Nachdem bisher aus unterschiedlichen Perspektiven auf die UNB als wesentlichem Ausbildungselement der Referendarausbildung geblickt wurde, wird als eine weitere Datenquelle eine Gruppe von Referendar:innen zu Wort kommen. Ziel dieses erneuten Zugangs ist es, eine größere Bandbreite von Auszubildenden mit unterschiedlichen Unterrichtsfächer und damit auch unterschiedlichen Fachleitungen zu berücksichtigen. Die Daten wurden während einer Gruppendiskussion im Kernseminar erhoben.

10.1 Die Gruppendiskussion

Innerhalb der sozialwissenschaftlicher Forschungspraxis folgt der Einsatz von Gruppendiskussionen unterschiedlichen Zielsetzungen. Wesentlich ist bei diesem Verfahren die Alltagsorientierung und damit die Möglichkeit, Einblicke in die Lebenswelt der Befragten zu erhalten. Anders als bei standardisierten Befragungen, bei denen aus Gründen der Vergleichbarkeit Antwortoptionen im Hinblick auf Merkmalsausbildungen operationalisiert werden müssen, bietet dieses Verfahren für die Beteiligten einen „wertvollen Erfahrungs- und Ausdrucksraum“ (Kühn & Koschel 2011: 35).

Der Vorteil der Gruppendiskussion besteht gerade darin, komplexe „Einstellungs-, Wahrnehmungs-, Gefühls-, Orientierungs- und Motivationsgeflechte von Menschen und Gruppen … zu explorieren (ebd.: 33)“.

Bezogen auf den hier vorliegenden Kontext kommt dem Verfahren der Gruppendiskussion besondere Bedeutung zu, da die Gruppe für die Herausbildung ggf. unterschiedlicher Sichtweisen und Vorstellungsinhalte Gelegenheit zum Austausch bietet. Eine Erläuterung, inwiefern und auf welche Weise die Anwesenheit von Zuhörern das Denken unterstützt, findet man beispielsweise bei Lev Vygotsky. Ausgehend vom kindlichen egozentrischen Sprechen liegt, so Vygotsky, der Sinn des Sprechens darin, „dass unklare Vorstellungen, indem man sie äußert und dadurch in ein geordnetes zeitliches Nacheinander bringt, für einen selbst klarer werden“ (nach Raible 2004: 195). Man fühlt sich an Kleist Gedanken zur „allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden“ erinnert, denn offenbar spielt die Rolle des Zuhörers für den Sprecher hinsichtlich geschickter Interventionen nur eine untergeordnete Rolle. Es sind nicht die Fragen, mit denen der Hörer den Sprechenden auf einen Punkt hinführt.Footnote 1 Es ist das Zuhören selbst, das den Sprecher zum Ausdruck seiner Gedanken motiviert.

Im Kontext der Potsdamer Studie zur „Qualitätsentwicklung und Evaluation in der Lehrerbildung“ greift auch Wernet (2006) auf Material aus einer Gruppendiskussion zurück, da ihm die Qualität der in diesem Rahmen getätigten Äußerungen besonders authentisch erscheint. So fand er im Rahmen einer offen geführten Gruppendiskussion ein Motiv vor, „dessen Gewicht nur schwer durch quantifizierende Forschung“ (ebd: 197) zu ermitteln gewesen wäre. Die von Flick (2017) beschriebenen Vorteile des Gruppendiskussionsverfahrens treffen auch im Rahmen der hier videographierten Diskussion des Kernseminars zu. „Realgruppen“, so stellt Flick in Anlehnung an Nießen (1977, zit. nach Flick, ebd: 252) fest, bieten vor dem Hintergrund „einer gemeinsamen Interaktionsgeschichte im Hinblick auf den Diskussionsgegenstand“ (ebd.) den Vorteil, dass nach der Eingangsstimulierung die Gruppe die Diskussion selbstständig führt. Diese „Lebendigkeit und Selbstläufigkeit“ ist dabei, so Przyborski & Wohlrab-Sahrs (2014: 95), ein großer Vorteil, da sich die Diskussion „wie von selbst einstellt“ und die Behandlung des Themas in der Weise und mit den thematischen Vertiefungen verläuft, wie es die Mitglieder der Gruppe wahrnehmen.

10.1.1 Die Gruppendiskussion im Kernseminar

Die Datenerhebung im Rahmen einer Gruppendiskussion bietet neben den bereits genannten methodischen Aspekten auch den Vorteil, den natürlichen Kontext zu nutzen, mit dem die Referendar:innen innerhalb ihrer Ausbildung vertraut sind. Im Rahmen des Kernseminars treffen sich die LAA vierzehntägig während ihrer gesamten Ausbildungszeit. Die Ausbildungsgruppe kann im Sinne Przyborski & Wohlrab-Sahrs (2014: 96) als eine „Realgruppe“ gelten, deren Mitglieder sich seit dem Start ihrer Ausbildung seit ca. achtzehn Monaten kennen.

Ein weiterer Vorteil, den die Wahl einer Kernseminargruppe besitzt, liegt in der Zusammensetzung der Kernseminare. Die Referendar:innen eines Kernseminars werden aus verschiedenen Ausbildungsschulen (hier vier Schulen) zusammengefasst und vertreten an den Schulen unterschiedliche Fächer. In dieser Gruppe sind zehn Fächer vertreten. Die Art der Zusammensetzung im Kernseminar ermöglicht damit auch eine größere Bandbreite von beteiligten Ausbilder:innen, sodass man davon ausgehen kann, dass die geschilderten Erfahrungen einen Überblick über die Ausbildungsbedingungen geben.

Am Tag der Videoaufnahme war eine Referendarin erkrankt und eine andere, die aus einer längeren Krankenphase zum ersten Mal wieder im Seminar erscheinen konnte, führte während der Aufnahme die Kamera. Am Gespräch beteiligten sich alle zehn anwesenden Referendar:innenFootnote 2.

10.2 Überblick über die Inhalte der Gruppendiskussion

Zunächst wird ein inhaltlicher Überblick über den Verlauf der Diskussion gegeben. Dabei werden die Themen, die im Verlauf der Diskussion angesprochen wurden, sukzessiv vorgestellt und mit einzelnen Zitaten aus der Diskussion ergänzt, um damit ein deutlicheres Bild vom Verlauf geben zu können. Im Anschluss an die inhaltliche Darstellung werden die Themen der Diskussion für einen besseren Überblick tabellarisch zusammengefasst, bevor dann die Analyse der Diskussion erfolgt.

Auf die Eingangsfrage der Moderatorin, was den anwesenden Referendar:innen in der Rückschau auf die von ihnen geleisteten Unterrichtsbesuche und dabei vor allem zu den Unterrichtsnachbesprechungen einfalle, beginnt das Gespräch zwischen den Referendar:innen.

Zu Beginn der Gruppendiskussion betrachtet eine Referendarin den Unterschied zwischen den Unterrichtsnachbesprechungen am Anfang und am Ende ihrer Ausbildung. „Am Anfang war man noch total . ähm . positiv gestimmt und . konnte auch super viel mitnehmen . das hat einem sehr viel gebracht“ (Z. 11–12).Footnote 3

Die Einschätzung des positiven Eindrucks wird auf die Anfangszeit der Ausbildung begrenzt. Damit wird angedeutet, dass sich diese Einschätzung im weiteren Verlauf des Referendariats in Richtung eines negativen Eindrucks verändert hat.

Bestätigt wird diese Erfahrung von Referendar 2, der seinen Beitrag auf diese Äußerung bezieht und ergänzt, dass es seiner Meinung nach „auch ganz stark darauf an(komme), wie . welche Erfahrungen man macht.“ Und weiter führt er aus, dass er in einem Fach „positive Erfahrungen (im) ersten Unterrichtsbesuch gemacht habe … und .. nicht so ganz stark unter Druck gesetzt ist …“ (Z. 16–18). Um zu veranschaulichen, wie stark dieser Druck sein kann, führt er als Beispiel sein zweites Fach an. Bei Unterrichtsbesuchen in diesem Fach haben sowohl der Fachleiter als auch der Schulleiter „eigentlich immer nur den Vorschlaghammer rausgehauen/äh rausgeholt und auf meinem Kopf drauf rumgehauen . und da kämpf ich jetzt gerade damit äh . dass ich da irgendwas Gescheites zusammenkrieg.“ (Z. 19–21). Referendarin 5 nimmt explizit Bezug auf diese negativen Erfahrungen, wobei sie herausstellt, dass es Unterschiede bei den Fachleitungen gibt, die ihrer Meinung nach „… auch ganz stark von . dem Charakter der Fachleiter (abhängen)…“ (Z. 47 f.) und sie führt weiter aus, dass sie in einem Fach nach dem UB „… einfach am Boden zerstört“ (war) (Z. 56). Die hier geschilderten Erfahrungen werden von anderen Referendar:innen zwar mit großem Verständnis zur Kenntnis genommen, aber nicht mit eigenen Erfahrungen bestätigt.

Nachdem Referendarin 1 gleich zu Anfang der Diskussionsrunde die Formulierung des „Mitnehmens“ ins Spiel gebracht hat, wird von Referendar 3 darauf hingewiesen, „dass ja . gefühlt immer mehr Punkte auf der Liste stehen“ (Z. 27). Den Aspekt der unübersichtlichen Fülle von Beratungsaspekten nimmt auch Referendar 6 auf. In einer längeren Ausführung darüber, wie er die UNB zum jetzigen Zeitpunkt wahrnimmt, äußert er, dass er gar nicht so genau wisse, „wo soll ich denn jetzt anknüpfen?“ (Z. 70). Gemeint sind die Beratungsaspekte, die für die weitere Ausbildung wichtig sind. Er selbst nennt dabei den Grund für diese Orientierungsschwierigkeit: „Weil man hat halt so viele Punkte gehört . und/irgendwie man schreibt dann teilweise viel auf . aber . was ziehe ich denn jetzt raus?“ (Z. 70 f.).

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen spricht dieser Referendar an, welche Hilfe er sich in dieser Lage gewünscht hätte. „, … dass vielleicht unsere Fachleiter .. am Ende noch mal … verbindlich zusammenfassen würde, das und das war gut . in zwei Sätze und dann schau, dass du beim nächsten Mal da und da dran arbeitest“ (Z. 74–77). Auch Referendar 4 äußert, dass es ihm während der UNB schwer gefallen sei, „den Fokus nicht zu verlieren, weil ja die Eindrücke ja so unglaublich vielfältig sind“ (Z. 87 f.).

Im weiteren Verlauf der Diskussion wird dieser Wunsch mehrmals mit der Begründung geäußert, dass ein großer Vorteil der Beschränkung darin bestünde, für die nach der UNB anzustellende schriftliche Reflexion Sicherheit zu bekommen. Referendar 3 beschreibt die übliche Praxis so, dass die Reflexionsaufgabe „ohne jegliche . Grundlage also so ins Blaue rein“ (Z. 175 f.) gestellt wird. Zwar werden dann Punkte festgehalten, „die ich dann . raus mitgenommen habe“ (Z. 178), „diese Punkte muss man „..raushören“, was nicht leicht fällt, „man hat die schönen Zettelchen, aber . was jetzt konkret . sozusagen der Arbeitsschwerpunkt ist, muss man sich ja selber auch noch formulieren“ (Z. 179 f.).

Die schriftliche Reflexion im Anschluss an die UNB nimmt im weiteren Verlauf der Diskussion einen breiten Raum ein (s. dazu auch die Übersicht am Ende des Kapitels). Referendar 9 berichtet, dass die tabellarische Zusammenfassung der UNB von seinem Fachleiter selbst ausgefüllt werde. Dieser nenne auch die Aspekte, die für den Referendar als nächste Ausbildungsschwerpunkte zu bearbeiten sind. Die Entscheidungen des Fachleiters für die Weiterarbeit wird deshalb als hilfreich angesehen, weil „es sind halt . immer zwanzig Punkte, die man so arbeiten könnte, …“ (Z. 234 f.).

