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Inhaltsverzeichnis Das Problem der Referenz und der Bedeutung in der Philosophie Hilary Putnams Christian Straßer 15. September 2006 1 Einleitung 1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Struktur und Methodik dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Struktur und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Putnams Bedeutungsbegriff und seine Stellung in der Geschichte der Philosophie 2.1 Historischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Mill: Konnotation und Eigennamen . . . . . . . . . . . 2.1.2 Die deskriptionale Theorie der Eigennamen . . . . . . . 2.1.3 Die kausale Theorie der Eigennamen . . . . . . . . . . Kripkes Kritik an der deskriptionalen Theorie der Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kripkes kausale Theorie der Bedeutung . . . . . . . . . 2.2 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Warum Bedeutungen nicht im Kopf sind - einführende Gedankenexperimente zum Externalismus . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Wasser und Zwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Aluminium und Molybdän, Ulmen und Buchen . . . . 2.4 Die Rolle des Sprachkollektivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Die sprachliche Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . Kausale Ketten und Experten . . . . . . . . . . . . . . Die Drohung des Sprachspielpluralismus . . . . . . . . 2.5 Der Einfluss der Umwelt - Indexikalität . . . . . . . . . . . . . 2.6 Das Prinzip Vertrauensvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Stereotypen und Marker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Stereotypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Semantische und syntaktische Marker . . . . . . . . . . 2.8 Der Bedeutungsvektor, Gebrauch und der Sprachspielinternalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 4 4 7 8 9 9 9 11 14 14 19 19 21 22 27 29 29 29 32 32 34 37 37 40 40 3 Referenz und Notwendigkeit 3.1 Kripke und Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Kripkes Provokation: notwendige Aussagen a posteriori Singuläre Identitätsaussagen . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeinerer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Putnams Argumentation in Die Bedeutung von ,Bedeutung’“ ” 3.2.1 Das synchrone Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Das diachrone Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Kritische Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Variabilität der Extension und der Vorkommnisse . . . Paradigmen und Typikalität . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Problematisierung mit Beispielen . . . . . . . . Extension und die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . Extension im Kontrast von Umgangssprache und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 De re versus De dicto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Die inneren Struktur und die Wissenschaft . . . . . . . 3.3.4 Akzidenz, Essenz und die Varianz der Ähnlichkeitsrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kuhn und konkurrierende Essenzen . . . . . . . . . . . Donnellan und die Arbitrarität der inneren Struktur . . Hanna und der abduktive Essenzschluss . . . . . . . . 3.3.5 Wissenschaftliche Bedenken gegen das Zwillingserde Argument und der Eigenschaftsdualismus . . . . . . . . . Kuhn und Hanna zum Ersten . . . . . . . . . . . . . . Kuhn zum Zweiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Apriorität der Identitätsaussagen . . . . . . . . . . . . 3.4 Putnams spätere Fassung des Begriffs der Notwendigkeit . . . 3.4.1 Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschied von der metaphysischen Notwendigkeit . . . . Die objektive physische commonsense Notwendigkeit . Vagheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachspielrelativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallibilismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Notwendigkeit und Kontextualität . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Analytizität und Rahmenprinzipien . . . . . . . . . . . 3.5.2 Notwendigkeit und Quasi-Notwendigkeit . . . . . . . . 3.5.3 Zurück zur Paradoxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 42 42 42 44 45 46 49 50 51 52 52 54 56 60 62 62 63 67 67 68 73 75 75 77 79 86 87 87 89 90 91 93 93 94 96 97 4 Realismus und Referenz 100 4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.2 Kritik am metaphysischen Realismus . . . . . . . . . . . . . . 101 4.2.1 Reductio der idealen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.2.2 Indeterminiertheit der Referenz . . . . . . . . . . . . . 105 4.3 Sprache und Welt im internen Realismus . . . . . . . . . . . . 108 4.3.1 Einleitende Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.3.2 Der ontologische Pluralismus . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.3.3 Interner Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Eine versus viele Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Eine Welt ohne metaphysische Betonung . . . . . . . . 115 Putnams Wahrheitsbegriff im internen Realismus - Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Sprachspielrelativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Bessere und schlechtere Texte . . . . . . . . . . . . . . 120 4.3.4 Indeterminiertheit der Referenz im internen Realismus? 122 4.3.5 Die Welt als gigantischer multidimensionaler Hase-Enten Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.3.6 Exkurs: Putnam und die Quasi-Metaphorik . . . . . . 130 4.4 Die Wissenschaft und das Problem der Referenz . . . . . . . . 132 4.4.1 Kritik am Prinzip des Vertrauensvorschuss . . . . . . . 137 Reduction ad absurdum . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Warum und worauf vertrauen? . . . . . . . . . . . . . . 140 4.4.2 PVV und der interne Realismus . . . . . . . . . . . . 142 5 Ausblick 146 3 Kapitel 1 Einleitung 1.1 Motivation Sich mit der Theorie der Bedeutung und Referenz zu beschäftigen ist in der Philosophie in vielerlei Hinsicht sehr fruchtbar. Dies gilt, wie wir sehen werden, insbesondere für Putnams Philosophie. Hier kann man behaupten, dass seine Gedanken zum Begriff der Bedeutung, wie er sie ausgehend von Schriften wie Meaning and Reference“ ([Put73b]) und in seiner bedeutenden Ab” handlung The Meaning of ‘Meaning’“ ([Put75b]) entwickelt hat, den Motor ” für vielerlei andere Denkansätze darstellen, die von klassisch metaphysisch geprägten Themenfeldern bis hin zur Wissenschaftstheorie reichen. Als sehr folgenreich wird sich dabei, was als die Wende hin zum Primat der Referenz bezeichnet werden kann, erweisen.1 Mit Kripkes und Putnams Ansätzen entwickelte sich eine kritische Gegenposition zu den bis dahin dominierenden deskriptionalen Bedeutungstheorien, die sich maßgeblich an Russells und Freges Konzeptionen orientieren, als auch zu operationalen oder verifikationistischen Theorien. Es soll kurz motivierend ein Ausblick gewährt werden auf Themengebiete, in denen sich die neue Theorie der Referenz ausgehend von Kripke und Putnam prägnant niedergeschlagen hat. In der Philosophie des Geistes kann man beispielsweise Putnams kritische Distanzierung vom Funktionalismus als Konsequenz der neuen kausalen Bedeutungstheorie werten. Putnams bedeutungsexternalistische Überlegungen ermöglichen ihm, zu einer umfangreichen Kritik des Mentalismus auszuholen, für den Bedeutungen Produkte bzw. Funktionen2 der Gehirntätikeit darstellen (vgl. bspw. Repräsentation und Realität“ [Put88]). ” Putnams Wissenschaftsphilosophie bewegt sich Hand in Hand mit sprachphilosophischen Betrachtungen (vgl. u.A. [Put74a]). Die geht manchen Autoren zu weit. So kritisiert Shapere diese Entwicklung massiv, da es sich um eine Reduktion von philosophy of science“ auf philosophy of langua” ” ge“ handle, die in einen Erklärungsnotstand gerät, wenn es um Begriffe der Kontinuität und Vergleichbarkeit von Aussagen geht, denn beide are ex” plained by looking at science not in terms of its linguistic aspects, but as a process of inquiry in which reasons and evidence are provided for whatever changes are introduced“ ([Sha89] S.429).3 Andererseits kann Putnams Denkansatz zur Bedeutung und Referenz als eine der wirksamsten argumentativen Stützen zur Kritik der einflussreichen wissenschaftsmethodologischen Ansätze von bspw. Kuhn und Feyerabend (z.B. in [Put65a]), oder Popper (z.B. in [Put74b]) gewertet werden. Putnams sprachphilosophische Überlegungen ermöglichen ihm einen Erklärungsansatz, warum wissenschaftlicher Fortschritt möglich und verschiedene Theorien vergleichbar sind. Das Primat der Referenz sichert einen gemeinsamen Bezug auf Entitäten, der in kontextsensitiven Ansätzen wie beispielsweise bei Kuhn zur Inkommensurabilität von Theorien führt und damit wissenschaftlichen Fortschritt unmöglich macht.4 Nach Quines ersten großen Angriff auf Kants Begriffsopposition von ana” lytisch“ und synthetisch“ stoß der damals noch junge Logiker Saul Kripke ” mit Name und Notwendigkeit“ ([Kri81]) zu einer Erschütterung einer zwei” ten zentralen Dichotomie im Denken Kants an: der Äquivalenz von Notwendigkeit und dem a priori“ Charakter von Aussagen, bzw. von Kontingenz ” und dem a posteriori“ Charakter. Werden zunächst Eigennamen analysiert, ” so nimmt sich Kripke am Ende der dritten Vorlesung auch Aussagen mit aposteriorischen Charakter wie Wasser ist H2 O“ vor und behauptet deren Not” wendigkeit. Putnam verfeinert die Analysen (u.A. in [Put75b]) und integriert sie in seine wissenschaftsphilosophischen Betrachtungen (vgl. v.a. [Put90a]). Eine vieldiskutierte5 neue Verteidigungsstrategie eines wissenschaftlichen Essentialismus ist geboren. Mit der Veröffentlichung seines Aufsatzes Brains in a vat“ ([Put81a]) ” sorgte Putnam mit einer Widerlegung des radikalen Descartschen Skeptizismus für Aufsehen. Die Argumentation beruht wesentlich auf seinem seman2 In der Sekundärliteratur kann man diesen Ansatz in verschiedenen Ausdrücken wiederfinden, so spricht u.A. Salmon von der theory of direct reference“ (vgl. [Sal81]), Sha” pere spricht gar von einer theory of reference as opposed to a theory of meaning as the ” key to solving the problem of theory comparison“ ([Sha89] S.424). Putnam hat selbst lange einen Funktionalismus propagiert. Zu Shaperes Kritik mehr in 4.4 4 Wenn man Fortschritt begrifflich nicht ganz einfach als quantitatives Anwachsen auffasst. 5 Vergleiche dazu die detaillierten Auseinandersetzungen wie Donnellan (in [Don93], [Don83]), Salmon (bspw. in [Sal81], [Sal79]) oder Zemach ([Zem76]). 4 5 1 3 tischen Externalismus. Diese Schrift wird neben seinen modelltheoretisch geprägten Schriften wie Modelle und Wirklichkeit“ ([Put80a]) vielfach auch ” als Angriff auf den metaphysischen Realismus gewertet.6 Vor allem in Opposition zum metaphysischen Realismus entwickelt Putnam beginnend in den späten 70iger Jahren seinen sog. internen Realismus. In der Tradition Kants erkennt Putnam, dass unser Zugang zur Welt jeweils über conceptual schemes“ erfolgt. Im Gegensatz zu seiner Interpre” tation Goodmans will er nicht die eine Welt aufgeben, in dem Sinne, dass wir es sind, die sich verschiedene Welten durch bzw. in den verschiedenen begrifflichen Zugängen konstruieren. Es soll sich aber auch nicht um eine Fertigwelt“ im Sinne des metaphysischen Realismus, um eine noumenale, ” geistunabhängige Welt handeln. Daneben soll Putnams Konzeption die mit seiner Auffassung von Realismus unangenehme Indeterminiertheit der Referenz vermeiden. Hierbei verallgemeinert er u.A. Resultate aus der Philosophie Quines zur Indeterminiertheit der Referenz und wendet sie neben anderen modelltheoretischen Ansätzen kritisch gegen den metaphysischen Realismus. Ausgehend von Überlegungen betreffend der Wahrnehmung vor allem beeinflusst von William James7 kommt der Realismus in Putnams Spätphase nochmals unter einen neuen Nenner: der sog. direkte“ oder natürliche“ 8 ” ” Realismus. Kritisiert wird hier vor allem der Gedanke, dass der Zugang zur Welt über eine Schnittstelle verläuft, etwa in der Wahrnehmung über sog. Sinnesdaten, oder in der Sprache über symbolische Repräsentationen. Wenn es auch richtig ist, dass uns Objekte nicht unabhängig von Begriffschemas“ ” gegeben sind, so sollen diese doch nicht als Kluft zwischen Kognitivem und der Außenwelt“ aufgefasst werden. Die idea that our cognitive powers can” ” not reach all the way to the objects themselves“ bezeichnet Putnam als di” saster“ 9 . Eine, wenn nicht die zentrale Frage des internen Realismus“, das ” how does language hook on to the world“ wird im direkten Realismus a ” ” replay of the old ‘how does perception hook on to the world’ issue“ ([Put99] S. 12). Ich benutze den Begriff Theorie“ im Zusammenhang mit Putnams Schrif” ten zu den Begriffen Bedeutung und Referenz im schwachen Sinne. Putnam hat sich, wie auch Kripke wiederholt von dem Vorhaben distanziert, eine Theorie der Bedeutung ausarbeiten zu wollen. Deshalb habe im Folgenden der Begriff Theorie in diesem Zusammenhang jeweils die schwache Bedeutung, etwa systematisierter, strukturierter Denkansatz, aber ohne Anspruch 6 vgl. bspw. [Sch96] vgl. etwa [Put90b], sowie die Dewey Lectures“ wiederveröffentlicht in [Put99] ” 8 vgl. [Put99] S. 10 9 [Put94a] S. 453, ebenso wörtlich in [Put99] S. 10 7 6 auf absolute Allgemeingültigkeit. Wie Putnam in späteren Schriften anmerkt, unterliegt auch der Begriff der Bedeutung je nach Sprachspiel, das gerade gespielt wird, Schwankungen und die Bedeutung eines Ausdrucks kann jeweils nur mit Hilfe von Ausdrücken aus dem Sprachspiel in dem er verwendet wird erklärt werden. Dieser Sprachspiel-Internalismus macht eine umfassende Theorie der Bedeutung mit Anspruch auf Objektivität sehr problematisch. Das macht es aber nicht weniger sinnvoll, vom Begriff der Bedeutung ein Bild zu entwerfen. 1.2 Struktur und Methodik dieser Arbeit Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen strukturiert: In Kapitel 2 beschäftigen wir uns mit Putnams Bedeutungs- und Referenzbegriff und seine Stellung in der Geschichte der Philosophie. Wir untersuchen dabei zentrale Entwicklungen in der Philosophie des Eigennamens, über die Anfänge bei Mill, die deskriptionale Theorie bei Russell und Frege, bis hin zu Kripkes kausaler Theorie. Wir verschaffen uns einen Überblick über die zentralen Thesen aus Die Bedeutung von ‘Bedeutung’“ und anderen ” wichtigen Schriften Putnams zum Thema Referenz und Bedeutung. Aus den vielschichtigen Anwendungen von Putnams Konzeption von Bedeutung und Referenz wollen wir in Kapitel 3 Implikationen bzgl. des Begriffs der Notwendigkeit problematisieren. Insbesondere wird dabei der modale Status von Aussagen wie Wasser ist H2 O“ untersucht. Wir stellen Putnams Ar” gumentation im Anschluss an die Kripkes vor und beleuchten sie daraufhin kritisch. Wir werden sehen, dass der Begriff der Notwendigkeit im Werk Putnams einem Wandel vollzieht, beginnend mit einer metaphysisch geprägten Konzeption hin zu einer kontextuellen Quasi-Notwendigkeit. Dies verweist auf Putnams kritische Abwendung vom metaphysischen Realismus hin zum internen Realismus, weshalb wir uns im abschließenden Kapitel 4 mit Referenz und Bedeutung in einem der zentralen Themenfelder, um die die Philosophie Putnams kreist, dem Realismus beschäftigen. Wir stellen Putnams kritische Argumente gegen den metaphysischen Realismus vor, die sich an Überlegungen zur Referenz in Quine orientieren. Dann nähern wir uns kritisch Putnams Konzeption des internen Realismus und dem Verhältnis von Welt und Sprache als zentrales Problem der Philosophie der Referenz an. Als andere Applikation von Putnams Theorie der Bedeutung und Referenz wird in 4.4 kritisch untersucht, wie Putnam mit seinem Prinzip Vertrau” ensvorschuss“ und damit verbunden mit dem Begriff der trans-theoretischen“ ” Terme ansetzt, eine realistische Wissenschaftsphilosophie zu entwickeln, die 7 Probleme der Inkommensurabilität, wie sie etwa in Kuhn und Feyerabend auftauchen, zu vermeiden sucht. 1.3 Struktur und Methode Die vorliegende Arbeit ist im Sinne einer immanenten kritischen Untersuchung von Putnams Begriff der Bedeutung und Referenz ausgerichtet. Putnams Philosophie richtet sich vielfach kritisch gegen andere theoretische Ansätze, wie etwa im Bereich der Referenz gegen physikalistische, evolutionistische oder im strikten Sinne verifikationistische Ansätze. Wir sind dagegen hauptsächlich an einer hinterfragenden Untersuchung von Putnams eigener Konzeption interessiert. Die Anwendungen von Putnams Bedeutungs- und Referenzbegriff sind, wie oben erläutert, vielschichtig und weitgreifend. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, auf alle in einem gebührenden Sinne einzugehen. Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Sinne auf paradigmatische Beispiele derselben, wie etwa die Frage nach der Notwendigkeit oder die Implikationen in der Philosophie der Wissenschaft. Wie oben erwähnt, verlagert sich das Primat von Putnams Philosophie in der Spätphase des direkten Realismus von der Sprache auf die Wahrnehmung. Die interessanten Implikationen hinsichtlich des Begriffs der Referenz können in der vorliegenden Untersuchung nicht mehr berücksichtigt werden, und bleiben künftigen Arbeiten überlassen. Kapitel 2 Putnams Bedeutungsbegriff und seine Stellung in der Geschichte der Philosophie 2.1 Historischer Kontext Um dem Leser die Möglichkeit zu geben, Putnams Theorie der Bedeutung philosophiehistorisch angemessen einordnen zu können, wollen wir einen kurzen Überblick über wichtige Stationen der Problemgeschichte geben. Da sich die kausale Theorie der Bedeutung vor allem ausgehend von der Theorie der Eigennamen entwickelt hat1 , soll diese hier besonders unter die Lupe genommen werden. 2.1.1 Mill: Konnotation und Eigennamen In A System of Logic“ hat Mill in zweierlei Hinsicht einen wichtigen Beitrag ” zum Problem der Eigennamen gemacht. Erstens weist das Werk eine terminologische Strukturierung auf, die von da an als Standard betrachtet werden kann und auf die vielfach zurückgegriffen wurde. Gemeint ist zum einen das Begriffspaar Konnotation und Denotation und zum anderen die Dichotomie von generellen und singulären Termini. Zweitens vertritt Mill eine klassisch gewordene psychologische Auffassung der Eigennamen und ein Modell der direkten Referenz, auf das Kripke später in seinem wichtigen Beitrag Name und Notwendigkeit“ wieder ” zurückkommt. 1 8 V.a. in Kripke Name und Notwendigkeit“ ([Kri81]). ” 9 Ein konnotativer Gebrauch eines Wortes liegt dann vor, wenn Entitäten und Attribute mitbezeichnet werden. So bezeichnet des Wort Mensch“ di” rekt einzelne Menschen, etwa Sie und mich, zum anderen indirekt Attribute, etwa die Vernunftbegabung, etc., die den bezeichneten Entitäten vorwiegend zukommen.2 Damit sind nicht mit-bezeichnende Ausdrücke dadurch gekennzeichnet, dass sie sich auf eine Entität oder ein Attribut allein beziehen. Ebenso sind generelle Termini von singulären zu unterscheiden.3 Ein genereller Terminus kann dabei von jedem einzelnen aus einer unbegrenzten ” Zahl von Dingen mit Wahrheit bejaht werden“ ([Mil43] S.47), verweist demnach auf eine Klassifizierung von bzw. Differenzierung zwischen Entitäten4 , während ein singulärer Terminus einen einzelnen Gegenstand bezeichnet. Bei zweiteren sind definite Kennzeichnungen, deiktische singuläre Termini und Eigennamen zu unterscheiden. Singuläre Termini sind denotativ, sie bezeichneten einen Gegenstand. Definite Kennzeichnungen wie z.B. der ” Schüler von Sokrates“ sind auch konnotativ. Zu den deiktischen, d.i. hinweisenden Termini, zählen Demonstrativa wie dies“, er“, sie“, es“, oder ” ” ” ” ich“. Eigennamen haben mit Mill keine Konnotation, sie sind nur denota” tiv. Selbst ein Wort wie Travemünde“, bei dem man zunächst geneigt ist, ” eine Konnotation anzunehmen, wie die Stadt an der Mündung des Flusses ” Trave“, weist mit Mill keine solche auf. Die Trave könnte ausgetrocknet sein, oder ihren Lauf verändert haben. Dennoch bezeichnen wir genau diese Stadt, d.h. die Referenz ist nicht von der Fortdauer bestimmter Attribute abhängig. Eigennamen bezeichnen direkt, denn [w]ir heften ein Merkmal zwar nicht ” an den Gegenstand, aber, sozusagen, an die Vorstellung des Gegenstandes“ 5 ([Mil43] S.56). Damit haben sie haben streng genommen gar keine Bedeu” tung“ ([Mil43] S.56). Dieser Ansatz wird oft als psychologische Theorie der Eigennamen bezeichnet. 2 Ich vermeide an dieser Stelle die Redeweise von wesentlichen Eigenschaften. Im Sinne Wittgensteins würde sich sonst die Frage ergeben, ob Wörter wie Spiel“ bei einer so ” strengen Auslegung des Begriffs der Konnotation überhaupt über indirekte Mitbezeichnung verfügt. Mit Mill wäre allerdings die strenge Leseweise gegeben (also nicht die von mir in dieser Arbeit verwendete), wie sich aus Aussagen wie der folgenden ergibt: Ein ” jedes Wesen, das alle diese Attribute [- Mill listet vier wesentliche Attribute des Menschen, die mitbezeichnet werden -] besäße, würde ein Mensch heißen, und jedes Wesen, das keines derselben oder nur eines, oder zwei, oder auch drei ohne das vierte besäße, würde nicht so heißen.“ ([Mil43] S.52) 3 Mill benutzt einen sehr allgemeinen Begriff vom Namen“, so dass er von allgemei” ” nen“ und individuellen Namen“ spricht (vgl. [Mil43] S.41). ” 4 vgl. etwa die Bestimmung in [TW93] S.94 5 Nachdem Mill zunächst behauptet Eigennamen haften den Sachen selbst an“ ([Mil43] ” S.54), geht er später über die Schnittstelle der Vorstellung. Dies hat den Grund, dass Mill bei nicht (mehr) existierenden oder entfernten Entitäten sonst Schwierigkeiten in der Zeichenverwendung sieht. 10 Wir wollen kurz auf einige der gängigen Schwierigkeiten dieser Theorie eingehen. Eine Entität ist sukzessive, in verschiedenen Situationen, in je individueller konkreter Art gegeben. Die Frage ist nun, in welcher Beziehung der Begriff der Vorstellung zu dieser Gegebenheit steht. Ist die Vorstellung nicht allgemeiner Art, so gibt es ebenso viele Vorstellungen wie Gegebenheiten und die Frage, was die Vorstellungen verbindet, ist offen. Andererseits ist von einer allgemeinen Vorstellung zu sprechen sinnlos, gerade weil Vorstellungen jeweils konkreter Natur sind. Es stellt sich ebenso die Frage, inwiefern in diesem Ansatz Kommunikation möglich ist, denn wenn die Bedeutung jeweils den einzelnen individuellen Vorstellungen anheftet“, so stellt sich wieder die ” offene Frage nach dem Gemeinsamen, was den Vorstellungen zu Grunde liegt, das Kommunikation möglich macht, das uns über dasselbe sprechen lässt. 2.1.2 Die deskriptionale Theorie der Eigennamen Ausgehend von Frege und Russell kam es zu einer anderen, sehr einflussreichen Denkschule, die wir unter dem Namen deskriptionale Theorie der ” Eigennamen“ zusammenfassen wollen. Frege entwickelte, motiviert durch das Problem der informativen Identitätsaussagen, in Sinn und Bedeutung“ eine Theorie der Eigennamen, die ” durch das Primat der Kennzeichnung geprägt ist. Triviale Identitätsaussagen wie a = a“ oder a = b“ sind nicht infor” ” mativ, sofern a und b verschiedene Namen sind, die dasselbe x bezeichnen und x bezeichnet durch a und durch b in selber Art und Weise gegeben ist. Eine informative Identitätsaussage ist genau dann gegeben, wenn a und b dieselbe Entität bezeichnen, die allerdings in verschiedener Art und Weise gegeben ist.6 Eine hinreichende Bedingung für eine Identitätsaussage a = b ist demnach die Gleichheit der Referenz, und zusätzlich für eine informative Identitätsaussage die Verschiedenheit des Fregeschen Sinns von a und b. Frege spricht von gleicher Bedeutung und verschiedenem Sinn.7 In diesem Sinn ist durch Hesperus ist Phosphorus“ eine informative Iden” titätsaussage gegeben.8 Wäre nun die Bedeutung eines Eigennamens unmittelbar durch dessen Referenz gegeben, so wäre keine Identitätsaussage infor6 Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustande kommen, dass der Unterschied des ” Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht.