliche offenen Augen       Halt                   Bewegung;          Bewegung; sicher beide Füße am Boden vor dem nächsten Schritt Stoß gegen die      fällt ohne Hilfe oder muss Füße           gibt sicheren Brust (3 x leicht)  Halt                   bewegen, behält    Widerstand aber Gleichgewicht Hinsetzen           lässt sich             flüssige Bewegung plumpsen; braucht Lehne; unzentriert Punkte Balancetest: . . /15 Pkt. II.     Gehprobe Punkte                               0                               1                               2 Schrittauslösung (Patient       Gehen ohne fremde Hilfe       zögert; mehrere Versuche;         beginnt ohne Zögern zu wird aufgefordert zu gehen)     nicht möglich                 stockender Beginn                 gehen; fließende Bewegungen Schritthöhe (von der Seite      kein selbständiges Gehen      Schlurfen oder übertriebenes      Fuß total vom Boden gelöst, beobachtet)                     möglich                       Hochziehen                        max. 2-4-cm über Boden Schrittlänge (von Zehen des                                   weniger als Fußlänge              mindestens Fußlänge einen bis Ferse des anderen Fußes) Schrittsymmetrie                Schrittlänge variiert, Hinken Schrittlänge bds. gleich Gangkontinuität                 kein selbständiges Gehen      Phasen mit beiden Füßen am        beim Absetzen des einen wird möglich                       Boden; diskontinuierlich;         der andere Fuß gehoben; Pausen                            keine Pausen Wegabweichung                   kein selbständiges Gehen      Schwanken, einseitige             Füße werden entlang einer möglich                       Abweichung                        imaginären Linie abgesetzt Rumpfstabilität                 Abweichung, Schwanken,        Rücken und Knie nicht Unsicherheit                  flektiert, kein Schwanken des Rumpfes, Arme werden nicht zur Stabilisierung abgewinkelt Schrittbreite                   Gang breitbeinig oder über    Füße berühren sich beinahe Kreuz Punkte Gehtest: . . /13 Pkt. Gesamtpunktzahl: . . von 28 Pkt. Welche Hilfsmittel wurden benutzt ? 23
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                Stand: 12.12.2002 1.4     Geldzählen Für ältere Menschen ist der richtige Umgang mit Geld eine wesentliche Voraussetzung für ihre selbständige Lebensführung. Ist der Umgang mit Geld nicht möglich, sind alte Menschen von anderen Personen abhängig. „Geldzählen“ nach NIKOLAUS erfasst die „feineren“ Tätigkeiten des täglichen Lebens, die manuellen Fähigkeiten, den Nahvisus und auch kognitive Funktionen durch die darin enthaltenden Rechenvorgänge. Das empfohlene Verfahren erfüllt alle Testgütekriterien; es ist besonders gut für Verlaufsuntersuchungen, z. B. unter Therapie geeignet. Gemessen wird die Zeitdauer in Sekunden, in der das empfohlene Verfahren durchgeführt werden kann. Pflegeabhängige Personen benötigen im Mittel 123 Sekunden, völlig selbständige Personen im Mittel 31 Sekunden. Handlungsanleitung: Geldzählen Die Testperson soll einen definierten Geldbetrag von 19,80 DM zählen. Das Geld befindet sich in einer Geldbörse (Größe ca. 12 x 9 cm) mit einem Außenfach für Geldscheine und einem Fach für Münzen (ca. 7 x 9 cm), welches mit einem Druckknopf verschlossen ist. In dem Münzfach sind ein 5-Mark-Stück, zwei 2-Mark-Stücke, ein 50-Pfennig-Stück und drei 10-Pfennig-Stücke. Der 10-Mark-Schein im Außenfach ist nicht zusammengefaltet. Der Untersucher erklärt dem Probanden vor dem Beginn des „Geldzählens“, dass sich in der Geldbörse verschiedene Münzen und ein Geldschein befinden und zeigt ihm die entsprechenden Fächer. Nach Aufforderung beginnt der Proband aus der geschlossenen Börse das Geld herauszunehmen und zu zählen. Die benötigte Zeit wird bei richtiger Nennung des Betrages in Sekunden notiert. Verzählt sich der Proband, macht der Untersucher ihn auf seinen Fehler aufmerksam. Nach drei Fehlversuchen oder nach 300 Sekunden wird der Test abgebrochen. Ø Ergebnisinterpretation: Zeitdauer unter 45 Sekunden: Der Proband ist selbständig. Zeitdauer zwischen 45 und 70 Sekunden: Es besteht ein Risiko für Hilfebedürftigkeit. Zeitdauer mehr als 70 Sekunden: Es besteht ein Risiko für erhebliche Hilfsbedürftigkeit. 24
