Julius Wagner-Jauregg, Univ.-Prof. Dr. med.

7.3.1857 – 27.9.1940
geb. in Wels, Österreich gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. jur. h.c. 1936/37 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Ehrendoktorat Dr. phil. h.c. 1936/37 Philosophische Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1950/51 Medizinische Fakultät
Denkmal „Nobelpreis und Universität Wien“ 2005/06

Die Ehrungen werden 2022/23 aufgrund von Julius Wagner-Jaureggs Naheverhältnis zum Nationalsozialismus als „diskussionswürdig“ eingestuft. Julius Wagner Jauregg war vor dem „Anschluss“ Mitglied der Großdeutschen Volkspartei und trat u.a. durch eugenische und rassenhygienische Ideen sowie antifeministische Aussagen hervor. Neben seiner politisch-ideologischen Einstellung wird auch seine Anwendung von Therapien und Involvierung in Humanexperimente, die aus medizinethischer Sicht zumindest als fragwürdig zu beurteilen sind, kritisch beurteilt.

Funktionen

Dekan*in Medizinische Fakultät 1895/96

Julius Wagner von Jauregg stammte aus einer Beamtenfamilie, die 1883 geadelt wurde. Er besuchte das Gymnasium am Schottenstift in Wien als Vorzugsschüler. Auch im Studium bestand er seine Prüfungen glänzend und wurde daher noch als Student wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie bei Salomon Stricker (bis 1882). Während dieser Zeit veröffentlichte Wagner von Jauregg bereits zwei wissenschaftliche Arbeiten. 1880 promovierte er zum Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med.) und erhielt eine Anstellung als Assistent an Strickers Institut, das für seine tierexperimentelle Orientierung bekannt war.

1883 wurde ihm ein Posten an der psychiatrischen Klinik an der Niederösterreichischen Landes-Irrenanstalt in der Lazarettgasse 14 (I. Psychiatrische Universitätsklinik) unter der Leitung von Max von Leidesdorf (1818–1889) angeboten. Wagner von Jauregg hatte sich mit diesem Fach vorher noch nie beschäftigt, arbeitete sich jedoch engagiert in den neuen Fachbereich ein. 1885 konnte er sich bereits für „Nervenkrankheiten und Psychiatrie“ habilitieren und hielt als Privatdozent Vorlesungen über Nervenpathologie.

Aufgrund einer Erkrankung seines Chefs übernahm er kurz darauf auch die Supplierung der Klinik. Nach Leidesdorfs Tod 1889 wurde Richard Krafft-Ebing zum neuen Vorstand der I. Psychiatrischen Klinik bestellt. Wagner von Jauregg übernahm zwischen 1889 und 1893 wiederum dessen Neuropsychiatrische Klinik in Graz. Während dieser Zeit beschäftigte sich Wagner von Jauregg besonders mit dem endemischen Kretinismus (Kropf), der wegen des jodarmen Wassers im Steirischen Bergland stark verbreitet war. Er regte die Beimengung kleinster Mengen Jod und die Jodierung des Trinkwassers an, womit gute Erfolge bei der Behandlung dieser Mangelerkrankung erzielt werden konnten.

1893 wurde Julius Wagner von Jauregg als ordentlicher Professor für Psychiatrie und Neuropathologie und Vorstand der I. Psychiatrischen Klinik sowie als Direktor der damit verbundenen Niederösterreichischen Landes-Irrenanstalt nach Wien zurückberufen, nachdem Krafft-Ebing die Leitung der II. Psychiatrischen Universitätsklinik im Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) übernommen hatte. Wagner von Jauregg fungierte im Studienjahr 1895/96 als Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. 1901 wurde er zum k. k. Ober-Sanitätsrat ernannt, 1906 zum Hofrat.

Nach dem Tod von Krafft-Ebing im Jahr 1902 initiierte Wagner von Jauregg die Zusammenlegung der beiden psychiatrischen Lehrkanzeln und Kliniken in einer Psychiatrischen Universitätsklinik, die zunächst im AKH untergebracht war. Die „Irrenanstalt“ übersiedelte 1907 auf die Baumgartner Höhe („Am Steinhof“), als Niederösterreichische Landesheil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke ebenfalls von Wagner von Jauregg geleitet wurde. Die zusammengelegte „Klinik Wagner-Jauregg“ übersiedelte 1911 auf das Areal der „Neuen Kliniken“, in das renovierte Gebäude der ehemaligen I. Psychiatrischen Universitätsklinik (Lazarettgasse 14).

Während des Ersten Weltkriegs war Wagner von Jauregg auch für die Behandlung von Kriegsneurosen zuständig und setzte sich auch für die Verwendung elektrischer Zwangstherapien ein.

Julius Wagner von Jauregg beschäftigte sich in seiner Arbeit mit den Möglichkeiten der Fiebertherapie zur Behandlung von bis dahin unheilbaren Geisteskrankheiten. An der Psychiatrischen Klinik entwickelte Wagner von Jauregg um 1917 die Methode der Heilung der progressiven Paralyse (der Spätform der Syphilis) durch Fieber, das durch die Einimpfung von Malariaerregern hervorgerufen wurde (Malariatherapie). 1927 wurde ihm für diese Entdeckung der Bedeutung der Malariatherapie der Nobelpreis für Medizin verliehen. Diese Therapie wurde bis zum Aufkommen der Antibiotika (aber auch, wie in Wien, darüber hinaus) praktiziert.