“ ([Fre92] S.26/27) 7 Wie ersichtlich ist Freges Bedeutung das, was wir die Referenz nennen, während Freges Sinn die Art und Weise der Gegebenheit eines Gegenstands ausmacht. 8 Offensichtlich sind uns beide Himmelskörper in verschiedener Art und Weise gegeben, so verschieden, dass es empirische Nachforschung benötigt, sie als dieselben zu identifizieren. 11 mativ, d.h. für den Informationsgehalt der Identitätssätze spielt der konnotative Bedeutungsgehalt eine primäre Rolle. Eigennamen verweisen in diesem Sinne für Frege auf Kennzeichnungen. Sei etwa mythisches fliegendes Pferd“ die Kennzeichnung, für die Pegasus“ ” ” abkürzend steht. Dann ergibt sich mit obiger Form für den Satz Pegasus ist ” weiß.“: Russells Ansatz ist ebenso wie Freges deskriptional. Sein Ausgangsproblem ist das der Nullextension. Wir sprechen im folgenden bei Namen mit leerer Extension von leeren Namen. Russell sieht ein Paradox in Aussagen der Art (i) es gibt mindestens ein x, so dass x ein mythisches fliegendes Pferd ist und Pegasus existiert nicht.“ 9 ” mit einer Theorie der Bedeutung von Eigennamen, die primär auf die Referenz ausgerichtet ist. Das Paradox gestaltet sich folgendermaßen: Obige Aussage sei wahr, dann gibt es kein Einhorn, dann allerdings handelt der Satz von nichts. Gäbe es aber ein Einhorn, so dass mit der von Russell kritisierten Auffassung der Ausdruck Einhorn“ bedeutungsvoll ge” braucht wird, so ist die Aussage offensichtlich falsch. Die Aussage ist aber dem gewöhnlichen Sprachgefühl nach zutreffend. Da nun Russell allerdings an der klassischen Konzeption, dass die Bedeutung eines singulären Terms gerade die Referenz ist, festhalten will, schränkt er zunächst die Eigennamen im strengen Sinne auf Wörter wie dies oder je” nes“ ([Rus18] S.69) ein, wobei er an eine ostensive Verwendungsweise denkt. Dagegen sind [d]ie Namen, die wir gewöhnlich verwenden [. . . ] in Wirklich” keit Abkürzungen für Beschreibungen“ ([Rus18] S.69).10 Das Problem der leeren Referenz vermeidet Russell, indem er etwa Prädikationen der Art A ist B“ 11 in eine logisch korrekte Form übersetzt. Sei A∗ ” die Kennzeichnung, die A nach Russells Theorie abkürzt, so ergibt sich folgende Aussage: (i) es gibt mindestens ein x, so dass A∗ auf x zutrifft [Existenz] (ii) für alle y gilt, dass, wenn A∗ auf y zutrifft, so ist y identisch mit dem x aus (i) [Eindeutigkeit] (iii) B trifft auf x aus (i) zu [Korrektheit der Prädikation] (ii) für alle y gilt, dass, wenn y ein mythisches fliegendes Pferd ist, so ist y identisch mit x und (iii) x ist weiß. Für einen leeren Eigennamen A ist bereits Aussage (i) äquivalent zu falsch und damit wird die Existenzaussage ebenso falsch. Dies trifft zu, da trivialerweise gilt:   ∃x : A∗ (x) ∧ (∀y : A∗ (y) → y = x) ∧ B(x) → ∃x : A∗ (x) , bzw. die Negation der Aussage:   ¬ ∃x : A∗ (x) → ¬ ∃x : A∗ (x) ∧ (∀y : A∗ (y) → y = x) ∧ B(x) . Bei der existentiellen Quantifikation werden alle Gegenstände im Universum durchlaufen und einzeln daraufhin überprüft, ob A∗ auf sie zutrifft.12 Für die Variablen x und y ist damit jeweils die Referenz gesichert. Die erste Folgegeneration von Frege und Russell war damit beschäftigt die Theorie hinsichtlich diverser Schwierigkeiten zu verbessern. Prägnant war dabei der sog. Bündel-theoretische Ansatz. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Feststellung eines Pluralismus an verschiedenen zutreffenden Kennzeichnungen. Es stellt sich die Frage, ob es eine einheitliche Bedeutung gibt, wenn der Eigenname eine Abkürzung für verschiedene Kennzeichnungen darstellt. Man fasst also die Kennzeichnungen zusammen und wählt die bezeichnete Entität als diejenige, die entweder alle Kennzeichnungen erfüllt, oder aber die meisten.13 vgl. Russells Beispiele wie Das Einhorn existiert nicht.“ ([Rus18] S.86) oder Der ” ” gegenwärtige König von Frankreich ist kahl.“ ([Rus18] S.90). 10 Man könnte sagen, dass die Grammatik der Ausdrücke fälschlicherweise auf ein semantische Funktion verweist, die sie in Wirklichkeit nicht erfüllen. 11 Wobei A ein Eigenname im nicht-Russelschen Sinne ist, und B ein Attribut. 12 Offensichtlich kann in diesem Ansatz kein Verzicht geleistet werden auf Vorstellungsbilder, die bei einer Klassifizierung eines gegebenen Gegenstands beispielsweise als flie” genden Pferd“ für Pegasus“ zum Vergleich herangezogen werden müssen. Damit ist es ” fraglich, ob Russell in seinen späteren Schriften wie Introduction to Mathematical Phi” losophy“ und The Philosophy of logical Atomism“ tatsächlich den früher (bspw. in The ” ” Principles of Mathematics“) ansatzweise vertretenen Meinongschen Ansatz erfolgreich abwerfen konnte. 13 vgl. etwa Searle in Proper Names“ (in: Mind 67, 1958) oder den Wittgenstein aus ” §79 in den Philosophischen Untersuchungen. 12 13 Formaler gilt: ∃x : A∗ (x) ∧ (∀y : A∗ (y) → y = x) ∧ B(x). 9 (2.1) Wir wollen an dieser Stelle die deskriptionalen Theorien verlassen und zu einem alternativen Ansatz übergehen, der mit den soeben vorgestellten hart ins Gericht zieht.14 2.1.3 Die kausale Theorie der Eigennamen Kripkes Veröffentlichung Naming and Necessity“ ist in zweierlei Hinsicht be” merkenswert. Zum einen leitet es eine paradigmatische Wende in der Theorie der Bedeutung von Eigennamen ein. Diese Wende distanziert sich kritisch von den oben vorgestellten Ansätzen und schließt in gewisser Weise wieder an Mills Konzeption an. Zum anderen stellen sich mit Kripkes kausaler Theorie der Referenz überraschende und weitgreifende Folgen für den Begriff der Notwendigkeit ein. Diese Konsequenzen sollen erst in dem dafür vorgesehenen Abschnitt weiter unten diskutiert werden. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die wichtigsten Aspekte von Kripkes Theorie der Bedeutung. Dies ist insbesondere deshalb für unsere Untersuchung von Relevanz, da Putnams Konzeption in mancher Hinsicht Kripkes Ansatz ergänzt und weiterentwickelt. Entstanden sind die beiden Ansätze nach Angaben von Putnam jedoch unabhängig voneinander.15 Kripkes Kritik an der deskriptionalen Theorie der Bedeutung Zunächst zu zentralen Punkten in Kripkes Kritik des deskriptionalen Ansatzes, für den die Bedeutung eines Eigennamens eine Kennzeichnung (bzw. ein Bündel von Kennzeichnungen) ist. Wenn die deskriptionale Theorie der Eigennamen gültig ist, so gelten folgende Aussagen: bezeichnend für dasjenige (eindeutige) x, für das ϕw (x) (sofern ein solches existiert). D (iv) Die Kennzeichnung (bzw. das Bündel der Kennzeichnungen) ϕw darf nicht in dem Sinn zirkulär sein, dass der Begriff der Referenz von w darin auftaucht (vgl. [Kri81] S.81).16 Formal ergibt sich für Forderungen (i) und (ii):  ∀w : ∃ϕw : ∀x : ϕw (x) ∧ (∀y : ϕw (y) → x = y) ↔ x = ref( w“) (2.2) ” Kripke fährt seine Kritik vielschichtig. Das epistemische Kriterium (iii) ist gemessen am alltäglichen Gebrauch unrealistisch. Sprecher verfügen oftmals, ja sogar meist, nicht über Kriterien, die (2.2) genügen. Dennoch unterstellen wir Ihnen, dass sie sich auf die entsprechenden Referenten der Eigennamen beziehen. Der Mann auf der Straße weiß über Richard Feynman vielleicht nicht mehr, als dass er ein bekannter Wissenschaftler ist, d.h. [e]r denkt ” vielleicht nicht, dass dadurch irgend jemand eindeutig herausgegriffen wird. Und doch denke ich, dass er den Namen Feynman“ als Namen für Feynman ” verwendet.“ ([Kri81] S.96) Putnam wird später Fälle dieser Art mit seiner These der sprachlichen Arbeitsteilung erklären.17 Unabhängig von der Frage, ob es überhaupt in jedem Fall eine Kennzeichnung (bzw. ein Bündel von Kennzeichnungen) mit der Eigenschaft (2.2) gibt, verweist Kripke darauf, dass dies praktisch vom einzelnen Sprecher nicht benötigt wird. Man könnte aber immer noch behaupten, dass es zumindest einen Experten geben müsste, der etwa eine solche Beschreibung von Eigennamen wie bspw. Aristoteles“ geben kann und auf den sich Sprecher berufen ” können.18 In diesem Fall wäre (iii) daraufhin zu modifizieren, dass Sprecher Das soll nicht heißen, dass es keine kritische Auseinandersetzung mit den vorgestellten Theorien gegeben hat. Strawson hat bspw. sowohl Aufsätze gegen Russells, als auch gegen Quines Ansatz veröffentlicht (ein wichtiger Teil der Auseinandersetzung zwischen Russell und Strawson wird z.B. in [Wol85] dokumentiert). 15 vgl. [Put88] S. 84, [Put73c] S. 35. 16 Kripke kritisiert hier anhand von Kneales Theorie die Auffassung Sokrates“ bedeute ” der Mann, der ‘Sokrates’ genannt wurde“, die eine Zirkularität aufweist. Im Ausdruck ” der Mann, der ‘Sokrates’ genannt wurde“ wird bereits der Begriff der Referenz implizit ” vorausgesetzt, der doch eigentlich erklärt werden sollte, so dass der Informationsgehalt sich darauf reduzieren ließe, dass der Name Sokrates“ eben auf den Mann [referiere], auf den ” ” er referiere.“ ([Kri81] S.83) Kripke betont außerdem, dass ein Kriterium dieser Art nicht einmal korrekt sein muss, und zwar weder im Sinn von (i) - es kann mehrere Personen geben, die den Namen Sokrates“ trugen, noch im Sinn von (ii), denn möglicherweise ist ” die Person, auf die wir mit Sokrates“ referieren gerade nicht Sokrates genannt worden, ” sondern trug etwa einen völlig anderen Eigennamen (vgl. S.82). Wir werden weiter unten sehen, dass Kripkes eigener Entwurf in dieser Hinsicht ebenfalls zu modifizieren wäre und von Autoren wie Donnellan (vgl. seine historische ErklärungsTheorie in [Don74]) oder Evans (vgl. seine Theorie der dominanten kausalen Informationsursache in [Eva73]) auch modifiziert wurde, um solche Fälle abzudecken. 17 Dies wird näher diskutiert in Abschnitt 2.4.1. 18 Dies käme einem hybriden Ansatz aus Putnams Theorie der sprachlichen Arbeitsteilung mit der deskriptionalen Theorie der Bedeutung gleich. 14 15 D (i) Es gibt für jeden Eigennamen w eine Kennzeichnung oder ein Bündel von Kennzeichnungen ϕw , so dass die Extension von ϕw höchstens einelementig ist. D (ii) Das eindeutige Element, das obiges ϕw erfüllt (bzw. die meisten der Kennzeichnungen in ϕw erfüllt), falls ein solches existiert, ist der Referent von w. Falls keines existiert, so referiert w nicht. D (iii) All diejenigen Sprecher, die sich das Wort angeeignet haben, wissen von ϕw und dass ϕw obige Bedingungen erfüllt. Sie benutzen w 14 im Allgemeinen wissen, dass es ein ϕ mit der Eigenschaft (2.2) gibt, ohne dieses konkret angeben zu können. Zusätzlich wissen Sprecher noch von der Existenz von Experten, für die die ursprüngliche Forderung (iii) gilt. Kripke verweist auch auf die Schwierigkeit eine Kennzeichnung ϕ anzugeben, die nicht zirkulär ist (und damit gegen (iv) verstößt). Es ist nicht ausreichend für Einstein“ als Kennzeichnung anzugeben, er wäre derjenige ” Mensch, der die Relativitätstheorie entwickelt habe. Denn bei der Angabe des Bezugs von Relativitätstheorie“ würden die meisten Sprecher auf eine ” Kennzeichnung wie Einsteins berühmte Theorie“ verweisen, was offensicht” lich zirkulär ist. Doch auch hier könnte man wieder Experten analog zu oben anführen, die in der Lage sind, die Beschreibung auf nicht zirkuläre Art und Weise zu geben. Es ist also mit oben die Frage offen, ob denn die jeweils beste (etwa den Experten) zur Verfügung stehende Kennzeichnung immer von der Art ist, dass sie unsere Forderung (2.2) erfüllt. Kripke stellt fest, dass es vorkommen kann, dass sich im Nachhinein herausstellen kann, dass sich die Kennzeichnung, für die der Eigenname im Sinne der deskriptionalen Theorie steht, als falsch herausstellt. In seinem prominenten Gedankenexperiment hat der Mathematiker Gödel nicht selbst die Mathematik, wie den Unvollständigkeitssatz der Arithmetik, erarbeitet, sondern ein anderer Herr namens Schmidt. Was ist nun der Wahrheitswert eines Satzes wie Gödel hat den Unvollständigkeitssatz der Arithmetik bewiesen.“ ” (2.3) Auf wen referiert der Name Gödel“ in diesem Satz? ” Nach obiger Theorie wäre Gödel“ lediglich eine Abkürzung für etwa ” Der Mensch, der den Unvollständigkeitssatz der Arithmetik bewiesen hat.“ 19 ” Damit ist aber (2.3) wahr. Nach unserem üblichen Sprachgefühl referiert der Name Gödel“ in (2.3) allerdings auf die Person mit dem Namen Gödel. ” Somit ist der Satz (2.3) falsch. Kripkes Kritik wird gerade in Fällen sehr akut, in denen wir über nur sehr unsichere Quellen verfügen, etwa bei der biblischen Person Moses“, denn ” die biblische Geschichte hätte [. . . ] eine im wesentlichen falsche Darstellung ” 19 Für komplizierte Konjunktionen von Kennzeichnungen ließen sich jeweils komplexere Gedankenexperimente entwickeln. Aber man führe sich die entstehenden Probleme vor Augen: Man verbinde etwa Gödels Geburtsdatum konjunktiv mit der Forderung, dass die gesuchte Person das Unvollständigkeitstheorem entwickelt habe. In diesem Falle gibt es gar keine Person die das Konjunkt erfüllt. Andere Bündeltheoretiker würden fordern, dass die gesuchte Person die meisten der Kennzeichnungen erfüllt. Allerdings sind auch in solchen Fällen unschwer Gegenbeispiele auffindbar. 16 einer wirklichen Person sein können.“ ([Kri81] S.79)20 Kripkes Argument ist also ein epistemisches. Es mag zwar jeweils eine Kennzeichnung für einen gegeben Eigennamen geben, so dass (2.2) erfüllt wird. Da allerdings unsere Erkenntnis niemals gesichert ist, ist es im Allgemeinen unzulässig, den deskriptionalen Standpunkt zu vertreten. Kripke veranschaulicht das auch dahingehend, dass wir im Allgemeinen bereit sind, Fehlansichten zurückzuziehen, sofern sie sich als solche herausstellen. Die Reaktion des Sprechers wäre eher ein Was, Gödel hat gar nicht das Un” vollständigkeitstheorem entwickelt?“ als ein Ich habe immer auf Schmid ” referiert bei Benutzung des Namens ‘Gödel’“.21 Dieses Argument verwendet Kripke auch im Sinne einer attributiven Verwendungsweise von Namen. In obigem Beispiel könnte man etwa die Kennzeichnung Das Argument in der dritten Zeile von Gödels Beweis . . .“ ver” wenden, um auf Schmids Beweis zu referieren, im Glauben, dass es sich um Gödels Beweis handelt. Man würde bei besserer Kenntnis einen Rückzieher machen und den Namen Gödel“ durch Schmid“ ersetzen. Ebenso weist ” ” Kripke darauf hin, dass derartige Fehlinformationen weit verbreitet sind.22 Kripke unterstellt der deskriptiven Theorie der Bedeutung eine Art semantischen Solipsismus, indem der Sprecher sich bezüglich dieser Auffassung isoliert von der Sprachgemeinschaft dazu entschließen würde den Eigennamen synonym mit einer bevorzugten Kennzeichnung zu benutzen, [d]och ” das ist es nicht, was die meisten von uns tun.“ ([Kri81] S.107) Wir werden sehen, dass es Kripkes eigene Konzeption möglich machen wird, auf Personen bzw. Entitäten zu referieren, die nicht vom einzelnen Sprecher identifiziert werden können, im Gegensatz etwa zu verifikationistischen Auffassungen. Eine andere kritische Betrachtung Kripkes läuft über den Begriff der Möglichkeit. Er unterstellt der deskriptionalen Theorie folgende These:  ∀w : ∃ϕw :  : ∀x : ϕw (x) ∧ (∀y : ϕw (y) → x = y) ↔ x = ref( w“) (2.4) ” Die in dieser These verlangte Notwendigkeit kann natürlich nicht eingelöst werden. Es handelt sich bei ref( w“) mit Kripke in allen Welten um diesel” be Entität, da mit seiner Konzeption Eigennamen starre Bezeichner sind.23 Dagegen sind Kennzeichnungen in der Regel keine starren Bezeichner, das heißt, selbst wenn die Extension des Prädikats ϕw jeweils einelementig in 20 vgl. hierzu kontrastierend [Wit84] §79 S. 284, der gewöhnlich im Sinne der Bündeltheorie gewertet wird. 21 vlg. Abschnitt 2.6 22 Zum Beispiel wird gemeinhin angenommen, dass Peano die Axiomatik der natürlichen Zahlen ins Leben gerufen hat, während es tatsächlich Dedekind war [Kri81] S.100). 23 Bei starren Bezeichnern handelt es sich um Ausdrücke, die in jeder möglichen Welt dieselbe Entität bezeichnen. Wir gehen detaillierter auf dieses Thema in Kapitel 3 ein. 17 allen möglichen Welten wäre, so wäre die bezeichnete Entität nicht identisch über alle möglichen Welten. Es gibt beispielsweise eine mögliche Welt in der Gödel nicht Logiker geworden ist und demnach die Kennzeichnung der Mann der den Unvoll” ständigkeitssatz entwickelt hat“ nicht zutreffend ist. Es ist allerdings auf der anderen Seite fraglich, ob Vertreter der deskriptionalen Theorie (2.4) vertreten würden. Eine Möglichkeit, bei Akzeptanz von Kripkes These der starren Bezeichner, die wir an dieser Stelle einfach unterstellen wollen, um den Zusammenhang nicht noch komplizierter zu gestalten, wäre, folgende Modifikation anzubringen:  ∀w :  : ∃ϕw : ∀x : ϕw (x) ∧ (∀y : ϕw (y) → x = y) ↔ x = ref( w“) (2.5) ” Dies bedeutet, dass die charakteristische Kennzeichnung jeweils von der möglichen Welt abhängt. Der Vertreter der deskriptionalen Theorie würde keineswegs behaupten, dass die Synonymie zwischen dem Eigennamen und der charakteristischen Kennzeichnung über alle Welten hinweg gilt. Er würde vielmehr darauf hinweisen, dass er keine Probleme hat mit modallogischen Betrachtungen, da er jeweils von den Möglichkeiten der Entität sprechen kann, die in der aktualen Welt über die charakteristische Kennzeichnung identifiziert wird. In möglichen Welten muss sie, wie Kripke selbst zugesteht nicht identifiziert werden.24 Für Kripke wiederum käme das einer Preisgabe der deskriptionalen Theorie gleich, da hier die Kennzeichnungen, für die Namen doch abkürzend stehen sollten, nurmehr noch als Referenzfixierer gebraucht werden. Eine Synonymie ohne modalen Abschluss ist eben keine Synonymie. Der Vertreter des deskriptionalen Ansatzes könnte selbstverständlich ganz einfach den Begriffsapparat der metaphysischen Modalitäten ablehnen. Wir werden auf den Begriff der Notwendigkeit weiter unten detaillierter eingehen. Obwohl es vereinzelt Fälle gibt in denen die deskriptionale Theorie der Eigennamen funktioniert, so entspricht sie doch im Allgemeinen nicht dem gewöhnlichen Sprachgebrauch. So referiert der Name Jack the Ripper“ auf ” diejenige Person25 die die meisten einer Reihe von Verbrechen begangen hat.26 Oder bei der ursprünglichen Taufzeremonie, etwa Hesperus ist der Stern, ” den wir dort an dieser Stelle am Abend sehen“. Die meisten Fälle in denen Beschreibungen bei der Einführung von Namen verwendet werden, sind allerdings solche, bei denen keine Synonymie beansprucht wird, sondern die Kennzeichnung lediglich Mittel zur Festlegung der Referenz ist. So kann sich die benutzte Beschreibung durchaus nachträglich als falsch erweisen, oder sie kann ungenau oder vieldeutig sein und lediglich aus dem Kontext einen eindeutigen Sinn erlangen. Kripkes kausale Theorie der Bedeutung Kripke skizziert im Anschluss an die oben geschilderten kritischen Betrachtungen einen Gegenentwurf, der in die Philosophiegeschichte als kausale ” Theorie der Bedeutung“ eingegangen ist. Trotz der Kürze von Kripkes Schilderungen27 erwies sich dieser Entwurf als sehr folgenreich und soll an dieser Stelle kurz erläutert werden. Die Verwendung von Eigennamen ist dieser Theorie nach hauptsächlich durch zwei Merkmale konstituiert. Zum einen die Taufe bzw. Namensgebung und zum anderen die Weitergabe des Namens in der Sprachgemeinschaft. Bei der Namensgebung wird die entsprechende Entität zunächst durch Ostension oder Kennzeichnung oder eine Kombination beider identifiziert. Im Falle der Benutzung einer Beschreibung wird diese in der Regel, wie bereits erwähnt, nicht synonym verwendet. Die Weitergabe des Namens ist dann korrekt im Sinne der kausalen Theorie der Eigennamen, falls der Empfänger des Namens [. . . ] intendier[t], ihn ” mit derselben Referenz zu verwenden, mit der derjenige ihn verwendet, von dem er ihn gehört hat.“ ([Kri81] S.113) In der Nachfolge von Kripke wurden vielerlei Nachbesserungen und Weiterentwicklungen an der Konzeption, die Kripke selbst lediglich als grobe Angabe einer Theorie“ ([Kri81] S.112) oder ” als Bild“ ([Kri81] S.114) bezeichnet, von Autoren wie Putnam, Donnellan, ” Evans oder Burkhardt entwickelt.28 2.2 Grundlegende Begriffe Zum weiteren Verständnis ist es wichtig einige technische Termini einzuführen. Putnam greift viel auf das seit der Logik von Port-Royal klassisch gewordene Begriffspaar der Extension und der Intension zurück.29 Den Begriff der Extension“ verwendet Putnam in traditioneller Weise, so dass die Menge ” ” der Dinge, auf die ein Ausdruck zutrifft, die Extension dieses Ausdrucks“ ([Put81d] S.45) ist. Für die Intension tauchen in Putnams Texten verschie27 Sie sind im Wesentlichen auf den Seiten 112 bis 114 von [Kri81] enthalten. vgl. etwa Donnellans [Don74], Evans [Eva73] oder Burkhardts [Bur85] 29 Dort, wie auch in Kants Logik ist von Inhalt (‘comprehension’) und Umfang (‘etendue’) die Rede (vgl. [TW93] S.132f). 28 24 vgl. etwa seine Diskussion auf S.46f Es mag auch eine Frau sein. 26 vgl. [Kri81] S.94/110 25 18 19 den Gebrauchsweisen auf. In [Put75e] benutzt er den Begriff im traditionellen auf Hamiltons Übersetzung von comprehension“ zurückgehenden Sinn. Der ” Begriff wird von Putnam nicht näher spezifiziert, sondern als etwa der mit ” [dem] Ausdruck verknüpfte ,Begriff’“ eingeführt. Ein Blick auf Standardbestimmungen mag helfen, sich besser in der Terminologie zurechtzufinden. So beinhaltet in einem Vorschlag die Intension alle Attribute [. . . ], die der Be” griff enthält, z.B. der Begriff des Rindes enthält u.a. die Attribute ,Tier’, ‘Säuger’, ‘Wiederkäuer’“ ([TW93] S.132). Andererseits wird vielfach [. . . ] ” gesagt, die Intension ist der Begriff“ ([TW93] S.133).30 Oft, wenn Putnam auf den traditionellen Bedeutungsbegriff referiert, so meint er die Intension. Er macht zunächst auf die bekannte Einsicht aufmerksam, dass gilt Haben zwei Ausdrücke dieselbe Extension, so folgt daraus im Allgemeinen nicht, dass sie auch dieselbe Intension haben. (2.6) Beispielsweise repräsentieren Würfel“ und regelmäßiges Polyeder mit sechs ” ” quadratischen Flächen“ verschiedene Begriffe, jedoch ist die Extension jeweils dieselbe.31 Es wird eine Aufgabe sein, die Umkehrung obiger Aussage zu überprüfen, d.h.: Haben zwei Ausdrücke dieselbe Intension, so folgt daraus im Allgemeinen nicht, dass sie auch dieselbe Extension haben. (2.7) Es wird Putnam im Folgenden u.A. darum gehen, nachzuweisen, dass Bedeutungen im Sinne von Intensionen nicht Extensionen bestimmen. Es ist wichtig an dieser Stelle festzustellen, dass der Beleg von (2.7) hierzu ausreichend ist. Denn gelingt es, einen Ausdruck zu finden der mit derselben Intension geäußert in einer Situation eine andere Extension hat als in einer anderen, so spielt eben noch ein externer Faktor bei der Determination der Extension dieses Ausdrucks mit eine Rolle. Ebenso gilt es zu prüfen, ob Bedeutungen geistige Entitäten seien“ ([Put75e] ” S.25). Oder ob sie vielmehr im Gefolge von Frege und Carnap als abstrakte, objektive Entitäten ergriffen werden müssen. Doch auch hier bleiben wir mit dem Begriff des Erfassens/Ergreifens“ im Geistigen, so dass sich die Frage ” ergibt, ob Folgendes gilt: Um die Bedeutung eines Ausdrucks zu kennen ist es hinreichend, sich in einem bestimmten psychologischen Zustand zu befinden. (2.8) 30 31 So etwa mit Carnaps Konzeption der Eigenschaften“ (vgl. [Car47] §4). ” Dies gilt sogar in allen möglichen Welten (vgl. [Put81d] S.47). 20 Folgenreich wird auch der Begriff des natural kind terms“ (NKT) sein.32 ” Putnam führt im Unterschied zu Philosophen wie Quine33 oder Molino34 keine Theore der NKTs, sondern führt sie vielmehr anhand paradigmatischer Beispiele, wie Wasser“, Tiger“, Zitrone“ oder Gold“ ein, die sich ” ” ” ” offensichtlich hauptsächlich um chemische Elemente und Verbindungen, sowie biologische Arten gruppieren. Er unterscheidet hiervon Termini für physikalische Größen, wie Elektron“, Temperatur“ oder Elektrizität“.35 Put” ” ” nam geht damit nicht auf die facettenreiche philosophische Diskussion ein, wie NKTs am besten zu charakterisieren sind, oder ob es überhaupt solche gibt, sondern setzt ein intuitives Verständnis des Lesers voraus. Im Allgemeinen werden NKTs so angesetzt, als denotieren sie Objekt-Gruppen, die auf tatsächlich vorhandene Distinktionen in der Natur zurückgehen. Damit unterscheiden sie sich etwa von Artifakten, die hinsichtlich unserer Intentionen bezüglich ihrer Funktionalität gruppiert werden. Sind zweitere generell eher durch Wittgensteins Familienähnlichkeit geprägt, so weisen NKTs eine essentielle innere Struktur auf. Es ist eine philosophische Streitfrage, ob diese wirklich existiert, ob uns diese epistemisch zugänglich ist36 , oder ob sie bloß eine regulative Idee oder ein Bild repräsentiert, die bzw. das unserem Sprachgebrauch zugrunde liegt.37 2.3 Warum Bedeutungen nicht im Kopf sind - einführende Gedankenexperimente zum Externalismus Eine der zentralen Thesen Putnams ist, dass Bedeutungen nicht im Kopf sind: Man kann’s drehen und wenden, wie man will, Bedeutungen sind einfach ” nicht im Kopf.