Zudem gibt es offenbar die Schwierigkeit, wenn weitere an der UNB Anwesende zusätzliche Beratungsaspekte benennen, z. B. ein Schulleiter oder eine Ausbildungsbeauftragte (ABB), manchmal scheint es zu einem regelrechten Kampf zu kommen, dann, wenn Teilnehmende der UNB „ihre Punkte unbedingt reinboxen wollen“ (Z. 328, s. auch Kap. 2). Diese Ergänzungen dienen dann nicht unbedingt den Referendar:innen, sondern scheinen aus Sicht der Auszubildenden eher die Position derer zu stärken, die einen Beratungsaspekt benennen.

Während der Ausbildung geraten insgesamt immer mehr Details des Unterrichts in den Blick. Kritisiert wird von den Referendar:innen im weiteren Verlauf der Diskussion nicht nur die steigende Fülle der Aspekte, die sie bei ihren folgenden UB berücksichtigen und möglichst auch umsetzten sollen. Es geht auch um den Ertrag der Nachbesprechung für die eigene Unterrichtspraxis. Hinweise sollten eher in so allgemeiner Form gegeben werden oder sich auf so allgemeine und grundsätzliche Prinzipien stützen, dass sie exemplarischen Charakter hätten. Damit wäre ein Schwerpunkt benannt, den man auch „für die nächsten Stunden“ (Z. 140) beachten könnte. So ließe sich leicht feststellen, ob man Fortschritte gemacht habe. Ähnlich äußert sich Referendar 6, wenn er mit Blick auf die Nachbesprechung sagt, „dass ich da keinen großen Lernertrag drin sehe, weil ich das Gefühl habe, dass man oft nur einfach nur über die eigentliche Stunde spricht … aber das hilft mir manchmal einfach nicht, was ich daraus. Sagen wir mal . allgemein für immer ziehen kann.“ (Z. 259 f.)

Eine andere Art von Schwierigkeit tut sich dann auf, wenn ab dem dritten UB Noten von den Fachleitungen festgelegt werden. Da nicht völlig klar ist, inwiefern und mit wie viel Gewicht auch die Reflexion der eigenen Stunde oder die Nachbesprechung selbst mit in die Benotung einfließen, führt die Erwartung auf diese Note zu einer belastenden Anspannung innerhalb der NachbesprechungFootnote 4. So erklärt Referendarin 3 „wie dieses Gespräch . gestaltet ist… dass ich die die Nachbesprechung eher wie `ne Art mündliche Prüfung erlebe . wo`s darum geht, ich muss jetzt auf die Punkte kommen die äh . die Fachleiterin nicht gut fand“ (Z. 510 f.). Im weiteren Verlauf ihres Redebeitrags stellt die Referendarin die herausfordernde „Prüfungssituation“, in der sie „selber erkennen muss, wo meine Schwächen liegen“ (Z. 527) einer günstigeren Art der Gesprächsführung entgegen. „…, dass der Fachleiter da halt auch wirklich viel mehr . einfach . von sich dann sagt, dass es nicht zu so`m Rätselraten wird“ (Z. 521f.). Der Begriff wird auch später von Referendar 4 verwendet (in Z. 622: „nicht erraten, was der Fachleiter gerne…“ und noch einmal in Z. 626). Die Konsequenz aus der vorhandenen Anspannung liegt für Referendar 4 darin, dass man innerhalb der UNB dann „…wirklich wegkommt von diesem individuellen Ertrag d/des/des Gesprächs hin zu son `ner sozial Erwünschtheit von Antwort … und ich dann wirklich in dieses Raten anfange … und dann entfernt man sich wirklich komplett von den Ideen und äh . oder von den . eigenen Planungsentscheidungen …“ (Z. 639 – 644). Auch Referendar 6 greift diese Schwierigkeit auf und beschreibt sie mit: „ … es ist genau wie du sagst, in diesem, versuchst genau die Antworten zu finden oder was könnte er denn jetzt oder sie schlecht gefunden haben?“ (Z. 661 f.). Als Grund für dieses Verhalten gibt er an: „Das versuchst du rauszufinden, weil das könnte dann deine Note ja noch irgendwie wieder nach oben ziehen . das könnte das Ganze ja noch verbessern…“ (Z. 662 – 664).

Die Gruppendiskussion endet schließlich mit einem Vorschlag, um die schwierige und belastende Situation innerhalb der UNB zu verändern: Die Reflexion sollte nicht benotet werden. Die Ausbilder:innen könnten schon vor der UNB die Note für den UB fixieren, ohne sie den Referendar:innen mitzuteilen. So könnte die UNB von der Benotung unbelastet ablaufen und damit eher „auf Augenhöhe“ (Z. 677) geführt werden, weil man „vielleicht so`n bisschen freier . von der Leber weg mal . Alternativen äußern“ (Z. 709 f.) könnte.

In der tabellarischen Zusammenfassung werden die zentralen Inhalte aufgeführt und dabei werden an dieser Stelle schon einzelne Metaphern als Ankerbeispiele vorgestellt, die im folgenden Kapitel näher untersucht werden (Tabelle 10.1).

Tabelle 10.1 Inhalte der Gruppendiskussion

10.3 Zur Methodik – die Metaphernanalyse

Auf die Eingangsfrage der Moderatorin, was den Referendar:innen in der Rückschau auf ihre Ausbildungszeit im Hinblick auf die abgeleisteten UB besonders präsent sei, startet eine Referendarin mit einer Äußerung, die in ihrem Kern eine Metapher beinhaltet:

Am Anfang war man noch total . ähm . positiv gestimmt und . konnte auch super viel mitnehmen . das hat einem sehr viel gebracht .Footnote 5 (Z. 11–12)

Die Diskussionsrunde beginnt mit dem Hinweis auf den Wert und Ertrag, den die Unterrichtsnachbesprechungen darstellen. Diese Einschätzung ist dabei kein singulärer Eindruck, den nur eine von zehn Anwesenden zum Ausdruck bringt. Die Metapher, etwas aus den UNB „mitzunehmen“, wird auch von anderen Referendaren immer wiederFootnote 6 aufgegriffen.

Da es sich bei der eingangs geäußerten Metapher um keine Einzelerscheinung handelt, erscheint die Rekonstruktion der in dieser Diskussion auftretenden Metaphern schon wegen ihrer Häufigkeit eine sinnvolle Analyseheuristik zu sein.

Darüber hinaus stellt Schmitt (2017: 563) in seiner Methodologie der Metaphernanalyse fest, dass für

„Forschungsfragen, welche die elementare Welt- und Situationsdeutungen von Subjekten und Milieus in den Mittelpunkt stellt, die Metaphernanalyse als Methode indiziert (ist, A.B.-H.); (…)“.

Die Bedeutung von Metaphern vor allem im Ausbildungskontext hebt Ryter Krebs (2008) hervor. Mit Rückgriff auf Lakoff und Johnson betont sie im Rahmen ihrer Studie zum Lernverständnis von Studienanfängern die erleichternde Konzeptualisierung von abstrakten und komplexen Konzepten – wie beispielsweise das eigene Lernen – „aus klar umrissenen und konkreten Erfahrungen“ (ebd.: 209).

Die Frage, wann im Forschungsverfahren der Fokus auf Metaphern gesetzt werden sollte, beantwortet Kruse et al. (2012: Abs. 33,34 ) im Kontext seiner rekonstruktiven Basismethodologie. Für Kruse bildet die Metaphernanalyse „eine methodische Heuristik innerhalb eines Rahmenverfahrens“ (ebd.: Abs. 27), die „nicht zwingend auf das ganze Korpus angewendet“ (ebd.) wird, sondern auf das Material, das den Eindruck „einer metaphorischen Dichte“ (ebd.) erweckt.

Von einer metaphorischen Dichte ist vor allem dann auszugehen, wenn sich die Agierenden in einem für sie neuen Feld befinden, für das sie noch keinen professionellen Jargon besitzen. Die Möglichkeiten des metaphorischen Sprachgebrauchs und ihr besonderer heuristischer Nutzen besteht für den Sprachphilosophen Max Black vor allem im innovativen Charakter der Metapher:

„Wir brauchen die Metaphern in genau den Fällen, in denen die Präzision wissenschaftlicher Aussagen nicht in Frage kommt. Die metaphorische Aussage ist kein Ersatz für einen formalen Vergleich oder eine andere wörtliche Aussage, sondern hat ihre eigenen charakteristischen Möglichkeiten und Leistungen“ (Black 1983: 68).

Auch Blumenberg betont die pragmatische Funktion der Metapher, bei deren Gebrauch

„[...] ein implikatives Wissensbedürfnis zum Vorschein komme, das sich im Wie eines Verhaltens auf das Was eines umfassenden und tragenden Ganzen ausgewiesen weiß und sein Sich-einrichten zu orientieren sucht. Dieses implikative Fragen hat sich immer wieder in Metaphern ›ausgelebt‹ und aus Metaphern Stile von Weltverhalten induziert“ (Blumenberg 1999: 25).

Mit dem Erscheinen ihres populären Buches „Metaphers we live by“ (1980) haben Lakoff und Johnson entscheidend für die Verbreitung der Bedeutung metaphorischer Konzepte gesorgt. In ihrem Buch beschreiben die Autoren, welche wesentliche Rolle auf der sprachlichen Ebene Metaphern für die Konstruktion und Deutung unserer alltäglichen Erfahrungen und insgesamt unserer Lebenswirklichkeit zukommt. Sie stellen überzeugend fest, dass der metaphorische Sprachgebrauch nicht nur eine Angelegenheit der Sprache und damit unseres Verstandes ist.

„The concepts that govern our thougt are not just matters of the intellect. They also govern our everyday functioning, down to the most mundane details. Our concepts structure what we perceive, how we get around in the world, and how to relate to other people“ (ebd.: 3).

Als prominentes Beispiel nennen die Autoren (vgl. ebd.: 4) ein Konzept, das in unserer Alltagssprache weit verbreitet ist und unsere Art miteinander zu kommunizieren maßgeblich beeinflusst. Die Metapher ARGUMENT IS WAR strukturiert viele unserer kommunikativen Handlungen. So können wir die Argumente unseres Gesprächspartners entkräften, wir können eine gegnerische Position angreifen, die eigene Position gilt es zu verteidigen oder zu stärken, wir können uns in einem Gespräch wappnen, vielleicht eine Strategie verfolgen und uns bemühen für unser Anliegen Mitstreiter zu finden. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass wir nicht nur so sprechen, als befänden wir uns im Krieg. „Many of the things we do (Herv. i. O.) in arguing are partially structured by the concept of war.“ Unsere Argumentationsstruktur ist in diesem Sinne strukturiert wie ein „Kampfgeschehen“ (Lakoff und Johnson 2000: 12), wir agieren, als ob wir uns in einem verbalen Kampf befinden. Um die Tragweite der Kampfmetapher zu veranschaulichen, entwerfen die Autoren ein Gegenkonzept. Mit dem Konzept ARGUMENTIEREN IST TANZ würden die Teilnehmer einer Argumentation als Künstler erscheinen „und das Ziel haben, sich harmonisch und ästhetisch ansprechend zu präsentieren.“ (Ebd.: 13)

Auch wenn die Autoren davon ausgehen, dass wir uns unserer metaphorischen Konzepte im Alltag kaum bewusst sind, „lenken“ (ebd.: 11) Metaphern unser Handeln. Da Lakoff und Johnson (2000: 12) zufolge „Sprache auf dem gleichen Konzeptsystem beruht, nach dem wir denken und handeln,“ ist die Untersuchung der verwendeten Metaphern ein Schlüssel zur Erkenntnis darüber, was für Vorstellungen wir über bestimmte Sachverhalte haben.

