Kriechmodell

Kriechen ist eine zeitabhängige Dehnung, die unter Dauerspannung entsteht.

Sie tritt in den meisten Maschinenbaumaterialien auf – insbesondere bei Metallen, die hohen Temperaturen ausgesetzt werden, Kunststoffen mit hohem Polymergehalt, Beton sowie Festtreibstoffen in Raketentriebwerken. Da Kriecheffekte sich über einen längeren Zeitraum entwickeln, werden sie in der dynamischen Analyse im Allgemeinen vernachlässigt.

Die Kriechkurve ist die grafische Darstellung der Dehnung in Abhängigkeit von der Zeit. Drei verschiedene Bereiche lassen sich in einer Kriechkurve unterscheiden: primärer, sekundärer und tertiärer Bereich. In der Regel sind die primären und sekundären Bereiche von Interesse.

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Das klassische Norton-Bailey-Kriechgesetz basierend auf einem „Gleichung des Status“-Ansatz wurde implementiert. Das Gesetz definiert eine Gleichung für die uniaxiale Kriechdehnung hinsichtlich der uniaxialen Spannung und Zeit.

Klassisches Kriechgesetz (Bailey-Norton-Gesetz)

und

wobei:

T = Elementtemperatur (Kelvin)

CT = Eine Materialkonstante, die die Kriechtemperatur-Abhängigkeit definiert

C0 ist die Kriechkonstante 1, die Sie auf der Registerkarte Eigenschaften des Dialogfelds Material eingeben.

Die Einheiten der Kriechkonstante 1 müssen im SI-Einheitensystem eingegeben werden. Der Umwandlungsfaktor ist gleich 1/ (Spannung ^ (C1) * Zeit^(C2)). Die Spannung wird in N/m2 und die Zeit in Sekunden angegeben.

C1 ist die Kriechkonstante 2, und C2 ist die Kriechkonstante 3 im Dialogfeld "Materialeigenschaften".

Das klassische Kriechgesetz stellt primäre und sekundäre Bereiche in einer Formel dar. Tertiäre Kriechbereiche werden nicht berücksichtigt. "t" steht für die aktuelle, reale Zeit (nicht die Pseudo-Zeit) und sigma für die uniaxiale Gesamtspannung zur Zeit t.

Zur Erweiterung dieser Gesetze auf das Kriechverhalten bei mehreren Achsen gelten folgende Annahmen:
  • Das uniaxiale Kriechgesetz bleibt weiterhin gültig, wenn die uniaxiale Kriechdehnung und die uniaxiale Spannung durch ihre effektiven Werte ersetzt werden.
  • Das Material ist isotrop.
  • Die Kriechdehnungen sind nicht komprimierbar.

Bei einer numerischen Kriechanalyse, bei der unter Umständen eine zyklische Belastung erfolgt, werden die aktuellen Kriechdehnungsraten auf Grundlage der Dehnungshärtungsregel als Funktion der aktuellen Spannung und der Gesamtkriechdehnung ausgedrückt:

: Wirkspannung zur Zeit t
:effektive Gesamtkriechdehnung zur Zeit t
: Komponenten des deviatorischen Spannungstensors zur Zeit t

Ableiten von Kriechkonstanten von Referenzdaten

In diesem Beispiel leiten Sie Kriechkonstanten von Referenzdaten für ein Edelstahlmaterial ab.

Gemäß dem klassischen Kriechgesetz (Bailey-Norton-Gesetz) wird die Kriechdehnung zum Zeitpunkt t, wenn keine Temperaturschwankungen berücksichtigt werden, folgendermaßen angegeben:



Im Dialogfeld Material werden die Konstanten C0, C1 und C2 folgendermaßen bezeichnet:

C0 = Kriechkonstante 1, C1 = Kriechkonstante 2 und C2 = Kriechkonstante 3

In der obigen Gleichung gilt Folgendes: Die Kriechkonstante 1 (C0) wird im SI-Einheitensystem berechnet (Spannung in N/m2 und Zeit in Sekunden) , Kriechkonstante 2 (C1 >1) ist einheitenlos und Kriechkonstante 3 (C2) ist zwischen 0 und 1.