“ ([Put75e] S. 37). Das heißt, es ist nicht der Fall, das die Intension, der Begriff, den jemand von einer Sache hat, der psychologische Zustand, die derzeitige Synapsenkonstellation,38 die Bedeutung bestimmen. Das soll nicht heißen, dass diese keine Rolle spielten. Sie sind jedoch zur 32 Wolfgang Spohn übersetzt diese in [Put75e] als natürliche Prädikate“ (vgl. S. 34). ” vgl. [Qui69] 34 vgl. [Mol00] S. 168 35 Diese werden v.a. in [Put73c] thematisiert. 36 Locke etwa ist in dieser hinsicht Skeptiker, wie wir später sehen werden. 37 Wir werden sehen, dass Putnam mit seinem internen Realismus den Begriff einer geistunabhängigen Welt aufgibt, zugunsten einer Welt, die wir mit unseren begrifflichen Schemata in Objekte aufspalten. Die Frage, Gibt es H2 O“ wirklich?“ im Sinne von ” ” noumenal, an sich, wird als sinnlos qualifiziert (vgl. Kapitel 4) 38 Dies ist eine beliebte These in der aktuellen Hirnforschung (vgl. etwa [Rot91]). 33 21 Bestimmung der Bedeutung nicht hinreichend. Ist dies der Fall, so werden darüber hinaus noch andere Faktoren benötigt, welche die Bedeutung eines NKTs festlegen. Hierfür führt Putnam zwei entscheidende Prinzipien ein: zum einen die Indexikalität und zum anderen die linguistische Arbeitsteilung. Um die These, dass für NKTs die Intension nicht die Bedeutung impliziert, zu untermauern, greift Putnam zu verschiedenen Gedankenexperimenten. Manche davon sollen einleitend im folgenden aufgeführt werden. Wir versuchen jeweils anschließend verschiedene Prinzipien anzuführen, die als notwendige Stützen für Putnams gewünschten Schluss vorauszusetzen sind. In den darauf folgenden Abschnitten (2.4-2.8) werden Putnams Ansätze und damit sein Begriff von Bedeutung und Referenz näher diskutiert. 2.3.1 Wasser und Zwasser Es sei folgendes Szenario gegeben39 : Es gäbe irgendwo im Universum einen Planten, den wir(!) Zwerde “ nennen wollen, welcher der Erde exakt gleicht.40 ” Die einzige Ausnahme besteht darin, dass die Flüsse, Seen und Meere der Zwerde statt unserem irdischen Wasser (H2 O) ein dem Wasser makroskopisch identisches Zwasser enthalten, das heißt, eine Substanz, das Wasser in allen für das gewöhnliche Auge wahrnehmbaren Eigenschaften exakt gleicht.41 Allerdings ist Zwasser auf mikroskopischer Ebene unserem Wasser ungleich, denn es handelt sich nicht um die chemische Verbindung H2 O, sondern um eine völlig unterschiedliche Verbindung, die wir XYZ nennen wollen. Man nehme zusätzlich an, dort gäbe es für eine Person P einen exakten Doppelgänger P ′42 Diese Personen sprechen auch identische Sprachen, z.B. deutsch.43 39 Das Gedankenexperiment wurde zunächst in [Put73b] (S. 700ff) veröffentlicht und tauscht regelmäßig in Putnams Aufsätzen wieder auf (vgl. u.A. [Put88] S.72ff, [Put81d] S. 44f). 40 Alternativ könnte man auch von einem identischen Paralleluniversum ausgehen und von der dortigen Erde sprechen. 41 In [Put88] nennt Putnam dies die phänomenologischen Eigenschaften (S.73). ” 42 Dies ist eigentlich schon in der ersten Anforderung enthalten, wenn man zur Beschaffenheit des Planeten auch seine Pflanzen- und Tierwelt rechnet. In diesem Fall gibt es für eine jede Person einen Doppelgänger. Diese Doppelgänger gleichen den Originalen in jeder Hinsicht, außer dass sie auf der Zwerde leben. 43 Das heißt z.B. dass in der Sprache von P ′ der Planet den wir Zwerde nennen Erde“ ” genannt wird. Dies erinnert an Kripkes mögliche Welten und den starren Bezeichners, denn eine Person, die in der aktualen Welt Dunja“ genannt wird, bezeichnen wir in allen ” möglichen Welten mit Dunja“, selbst wenn sie in einer dieser möglichen Welten etwa ” Sabrina“heißt. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Zwerde keine ” mögliche Welten Instanz der aktualen Erde ist. Das vorliegende Beispiel wird von Putnam in [Put75e] ganz ohne mögliche Welten Semantik geführt. 22 Putnam konstatiert nun, dass, sofern die Bedeutung von der Intension determiniert wäre, so müsste bei identischem intensionalen Gehalt der Personen P und P ′ auch jeweils die gleiche Bedeutung intendiert sein. Mit obigem Szenario ergibt sich dann aber folgende Problematik: angenommen die Personen P und P ′ äußern (etwa in der identischen Situation, zum selben Zeitpunkt relativ zu deren Geburt) den Satz: Die Flüssigkeit in Seen ist Wasser.“ Es ” stellt sich dann die Frage, ob die Bedeutung des Wortes Wasser in der Sprache von P und der von P ′ differiert, falls die Intensionen von P und P ′ bzgl. des Begriffes Wasser“ dieselben sind. ” Man ist womöglich geneigt zunächst einzuwenden, dass, sofern in der Sprachgemeinschaft von P (bzw. P ′ ) bekannt ist, dass Wasser H2 O (bzw. XYZ) ist, die Intensionen unmöglich dieselben sein könnten44 . Deshalb verlagert Putnam das Beispiel ins Jahr 1750,45 bevor die chemischen Analysemöglichkeiten Menschen in den Sprachgemeinschaften von P bzw. P ′ in die Lage versetzten, die innere chemische Struktur von Wasser bzw. Zwasser zu entdecken. Putnam folgert nun daraus, dass Intension nicht die Extension impliziert. Person P und P ′ verfügen über denselben intensionalen Gehalt bei der Äußerung obigen Satzes, sie befanden sich im selben psychischen ” Zustand“([Put75e] S.34). Dennoch unterscheiden sich die Extensionen von Wasser“ geäußert auf ” der Erde - nämlich Stoffe mit innerer Struktur H2 O - und Wasser“ geäußert ” auf der Zwerde - nämlich Stoffe mit innerer Struktur XYZ.46 Dies ist nicht unmittelbar einleuchtend, denn warum sollte das dem Wasser auf der Erde makroskopisch gleichende Zwasser nicht auch in der Extension von Was” ser“ in der Sprache der Erdenbewohner liegen? Putnam benötigt also einen weiteren argumentativen Schritt, um nachzuweisen, dass die Intension nicht die Bedeutung determiniert. Putnam muss ein Kriterium zur Bestimmung der Extension einführen, das den Sprecherkontext, bzw. seine Lebens- und Umwelt in solcher Weise berücksichtigt, dass Wasser-ähnliche Substanzen, die nicht auf der Erde vorkommen, auch aus der Extension des auf der Erde geäußerten Wasser“ ausgeschlossen sind. ” 44 In einer Gehirn-physiologisch materialistisch geprägten Lesart könnte man etwa behaupten, dass die Neuronenkonfiguration von P unmöglich identisch sein kann mit der von P ′ bei Äußerung obigen Satzes (etwa da P im Gegensatz zu P ′ potentiell die Assoziation H2 O aktivieren könnte, was kausal bereits in der vorliegenden Konfiguration hinterlegt sein müsste). 45 Dies ist relativ zum entsprechenden Planeten zu denken. 46 evtl. jeweils mit gewissen Verunreinigungen 23 Wir wollen dies folgendermaßen formulieren: für alle Stoffproben x gilt, dass x nicht in der Extension von Wasser“ ” geäußert von einem Erden-Sprecher ist, falls x keiner der paradigmatischen Stoffproben auf dem Planeten Erde für Wasser gleicht. (2.9) Wir können dies folgendermaßen formalisieren: ∀x : x ∈ / ParaSet( Wasser“, L) → x ∈ / Ext( Wasser“, L), ” ” wobei L eine Lebenswelt ist, in der sich die Sprache, zu welcher der Signifikant Wasser“ gehört, entwickelt hat. Die Menge ParaSet( Wasser“, L) be” ” zeichne alle Stoffproben, die zu paradigmatischen Stoffproben für Wasser“ ” in der Lebenswelt L in einer weiter unten genauer zu spezifizierenden Ähnlichkeitsbeziehung stehen. Umgekehrt könnte man obige Aussage auch für die Extension von Wasser“ auf der Zwerde durchführen. Die Formulierung ” von (2.9) weist dadurch eine gewisse Offenheit auf, dass das Wort gleicht“ ” noch nicht befriedigend inhaltlich gefüllt worden ist. Zwei Dinge gleichen einander in gewissen Hinsichten. Es muss demnach eine bestimmte Hinsicht ausgezeichnet werden. Es ist zunächst die Frage offen, ob man das Gedankenexperiment auch ohne Verweis auf eine konkrete chemische Struktur (hier H2 O) durchführen könnte. Dafür müsste eine andere Ungleichheit von Wasser und Zwasser angeführt werden. Das Gedankenexperiment lässt jedoch per Definition dies genau nicht zu. Der einzige Unterschied, der bleibt, ist das Wasser eben auf der Erde vorkommt und Zwasser auf der Zwerde . Es wäre wenig einsichtig zu behaupten, dass nur diejenigen Substanzen Wasser sein können, die auf der Erde (oder etwa in unserem Sonnensystem) vorkommen. Das heißt, sollten wir auf einem fernen Planeten genau dieselbe Substanz vorfinden, nämlich H2 O, so wäre dies nicht Wasser. Auch ergäbe sich das Problem, wo man die Extensionsgrenze territorial einschränken sollte: im deutschsprachigen Bereich, auf der Erde, in der Milchstraße?47 Wie soll also das gleichen“ in (2.9) (bzw. die Ähnlichkeitsbeziehung“ ” ” in der Formularisierung) verstanden werden? Für Putnam ist das, wie das Experiment schon nahe legt, die (einzige48 ) innere Struktur der Extension eines NKT . Wie bemerkt, nützt es nichts, makroskopische Eigenschaften (durchsichtig, flüssig, etc.) anzugeben, da in diesen Hinsichten Zwasser dem Wasser der Erde genau gleicht.49 Zusätzlich zu (2.9) muss, um die These Bedeutungen sind nicht im Kopf“ ” aufzuzeigen, noch der Zusammenhang zwischen Bedeutung und Extension näher beleuchtet werden. Man könnte bspw. behaupten, dass die Bedeutung eines Wortes verträglich ist mit zeitinvarianter Extension. Das heißt, dass die Bedeutung eines Wortes gleich bleiben kann, selbst wenn sich die Extension desselben Wortes vergrößert oder verkleinert. Im quantitativen Sinne ist dies auch intuitiv eingängig. So gibt es etwa heute viel weniger Maikäfer als noch zu Zeiten unserer Großeltern. Dennoch gehen wir von einer Invarianz der Bedeutung des Wortes Maikäfer“ geäußert von den verschiedenen Generationen aus. ” Weniger intuitiv verständlich ist dagegen die These mit einer zeitinvarianten Extension im qualitativen Sinn.50 Würden wir etwa behaupten, dass, wenn Wasser geäußert vor 300 Jahren die Extension Substanzen mit innerer Struk” tur H2 O“ hatte, und geäußert in 300 Jahren die Extension Substanzen mit ” innerer Struktur H2 O oder XYZ“ haben wird, immer noch dieselbe Bedeutung haben kann? Wäre dies der Fall, so gefährdet dies Putnams Argument. Nichts schließt zunächst aus, dass nicht eines Tage Erdenbewohner auch in Kontakt kommen mit XYZ. In diesem Falle, so würde Putnam argumentieren, ist es ausgeschlossen, dass auch XYZ Wasser ist, da es nicht in hinreichender Ähnlichkeitsbeziehung steht zum hiesigen Wasser. Doch könnte man dieses Argument aushobeln? Was etwa, wenn Bewohner von der Zwerde mit Bewohnern von der Erde in Kontakt treten und zu sprechen beginnen. Welche Sprache sprechen sie dann? Deutsch oder Zwerden-Deutsch oder eine neue hybride Sprache. Was meinen die Sprecher, wenn sie das Wort Wasser“ benutzen: Wasser oder Zwasser ? ” Für die erste Generation mag dies noch dadurch zu beantworten sein, dass jeder eben sein Wasser meint. Doch was nach etwa 200 Jahren. Was meinen die ersten Erde-Zwerde -Kinder, wenn sie Wasser“ sagen. Könnte man nicht ” in einem solchen Fall behaupten, dass die Bedeutung das Wortes Wasser“ ” gleich geblieben ist, jedoch hat sich die Extension qualitativ erweitert.51 vgl. diesbezüglich auch Zemach [Zem76] S. 118f., der auf einen ähnlichen Punkt aufmerksam macht. 48 Putnam denkt, wie sich herausstellen wird die Extension modulo innerer Struktur im Allgemeinen im Singular. Es kann jedoch zu Ausnahmen kommen, wie etwa im Falle von Jade. Dies wird uns weiter unten noch intensiver beschäftigen. 49 Es stellt sich jedoch die Frage, ob es wissenschaftlich vorstellbar ist, dass eine Substanz eben jene makroskopischen Eigenschaften aufweisen kann, aber in der inneren Struktur trotzdem abweicht. Für Putnams Gedankenexperiment ist es aber hinreichend anzunehmen, dass sie insofern gleich sind, dass die Geschichte auf der Erde und auf der Zwerde bis zum Jahr 1750 in der Weise ähnlich abgelaufen sind, dass sich die besagten Personen P und P ′ im gleichen psychischen Zustand befinden. Unsere Bedenken werden weiter unten noch mit Kuhn weiter ausgeführt (vgl. 3.3.5). 50 Wenn wir von Extension im qualitativen Sinne sprechen, so meinen wir Äquivalenzklassen der in (2.9) erwähnten Ähnlichkeits- bzw. Gleichheitsrelation. 51 Man könnte auch trickreich in Wittgenstein-Manier folgendermaßen argumentieren: 24 25 47 Wir wollen deshalb zusätzlich fordern: Die einem NKT zugehörige Extension ist bei invarianter Bedeutung ebenfalls invariant:52 ∀x ∀L1 , L2 ∀t1 , t2 : Bed(x, L1 , t1 ) = Bed(x, L2 , t2 ) → Ext(x, L1 , t1 ) = Ext(x, L2 , t2 ). (2.10) Man könnte auch die wenig eingängige These behaupten, dass die verschiedenen Extensionen von Wasser“ geäußert auf der Erde und geäußert ” auf der Zwerde nicht nach sich ziehen, dass die Bedeutungen unterschiedlich sind. Putnam würde dies ablehnen und dagegen folgendes behaupten: für alle NKTs x und y gilt: falls die Extensionen (im Sinne von 2.9) von x und y disjunkt sind, so haben x und y verschiedene Bedeutungen (2.11) ∀x, y ∀L1 , L2 : Ext(x, L1 ) 6= Ext(y, L2 ) → Bed(x, L1 ) 6= Bed(y, L2 ) Wir haben gesehen, dass Putnam sogar noch auf eine stärkere Aussage zusteuert, nämlich: für alle Stoffproben x und y gilt, dass, falls sich die innere chemische Struktur von x von der von y unterscheidet, so ist höchstens eine der beiden Stoffproben in der Extension von Wasser“. (2.12) ” geäußert von P wäre. Putnam argumentiert dagegen, dass, wenn ein Raumschiff heute von einer Expedition von der Zwerde auf die Erde zurückkehren würde, so würden die Astronauten behaupten: Auf der Zwerde bedeutet das ” Wort ,Wasser’ XYZ.“([Put75e] S. 32), ohne dass dabei jedoch Bedeutung mit Extension gleichgesetzt werden sollte. Auf die Begründung der Behauptung 2.9 wird später noch zurückzukommen sein. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass obige, sowie folgende Bedeutungsanalysen im Sinne von Kripkes semantischer Bedeutung 53 durchgeführt werden. Das heißt, es werden Fälle nicht berücksichtigt, in denen der Sprecher eine Referenz intendiert, die nicht mit dem allgemeinen Gebrauch seiner Sprachgemeinschaft übereinstimmt, die also kontextuelle Sonderfälle darstellen54 2.3.2 Aluminium und Molybdän, Ulmen und Buchen Beim folgenden Beispiel bemühen wir analog zu vorher wieder die Erde, die Zwerde und die Personen P und P ′ . Nun können die Planeten darüber hinaus durchaus völlig gleich beschaffen sein. Einziger Unterschied ist jedoch, dass das Wort Aluminium“ im Gebrauch der Menschen auf der Zwerde (unser) ” Molybdän bedeutet, und Molybdän“ bedeutet auf der Zwerde Aluminium.55 ” Zudem sei angenommen, dass auf beiden Planeten ein Unterschied der bei- Bei Auffinden des ersten Stoffes mit innerer Struktur XYZ entschließen sich die Erdenbewohner, diesen Stoff als paradigmatischen Stoff für Wasser anzusehen. Nun sind allerdings die paradigmatischen Fälle nicht selbst als Wasser zu klassifizieren, da sie die conditio sine qua non dafür abgeben, dass wir Klassifikationen machen können. Damit ergibt sich bei der Erweiterung der Paradigmenmenge kein Widerspruch zu 2.9, wenn man für auf ” dem Planeten Erde“ mit in der Lebenswelt der Erdenbewohner“ ersetzt. Das Argument ” ist allerdings fadenscheinig. Weist uns Wittgensteins These, dass der Urmeter nicht einen Meter lang ist, darauf hin, dass dieser eine sehr spezielle Rolle in Sprachspielen einnimmt, so ist die These dennoch falsch. Denn um als Maßstab zu dienen, muss im Messvorgang ein Vergleich vorgenommen werden. Man fragt sich sogleich, worin Dinge, die einen Meter lang sind, dem Urmeter gleichen, wenn nicht darin eben einen Meter lang zu sein. 52 Die Extension sei dabei für einen Term x die Extension im qualitativen Sinn. Variablen t1 , t2 stehen stellvertretend für Zeitpunkte. 53 vgl. [Kri77], oder auch Donnellans attributive Bedeutung in [Don66], oder auch Saussures langue (vgl. hierzu auch [Bur85]) 54 Es sind also Fälle gemeint, die Kripke als Sprecher-referenzielle Verwendungsweise“ ” bezeichnen würde (Donnellan hat hierfür den Ausdruck referentielle Verwendungsweise“). ” Zudem werden selbstverständlich Verwendungsweisen ala Humpty Dumpty ausgeschlossen, in denen der Sprecher arbiträr Bedeutungen mit den vom ihm benutzten Wörtern verbindet, wie sie bspw. in [Don68] diskutiert werden. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass selbst bei Sprecher-referenziellen Gebrauch der semantische Gebrauch miteinbezogen werden muss (allerdings nicht die Humpty Dumpty“-Verwendungsweise), bzw. die bei” den Gebrauchsweisen nicht strikt getrennt werden können. So könnte ein Alkoholiker auf die Frage, was sich denn in dem Glas vor ihm befinde ironischerweise antworten Dort ” befindet sich nur Wasser.“ Selbst in Donnellans Beispiel der referentiellen Bedeutung von Johns Mörder ist verrückt“ das referierend auf den Mann auf der Anklagebank verwendet ” wird muss ein Verständnis der semantischen Bedeutung (in Kripkes Sinn) vorausgesetzt werden. Dies zeigt, dass offenbar trotz der Einschränkung der Bedeutungsanalysen auf semantische Bedeutung die Ergebnisse in Sprechakten mit Sprecher-referentieller Färbung entsprechend Verwendung finden können. 55 Putnam variiert dieses Beispiel auch noch mit den Wörtern Ulmen“ und Buchen“ ” ” und einem Sprecher, der die Extensionen der beiden nicht auseinander halten kann (in diesem Falle Putnam selbst, vgl. [Put75e] S.36f). Ebenso führt er in [Put88] (S.57f) ein Beispiel mit Rotkehlchen und Spatzen auf. Die Argumentation ist allerdings im Folgenden enthalten. Das Beispiel mit Aluminium taucht bereits in [Put70] auf (vgl. S. 150) und dann wieder in [Put73b] (S. 703). 26 27 Im allgemeineren Rahmen muss das für alle NKTs nachgewiesen werden. Es genügt nicht, zu behaupten, dass die Extension von Wasser“ Teil der ” Bedeutung von Wasser“ ist. Denn in diesem Fall spräche noch nichts ge” gen die Behauptung, dass nicht auch XYZ Teil der Bedeutung von Wasser“ ” den Stoffe jeweils nur von Experten festgestellt werden kann. Die meisten Menschen56 wissen lediglich, dass es einen Unterschied gibt, und das heißt auch zu wissen, dass es Experten gibt, die jeweils im Falle des Falles befragt werden könnten.57 Würde nun P die Zwerde besuchen, so wird er sich nicht dessen bewusst sein, dass P ′ beim Gebrauch des Wortes Aluminium“ etwa ” im Zusammenhang mit einer Bratpfanne Molybdän meint. Ganz im Gegenteil werden sich die beiden bei Verwendungen des Wortes Aluminium“ in glei” chen Situationen im gleichen psychischen Zustand befinden58 . Dies zeigt für Putnam wiederum, dass die Behauptung, dass die Intension die Bedeutung konstituiert, falsch ist. Lediglich ein Experten von der Erde ist in der Lage den Unterschied in den Gebrauchsweisen festzustellen, z.B. dann wenn er ein Labor auf der Zwerde betritt und bei Versuchen der Zwerde Wissenschaftler eine inverse Etikettierungsweise bemerkt. Er wird dann bei der Rückkehr auf der Erde zu Protokoll geben, dass auf der Zwerde Aluminium“ Molybdän ” bedeute (und umgekehrt). Das Gedankenexperiment ist jedoch nur in der Lage, die These, dass Bedeutungen nicht im Kopf sind, aufzuzeigen, falls folgendes gilt: Das Kriterium für die Extension eines Ausdrucks (etwa Aluminium“) wird ” durch die Experten-Meinung festgelegt (und nicht etwa durch die Mehrheit, so etwa durch deren Gebrauchsweise, oder deren Kenntnisstand). (2.13) Wäre dem nicht so, so könnte die Extension für Aluminium“ gerade ” auch Aluminium und59 Molybdän sein. These 2.13 besagt auch, dass es nicht zwei unterschiedliche Bedeutungen für bspw. Aluminium“ gibt: eine für den ” Experten (die ausdifferenzierte) und eine für den Laien, zumindest falls für die besagten NKTs (2.11) gilt.60 56 d.h. diejenigen, die keine ausgeprägten chemischen Vorkenntnisse haben Das ist so noch ein wenig idealisierend und daher nicht ganz richtig. Man stelle sich etwa das drastische Szenario vor, dass durch einen Virus die gesamte Erdbevölkerung bis auf zwei Personen ausgelöscht worden ist. Diese beiden Personen sind jeweils nicht Experten und können den Unterschied zwischen Molybdän und Aluminium nicht benennen. Dennoch sind sie sich aufgrund ihres Wissens (bspw. der blassen Erinnerungen aus dem Chemie-Unterricht) bewusst, dass es einen Unterschied gibt. 58 etwa bei Äußerungen im Zusammenhang mit der Benutzung einer Pfanne mit der Aufschrift made of Aluminium“. Putnam ist hierbei etwas ungenau. Er spricht lediglich ” davon, dass bei ihrem Gebrauch des Wortes Aluminium“ überhaupt kein Unterschied ” ” hinsichtlich ihres psychischen Zustandes besteht.“([Put75e] S. 36) 59 im mengentheoretischen Sinn 60 Im Zusammenhangs mit Putnams Konzeption der linguistischen Arbeitsteilung (vgl. Abschnitt 2.4.1) werden wir noch detaillierter und kritisch darauf zu sprechen kommen. 57 28 2.4 2.4.1 Die Rolle des Sprachkollektivs Die sprachliche Arbeitsteilung Wurde bereits in [Kri81] mit der kausalen Theorie der Referenz der Fokus weg von der restriktiven Perspektive auf den einzelnen Sprecher mit den kausalen Ketten hin auf die Sprechergemeinschaft (sowohl synchron als auch diachron) gerichtet, so erfährt dieser Gedanke mit Putnams Begriff der sprachlichen Arbeitsteilung eine neue Wendung. Wir haben oben auch ein gewisses argumentatives Defizit bemerkt bzgl. These (2.13), das nun aufgearbeitet werden soll. Kausale Ketten und Experten Mit der These der sprachlichen Arbeitsteilung nimmt Putnam die epistemische Last vom Einzelsprecher und verlagert sie auf den Experten61 , denn [s]prachliche Kompetenz und Verstehen sind nicht bloß Wissen“ ([Put73c] ” S. 31). Wir haben bei Kripke gesehen, dass der Mann auf der Straße nicht über eindeutig identifizierendes Wissen über etwa Aristoteles verfügen muss, damit wir ihm unterstellen können, dass er sich sinnvoll über eben jenen Philosophen aus Athen unterhalten kann. Es genügt, dass eine Kette von Sprechern in einer kausalen Verbindung stehen zum Taufereignis. Ein Glied einer Kette ist dabei dadurch gekennzeichnet, dass die noch nicht mit dem Namen vertraute Person die Bedeutung (und das heißt in diesem Falle die Referenz) von der bereits mit dem Namen vertrauten Person übernimmt, indem er die Intension hat, den Namen mit der gleichen Bedeutung zu benutzen. Die Kettenglieder bei Kripke laufen zurück auf den zentrischen Punkt der Taufe und verbinden somit den einzelnen Sprecher mit der Referenz eines Namen. In Putnams Bild sind wir in Reichweite diverser Experten, die über das Wissen über die Extension von NKTs verfügen. Es gibt keinen singulären Referenten, der in einem einmaligen Taufereignis seine Bezeichnung erhielt. Die Extension von NKTs ist gewöhnlich über eine Vielzahl paradigmatischer Fälle charakterisiert. Sie sind die Forschungsgrundlage der Experten, die uns darüber aufklären, wie diese beschaffen sind. Sie sind es, auf die sich die einzelne Sprecherin berufen kann. Man mag zwar nicht in der Lage sein, einen Unterschied zwischen Molybdän und Aluminium zu benennen, aber zumindest weiß man, dass es einen Unterschied in der Extension gibt und 61 In dieser Hinsicht wird von Putnam bereits in [Put70] Vorarbeit geleistet, ohne dass der Begriff sprachliche Arbeitsteilung“ (Orig. linguistic division of labour“) hier schon ” ” auftaucht (vgl. Fußnote 89 ). Das tut er zum ersten mal in [Put73b] (S. 704). Putnam diskutiert diesen Begriff desweiteren u.A. in [Put75e] S.37ff, [Put88] S.57ff 29 dass es eine Expertin gibt, die im jeweiligen Falle Klarheit verschaffen kann. Die Kripke’schen kausalen Ketten verschwinden in diesem Sinne nicht mit Putnams Konzeption. Ganz im Gegenteil stehen wir in Verbindung zu den Experten in gerade solchen kausalen Ketten. Wir haben die Intention gerade das zu meinen, wovon Experten sprechen, wenn sie einen entsprechenden NKT benutzen. Wir, insbesondere auch die Experten, stehen ebenso in Verbindung zu den Vorgängergenerationen bis zurück zu derjenigen Generation, die begann einen entsprechenden NKT zu benutzen. Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Kontinuität der Referenz eines Sprachkollektivs für einen NKT durch das kontinuierliche Vorliegen einer Expertenschaft gesichert ist. Ansonsten kann es zu einem Bruch kommen, wie Putnam in [Put70] (S.151) anhand eines Gedankenexperiments aufzeigt. Angenommen ein irdisches Raumschiff deutschsprachiger Astronauten ist auf einer Expedition in die Weiten des Weltraums unterwegs und abgeschnitten von jeglichem Kontakt mit der Erde. Auf dem Raumschiff befinden sich sowohl Molybdän als auch Aluminium. Unglücklicherweise ist kein Experte an Bord, der über ein Wissen von charakteristischen differierenden Merkmalen der beiden Materialien verfügt. Des weiteren sei angenommen, dass die Astronauten von nun an Molybdän mit Aluminium“ bezeichnen und umge” kehrt62 . In diesem Falle kommt es zu einem Bruch in der Bedeutung, denn die neue Bedeutung von Aluminium“ ist Molybdän.63 ” Man ist nun versucht das Beispiel noch weiter zu verschärfen. Es wäre vorstellbar, dass kein Astronaut auf dem Raumschiff über ein Unterscheidungsmerkmal verfügt. Der einzelne Sprecher befindet sich nun in der seltsamen Situation über keine ausreichende Methode und kein ausreichendes Wissen zur korrekten Klassifizierung gegebener Probesubstanzen zu verfügen. Dennoch weiß er, dass es einen Unterschied gibt. Die offene Frage ist nun, auf was das Wort Aluminium“ nun verweist, da in diesem Fall die kollektive Leistung ” 62 Das heißt sie verfügen über Methoden, einen Unterschied auszumachen, haben aber nicht die erforderliche Kenntnis, dies als Grundlage einer korrekten Klassifizierung zu benutzen. 63 Diese Diskontinuität aufgrund eines epistemischen Defizits (im weiteren Sinne als Defizit des Kollektivs und nicht des Individuums) taucht in ähnlicher Weise auch in den Beispielen von Gareth Evans (vgl. [Eva73]) auf. Während es bei Putnam um die Kontinuität der Verfügbarkeit eines Experten geht, handelt es sich bei Evans um die Kontinuität im Wissen um die Geschichte (vgl. u.A. seine Napoleon Gedankenexperiment (S. 327f) und dasjenige mit Ibn Khan“ (S. 330f)). Dies verweist selbstverständlich auch auf eine Ex” pertenschaft, die mit ihren Nachforschungen jene Kontinuität sichern. In diesem Sinne werden Putnams Thesen auch im Zusammenhang mit Eigennamen sehr aktuell. Es sei noch angemerkt, dass Brüche in diesem Sinne natürlich auch auf andere Art und Weise stattfinden können, wie Donnellans Nikolaus Beispiel veranschaulicht (vgl. [Don74] u.A. S. 297). 30 der Sprachgemeinschaft nicht mehr intakt ist. Selbst die Zukunftsverwiesenheit der sprachlichen Arbeitsteilung hilft nicht, denn der Bruch ist in unserem Beispiel endgültig. Selbst wenn nun das Astronauten-Sprachkollektiv jemals ein solches Kriterium64 finden würde, wäre es immer noch fraglich, bzw. eine Frage der Konvention, welcher der beiden Ausdrücke welche Substanz bezeichnet65 . Solche Fälle zeigen auf, dass zwar die Astronauten einmal das Wort er” worben“ haben, aber aus Putnams Distinktion zwischen einem Wissen um die Bedeutung und der Fähigkeit über korrekte Identifikationskriterien zu verfügen, durchaus folgen kann, dass sie ohne eigenes Zutun das Privileg verlieren können.66 Man könnte den Zusammenhang auch anders formulieren: die kriteriale Autorität bei der Bestimmung von Extensionen von NKTs liegt bei den Experten. Es kommt also zu einer gewissen Hierarchie innerhalb des Sprachkollektivs zugunsten der Gebildeten. Dieser Gedankengang weißt auch schon auf ein anderes Putnam liebes Thema hin. Der nicht-Experte ist nämlich bei von ihm vorgenommenen Klassifizierungen jeweils in der Lage, dass er in einem gewissen Sinn in einer Rückzugsposition befindet. Das heißt er lässt es jeweils offen, ob sein Urteil bzgl. NKTs zutrifft, er ist jeweils offen für die Korrektur eines Experten. Wie Putnam v.a. in seiner Wissenschaftsphilosophie hervorhebt, unterliegt auch der Experte dieser Rückzugshaltung gegenüber den zukünftigen Forschungsresultaten.67 Wir sind im ersten Beispiel davon ausgegangen, dass Wasser auf der Erde wirklich H2 O ist und sprachen davon, dass Person P gerade auf diese Substanz referiert. Dass Wasser wirklich68 H2 O ist, ist jedoch ein Resultat der Chemie. Die korrekte Klassifizierung einer unbekannten Probe kann jeweils nur ein Experte vornehmen. Nun gab es allerdings im Jahr 1750 noch keine entsprechenden Experten. Die Extensionsklassifizierungshoheit ist in diesem Falle also in die Zukunft gelagert69 . 64 Beachte, dass ein Unterscheidungskriterium nicht notwendigerweise ein solches sein muss, dass sie in die Lage versetzt, korrekt zu klassifizieren. 65 Noch komplizierter wäre es, wenn noch später eines Tages plötzlich ein Dokument auftauchen würde, das auf den korrekten Gebrauch der beiden Wörter vor dem Bruch verweist. Das Beispiel ist dann analog zu Evans Ibn Khan“ Gedankenexperiment ([Eva73] ” S. 330) zur Eigennamenproblematik, insofern es die offene Frage aufwirft, ob man nun den Sprachgebrauch ändern soll (hinsichtlich des früheren Gebrauchs) oder nicht, sowie die Frage, welcher Gebrauch der korrekte ist. 66 Gaynesford macht auf einen ähnlichen Punkt aufmerksam ( for suppose no one has ” sufficient knowledge of the referent of a word to be able to identify it“ ([Gay06] S.103)). 67 vgl. Abschnitt 2.6 68 dabei sei an dieser Stelle ein gewisser Wissenschaftsoptimismus unterstellt 69 Man vergleiche im Gegensatz dazu die Kripkeschen Ketten, die mit dem Taufereignis 31 Diese Argumentation wird in dem Moment noch interessanter, wenn man einen wissenschaftlichen Fallibilismus unterstellt, doch dazu später mehr. Aus dem Prinzip der sprachlichen Arbeitsteilung entspringt nun für Putnam so etwas wie ein semantischer Egalitarismus: Der Chemiker, der weiß, dass die Ordnungszahl von Gold 79 ist, hat keine bessere Kenntnis der Bedeutung des Wortes Gold“, ” sondern er weiß einfach mehr über Gold. ([Put88] S.59) Die Drohung des Sprachspielpluralismus Putnam weist darauf hin, dass mit zunehmende Arbeitsteilung in den Lebensgemeinschaften die Rolle der sprachlichen Arbeitsteilung zunimmt (vgl. [Put75e] S. 38). Das alles lässt darauf schließen dass man es mit einer zunehmenden Dezentralisierung der kriterialen Pole der Extensionsbestimmung, aber auch mit einer Zunahme der Distanz vom Mann auf der Straße zu diesen Polen, zu tun hat. Haben wir oben bei der Kritik der kausalen Theorie der Referenz eine gewisse Problematik festgestellt in Fällen, bei denen das Taufereignis weit zurück liegt, so dass es zu Brüchen der Ketten oder Disseminationen kommen kann, so liegt die Vermutung nahe, dass dieser Effekt bei gewissen Ausdrücken evtl. auch hier zu Problemen führen könnte und es so vielleicht doch zu einer Bedeutungsstreuung in diejenige des einfachen Mannes und diejenige des Experten kommen könnte. Im Sinne Wittgensteins könnte man dann sagen, dass dann zwei verschiedene Sprachspiele gespielt werden, die lediglich einer gewissen Ähnlichkeit unterliegen (denn mit Sicherheit wären die beiden Bedeutungen nicht völlig entkoppelt).70 2.5 Der Einfluss der Umwelt - Indexikalität Für unser erstes Gedankenexperiment mit der Zwillingserde und dem Wasser sahen wir noch ein argumentatives Defizit bzgl. der Begründung der These (2.9). Dies soll nun im Folgenden nachgeholt werden. Wir sahen in der Argumentation des Gedankenexperiments, dass die Umwelt einen wichtigen Beitrag zur Festlegung der Referenz eines NKTs leistet. Putnam formuliert das in der Aussage, dass [. . . ] Wörter wie ,Wasser’ eine ” unbemerkt gebliebene indexikalische Komponente haben: Wasser ist etwas, das in einer bestimmten Ähnlichkeitsrelation zum hiesigen Wasser steht.“ ([Put75e] S.46) jeweils in die Vergangenheit gerichtet sind. Damit ist der vorliegende Ansatz zeitlich sowohl nach vorn als auch nach hinten gerichtet. 70 vgl. hierzu auch Abschnitt 3.3.1 32 Gewöhnlicherweise bezeichnen wir Wörter wie ich“, dies“ oder heute“ ” ” ” als indexikalisch, da sie in verschiedenen Kontexten oder bei verschiedenen ” Verwendungen verschiedene Extension haben“ ([Put75e] S. 46). Nun stellen wir jedoch mit Salmon fest, that the designation of a natural kind term ” does not vary from one context of utterance to another.“ ([Sal81] S. 104)71 Die Extension von gewöhnlichen indexikalischen Wörtern ist eine Funktion Ext(Term, Situation). So variiert etwa die Extension von ich“, wenn Gre” tel das Wort äußert (nämlich {Gretel}) gegenüber einer Äusserung desselben durch Hänsel (nämlich {Hänsel}). Dagegen kann man für NKTs von einer Funktion Ext(Term, P ) ausgehen, wobei P eine Menge paradigmatischer Fälle ist, und ein Gegenstand/Stoff/etc. genau dann in der Extension liegt, falls er in einer vorgegebenen Ähnlichkeitsbeziehung zu einem Gegenstand/Stoff/etc. in P steht. In gewöhnlichen Fällen ist darüber hinaus P einelementig (etwa im Falle von Gold eine Stoffprobe mit Atomnummer 79, im Falle von Wasser eine Stoffprobe mit innerer molekularer Struktur H2 O, etc.). In diesem Sinne schreibt Donnellan, dass ‘water’ is not itself an in” dexical on either Twin Earth or Earth, but at a deeper level, at the level of the specification of the paradigms whose underlying nature determines the extension, indexicality enters [. . . ]“ ([Don93] S. 159). Ist die Indexikalität von Wörter wie ich“ abhängig vom Äußerungskontext des Individuums, so ” ist die Indexikalität von etwa Wasser“ abhängig vom Äußerungskontext ei” ner ganzen Sprachgemeinschaft. Im Äußerungskontext der Erdenbewohner sind die paradigmatischen Fälle von Wasser durch die innere Struktur H2 O gekennzeichnet, auf der Zwerde dagegen durch XYZ. Die Ähnlichkeitsrelation nennt Putnam im Falle von Wasser die Flussi” dentität“ und es stellt sich als nächstes die Frage, wie diese zu bestimmen ist. Diese ist mit Putnam durch die Natur unserer paradigmatischen Fälle vorgegeben. The extension of our terms depends upon the actual nature ” of the particular things that serve as paradigms, and this actual nature is not, in general known to the speaker.“ ([Put73b] S. 711) Nicht nur ist sie unter Umständen nicht jedem individuellen Sprecher bekannt, sondern sie mag der ganzen Sprechergemeinschaft unbekannt sein. Dies liegt daran, dass die Ähnlichkeitsrelation is a theoretical relation: whether something is or is ” not the same liquid as this may take an indeterminate amount of scientific investigation to determine“ ([Put73b] S. 702). Akzeptiert man einmal die Indexikalität von NKTs , so sieht sich Putnam vor folgende Alternative gestellt: zum einen kann man zulassen, dass 71 Ebenso stellt Burge fest, dass it is clear that ‘water’, interpreted as it is in English, ” or as English speakers standardly interpret it, does not shift from context to context“ ([Bur82] S. 234). Vgl. auch [Don93] S. 157. 33 NKTs mit verschiedenen Extensionen trotzdem die gleiche Bedeutung haben (im Widerspruch zu (2.11))72 ; auf der anderen Seite könnte man davon ausgehen, dass [. . . ] bei natürlichen Prädikaten ein Extensionsunterschied ” ipso facto einen Bedeutungsunterschied ausmacht“ ([Put75e] S. 47). Putnam befürwortet die zweite Möglichkeit. Zusammengefasst ergibt sich also damit die erforderten Thesen (2.9) und (2.11). Argumentativ hat Putnam dazu wenig zu bieten. Das heißt, das Kapitel Indexikalität und Starrheit in [Put75e] liefert auch nicht den Ansatz einer hinreichenden Begründung dieser These73 . Wenn er zu Beginn auf die ostensiven Definitionen und Stereotypen, die bei der Identifizierung der Extension benutzt werden, verweist, so spricht das noch nicht gegen eine prinzipielle Offenheit des Bedeutungsbegriffs, die ihn auch in die Lage versetzen würde Zwasser , das heißt Mengen des Stoffs XYZ zu umfassen. Ein Verweis auf obiges Gedankenexperiment hilft aus Zirkularitätsgründen nicht weiter. In Repräsentation und Realität“ verweist Putnam mit Alan Berger auf die ” Musterabhängigkeit des Lernens etwa des Wortes Wasser“, wobei gilt, dass ” eine Substanz, die sich nicht so verhält wie diese Beispiele, wird nicht als ” dieselbe Substanz gelten“ ([Put88] S. 77). Die teilweisen überraschenden74 und weitreichenden75 Folgen dieses Ansatzes für den Begriff der Notwendigkeit werden wir weiter unten näher betrachten. 2.6 Das Prinzip Vertrauensvorschuss Putnam führt in Sprache und Wirklichkeit“ ([Put75d] S. 54 ff.) ein neues ” Prinzip ein: das Prinzip des Vertrauensvorschuss. Wir wollen an dieser Stelle den Ansatz deskriptiv vorstellen. Vor allem soll das Prinzip später im Rahmen der Wissenschaftsphilosophie detaillierter kritisch beleuchtet werden, da es sich gerade dort als sehr folgenreich erweist. Das Prinzip des Vertrauensvorschuss schließt eng an zwei bereits oben angeführte Charakteristika von Putnams Sprachphilosophie an. Zum einen die Betonung des sozialen Aspekts der Sprache und zum anderen die wichtige Rolle der Umwelt und der Referenz eines Terms. Ein Taufereignis eines neuen Terms kann etwa auf dreierlei Weisen erfolgen. Zum einen ostensiv, deiktisch: so etwa unter deutender Armbewegung und der Äußerung eines Satzes wie Dies ist (ein) . . .“. Wir wissen z.B. mit ” Wittgenstein, dass ostensive Definitionen eine gewisse Unschärfe aufweisen und damit Sprecher bereits mit einem Sprachspiel, das die deiktische Sprachhandlung einbettet, vertraut sein müssen. Dieselbe Feststellung gilt für die zweite Art, einen neuen Term einzuführen, die vor allem im wissenschaftlichen Rahmen oft im Zusammenhang mit neuen theoretischen Begriffen auftritt. Terme werden mit Hilfe von Beschreibungen eingeführt. Man kann dies auf zwei Arten tun: zum einen kann man etwa definitorisch festsetzen: Der größte Planet im Weltall heiße Titan.“ Diese ” Definition erfolgt unter Synonymie, denn Titan“ wird als gerade der Planet ” definiert (welcher immer das sein mag), welcher der größte im Weltall ist. Wenn man von gewissen Unschärfen im Beispiel absieht,76 so ist die Existenz eines solchen Planten, und damit die Existenz von Titan gesichert. Üblicher ist es jedoch im Wissenschaftsbetrieb Termini auf abduktive77 Weise einzuführen. Es stellt sich dabei folgendes Szenario ein: Der/die Wissenschaftler stellen eine Gruppe von auffallenden Effekten/Phänomenen P fest. Man vermutet im Zusammenhang mit der derzeitigen Theorie78 , dass diese Phänomene durch eine (abstrakte oder materielle) Entität verursacht werden. Man führt einen neuen Term für diese Entität X ein, etwa in dem Sinn X ist dasjenige, was P verursacht“. ” Putnam betont nun, dass erstere, sowie letztere Vorgehensweise und Mischformen davon keine Synonymien stiften.“ ([Put75d] S. 54) Vielmehr pickt ” ” die Beschreibung das heraus, worauf der Taufende sich beziehen will [. . . ].“ Wie ist der Verweis auf die Sprecherintention mit will“ zu verstehen? ” So könnten sich viele der Phänomene aus P als nicht durch X verursacht herausstellen. Dies entspricht dem gewöhnlichen Gang der Wissenschaften. So meint Putnam, es wird sich jeweils fast sicher herausstellen, ” dass kein Teilchen für genau die von mir angegebenen Effekte verantwortlich ist.“ ([Put75d] S. 55) Dies ist zudem verbunden mit dem oben angeführten Prinzip der Indexikalität. Man nehme etwa an, es gäbe irgendwo im Universum eine Entität X ′ , die genau die Gruppe der Phänomene P verursacht,79 allerdings kom- 72 vgl. hierzu klassische indexikalische Wörter wie ich“. ” Dies erinnert an Kripkes starre Bezeichner, die er mit folgenden Worten einführt: Eine der intuitiven Thesen, die ich in diesen Vorträgen vertreten werde, ist die These, ” dass Namen starre Bezeichnungsausdrücke sind.“ ([Kri81] S. 59) 74 Nicht für den Leser, der schon mit Kripkes [Kri81] vertraut ist. 75 Dass diese Folgen jedoch nicht ohne ein gewisses Maß an metaphysischen Essentialismus auskommen hat Salmon mit Hilfe tiefgreifender logischer Analysen gezeigt (vgl. [Sal81] und [Sal79]). 76 Also die Frage, welches ein hinreichendes Kriterium darstellt, die Größe eines Planeten anzugeben: Volumen, Masse, was wird gemessen (Atmosphäre, nur Oberfläche, etc.), etc., sowie die Frage danach, ob sich Planeten nach diesem Kriterium linear ordnen lassen. 77 Wir besprechen den Begriff der Abduktion genauer in Abschnitt 3.3.4 78 vor allem im Zusammenhang mit dem, was Putnam, wie wir später sehen werden, die Rahmenprinzipien nennt 79 vgl. hierzu Putnams Selektronen“ ([Put75d] S. 58). ” 34 35 73 men diese nicht in der näheren Umgebung der Erde, etwa der Milchstraße, vor. Putnam betont nun, dass wir uns trotzdem mit X“ nicht auf X ′ be” ziehen. In diesem Sinn unterscheidet sich Putnams Konzeption von Wilsons ‘Prinzip der Nachsicht’. Wir unterstellen dem Sprecher nicht, zu beabsichtigen auf das zu referieren, was jeweils den deskriptiven Referenzfixierern bei der Einführung des Terms am besten entspricht, oder die größtmögliche ” Menge von Überzeugungen des Sprechers wahr macht“ ([Put75d] S. 56). Wie wir soeben gesehen haben könnte das in Konflikt treten mit der von Putnam konstatierten Rolle der Umwelt, aber ebenso zu Absurditäten etwa bei Benutzung von Eigennamen führen. Nach dieser Auffassung wäre etwa in Kripkes Szenario, in dem Gödel nicht den Unvollständigkeitssatz bewiesen hat, sondern Schmid, der Satz Gödel bewies den Unvollständigkeitssatz“ wahr, da ” Gödel“ hier auf Schmid referiert, indem der Referent Schmid die meisten der ” (falschen) Überzeugungen, die der Sprecher über Gödel hat, bewahrheitet. Darüber hinaus könnte es zu Inkonsistenzen mit der Theorie der sprachlichen Arbeitsteilung führen, da sich die Überzeugungen des Sprechers durchaus von denjenigen, die etwa Fachkundige in einer Sprechergemeinschaft haben, unterscheidet. Die Sprecherintention, im Sinne dessen worauf sich der ” Sprecher beziehen will“ ist in diesem Sinne auf die Sprachgemeinschaft ausgerichtet, und nicht solipsistisch“. ” Mit dem vorliegenden Ansatz geben wir vielmehr dem Experten, dem Sprecher, einen Vertrauensvorschuss und unterstellen ihm, er würde vernünf” tige Modifikationen seiner Beschreibung akzeptieren“ ([Put75d] S. 56). Es stellt sich natürlich sofort die Frage nach Grenzen dessen, was Putnam als vernünftige Modifikationen“ bezeichnet. Etwa im Zusammenhang mit ana” chronistischen wissenschaftlichen Termini, wie Phlogiston“ scheinen diese ” überschritten worden zu sein. Wir setzen uns mit dieser Problematik und den Zusammenhang des Prinzips des Vertrauensvorschuss’ und dessen was Putnam mit Shapere als trans-theoretische Termini“ bezeichnet im Abschnitt ” 4.4.1 kritisch auseinander. Wie oben festgestellt wurde, wissen wir oft nicht über die wirkliche Beschaffenheit dessen, was wir mit unseren Wörtern bezeichnen. Vielfach sind uns diverse paradigmatische Fälle zugänglich, manchmal gehen wir von einer Gruppe von Phänomenen aus und unterstellen etwas, das wir dafür ver” antwortlich“ machen. Im Laufe unserer wissenschaftlichen Untersuchungen finden wir (zumindest sofern wir an einem wie auch immer gearteten Begriff der Konvergenz oder eines Fortschritts der Wissenschaften in qualitativer Hinsicht festhalten) mehr über das, was wir zu bezeichnen beabsichtigen, heraus. Nicht nur ist der gewöhnliche Sprecher mit dem Prinzip der sprachlichen Arbeitsteilung nicht genötigt, in diesem Sinne allwissend zu sein, dass er den Mechanismus der Referenz dieses Terminus explizit oder auch nur ” 36 implizit“ zu kennen genötigt ist. Auch der Experte muss das nicht.80 2.7 2.7.1 Stereotypen und Marker Stereotypen Wir haben oben festgestellt, dass Putnam mit Hilfe der sprachlichen Arbeitsteilung die epistemische Last vom einzelnen Sprecher nimmt und auf Experten verteilt. Damit stellt sich natürlich die Frage, was denn dann ein Sprecher wissen sollte, so dass man ihm zuschreiben kann, dass er auf den richtigen Gegenstand referiert. Denn es ist keineswegs ausreichend, bspw. im Falle von Tiger“ zu wissen, dass solche jeweils ausgedehnte Körper darstellen (vgl. ” [Put75e] S. 64), denn der Sprecher könnte dann je eine enorme Klasse an Fehlklassifizierungen vornehmen81 , bzw. besitzt er kein hinreichende Identifikationskriterium zumindest für einen Großteil der auftretenden Fälle82 . Putnam stellt nun fest, dass es für NKTs jeweils eine Menge zugehöriger Stereotypen gibt. Es gibt im Normalfall eine Vielzahl solcher Stereotypen, das heißt man kann in der Regel nicht einen als den korrekten auszeichnen. Ebenso sind Stereotypen von einer gewissen Unschärfe gekennzeichnet. Dabei sind Stereotypen nothing but standardized sets of beliefs or idealized ” beliefs associated with terms“. Putnam fragt sich dazu zunächst, was sich ein Sprecher bei einem Lernprozess aneignen müsste, so dass man davon ausgehen könnte, dass er ein Wort wie Tiger“ erworben hat.83 Im Sinne Wittgensteins könnte man auch ” fragen, was es braucht damit der Sprecher die Rolle des Wortes im Sprachspiel versteht, und damit den Witz“ desselben durchschaut. Hierfür führt ” 80 Putnam führt in diesem Zusammenhang auch ein Prinzip der vernünftigen Unwissenheit ein, das uns verbietet anzunehmen, dass irgendwelche Sprecher philosophisch ” allwissend sind“ ([Put75d] S. 59) Es ist jedoch nicht klar, inwiefern dieses eine Aussage trifft, die nicht bereits im Rahmen der linguistischen Arbeitsteilung bzw. des Prinzips des Vertrauensvorschuss getroffen wurde. Wir haben bereits betont, dass Putnams Prinzip des Vertrauensvorschuss auf dem Prinzip der linguistischen Arbeitsteilung, als auch auf dem Prinzip der Indexikalität aufsetzt. Auch Putnam betont dies: Es sollte beachtet werden, ” dass das Prinzip Vertrauensvorschuss mit seinem Hintergrund stets in Verbindung mit dem Prinzip der vernünftigen Unwissenheit arbeitet.“ ([Put75d] S. 62) 81 Falls er eben diesen Satz im Sinne einer Identität liest 82 So dass er etwa unentschieden ist, ob ein Schneeball als Tiger“ zu klassifizieren wäre ” (vgl. [Put75e] S. 66) 83 Putnam spricht hier vom Erwerben“ von Wörtern (vgl. [Put75e] S. 65) im Gegensatz ” zum Erlernen einer Bedeutung“, da es sich im zweiten Fall so anhöre, als ob man so etwas ” wie den Begriff erwerben würde. Der Begriff jedoch impliziert nicht die Bedeutung, wie schon aufgezeigt wurde. 37 Putnam zwei Kriterium auf: (i) die Anerkennung des Sprachkollektivs seines Wortgebrauchs. Jemand, der sich bei Schneebällen nicht sicher ist, ob diese nicht auch zu den Tigern zu zählen sind, wird eine solche nicht zu erwarten haben. Die zweite Forderung ist komplizierter und besagt, dass (ii) seine [die des Sprechers] Stellung in der Welt und in seiner Sprachgemeinschaft insgesamt so ist, dass die sozial bestimmte Extension des Wortes Tiger“ in seinem Idiolekt die Menge aller ” Tiger ist. ([Put75e] S.65) Die Frage ist nun, wie dieses Kriterium inhaltlich zu füllen ist. Zunächst ist unter Stellung in der Welt“ zu verstehen, dass die paradigmatischen Fälle, ” denen sein Sprachkollektiv bei der Ausprägung des in Frage kommenden NKTs ausgesetzt war die Extension der NKTs im Sinne der oben angeführten Indexikalität von NKTs für ihn vorgeben. Ein Bewohner der Zwerde referiert mit seiner Verwendung des Wortes Wasser“ eben gerade nicht auf hiesiges ” Wasser, sondern auf Zwasser . Nun ist die Frage, wie viel an Grundwissen84 bzw. welches Mindestmaß ” an Kompetenz“ ([Put75e] S.66) der jeweilige Sprecher von sich aus mitbringen muss, dass die sozial bestimmte Extension des Wortes Tiger“ in seinem ” ” Idiolekt die Menge aller Tiger ist“, die ja, wie wir mit Hilfe des Begriffs der sprachlichen Arbeitsteilung gesehen haben, über die Experten letztlich bestimmt wird. Das heißt, dass diese sozial bestimmte Extension in seinem ” Idiolekt“ nicht einfach die Extension in seinem Idiolekt bedeuten kann, wie bspw. in Putnams Idiolekt, wie er zu gibt, die Extension von Buche“ Buchen ” und Ulmen umfasst. Welche Grundkompetenz ein Sprecher in semantischer Hinsicht mitbringen muss, unterscheidet sich von Ausdruck zu Ausdruck und von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft: etwa ist es vom Sprecher in mitteleuropäischen Breiten gewöhnlich nicht gefordert Buchen und Ulmen unterscheiden zu können, bei Sprachkollektiven, die mehr im Einklang mit der Natur leben, mag es bei NKTs Bäume betreffend ganz anders sein. Dafür erwarten wir von Sprechern etwa Tiger von Leoparden unterscheiden zu können. Allgemein gesprochen handelt es sich um konventionale und möglicherweise ” unzutreffende Meinungen“. 