Metaphorisierungsprozesse verlaufen nach Lakoff und Johnson nach zwei Prinzipien: Spezifische Bedeutungsaspekte werden hervorgehoben („highlighting“), andere dagegen bleiben verborgen („hiding“). Beim Beispiel der Metapher ARGUMENT IS WAR werden bestimmte Aspekt des Argumentierens, „the batteling aspects“ (Lakoff & Johnson 1980: 10), betont. Andere Aspekte, die mit dem metaphorischen Konzept nicht übereinstimmen, werden dagegen ausgeblendet.

„…in the midst of a heated argument, when we intend on attacking our opponent’s position and defending our own, we may lose sight of the cooperative aspects of arguing“ (ebd.).

Spieß (2014.: 36) stellt im Zusammenhang der Metaphernanalyse die Frage, „welche Gegenstände sich besonders für Metaphorisierung eignen?“ Ihre Antwort dazu fällt zwar recht allgemein aus, zeigt aber die erkenntnisleitende und orientierungsbietende Funktion der Metapher. „So wird u.a. Unbelebtes durch Belebtes, Abstraktes durch Konkretes, Komplexes durch Einfaches metaphorisiert“ (ebd.).

Die Autorin geht weiter davon aus, dass der Metaphorisierungsprozess als ein „Sinngenerierungsprozess“ (vgl. Spieß, ebd.: 44) zu verstehen ist. „Mit der Metaphernverwendung entscheidet sich der Diskursakteur für eine spezifische perspektivierte Sichtweise bzw. Interpretation von Sachverhalten.“ (Ebd.: 37)

Um die orientierende Leistung der Metapher zu beschreiben, hat Harald Weinrich in „Linguistik der Lüge“ (Weinrich 2016: 44f.) ein Kontextmodell der Metapher entwickelt.

„Aber wenn die Metapher überhaupt den Kontext als Bedingung ihres Entstehens hat, dann gilt auch für sie nicht die Semantik des Einzelwortes, sondern die Semantik des Wortes im Text …“ (ebd.).

Auch Spieß (ebd.: 39) betont die kontextuelle Eingebundenheit metaphorischer Ausdrücke, weshalb sie in ihren „je spezifischen Diskursen zu bestimmen und zu analysieren“ sind. In diesen Diskursen sind sie themengebunden und ihre Konzepte zeigen auf, welche Verständnis die Sprecher:innen zum Thema besitzen. In einigen Diskursen lassen sich dabei Metaphern mit einer besonderen Bedeutung identifizieren. Spieß spricht in diesem Zusammenhang (ebd.: 45) von „Schlüsselfunktionen“. Diese Bedeutung lässt sich dann erkennen, wenn diese Metaphern „ganze Diskurse strukturieren und bestimmen …“ (ebd.).

10.3.1 Was ist eine Metapher?

Bevor innerhalb der Gruppendiskussion die verwendeten Metaphern identifiziert und analysiert werden, wird zunächst kurz dargestellt, welche Sprachphänomene mit dem Begriff „Metapher“ innerhalb dieser Forschungsarbeit bezeichnet werden.

Metaphern sind, anders als es vielleicht innerhalb der Literaturwissenschaft erscheint, mehr als nur ein poetologisches Schmuckelement unserer Sprache. Wie schon in Abschn. 10.3. gezeigt sind für Lakoff und Johnson Metaphern unverzichtbare Bestandteile unserer alltäglichen Sprache.

Die Bedeutung der Metapher ist spätestens seit der kognitiven Wende in der LinguistikFootnote 7 sehr groß und die Literatur zur Theorie der Metapher ist inzwischen umfangreich, wenn nicht unübersichtlich zu nennen. So erwähnt Rolf (2005: 14ff) allein 25 verschiedenen Metapherntheorien.

Die älteste uns bekannte Theorie der Metapher stammt von Aristoteles, dessen Metaphernbegriff in der ‚Rhetorik‘ und ‚Poetik‘ (Aristoteles 1982: 67) als ein Wort in „uneigentlicher Bedeutung, durch welches ein anderes ersetzt wird“, beschrieben wird. Hier erscheint die Metaphorik im Bereich der Wortsemantik angesiedelt zu sein, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Wort aufgrund von (subjektiv konstruierter) Ähnlichkeit durch ein anderes ersetzt wird. Die Vorstellung von der Möglichkeit einer Substitution des metaphorischen Begriffs durch den „eigentlichen“ Begriff ist sicherlich ein Grund dafür, warum man lange Zeit dachte, es gäbe neben der Verwendung metaphorischer Ausdrücke auch ein Sprechen jenseits der Metaphorizität rhetorischer oder poetischer Sprache.

RichardsFootnote 8 (1936) stellt innerhalb seines Interaktions-Paradigmas die Metapher als eine „konstitutive Form“ der Sprache und gleichzeitig „als ein Werkzeug zur Strukturierung der Welt“ dar (zit. nach Hülzer 1987: 144). Hülzer beschreibt die Leistung Richards‘ Interaktionstheorie damit, dass im Gegensatz zur Substitutionstheorie aus der gegenseitigen Beeinflussung zweier Vorstellungen „eine neue Bedeutung für das Gesprochene“ (ebd.: 146) evoziert werde. Richards selbst erklärt die Idee der Interaktion mit den Worten:

„In the simplest formulation, when we use a metapher we have two thoughts of different things active together and supported by a single word, or phrase, whose meaning is a result of their interaction.“ (Richards 1936; zit. nach Hülzer: ebd.)

In der Tradition der pragmatischen Semantik wird die Bedeutung der Metapher im Rahmen ihres Auftretens in konkreten Äußerungskontexten möglich. So ist beispielsweise die Äußerung „Peter ist ein Kind“ (Kurz 1982: 13) je nach Äußerungskontext wörtlich, „wenn Peter sechs Jahre alt ist, oder metaphorisch zu verstehen, wenn er dreißig Jahre alt ist“ (ebd.: 14). Kurz‘ Definition einer Metapher lautet:

„Die Metapher ist eine Abweichung – nicht vom wörtlichen Gebrauch …, sondern im dominanten Gebrauch eines Wortes. Der dominante Gebrauch ist der typische Gebrauch. Er fällt uns zuerst ein, an ihm orientieren wir uns unwillkürlich.“ (Ebd.: 17)

Damit komme ich zu einem weiteren wesentlichem Charakteristikum der Metapher: Die „prädikative Grundstruktur“ einer metaphorischen Äußerung besteht laut Kurz in Folgendem: …„ein Element wird auf ein anderes prädikativ bezogen“ (ebd.: 22) oder in anderen Worten: Wir transportieren einen „suggestiven Komplex von implizierten Vorstellungen, Ansichten, Wertungen und affektiven Besetzungen“ vom Bildspender auf den Bildempfänger einer Metapher. Damit ist eine „Verstehensbewegung“ (ebd.: 23) in Gang gesetzt, mit der je nach Sprachbewusstsein von Hörer bzw. Sprecher auch bei lexikalisierten Metaphern semantische Inkongruenzen wahrgenommen werden können.Footnote 9

Diese semantischen Inkongruenzen könnte man auch als eine „Verstehenslücke“ beschreiben, die sich daraus ergibt, dass beim metaphorischen Sprechen zwischen dem wörtlich Gesagten (dem Bildspender) und dem tatsächlich Gemeinten (dem Bildempfänger) eine Verbindung herzustellen ist, damit die auf der sprachlichen Ebene entstandene Lücke zwischen beiden Elementen geschlossen werden kann. Nach Spieß (2014) werden dabei

„die relevanten und durch die Metapher hervorgehobenen Bedeutungsaspekte situativ in die Kommunikationssituation eingepasst, um die Kommunikation aufrecht zu erhalten. Ein Sprachteilhaber muss damit spezifische, kulturelle verortete Projektionsprozesse leisten, um Metaphern verstehen und anwenden zu können.“ (Ebd.: 37)

Lakoff und Johnsons Theorie setzt dabei auf ein weites Verständnis des Metaphernbegriffs, sodass selbst Präpositionen als metaphorische Ausdrücke begriffen werden. Diese Metaphern gelten für die Autoren (1999: 56) zu den basalen Metaphern („primary metaphor“), die wir schon früh erlernen und die erst später zu komplexen metaphorischen Konzepten kombiniert werden. So impliziert beispielsweise die Rede von „In deiner Äußerung steckt ein interessanter Gedanke“, dass eine Äußerung oder ein Satz ein Behältnis ist, in das Gedanken aufgehoben werden können. Diese Art von, man könnte sagen, „blasser“ Metaphorik kündigt sich nicht schon durch semantische Inkongruenzen beim Zuhören an, weil man von ihr als Hörer gefordert würde, eine Verstehenslücke zu füllen. Im Falle der metaphorisch gebrauchten Präposition benötigt man schon eine gewisse Sensibilität, um die Uneigentlichkeit des Sprachgebrauchs noch zu erkennen.

Beim Verstehensprozess einer Metapher muss daher, so Kurz, das „Bewusstsein der Sprecher von ihrer Sprache“ (ebd.: 18) berücksichtigt werden, will man verstehen, warum lexikalisierte Metaphern, die durch ihren häufigen Gebrauch „in den usuellen Wortschatz aufgenommen“ (ebd.) wurden, „wieder re-metaphorisiert werden“ (ebd.) können. Die Möglichkeit der Remetaphorisierung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für diese Arbeit, wenn es darum geht, auch die weniger „lebendigen“ oder „innovativen“ Metaphern (ebd.: 19) in Äußerungen aufzuspüren.

Für die Analyse der Gruppendiskussion ist es besonders wichtig, den transkribierten Text wiederholt auf mögliche Metaphern zu untersuchen, um die in der Diskussion verwendeten Metaphern als Orientierungsmuster der sozialen Praxis der LAA zu erkennen.

Zudem ist es notwendig, ausgehend von einzelnen identifizierten Metaphern systematisch nach weiteren „metaphorischen Ableitungen“ (Lakoff/Johnson 2019: 951) zu suchen, um schließlich Verbindungen und Vernetzungen zwischen den Metaphern erkennen zu können und so ein komplexes Verständnis von den erkenntnisleitenden Vorstellungen der Referendar:innen zu erhalten.

10.3.2 Die Metaphernanalyse der Gruppendiskussion

Ausgehend von der kognitiven Linguistik hat Kruse (2011: 93) ein Verfahren entworfen, dem zur FolgeFootnote 10 das Datenmaterial in vier Untersuchungsschritten analysiert wird. Für das in dieser Untersuchung erhobene Material bedeutet dies:

  1. 1.

    Die Metaphern, die innerhalb der Gruppendiskussion identifiziert werden, sollen zunächst in ihrem „unmittelbaren Textkontext“ (Schmitt 2018: 59) erfasst werden.

  2. 2.

    Die erfassten Metaphern werden anschließend durch einen „systematischen Vergleich rekonstruiert“ (Schmitt, ebd.) und zu zusammenhängenden Mustern gebündelt. Dabei werden die Metaphern „inhaltlich, semantisch und logisch“ (Kruse, ebd.: 97) gegliedert, sodass abstraktere Kategorien entstehen.

  3. 3.

    In diesem Schritt werden die metaphorischen Konzepte „ausbuchstabiert“, d.h. Implikationen der Metaphern werden expliziert, um so nach Kruse (ebd.: 99) das, „was bei der vorbewussten Verwendung von Metaphern mitschwingt“ bewusst zu machen.

  4. 4.