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                    Stand: 12.12.2002 1.5    Handkraft Eine ausreichende Handgriffstärke ist die Voraussetzung für die manuellen Fähigkeiten bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens (Ankleiden, Essen, Kochen, Toilettengang etc.). Eine verminderte Handgriffstärke ist ein Anzeichen für generell verminderte Muskelkraft alter Menschen. Geringe Handgriffstärke korreliert daher stark mit deutlich erhöhtem Sturz- und Frakturrisiko, mit verminderter Selbsthilfefähigkeit und mit erhöhter Mortalität. Wir empfehlen daher, im Rahmen des Basisassessments die maximale Handgriffstärke zu prüfen (handgrip). Ein einfacher Handkraftmesser (Vigorimeter) wird von der Firma Orthopädia hergestellt und ist z. B. erhältlich bei: Firma Kaphings Niederwettersche Str. 1 35094 Lahntal-Goßfeldern. In den angloamerikanischen Ländern wird die Handgriffstärke häufig mit einem Dynamometer in der Einheit Newton (N) gemessen (1 kp = 9,81 N). Zur Messung der Handgriffstärke kann auch ein Vigorimeter verwendet werden. Der Proband komprimiert dabei einen Gummiballon mit einer Hand. Die dabei gemessene physikalische Größe ist der in der SI-Einheit Pascal (Pa) angegebene Druck, der bei der Bildung einer Faust auf Dynamometer oder Vigorimeter aufgebracht werden kann. Da Kraft und Druck zwei verschiedene physikalische Größen sind, lassen sie sich nicht direkt ineinander umrechnen. Durch vergleichende Messungen konnte gezeigt werden, dass der Druck von einem kPa in etwa der Kraft von 2,5 N entspricht. Die maximale Handgriffstärke (handgrip) unterliegt bei Normstichproben über 65jähriger gesunder Probanden erheblichen interindividuellen Schwankungen; sie ist bei Frauen im Mittel um über die Hälfte geringer als bei Männern. Handlungsanleitung: Handkraft Der Patient soll die Messung seiner Handkraft, in der für ihn günstigsten Position ohne Aufstützen der Arme durchführen. Es wird dreimal an der dominanten Hand gemessen. Der Abstand zwischen den einzelnen Messungen sollte eine Minute betragen. Der beste Wert der drei Messungen wird notiert. Bei Hemiplegiepatienten wird die Kraft der nicht betroffenen Hand gemessen. Ø Ergebnisinterpretation: Normwerte der Handgriffstärke: über 65 jährige gesunde Männer:           331 N (131 kPa) über 65 jährige gesunde Frauen:           191 N (76 kPa) Unterschreiten der Normwerte um mehr als 50%: Es besteht im Rahmen einer akuten Erkrankung ein signifikant erhöhtes Risiko für eingeschränkte Selbsthilfefähigkeit, Sturz, Fraktur und Sterblichkeit. 25
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                 Stand: 12.12.2002 1.6     Geriatrische Depressions-Skala (GDS) 20 bis 45% aller alten Patienten weisen depressive Störungen auf, die in der Hälfte der Fälle nicht erkannt werden. Begleitdepressionen verlängern und komplizieren aber die Behandlung organischer Erkrankungen und können verfrüht zu Pflegebedürftigkeit führen. Sie können nicht vorhandene Demenzerkrankungen vortäuschen oder bereits manifeste Demenzerkrankungen aggravieren. Depressive Symptome bei betagten Patienten zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, ist daher besonders wichtig. Screeningverfahren tragen dazu bei, Depressionen aufzudecken. Die von YESAVAGE speziell für alte Menschen entwickelte Geriatric Depression Scale (GDS) hat in einer Kurzfassung, die 15 Fragen enthält, international sehr weite Verbreitung gefunden. Sie ist in hohem Maße sensitiv und reliabel und eignet sich für Verlaufskontrollen. Im deutschsprachigen Raum existieren unterschiedliche Übersetzungen. Die Arbeitsgruppe „Geriatrisches Assesment“ (AGAST) adaptiert die Originalversion von YESAVAGE möglichst wortgetreu. Sechs Punkte oder mehr sprechen für das Vorliegen einer depressiven Symptomatik. Eine Punktzahl von weniger als 6 schließt eine Depression nicht vollständig aus. Eine wesentliche Einschränkung dieses Screenings für Depressionen besteht jedoch in der schlechten Empfindlichkeit für Angstsymptome oder in einem möglichen Nichteingestehen depressiver Anzeichen. Handlungsanleitung: Geriatrische Depressions-Skala Der Proband ist darauf hinzuweisen, dass sich Fragen darauf beziehen, wie er sich in der letzten Woche gefühlt hat. In der Klinik sollte der Erhebungsbogen am Tag nach der Aufnahme vom Patienten selbst ausgefüllt werden. Hilfsweise, bei schlechtem Visus oder mangelnder Kooperationsfähigkeit, kann der Untersucher die Befragung durchführen. Sind die kognitiven Leistungen stark eingeschränkt (z. B. nach Hinweisen in der MMSE), sind Ergebnisse der Geriatrischen Depressions-Scala (GDS) nicht verwertbar. Ø Ergebnisinterpretation: Sechs Punkte oder mehr: Eine Depression ist wahrscheinlich. Weitergehende Diagnostik ist erforderlich. 26