84 Putnam kritisiert an Kripke u.A. in seiner kausalen Theorie der Namen diesen Punkt vernachlässigt zu haben: Solange man nicht einige, den Träger des Namens betreffende ” Überzeugungen hat, die wahr oder annähernd wahr sind, ist es bestenfalls müßig, zu meinen, dass der Name in seinem Idiolekt auf diesen Träger referiert“ ([Put73c] S.36). Im Sinne Putnams bietet sich an dieses Defizit mit Hilfe von Stereotypen abzudecken, wie z.B. Aristoteles war ein antiker Philosoph.“ ” 38 Es wird also von Sprechern das Teilen von gemeinsamen Stereotypen erwartet, die oft auch die Grundlage von Lernvorgängen bilden. Das heißt, auf die Frage Was ist ein Tiger“ wird gewöhnlich mit der Angabe eines Ste” reotyps geantwortet. Die Stereotypen bilden somit so etwas wie den kleinsten gemeinsamen Nenner85 eines Sprachkollektivs86 , sie sind obligatorisch“ ” ([Put75e] S. 70 und S. 71) beim Erlernen und Benutzen der jeweiligen NKTs . Damit wird at least an approximation to the normal use“ erreicht. ” Das macht es unter Anderem auch möglich, sich Wörter anzueignen, ohne dass man je durch ostensive Definitionen auf die Extension hingewiesen wurde. Es ist einem europäischen Kind auch möglich das Wort Tiger“ zu ” erwerben, ohne je in einem Zoo gewesen zu sein. Es kann sich den Stereotyp über Zeichnungen in Bilderbüchern, oder über Erzählungen der Eltern oder anderer Kinder angeeignet haben. Es gilt dann mit Putnam bereits als kompetente Benutzerin des Wortes Tiger“. Dass bei deutschen Großstadt” kindern der Stereotyp einer Kuh lila ist, bleibt mit Putnam noch jeweils im Toleranzbereich, da Stereotypen von Mensch zu Mensch Schwankungen ausgesetzt sind.87 Die Schilderungen Putnams lassen damit darauf schließen, dass Stereotypen selbst in einer Familienähnlichkeit zueinander stehen.88 Die beiden genannten Aspekte für das Kriterium (ii) fasst Putnam in [Put70] noch unter der Bezeichnung core facts“ (S. 148) zusammen. Den ” Ausdruck gibt er in [Put75e] auf, da es sich beim Stereotypen gerade nicht um faktisches Wissen handeln muss (vgl. die lila Kuh)89 . Stereotypen sind ein elementares Konstituens von Sprachgebrauch. Language is not only used to ” verify and falsify and classify; it is also used to discuss. The existence of standardized stereotypes [. . . ] is a necessity for discussion, not for classification.“ ([Put78b] S. 116) 85 Das schließt nicht aus, dass es sich bei den Stereotypen eines Terms um eine im hohen Maße heterogene Menge handeln kann. Der Stereotyp von Sprecher zu Sprecher abweichen. 86 Z.B. heißt es in [Put75e]: die Eigenschaft des Gestreiftseins taucht in allen normalen ” Idiolekten auf (abgesehen von gestaltpsychologischen Feinheiten [. . . ])“ (S. 71). 87 Vergleiche hierzu Putnams Beispiel der blauen Zitronen in [Put70] S. 148. 88 Dieses Phänomen kann man auch bei Übersetzungen feststellen, so spricht Putnam in [Put88], dass wahrnehmungsbezogene Prototype[n]“ bei Übersetzungen jeweils hinrei” ” chend ähnlich sein sollen“ (S.71). Der Begriff der Familienähnlichkeit taucht in Putnams Veröffentlichungen an verschiedenen Stellen auf (bspw. in [Put92c] S.43). 89 Hier heißt es zusammenfassend: (1) The core facts are the stereotype and the exten” sion. (2) Nothing normally need be said about the extension, however, since the hearer knows that he can always consult an expert if any question comes up.“ (S. 151) 39 2.7.2 Semantische und syntaktische Marker Ein typischer Stereotyp für Tiger“ wäre etwa mit Tiger sind Tiere mit gel” ” ben Streifen auf schwarzem Untergrund“ gegeben. Putnam stellt hier Prädikationen mit verschiedenen Graden an Zentralität fest. So ist die Aussage Alle Tiger sind Tiere“ wesentlich zentraler und qualitativ weniger revidier” bar als die Aussage Alle Tiger haben Streifen.“, wenn sie auch beide nicht ” als analytisch zu werten sind.90 Solch wichtige und weitverbreitete Klassifi” kationssystem[e]“ nennt Putnam mit Katz und Fodor91 semantische Marker. Wie zu erwarten ist, distanziert sich Putnam von Katz und Fodor insofern, als es für ihn im Allgemeinen keine Möglichkeit gibt, den semantischen Marker in solcher Art zu erweitern, dass ein notwendiges und hinreichendes Kriterium zur Extensionsklassifikation gegeben wäre92 . Ebenso führt Putnam den Begriff des syntaktischen Markers ein, die Klassifizierungen bzgl. der Rolle, die ein Wort in der Syntax einer Sprache anzeigt: so z.B. Substantiv, Verb, etc. 2.8 Der Bedeutungsvektor, Gebrauch und der Sprachspielinternalismus Abschließend stellt sich schließlich die Frage, was denn nun für Putnam Be” deutung“ ist. Wir haben bereits die nötige Terminologie eingeführt um die Frage zu beantworten. In Putnams Bild - er lehnt ausdrücklich den Versuch eine Theorie zu konstruieren ab - der Bedeutung, ergibt sich diese als ein Vektor bestehend aus den semantischen und syntaktischen Markern, dem Stereotyp und der Extension. So ergibt sich beispielsweise für Wasser: syntaktische Marker: Kontinuativum, konkret, semantische Marker: natürliche Art, Flüssigkeit, Stereotyp: farblos, durchsichtig, ohne Geschmack, durstlöschend, etc., Extension: H2 O (mit oder ohne Beimengungen). ([Put75e] S. 94) Wenn auch die Extension einen essentiellen Bestandteil der Bedeutung darstellt, so ist es weder necessary to know the inner constitution of a natural ” 90 Wir werden das weiter unten genauer diskutieren. Vgl. zum Begriff der Analytizität etwa [Put62b], [Put62a] und aus der späteren Phase [Put94d]. 91 in [KF63]. Vergleiche zu Putnams kritischer Auseinandersetzung mit Katz u.A. [Put70] S.144ff , sowie zu Fodor u.A. [Put88] Kapitel 3, [Put92c] Kapitel 3 92 Wie dies Katz und Fodor mit Hilfe des Begriffes des Distinktors“ machen. Die beiden ” stehen in dieser Hinsicht in der Tradition des oben geschilderten deskriptionalen Ansatzes. 40 kind to introduce the word into language in the first place“ ([Gay06] S. 110). Dies geschieht bei NKTs gewöhnlich durch ostensive Definition.93 Auch ist es für den erfolgreichen Gebrauch eines NKTs nicht notwendig, die innere Struktur zu wissen. Für Kommunikationsprozesse und damit für das Verstehen von Sprache sind die ersten drei Argumente des Bedeutungs-Vektors ausschlaggebend. In diesem Sinne kann Putnam betonen, that reference and ” truth have less to do with understanding language than philosophers have tended to assume“ ([Put78b] S. 99). Die vektorielle Konzeption von Bedeutung zeigt mit Juliet Floyd that we should stop trying to conceive of them ” [Bedeutungen] as objects“ ([Flo05] S. 25), dann kommt es erst gar nicht zu verwirrenden Fragen wie Where then are they [Bedeutungen] (if not in the ” head )?“. Für alle Komponenten des Bedeutungsvektors gilt, dass eine Änderung zu einer Änderung der Bedeutung führen kann. Wir haben in Abschnitt 2.7.1 sowohl auf eine Heterogenität als auch auf eine gewisse Flexibilität der Stereotypen hingewiesen. Dennoch betont Putnam, dass if our stereotype of ” a tiger ever changes, then the word ‘tiger’ will have changed its meaning“ ([Put70] S. 148). Ebenso gilt für semantische Marker, dass if we stopped ” using ‘gold’ as the name of a metal, or used it to name a different metal, would the primary meaning change“ ([Put65a] S.128).94 Was gilt nun für das Verhältnis von Bedeutung und Extension in dieser Konzeption? Dieser Vorschlag läuft darauf hinaus, dass wir [. . . ] bei” behalten: Bedeutung bestimmt Extension - per constructionem sozusagen“ ([Put75e] S.95) Dies widerspricht keineswegs Aussagen wie Meaning does ” not determine extension, in the sense that given meaning and a list of all the ‘properties’ of a thing [. . . ] one can simply read off whether the thing is a lemon [. . . ].“ ([Put70] S.142) Putnam fasst das an anderer Stelle noch einmal folgendermaßen zusammen: In my view, reference is fixed by meaning only ” in the sense of being a component of meaning, but not in the sense that meaning is a mechanism for fixing reference.“ ([Put78b] S. 115)95 93 Dies ist ein wichtiger Unterschied zu theoretischen wissenschaftlichen Termini, der uns etwa in Abschnitt 4.4.1 noch beschäftigen wird. 94 Putnam hat sich nicht diesbezüglich zu Veränderungen der syntaktischen Marker ausgesprochen. Es ist jedoch anzunehmen, dass er der unproblematischen Überlegung zustimmen würde, dass das Wort Tiger“ seiner Bedeutung verändert hat, sobald es etwa ” als Verbum gilt. 95 vgl. auch: Meaning indeed determines extension; but only because extension (fixed ” by some test or other) is, in some cases, ‘part of the meaning’.“ ([Put70] S.151) 41 Kapitel 3 Referenz und Notwendigkeit 3.1 Kripke und Notwendigkeit In Name und Notwendigkeit“ veröffentlichte Kripke einschneidende und fol” genschwere Betrachtungen zum Begriff der Notwendigkeit. Putnams Überlegungen schließen in vielerlei Hinsicht dort an und verfeinern diese. Wir wollen zunächst einige grundlegende Begriffe einführen. 3.1.1 Grundlegende Begriffe Welt gilt und was nicht mehr. Etwa stellt sich die Frage, ob eine mögliche Welt noch gegeben wäre, in der dieser Stuhl (ich zeige auf einen Stuhl vor mir) aus keinem derjenigen Moleküle bestünde, aus der er hier und jetzt besteht, oder in der Nixon ein Roboter wäre.1 Mit Kripke wäre dies nicht der Fall. Es stellt sich in einer solch materialistischen Betrachtungsweise die Frage, wie viele Moleküle man abziehen oder austauschen kann, um noch vom selben Gegenstand in einer möglichen Welt zu sprechen.2 Kripke verweist hier auf den vagen Begriff einer Evidenz, die sich durch die Intuition des Philosophen einstellt.3 Diese Betrachtungsweise ist selbstverständlich unbefriedigend. So unterliegt sie einem Anthropozentrismus. Es ist allerdings nicht verständlich, warum Begriffe wie Möglichkeit und Notwendigkeit einen anthropozentrischen Charakter haben sollten. Ebenso ist die Intuition verschiedener Philosophen diesbezüglich unterschiedlich, was dazu führt, dass diese Begriffe einem gewissen Relativismus unterliegen. Die Frage danach, was noch als mögliche Welt gilt, bzw. nach der Erreichbarkeitsrelation, die oft zu diesem Zweck eingeführt wird, verweist demnach auf einen minimalen Essentialismus seitens Kripkes.4 Wird der Begriff der Möglichkeit in Kripke mit Hilfe der Stipulierung von kontrafaktischen Situationen eingeführt, unter Berücksichtigung des oben konstatierten minimalen Essentialismus, so ist dennoch nicht ganz klar, inwiefern sich Möglichkeiten von bloßen Denkbarkeiten5 unterscheiden. Einen Unterschied gibt es, denn [e]s könnte natürlich eine Frage sein, ob eine solche ” Welt möglich ist“ ([Kri81] S. 54). Modale Begriffe werden von Kripke oft durch die Semantik der möglichen Welten motiviert. Mögliche Welten werden über kontrafaktische Beschreibungen festgelegt. Sie sind deshalb nicht phantomhafte Duplikate der ‘Welt’“ ” ([Kri81] S. 28) und werden als solche nicht durch starke Fernrohre entdeckt“ ” ([Kri81] S. 54), sondern sind lediglich ein möglicher Zustand (oder Geschich” te) der Welt“ ([Kri81] S. 23), sie sind gegeben durch die deskriptiven Bedin” gungen, die wir mit [ihnen] verbinden.“ ([Kri81] S. 54) Wenn auch mögliche Welten ‘vollständige Weisen, wie die Welt hätte sein können’ oder Zustände ” oder Geschichten der gesamten Welt“ ([Kri81] S. 26) beschreiben, so muss der vollständige kontrafaktische Verlauf von Ereignissen in der Praxis nicht ” beschrieben“ ([Kri81] S. 27) werden. Die kontrafaktischen Angaben, die zur Beschreibung einer möglichen Welt ausreichen kommen in diesem Sinne einer Es ist möglich, dass . . .“ ([Kri81] S. 23) Formulierung gleich. Das heißt, dass ” ausgehend von der aktualen Welt, also unserer wirklichen Welt, bestimmte Prädikationen, wie etwa Nixon war der Präsident der Vereinigten Staaten“, ” verändert werden. Eine mögliche Welt wäre demnach eine solche, in der Nixon nicht Präsident der Vereinigten Staaten war (aber etwa Schauspieler). Es ist hierbei ein gewisser intuitiver“ Toleranzspielraum und eine gewis” ” se Vagheit“ ([Kri81] S. 62) dahingehend zu beachten, was noch als mögliche Gegeben, er ist in Wirklichkeit ein Mensch. Der Leser sieht sich an Hobbes’ bekanntes Problem des Schiff des Theseus und das damit verbundene Problem der Transitivität der Identitätsrelation erinnert (vgl. De Cor” pore“ Teil 2 Kap. 11). Dieses Problem wird reaktualisiert von Chandler in seiner Kritik der direkten Theorie der Referenz in [Cha75] und detailliert besprochen von Salmon in [Sal81] (Appendix I). 3 Wenn jemand denkt, dass die Vorstellung einer notwendigen oder kontingenten Ei” genschaft [. . . ] eine Vorstellung von Philosophen ist, die keinen intuitiven Gehalt hat, dann irrt er sich.“ ([Kri81] S. 52) Kripke versucht sich auch an so etwas wie einen Be” weis“ ([Kri81] S. 131) für die essentialistische These Wenn ein materieller Gegenstand aus ” einem bestimmten Stück Materie entstanden ist, dann hätte er aus keiner anderen Materie entstehen können.“ Salmon zeigt, dass dies nicht ohne essentialistische Voraussetzungen möglich ist und verweist auf eine Unterredung mit Kripke, in der dieser zusichert, dass it ” was probably not part of his intention [. . . ] to derive a nontrivial version of essentialism without relying on anything essentialist beyond the theory of direct reference.“ ([Sal81] S. 214) 4 Salmon in [Sal81] zeigt, dass dieser nicht aus der Theorie der direkten Referenz abgeleitet werden kann, sondern unabhängig davon angenommen wird. 5 engl. concievableness“ Vgl. auch die Diskussion in [Put90a] S. 55ff. ” 42 43 1 2 Oben angeführte Schwierigkeiten bzw. Unklarheiten erbt der Begriff der Notwendigkeit, der in folgender Art und Weise mit Rekurs auf mögliche Welten eingeführt wird. Eine Aussage ist notwendig wahr, falls sie in allen möglichen Welten wahr ist. Ein Sachverhalt ist möglich, wenn er in mindestens einer möglichen Welt gilt. Ein weiterer grundlegender Begriff ist der des starren Bezeichners“ 6 . Ein ” solcher ist gegeben, wenn ein Ausdruck in jeder möglichen Welt denselben Gegenstand bezeichnet, sofern dieser in der jeweiligen Welt existiert.7 Für Kripke sind Eigennamen starre Bezeichner. Auch diese Einsicht beruht auf einer Intuition8 und wird nicht weiter diskutiert. Kripke macht nachdrücklich darauf aufmerksam, dass die modalen Begriffe der Möglichkeit und der Notwendigkeit säuberlich von epistemischen Begriffen getrennt werden müssen, denn der Begriff, um den es mir hier ” geht, ist nicht ein Begriff der Erkenntnistheorie, sondern der Metaphysik“ ([Kri81] S. 45). Insbesondere besteht keine Synonymie zwischen Apriorität und Notwendigkeit, d.h. der apriorische Erkenntniswert einer Aussage und deren Notwendigkeit sind nicht gleichbedeutend. Kripke behauptet sogar, dass diese nicht koextensiv sind. So gibt es seiner Meinung nach Aussagen, wie z.B. Der Urmeter in Paris ist einen Meter lang.“, die entgegen herkömm” licher Meinung nicht notwendig sind.9 Auch mag es Aussagen geben, die notwendig sind, sich aber prinzipiell unserer Erkenntnis entziehen, so etwa bestimmte mathematische Thesen, wie das letzte Fermatsche Theorem oder die Goldbachsche Vermutung (vgl. [Kri81] S. 46f). 3.1.2 Kripkes Provokation: notwendige Aussagen a posteriori Kripkes scharfe begriffliche Trennung von Epistemologie und Modalität macht sich semantisch darin bemerkbar, dass weder das Begriffspaar a priori - not” wendig“ noch das Begriffspaar a posteriori - kontingent“ synonym sind. Man ” 6 engl. rigid designator“ ” Kripke führt darüber hinaus auch auf starke Weise starr“ bezeichnende Ausdrücke ” ein, die sich auf notwendig existierende Gegenstände beziehen (vgl. [Kri81] S. 59). Es fragt sich sogleich, ob es solche gibt und welche es denn wären. Kripke geht hierauf nicht weiter ein. 8 Kripke bezeichnet sie als intuitive These“ (vgl. [Kri81] S.59) ” 9 Mit Wittgenstein ist der Stab weder 1m lang, noch nicht einen Meter lang, da er als Maßstab selbst die conditio sine qua non des Sprachspiels des Meter-Messens ist (vgl. [Wit84] §50, S. 268/269). Kripke geht jedoch davon aus, dass Wittgenstein hier irrt, und dass in der aktualen Welt der Stab einen Meter lang ist (vgl. auch Fußnote 51 auf Seite 26). 7 44 könnte nun trotzdem annehmen, dass in beiden Fälle jeweils gilt, dass das eine Prädikat jeweils das andere impliziert im Sinne A ist a priori → A ist notwendig , A ist notwendig → A ist a priori , A ist a posteriori → A ist kontingent , A ist kontingent → A ist a posteriori. (3.1) (3.2) (3.3) (3.4) Doch auch dies ist laut Kripke nicht der Fall. In beiden Fällen herrscht nicht bloß keine Koextensionalität, sondern alle vier angeführten Implikationen sind im Allgemeinen falsch und können durch Gegenbeispiele falsifiziert werden. Es seien folgende Beispielsätze angeführt:10 Der Urmeter in Paris ist nicht notwendigerweise einen Meter lang.“ (3.5) ” Wasser ist notwendigerweise H2 O.“ (3.6) ” Hesperus ist notwendigerweise Phosphorus.“ (3.7) ” Es gilt: Satz (3.5) falsifiziert (3.1) und (3.4), Sätze (3.6) und (3.7) falsifizieren (3.2) und (3.3).11 Kripke ist folglich in [Kri81] darum bemüht die Validität von Aussagen (3.5), (3.6) und (3.7) aufzuzeigen. Da sich Putnam hauptsächlich mit Aussagen der Art (3.6) beschäftigt, sind wir an dieser Stelle darum bemüht, Kripkes Argumentation bzgl. der Notwendigkeit der Wahrheit von Aussagen aposteriorischen Charakters aufzuzeigen. Singuläre Identitätsaussagen Zunächst demonstriert Kripke die Notwendigkeit von Identitätsaussagen wie (3.7), die Eigennamen beinhalten. Es wird folgendermaßen argumentiert: Hesperus“ und Phosphorus“ sind Eigennamen und dadurch starre Bezeich” ” ner. Als solche bezeichnen sie in jeder möglichen Welt ein und denselben Gegenstand, sofern dieser existiert (wir nennen diesen Gegenstand auch Ve” nus“). Eine notwendige Aussage ist in jeder möglichen Welt wahr. Es sei also eine beliebige mögliche Welt W⋆ gegeben, in welcher der durch Phosphorus“ bezeichnete Gegenstand refW⋆ ( Phosphorus“) und der durch ” ” Hesperus“ bezeichnete Gegenstand refW⋆ ( Hesperus“) existieren. Nun wis” ” sen wir, dass aufgrund der starren Bezeichnung gilt: refW⋆ ( Phosphorus“) = refWa ( Phosphorus“) und ” ” refW⋆ ( Hesperus“) = refWa ( Hesperus“) ” ” 10 11 (3.8) (3.9) Vgl. für (3.5) [Kri81] S.65ff, (3.6) [Kri81] S. 147 und (3.7) [Kri81] S. 127. Offensichtlich gelten ebenso die Äquivalenzen: (3.1) ↔ (3.4), sowie (3.2) ↔ (3.3). 45 Ebenso gilt, wie uns die Wissenschaft versichert: refWa ( Phosphorus“) = refWa ( Hesperus“) ” ” Nun gilt mit (3.8), (3.9) und (3.10), dass (3.10) refW⋆ ( Phosphorus“) = refW⋆ ( Hesperus“) ” ” Zusammenfassend wurden im Beweis folgende Argumente benutzt: (3.11) MWS der mit Hilfe der Semantik der möglichen Welten definierte Begriff der Notwendigkeit; SB die These, dass Eigennamen starre Bezeichner darstellen; WR die Wahrheit der wissenschaftlichen Aussage, dass Hesperus identisch mit Phosphorus ist. Ein wissenschaftlicher Anti-Realist wird von WR wenig beeindruckt sein. Dieser würde den Sachverhalt folgendermaßen formulieren: Falls Phosphorus identisch ist mit Hesperus, so ist diese Identität notwendigerweise. Dies ändert jedoch nichts an Kripkes radikaler These, dass es notwendige Aussagen a posteriori gibt.12 Denn auch der Skeptiker muss zugestehen, dass entweder die Aussage Phosphorus ist identisch mit Hesperus“ oder deren Negation ” in der aktualen Welt gilt. Damit ist diese jedoch mit obiger Argumentation notwendig wahr, unabhängig davon, ob wir darum wissen (können) oder nicht. Für die Aussage (3.6) kann man unter Beibehaltung von MWS und WR analog argumentieren, falls man den Begriff der starren Bezeichnung in an” gemessener Weise“ auf NKTs erweitert.13 Allgemeinerer Rahmen In seiner dritten Vorlesung in [Kri81] verlässt Kripke das Terrain der Eigennamen und betrachtet Identitätsaussagen mit NKTs und Substanzbegriffen.14 Neben (3.6) zählen Aussagen wie Gold hat Ordnungszahl 79“ 15 , Licht ist ” ” ein Photonenstrom“ 16 , Katzen sind Tiere“ 17 und Wärme ist die Bewegung ” ” von Molekülen“ 18 zu paradigmatischen Beispielen. 12 sofern obige Argumentation korrekt ist vgl. dazu weiter unten 14 vgl. [Kri81] S. 133-177. 15 vgl. u.A. [Kri81] S. 142 16 vgl. u.A. [Kri81] S. 147 17 vgl. u.A. [Kri81] S. 144 18 vgl. u.A. [Kri81] S. 150 13 46 Um ein Analogon zum Begriff der starren Bezeichnung für NKTs aufzuzeigen, entwirft Kripke in diesem Textabschnitt ein Skizze einer Theorie der Referenz von NKTs . Wir versuchen im folgenden die zerstreuten Bemerkungen dazu ein wenig zu strukturieren. Wenn Kripke behauptet: Der ” ursprüngliche Begriff von Katze ist: diese Art von Ding, wobei die Art durch paradigmatische Fälle identifiziert werden kann.“ ([Kri81] S. 141), so verweist er auf das, was Putnam die Indexikalität19 von NKTs nennt. Die Referenz von NKTs wie Katze“ wird in Bezug auf paradigmatische Fälle aus der ” Umgebung, Lebenswelt der Sprachgemeinschaft bestimmt. Dieser Umweltfaktor ist prioritär zu wissenschaftlichen Kategorisierungen bzw. Attributierungen, d.h. es ist nicht so, dass der alte Begriff des Tigers ” durch eine neue wissenschaftliche Definition ersetzt wurde“ ([Kri81] S. 139) als diese etwa als Säugetiere bestimmt wurden, so dass etwa ausgeschlossen wird, dass Reptilien, die makroskopisch unseren Tigern exakt gleichen, keine Tiger sind. Die Dependenz der Referenz von NKTs von paradigmatischen Fällen schließt diese Möglichkeit bereits vor jeglicher wissenschaftlicher Untersuchung aus. Nun behauptet Kripke, dass wenn wissenschaftliche Entdeckungen Aus” sagen darüber anstellen, was dieser Stoff ist“, so handelt es sich dabei um keine kontingenten Wahrheiten, sondern um notwendige Wahrheiten im ” strengst-möglichen Sinn“ ([Kri81] S. 143). Dies ist deshalb der Fall, weil wir, wenn wir kontrafaktische Situationen mit einem bestimmten NKT beschreiben, wir eben gerade von diesem NKT ausgehen, der gerade so beschaffen ist wie die paradigmatischen Fälle aus unserer Umgebung, denn [w]ir haben ” einen bestimmten Referenten festgelegt, für die wirkliche Welt und alle möglichen Welten“ ([Kri81] S. 151). Wir reden “wenn wir über andere mögliche Welten reden, über dieses Phänomen in der Welt“ ([Kri81] S. 149). Man beachte die Ähnlichkeit zum Begriff des starren Bezeichners, wie wir ihn oben eingeführt haben. Wenn wir über Peter in einer anderen möglichen Welt reden, so sprechen wir über gerade diesen Peter. Ebenso verhält es sich mit Begriffen wie Wasser. Die Analogie ist jedoch inhaltlich nicht ausreichend bestimmt, da es sich nun nicht mehr um singuläre Termini handelt.20 Bei physikalischen Entitäten wie Licht und Wärme kann man nicht so einfach auf paradigmatische Fälle verweisen, wie bei NKTs wie Tiger, Wasser oder Gold. Beide lösen innere Phänomene aus, zum einen visuelle Eindrücke, zum anderen Wärmeempfindungen, sind aber nicht identisch mit diesen21 , sondern referieren jeweils auf ein äußeres Phänomen“ ([Kri81] S. 147). Die ” 19 vgl. Abschnitt 2.5 Mehr dazu weiter unten. 21 Trotzdem bedeutet der Ausdruck ‘Wärme’ nicht ‘was immer Leuten diese Empfin” dungen gibt‘“ ([Kri81] S. 150) 20 47 genannten Empfindungen dienen lediglich als Identifikationshilfen, wir fixieren über sie die Referenz.22 Dennoch ist Licht bspw. nicht synonym [. . . ] ” mit ‘dasjenige, das uns den visuellen Eindruck gibt, dasjenige, das uns zum Sehen verhilft - was immer es sein mag.’