Gedenktafel an Opfer der NS-Militärjustiz enthüllt

Erstellt am 12. Jänner 2024 | 12:38
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Gedenktafel für die Opfer der NS-Militärjustiz
Gedenktafel für die Opfer der NS-Militärjustiz
Foto: APA/JAKOB ILLE
Eine neu angebrachte Gedenktafel am Amtsgebäude in der Hohenstaufengasse 3 in Wien erinnert künftig an die Opfer der NS-Militärjustiz. Das Gebäude, in dem heute ein Teil des Ministeriums für Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport ansässig ist, diente von 1944 bis zur Befreiung Wiens als Gerichtsstandort der Militärjustiz. "Wir müssen die Orte und Täter klar benennen, um Gedenken zu ermöglichen", betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bei der Enthüllung der Tafel am Freitag.

Die Wiener Wehrmachtsjustiz bezog das Gebäude, das sich heute im Eigentum der Republik Österreich befindet, zum Jahreswechsel 1943/44 und machte von dort Jagd auf all jene Menschen die nicht länger dem Krieg dienen wollten oder Soldaten dabei unterstützten, sich dem Wehrdienst zu entziehen. "In diesem Haus widmete sich Oberstabsrichter Karl Everts seiner mörderischen Passion: der Verfolgung sogenannter Selbstverstümmler - Menschen also, die sich lieber Arme und Beine brechen ließen als weiter bei dem Angriffs- und Vernichtungskrieg der Wehrmacht mitzumachen" fasste Thomas Geldmacher-Musiol, Obmann des Personenkomitees "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz", die Geschichte des Hauses zusammen. Everts und seine Richterkollegen verhängten hier Dutzende Todesurteile und Zuchthausstrafen.

Umso wichtiger sei es, jener Opfer zu gedenken, aber auch die Täter beim Namen zu nennen und sich der Vergangenheit zu stellen, betonte Kogler bei der Enthüllung des Denkmals, an der neben den Grünen Ministern Alma Zadic und Johannes Rauch auch die zweite Präsidentin des Nationalrats, Doris Buris (SPÖ), teilnahm. "Viel zu lange hat die Republik Österreich diesen spezifischen Teil von dessen wechselvoller Geschichte ignoriert. Die architektonischen Besonderheiten des Gebäudes wurden betont, die mörderischen Urteile, die hier gefällt wurden, wurden jedoch verschwiegen", sagte der Vizekanzler. Das Amtsgebäude taucht in zahlreichen Stadtführern auf, meist als Frühwerk Otto Wagners, aber nur sehr selten als Gericht der Wehrmacht. Das soll sich durch die Gedenktafel nun ändern.

Deserteure aus der Wehrmacht und all jene, die sich dem Dienst im Vernichtungskrieg entzogen, galten auch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, selbst als die Gräueltaten der Wehrmacht breiter diskutiert wurden, noch häufig als "Feiglinge" oder "Verräter", betonte Geldmacher-Musiol. "An den Stammtischen, aber auch im Parlament", ergänzte Kogler. Erst 2009 verabschiedete der Nationalrat mit dem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz die Aufhebung aller wehrmachtgerichtlichen Urteile.

Nach der Errichtung des Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz 2014 und einer Gedenktafel am Regierungsgebäude am Stubenring, dem ehemaligen Kriegsministerium, die im vergangenen Jahr montiert wurde, sei die neue Gedenktafel "ein weiterer Schritt auf dem Weg der Sichtbarmachung", betonte Kogler. Ein ergänzendes Forschungs- und Buchprojekt soll weitere Fragen zur NS-Militärjustiz aufarbeiten. Bereits 2009 habe es einen ersten Versuch gegeben, eine Gedenktafel wie die heute enthüllte am Amtsgebäude in der Hohenstaufengasse anzubringen. Damals hätten die Verantwortlichen aber gesagt, "interessiert uns nicht", kritisierte Geldmacher-Musiol.

In einer Aussendung dankten die grüne Minderheiten- und Gedenksprecherin Olga Voglauer und die Wissenschaftssprecherin der Grünen, Eva Blimlinger dem Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz", insbesondere dessen Ehrenobmann, dem verstorbenen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani. Ohne dem Einsatz des Komitees würde es weder das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz noch das heute errichtete Denkmal geben.