    In einem letzten Schritt werden die verwendeten Metaphern interpretiert und in den Ursprungskontext eingebunden. Hierbei können Fragen wie die nach den „aufmerksamkeitsfokussierenden und -ausblendenden Funktionen des jeweiligen metaphorischen Konzeptes“ (Schmitt, ebd.) eine Rolle spielen.

10.4 Metaphern in der Gruppendiskussion

Als erster Schritt werden zunächst die metaphorischen Konzepte, die in der Gruppendiskussion im Kontext der Frage, Wie beschreiben die Referendar:innen ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit den erlebten UNBs? verwendet werden, dargestellt. Dabei werden auch die jeweiligen „Kotexte“ der Metaphern (Kruse et al., ebd.: Abs. 17) erfasst. Dieses die Metaphern „umgebende Sprachmaterial“ wird für einen besseren Nachvollzug der metaphorologischen Konzepte in die Darstellung mit aufgenommen.

Die weiteren Analyseschritte orientieren sich an dem dargestellten Ansatz von Kruse et al. (2011, 2013) und an einer darauf sich beziehenden Beispielanalyse von Pehl und Dresing (o.J.), die für ihre Analyse mit der f4analyse-AuswertungssoftwareFootnote 11 gearbeitet haben und die auch hier als erster Zugang zum Material verwendet worden ist. Zunächst wurde der gesamte Text der Gruppendiskussion nach Metaphern untersucht (vgl. Kruse 2011: 94 ff.), mit denen die Referendar:innen ihre Erfahrungen in den zurückliegenden UNB beschreiben. Danach wurden die Metaphern in Kategorien gebündelt. Insgesamt entstanden so sieben Kategorien (Abbildung 10.1):

Abbildung 10.1
figure 1

Kategorien und ihre Häufigkeit

Die Häufigkeit der benutzen Metaphern veranschaulicht auch Tabelle 10.2.

Tabelle 10.2 Anzahl der Metaphern und die der sie benutzenden Referendar:innen

Die ermittelten Kategorien werden zunächst mit ihren „Kotexten“ aus dem Korpus der Gruppendiskussion detailliert dargestellt, damit nachvollzogen werden kann, wie das Sprachmaterial im Original lautet. Damit wird der nächste Schritt der Analyse, die Abstraktion und inhaltliche Vervollständigung der gebildeten Kategorien, vorbereitet.

Der letzte Schritt besteht in der Interpretation und Einbindung der herausgearbeiteten Metaphorik (s. Abschn. 10.4.2), bei der vor allem auf ihre inhaltliche Kohärenz im Zusammenhang mit den weiteren Metaphern geachtet wird. Während dieses Analyseschrittes wird auch herausgearbeitet, welche Konnotationen die Metaphern besitzen und welche semantischen Implikationen aus ihrer Verwendung folgen.

  1. 1.

    Metapher: AUSBILDUNG IST MITNEHMEN (von Gegenständen)

Es werden Ankerbeispiele aus der Gruppendiskussion zitiertFootnote 13, die diesem Metaphernkonzept zugeordnet werden:

  • „konnte halt auch super viel mitnehmen . das hat einem sehr viel gebracht“ (Z. 11 f.)

  • „aber . was ziehe ich denn jetzt raus?“ (Z. 71)

  • „was waren denn jetzt die Punkte, die ich dann . raus mitgenommen habe,“ (Z. 178)

  • „also da wird irgendwie so immer mehr reingegeben“ (Z. 205)

  • „was ich daraus .sagen wir mal . allgemein für immer ziehen kann“ (Z. 258 f.)

  • „von sich aus mir so was an die Hand geben würde“ (Z. 262 f.)

  • „nimmt man nicht wirklich viel mit raus,“ (Z. 269 f.)

  • „wie man das vielleicht anpacken könnte“(Z. 236 f.)

  • „wo ich einfach noch . ähm . noch mehr rausholen kann“ (Z. 496 f.)

  • „Und das ist eigentlich . das . was ich auch aus diesen/aus diesen Nachbesprechungen mitnehme“ ( Z. 497)

  • „ich hab` halt `nen Pool, aus dem ich dann schöpfen kann“ (Z. 540 f.)

  • „eigenen Planungsentscheidungen“ (Z. 644 f.)

  • „wie mir meine Idee besser machen könn“ (Z. 671)

Wenn die Beratungsinhalte der UNB als GEGENSTÄNDE dargestellt werden, die man „mitnehmen“ kann, impliziert dies, dass die mitzunehmenden Gegenstände in einem Außen existieren. Sie werden in der äußeren Umgebung wahrgenommen und können mitgenommen oder aus einem Außen „rausgezogen werden“. Im einen Fall scheint das Außen ein Behälter zu sein, sodass der Gegenstand „gezogen“ oder herausgeholt werden kann. Gelegentlich werden Gegenstände auch in ein Behältnis (einen „Topf“) „reingegeben“.

Schwierig wird es offenbar dann, wenn in dieses Behältnis "immer mehr" gegeben wird, weil dann die Referendar:innen nicht wissen, welche Inhalte wirklich wichtig sind. Deshalb ist hier die Unterstützung von den Fachleitungen erwünscht, die sagen, „wie man das vielleicht anpacken“ könnte.

  1. 2.

    Metapher: AUSBILDUNG IST KAMPF

Als Ankerbeispiele werden die folgenden Äußerungen aus der Gruppendiskussion genannt:

  • „Vorschlaghammer rausgehauen/äh rausgeholt und auf meinem Kopf drauf umgehauen . und da kämpf ich jetzt gerade damit“ (Z. 20)

  • „ich einfach am Boden zerstört (kneift die Lippen aufeinander)“ (Z. 55 f.)

  • „Und das kann einem noch mal . wirklich. sehr stark runter ziehen“ (Z. 294)

  • „dann quasi noch ihre Punkte unbedingt reinboxen wollen und äh“ (Z. 328)

  • „ähm . ich finde, dass ist äh/da ist man emotional ganz schnell ganz schnell angegriffen (Ref. 5 nickt) . weil man damit auch erst mal nicht rechne“ ( Z. 344)

  • „ da war ich nachher froh, dass ich das irgendwie dann für mich weggesteckt hab,“  (Z. 376)

  • „Es erwartet ja keiner, dass wir nur in . Watte eingepackt werden…“ (Z. 428 f.)

  • „das schon (…) . Bemerkungen unter der Gürtellinie (erfolgen)“ (Z. 446)

  • „Also . äh verteidige ich letzten Ende das, was ich getan habe“ ( Z. 669)

  • „Steh ich ja gar nicht für die Idee ein,“ (Z. 671)

  • „nur drauf/oder dass es das Gefühl ist, dass es halt nur drauf geht.“ (Z. 774)

Die UNB wird in diesen Äußerungen als KAMPF konzipiert, was impliziert, dass man innerhalb des Kampfgeschehens „nach unten gezogen“ werden kann. Andere Beteiligte (z. B. die ABB) haben das Interesse, eigene Beratungsaspekte „reinboxen zu wollen“, was als „herber Rückschlag“ erlebt wird, da man von den Ausbildungsbeauftragten eher mit Unterstützung gerechnet hätte. Diese Art der Interaktion wird als verbale Attacke wahrgenommen.

Auch negative Rückmeldungen von Fachleitungen, die ggf. ohne Positivrunde geäußert werden, muss man „wegstecken“ wie einen starken Hieb, den man erhalten hat. Gelegentlich haben Referendar:innen das Gefühl, dass sie für ihre Ideen bei der Unterrichtsplanung „einstehen“ oder sie gegen die Ideen der Fachleitungen „verteidigen“ zu müssen.

Allerdings erwarten Referendar:innen nicht generell, „in Watte gepackt werden [zu müssen, A.B.-H.], aber sie fürchten sich vor „Bemerkungen unter der Gürtellinie“ oder ganz allgemein, dass es immer auf sie „drauf geht“.

  1. 3.

    Metapher: AUSBILDUNG IST ORIENTIERUNG

Ankerbeispiele hierfür sind:

  • „man versucht das ja alles im Blick zu haben,“ (Z. 30)

  • „um den Fokus nicht zu verlieren“ (Z. 88)

  • „dass es irgendwie unverbindlich und unkontrolliert im Raum drin steht“ (Z. 120)

  • „…, dann schick ich das quasi in den blauen Dunst hinein raus“ (Z. 126

  • „geht da für mich son bisschen verloren“ (Z. 129)

  • „.ähm (…)dass man . halt diese offene Reflexion,“ (Z. 139)

  • „in dem einen Fach äh machen wir das so, dass wir . ähm . das frei reflektieren dürfen ähm“ (Z. 151)

  • „ schreiben ja ne Reflexion ohne jegliche Grundlage also so ins Blaue rein“ (Z. 176)

  • „und da hab ich für mich hinterher doch auch noch mal auf einen Blick . ah das waren doch auch Punkte, die angesprochen wurden“ (Z. 186 f.)

  • „und man . verliert sich irgendwann so. “ (Z. 206)

  • „oder was ich beobachte, ist diese Unklarheit an der Bezugsnorm“ (Z. 464)

  • „versuchst genau die Antworten zu finden“ (Z. 661)

Rückmeldungen der Fachleiter:innen zur Ergebnissicherung sind für Referendar:innen wichtig, damit für sie Verbindlichkeit und Kontrolle für die weitere Ausbildung besteht. Die Feedbacks der Fachleitungen geben den Referendar:innen die notwendige Sicherheit und ORIENTIERUNG und verhindern so, dass sie „den Fokus verlieren (Z. 88).“ Die schriftlichen Reflexionen nach der UNB sollten einer klaren Struktur folgen, um die Übersicht über den Ausbildungsprozess zu behalten und ein angemessenes Ziel anzusteuern. Aus Sicht der Referendar:innen besteht andernfalls die Gefahr, dass sie ohne diese Orientierung das Wesentliche nicht beachten und sie anfangen „zu schwimmen“ und „ins Blaue hinein“ die nächsten Stunden zu planen.

  1. 4.

    Metapher: AUSBILDUNG IST EIN WEG

Folgende Ankerbeispiele sind berücksichtigt worden:

  • „oh du bist ja tatsächlich besser geworden, aber halt mit kleinen Schritten“ (Z. 269)

  • „na ja, wo kann’s denn hingehen?“ (Z. 312)

  • „und natürlich sind alle an unserer Professionen an unser`m Weiterkommen irgendwie interessiert .“ ( Z. 507)

  • „der will mir wirklich was Gutes und der möchte . dass ich . Fortschritt zeige, dass ich vorankomme“ (Z. 526)

  • „….mit seiner Hilfe da in/im Laufe des Gesprächs drauf“ (Z. 528)

  • „mehrere Lösungswege“ ( Z. 536)

  • „das sind Wege, wie Sie das besser machen können,“ (Z. 567)

  • „und man noch mal so`n bisschen mal `ne andere Richtung denkt“ (Z. 584)

  • „dann entfernt man sich wirklich komplett von den Ideen“ (Z. 643)

Der Fortschritt während der Ausbildung wird als WEG konzipiert, was impliziert, dass man „Schritt für Schritt“ weiterkommt. Die Ausbilder:innen sind am „Weiterkommen“ und am „Fortschritt" der LAA interessiert.

Allerdings ist nicht immer klar, wo es denn „hingehen kann“. Ein Problem an der zurückzulegenden Wegstrecke besteht darin, dass man zwar weiterkommt, aber dass man dann weiter „blicken kann“, sodass sich das Ziel stets weiter entfernt.

Die „Wege“, die einem die Ausbilder:innen für die Optimierung des eigenen Unterrichts aufzeigen, sollten aus Sicht der LAA „auf lange Sicht“ ausgelegt sein, damit die Referendar:innen auch „im Alltag“, also auch außerhalb der Besuchsstunden, einen Nutzen davon tragen.