“ ([Kri81] S. 149). Dies ist auch nicht notwendig der Fall, denn man kann sich eine mögliche Welt vorstellen, in der die Augen der Menschen nicht funktionieren. Wenn wir allerdings über Licht sprechen in dieser möglichen Welt, so sprechen wir über Licht das so beschaffen ist wie Licht in der aktualen Welt, da die Referenz von Licht“ gerade ” über diese Indexikalität bestimmt wird. Gerade diese Indexikalität ist es, die oben angeführte Identitätssätze notwendig macht, falls diese in unserer Welt, also der aktualen Welt wahr sind. Falls Wasser in dieser Welt H2 O ist, so ist es dies auch in jeder möglichen Welt in der Wasser existiert, gerade deswegen, weil sich die Referenz von Wasser“ über diese Indexikalität bestimmt, d.h. eben den paradigmatischen ” Beispielen von Wasser in einer bestimmten Hinsicht“ zu gleichen. ” Die bestimmte Hinsicht“ besteht nun gerade darin, dass Kripke geltend ” macht, dass NKTs bzw. wissenschaftliche Entitäten wie Wärme oder Licht über eine gemeinsame innere Struktur verfügen. Aufgabe und Leistung der Wissenschaft ist es demnach uns über diese Struktur aufzuklären. Der Nachweis der Notwendigkeit der Aussage Wasser ist H2 O“ gestaltet ” sich demnach folgendermaßen. IND Die Referenz von Wasser“ bestimmt sich indexikalisch über paradig” matische Fälle. Wenn wir kontrafaktuale Situationen beschreiben, so gehen wir von unserem Wasser aus. ISE Exemplare aus der Extension von Wasser“ haben eine gemeinsame ” innere Struktur. WR Wissenschaftliche Untersuchungen haben die innere Struktur von Wasser als H2 O identifiziert. Es sei eine beliebige mögliche Welt W⋆ gegeben, in der Wasser existiert. Für eine beliebige Stoffprobe P des W⋆ -Wasser muss nun mit MWS gezeigt werden, dass es sich dabei um H2 O handelt. Dies folgt jedoch unmittelbar aus IND zusammen mit WR. Offenbar übernehmen IND und ISE die Rolle, welche die rigiden Designatoren bei den Eigennamen übernommen haben und in dieser Hinsicht sind ” Begriffe für natürliche Arten also viel näher mit Eigennamen verwandt, als 22 150) gewöhnlich angenommen wird“ ([Kri81] S. 145).23 In diesem Sinn bemerkt Hanna, dass natural kinds [. . . ] are rigid designators, because they pick out ” the microphysical essences of the kinds themselves“ ([Han98] S.507). Bezeichnet ein starrer Designator ein und denselben Gegenstand in allen möglichen Welten24 , und wird dieser anhand der aktualen Welt fixiert, so geht man bei NKTs über den Umweg dieser mikrophysischen Wesenheiten“. Das heißt, es ” gibt keine Invarianz der Quantität der Extension, wie bei Eigennamen, sondern die einer essentiellen Qualität: bezeichnet wird alles, was diese innere Struktur hat, und diese wird in der aktualen Welt anhand paradigmatischer Fälle fixiert. Zu einer starre Bezeichnung in diesem Sinn kommt etwa bei Deskriptionen von makroskopischen Eigenschaften wie bspw. gelbes Metall“ ” von NKTs nicht.25 3.2 Putnams Argumentation in Die Bedeu” tung von ,Bedeutung’“ Im Kapitel Indexikalität und Starrheit“ in [Put75e] (S.40-47) setzt sich Put” nam ebenfalls mit aposteriorischen Identitätsaussagen bzgl. NKTs wie Was” ser ist H2 O“ auseinander. Diese Betrachtungen knüpfen in vielerlei Hinsicht an oben geschilderte Gedanken Kripkes in [Kri81] an. Es wurde oben bereits auf die begrifflich Nähe von Kripkes rigider Bezeichnung“ und Putnams ” Indexikalität“ hingewiesen. Auch Putnam bestätigt dies, indem er beide als ” zwei Seiten einer Münze“ bezeichnet ([Put75e] S.47). ” Putnams Behauptung ist analog der Kripkes formuliert mit Hilfe der Semantik der möglichen Welten: Haben wir einmal herausgefunden, dass Was” ser (in der wirklichen Welt) H2 O ist, so gilt nichts als mögliche Welt, worin Wasser nicht H2 O ist.“ ([Put75e] S.45) Die Begründung der These verläuft wie folgt: 23 Auch in diesem Sinn findet sich Kripke in der Tradition von Mill, der bzgl. genereller Termini von allgemeinen Namen spricht, nur mit dem Unterschied, dass alle allgemeinen Namen in Mill konnotativ sind, was wie soeben herausgestellt bei Kripke für NKTs nicht der Fall ist. Vgl. hierzu [Kri81] S. 146. 24 sofern dieser existiert 25 Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht solche Behauptung auch notwendige Wahrheiten darstellen, etwa dann, wenn man davon ausgeht, dass die innere Struktur makroskopische Eigenschaften vollständig determiniert (vgl. hierzu später 3.3.5). Unsere Weise des Identifizierens von Licht hat eine Referenz festgelegt.“ ([Kri81] S. ” 48 49 3.2.1 Das synchrone Argument Es sei eine mögliche Welt W2 gegeben, die zur wirklichen Welt W1 identisch ist, mit der Ausnahme, dass dort nicht die chemische Struktur H2 O, sondern XYZ existiert. Makroskopisch sei jedoch zwischen den Substanzen kein Unterschied auszumachen. Dort wird mit Wasser“ eben jene Substanz be” zeichnet. Mit Putnam ergibt sich nun aber aus der Indexikalität von NKTs , dass Wasser“ keine konstante relative Bedeutung“ haben kann, d.h. ,Was” ” ” ser’ in W1 und W2 bedeutet dasselbe; nur ist eben Wasser in W1 H2 O und in W2 XYZ“ ([Put75e] S.42). Dies folgt nicht bereits unmittelbar aus der Indexikalität im schwachen Sinn (2.9). Selbst, falls das Argument für die These Be” deutungen sind nicht im Kopf“ ausreichend ist bei einer Interpretation von Ähnlichkeit, die lediglich auf physikalische Merkmale, nicht aber auf die innere Struktur referiert26 , so muss hier im Sinne einer strengeren Indexikalität argumentiert werden, eine solche, die auf die innere Struktur einer Substanz abzielt, um zu garantieren, dass Wasser notwendigerweise H2 O ist. Mit (2.9) wird zwar ausgeschlossen, dass das nicht auf der Erde vorkommende XYZ nicht in der Extension von Wasser“ ist27 , sofern die Ähnlichkeitsbeziehung ” als Gleichheit der inneren molekularen Struktur28 aufgefasst wird, allerdings wird eine Heterogenität bezüglich der inneren Struktur der Stoffproben aus der Menge der paradigmatischen Fälle für Wasser“ so nicht ausgeschlossen. ” Eine strengere Auffassung wie bspw. (2.12) ist dazu erforderlich. In der Tat steuert Putnam auf diese Aussage zu. Putnams Ähnlichkeitsrelation, die sog. Flussidentität“, wird als Gleichheit der inneren molekularen ” Struktur festgesetzt.29 Putnam behauptet: festhalten, da wir später noch darauf kritisch zurückkommen werden: Die paradigmatischen Fälle von Wasser“ weisen typischerweise eine ” gemeinsame innere Struktur auf. (3.12) Wie kann das begründet werden? Es scheinen zunächst drei Ansätze möglich: Zum einen könnte man argumentieren, dass uns die Wissenschaften zu dieser Erkenntnis gebracht haben. Zum anderen könnte man behaupten, dass dies in der Grammatik von NKTs liegt. Schließlich kann man dies auch als regulative Idee interpretieren. Gerade im Sinne von regulativen Ideen zu argumentieren wäre für Putnam gefährlich. Stellt sich die unterstellte gemeinsame innere Struktur lediglich als eine solche heraus, so ist es außerordentlich schwierig die gewünschte Notwendigkeit zu begründen, denn was wir aus welchen Gründen auch immer als regulativen Rahmen festlegen, muss keineswegs mit der Natur der Dinge einhergehen. Es mag so durchaus sein, dass die Suche nach inneren Strukturen die Wissenschaften sehr vorangetrieben hat, dennoch impliziert dies keineswegs die Existenz eben dieser. Putnam gibt uns zunächst keine Anhaltspunkte zu dieser Art von strenger Indexikalität, doch wir wollen seine Argumentation weiter verfolgen. 3.2.2 Das diachrone Argument In Frage kommen etwa Merkmale wie der Faktor der Lichtbrechung, der Siedepunkt, etc. Wenn aber Unterschiede solcher Oberflächenmerkmale festgestellt werden, so wird das von Wissenschaftler als Index gewertet, dass es einen Unterschied bzgl. der inneren Struktur gibt. In diesem Sinne wird auch so indirekt auf die abweichende innere Struktur verwiesen. 27 Sofern nicht ausdrücklich anders festgesetzt soll immer Wasser“ gesprochen von ei” nem Bewohner von W1 sein. 28 nach gängiger Molekulartheorie aufgefasst. Diese Ergänzung wird sich später noch als wichtig herausstellen. 29 Es handelt sich im Sinne der Semantik der möglichen Welten um eine sog. Querwelt” Relation“. Hat Putnam bisher in sozusagen synchroner, bzw. horizontaler Weise im Sinne von einer weit entfernten Zwillingserde, oder einer anderen möglichen Welt argumentiert, so denkt er sich im Folgenden auch eine Situation aus, die den Bedeutungsbegriff im diachronen Sinn ausleuchten soll. So wird für ein X, das nicht die Substanz mit Nummer 79 im Periodensystem der Elemente darstellt, behauptet, dass es genauso wenig in der Extension des altgriechischen ” ,qrnsv ä ’ [liegt], auch wenn ein Grieche im Altertum X irrtümlich für Gold ä ) gehalten hätte“ ([Put75e] S.48). (oder vielmehr für qrnsv Das Argument ist, dass es in der Intention der antiken Sprecher liegt, gerade das Element zu bezeichnen, das die gleiche allgemeine verborgene ” Struktur habe wie jedes normale hiesige Goldstück“ ([Put75e] S.49). Hier führt Putnam einen Begriff der Normalität, bzw. Typikalität ein. Dies ist wohl dahingehend zu verstehen, dass die Mehrheit der paradigmatischen Fälle gerade diese allgemeine verborgene Struktur aufweisen. Der Sprecher befindet sich also in einer Rückzughaltung bzgl. seiner Klassifizierungen in der Hinsicht, dass er sich dann verbessern ließe, wenn diese bzgl. der Ähnlichkeitsbeziehung bzgl. typischer paradigmatischer Fälle scheitern würde. Es ist dabei eine epistemische Frage, inwiefern unser Wissen uns schon Aufschluss geben kann, welches die innere Struktur eines NKTs ist. Man kann 50 51 Eine zu einer beliebigen möglichen Welt gehörende Entität x ist ” genau dann Wasser, wenn sie damit, was wir in der wirklichen Welt alles Wasser“ nennen, flussidentisch ist [. . . ].“ ([Put75e] ” S.44) Putnam setzt hier offensichtlich eine Homogenität der inneren Struktur alles dessen voraus, was wir in Normalfällen“ Wasser“ nennen. Wir wollen dies ” ” 26 demnach auch davon sprechen, dass die linguistische Arbeitsteilung auf einen wissenderen Forscher in der Zukunft ausgedehnt wird und damit nicht bloß synchron bzgl. der Sprachgemeinschaft in der sich der Sprecher momentan aufhält, sondern auch diachron hinsichtlich zukünftiger Angehöriger und vor allem zukünftiger Spezialisten wirkt.30 3.3 Wir geben vielleicht so etwas wie eine operationale Definition oder ein Bündel von Eigenschaften an, doch niemals mit der Absicht, den Namen und die Kennzeichnung zu Synonymen zu machen; ” vielmehr gebrauchen wir den Namen als starren Designator“ für Dinge der Natur, die Dinge normalerweise haben, wenn sie der Kennzeichnung genügen. ([Put75e] S.52)32 Kritische Diskussion In diesem Abschnitt wollen wir auf mögliche Einwände zu sprechen kommen. Die Putnamschen und Kripkeschen These um Identitätssätze mit aposteriorischen Charakter haben eine Vielzahl von Reaktionen und kritischen Bemerkungen ausgelöst. Wir wollen auf wichtige Gedanken aus der Sekundärliteratur eingehen, aber auch unabhängig davon das Thema problematisieren. 3.3.1 und auch für Aristoteles’ Sprachgebrauch untypisch NKTs im Sinne operationaler Definitionen einzuführen. Variabilität der Extension und der Vorkommnisse Ein Einwand gegen die These, dass die Extension des NKTs Gold“, geäußert ” von Aristoteles, lediglich Fälle einschließt, welche die Periodenzahl 79 aufweisen, wäre, zu behaupten, dass dieser keineswegs zustimmen würde, dass er obige Substanz X notwendigerweise nicht mit Gold “ gemeint hat. Vielmehr ” könnte Aristoteles behaupten, dass die Extension von Gold“, geäußert zu ” seiner Zeit, alle Fälle umfasst, die typische Gold-Tests seiner Zeit bestehen. Man könnte nun sagen, dass Gold“ geäußert von Aristoteles dennoch ” dieselbe Bedeutung hat wie Gold“ geäußert von Einstein und demnach eine ” Theorie vertreten wie die oben erwähnte, von Putnam abgelehnte Konzeption, dass NKTs eine konstante relative Bedeutung aufweisen. So ist etwa mit indexikalische Ausdrücke wie ich“ eine solche Struktur gegeben. Dies ange” wandt auf NKTs widerspräche der von Putnam favorisierten These (2.10). Ebenso könnte man mit (2.10) von einem Bedeutungsbruch zwischen Aristoteles’ Gold“ und Einsteins Gold“ ausgehen. So könnte man etwa mit ” ” Kuhn argumentieren, dass die wissenschaftliche Revolution der Molekularchemie zu inkommensurablen Sprachgebräuchen vor und nach der paradigmatischen Wende geführt hat.31 Putnams Entgegnung ist ganz im Sinne der trad. Kritik der kausalen Theorie der Bedeutung an der deskriptionalen Theorie. So ist es für unseren 30 vgl. hierzu [Put73a] Kuhn argumentiert in [Kuh90a], dass für den NKT Gold“ die kausale Theorie noch ” am ehesten in Frage kommt, aber bereits mit Beispielen wie Wasser“ sich ganz erhebliche ” Mängel einstellen. Vgl. weiter unten. 31 52 Die Formulierung ist jedoch bei näherer Betrachtung etwas heimtückisch. Zugestanden, dass Aristoteles auch den NKT Gold“ im Sinne der starren Be” zeichnung gebraucht, so ist damit noch nicht entschieden, was er mit Gold“ ” starr bezeichnet. Etwa könnte seine starre Bezeichnung alle Stoffe beinhalten, die dieselbe innere Struktur aufweisen wie unser Gold und ebenso dieselbe innere Struktur aufweisen, wie X. Der Grund könnte bspw. darin zu suchen sein, dass sehr viele der paradigmatischen Fälle, und das heißt eben auch, der Stoffe, die faktisch als Gold“ bezeichnet werden, von der zeitgenössi” schen Sprachgemeinschaft Aristoteles’, eben jene innere Struktur aufweisen und demnach typisch“ sind. Diese Vorgehensweise wäre damit ganz im Sin” ne von Kriterium IND . In diesem Sinne würde dies für den Sprachgebrauch zur Zeit von Aristoteles der Homogenitäts-These (2.12) widersprechen.33 32 Die Übersetzung an dieser Stelle halte ich in vielerlei Hinsicht für suboptimal. Die Stelle lautet im Original: We may give an ‘operational definition’, or a cluster of properties, or whatever, but the intention is never to ‘make the name synonymous with the description’. Rather ‘we use the name rigidly’ to refer to whatever things share the nature that things satisfying the description normally possess. ([Put75b] S.238) Ich biete hierfür folgenden Übersetzungsvorschlag an: Wir geben vielleicht so etwas wie eine operationale Definition oder ein Bündel von Eigenschaften an, doch niemals mit der Absicht, den Namen und die ” Kennzeichnung zu Synonymen zur Beschreibung machen“; vielmehr gebrau” chen wir den Namen als starren Designator“, um solche Dinge zu bezeichnen, die von gleicher Natur sind, die auch jene Dinge normalerweise besitzen, welche die Beschreibung erfüllen. 33 Kuhn spricht etwa in [Kuh90a] davon, dass die Konzeption der starren Bezeichnung noch am ehesten kontextuell innerhalb eines wissenschaftlichen Paradigmas korrekte Anwendung findet. Inwiefern dieser Gedanke auch im Geiste von Putnams The analytic ” and the synthetic“ ([Put62a]) oder seinem internen Realismus“ steht, soll weiter unten ” diskutiert werden. 53 Paradigmen und Typikalität Die eben beschriebene Situation verweist auf das Problem, was als typische paradigmatische Beispiele zählen kann, und ob die Menge der paradigmatischen Fälle und der diesbezügliche Begriff der Typikalität“, der von Putnam ” recht beiläufig eingeführt wird, zeitlich und bzgl. der Sprechergemeinschaften und deren Lebenswelten variant sind. Hierfür ist es wichtig, zu klären, was als paradigmatischer Fall für einen NKT zählt. Man kann so den Ansatz vertreten, dass ein solcher etwa (auch) immer dann vorliegt, wenn eine Stoffprobe einen (oder alle) zu dieser Zeit verfügbaren Klassifizierungstests besteht. In diesem Sinne wäre X ein paradigmatischer Fall für Gold“ zur Zeit von Aristoteles. Dieser Ansatz ist in dem Sinn ” zirkulär, indem der Verweis auf Klassifizierungstests seinerseits auf paradigmatische Fälle zurückverweist. So gibt uns ein solcher Test zwar, modulo eines wissenschaftlichen Fallibilismus34 , Antwort auf die Frage, ob eine Stoffprobe x Gold ist. Was aber Gold ist lässt sich letzten Endes, wenn man wie Putnam die deskriptionale Theorie der Bedeutung verabschiedet hat, nur unter Verweis auf paradigmatische Fälle klären. Analog zur kausalen Theorie der Eigennamen könnte man die Menge der paradigmatischen Fälle auf diejenigen Stoffproben beschränken, welche bei einem NKT -Analogon zum Taufereignis bei Eigennamen eine Rolle spielten, etwa in dem Sinn, dass die Stoffe darunter fallen, die von einer ersten Generation von Sprachbenutzern mit dem Ausdruck Gold“ (bzw. dem Ausdruck ” für Gold in dieser Sprache) bezeichnet worden sind. Doch im Gegensatz zur gewöhnlich einmaligen Taufe bei Eigennamen35 sind Sprecher bei NKTs immer wieder zu neuen Taufen“ in dem Sinn genötigt, dass die Extension von ” NKTs nicht in einer singulären Raum-Zeit-Kontinuität gegeben ist.36 Die Extension ist dynamisch im Lebensraum einer Sprachgemeinschaft gegeben. Sprecher sind immer wieder zu neuen Klassifikationen gezwungen. Und selbst im Sinne des sehr vagen Begriffs einer ersten Generation“ gibt es gewöhn” lich nicht das Taufereignis, denn dies ist uns zum einen normalerweise nicht (mehr) zugänglich und zum anderen wäre es durchaus möglich, dass dieses im Falle von Gold“ gerade bzgl. des Stoffes X vorgenommen worden ist. ” Dies wäre unserem Sprachgefühl nach jedoch kein Grund, diesem Ereignis Priorität gegenüber anderen darauf folgenden Klassifizierungen von Gold“ ” 34 zu diesem Problemfeld weiter unten mehr. Evans zeigt in geistreichen Gedankenexperimenten wie etwa dem von Goldlöckchen“ ” in [Eva73], dass sogar bei Eigennamen eine seltsame Pluralität von Taufereignissen und damit ebenso bzgl. der Extensionsfrage in Spiel kommen kann. 36 Auch Kuhn weist in [Kuh90a] auf dieses Problem mit Hilfe seines Begriffs redubbing“ ” hin. 35 54 zu geben. Man stelle sich etwa vor, dieses erste imaginäre Taufereignis fände folgendermaßen statt: Ein Sprachbenutzer sagt vor einer Gruppe von Zeugen Dies ” ist Gold.“ und deutet dabei auf den Stoff X, der makroskopisch unserem Gold annähernd gleicht, allerdings über eine andere innere Struktur verfügt. Die nächsten Klassifizierungen werden von Menschen im Sinne der kausalen Theorie der Bedeutung jedoch zum allergrößten Teil für Stoffe mit der Periodenzahl 79 vorgenommen, obwohl diese im Sinne des kausalen Ketten Kriteriums jeweils intendieren auf dasselbe zu referieren, wie der Benutzer von dem sie den Begriff Gold“ (ausgehend von unseren initialen Taufereig” nis) erlernt haben.37 Putnams Begriff der Typikalität bzgl. der paradigmatischen Fälle scheint hier einem Majoritätskriterium gleich zu kommen. Da die Mehrheit der Dinge, die mit Gold“ bezeichnet werden, solche Dinge sind, welche die innere ” Struktur aufweisen, die Periodenzahl 79 zu besitzen, sind es gerade diese, die als typische paradigmatische Fälle zu bezeichnen sind. Aristoteles mag sich der Heterogenität der von ihm mit Gold“ bezeichneten Dinge bzgl. der ” inneren Struktur noch nicht im Klaren sein. Dennoch müsste man ihm mit Putnam unterstellen, dass er den Terminus im Sinne einer regulativen Idee benutzt, die besagt, dass die Extension von Gold“ gerade die Stoffe sind, ” die mit der großen Mehrheit der paradigmatischen Fälle die innere Struktur teilen und dass es einen solchen Großteil gibt, der gerade ein und dieselbe innere Struktur aufweist. Oder aber es entspricht der Grammatik von NKTs , dass sie auf gerade oben bestimmte Stoffe verweisen. Die Menge der paradigmatischen Fälle kann sich so durchaus quantitativ erweitern.38 Was jedoch in der Regel invariant ist, ist die durchschnittliche Verteilung bzgl. der Heterogenität der inneren Struktur etwa von Stoffen mit Periodenzahl 79 und Stoffen mit der inneren Struktur wie X. In diesem Sinne würde Aristoteles, könnte er heute an einem Experiment teilnehmen, dass ihm aufzeigen würde, dass zwischen X und dem Stoff den wir Gold bezeichnen ein empirisch feststellbarer Unterschied besteht, und dass der Großteil der Stoffe, die typischerweise als Gold“ bezeichnet wurden, gerade ” Stoffe mit Periodenzahl 79 sind, uns zustimmen, wenn wir sagen: X ist nicht ” Gold“. Zusammenfassend muss demnach, damit Putnams Schluss argumentativ gestützt wird, IND wie oben schon erwähnt, noch entsprechend im Sinne einer Typikalität der in IND berücksichtigten Paradigmen, erweitert wer37 Zemach führt ein ähnliches Gedankenexperiment in [Zem76] an (S. 124). Auch qualitativ ist eine Erweiterung möglich. So weist Kuhn darauf hin, dass etwa 1750 noch liquidity was an essential property“ ([Kuh90a] S.311). Auf die damit verbun” denen Schwierigkeiten sei später eingegangen. 38 55 den. Ein von Putnam hierzu immer wieder motiviertes Kriterium ist das der relativen Häufigkeit. IND wäre demnach folgendermaßen zu verfeinern: Quantitatives Vorkommen in W0 IND⋆ Die Referenz von Wasser“ bestimmt sich indexikalisch über paradig” matische Fälle. Die zu berücksichtigenden Fälle unterliegen einer Typikalität. Wenn wir kontrafaktische Situationen beschreiben, so gehen wir von flussidentischen Substanzen zu diesen Fällen aus. TYP Die Typikalität bestimmt sich über die relative Häufigkeit von Untergruppen der Menge der Paradigmen, die jeweils im Sinne der Flussidentität abgeschlossen sind. Als typisch bezeichnen wir solche Untermengen mit hoher Typikalität. t0 t1 Zeit FI Die Flussidentität bestimmt sich über die Gleichheit der inneren Struktur. Abbildung 3.1: Gedankenexperiment zum Verhältnis von paradigmatischen Fällen, innerer Struktur und der Frage nach der Extension: Welt W0 ISE⋆ Es gibt für NKTs jeweils eine oder eine kleine Anzahl an typischen Mengen von paradigmatischen Fällen. horizontale Achse die Zeit. Die kontinuierliche Kurve repräsentiert die einer bestimmten Sprachgruppe G bekannten Vorkommnisse von Substanzen X mit der inneren Struktur H2 O, die gestrichelte Kurve solche von Substanzen Y mit einer anderen inneren Struktur, etwa XYZ. Zum Zeitpunkt t0 sollen die initialen Taufereignisse für den Begriff Wasser“ stattfinden42 . Zum Zeit” punkt t1 macht das Sprachkollektiv G die Entdeckung, dass Substanzen X sich von Substanzen Y unterscheiden. Das heißt nicht notwendigerweise, dass man Aufschluss hat über die innere Struktur, sondern lediglich, dass man etwa über Klassifikationsverfahren verfügt, die in die Lage versetzen, empirisch Stoffproben aus X von solchen aus Y zu scheiden. In Welt W0 (Abbildung 3.1) ist das Distributionsverhältnis von Vorkommnissen von H2 O zu Vorkommnissen von XYZ in etwa konstant über den Zeitraum [t0 , . . . , t1 ]. Zum Zeitpunkt t1 und zu späteren Zeitpunkten wird man im Sprachkollektiv G mit Putnam sagen: Stoffe aus Y sind kein Wasser, ” nur solche aus X sind Wasser.“ Die Forschung, die an der inneren Struktur von Wasser interessiert ist, wird sich mit Stoffproben aus X beschäftigen. Ist man zum Zeitpunkt t1 nicht mit der inneren Struktur vertraut, so wird man aus den Oberflächenmerkmalen, die es möglich machten, X von Y zu unterscheiden, darauf schließen, dass diese eine verschiedenartige innere Struktur aufweisen. Wir kontrastieren W0 mit W1 . Auch hier ist die Distribution der beiden Substanzen in etwa konstant über den Zeitraum von t0 bis t1 und zwar in der Hinsicht, dass Vorkommnisse von X quantitativ ungefähr gleichwertig sind Die Auflockerung von Regel ISE⋆ in dem Sinne, dass es nicht zwingend notwendig ist, dass es gerade eine typische Untermenge an paradigmatischen Fällen gibt, macht sich mit NKTs wie Jade bemerkbar.39 Ganz in diesem Sinne schreibt Putnam: Wenn auf der Erde H2 O und XYZ gleich verbreitet ” wäre [. . . ]; es wäre dann korrekt zu sagen, es gäbe zwei Sorten von Wasser.“ ([Put75e] S.56) Sprachbenutzer finden sich in solchen Fällen in einer Rückzugsposition dahingehend, dass sie sich bereitwillig von einem Experten, auch von zukünftigen, in ihren Klassifikationen korrigieren lassen. Im folgenden werden wir u.A. die aufgestellten Kriterien kritisch analysieren. Weitere Problematisierung mit Beispielen Wir wollen dieses Resultat noch kritisch mit Beispielen weiter denken40 , die in Abbildungen 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 illustriert sind. Jede Abbildung findet in einer anderen Welt statt (W0 bis W3 ).41 Die vertikale Achse repräsentiert quantitatives Vorkommen von Stoffproben, die 39 Jade steht für zwei unterschiedliche chemische Substanzen: zum einen Jadeit und zum anderen Nephrit. Vgl. [Put75e] S. 56. Joseph LaPorte widmet in [LaP04] dem Thema Jade eine ausführliche Analyse (S. 92ff.). 