Selbstanzeige

„Das Gewissen spielt kaum eine Rolle“
Freitag, 18.09.2015 | 13:01
„Das Gewissen spielt kaum eine Rolle“
privat Rechtsanwalt Jan Olaf Leisner
  • FOCUS-online-Redakteur

Wie bringen Steuersünder ihr Geld über die Grenze? Was sind die Gründe für eine Selbstanzeige? Steueranwalt Jan Olaf Leisner hat schon einiges erlebt.

Der Staat hat entschieden: Die CD mit den Daten möglicher Steuersünder wird gekauft. Das große Zittern unter den Deutschen mit einem Konto in der Schweiz beginnt. Rechtsanwalt Jan Olaf Leisner ist auf Steuerstrafrecht und Selbstanzeigen spezialisiert. Er hat zwei Büros – eines in München und eines in Zürich. Wollen die Leute eine Selbstanzeige prüfen lassen, müssen sie nicht riskieren, alle Unterlagen nach Deutschland zu schaffen, erklärt er.

FOCUS Online: Was bewegt Leute zu einer Selbstanzeige?

Jan Olaf Leisner: Die Angst vor der Aufdeckung. Die Leute wollen wieder ruhig schlafen. Besonders wenn Steuersünder wie Herr Zumwinkel öffentlichkeitswirksam abgeführt werden oder eine Daten-CD kursiert, geraten viele Menschen ins Grübeln. Gerade eben war wieder ein Mandant da, der sich beraten lassen wollte. Während der Liechtenstein-Affäre war das ähnlich. Manchmal kommen auch ältere Menschen zu uns, die gerne reinen Tisch machen würden, um das Problem nicht den Erben zu hinterlassen.

FOCUS Online: Die Erkenntnis, etwas falsch gemacht zu haben, spielt keine Rolle?

Leisner: Kaum jemand kommt wegen eines schlechten Gewissens. Viele sind nicht bereit, ihre Einkünfte zweimal zu versteuern, einmal über die Einkommensteuer und dann noch einmal das Ersparte über die Zinssteuer. Knapp ein Viertel der Mandanten entscheidet sich nach einer Beratung auch gegen eine Selbstanzeige, weil ihnen dieser Schritt zu teuer ist.

FOCUS Online: Ist es gefährlich, Geld über die Grenze zu bringen?

Leisner: Das Aufdeckungsrisiko nimmt zu. Das Geld in die Schweiz zu transportieren ist gar nicht so das Problem. In aller Regel ist dieses Geld ja versteuert, und eine Begründung, warum man so viel Bargeld dabei hat, lässt sich auch finden. Vielleicht will man ja eine Uhr kaufen oder so etwas. Schwieriger ist es, das Geld wieder über die Grenze zurück nach Deutschland zu holen. Hier sind die Kontrollen strenger.

FOCUS Online: Was denken sich die Leute alles aus, um nicht erwischt zu werden?

Leisner: Da gibt es alles, was man sich vorstellen kann. Sie verstecken die Geldscheine in den Socken, der Unterhose oder im BH. Viele mieten sich extra einen Golf oder einen Astra, um an der Grenze nicht aufzufallen. Ich weiß von einem Fall, in dem zwei ältere Damen die Scheine in die Toilettenpapier-Rolle auf der Hutablage eingewickelt hatten. Der Bankmitarbeiter half sogar dabei. Ganz geschickt hat es mal ein Mann angestellt, der vor einigen Jahren Gold aus der Schweiz noch Deutschland schaffen wollte: Irgendein Schokolodenhersteller hatte zu der Zeit seine Tafeln als Goldbarren verpackt. Der Mann hat sich also zwei Kartons mit Schokolade gekauft und dann seine Barren in das Papier eingewickelt. Die Beamten an der Grenze haben bei ihrer Kontrolle nichts gemerkt, sondern nur über den Appetit des Mannes geschmunzelt. Doch der Mann hat Blut und Wasser geschwitzt. Die Beamten hätten die Kartons ja hochheben könnten.

FOCUS Online: Was passiert nach einer Selbstanzeige?

Leisner: Vor den Kontrollen an der Grenze brauche ich mich dann nicht mehr zu fürchten. Ich zahle die Steuern nach zuzüglich sechs Prozent Zinsen pro Jahr und kann dann wieder völlig frei über mein Geld verfügen. Das Konto im Ausland brauche ich nicht aufzugeben. Man darf bloß nicht vergessen, das Geld auch in Zukunft weiterzuversteuern.

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