Aus den Referenzkriechdaten unten berechnen Sie die Kriechkonstanten für die Gleichung des Kriechzustands. Die Tabelle verweist auf konstante Spannungswerte bei konstanten Temperaturen, die über einen längeren Zeitraum zu einer Kriechdehnung von 1 % führen können. Diese Daten beziehen sich auf Edelstahl der Güte 310.
Temperatur (C) Spannung (MPa) Spannung (MPa)
Zeit = 10.000 h Zeit = 100.000 h
550 110 90
600 90 75
650 70 50
700 40 30
750 30 20
800 15 10
Wählen Sie die Spannungsdaten für die Temperatur 550 °C aus. Ausgehend von C2 =1 in der oben angegebenen Kriechzustandsgleichung verfügen Sie über ein System mit 2 Gleichungen mit den 2 Unbekannten C0 und C1. Zuerst berechnen Sie C1. Die beiden Gleichungen für den Kriechzustand lauten:

0,01 = C0 * 110 C1* 10.000 (Gleichung 1)

0,01 = C0 * 90 C1* 100.000 (Gleichung 2)

Beim Gleichsetzen der beiden Gleichungen und Verwenden logarithmischer Funktionen ergibt sich Folgendes:

C1 * log (110) = C1 * log (90) +1 (Gleichung 3)

Ausgehend von (Gleichung 3) berechnen Sie C1 = 11,47.

Sie können entweder (Gleichung 1) oder (Gleichung 2) verwenden, um C0 zu berechnen. C0 wird in den SI-Einheiten berechnet, sodass Sie Konvertierungsfaktoren anwenden müssen.

C0 = 0,01 / ( (90E6)11,47 * 100000 * 3600) = 1,616E-102

In das Dialogfeld Material geben Sie die drei Kriechkonstanten ein:

Kriechkonstante 1 = 1,616E-102 , Kriechkonstante 2 = 11,47, Kriechkonstante 3 = 1

Wählen Sie im Dialogfeld Material die Option Kriecheffekt miteinbeziehen aus, um die Kriechberechnung für das ausgewählte Materialmodell zu aktivieren. Kriechberechnungen werden nur für nicht-lineare Studien berücksichtigt. Der Kriecheffekt ist für linear-elastisch-orthotrope und viskoelastische Materialmodelle nicht verfügbar.

Solver-Einstellungen für Kriechberechnungen

  • Wählen Sie im Dialogfeld Material die Option Kriecheffekt miteinbeziehen aus, um die Kriechberechnung für das ausgewählte Materialmodell zu aktivieren. Kriechberechnungen werden nur für nicht-lineare Studien mit Volumenkörpervernetzung unterstützt. Kriecheffekte werden nicht für Schalen oder Balken unterstützt. Die Berücksichtigung des Kriecheffekts ist für linear-elastisch-orthotrope und viskoelastische Materialmodelle nicht verfügbar.
  • Wenn Sie Kriecheffekte in einer nicht-linearen Studie erwägen, wählen Sie die Option Automatisch (automatische Schritte) aus, um die Wahrscheinlichkeit der Konvergenz zu erhöhen (Dialogfeld Nicht-lineare Studie). Der Solver berechnet einen Ursprungswert für die Kriechdehnung εorg. Wenn εorg den Wert 1,0 übersteigt, wird die Lösung beendet. Wenn der Solver die maximalen Gleichgewichtsiterationen überschreitet, die zum Erreichen der Konvergenz erforderlich sind, wird die Lösung beendet und gibt der Solver entsprechende Fehlermeldungen mit Korrekturmaßnahmen aus.
  • Wählen Sie für Solver die Option Automatische Solver-Auswahl aus.
  • Geben Sie die Endzeit in Sekunden ein (Dialogfeld Nicht-lineare Studie).