Neuer US-Präsident

Er verlor Frau und zwei Kinder: Schicksalsschläge machten Biden zum Trump-Bezwinger
Donnerstag, 21.01.2021 | 12:57
Amtseinführung Biden
Alex Brandon/Pool AP/dpa Joe Biden bei der Amtseinführung mit seiner zweiten Frau Jill
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Es ist die Krönung einer langen Politiker-Karriere: Joe Biden ist am Mittwoch als 46. und ältester Präsident der US-Geschichte vereidigt worden. Der 78-jährige US-Demokrat erlebte in fünf Jahrzehnten in der Politik viele Höhen und Tiefen – und immer wieder private Tragödien.

Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten legte Joe Biden vor knapp einem Jahr einen Fehlstart hin: Nur auf Platz vier schaffte es der Ex-Vizepräsident bei den ersten Vorwahlen in Iowa. Eigentlich besagt ein geflügeltes Wort, dass es nur drei Tickets aus Iowa heraus gibt: Kaum ein Präsidentschaftskandidat wurde in den vergangenen Jahrzehnten nominiert, der in dem Staat nicht mindestens als Drittplatzierter abgeschnitten hat. Biden bewies in einer spektakulären Aufholjagd das Gegenteil. Am Mittwoch wurde er als 46. Präsident der USA vereidigt.

Damit erreicht der 78-Jährige – der als ältester Präsident jemals ins Weiße Haus einziehen wird – den Höhepunkt seiner jahrzehntelangen politischen Karriere.

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Joe Biden war Vizepräsident von Barack Obama

Biden wurde am 20. November 1942 in Scranton im Bundesstaat Pennsylvania geboren. Seine ersten Gehversuche als Politiker unternahm der Jurist aber im Stadtrat von Wilmington (Delaware), wo er gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Jill bis zum Umzug ins Weiße Haus in Washington lebt.

Im Alter von nur 29 Jahren wurde Biden 1972 in den US-Senat gewählt und vertrat dort bis 2009 Delaware. Bei den Wahlen 1988 und 2008 wollte er als Kandidat bei der Präsidentenwahl antreten. Beim ersten Mal stolperte er über eine Plagiatsaffäre. Beim zweiten Mal hatte er keine Chance gegen Barack Obama. Obama ernannte Biden dann aber zum Vizepräsidenten seiner zwei Amtszeiten und setzte sich im vergangenen Wahlkampf mächtig für seinen früheren Stellvertreter ein.

Amtseinführung Biden
Carolyn Kaster/AP/dpa Der designierte Präsident Joe Biden wird vom ehemaligen Präsidenten Barrack Obama begrüßt, als er zur 59. Amtseinführung des Präsidenten im US-Kapitol eintrifft
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Gegenentwurf zu  Donald Trump

Biden machte die Wahl zum Referendum über den bisherigen Präsidenten Donald Trump – und er präsentierte sich den Amerikanern als Gegenentwurf zu dem unberechenbaren, polternden Republikaner. Auch deshalb konnte sich Biden im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten durchsetzen: Dem moderaten Kandidaten, der die Gräben im Land überbrücken möchte, wurde ein Sieg über Trump am ehesten zugetraut. Dass die Rechnung aufgegangen ist, liegt auch an Trump selbst, der in der Corona-Krise viel Zuspruch einbüßte. Dass Biden kaum Wahlkampf betrieb, war da zweitrangig.

Ein besonders frappierender Kontrast zwischen Biden und Trump: Trump gelingt es nicht, Empathie zu zeigen, was in der Pandemie besonders auffiel. Biden hingegen kann das sehr überzeugend – "einfühlsam" und "verständnisvoll" wird er von Vertrauten beschrieben. Das liegt wohl auch am Werdegang und den Schicksalsschlägen, die der neue Präsident in seinem Leben einstecken musste.

