Anton Wais: Wer beim Postmann heute noch klingelt

Mit Politik hat das langjährige SPÖ-Mitglied nichts mehr am Hut: „Net amal ignorieren“
Er sperrte Postämter zu und brachte die Post an die Börse. Heute schreibt er Bücher und hilft Volksschülern, lesen zu lernen.
Anton Wais: Wer beim Postmann heute noch klingelt
"Eines meiner Prinzipien war, ich nehme in Österreich keine Organschaft mehr an." Anton Wais (66), der nach zehn "Dienstjahren" per 1. April 2009 überraschend aus gesundheitlichen Gründen als Post-Chef zurücktrat, sitzt im Gegensatz zu vielen Manager-Kollegen in keinem einzigen Aufsichtsrat. "Nicht weil Aufsichtsratsposten in Österreich schlecht bezahlt sind", scherzt der Pensionist, "sondern weil ich sehr lange viel Verantwortung hatte und eine solche Verantwortung nicht mehr übernehmen will. Und wenn man die Aufsichtsratsfunktion ernst nimmt, ist das mit viel Verantwortung verbunden."

Politik-Absenz

An "Jobs" hat er nur noch Beratungstätigkeiten. Beim international tätigen Headhunter Spencer Stuart sitzt er im österreichischen Advisory Board. In Berlin ist er im Berater-Gremium von mehreren Private-Equity-Fonds. Beide Funktionen dienen, so Wais, vor allem dazu, über den Markt für Top-Manager bzw. den Kapitalmarkt informiert zu bleiben.

Anton Wais: Wer beim Postmann heute noch klingelt
Politisch geht der gestandene Sozialdemokrat – "Ich bin seit 45 Jahren SPÖ-Mitglied" – fremd: Er sitzt als einziger Österreicher im Managerkreis der Friedrich-Ebert- Stiftung, die die SPD in Wirtschaftsfragen berät. Mit österreichischer Politik hat er nichts mehr am Hut. "Ich habe nach der Pensionierung versucht, etwas im Rahmen der Partei, etwa im Renner-Institut, zu machen. Das hat aber nicht funktioniert."

Mit der österreichischen Politik verbindet den einstigen Sekretär des früheren Handelsministers "Happy Pepi" Staribacher "gar nichts mehr". Wais: "Ich halte es in diesem Punkt mit Julius Raab: Net amal ignorieren." Einen Seitenhieb kann er sich aber dann doch nicht verkneifen: "Es ist schlicht eine Katastrophe."

Schreiben und lesen

Anton Wais: Wer beim Postmann heute noch klingelt
APARSC01 - 14082008 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA TEXT WI - Post GD Anton Wais am Donnerstag, 14. August 2008, im Rahmen einer Bilanz PK der Post in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Langweilig wird dem ehemaligen Top-Manager, der vor seiner Post-Karriere im Vorstand von Siemens Österreich saß, trotzdem nicht. Nach zwei Büchern – Die Bürokraten und Bürohengste und Schreibtischtiger beschreiben skurrile Charaktere und schildern Anekdoten aus seinem Berufsleben – arbeitet der Theater-Liebhaber an einem Werk über die Kultur-Schickeria. Basis dafür sind die Erfahrungen mit der heimischen Kulturszene auf höchster Ebene aus der Sicht eines Mäzens: In Wais’ Amtszeit sponserte die Post das Burgtheater.

Beim Schreiben selbst pflegt Wais eine urwienerische Tradition: "Ich schreibe ausschließlich im Kaffeehaus, zu Hause kann ich das nicht." Auch in seiner Lieblingsstadt Paris, die er mindestens ein Mal pro Jahr besucht, schreibt er im Bistro: "Dort fällt mir das Schreiben besonders leicht." Kultur steht bei den "beruflichen" Reisen nach Paris und Berlin ganz oben: "Berlin ist eine Theaterstadt, da muss man jeden Besuch dafür nutzen."

In Wien beschäftigt ihn die Kulturtechnik Lesen: Über die Aktivitäten seines Rotarier-Klubs ist Wais "Lesepate" in einer Integrations-Volksschule im 12. Wiener Gemeindebezirk: Ein Mal pro Woche übt er mit vorwiegend nicht deutsch-sprachigen Drittklässlern Lesen.

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