Tonleiter & Vorzeichen: Einfache Erklärung + Quintenzirkel

„Das Wohltemperierte Klavier“ heißt ein umfassendes Werk von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Darin sind erstmals Musikstücke in allen zwölf Dur- und Moll-Tonarten komponiert. Das war überhaupt erst möglich, weil sich zu dieser Zeit die „wohltemperierte Stimmung“ als einheitliches Tonsystem etablierte. Vorher gab es Klaviere mit verschiedenen sogenannten „ungleichstufigen Stimmungen“, mit denen nicht alles in allen Tonarten gespielt werden konnte. Erst seit der wohltemperierten Stimmung sind die Tonarten vom Prinzip her alle gleichwertig, was durch die Unterteilung des Tonraums in 12 Halbtöne möglich wurde. Um die einzelnen Tonarten zu bilden, braucht es die Vorzeichen.

Der Aufbau von Tonleitern

Bei der C-Dur-Tonleiter ist alles ganz einfach: Sie verwendet – aufsteigend vom Ton C – ausschließlich die weißen Klaviertasten.

Aufbau einer Tonleiter

Dasselbe gilt für die A-Moll-Tonleiter, die auf dem Ton A beginnt:

A-Moll Tonleiter

Deutlich erkennbar ist, dass die Töne E und F sowie B und C direkt nebeneinander liegen. Das heißt, zwischen ihnen beträgt der Abstand nur einen Halbton. Zwischen den anderen weißen Taste zur jeweils nächst Höherem liegt zusätzlich eine schwarze Taste. Das heißt, zwischen ihnen besteht eine Tonabstand von zwei Halbtönen bzw. einem Ganzton. Für die Abstände zwischen den Leitertönen ergeben sich somit folgende Schemata:

DUR: Ganzton – Ganzton – Halbton – Ganzton – Ganzton – Ganzton – Halbton

MOLL: Ganzton – Halbton – Ganzton – Ganzton – Halbton – Ganzton – Ganzton

Die Lage der Halbtonschritte ist es nämlich, die den besonderen Charakter von Dur und Moll ausmachen – warum die eine Tonleiter eher fröhlich, die andere eher traurig klingt. Um nun für einen beliebigen Ton eine Dur- oder eine Moll-Tonleiter zu erhalten, muss man nur genau diese Folge von Halbton- und Ganzton-Schritten anwenden. So wird es nötig, auch die schwarzen Tasten mit einzubeziehen:

Halbtonschritte

Enharmonische Verwechslung

Die schwarzen Tasten haben jeweils zwei Namen: 1) wenn man den unter ihnen liegenden Ton mithilfe des Vorzeichens # einen Halbton erhöht, bekommt dieser die Endung -is: also Cis, Dis, Fis, Gis und Ais. 2) wenn man den darüber liegenden Ton mithilfe des Vorzeichens b einen Halbton erniedrigt, bekommt dieser die Endung -es bzw. nur -s: also Des, Es, Ges, As, Bes. Diese Doppeldeutigkeit im Namen nennt man enharmonische Verwechslung.

Die Mathematik des Quintenzirkels

Instrumentalisten werden oft abgeschreckt, wenn es viele Vorzeichen gibt, weil dadurch das praktische Spiel nicht gerade leichter wird. Die Tonleitern theoretisch zu erstellen hingegen, ist relativ einfach, weil sich die Tatsachen der Musik in einem einfachen logischen System darstellen lassen – dem Quintenzirkel:

Quintenzirkel

So funktioniert’s:

  1. Außerhalb des Kreises stehen die Dur-Tonarten, innen die Moll-Tonarten.
  2. C-Dur und A-Moll haben keine Vorzeichen.
  3. Die Tonarten auf der rechten Seite haben im Uhrzeigersinn erst ein Kreuz (G-Dur/E-Moll), zwei Kreuze (D-Dur/B-Moll), drei Kreuze (A-Dur/Fis-Moll) und so weiter.
  4. Die Tonarten auf der linken Seite haben gegen den Uhrzeigersinn erst ein b (F-Dur/D-Moll), dann zwei bs (Bes-Dur/G-Moll), drei bs (Es-Dur/C-Moll) und so weiter.
  5. Die vier Tonarten auf „6 Uhr“ sind ein Sonderfall, denn sie sind von der enharmonischen Verwechslung betroffen. Das heißt, sie haben zwar alle dasselbe Tonmaterial, können aber sowohl mit fünf Kreuzen (Fis-Dur/Dis-Moll) als auch 5 bs (Ges-Dur/Es-Moll) dargestellt werden.
  6. Auch die Reihenfolge der Töne, die ein Kreuz bekommen, lässt sich am Quintenzirkel ablesen. Hierfür beginnt man auf „11 Uhr“ im Uhrzeigersinn, um die feste Abfolge der Kreuze zu erhalten: Fis, Cis, Gis, Dis, Ais und Eis (wobei das Eis als erhöhtes E dem F entspricht).
  7. Für die feste Abfolge der bs beginnt man auf „10 Uhr“ gegen den Uhrzeigersinn: Bes, Es, As, Des, Ges und Ces (wobei das Ces als erniedrigtes C dem B entspricht).

Dank dieses abgeschlossenen und in sich durchgängigen Systems haben alle Tonarten dieselben Grundvoraussetzungen und Möglichkeiten, sodass zum Beispiel ein Lied leicht in eine andere Tonart transponiert werden kann.

Wer jetzt denkt, dass das doch reichlich kompliziert ist und warum denn nicht ein paar Tonarten weniger genügen, sollte mal darüber nachdenken, dass jeder Ton und damit auch jede darauf aufbauende Tonleiter eine andere Klangfarbe besitzt. Wie ein Farbspektrum mit 12 Farben erzeugt jeder Ton einen anderen Eindruck – wie eben Rot eine ganz andere Emotion als Gelb vermittelt, so klingt beispielsweise ein und dieselbe Komposition in C-Moll atmosphärisch anders als in A-Moll. Entsprechend sind manche Tonarten sehr viel besser geeignet, um dieses oder jenes Gefühl auszudrücken, als andere.

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