US-Präsident Donald Trump
Brendan Smialowski / AFP US-Präsident Donald Trump

Bidens Kindheit in Armut und sein Stottern

Biden wurde als ältester von vier Geschwistern geboren. Zu dieser Zeit verlor sein ehemals erfolgreicher Vater seine Stelle und blieb lange Zeit arbeitslos. Eine Rückkehr in Amerikas Mittelschicht gelang ihm erst viele Jahre später als Gebrauchtwagenhändler. Die Kindheit in Armut und auf engstem Wohnraum mit seiner Familie prägten Biden. Zudem litt Biden Jahre lang unter seinem Stottern.

"Wenn ich sehr müde bin, stottere ich heute noch manchmal," verriet der 78-Jährige kürzlich. "Dann hilft es nur, wenn ich die Sätze in Teile aufgliedere und betont langsam spreche." Therapeutische Hilfe habe er nie erhalten – sich jedoch als Kind die gleiche Methode angeeignet, die auch Colin Firth als George VI. im Hollywoodfilm "The King’s Speech" benutzt: "Genau wie Englands König habe ich vor dem Spiegel geübt, Sätze langsam aufzuteilen – und beim Sprechen nie zu hetzen." Seine Gedanken könne er auf diese Weise auch besser ordnen.

Bei Auftritten und Reden denke er heute noch an seine Mutter, die ihn als Kind beschwor: "Lass dich vom Stottern niemals bestimmen." Trotzdem fallen dem zukünftige Präsidenten öffentliche Reden auf Bühnen nicht leicht.

Joe Bidens Sohn Beau starb 2015

Seine Mutter war religiös und erzog ihre Kinder streng katholisch. Der junge Biden besuchte katholische Schulen und ein Gottesdienst am Sonntag ist für ihn auch heute noch so selbstverständlich wie tägliche Gebete.

Sein Glaube gab ihm auch Kraft bei schwierigen Schicksalschläge. So trägt der 78-Jährige den Rosenkranz seines verstorbenen Sohnes Beau häufig als Armband. 2015 erlag Beau im Alter von 46 Jahren den Leiden eines Hirntumors. Am Totenbett versprach Biden ihm, Gottes Nähe weiter zu suchen – und sich nicht vor dem Leben zu verschließen. Biden kommt in seinen politischen Ansprachen oft auf seinen verstorbenen Sohn zu sprechen und besucht regelmäßig dessen Grab.

Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA - Biden
Brian Branch Price/ZUMA Wire/dpa Joe Biden (M) geht mit seinem Enkel Robert 'Hunter' Biden und seiner Schwiegertochter Hallie Biden über den Rasen zum Grab seines auf dem Friedhof der St. Joseph on the Brandywine Curch begrabenen Sohnes Beau

1972 verlor der neue US-Präsident Frau und Tochter

Beaus Tod war nicht Bidens erster Schicksalsschlag: Sein Triumph bei der Senatswahl 1972 wurde von einem Autounfall überschattet, bei dem seine erste Ehefrau Neilia und die gemeinsame Tochter Naomi ums Leben kamen. Auf dem Weg zum Christbaumkaufen fuhr ein Lastwagen in ihr Auto – beide verstarben noch in der Ambulanz auf dem Weg ins Krankenhaus. Bidens Söhne Beau und Hunter waren ebenfalls im Auto, überlebten den Unfall verletzt.

Biden hat oft betont, wie sehr ihm die Beziehung zu seinen Söhnen Beau und Hunter durch die Trauer nach dem Tod seiner Frau und seiner Tochter geholfen habe. Jahrelang pendelte er täglich vier Stunden zwischen Washington und seinem Haus in Delaware, um für seine Söhne da sein zu können.

Jill Biden machte die Familie komplett

Wenige Jahre später trat Jill in Bidens Leben. Sein Bruder hatte ein Blind Date arrangiert. Vom ersten Moment an soll es bei dem Restaurant- und anschließenden Kinobesuch gefunkt haben. Die neun Jahre jüngere Jill soll ihrer Mutter noch nachts euphorisch am Telefon berichtet haben: "Joe ist ein echter Gentleman!"