Manchmal „entfernt“ man sich bei der UNB von den eigenen Ideen und es geht in der Beratung dann vor allem um die Ideen der Ausbilder:innen.

  1. 5.

    Metapher: AUSBILDUNG IST SCHULE

Hierzu sind folgende Ankerbeispiele zu nennen:

  • „Denn dann ist man doch . darauf angewiesen, wie so`n . Schüler, wie `ne Schülerin, da `ne Note zu hören .“ (Z. 474)

  • „es kommt das ZfsL und ich werde dann böse irgendwie bewertet“ (Z. 484)

  • „dass sich die Nachbesprechung eher wie `ne Art mündliche Prüfung erlebe . wo’s drum geht, ich muss jetzt auf die Punkte kommen, die äh. die Fachleiterin nicht gut fand“ (Z. 509 - 511)

  • „dass der Fachleiter da halt auch wirklich viel mehr . einfach . von sich dann sagt, dass es nicht zu so`m Rätselraten wird,“ (Z. 521 f.)

  • „sondern nich wie in so`ner mündlichen Prüfung sitz und jetzt drauf kommen muss, was hat der Fachleiter denn da an negativen Punkten gesehen oder sieht“ (Z. 522 f.)

  • „Befragung in Anführungsstrichen dann einfach durchgeführt wird.“ (Z. 594 f.)

  • „in diese wie so`ne Art Prüfung zu sein .“ (Z. 596)

  • „das stellt doch keine mündliche Prüfung da, schon gar nich keine . Uni-Prüfung,“ (Z. 720 f.)

Wenn man sich in der Ausbildungssituation als „Schüler“ wahrnimmt, impliziert das vom Lehrer eine „Note zu hören“. In diesem Sinne wird die UNB als SCHULE oder „Prüfung“ erlebt, bei der es dazu gehört, dass man „auf die Punkte kommen muss, die der Fachleiter nicht gut fand“. Dabei kann es einem als Referendar:in passieren, dass diese Prüfung zum „Rätselraten“ wird, weil man „drauf kommen muss, was der Fachleiter an negativen Punkten“ während der Besuchsstunde gesehen hat. Offenbar können diese Punkte nur erraten werden, weil den Referendar:innen die nötige Erfahrung zur Identifikation dieser Aspekte noch fehlt. Fachleiter:innen sollten deshalb weniger zurückhaltend mit ihrer Einschätzung während der UNB umgehen. Insgesamt hängt es von der „Befragung“ ab, ob die UNB zu einem Rätselraten wird oder ob es sich dabei um einen „geschützten Rahmen“ handelt, in dem man auch mal „ein bisschen spinnen darf“.

  1. 6.

    Metapher: DIE UNB IST EIN RAUM

Ankerbeispiele hierzu sind:

  • „da geh ich, auch wenn es ein schlechter UB war, geh ich wieder raus und weiß“ (Z. 54 f.)

  • „aber irgendwelche Dinge die . irgendwie dann eigentlich in der Nachbesprechung nichts verloren haben, die sollten dann aber auch bitte draußen bleiben“ (Z. 450)

  • „oder ich zumindest da rein gehe,“ ( Z. 489)

  • „dass man eher mit dem Gefühl raus“ (Z. 525)

  • „es ist in gewisser Weise so`n geschützter Rahmen,“ ( Z. 599 f.)

Wenn eine UNB wie ein RAUM konzipiert wird, impliziert das, dass man sie betreten kann und sich in ihnen aufhält und dass man sie nach einiger Zeit auch wieder verlässt. In diesem Raum werden wichtige Dinge verhandelt, denn man betritt die Räume mit „bestimmten Einstellungen“ und „verlässt“ sie mit bestimmten „Gefühlen“. In besonders günstigen Fällen ist der Raum auch eine Art „Schutzraum“.

  1. 7.

    Metapher: AUSBILDUNG IST EINE ANZAHL VON GEGENSTÄNDEN

Als Ankerbeispiele sind zu nennen:

  • „dass ja . gefühlt immer mehr Punkte auf der Liste stehen . also die summieren sich ja . einfach in zunehmender Anzahl der Unterrichtsbesuche und Nachbesprechungen.“ (Z. 27–29)

  • „Weil man hat so viele Punkte gehört . und/ irgendwie man schreibt sich dann teilweise viel auf .“ ( Z. 70 f.)

  • „so, das ist jetzt der wichtigste Punkt, machen Sie doch des zuerst, es sind halt . immer zwanzig Punkte, die man so arbeiten könnte,“ (Z. 234)

Fachleiter:innen sollten bei der Vielzahl der Rückmeldungen nur diejenigen benennen, die wirklich wichtig sind. Die ANZAHL der Rückmeldungen bzw. die in der UNB benannten Beratungsaspekte „summieren sich“ für die Referendar:innen auf einer „Liste“ immer weiter auf, bis sie schließlich den Überblick verlieren und das Wesentliche für sie aus dem Blick gerät.

Die in diesem Zusammenhang auftretende Vorstellung von Listen, die während der Ausbildungszeit fortgeschrieben werden, mag sogar im Einzelfall wörtlich gemeint sein. Im überwiegenden Fall handelt es sich dabei allerdings nicht um tatsächliche Listen, sondern vielmehr um eine Veranschaulichung von der Fülle von Beratungsaspekten, die auf unterschiedlichen Ebenen und in großer Fülle während der UNB zur Sprache kommen.

Bei der Anzahl der Beratungsaspekte scheint es sich um ein „Grenzphänomen“ von Metaphern zu handeln. Zur deutlicheren Identifizierung wurde die ANZAHL daher zunächst als eigene Kategorie identifiziert, die allerdings im nächsten Schritt im Zusammenhang mit der ihr zugehörigen Metapher GEGENSTÄNDE weiter betrachtet wird.

10.4.1 Identifizierte Metaphern – eine erste Zusammenfassung

Die UNB wird aus der Sicht der Referendar:innen in folgender Weise beschrieben:

Eine UNB wird dann als besonders wertvoll empfunden, wenn man von ihr viel mitnehmen kann. Ausbildungsinhalte, hier vor allem Beratungsaspekte, werden dabei als Gegenstände (Metapher 1) beschrieben. Die Gegenstände der Ausbildung können während der UNB verschiedenen Beteiligten gehören. Referendar:innen können allerdings die eigenen Besitzstände nur schwer zu schützen.

Wenn das MITNEHMEN im Vordergrund der Beratung steht, kommt es darauf an, wie dieses Mitnehmen organisiert wird. Falls nämlich zu viele Aspekte (Metapher 7) vom Fachleiter benannt werden, bedarf es einer richtungsweisenden ORIENTIERUNG (Metapher 3), um zu identifizieren, welche der aufgezeigten Aspekte besonders wichtig sind und auf welche man sich bei der weiteren Ausbildung konzentrieren sollte. Diese Orientierung sollte möglichst von den Fachleitungen gegeben werden, damit die weitere Ausbildung nicht ins Blaue hinein gerät.

Die Ungewissheit, die sich bei der Vielzahl der Beratungsaspekte für die Ausbildung einstellen kann, ist auch schon während einer UNB festzustellen, wenn diese wie eine PRÜFUNG (Metapher 5) angelegt wird. Hier haben die Referendar:innen den Eindruck, dass sie erraten müssen, welche Aspekte der gezeigten Unterrichtsstunde den Fachleiter:innen als besonders besprechungswürdig erscheinen. Es entsteht dabei das Gefühl, als wäre man eine Schüler:in, die für die mündliche Prüfung eine Note erhält ohne dabei allerdings zu wissen, wie sie eine gute Leistung erbringen kann.

Die Art der Nachbesprechung wird in einigen Fällen als KAMPF (Metapher 2) beschrieben. Dabei wird vor allem die Kritik eines Schulleiters, der bei den UB anwesend war, als „Angriff“ wahrgenommen, in Ausnahmen auch unterhalb der Gürtellinie. Wenn auch viele Referendar:innen während der Gruppendiskussion die Meinung vertreten, dass sie während ihrer Ausbildung „nicht in Watte gepackt“ werden müssten, wünschen sie sich doch eine Rückmeldung zu ihrem Ausbildungsstand, die konstruktiv ist. Ansonsten entstehe das Gefühl, dass die Kritik sie „niederdrücke“. Insgesamt aber vertreten die Referendar:innen die Auffassung, dass auch die Fachleitungen ein Interesse am FORTSCHRITT (Metapher 4) der Auszubildenden haben. Die Referendar:innen befürchten allerdings, dass die Wegstrecke ihrer Ausbildung unvorhersehbar lang und unübersichtlich verlaufen könnte. Sie wünschen sich daher mehr Orientierung von ihren Ausbilder:innen.

10.4.2 Etwas aus der UNB „mitnehmen“

Nachdem im vorausgegangenen Kapitel eine Übersicht über die innerhalb der Gruppendiskussion verwendeten Metaphern gegeben wurde, wird es im Folgenden um die weitergehende Interpretation und inhaltliche Einbindung der Ergebnisse in die Analyse „sprachlicher-kommunikativer-Phänomene“ gehen (vgl. Kruse et al. 2011: 101).

Am Anfang wird die in der ersten Sequenz der Gruppendiskussion initiierende Metapher stehen, schon weil sie die zahlenmäßig größte Erwähnung findet und sich von hier aus das semantische Netz der beschriebenen Sichtweisen auf die UNB nachzeichnen lässt. Ausgehend von der Metapher AUSBILDUNG IST MITNEHMEN werden die semantischen Implikationen und inhaltlichen Verbindungen zu anderen Teilen der insgesamt sieben verwendeten Metaphern aufgezeigt.

Auf die Eingangsfrage der Moderatorin beginnt das Gespräch zwischen den Teilnehmer:innen der Diskussionsrunde mit der schon zitierten Äußerung von Referendarin 1:

„Am Anfang war man noch total . ähm . positiv gestimmt und . konnte auch super viel mitnehmen . das hat einem sehr viel gebracht“.Footnote 14 (Z. 11)

Zu Beginn der Gruppendiskussion beschreibt die Referendarin den Unterschied zwischen den Unterrichtsnachbesprechungen am Anfang und am Ende ihrer Ausbildung. Betrachtet man innerhalb dieser Äußerung, was hier zu Beginn des Referendariats als positiv empfunden wird, so kann man einen ersten Hinweis bei der Betrachtung des Transaktionsverbs „Nehmen“ („super viel mitnehmen“) erhalten. Das Verb bezeichnet eine „Handlung des Besitzwechsels“Footnote 15. Dabei ist das Subjekt dieses Verbs ein Agens, d.h. der Besitzwechsel des Objekts wird in Richtung dieses Agens vollzogen. Als Quelle des Besitzes gilt ein anderes Subjekt, das gibt und vor dem Besitzwechsel über das Objekt verfügt hat. Ziel des Besitzwechsels ist diejenige Instanz, die nach der Transaktion über das Objekt verfügt. Vor dem Hintergrund des Verwendungskontextes des Eingangszitats ist die Äußerung „mitnehmen“ metaphorisch zu verstehen, da hier keine Mitnahme eines bestimmten Gegenstandes oder einer Person gemeint ist. Etwas mitzunehmen heißt hier so viel wie einen Vorteil aus etwas zu ziehen oder eine günstige Gelegenheit zu nutzen.

Für das PartikelverbFootnote 16 „mitnehmen“Footnote 17unterscheidet das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache insgesamt drei unterschiedliche Bedeutungsweisen, von denen eine Variante („mitnehmen“ im Sinne von einer Äußerung wie „Die dauernden Aufregungen nahmen ihn ganz schön mit“, jemanden schädigen) hier vernachlässigt werden kann. Auch die zweite Variante, die vor allem das Gemeinsame oder die Beteiligung wie bei „mitarbeiten“ oder das Einbeziehen wie bei „mitzählen“ (die Anwesenden) zum Ausdruck bringt, kann hier vernachlässigt werden.

