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Fachübersetzungen – präzise, aber nicht wörtlich

Bei Menschen, die sich mit der Übersetzungsbranche nicht auskennen, trifft man häufig auf folgende Vorstellung von unserem Beruf: Der/die Übersetzer:in sitzt im stillen Kämmerlein am Schreibtisch, umgeben von dicken Wälzern, schlägt alle Wörter im zu übersetzenden Text nach und schreibt sie fleißig in der anderen Sprache auf. Das Bild des einsamen Übersetzerleins mag noch auf Kant, Goethe und Nietzsche zutreffen, doch spätestens mit dem Eintritt des digitalen Zeitalters hat sich das Berufsbild grundlegend verändert. Es umfasst so viel mehr als nur die passenden Wörterbücher zu besitzen.

In den Übersetzerkreisen kursiert folgende Anekdote:

- Gestern habe ich mir den ganzen Tag den Kopf zerbrochen, wie ich diesen einen Satz übersetzen könnte. Stell dir vor, wie glücklich ich war, als mir endlich die Lösung eingefallen ist. - Und dann hast du die Übersetzung abgegeben und Feierabend gemacht? - Dann bin ich zum nächsten Satz übergegangen.

Genau so ist es. Fachübersetzer:innen müssen viel nachdenken, recherchieren, abwägen, manchmal tagelang grübeln, Fakten hinterfragen, Lösungen suchen und wieder verwerfen. Ähnlich wie beim Schreiben entsteht der übersetzte Text nicht einfach so aus einzelnen Wörtern, bloß in der Fremdsprache. Es ist das Ergebnis einer vielfältigen Arbeit.

Was bedeutet Fachübersetzen und was gehört alles dazu?

1. Enge Spezialisierung

Fachübersetzer:innen sind wie der Schuster, der immer bei seinen Leisten bleibt. Sie übernehmen nur Aufträge in ganz bestimmten Fachgebieten, die sie sich durch jahrelange Aus- und Weiterbildung angeeignet hatten. Denn ohne spezielles Wissen im jeweiligen Bereich – sei es Technik, Recht oder Medizin mit ihren zahlreichen Unterkategorien – ist es unmöglich, die oft komplexen Prozesse und Zusammenhänge zu verstehen, um eine hochwertige Übersetzung erstellen zu können. Damit die Übersetzung beim Zielpublikum ankommt, muss sie fachlich genau so gut formuliert sein wie das Original.

2. Recherche im Internet und Fachliteratur

Wozu Recherche, könnte man meinen, wenn der/die Übersetzer:in vom Fach ist und schon alles im Kopf hat? Irrtum! Jedes Unternehmen hat seine eigene Corporate Language und Corporate Identity. Deshalb ist es enorm wichtig, sich bei jedem Übersetzungsauftrag mit den jeweiligen Produkten und Technologien vertraut zu machen, um diese besondere Unternehmenssprache auch in den Übersetzungen korrekt wiederzugeben. Je nach Fachgebiet und Kunde müssen die Übersetzer:innen eine andere Terminologie verwenden, damit in ihren Übersetzungen nicht aus Versehen die falschen Begriffe oder das Vokabular der konkurrierenden Firmen auftauchen. Das geht nur durch kontinuierliche Terminologiepflege und aufwändige Recherche – sowohl in der Ausgangssprache als auch in der Zielsprache.

3. Kommunikation

Gerade weil Fachübersetzer:innen sich so gut mit der Materie auskennen, merken sie sofort, wenn im Ausgangstext etwas nicht stimmt. Auch Autor:innen sind nur Menschen, deshalb sind Tippfehler, Zahlendreher, Verwechslungen, fehlende Wörter u. Ä. nicht auszuschließen. Dort, wo die Maschine einfach nur den Text übersetzen würde, fragen Übersetzer:innen nach und verhindern somit, dass sich Flüchtigkeitsfehler womöglich in alle anderen Sprachversionen einschleichen.

Viel wichtiger ist es jedoch, schwere inhaltliche Fehler aufzudecken, die unter Umständen den Sinn des ganzen Texts radikal verändern können, was zum Beispiel bei einer Bedienungsanleitung sogar eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten könnte. Durch ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Text entdecken Fachübersetzer:innen solche Fehler – oft in letzter Instanz. Und dank ihres Fachwissens können sie sich mit der Produktentwicklung, Konstruktionsabteilung bzw. weiteren Expert:innen auf Augenhöhe austauschen, um alle fraglichen Stellen zu klären und Ungereimtheiten zu beseitigen. Auch die Kommunikation mit anderen Kolleg:innen aus der Übersetzungsbranche kann in manchen Fällen helfen, den Knoten zu lösen.

4. Sprachliche Prägnanz und Lokalisierung

Selbstredend verfügen Fachübersetzer:innen über hervorragende Kenntnisse der beiden Sprachen und finden somit die beste Formulierung in der Zielsprache für jeden kniffligen Satz.

  • Müssen Sätze verkürzt bzw. verlängert werden?
  • Ist ein komplett anderer Satzbau bzw. Aufbau des Textes notwendig?
  • Benutzt man solche Redewendungen auch in der Zielsprache, oder müssen sie durch passende Entsprechungen ersetzt werden?
  • Ist die Übersetzung idiomatisch und klingt sie natürlich?
  • Werden die Standards der Technischen Dokumentation für das Zielland eingehalten?
  • Müssen Zahlen, Maßeinheiten, Uhrzeit- und Datumsformate, Telefonnummern, Länderbezeichnungen u.Ä. an die Gegebenheiten im Zielland angepasst werden?

Diese Fragen stellen sich Fachübersetzer:innen während der Übersetzung für jeden einzelnen Satz und treffen jeweils eine Entscheidung. Denn im Idealfall soll die Leserschaft gar nicht erst merken, dass es sich um eine Übersetzung handelt.

5. Qualitätskontrolle und 4-Augen-Prinzip

Wie bereits weiter oben festgestellt, ist Irren menschlich und auch Übersetzer:innen sind nicht befreit von Fehlern. Deswegen gehört es zu jedem Auftrag dazu, dass die fertige Übersetzung gründlich durchgelesen wird und verschiedene Maßnahmen der Qualitätskontrolle durchläuft. Beim sogenannten 4-Augen-Prinzip wird der übersetzte Text durch eine zweite Person überprüft, um sicherzustellen, dass die Übersetzung inhaltlich und formell einwandfrei ist.

Fazit

Wir Fachübersetzer:innen übersetzen keine einzelnen Wörter, sondern Inhalte. Wir lesen zwischen den Zeilen, suchen nach dem Sinn des Textes und übertragen die enthaltenen Informationen kontextbezogen in die andere Sprache, damit sie vom Zielpublikum verstanden werden. Denn nur so kann Ihre Botschaft bei der richtigen Zielgruppe ankommen und das ist das Ziel unserer Arbeit.

Haben Sie weitere Fragen? Dann schreiben Sie uns!

Foto Olga Scharfenberg-Dmitrieva

Zur Autorin:

Dipl.-Ing. (FH) Olga Scharfenberg-Dmitrieva arbeitet seit über 23 Jahren als selbständige Fachübersetzerin mit Schwerpunkt Technik und Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Russisch. Als ausgebildete Technische Redakteurin ist sie eine Expertin im Bereich der Technischen Dokumentation und bietet hier ein Komplettpaket an Sprachdienstleistungen, inklusive Übersetzungsmanagement.