40 Diese werden nicht zu unrecht so manchen Leser an Evans Napoleon Gedankenexperimente in [Eva73] erinnern. 41 Es spielt hierbei keine Rolle, ob es sich um mögliche Welten oder entfernte Planeten handelt. 56 42 Unsere Ausdrucksweise ist gerade auch in Hinsicht auf obige Bemerkung bzgl. der Vagheit des Begriffs einer initialen Taufe bei NKTs stark idealisierend. 57 Quantitatives Vorkommen in W1 Quantitatives Vorkommen in W2 t0 t1 Zeit Abbildung 3.2: Gedankenexperiment zum Verhältnis von paradigmatischen Fällen, innerer Struktur und der Frage nach der Extension: Welt W1 mit Vorkommnissen von Y . In solchen Fällen werden mit Putnam Sprecher aus dem Sprachkollektiv G zum Zeitpunkt t1 und später etwa eine Aussage der folgenden Art treffen: Es gibt verschiedene Sorten von Wasser mit ” verschiedenen inneren Strukturen.“ In Welt W2 zeichnet es sich historisch so ab, dass zwar zum Zeitpunkt t0 vergleichbar zur Welt W0 überverhältnismäßig viele der Stoffproben aus X stammen. Jedoch wird schon sehr kurz darauf der Lebensraum von Sprachkollektiv G mit mehr und mehr Substanzen aus Y bereichert. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass die Sprachgruppe ihre Umgebung ändert (etwa durch Völkerwanderung oder Expansion) oder dass sich die Umwelt derselben ändert. Wichtig ist hier, darauf hinzuweisen, dass erst zum Zeitpunkt t1 Sprecher aus G in der Lage sind, einen empirischen Unterschied zwischen Stoffproben aus X und solchen aus Y auszumachen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass Putnam allgemeine Rede von der Verbreitung von Substanzen auf der Erde“ zu kurz greift. Es geht eher um die Verbreitung von Substan” zen im Lebensraum eines Sprachkollektivs. Doch auch dies, für obige Beispiele noch genügend, ist für die Szenarien von Welt W2 und W3 noch zu ungenau. Scheinbar ist auch ein gewisser Zeitfaktor mit entscheidend. So wird man in Welt W2 im Sprachkollektiv vom Zeitpunkt t1 an wohl eher wie in W1 verfahren. Man wird wohl argumentieren, dass der Zeitraum, in dem das Verhältnis von Vorkommnissen von X und Vorkommnissen von Y etwa ausgewogen war, sehr prägnant ist. In Welt W3 ist man zum Zeitpunkt t1 wohl eher geneigt analog zu Welt W0 vorzugehen. Die äußerst lange Phase in der das quantitative Verhältnis von Vorkommnissen von X gegenüber Vorkommnissen von Y überproportional 58 t0 t1 Zeit Abbildung 3.3: Gedankenexperiment zum Verhältnis von paradigmatischen Fällen, innerer Struktur und der Frage nach der Extension: Welt W2 . Für den grau hinterlegten Bereich gilt, dass Sprecher aus dieser Zeit den Terminus Wasser“ mit einer anderen Extension bzw. Bedeutung verwenden (vgl. ” spätere Diskussion im Text). Quantitatives Vorkommen in W3 t0 t1 Zeit Abbildung 3.4: Gedankenexperiment zum Verhältnis von paradigmatischen Fällen, innerer Struktur und der Frage nach der Extension: Welt W3 59 ist, scheint sich hier prägend auf das künftige Sprachverhalten auszuwirken. Zusammenfassend gilt es also festzuhalten, dass Putnams Ansatz mit ähnlichen Schwierigkeiten behaftet ist, die Autoren wie Evans und Donnellan an der frühen Phase der kausalen Theorie der Eigennamen kritisierten.43 Wir sehen, dass jeweils vor dem Zeitpunkt t1 sich die Menge der paradigmatischen Fälle und die Typikalität der Untermengen ändern können, ohne dass sich die Sprecher darüber im Klaren sind. In diesem Sinne ist es auch falsch, der Taufsituation zu viel Bedeutung zuzugestehen. Wir werden später sehen, dass, wenn man einen wissenschaftlichen Fallibilismus unterstellt, sich eine ähnliche Problematik nach dem Zeitpunkt t1 ergibt. Extension und die Zukunft Wir haben gesehen, dass sich mit Putnam ein hinreichendes Kriterium für die korrekte Klassifikation der Extension von NKTs wie Wasser“ mit Hil” fe der Expertise der zukünftigen Wissenschaftler einstellt. So verfügt etwa Aristoteles noch nicht über das Wissen von der inneren Struktur von Gold und führt so sehr wahrscheinlich Fehlklassifikationen durch. Wie wir gesehen haben, unterstellt ihm Putnams Konzeption allerdings eine Rückzughaltung gegenüber der fortgeschrittenen Kenntnis zukünftiger Forschungen. Aristoteles würde z.B. zustimmen, wenn ihn ein Forscher auf eine fehlerhafte Identifikation von Narrengold als Gold hinweisen würde. Während diese Beobachtung bei konstanten Distributionsverhältnissen zunächst eher unproblematisch erscheinen mag, so kommt man in Szenarien wie z.B. illustriert in Abbildung 3.3 in Schwierigkeiten. So hat man in Welt W2 im grau hinterlegten Bereich einen wesentlich höheren Anteil an Stoffproben mit innerer Struktur H2 O. Mit Putnams Indexikalitätsbegriff, der sich, wie sich oben herausstellte, an einem Majoritätskriterium orientiert, wäre die Extension von Wasser“ für Sprecher in diesem Zeitraum alle Stoffe ” mit innerer Struktur H2 O. Durch Expansion bzw. Völkerwanderung unserer Sprachgruppe verändern sich nun die Distributionsverhältnisse in dem Sinne, dass etwa gleich viele Stoffproben mit innerer Struktur H2 O wie solche mit innerer Struktur XYZ gegeben sind. Dieses neue Verhältnis bleibt konstant bis zum Zeitpunkt, in dem es Sprechern aus G möglich ist durch chemische Analyse die inneren Strukturen auszumachen. Wir haben oben argumentiert, dass es am einleuchtendsten ist, davon auszugehen, dass man das Wort Wasser“ wohl künftig für Stoffe mit beiden inneren Strukturen ” verwenden wird. Würde sich jedoch in einer möglichen Welt Wα die Expansion bzw. die 43 vgl. hierzu u.A. [Eva73], [Don74] 60 Völkerwanderung unserer Gruppe so gestalten, dass sich die Umwelt bzgl. der Distributionsverhältnisse im grauen Bereich nichts maßgeblich verändert, so würde man zum Zeitpunkt der Entwicklung von chemischen Analysemethoden analog zur Welt W0 verfahren und den Begriff Wasser“ lediglich für ” Stoffproben mit innerer Struktur H2 O verwenden. Das soeben durchgeführte Gedankenexperiment scheint sich vor allem in zwei Punkten kritisch gegen Putnams Konzeption zu wenden. Zum einen könnte man annehmen, dass hierdurch der Notwendigkeitscharakter von Identitätsaussagen wie Wasser ist H2 O“ in Frage gestellt wird. ” So spricht nichts dagegen, dass Wα von W2 aus eine mögliche Welt darstellt. Jedoch wäre mit Putnam in W2 die Aussage Wasser tritt in zwei Sorten auf: als H2 O und als XYZ.“ ” (3.13) notwendig, während in Wα die Aussage Wasser ist H2 O.“ ” (3.14) notwendig ist. Es hängt nun aber von einer kontingenten Entwicklung ab, ob sich das Szenario in W2 oder dasjenige in Wα einstellt. Damit ist jedoch weder (3.13) noch (3.14) notwendig. Putnam könnte sich nun folgendermaßen verteidigen. Es geht bei Aussagen wie (3.13) und (3.14) gerade um Wasser in der Bedeutung und Verwendungsweise zum Zeitpunkt t1 und später, und nicht im Sinne einer Verwendungsweise einer Sprachgruppe für die die Extension durch die Indexikalität im Sinne der Distributionsverhältnisse in der Umwelt der Sprecher verschiedenartig ist. In unserem Beispiel ist dies im grau hinterlegten Bereich der Fall. Nimmt man den Sprachgebrauch zum Zeitpunkt t1 so wird durch das Majoritätskriterium in Welt Wα die Extension für Wasser dadurch vorgegeben, dass sich darin alle Stoffe mit innerer Struktur H2 O befinden. Das von Sprechern aus G benutzte Wort Wasser“ bezeichnet Stoffe aus der Exten” sion starr, d.h. in allen Welten. Dadurch ist die Aussage (3.14) geäußert in Wα von Sprechern aus unserer Gruppe wahr und notwendig. Analog verhält es sich mit Sprechern in W2 und dem Satz (3.13). Darüber hinaus stellt sich die Frage, wenn man mit einer in die Zukunft verlagerten sprachlichen Arbeitsteilung argumentiert, auf welche Zukunft sich diese richtet. Wenn man für einen beliebigen Sprecher zu einem Zeitpunkt im grauen Bereich argumentiert, dass sich die Extension seiner Verwendung des Wortes Wasser“ auf zukünftige Resultate der Forschung ” richtet, so ergibt sich eine gewisse Ambivalenz, wenn man gleichzeitig unterstellt, dass es (mind.) die zwei möglichen Entwicklungen hinsichtlich der Welten W2 und Wα gibt. Putnam wäre hier wohl gezwungen dahingehend 61 zu argumentieren, dass das Argument der sprachlichen Arbeitsteilung unter Einbeziehung der Zukunft nur dann Gültigkeit besitzt, wenn die Distributionsverhältnisse der Umwelt einer Sprechergemeinschaft in etwa konstant bleiben. Diese Argumentationsweise verweist allerdings noch auf ein anderes für Putnam unliebsames Problem. Denn die Frage, was die Extension des Wortes Wasser“, verwendet von einem Sprecher A in Welt W2 zu einem Zeitpunkt ” im grauen Bereich ist, muss nun unter Einbeziehung der Indexikalität dahingehend beantwortet werden, dass dies lediglich Stoffe mit innerer Struktur H2 O beinhaltet und damit von der Extension von Wasser“ geäußert von ” einem Sprecher B zum Zeitpunkt t1 abweicht. Das heißt insbesondere, dass Wasser“ geäußert von A nicht verlustfrei in Wasser“ für Sprecher zum Zeit” ” punkt t1 übersetzt werden kann. Wir werden im Abschnitt 3.3.4 sehen, dass mit Kuhn sich dieses Problem nicht erst in unserer fiktiven Welt W2 , sondern bereits in unserer Welt mit dem Begriff Wasser ergibt. Extension im Kontrast von Umgangssprache und Wissenschaft Diese Art von Extensionsbruch stellen Donnellan und Canfield nicht bloß in diachroner Hinsicht fest, sondern auch in synchroner bzgl. der umgangssprachlichen und der wissenschaftlichen Verwendungsweise. So schreibt Canfield: We can suppose that prior to the discovery that purified water ” consists of H2 O, no one distinguished criteria for being water from symptoms“ for being water. Against this background one ” could introduce a criterion for being water, namely that it be H2 O. Typically in such a case both uses of water“ survive side ” by side.“ ([Can83] S.126) Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass wir schon im Rahmen der sprachlichen Arbeitsteilung auf ein analoges Problem aufmerksam gemacht haben.44 3.3.2 De re versus De dicto Putnams Majoritätskriterium zur Bestimmung der Extension eines NKTs ist de re, da einzig die Distributionsverhältnisse von Vorkommnissen mit unterschiedlichen inneren Strukturen für die korrekte Benennung verantwortlich 44 Quantitatives Vorkommen in W4 t0 t1 Zeit Abbildung 3.5: Gedankenexperiment zum Verhältnis von paradigmatischen Fällen, innerer Struktur und der Frage nach der Extension: Welt W4 . sind. Autoren wie Donnellan in [Don83] und Canfield in [Can83] kritisieren dies. Das in Abbildung 3.5 illustrierte Gedankenexperiment soll dies problematisieren. Das Verhältnis von Vorkommnissen von Stoffproben mit innere Struktur H2 O und solchen mit XYZ ist konstant. Zum Zeitpunkt t0 kommt der Begriff Wasser“ in Umlauf. Zum Zeitpunkt t1 verfügt die Sprachgrup” pe über den begrifflichen Apparat und die Analysemethoden, um die innere Struktur von Stoffproben X als H2 O und von Stoffproben Y als XYZ zu bestimmen. Die Frage ist nun, ob das Sprachkollektiv den Ausdruck Wasser“ ” nun für Stoffe aus X, Stoffe aus Y oder für beide verwenden wird. In vorigen Beispielen war die Distribution der beiden Stoffe entweder etwa ausgewogen, oder sehr einseitig und die Entscheidung schien intuitiv wesentlich eingängiger zu sein als in diesem Fall. Hier scheinen die Alternativen, dass nur Stoffe aus X mit Wasser“ bezeichnet werden, aber auch jene, bei ” der beide Stoffe mit Wasser“ bezeichnet werden, gleichwertig zu sein. In der ” Entscheidung kommt ein konventionales Element zum Vorschein. 3.3.3 Die inneren Struktur und die Wissenschaft Wir wollen uns im folgenden mit einem anderen Gedankenexperiment beschäftigen, das Putnams Realismus der inneren Struktur herausfordert, wie er ihn vor allem in seinem Kapitel Seien wir Realisten“ 45 propagiert. Unser Beispiel ” ist in Abbildungen 3.6 und 3.7 illustriert. 45 [Put75e] S.48-52 vlg. Abschnitt 2.4.1 62 63 a a a αβγ H2 O innere Struktur? b c b b c c b a b Altertum Heute c XY c d d d d d 3000 3500 Abbildung 3.6: Gedankenexperiment: Paradigmenwechsel der Molekularchemie. führt zu unterschiedlichen Konzeptionen der inneren Struktur und damit zu unterschiedlichen Extensionen und paradigmatischen Beispielen. Die horizontale Achse repräsentiert die Zeit. Die vier Stationen - Altertum, Heute, Jahr 3000 und Jahr 3500 - repräsentieren jeweils einen unterschiedlichen Stand der Wissenschaft. Im Altertum war die Molekularchemie noch nicht entwickelt. Verschiedene Substanzen wie etwa Eis46 wurden hier noch nicht als Wasser“ klassifiziert. Heute geht man davon aus, dass die dem ” Wasser inhärente Struktur H2 O ist. Die Menge aller Stoffproben, die heute potentiell als Wasser“ klassifiziert werden, ist im Vergleich zum Altertum ” unterschiedlich. Die ausgefüllten Kreise in Abbildung 3.6 entsprechen den Substanzen, die im jeweiligen wissenschaftlichen Modell als Wasser“ gelten. ” Im Jahr 3000 ereignet sich nun in unserem Gedankenexperiment etwas ganz außergewöhnliches: Es stellt sich heraus, dass die Molekularchemie, so wie sie heute bekannt ist, falsch ist. Es könnte so etwa der Fall sein, dass diese lediglich approximativ richtig ist, vergleichbar der Newton’schen Elementarteilchenphysik im Zusammenhang mit der Einstein’schen Relativitätstheorie. Radikaler mag man auch annehmen, dass die Terminologie der heute gebräuchlichen Molekulartheorie in dem Sinne keinen korrespondierenden Gegenpart in der Welt hat, wie etwa Begriffe wie Phlogiston“. ” So könnte es darüber hinaus der Fall sein, dass man eine tiefere“ innere ” Struktur entdeckt, die es erlaubt, präzisere Voraussagen zu treffen und bestimmte neu entdeckte Phänomene zu erklären, die mit der herkömmlichen 46 vgl. diesbezüglich [Kuh90a] S. 311, nach dem im Altertum der flüssige Aggregatzustand als essentielle Eigenschaft von Wasser angesehen wurde. Dies wird weiter problematisiert in Abschnitt 3.3.4 64 Molekulartheorie nicht erklärt werden konnte. Die neue innere Struktur sei in der Terminologie der neuen Theorie mit Hilfe einer neuen auf griechischen Kleinbuchstaben basierenden Schreibweise als αβγ gegeben. Nun ist allerdings dieser wissenschaftliche Umschwung nicht ohne Konsequenzen für die Extension des Wortes Wasser“ von sich gegangen. So weist ” die große Mehrheit der Stoffe, die ehemals als H2 O klassifiziert wurden, auch die innere Struktur αβγ auf47 , dennoch mag es mit den neueren feineren Test gelingen, für manche Strukturen nachzuweisen, dass diese nicht die innere Struktur αβγ aufweisen, aber etwa eine andere innere Struktur, die etwa in der neueren Notation mit αβδ gegeben ist. Es seien dabei nur recht wenige Fälle, in der neuere Klassifizierungstests andere Ergebnisse liefern in Anwendung auf solche Stoffproben, die früher als H2 O klassifiziert wurden. Wären solche Vorfälle recht häufig, so würde man wohl eher davon sprechen, dass Wasser die zwei Sorten αβγ und αβδ enthält. Es soll auch manche wenige Fälle geben, in denen Stoffe, die vorher als nicht-H2 O klassifiziert worden sind, nun den αβγ-Test bestehen. Auch dies sei wieder auf den approximativen Charakter der ehemaligen Molekulartheorie zurückzuführen. Es sei erwähnt, dass dieses Gedankenexperiment eine Konvergenz-Theorie der Wissenschaften nicht ausschließt. Ein gemäßigter Realist kann das geschilderte Szenario ohne Konsistenzprobleme so auslegen, dass die neue Theorie über die innere Struktur gegenüber der Molekulartheorie, so wie sie heute gebräuchlich ist, näher an der Wahrheit ist (was auch immer das für ihn bedeuten mag). Gemäßigt ist unser Realist dann in der Hinsicht, dass er den heutigen Stand der Wissenschaft nicht als die Wahrheit“ über die Welt ” auslegt, sondern etwa lediglich als gute Approximation. Das Gedankenexperiment lässt sich nun analog weiter führen. So könnte es im Jahre 3500 wieder zu einer ähnlichen wissenschaftlichen Revolution kommen, mit ähnlichen Folgen wie oben geschildert. In Abbildung 3.7 ist ein überblickhafter Querschnitt über Extension, bzw. die paradigmatischen Fälle der jeweiligen wissenschaftlichen Begriffe, die als jeweils innere Struktur von Wasser gelten, aufgezeigt. Mit a ist dabei die noch in diesem Sinne vorwissenschaftliche Betrachtungsweise im Altertum bezeichnet. Die Bezeichnungen b, c, d orientieren sich entsprechend an Abbildung 3.6. Dieses Gedankenexperiment scheint zu zeigen, dass die oben erwähnte Rückzugsposition, die etwa Aristoteles bei der Verwendung von NKTs wie Wasser“ einnimmt, angewendet auf kontemporäre Sprecher die Notwendig” keit von Identitätsaussagen wie Wasser ist H2 O“ bedroht, wenn man nicht ” 47 Oben war ja dahingehend der approximative Erklärungscharakter der alten Theorie erwähnt worden. 65 bc d c b a c d d d ab c d 3.3.4 ab Von vielen Autoren wird Putnams Konzeption aus dem Blickwinkel auf essentielle Eigenschaften und deren Verhältnis zu sog. Oberflächeneigenschaften kritisiert.50 ab c Akzidenz, Essenz und die Varianz der Ähnlichkeitsrelation Kuhn und konkurrierende Essenzen Abbildung 3.7: Überblick über die verschiedenen Extensionen die sich abhängig von den verschiedenen inneren Strukturen in den diversen wissenschaftlichen Modellen ergeben (vgl. Abbildung 3.6). zumindest zusätzlich voraussetzt, dass Wasser tatsächlich H2 O ist (und damit WR), selbst wenn man mit Putnam die Ungültigkeit der These von der relativ konstanten Bedeutung vertritt.48 Das für Putnams Typikalität benötigte Majoritätskriterium ist in obigem Beispiel nicht bedroht, obwohl bei den jeweiligen wissenschaftlichen Revolutionen die Menge der paradigmatischen Fälle sich sozusagen jeweils an den Rändern ändert. Käme es in solchen Fällen zu einer Inhomogenität der inneren Struktur der alten paradigmatischen Fälle, in der zwei oder mehrere der neuen inneren Strukturen quantitativ einen zu großen prozentualen Anteil tragen, so würde man wohl terminologisch eher von verschiedenen Sorten sprechen. Ein weiteres Problem stellt sich dadurch ein, dass die wissenschaftliche Entwicklung auf einen infiniten Regress von Paradigmenwechseln verweist. Durch diesen ist die eigentliche Extension“ eines NKTs niemals gegeben ” und die aktuelle ist jeweils immer nur vorläufig. Einzig wenn man einen strengen wissenschaftlichen Realismus annimmt, der besagt, dass sich die Analysemethoden etwa im atomaren Bereich lediglich verfeinern49 kann man dieser Gefahr entgehen. Dann stellt sich allerdings ein anderes Problem ein, das in 3.3.4 behandelt wird. 48 Wir gehen später noch auf eine Variante ein, die bei Kuhn in [Kuh90a] auftritt und die mit einer diesem Gedankenexperiment ähnlichen Argumentation begründet wird. 49 So etwa die Entwicklung der Isotopentheorie auf die zeitgemäße Theorie der Atome folgend. Kuhn weist zunächst darauf hin, dass das, was als essentielle Merkmale von NKTs jeweils gilt, zeitlich variant sind. So gilt etwa im Jahre 1750, dass Wasser was an elementary body of which liquidity was an essential property.“ 51 ” So ergibt sich das Problem, dass selbst, wenn man die Rückzugsposition für einen Sprecher im Jahre 1750 in Kauf nimmt, so wäre eine 1-zu-1 Übersetzung nicht sinnvoll. Der Gebrauch im Jahre 1750 wies dem Wort Wasser“ ” eine völlig andere Rolle zu, als dies jetzt der Fall ist. Man sprach damals eben nur von dem, was wir heute als liquid H2 O“ ([Kuh90a] S.312) bezeichnen ” würden. Das heißt, selbst wenn man Kripkes oft zitierten Satz Der ursprüngli” che Begriff von Katze ist: diese Art von Ding“ akzeptiert, so ist damit noch nicht entschieden, was dies kriterial heißen soll. In Putnams Terminologie ist damit noch nicht ausgemacht, welches die Kriterien für die Ähnlichkeitsbedingungen sind. Dies verweist lediglich darauf, dass Stoffe in der Extension von bspw. Wasser“ hinsichtlich bestimmter essentieller Eigenschaften gleich ” sein sollen. Für Wasser war im Jahre 1750 eine dieser essentiellen Eigenschaften der flüssige Aggregatzustand. Man könnte dies so sehen, als ob Kuhn auf zusätzliche Merkmale aufmerksam macht, die mit der inneren Struktur in Konkurrenz treten. Das, was als Wasser“ im Jahre 1750 galt, bestimmte ” sich faktisch eben nicht über die innere Struktur (H2 O), sondern es tritt das notwendige Kriterium des flüssigen Aggregatzustands hinzu.52 In diesem Licht ist es daher nicht unmittelbar einleuchtend, warum ein Sprecher aus dem Jahre 1750 der Identitätsaussage Wasser ist H2 O“ zu” stimmen sollte, selbst wenn ihn ein Wissenschaftler aus unserer Zeit belehren würde über molekularchemische Zusammenhänge und ihm in Laborversuchen demonstrieren würde, dass sich die molekulare Struktur von flüssigem H2 O bei Erhitzen zu Dampf bzw. bei Gefrieren zu Eis nicht ändert. Er würde dann eher mit einem Satz Eis und Wasser haben dieselbe innere Struktur“ und ” 50 Donnellan spricht hier von ,surface’ properties“ ([Don83] S.96), Kuhn von superfi” ” cial qualitites“ ([Kuh90a] S.313). 51 [Kuh90a] S.311, Hervorhebung von mir 52 Selbst Putnams Terminus Flussidentität“ ist in dieser Hinsicht eher verwirrend. ” 66 67 Wasser ist flüssiges H2 O“ reagieren, aber an seiner Konzeption von Wasser ” als Flüssigkeit festhalten. Not until the 1780s, in an episode long known as the ,Chemical Revolution’, was the taxonomy of chemistry transformed so that a chemical species might exist in all three states of aggregation. Thereafter, the distinction between solids, liquids, and gases became physical, not chemical. ([Kuh90a] S.311) Man könnte nun motiviert sein, die Identitätsaussage so abzuändern, dass unser Sprecher aus dem Jahre 1750 zustimmen könnte Wasser ist flüssiges H2 O.“ (3.15) ” Doch mit dieser Nothilfe sieht Kuhn Putnams Konzeption für NKTs zurückschlittern in all die Probleme der deskriptionalen Theorie der Bedeutung, welche die kausale Theorie bei Eigennamen erfolgreich vermeiden konnte. For if two properties are required, why not three or four? Are we not back to the standard set of problems that causal theory was intended to resolve: which properties are essential, which accidental; which properties belong to a kind by definition, which are only contingent? [. . . ] Is deuterium hydrogen, for example, and is heavy water really water? And what may one say about a sample of close-packed particles of H2 O in rapid relative motion at the critical point [. . . ] at which the liquid, solid, and gaseous states are indistinguishable? Is it really water? ([Kuh90a] S.312) Donnellan und die Arbitrarität der inneren Struktur Donnellan führt in [Don83] ein Gedankenexperiment durch, das versucht eine Extensionsvarianz bei wissenschaftlichen Revolutionen nachzuweisen. Eine Zwillingserde sei so gestaltet, dass für alle chemischen Elemente jeweils ein Isotop den Großteil der Elemente ausmacht. Hinsichtlich der Sprache und der Wissenschaft sei jedoch die Situation auf beiden Planeten identisch. Aufgrund dieser Ausgangslage scheint es Donnellan für die Bewohner der Zwillingserde not psychologically implausible [. . . ] to be more taken with, ” so to speak, the isotope number of a bit of substance rather than with its atomic number“ ([Don83] S.100), was dazu führt, dass diese identify water ” with protium oxide and exclude what we call ‘heavy water’ - deuterium or tritium oxide.“ ([Don83] S.101)53 Das heißt aber für Donnellan, dass ausgehend von derselben sprachlichen Basis und anschließend an dieselben wissenschaftlichen Entdeckungen die Extension des Wortes Wasser“ auf beiden Planeten unterschiedlich festgelegt ” wird, je nachdem, was man als essentielles Merkmal von Wasser festlegt: die Isotopnummer oder die Atomnummer. Analog würde man auf dieser Zwillingserde als Gold“ lediglich ein be” stimmtes Isotop bezeichnen. Das Majoritätskriterium behält dabei Gültigkeit, da ein NKT jeweils gerade Stoffe deren innere Struktur gerade der Isotopnummer korrespondiert, die im Sinne der Distribution den Großteil auf der Zwillingserde ausmacht. Es stellt sich damit jedoch eine gewisse Arbitrarität bezüglich dessen, was als innere Struktur gelten soll und damit verbunden bezüglich der Frage, was paradigmatische Beispiele und typische Untermengen derselben sind, ein. Dies ist also wieder ein Fall in dem der von Putnam favorisierte ‘de re’ Charakter einem ‘de dicto’ Charakter weichen muss. Damit ist nun die Frage nach der Extension bei gleicher sprachlicher und wissenschaftlicher Ausgangslage abhängig von gewissen Dispositionen der Sprachgemeinschaft, v.a. der Wissenschaftler, welche nach einer paradigmatischen Wende die Interpretation eines neuen wissenschaftlichen Modells vornehmen. In diesem Sinne ist es nicht mehr verständlich, dass NKTs have ” the same extension before and after scientific discoveries and the mapping of those terms on to those discoveries.