Das dritte Interessengebiet Wagner von Jaureggs war die Kriminologie, wobei er als Gerichtsgutachter Berühmtheit erlangte. In diesem Zusammenhang machte er sich um die juristische Definition der Unzurechnungsfähigkeit und die „Irrengesetzgebung“ verdient.

1928 wurde Julius Wagner-Jauregg als Professor der Universität Wien emeritiert.

Involvierung in den Nationalsozialismus

Julius Wagner-Jauregg war vor dem „Anschluss“ Angehöriger schlagender Burschen- und Sängerschaften, Mitglied der antisemitischen Großdeutschen Volkspartei und trat u. a. durch eugenische und rassenhygienische Ideen sowie antifeministische Aussagen hervor. Ebenso war er Befürworter des nationalsozialistischen Erbgesundheitsgesetzes, das 1934 eugenische Zwangssterilisation legalisierte, und war in Zwangssterilisationen und Euthanasieaktionen involviert. Wenige Monate vor seinem Tod, am 21. April 1940, stellte Wagner-Jauregg einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP; dieser wurde aufgrund der jüdischen Herkunft seiner ersten Ehefrau – nach seinem Tod im September 1940 – zurückgewiesen.

Ehrungen

Julius Wagner von Jauregg wurde für seine wissenschaftlichen Verdienste vielfach geehrt. So gehörte er bereits seit 1885 der Gesellschaft der Ärzte in Wien an (1919–1932 Vizepräsident), seit 1925 als Mitglied (1932 Ehrenmitglied) der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie als Ehrenmitglied dem Verein deutscher Nervenärzte an. Im Jahr der Verleihung des Nobelpreises für Medizin – 1927 – wurde Wagner-Jauregg auch zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt; 1929 folgte die Ernennung zum Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1937 erhielt er das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Die Universität Wien ehrte Julius Wagner-Jauregg am 22. Mai 1937 mit der Verleihung eines Doppel-Ehrendoktorats – sowohl der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (Dr. jur. h.c.), als auch der Philosophischen Fakultät (Dr. phil. h.c.).

Nach seinem Tod am 27. September 1940 widmete ihm die Stadt Wien ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof; das Grabmal gestaltete der Bildhauer Josef Müllner. 1947 erwarb die Universität Wien von Müllner eine aus Marmor gefertigte Büste Wagner-Jaureggs; sie wurde am 26. April 1951 als Denkmal im Arkadenhof der Universität feierlich enthüllt. 1953 gab die Österreichische Nationalbank eine 500 Schilling-Note mit dem Porträt Julius Wagner-Jaureggs heraus. Ab 1953 wurde er zudem durch die Benennung zahlreicher Verkehrsflächen und Gebäude geehrt: der Wagner-Jauregg-Hof in Wien-Alsergrund (1953), der Wagner-Jauregg-Weg in Linz (1954), die 2015 in „Neuromed Campus“ umbenannte Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg in Linz (1970), der Wagner-Jauregg-Weg in Wien-Penzing (1981), sowie der Wagner-Jauregg-Platz und die Wagner-Jauregg-Straße in Graz. An seinem früheren Wohnhaus in der Landesgerichtsstraße 18 in Wien, erinnert eine Gedenktafel an ihn. Im Hauptgebäude der Universität Wien wird Julius Wagner-Jauregg seit 2006 im Rahmen der Installation „Nobelpreis und Universität Wien – ein Gruppenbild mit Fragezeichen“ geehrt.

Seit den 1990er-Jahren, besonders jedoch seit 2005 werden Julius Wagner-Jaureggs Haltung zum Nationalsozialismus und sein Antisemitismus kontroversiell diskutiert. So stufte das Gutachten einer Historikerkommission des Landes Oberösterreich ihn 2005 als „nicht historisch belastete Persönlichkeit“ ein; dem widersprechen jedoch Stellungnahmen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und des Instituts für die Geschichte der Medizin in Wien vehement. Neben seiner politisch-ideologischen Einstellung wird auch seine Anwendung von Therapien und Involvierung in Humanexperimente, die aus medizinethischer Sicht zumindest als fragwürdig zu beurteilen sind, kritisch beurteilt. Dementsprechend stufte ihn auch die HistorikerInnen-Kommission zur Prüfung der Wiener Straßennamen 2011 bis 2013 als „Fall mit Diskussionsbedarf“ ein.

Werke (Auswahl)

Untersuchungen über den Kretinismus, 1893.
Zur Reform des Irrenwesens, 1901.
Ueber erbliche Belastung. Antrittsvorlesung, gehalten bei Uebernahme der II. Psychiatrischen Klinik in Wien (in: Wiener klinische Wochenschrift 15/44, 1153–1159), 1902.
Fieber und Infektionstherapie, 1936.

Archiv der Universität Wien, Senat S 304.1332 (Personalblatt Wagner-Jauregg).

Sonia Horn, Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 04.04.2024 - 20:49

Druckversion