Die Bedeutungsvariante, die hier im Kontext des Eingangszitats als sinnvoll erscheint, bezeichnet die Gleichzeitigkeit eines Vorgangs oder eines Zustands mit einem anderen Geschehen:

  • mithalten (beim Essen), mithören, mitklingen, mitnehmen (als Möglichkeit)Footnote 18.

Kombiniert man diese Bedeutung mit der metaphorischen Verwendung der Eingangsäußerung, so verstärkt sich der Eindruck des Vorteils oder des GewinnsFootnote 19, den man bei einer günstigen Gelegenheit oder eben aus einem Gespräch ziehen kann. Die Art, wie dieser persönliche Gewinn transferiert wird, scheint dabei insgesamt zwei Lesarten zu erlauben:

  1. 1.

    „Mitnehmen“ in der einen Lesart berücksichtigt die Gleichzeitigkeit eines Vorgangs. In dem hier ausgewiesenen Fall würde man etwas mitnehmen im Sinne von „auch noch etwas mitnehmen“, wie etwa in dem Beispiel: „Sie nahm alles mit, was ihr das Leben bot.“

  2. 2.

    Die zweite Lesart hätte im Unterschied zur ersten einen größeren Akzent auf die Wahl der Gelegenheit gelegt. Es wird hierbei weniger alles Mögliche mitgenommen. Es scheint in dem zweiten Fall von „mitnehmen“ ein gewisser Unterschied zum ersten zu bestehen. Die Äußerung „Sie nahm von diesem Abend schöne Eindrücke mit nach Hause“ lässt die Details der Abendveranstaltung unerwähnt, die vielleicht weniger erinnernswert gewesen sind. Es gibt in diesem zweiten Beispiel eine Art Auswahl von den Dingen, die mitgenommen wurden.

Im Folgenden werden diese, zugestandenermaßen leichten, Bedeutungsvarianten von „mitnehmen“ unterschieden. Zu betrachten sind:

  1. 1.

    Die Chance, die sich jemandem gleichzeitig zu einem anderen Vorgang bietet. Man würde in diesem Fall neben den vielen Aspekten, die bei einer UNB eine Rolle spielen, also beispielsweise der Rückmeldung zum gegenwärtigen Leistungsstand auch noch eine inhaltliche Anregung mitnehmen.

  2. 2.

    In der merkmalsreicheren Variante, eines vom Nehmenden bewussteren Vorgangs des Mitnehmens, suchen Referendar:innen bewusst diejenigen Aspekte aus einer UNB aus, die es sich für sie mitzunehmen lohnt. Der Aspekt des Lernens oder der inhaltlichen Anregung stünde dabei im Vordergrund, andere Aspekte der UNB blieben als weniger wichtige Elemente eher ausgeblendet.

Diese semantische Variante beinhaltet deutlicher den Aspekt eines Transfers mit einem Geber auf der einen und einem Nehmer auf der anderen Seite. Hier bestünde die Möglichkeit, wenn schon nicht von einem gebenden Subjekt, so aber doch aus einem dargebotenen Angebot etwas mitzunehmen.

Die bisherigen Überlegungen zusammenfassend beinhaltet der Ausdruck „Mitnehmen“ folgende Bedeutungsnuancen (Abbildung 10.2):

Abbildung 10.2
figure 2

Konzept von Mitnehmen

Es wird deutlich, dass beide Varianten von „Mitnehmen“ unterschiedliche Dimensionen beinhalten: das Geber-Nehmer-Konzept, bei dem der Geber die Fachleitung und die Referendar:in entsprechend die Nehmer:in ist. In der merkmalsreicheren Variante würde eine deutlichere Auswahl der mitzunehmenden Gegenstände mitgedacht werden.

Auf der anderen Ebene gibt es beim Konzept der Gleichzeitigkeit außer dem Ableisten der Nachbesprechung noch etwas anderes, das die Referendar:innen aus der UNB mitnehmen können. Im Folgenden wird gezeigt, welche der beiden Varianten hier vorliegt.

10.4.3 Viel mitnehmen, ohne dabei die Orientierung zu verlieren

Nachdem Referendarin 1 gleich zu Anfang der Diskussion die Formulierung des Mitnehmens ins Spiel gebracht hat, wird von Referendar 3 darauf hingewiesen, „dass ja . gefühlt immer mehr Punkte auf der Liste stehen . also die summieren sich ja . einfach in zunehmender Anzahl der Unterrichtsbesuche und Nachbesprechungen“ (Z. 28f.). Das führt dann zu dem Problem, dass unklar wird: „Was waren jetzt äh . Aspekte, die genannt wurden, die . verbesserungswürdig sind, die nicht gut liefen und . man versucht das alles im Blick zu haben …“ (Z. 29 f.). Der Aspekt der unübersichtlichen Fülle nimmt auch Referendar 6 auf. In einer längeren Ausführung darüber, wie er die UNB zum jetzigen Zeitpunkt wahrnimmt, äußert er, dass er gar nicht so genau wisse, „wo soll ich denn jetzt anknüpfen?“ (Z. 70) Gemeint sind hier Beratungsaspekte, die für die weitere Ausbildung wichtig sind. Er selbst nennt dabei den Grund für diese Orientierungsschwierigkeit: „Weil man hat halt so viele Punkte gehört . und/irgendwie man schreibt dann teilweise viel auf . aber . was ziehe ich denn jetzt raus?“ (Z. 70 f.).

Die Frage, die sich der Referendar hier stellt, gibt einen Hinweis auf die merkmalsreichere zweite Bedeutungsvariante von „mitnehmen“, wobei die bewusste Wahl verschiedener Möglichkeiten für den Referendar erschwert erscheint. In seiner Äußerung unterstreicht die Partikel „so“ in „so viele Punkte“, die große Anzahl der Beratungsaspekte, die offenbar eine Überforderung für den Auszubildenden bedeuten, da er nicht genau weiß, wie er mit dieser Fülle umgehen soll. Für diese Irritation spricht die Verwendung des Modaladverbs „irgendwie“, mit der der Sprecher das Problem erläutert, das durch die Fülle der Beratungsaspekte auftaucht. Der Fülle wird „irgendwie“, d.h. auf unbestimmbare Weise begegnet, indem man beispielsweise auch viel aufschreibt. Allerdings tut man dies nicht in jedem Fall, sondern nur „teilweise“, d.h. in manchen Fällen. Es existiert für diesen Referendar bislang keine Strategie, die sich ergibt oder auf die er zurückgreifen kann, sondern es ist eher dem Zufall überlassen, wie er mit dieser Fülle umgeht und so schließt er diese Äußerungssequenz ab mit der Frage: „was ziehe ich denn jetzt raus?“ (Z. 71).

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen spricht dieser Referendar dann selbst an, wie er in dieser Lage Hilfe für eine Orientierung hätte erhalten können. „… dass vielleicht unsere Fachleiter .. am Ende noch mal … verbindlich zusammenfassen würde, das und das war gut . in zwei Sätze und dann schau, dass du beim nächsten Mal da und da dran arbeitest“ ( Z. 75 ff.).

Auch Referendar 4 äußert, dass es ihm während der UNB schwergefallen sei, „den Fokus nicht zu verlieren, weil ja die Eindrücke ja so unglaublich vielfältig sind“ (Z. 87 f.). Referendarin 1 greift im weiteren Verlauf der Diskussion diesen Aspekt auch noch einmal auf. Sie wünscht sich ebenso wie die Referendare 4 und 6 eine Struktur, „wenn wir eben nicht mehr so . genau fassen können, weil das alles einfach viel komplexer wird und . äh . sich ja auch irgendwie alles immer miteinander bedingt“ (Z. 94 ff.). Referendar 2, der eine besonders umfängliche schriftlichen Reflexion anfertigt, stellt zwar fest, dass diese von ihm als „Mehrarbeit“ empfunden wird, er aber „ zwar sehr viel mitnehme, aber . die Form, die du vorgeschlagen hast, ist viel besser okay, das sind die Aspekte“ (Z. 114 f.). Das Demonstrativpronomen „das“ bezieht sich auf den zuvor geäußerten Vorschlag von Referendar 4, sich im Gespräch auf wenige Schwerpunkte zu konzentrierten. Das Gegenteil zu dieser Art des strukturierten und insgesamt selektierenden Vorgehens ist das hilflose Reflektieren im Anschluss an die UNB „… quasi in den blauen Dunst hinaus raus“ (Referendar 5, Z. 126). Auch Referendarin 3 beschreibt die Praxis so, dass die Reflexionsaufgabe „ohne jegliche . Grundlage also so ins Blaue rein“ (Z. 175 f.) gestellt wird. Zwar werden dann Punkte festgehalten, „die ich dann . raus mitgenommen habe“ (Z. 178); diese Punkte muss man „..raushören“, was nicht leicht fällt, „man hat die schönen Zettelchen, aber . was jetzt konkret . sozusagen der Arbeitsschwerpunkt ist, muss man sich ja selber auch noch formulieren“ (Z. 179 f.), eine klare Orientierung fehlt allerdings.

Referendar 9 merkt in diesem Zusammenhang an, dass eine tabellarische Zusammenfassung der UNB von seinem Fachleiter ausgefüllt werde und dieser auch die nächsten Arbeitsschwerpunkte benennt. Die Entscheidung durch den Fachleiter wird als hilfreich angesehen, weil „es sind halt . immer zwanzig Punkte, die man so arbeiten könnte,“ (Z. 234 f.).

Fasst man die Beratungspraxis aus Sicht der Auszubildenden zusammen, so lässt sich zunächst festhalten, dass eine Schwierigkeit der UNB in der Fülle der Beratungsaspekte besteht. Der in diesem Zusammenhang angesprochene Lösungsansatz, dass die Vielfalt und Anzahl der Beratungsaspekte am besten vom Geber selbst zu begrenzen sei, steht in Verbindung mit der eingangs dargestellten Form des Transaktionsverbs „nehmen“. Das handelnde Subjekt nimmt dabei von einem anderen Subjekt, das als Besitzer dieses Objekts gilt, eben dieses Objekt entgegen.

Das „NEHMEN-Konzept“ impliziert einen Geber und einen Empfänger. Die Referendar:innen erhalten Hinweise, die sie für ihre weitere berufliche Entwicklung verwenden können und die Fachleiter:innen als „Geber“ verfügen idealerweise über die Kompetenzen, die die Auszubildenden erwerben möchten. Als Unterstützung wird dabei von Referendar:innen empfunden, wenn die Geber das für den Moment Richtige empfehlen, damit nicht der Fall eintritt, dass alles Mögliche mitgenommen wird und es dann offenbar schwerfällt zu entscheiden, welche „Gegenstände“ für die eigene Ausbildung wirklich von Nutzen sind. Dem Geber kommt innerhalb der hier nachgezeichneten Vorstellung die Aufgabe zu, nicht nur einen Wissenstransfer zu bewerkstelligen. Gleichzeitig soll er auch das, was gegeben wird, einschränken bzw. im Hinblick auf die Ausbildungsrelevanz der Referendar:innen priorisieren.

Die andere Bedeutungsvariante von „Mitnehmen“ im Sinne eines „Auch-noch Mitnehmens“ (mit der Bedeutung der Gleichzeitigkeit des Nehmens von verschiedenen Dingen) hat sich hier in den Ergebnissen als weniger plausibel erwiesen. Diese Bedeutungsvariante würde voraussetzen, dass das Mitnehmen eine aktive Auswahl des Nehmers voraussetzt, der erkennt, welche Gegenstände als mitnehmenswert erscheinen.