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                     Stand: 12.12.2002 GDS - Geriatrische Depressions-Skala (Übersetzte und adaptierte Originalversion / Kurzfassung nach Yesavage, 1986) 1.     Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden ?                            Ja / Nein 2.     Haben Sie viele Ihrer Aktivitäten und Interessen aufgegeben ?                 Ja / Nein 3.     Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei unausgefüllt ?                            Ja / Nein 4.     Ist Ihnen oft langweilig ?                                                    Ja / Nein 5.     Sind Sie die meiste Zeit guter Laune ?                                        Ja / Nein 6.     Haben Sie Angst, daß Ihnen etwas Schlimmes zustoßen wird ?                    Ja / Nein 7.     Fühlen Sie sich die meiste Zeit glücklich ?                                   Ja / Nein 8.     Fühlen Sie sich oft hilflos ?                                                 Ja / Nein 9.     Bleiben Sie lieber zu Hause, anstatt auszugehen und Neues zu unternehmen ?                                                                 Ja / Nein 10.    Glauben Sie, mehr Probleme mit dem Gedächtnis zu haben als die meisten anderen ?                                                             Ja / Nein 11.    Finden Sie, es sei schön, jetzt zu leben ?                                    Ja / Nein 12.    Kommen Sie sich in Ihrem jetzigen Zustand ziemlich wertlos vor ?              Ja / Nein 13.    Fühlen Sie sich voller Energie ?                                              Ja / Nein 14.    Finden Sie, daß Ihre Situation hoffnungslos ist ?                             Ja / Nein 15.    Glauben Sie, daß es den meisten Leuten besser geht als Ihnen ?                Ja / Nein Summe:                                                                        _______ Für die Fragen 1,5,7,11,13 gibt es für die Antwort "nein", für die übrigen Fragen für die Antwort "ja" jeweils einen Punkt. Maximale Punktzahl 15. 27
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                 Stand: 12.12.2002 1.7     Mini Mental State Examination (MMSE) Kognitive Fähigkeiten lassen im Alter häufig nach. Der Übergang von physiologischen Gedächtnisschwierigkeiten         (gutartige      Altersvergesslichkeit) zu  pathologischen Veränderungen (Demenz-Syndromen unterschiedlicher Ätiologie) ist fließend. Da die Verminderung kognitiver Fähigkeiten die Alltags-Kompetenz erheblich einschränkt und zu Pflegebedürftigkeit führt, ist die Klärung von Gedächtnisschwierigkeiten von erheblicher Bedeutung. Die Mini Mental State Examination (MMSE) ist das am häufigsten angewandte Screeningsverfahren für Gedächtnisstörungen. Die Originalversion der MMSE beinhaltet ebenso wie die von uns bearbeitete und empfohlene Fassung 30 Fragen. Sie besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil werden Orientiertheit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit überprüft, im zweiten Teil das Benennen, Lesen und Schreiben sowie visuell-konstruktive Fähigkeiten. Geistig rüstige Menschen im höheren Lebensalter erreichen im Mittel 28 Punkte. Es wird angenommen, dass 24 oder weniger Punkte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine kognitive Einschränkung hinweisen. In diesem Fall ist eine weitere Abklärung der Gedächtnisfunktion dringend erforderlich. Da es sich bei der MMSE um eine Screeningmethode handelt, kommen kognitive Stärken aus detaillierten Gedächtnis- bereichen nicht zur Darstellung. Die Ergebnisinterpretation gibt Anhaltspunkte für den Schweregrad der Gedächtnisstörung. Im Bereich 25 bis 30 erreichter Punkte liegt aller Wahrscheinlichkeit nach keine Demenz vor. Gemäß der üblichen Interpretation wird bei 24 und weniger Punkten eine weitere Abklärung auf das Vorliegen eines dementiellen Syndroms empfohlen. Richtlinien für eine feinere Bewertung, insbesondere in Grenzbereichen, werden in der Arbeitsgruppe diskutiert. Ø Ergebnisinterpretation: Zwischen 30 und 25 Punkten Es ist keine kognitive Einschränkung anzunehmen. Zwischen 24 und 18 Punkten: Es kann eine leichte kognitive Einschränkung angenommen werden. Zwischen 17 und 0 Punkten: Eine schwere bis schwerste kognitive Einschränkung ist wahrscheinlich. 28
