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Studie warnt vor Rädertierchen – sie produzieren schädliche Partikel

Rädertierchen
Foto: "File:Habrotrocha rosa 1.jpg" von Rkitko unter CC BY-SA 3.0 DEED bearbeitet

Winzige Rädertierchen gelten als sogenannte Mühlen der Natur, weil sie andere Organismen zersetzen. Doch sie zerkleinern auch Mikroplastik zu gefährlichem Nanoplastik, zeigt eine Studie.

Rädertierchen sind nur 0,1 bis 0,5 Millimeter groß. Die vielzelligen Tiere kommen überall auf der Welt vor: In Süß- und Salzgewässern sind sie ebenso zu Hause wie auf dem Land, in Bäumen oder zwischen Bodenpartikeln. Sogar im Eis der Antarktis können sie überleben. Bekannt sind bislang über 2.000 verschiedene Arten der Tiere. In manchen Gewässern kommen sie in teils hohen Bestandsdichten vor. Ein einziger Liter Wasser kann bereits bis zu 23.000 Rädertierchen beherbergen. 

Eigentlich ernähren sich die Tiere vorwiegend von einzelligen Algen oder bereits im Zerfall befindlichen Organismen. Wie eine Studie von Forschenden der Ocean University of China in Qingdao nun zeigt, wandeln Rädertierchen auch sehr effektiv Mikroplastik in Nanoplastik um, indem sie es gewissermaßen zerkauen. Bei Nanoplastik handelt es sich um Plastikpartikel unter einem Mikrometer Größe – Partikel bis fünf Millimeter werden als Mikroplastik bezeichnet.

Laut den jüngst im Fachjournal Nature Nanotechnology veröffentlichen Studienergebnissen ist bereits ein einzelnes Rädertierchen imstande, so täglich bis zu 366.000 Partikel Nanoplastik zu erzeugen. Aufgrund ihrer Fähigkeit, organisches und anorganisches Material zu zersetzen, gelten Rädertierchen auch als „Mühlen der Natur“.

Rädertierchen zerkleinern Mikroplastik zu Nanoplastik

Rädertierchen sind mit einem Kauapparat in ihrem Innern ausgestattet – dabei handelt es sich um Hartstrukturen, mit denen sie Schalen von Nahrungspartikeln aufbrechen können. So kam bei dem chinesischen Forschungsteam der Verdacht auf, Rädertierchen könnten mit diesem Kauapparat möglicherweise auch Mikroplastik zerkleinern.

Um ihre Annahme zu überprüfen, führten die Forschenden Versuche mit verschiedenen Meeres- und Süßwasser-Arten von Rädertierchen durch. Hierzu setzten sie den Tieren Mikroplastik-Partikel vor, wie sie gegenwärtig auch in ihrer natürlichen Lebensumgebung vorkommen.

In der Folge nahmen die Rädertierchen Mikroplastik mit einer Größe von bis zu zehn Mikrometern auf und zerquetschen die Partikel dann mit ihrem Kaumagen. Wie die Analysen ergaben, führte dies zu einer Freisetzung enormer Mengen an Nanoplastik-Partikeln.

„Dies ist eine neu entdeckte Quelle von Nanoplastik sowohl in Süß- als auch in Meerwassersystemen weltweit, zusätzlich zu den bekannten physikalischen und photochemischen Fragmentierungen. Diese Erkenntnis kann somit nun helfen, den globalen Fluss von Nanoplastik genauer einzuschätzen„, resümiert Studienleiter Jian Zhao von der Ocean University of China in einer Pressemitteilung der University of Massachusetts, von der ebenfalls Forschende beteiligt waren.

Rädertierchen können Unmengen an Nanoplastik produzieren

Die Forschenden um Zhao berechneten exemplarisch, dass Rädertierchen im größten Süßwassersee Chinas, dem Poyang-See, täglich mehr als 13 Billiarden Nanopartikel Plastik erzeugen können. Der See umfasst fast 3.700 Quadratkilometer.

Vor allem die Tatsache, dass aus einem Partikel Mikroplastik durch Zersetzungsprozesse Unmengen von Nanopartikeln entstehen können, ist problematisch. Das betont auch Annika Jahnke, Leiterin des Departments Ökologische Chemie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschug in Leipzig, gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ). Denn deutlich mehr im Meer lebende Tiere könnten kleinere Partikel dann mit Nahrung verwechseln.

Nanoplastik-Partikel haben im Vergleich zu Mikroplastik eine größere Oberfläche, und sind deshalb reaktiver. „[S]o könnten Chemikalien aus dem Partikel schneller abgegeben werden“, unterstreicht Jahnke.

Vielen Kunststoffen sind zudem Zusätze beigemischt, die ihnen verschiedene Eigenschaften verleihen sollen, etwa Biegsamkeit oder Stabilität. Darüber hinaus nimmt Nanoplastik Giftstoffe und Krankheitserreger aus der Umgebung auf, sodass Organismen, die sich versehentlich von ihnen ernähren, auch viele Schadstoffe mitkonsumieren.

OECD-Prognosen: Globales Plastikmüll-Problem dürfte anwachsen

Jährlich werden gegenwärtig etwa 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, legt eine Statistik der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) offen. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Produktion von Kunststoffen demnach verdoppeln, und bis 2060 sogar um das Dreifache anwachsen.

Entsprechend wird das Problem um den Plastikmüll voraussichtlich wachsen. Bislang wird lediglich ein Zehntel des weltweiten Plastikmülls recycelt – der Rest wird auf Mülldeponien geschafft, verbrannt, oder landet in der Natur und trägt dort zu ihrer Verschmutzung bei.

Verwendete Quellen: Nature Nanotechnology, OECD, Süddeutsche Zeitung, Pressemitteilung der University of Massachusetts

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