Die Mitnehm-Metapher vergegenständlicht das Ausbildungswissen, das im Sinne eines Transfers den Besitzer wechselt. Damit wird die abstrakte Kategorie Wissen in einen neuen Phänomenbereich überführt, der gegenüber den nur schwer fassbaren Kognitionsinhalten den Vorteil bietet, vertraute Zugriffsweisen im Zusammenhang mit Substanzen oder Gegenständen zu ermöglichen.

SchmittFootnote 20, der in biographischen Interviews mit einer Erwachsenenbildnerin ebenfalls vor allem substanzialisierende Deutungsmuster (2006, 2011: 6) gefunden hat, führt dazu angelehnt an Lakoff/Johnson (1980: 14ff., dies. 1998: 22 ff.) aus, dass die Vorteile dieser sog. „Substantialisierungen“ (Schmitt 2006: 6) in ihrer Anschaulichkeit liegen.

„Wenn wir Schemata als einfachste Strukturen aus gesellschaftlichen Erfahrungen (z. B. Höhe und Tiefe) auffassen, dann nutzen wir körperlich erfahrbare Dimensionen oder Handlungsabläufe als elementare Muster für das Verstehen abstrakter Zielphänomene.“

Die Anschaulichkeit einer „Substanz“ mit dem Quellbereich „Gegenstand“, den man mitnehmen kann, bietet im Sinne Lakoff/Johnson das „highlighting“ einer konkreten Vorstellung, um was es beim Wissen als abstraktem Phänomen gehen könnte. Auf Gegenständliches kann man sich beziehen, man kann sie quantifizieren, zählen oder gewisse Aspekte an ihnen identifizieren. Der Vorteil besteht auch in der Orientierung, die dieses Konzept liefert. Orientierungen sind nach Lakoff/Johnson (1998: 179) die großen Verdienste metaphorischer Konzepte, mit denen “wir Ableitungen vornehmen, wodurch bestimmte Aspekte unserer Erfahrung beleuchtet werden.“ So bietet bei der Vielzahl der Ausbildungs- und Beratungsaspekte eine „to-do-Liste“, die nach der Vorstellung der Referendar:innen am besten von den Fachleitungen zu erstellen ist, eine solche Orientierungshilfe für das Abarbeiten von relevanten Ausbildungsinhalten.

Ausgeblendet im Sinne des „hiding“ (Lakoff & Johnson 1980: 10) bleiben bei der Vorstellung des Wissenstransfers bestimmte Interaktionsweisen, die beispielsweise einem konstruktivistischen Lernbegriff folgen würden. Bei dem Transferkonzept bleibt die Interaktion auf das „Geben und „Nehmen“ beziehungsweise das „Anbieten“ und das „Erwerben“ und „Haben“ reduziert. Dass Ausbildungsinhalte für Bedeutung jemanden haben, die nicht unabhängig existieren, bleibt bei der Konzeptualisierung einer substanzialisierenden und ontologisierenden Metapher verborgen. Eine aktive Wissensaneignung, die von den Referendar:innen initiiert wird, bleibt mit diesem Metaphernkonzept ebenso ausgeblendet wie der subversive Umgang mit erworbenen Wissensinhalten.

Im Unterschied zum Fakten- und Informationssammeln und ihrem Transfer kann man an dieser Stelle den Begriff der „Bildung“ nennen, wie ihn beispielsweise Peter Bieri (2017) verwendet. Im Unterschied zur „Ausbildung“ (ebd.: 36), die einem ein bestimmtes Know-how zur Verfügung stellt, „um etwas zu machen oder erreichen zu können“ geht es bei der Bildung darum, ein „Bewusstsein der Kontingenz und somit der Relativität einer jeden Lebensform“ (ebd.: 21) an die Oberfläche zu bringen. Im Kontext von Schule würde dies bedeuten, dass ein Rezept-Wissen weder weitergegeben noch erworben werden kann. In diesem Sinne bedeutete dann gebildet zu sein, ein „Wissen zweiter Ordnung“ (ebd.: 13) zu besitzen und damit sich kritisch zu positionieren bei Fragen darüber, „worin Wissen und Verstehen bestehen, wie weit sie reichen und was ihre Grenzen sind.“ So verstanden würde der Umgang mit Inhalten eine skeptische Distanz erfordern. Der einfache Wissenstransfer sieht diese Art von Distanz nicht vor.

10.4.4 Metaphorische Ableitungen

Im weiteren Verlauf der Auswertung wird gezeigt, inwiefern die analysierten Metaphern Kohärenz beweisen bzw. ob es Metaphern gibt, die innerhalb des Korpus mit anderen Metaphern kollidieren. Auf den folgenden Seiten werden die metaphorischen Ableitungen zur besseren Übersicht graphisch dargestellt (Abbildungen 10.3 und 10.4).

Abbildung 10.3
figure 3

Die Mitnehm-Metapher

Abbildung 10.4
figure 4

Die Behälter-Metapher

Bisher konnte gezeigt werden, dass die Metapher MITNEHMEN mit der ermittelten Kategorie ANZAHL direkt zusammenhängt. Beide Ausdrucksweisen werden in einem gemeinsamen Kontextverständnis verwendet und ergänzen sich semantisch sinnvoll. Der Zusammenhang zur Metapher der ORIENTIERUNG gelang in demselben Kontext. Wenn es den Fachleiter:innen als Geber der Wissensgegenstände auch noch gelingt, bei der Funktion des Gebens die Anzahl der Gegenstände zu reduzieren, ist dies für die Referendar:innen eine große Hilfe bei der Orientierung und Planung der eigenen Ausbildung.

Ein weiterer Aspekt lässt sich innerhalb dieses Konzeptes nun integrieren. Es geht dabei vor allem um die Art und Weise, wie innerhalb der UNB der Modus des MITNEHMENS gestaltet werden sollte. Die Referendar:innen sind sich darin einig, dass das Identifizieren wesentlicher Beratungsaspekte während einer UNB nicht in Form eines „Rätselratens“ gestaltet werden sollte. Als „Rätselraten“ wird von den Referendar:innen die Situation beschrieben, in der sie versuchen, die relevanten Aspekte für die anstehende Beratung zu „finden“, von denen sie annehmen, dass es auch diejenigen seien, die die Fachleitungen für diese Beratung als wichtig erachten. Dabei ist das „Raten“ innerhalb des Metaphernkonzeptes von AUSBILDUNG IST SCHULE integriert. Raten steht für die Referendar:innen im Kontext einer Prüfung, was als ungünstige Ausbildungssituation gilt, weil man aus ihrer Sicht, konzentriert auf ein möglichst positives Prüfungsergebnis, die erwartete Reaktion der Prüfer:innen nur erraten kann und sich somit von den eigenen Gedanken und Überlegungen zur gezeigten Unterrichtsstunde entfernt.

Vor dem Hintergrund der zahlreichen Erfahrungen, die den Ausbilder:innen im Unterschied zu den Auszubildenden zur Verfügung stehen, erscheint es aus Sicht der Referendar:innen kaum wahrscheinlich, dass sie die Aspekte bei der Unterrichtsplanung und -durchführung für die Reflexion auswählen, die auch eine Ausbilder:in als wesentliche Beratungsaspekte wählen würde. Der Wunsch, dass die Ausbilder:in „einfach“ sagen sollte, welche Aspekte sie für die UNB relevant halte, könnte dem Gespräch den Prüfungscharakter nehmen.

Im Gegensatz zu dieser Form des erwünschten Mitteilens durch die Fachleitung, welche Beratungsaspekte in der UNB zu berücksichtigen sind, steht die von den Referendar:innen so bezeichnete Prüfungssituation. Die Prüfung und damit die UNB wird dabei als Ort beziehungsweise als ein Behältnis oder GEFÄSS konzeptualisiert. Davon zeugen Aussagen der LAA, dass sie sich „in“ einer Prüfung befinden, in sie „rein“(Z. 489) – bzw. wieder „rausgehen“ (Z. 55, 525). Gewisse Inhalte sollten aus der UNB „draußen“ (Z.450) bleiben. Innerhalb von „DIE UNB IST EIN GEFÄSS“ findet sich eine weitere Vorstellung, die diesem Konzept zuzuordnen ist. Es zeigt sich, dass neben der Unterscheidung zwischen dem Innen und Außen des Behälters, in dem sich gewisse Dinge befinden, die dort ihre Berechtigung haben, anderen diese Berechtigung abgesprochen wird. So stellt eine Referendarin fest, dass in einer UNB entgegen ihrer Erwartung die ABB ihrer Schule „noch ihre Punkte unbedingt reinboxen wollte“ (Z. 328) und damit die Anzahl der Besprechungsaspekte noch erhöhte und gleichzeitig damit ihr offenbar die Solidarität, die sie sonst in der Zusammenarbeit erlebt, fehlt. Sie bewertet diese Art der Beteiligung ihrer ABB mit den Worten „das hat aber an der Stelle nichts zu suchen“. Damit wird ausgedrückt, dass das sonst übliche Konzept, das die UNB offenbar besitzt, an dieser Stelle verlassen wird.

In diesem Zusammenhang taucht noch eine weitere Beobachtung auf. Die Referendar:innen reklamieren, dass die Positivrunde nicht immer eingehalten wird und dass schon hier auch Negatives von den Ausbildern aufgezeigt werde. „…dann sind wir auf einmal in der Positivrunde schon im Negativen, dann springen wir vielleicht kurz noch zum Positiven“ (Z. 372). Dieses Verhalten der Ausbilder:innen erscheint belastend zu sein, allemal am Anfang der Ausbildung, wenn der Bedarf der LAA vor allem in der Bestätigung ihrer Arbeit bzw. ihres Unterrichtens besteht. Zudem scheint das Verlassen deklarierter Räume in der vorgeschriebenen Reihenfolge die wichtige Orientierung der Referendar:innen zu stören.

Im Kontext der definierten Grenzen des Behälterkonzeptes, die die Referendar:innen einerseits als klare Struktur und Orientierung für die UNB wünschen und auch einfordern, überlegen sie allerdings auch eine Veränderung, um den Aspekt des Prüfens zu „entschärfen“ (Z. 691). Der Vorschlag, den sie am Ende der Diskussion gemeinsam entwickeln, besteht darin, dass die Identifizierung beratungsrelevanter Besprechungsaspekte für die gezeigte Unterrichtsstunde in einem prüfungsfreien „geschützten Rahmen“ (Z. 600) stattfinden sollte. Der Schutz bestünde darin, dass die Ausbilder:innen die Note für die Unterrichtsstunde schon vor der Reflexion fixiert hätten und dass die Referendar:innen damit die Möglichkeit hätten, eigene Überlegungen anzustellen. Folglich wäre eine von der Fachleitung „erwünschte Antwort“ (Z. 639) nicht mehr relevant. Man würde vielleicht aufgefordert „Erzählen Sie doch mal… „ (Z. 609) und „dann kann man vielleicht son’n bisschen freier . von der Leber weg mal . Alternativen äußern“ (Z. 710).

Als Bedingung für einen so gestalteten „geschützten Rahmen“ wäre der Wegfall der Note für die Reflexion zur Stunde zu nennen. Das Wörterbuch der deutschen Sprache bietet für den Begriff „schützen“ folgende Bedeutung: „jmd., etw. vor einer Gefahr, vor etw. Bedrohlichem oder Unangenehmen bewahren, behüten.“Footnote 21 Als äußerer Einfluss, vielleicht sogar als Gefahr, gilt in diesem Kontext die Benotung, die den gewünschten „geschützten Rahmen“ aus der Sicht der Referendar:innen bedroht.