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                      Stand: 12.12.2002 Handlungsanleitung: Mini-Mental State Examination Punkte       Bewertung           Frage / Aufgabe (1-5) (0 / 1)             1.  Was für ein Datum ist heute? (0 / 1)             2.  Welche Jahreszeit? (0 / 1)             3.  Welches Jahr haben wir? (0 / 1)             4.  Welcher Wochentag ist heute? (0 / 1)             5.  Welcher Monat? Zuerst nach dem Datum fragen, dann gezielt nach den noch fehlenden Punkten (z. B. „können sie mir auch sagen, welche Jahreszeit jetzt ist?“). (6-10)                       Wo sind wir jetzt? (0 / 1)             6. Welches Bundesland? (0 / 1)             7. Welcher Landkreis/welche Stadt? (0 / 1)             8. Welche Stadt/welcher Stadtteil? (0 / 1)             9. Welches Krankenhaus? (0 / 1)             10. Welche Station/welches Stockwerk? Zuerst nach dem Namen der Klinik, dann nach Station/Stockwerk, Stadt/Stadtteil usw. fragen. In Großstädten sollte nicht nach Stadt und Landkreis, sondern nach Stadt und Stadtteil gefragt werden, in jedem Fall nach dem aktuellen Aufenthaltsort und nicht nach dem Wohnort. (11-13)                      Bitte merken Sie sich: (0 / 1)             11. Apfel (0 / 1)             12. Pfennig (0 / 1)             13. Tisch Anzahl der Versuche:_______________________ Der Untersucher muss zuerst fragen, ob der Patient mit einem kleinen Gedächtnistest einverstanden ist. Er wird darauf hingewiesen, dass er sich 3 Bergriffe merken soll. Die Begriffe langsam und deutlich – im Abstand von jeweils ca. einer Sekunde – nennen. Direkt danach die 3 Begriffe wiederholen lassen, der erste Versuch bestimmt die Punktzahl. Gegebenenfalls wiederholen, bis der Untersuchte alle 3 Begriffe gelernt hat. Die Anzahl der notwendigen Versuche wird notiert (max. sind sechs Versuche zulässig). Wenn nicht alle 3 Begriffe gelernt wurden, kann der Gedächtnistest nicht durchgeführt werden. 29
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Begutachtungshilfe „Geriatrische Rehabilitation“ - Anhang 1                       Stand: 12.12.2002 (14-18)    Ziehen Sie von 100 jeweils 7 ab oder – falls nicht durchführbar – buchstabieren Sie STUHL rückwärts: (0 / 1)              14.              93                   L (0 / 1)              15.              86                   H (0 / 1)              16.              79                   U (0 / 1)              17.              72                   T (0 / 1)              18.              65                   S Beginnend bei 100 muss fünfmal jeweils 7 subtrahiert werden. Jeden einzelnen Rechenschritt unabhängig vom vorhergehenden bewerten, damit ein Fehler nicht mehrfach bewertet wird. Alternativ (z. B., wenn der Untersuchte nicht rechnen kann oder will) kann in Ausnahmefällen das Wort STUHL rückwärts buchstabiert werden. Das Wort sollte zunächst vorwärts buchstabiert – und wenn nötig – korrigiert werden. Die Punktzahl ergibt sich aus der Anzahl der Buchstaben, die in der richtigen Reihenfolge genannt werden (z. B. „LHTUS“ = 3 Punkte). (19-21)    Was waren die Dinge, die Sie sich vorher gemerkt haben? (0 / 1)              19.          Apfel (0 / 1)              20.          Pfennig (0 / 1)              21.          Tisch Der Untersuchte muss die drei Begriffe nennen, die er sich unter 11 bis 13 merken sollte. (22, 23)   Was ist das? (0 / 1)              22.          Uhr (0 / 1)              23.          Bleistift / Kugelschreiber Eine Uhr und ein Stift werden gezeigt, der Untersuchte muss diese richtig benennen. (24)       Sprechen Sie nach: (0 / 1)              24.          „Kein wenn und oder aber.“ Der Satz muss unmittelbar nachgesprochen werden, nur ein Versuch ist erlaubt. Es ist nicht zulässig, die Redewendung „kein wenn und aber“ zu benutzen. (25-27)    Machen Sie bitte folgendes: (0 / 1)              25.          Nehmen Sie bitte das Blatt in die Hand, (0 / 1)              26.          falten Sie es in der Mitte und (0 / 1)              27.          lassen Sie es auf den Boden fallen. Der Untersuchte erhält ein Blatt Papier, der dreistufige Befehl wird nur einmal erteilt. Einen Punkt gibt es für jeden Teil, der korrekt befolgt wird. 30
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