Biden war von der Studentin ebenso angetan und stellte sie schon bald seinen Söhnen vor. Doch gerade wegen ihrer engen Bindung zu den Kindern schlug Jill seine ersten vier Heiratsanträge aus: "Die Herzen der Jungen durften kein zweites Mal gebrochen werden. Ich musste mir also ganz sicher sein, der Verantwortung für sie auch gewachsen zu sein." Bei der Hochzeit 1977 standen Beau und Hunter mit am Altar, Jill Biden übernahm für sie die Mutterrolle. Vier Jahre später kam ihre Schwester Ashley auf die Welt.

Joe Biden mit seiner Frau Jill am Samstag in seiner Heimatstadt Wilmington.
Foto: dpa Joe Biden mit seiner Frau Jill am Samstag in seiner Heimatstadt Wilmington.

Biden hat sieben Enkelkinder

Heute haben die Bidens sieben Enkelkinder, die ihn "Pop" nennen. In einem Interview verrieten seine Enkel: "Pop isst immerzu Eis und oft sogar heimlich. Gleich aus dem Gefrierfach, damit Oma es nicht sieht." Am liebsten esse er zudem Cheeseburger und Pasta Pomodoro – in Restaurants bestellt er selten andere Speisen.

Da es in seiner Familie viele Alkoholiker gebe, habe er Wein und Bier nie auch nur probieren wollen, sagte Biden. Sein Sohn Hunter geriet wiederholt wegen seiner Alkohol- und Kokainsucht in die Schlagzeilen.

Wirbel um Hunter Biden

Der heute 50-Jährige hielt sich anders als sein Bruder Beau, der seinem Vater folgte, eher im Hintergrund. Im Wahlkampf schoss sich Donald Trump wegen dessen angeblich dubioser Geschäfte in der Ukraine und China auf Hunter Biden ein. Dieser räumte ein, bei einigen seiner Deals "schlechtes Urteilsvermögen" bewiesen zu haben, bestritt aber jegliches Fehlverhalten. Inzwischen lebt der 50-Jährige als Künstler in Los Angeles.

Trotz des teilweise holprigen Werdegangs hielt Joe Biden stets zu seinem Sohn. Als Trump im Wahlkampf Hunters Drogenvergangenheit thematisierte, entgegnete der Ex-Vizepräsident lediglich: "Ich bin stolz auf meinen Sohn."

Joe und Hunter Biden
dpa/Andrew Harnik/AP/dpa Joe Biden umarmt nach einer Ansprache im November seinen Sohn Hunter auf der Bühne.

Biden treibt gerne Sport

Zu der täglichen Routine des Präsidenten gehört eine morgendliche Sporteinheit. Biden ist begeisterter Peloton-Fan. Sicherheitsexperten beraten gerade, wie die Kamera und Internetverbindung des Fahrrads vor Hackerangriffen zu schützen ist.

Neben Bidens Ruderergometer und Hanteln wohnen nun auch wieder Tiere in das Weiße Haus. Als leidenschaftliche Hundeliebhaber besitzen die Bidens zwei Schäferhunde. Zum Gefährten für den älteren Champ holten sie sich den Welpen Major aus dem Tierheim – das vergiftete Tier wurde dort abgegeben.

Donald Trump hatte als erster US-Präsident seit über 100 Jahren keine Haustiere. "Let’s put pets back in the White House!", twitterte Biden. Neben Champ und Major zog am Mittwoch auch eine Katze ins Weiße Haus.

Biden will USA zurück zur Normalität führen

Biden ist kein Visionär. Immer wieder beschwor er im Wahlkampf die alten Zeiten, als Obama und er im Weißen Haus waren und die USA als berechenbarer Partner galten. Nach dem Chaos der Trump-Jahre will Biden das Land wieder "zurück zur Normalität" führen und zusammenbringen.

Und er möchte die beschädigten Beziehungen zu traditionellen Verbündeten wie Deutschland kitten. Im Wahlkampf sagte er: "Das Erste, das ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen: Amerika ist zurück, Sie können auf uns zählen."

Mit Material der dpa und AFP

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