Lakoff und Johnson (1980: 29) wählen für viele menschliche Erfahrungen und Aktivitäten als übergeordnete metaphorisches Konzept das der „Container Metaphors“, von denen sie behaupten, dass sie eine der grundlegenden menschlichen Orientierungen bilden.“ There are few human instincts more basic than territoriality.“ Ob nun als Container oder als ein bestimmter Ort, gemeinsam ist diesem Konzept, dass es eine Grenze zwischen dem Innen und dem Außen gibt, so dass sich lokalisieren lässt, wann man diese Grenze überschreitet. Dieses Raumkonzept impliziert auch eine Vorstellung vom vermeintlich ontologischen Status, dem eine solche Prüfung oder einem geschützten Rahmen zukommt. Je nachdem, wie man diesen Ort deklariert, geschehen entsprechend den ihm zugewiesenen Attributen unterschiedliche Dinge: Einmal handelt es sich um eine Prüfung, ein anderes Mal kann man „freier von der Leber weg“ (Z. 710) auch mal Alternativen entwickeln, einfach mal „ein bisschen spinnen“ (Z. 600) und erzählen, was man sich bei der Planung der Stunde gedacht hat.

Neben der Reduzierung der durch die Prüfungssituation ausgelösten Belastung wäre ein großer Vorteil eines „geschützten Rahmens“ die Möglichkeit, dass hier, in der Abwesenheit einer Benotung, deutlicher die eigenen Ideen zur Sprache gebracht werden könnten. Von der Verpflichtung, genau die Aspekte zu finden, die im Relevanzsystem der Ausbilder:innen eine wichtige Rolle spielen, wäre man hier entbunden. Die Sorge, dass man nur die Ideen der Fachleitung „auf meine Stunde (ge)münzt“ (Z. 674 f.), wäre dann unbegründet, „weil man dann halt irgendwie vielleicht im Gespräch entwickelt oder irg/herausfindet“ (Z. 679 f.), wo die Schwierigkeiten in der gezeigten Stunde gewesen sind.

Im Gegensatz zu der Vorstellung, die UNB ist ein RAUM, mit der die LAA diese Ausbildungssituation veranschaulichen, steht das Konzept, Ausbildung ist ein WEG. Allerdings muss bei diesem Konzept unterschieden werden zwischen der Sichtweise der Referendar:innen auf ihren Ausbildungsverlauf und der den Ausbilder:innen zugeschriebenen Sichtweise.

Von den insgesamt 13 Nennungen der Metapher AUSBILDUNG IST EIN WEG lassen sich die Hälfte dieser Metaphern als Zitate von Ausbilder:innen identifizieren, die am „Weiterkommen“ (Z. 507) und „Fortschritt“ (Z. 526) der Referendar:innen interessiert sind. Es sind die Fachleitungen, die „Lösungswege“ (Z. 536, 567) und neue Möglichkeiten für das Unterrichten aufzeigen. Die Referendar:innen selbst nutzen die Metapher AUSBILDUNG IST EIN WEG nicht. Sie verwenden räumliche Orientierungen in den Fällen, wo sie zum Ausdruck bringen möchten, dass sie „in eine andere Richtung“ (Z. 584) denken könnten. Diese Möglichkeit bleibt ihnen aber so lange verwehrt, wie die Gesprächssituation einer Prüfung ähnelt. Und in den Fällen, in denen das Gespräch in die „Richtung“ einer Prüfung „laufe“ (Z. 634), „entferne“ (Z.623, 643) man sich von den eigenen Ideen.

Mit der WEG-Metaphorik werden Fachleitungen zitiert, die in dieser Weise (auch während der UNB) von der Ausbildung der LAA reden. Die Referendar:innen selbst verwenden die Metapher in einem weiteren Sinn, da sie einerseits von „Richtung“ reden, wenn sie die Beratung in der UNB beschreiben und dabei andeuten, dass sich das Gespräch einem möglichen „Prüfungsort“ nähert. Nur in dem Fall, dass das Gespräch innerhalb eines „geschützten Rahmens“ verläuft, sehen die Referendar:innen die Möglichkeit, bei den eigenen Ideen „zu bleiben“.

10.5 Zusammenfassung der Metaphernanalyse

Bei der Analyse der in der Gruppendiskussion verwendeten Metaphern zeigt sich, dass die zahlenmäßig größte Nennung metaphorischer Ausdrücke dem allgemeinen Konzept „AUSBILDUNG IST MITNEHMEN“ zugeordnet werden kann. Dieses Konzept, so konnte analysiert werden, impliziert einen Geber und einen Nehmer. Folgende Implikationen konnten für beide Seiten des Transfers aufgezeigt werden.

Verbunden mit der Vorstellung eines Wissenstransfers ist die Hoffnung, wenn nicht gar der Anspruch, dass der Geber etwas zur Verfügung stellt und dass bei diesem Transfer darauf zu achten ist, dass er mit einer wohl überlegten Anzahl von Gegenstände zu geschehen habe, damit der Nehmer diese in einer angemessenen Art und Weise erhält. Für den Nehmer steht sonst zu befürchten, dass er bei einer zu großen Anzahl an Wissensgegenständen den Überblick verliert, welche dieser Gegenstände in welcher Reihenfolge zu berücksichtigen sind.

Ausgeblendet bleibt innerhalb dieses Konzeptes, dass Referendar:innen lediglich als Abnehmer des Transfers gelten und dass die Ausbilder:innen für das Gelingen des Beratungsprozesses im Hinblick auf seinen Nutzen verantwortlich gemacht werden.

Als weiteres metaphorische Konzept ließ sich UNB IST EINE PRÜFUNG identifizieren. Wenn die UNB nicht als Prüfung, sondern vielmehr als ein geschützter Ort vorgestellt würde, dann wäre es möglich, eigene Ideen und Gedanken zur gezeigten Unterrichtsstunde zu äußern, ohne dabei in ein Rätselraten über die Vorstellungen der Ausbilder:innen zu verfallen. Dieser geschützte Raum, der die Noten in ein „außerhalb“ der Beratung verorten würde, ließe, so die Meinung der Referendar:innen, ein Ausbildungsgespräch „so ungefähr auf Augenhöhe“ (Z. 677) zu und könnte damit eine eigene Entwicklung ermöglichen.

Einen Gegensatz zum vorgestellten Schutzort bildet die Metapher AUSBILDUNG IST KAMPF. Diese Metapher, so muss hier einschränkend festgestellt werden, ist vor allem aus einer Ausbildungsschule und in seiner Schärfe vor allem im Hinblick auf einen Schulleiter verwendet worden. Es ist diese Metapher, die während der gesamten Diskussion wenig rezipiert, der an mehreren Stellen sogar widersprochen wird. So kommentiert ein Referendar die Kampfmetaphern seines Vorredners mit „Ist natürlich jetzt ein mega negativ Beispiel“ (Z. 424). Die KAMPF-Metaphorik scheint vor allem auf den Bereich eines Schulkontextes und insbesondere auf das Verhalten eines Schulleiters zu verweisen. Abgeschwächte Formen der KAMPF-Metaphorik existieren noch im Bereich einer anderen Schule. Hier ist es eine ABB, die ihre Besprechungsaspekte zur Geltung bringen will. Für das Verhalten der Fachleitungen, so ließe sich zusammenfassen, wird diese Metapher nicht verwendet. Sie tritt ausschließlich im Bereich der Ausbildungsschulen auf.

Dieses Ergebnis ist insofern interessant, als es die eingangs zitierten Erlebnisberichte ehemaliger Referendar:innen in einem anderen Licht erscheinen lässt. Die LAA hatten gerade die Kommunikation mit ihren Fachleiter:innen als besonders belastend empfunden (s. auch Abschn. 1.1).

Den Referendar:innen ist während der UNB sehr bewusst, welche „Richtung“ ein Beratungsgespräch nimmt. In dem Fall, dass es sich in Richtung einer Prüfung bewegt, so konnte gezeigt werden, „entfernen“ sie sich von eigenen Vorstellungen und Ideen und folgen eher den Vorschlägen ihrer Ausbilder:innen. Die Vorstellung von AUSBILDUNG IST EIN WEG, wie die Fachleitungen in der Gruppendiskussion mehrfach zitiert werden, lässt sich mit den Wünschen der Referendar:innen nur schwer vereinbaren. Jedenfalls dann, wenn man mit der Metapher Vorstellungen verbindet, die etwa im Sinne GoethesFootnote 22 das Reisen nicht als eine gradlinige Bewegung von A nach B konzipiert. Goethes Satz „Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“ beinhaltet die Vorstellung, die das Erreichen eines Ziels am Ende des Weges in den Hintergrund stellt. Diese Offenheit der Wegmetaphorik möchte man den Ausbilder:innen zwar nicht unterstellen, doch auch das Gegenteil scheint im Sinne der Ausbildungsdidaktik (vgl. insbesondere Abschn. 3.4) ausgeschlossen zu sein.

Das Referendariat als die kürzeste Verbindung vom Ausbildungsstart bis zum Examen würde wohl eher den favorisierten Weg der LAA beschreiben. Um einen möglichst unbeschwerten Weg zu gehen, wünschen sich die Referendar:innen leichtes Gepäck und eine klare Orientierung. Damit kann der Rückbezug zur zahlenmäßig größten Metapher gezogen werden, das MITNEHMEN von Ausbildungsinhalten.

Als Vorteil eines solchermaßen gestalteten Wissenstransfers kann das Anlegen eines „Pools“ gelten, aus dem man „schöpfen kann“ (Z. 541). Mit einem Reservoir von Gegenständen, die als Auswahl zur Verfügung stehen, so die Sichtweise einer Referendarin, gewinnt die Ausbildung an Qualität („ne wertvolle Nachbesprechung“ Z. 542). Als zusätzliche ORIENTIERUNG sollte in einem so gefüllten Wissenscontainer eine bestimmte Ordnung herrschen, die sicherheitshalber von Ausbilder:innenseite selbst hergestellt oder wenigstens von ihnen bestätigt wird.

Rückblickend soll an dieser Stelle der Zeitpunkt der Gruppendiskussion reflektiert werden. Der überwiegende Teil der Referendar:innen hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme schon den vierten, einige sogar schon den letzten UB hinter sich gebracht. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Ausbildungsendes mag es nicht verwundern, dass sich die Referendar:innen für die Vorbereitung der Examensstunden vor allem darauf konzentrierten, welche Erfahrungen und Hinweise sie in den zurückliegenden UB gesammelt haben und was davon für die wichtigen Examensstunden zu bedenken ist.

Insofern ist es verständlich, dass das Konzept des MITNEHMENs für sie im Vordergrund steht. Dabei erscheint eine von den Fachleitungen autorisierte Liste der mitzunehmenden Gegenstände das Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung für die Planung des Examens zu spiegeln. Es wäre daher interessant, in einem neuen Ausbildungsjahrgang vielleicht nicht gleich zu Anfang des Referendariats, aber ab dem dritten bewerteten UB eine erneute Diskussion anzuleiten, um in einem kontrastiven Vergleich die hier auftretenden Metaphern zu untersuchen.

Ganz unabhängig vom bevorstehenden Examen kann die Metapher AUSBILDUNG IST PRÜFUNG als ein stets präsentes Problem betrachtet werden. Da ab dem dritten UB eine Benotung erfolgen muss, in die auch die Reflexion der Stunde mit eingeht, scheint die Konzeptualisierung als Prüfung spätestens ab diesem Ausbildungsstand bis zur Prüfung große Bedeutung für die Referendar:innen zu besitzen. Die Idee von einem „geschützten Rahmen“, in dem die Reflexion der eigenen Stunde die mögliche Sichtweise der Fachleitungen nicht schon antizipiert, sondern die eigenen Ideen und Beobachtungen zur Sprache gebracht werden können, erscheint aus Sicht der LAA eine sinnvolle Alternative zur bestehenden Ausbildungspraxis zu sein.