“ ([Don83] S.103) Eine neues wissenschaftliches Modell macht in seiner Interpretation vielfach zumindest partiell eine Abbildung von alltagssprachlichen Termini auf wissenschaftliche Klassifikationen erforderlich. Es ist gerade hier, wo Donnellan a small wobble“ ” ([Don83] S.102) lokalisiert. Wenn Donnellan hier von einer Disposition seitens der Sprecher to be ” struck more by isotopes than by element“ ([Don83] S.103), so geht es hier gerade um die Frage, was Wissenschaftlicher als essentielles Merkmal von bspw. Wasser akzeptieren: ist es eine innere Struktur der Art Ψ2 O, wobei man für Ψ eines der Isotope 1 H,2 H oder 3 H einsetzt oder handelt es sich lediglich um etwa 1 H2 O? In diesem Sinne scheint es falsch zu sein, dass die Wissenschaft die Essenz von NKTs entdeckt. Wiederum schleicht sich ein de dicto“ Moment in den ” sprachlichen Prozess ein. Wissenschaftler setzen bei der Interpretation ihrer Modelle Referenten fest. Dieser Vorgang ist nicht willkürlich, er orientiert sich am Sprachgebrauch in der Alltagssprache, sowie am Sprachgebrauch in wissenschaftlichen Vorgängermodellen. In diesem Sinne ist er immer auch de ” re“. Mit Donnellan müssen wir zugeben, 53 Hier sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung schweres Wasser“ für Tritiumoxid ” falsch ist. that nature, after all, does not fully determine the extension of 68 69 vernacular natural kind terms, and science is not wholly responsible for discovering their true extension. ([Don83] S.104) Donnellans Gedankenexperiment ist nicht ohne Probleme. So war der Begriff des Isotops wissenschaftlich erst viel später zugänglich als die Entdeckung etwa, dass Wasser, oder vorsichtig ausgedrückt, eines Großteils dessen, was wir Wasser“ nennen, H2 O ist54 . Er setzt die simplere Atomtheorie sogar ” voraus. Donnellan ist sich dieses Umstands bewusst und bezeichnet ihn als his” torical accident“ ([Don83] S.104). Das scheint dem Einwand allerdings nicht genüge zu tun, da die wissenschaftshistorische Abfolge notwendig für den Begriff des Isotops die atomare Theorie voraussetzt. Kann man trotzdem mit Donnellan eine Kontingenz der Frage, was als Gold“ bezeichnet wird ” unterstellen? Zunächst müsste sich auch auf der Zwillingserde die atomare Theorie entwickeln, was schließlich dazu führt, dass auf der Zwillingserde festgestellt wird, dass sehr große Teile des gelblich glänzenden Stoffes, was etwa in manchen Bergen aufgefunden wurde, eine innere Struktur hat, die man mit der atomaren Nummer 79 charakterisieren kann. Erst später findet man heraus, dass es ein stabiles Isotop desselben, und dass es darüber hinaus 18 instabile Radioisotope gibt. Wir illustrieren die gegebene Situation in Abbildung 3.8. Dabei sind die Vorkommnisse von diversen Isotopen von Gold schematisch dargestellt.55 Zum Zeitpunkt t1 entwickle sich die atomare Theorie, die Klassifizierungen von Stoffen im Sinne der Periodentafel zulässt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Wissenschaft noch nicht ausgereift genug, um unterschiedliche Isotope auszumachen. Allerdings findet bereits für diese Theorie die Abbildung von umgangssprachlichen Wörtern auf wissenschaftliche Klassifizierungen statt. Dies ging in unserer Welt in einer Weise vor sich, dass der Begriff Gold“ für ” Stoffe verwendet worden ist, die atomare Nummer 79 haben. Dies ist gerade dadurch motiviert, dass man festgestellt hat, dass die Stoffe die man vormals als Gold bezeichnet hat, bei den neu entwickelten Klassifizierungstest vorwiegend als Element mit Nummer 79 identifiziert worden sind. Nach Donnellan müssten Wissenschaftler auf der Zwillingserde zum Zeitpunkt t1 eine Überlegung von folgender Art gemacht haben: Vielleicht sind ” die Analysemethoden und unsere atomare Theorie zum jetzigen Zeitpunkt 54 Der Begriff des Isotops geht auf Frederick Soddy zurück, der 1921 unter anderem dafür den Nobelpreis für Chemie erhielt. 55 Die Darstellung ist in keiner Weise realistisch. So verfügt Gold über 19 Isotope, dargestellt sind aber bloß drei Linien. Für unser Argument sind die genauen Zahlenverhältnisse allerdings nicht von Belang. 70 Quantitatives Vorkommen t0 t1 t2 Zeit Abbildung 3.8: Gold und seine Isotope. Die Linien repräsentieren verschiedene Isotope von Gold und deren Vorkommnisse. Die Linie oben repräsentiert dabei den stabilen Standardfall. Zeitpunkt t1 : Entwicklung der atomaren Theorie und Klassifikation von Gold mit Nummer 79. Zeitpunkt t2 : Entwicklung der Theorie der Isotope. Ausgehend davon Identifikation von Gold Isotopen. noch nicht ausgeprägt genug. Wir sollten mit der Abbildung des Wortes ‘Gold’ besser noch auf spätere Stadien unserer wissenschaftlichen Entwicklung warten. Dann stellt sich vielleicht heraus, dass der Großteil dessen, was wir umgangssprachlich als Gold bezeichnen eine feinere innere Struktur besitzt als uns momentan theoretisch zur Verfügung steht.“ Es steht dann folgendes Kriterium im Hintergrund: IS⋆ Die essentielle innere Struktur von Gold ist jene, die Mehrheit der Stoffproben, die Umgangssprachlich als Gold bezeichnet werden, besitzen. Gibt es eine (kohärente56 ) Hierarchisierung von immer feiner werdenden inneren Strukturierungen, so ist das ausschlaggebende dasjenige auf der tiefsten Ebene. Dies entspricht offensichtlich nicht der unserer Praxis im Falle von Gold. Geht man hierbei von einem wissenschaftlichen Fortschritt hinsichtlich der Präzision im mikroskopischen Bereich aus, so ist ein infiniter Regress nicht ausgeschlossen. Man könnte alternativ auch ansetzen, dass Bewohner der Zwillingserde zunächst zum Zeitpunkt t1 dazu übergehen, Gold das zu nennen, was 56 Im Sinne einer naturwissenschaftlichen Theorie kohärent: so ist z.B. die Struktur von Isotopen eine Verfeinerung der atomaren Theorie aus t1 . Wir werden später noch auf inkohärente innere Strukturen eingehen. 71 in Klassifizierungstests die atomare Nummer 79 erhält. Zum Zeitpunkt t2 jedoch wieder die Extension einschränken zugunsten des am häufigsten auftretenden Isotops. Der Unterschied zu oben ist, dass man die Abbildung der alltagssprachlichen Begriffe auf wissenschaftliche Klassifikationen nicht ins Unendliche abschieben muss, sondern lediglich immer neue Abbildungen vornimmt. Diese sind jedoch nicht wie vormals von der Alltagssprache in die Wissenschaftssprache, sondern von einer alten Theorie in eine neue. Aber auch hier ergibt sich das Problem, das die tatsächliche Extension niemals endgültig bestimmt wird. Im Grunde wird bei der Rede von einer Abbildung von Alltagssprache in die Wissenschaftssprache im Sinne von NKTs schon idealisiert. So waren Begriffe wie Gold und Wasser schon vor dem Zeitpunkt t1 wissenschaftlich geprägt. Auch hier gab es schon Klassifikationstest, die Gold von anderen Gold-ähnlichen Substanzen unterschieden haben und dementsprechend ist dem wiederum eine Unterscheidung vorhergegangen, die die einen Stoffproben eben als Gold und die anderen lediglich als Gold-ähnlich identifiziert und damit den alltagssprachlichen Wort Gold“ diese Extension zugewiesen ” haben. So mag die Extension in den jungfräulichen Zeiten der Wissenschaften noch weit größer gewesen sein als im Mittelalter. Ich spreche hierbei vorsichtshalber von der Extension eines Wortes, wie sie der Gebrauch festschreibt, denn wie oben gesehen unterstellt Putnam mit seiner Rückzughaltung, dass die Extension, im eigentlichen“ Sinn, gleich geblieben ist. Das würde für ” Putnam mindestens bedeuten, dass ein Sprecher X in der jungfräulichen ” Zeit“ der Wissenschaft den Extensionsveränderungen, in einer Kette von verschiedenen Abbildungen von Begriffen vor einer wissenschaftlichen Revolution (oder weniger drastisch: einer entscheidenden wissenschaftlichen Entdeckung) in solche nach dieser, jeweils zustimmen würden, weil die Wissenschaft jeweils mehr und mehr das Wesen des betreffenden NKTs bestimmt. Stimmt man Putnam mit dieser in die Zukunft verwiesenen Arbeitsteilung zu, so fährt Donnellan mit seiner Kritik schweres Kaliber auf. Denn ist die Entscheidung, what way to go“ bzgl. der Abbildung an einer Stelle ” der Kette arbiträr, etwa bei der Frage, ob Gold nun die Menge aller Isotope des Elements mit atomarer Nummer 79, oder eine Untermenge derselben oder etwa nur das am häufigsten auftretende bezeichnet, so ist die eigent” liche“ Extension des Wortes Gold“, die je auch bereits unser Sprecher X ” gemeint hat, ambivalent. Die Frage, wovon wir eigentlich sprechen, wenn wir NKTs benutzen, wäre vieldeutig und damit wäre der Begriff einer eigent” lichen“ Extension und damit verbunden einer eigentlichen“ Essenz eines ” NKTs unnütz. War die Entscheidung der irdischen Wissenschaftler, nach Entdeckung der Isotope von Gold, die Extension desselben nicht weiter einzuschränken (und damit das essentielle Charakteristikum der inneren Struktur auf ein solches Isotop zu fixieren) de re oder hätte sie je nach kontingenter psychischer Konstitution derselben auch anders verlaufen können? Was wäre bspw. passiert, falls sich die atomare Theorie und die Isotopen-Theorie zur selben Zeit entwickelt hätten (also im Falle t1 = t2 )? Man stelle sich etwa die Situation vor, dass Menschen im Mittelalter ein (sehr dickes) Buch mit dem Stand der Wissenschaften (v.a. der Chemie und der Physik) etwa aus dem Jahre 1930 auffinden würden. Dies wäre in einer Weise verfasst, die es ihnen ermöglicht selbst, Apparaturen für Klassifikationen herzustellen und paradigmatische Experimente durchzuführen und außerdem in einer solchen Weise, dass höher gebildete Menschen in der Lage wären, die Theorien zu verstehen. Man nehme zusätzlich an, dass die mittelalterlichen Wissenschaftler diese Theorien als wahr, oder zumindest als die besten Theorien akzeptieren, die sie kennen. Wie würden diese die Abbildung von NKTs auf die Klassifizierungen der neuen Theorie vornehmen: im Sinne der Zwillingserde, oder sowie auf der Erde, oder gar ganz anders? 72 73 Hanna und der abduktive Essenzschluss Eine von den vier Kantischen Kritiken des wissenschaftlichen Essentialismus, die Hanna in [Han98] präsentiert, problematisiert die empirische Unzugänglichkeit der Mikrostruktur von Substanzen in der Natur. Bereits Locke wies darauf hin, dass es Sachverhalte im Umfang alles ” Seienden“ gibt, für die weder die Sinnes-, noch Selbstwahrnehmungen ein ” Mittel bietet, Vorstellungen davon unserer Seele zuzuführen.“ ([Loc72] S.169) Aufgrund unseres begrenzten perzeptiven Vermögens können wir nur indirekt mit Hilfe von Apparaturen Aufschluss gewinnen über tiefere mikroskopische Strukturen. The microstructures cannot be directly percieved.“([Han98] ” S.510) Hanna stellt sogar noch eine schärfere These auf: Thus real essences ” are both perceptually and conceptually closed to us.“Nicht nur haben wir keinen Zugriff auf die Mikrostrukturen, sondern diese sind unserem Zugriff gänzlich entzogen. Damit ist die Rede von indirekten“ Zugriff nur in ei” ner recht beschränkten Interpretation sinnvoll. Was uns zugänglich ist, sind lediglich makroskopische und jeweils nur bis zu einem gewissen Grad mikroskopische Eigenschaften,57 die wiederum durch die unzugänglichen mikroskopischen Merkmale determiniert sind. Jene unsichtbaren Körperchen bilden die thätigen Theile des Stof57 abhängig von der vorhandenen Apparatur fes und das bedeutendste Werkzeug der Natur; von ihnen hängen nicht allein alle zweiten Eigenschaften ab, sondern auch die meisten ihrer natürlichen Wirksamkeiten; allein es fehlen uns die genauen Vorstellungen ihrer ersten Eigenschaften, und so bleiben wir in einer unheilbaren Unwissenheit über Das, was sie betrifft. ([Loc72] S.169/170) In unseren Nachforschungen sind wir darauf angewiesen mit Hilfe von Hintergrundannahmen von diesen makroskopischen Eigenschaften auf mikroskopische Strukturen zu schließen. Hinzu kommt die Problematik, dass selbst die Weise wie uns Sinneseindrücke gegeben sind, bereits overdetermined by ” theory“ ist. Dieses Schlussverfahren charakterisiert Hanna als abduktiv“. ” Der sog. abduktive Schluss“ geht zurück auf Peirce.58 Umberto Eco be” zeichnete diese Schlussmethode auch als detektivisch“. Mit Peirce hat dieser ” eine große Bedeutung bei Wahrnehmungsprozessen, sowie im Prozess der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis. Jemand müsste völlig verrückt sein, wollte er leugnen, dass der Wissenschaft viele wirkliche Entdeckungen gelungen sind. Aber jedes einzelne Stück wissenschaftlicher Theorie, das heute fest gegründet dasteht, ist der Abduktion zu verdanken. ([Pei34] S.172) Im Gegensatz zu den Schlussweisen der Induktion und zur Deduktion geht die Abduktion von einer Regel und einem Resultat aus um auf den Fall zu schließen. Formal wird in Abduktionen von a → b und b auf a geschlossen. Selbstverständlich hat sie deshalb keine Beweiskraft. Es gibt gewöhnlich eine Unzahl an Regel der Form x → b. Ausgehend von einem Phänomen b ist Abduktion der Vorgang, in dem eine erklärende Hypothese gebildet ” wird“ ([Pei32c] S.171). Sherlock Holmes zeichnet sich dadurch aus, alle in Frage kommenden Regeln geschickt auszuschließen, so dass am Schluss nur noch eine übrig bleibt. Diesen Luxus hat die Wissenschaft nicht. Die Welt der Physik ist wesentlich zu komplex. Hypothesen werden immer neuen Experimenten unterworfen und können wenn keinerlei besondere Gründe für ” ihre Ablehnung vorhanden sind, zulässig sein“ ([Pei32c] S.197). [U]nd wir kommen hier nicht über Das hinaus, was einzelne Versuche erreichen lassen, ohne dass man weiß, ob sie in einem anderen Falle wieder eintreffen. Das hindert das sichere Wissen der allgemeinen Wahrheiten über die Naturkörper, und unsere Vernunft führt uns nur wenig über einzelne besondere Thatsachen hinaus. ([Loc72] S.171) 58 vgl. [Pei32c] 74 Doch die Abduktion bleibt dem Charakter nach bloße Vermutung, was Peirce zu folgender Bemerkung veranlasst: Unfehlbarkeit in wissenschaftli” chen Belangen ist für mich unwiderstehlich komisch“ ([Pei32b] S.9), die an Locke’s wissenschaftlichen Skeptizismus erinnert: Ich möchte deshalb zweifeln, ob trotz aller Fortschritte der Menschheit in Erfindungen und den Erfahrungskenntnissen bezüglich der Natur die wissenschaftliche Erkenntnis derselben je erreicht werden wird;[. . . ] allein da die entsprechenden Vorstellungen uns abgehen, so ist eine wissenschaftliche Erkenntnis und die Entdeckung allgemeiner, belehrender und unzweifelhafter Wahrheiten über dieselben uns unmöglich. ([Loc72] S.170/171) Hanna folgert damit mit Kant, ähnlich wie Sellars, dass die real essence“ ” der modernen Version des wissenschaftlichen Essentialismus is nothing but ” a certain kind of Kantian thing-in-itself - a modern scientific version of the noumenon“([Han98] S.512) und bezichtigt sie des tranzendentalen Realismus. Einsicht in die inneren Strukturen der Dinge könne man nur mit Hilfe einer intellektuellen Anschauung“ nehmen, die aber uns endlichen Wesen ” mit Kant versagt bleibt. 3.3.5 Wissenschaftliche Bedenken gegen das Zwillingserde Argument und der Eigenschaftsdualismus Kuhn und Hanna zum Ersten Als notwendige Voraussetzung des Zwillingserden-Gedankenexperiments muss es möglich sein, dass sich zwei Substanzen hinreichend bzgl. der makroskopischen Eigenschaften gleichen, obwohl die eine als innere Struktur H2 O und die andere XYZ aufweist. Kuhn kritisiert dies in [Kuh90a] scharf. Für Kuhn ist es schlichtweg unvereinbar mit der kontemporären chemischen Theorie, dass es Substanzen gibt with properties very nearly the same ” as water but described by an elaborate chemical formula“(S. 310). Vielmehr wäre solch eine Entdeckung eine schwerwiegendes Indiz von the ” presence of fundamental errors in the chemical theory that gives meanings to compound names like ‘H2 O’ and the unabbreviated form of ‘XYZ′ .“Sie käme als möglicher Auslöser einer wissenschaftlichen Revolution und eines damit verbundenen Paradigmenwechsels in Frage, indem sie zum Diktum Back to ” the drawing board! Something is badly wrong with chemical theory.“ führt. Auch Hanna betont, dass, nur wenn ein wissenschaftlicher Essentialist, der mit Hilfe des Zwillingserde-Gedankenexperiments argumentiert, “is at 75 least a ‘property dualist’ as regards microstructural and macroscopic properties, can the Kripkean and Putnamian Twin Earth examples work“([Han98] S. 500). Das heißt zunächst, dass makroskopische Eigenschaften nicht mit mikroskopischen identisch oder zumindest analytisch äquivalent sind. Es stellt sich die Frage, ob man aus der Argumentation Putnams Folgerungen machen kann bezüglich des Zusammenhangs zwischen makroskopischen und mikroskopischen Eigenschaften. Determiniert die innere Struktur die sog. Oberflächeneigenschaften, oder ist das Verhältnis von schwächerer Modalität in dem Sinne, dass es bzgl. dieses Verhältnisses divergierende mögliche Welten gibt. So etwa könnte man annehmen, dass in einer Welt Gold nicht gelblich, sondern bläulich ist. Ist damit Kants Aussage Gold ist ” ein gelbes Metall“ 59 , wenn nicht von analytischem Charakter, so doch notwendig? Hume ist in dieser Hinsicht sehr skeptisch: die Natur könnte sich bzgl. ihrer mikroskopischen Struktur verändern, trotzdem, dass sie für uns und unsere Fähigkeit sie wahrzunehmen gleich bleibt: Man irrt, wenn man meint, die Natur der Dinge aus vergangenen Fällen erkannt zu haben. Ihre verborgene Natur und folglich alle ihre Wirkungen können sich ändern, ohne dass ihre sinnlichen Eigenschaften wechseln. [[Hum69] S. 37] Für Hanna steht fest, dass Putnam hier keine Notwendigkeit unterstellen kann: [S]cientific essentialists who follow Kripke and Putnam must [Herv. CS] regard it as weaker than logical equivalence (to account for Twin Earth cases) and may even regard it as weaker than extensional equivalence (if Twin Earth is in the actual world). [[Han98] S. 505] Es scheint als wären wir in der seltsamen Situation, dass, was einerseits für das Gedankenexperiment mit Hanna vorausgesetzt werden muss, auf der anderen Seite dasselbe mit Kuhn vereitelt. Denn gerade der Eigenschaften Dualismus ist es, der mit Kuhn nicht mit der gängigen wissenschaftlichen Theorie vertretbar ist. Doch ist Hannas Kritik gerechtfertigt? Ich behaupte, dass Putnam durchaus nicht einen notwendigen Zusammenhang zwischen innerer Struktur und makroskopischen Merkmalen für sein Gedankenexperiment voraussetzen muss. Er könnte ansetzen, dass die innere Struktur alle anderen Merkmale einer Substanz notwendig determiniert. Makroskopische Eigenschaften sind für die 59 vgl. Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, S. 126, [Kan77] 76 inneren Strukturen H2 O und XYZ gleich, aber sie unterscheiden sich sehr wohl in mikroskopischen Eigenschaften, die allerdings im Jahre 1750 noch nicht zugänglich waren. Die causal connection between the microphysically” defined substratum and the macroscopic properties“ kann so durchaus als notwendig gesehen werden. Wäre sie dies nicht, so wäre die Argumentation gefährlich nahe an Humes oben zitierten Einwand, nach dem sich die Natur in ihrer mikroskopischen inneren Struktur verändern kann, während die uns zugänglichen Merkmale derselben invariant bleiben. Denn warum sollte ein Dualismus von mikroskopisch und makroskopischen Eigenschaften, der notwendigerweise die Naturkausalität als kontingent betrachtet nicht diesen radikalen Schritt auch unternehmen. Prinzipiell steht dem nichts mehr im Weg. In diesem Sinne muss Putnam an einer notwendigen Kausalitätsbeziehung zwischen innerer Struktur und anderen Merkmalen einer Substanz festhalten. Kuhn zum Zweiten Es bleibt allerdings zu betonen, dass Kuhns Kritik unbeeindruckt dessen dennoch bestehen bleibt. Wie könnte Putnam dieser kontern. In anderen Worten: kann sein Gedankenexperiment in einer Weise geeignet angepasst werden? Man kann zwei Strategien zulassen: Zum einen folgt Putnam Kuhn dahingehend, dass er in einem (angepassten) Gedankenexperiment eine wissenschaftliche Revolution zulässt. Zum anderen könnte er versuchen, dahingehend zu parieren, die Unterschiedlichkeit der auf der Zwillingserde aufgefundenen Substanz nicht in einer mit der gängigen Theorie kohärenten differierenden inneren molekularen Struktur zu suchen, sondern etwa auf einer tieferen“ Ebene. ” Da das Gedankenexperiment im Kontext zweier recht zentraler Thesen Putnams auftaucht, wollen wir sehen, wie sich diese jeweils zu den vorgeschlagenen Lösungen verhalten. Selbst, wenn die Wissenschaft im zwanzigsten Jahrhundert von der Entdeckung von Zwasser maßgeblich erschüttert werden würde, so bleibt das Gedankenexperiment in seiner Funktion der These Bedeutungen sind nicht ” im Kopf“ Plausibilität zu verschafften doch unangetastet. Denn wie auch immer die Nachfolgetheorie ausfallen wird, so muss sie doch jeweils Wasser auf der Erde und solches auf der Zwerde als unterschiedliche Substanzen behandeln. In diesem Sinn haben das Wort Wasser“ geäußert von Personen P ” und von P ′ verschiedene Bedeutung. Anders steht es mit der These, dass Wasser notwendigerweise H2 O ist. Denn offensichtlich war die zeitgemäße chemische Theorie nach der es mole77 kulare Verbindungen wie H2 O gibt falsch. Was sollte es also noch bedeuten, trotzdem an der Identitätsaussage festzuhalten. Man könnte höchstens noch daran festhalten, dass H2 O notwendigerweise eine gute Annäherung ist. In diesem Fall stellt sich allerdings die Schwierigkeit ein, was das, wenn nicht rein instrumentalistisch gedeutet, ontologisch heißen soll. Dass die molekulare Theorie des zwanzigsten Jahrhunderts bessere Vorhersagen für experimentelle Tests machen kann als Theorien des Mittelalters, während eine mögliche Nachfolgetheorie wiederum daran gemessen werden wird, inwiefern sie über kurz oder lang mindestens dieselbe Prognosefertigkeiten haben wird, wie unsere chemische Theorie, aber dabei Krisenphänomene, wie den Unterschied zwischen Wasser und Zwasser erklären kann, ist leichter einsichtig. Schwieriger wird es wissenschaftliche Konvergenzmodelle auch in ontologischer Sicht zu deuten. Denn, was soll als Maßstab dafür dienen, ob ein Modell wie das zeitgemäße Molekülmodell mit H2 O oder ein mögliches Nachfolgemodell, nachdem wie in Abschnitt 3.3.3 Wasser als αβγ modelliert wird, näher oder weiter von der wahren Natur“ von Wasser entfernt ist. Gerade ” im Falle, dass ein wissenschaftliches Modell als falsifiziert gilt stellt sich die Frage, was es heißen soll, dass H2 O approximativ die Wahrheit trifft. Man ist eher geneigt zu sagen, es war schlichtweg falsch. Wir wollen deshalb versuchen, das Gedankenexperiment dahingehend abzuändern, dass Kuhns Einwand nicht mehr gültig ist. Es müsste ein Unterschied zwischen Wasser und Zwasser ins Feld geführt werden, der gerade keine wissenschaftliche Revolution nach sich zieht. Man könnte etwa Unterschiede auf subatomarer Ebene ins Feld führen, ähnlich der Theorie der Isotope. Ich weiß nicht, inwiefern die zeitgemäßen chemischen und physikalischen Theorien flexibel genug sind und ein Szenario unterstützen könnten, bei dem diese in einem tieferen Bereich“ derart manipuliert oder angerei” chert werden, dass die Theorie der molekularen Zusammensetzung ala H2 O, CO2 , etc. Gültigkeit behält, und auf einem fernen Planten ein H2 O existiert, dass sich auf dieser neu entdeckten subatomaren Ebene gänzlich von unserem H2 O unterscheidet. Doch nehmen wir an, dies wäre möglich. Dann stellt sich die Frage, ob wir nicht sagen würden Wasser tritt auch in der Form Zwasser auf.“ an” statt Es gibt auf Zwerde eine Substanz, die Wasser makroskopisch gleicht, ” aber kein Wasser ist.“ Meiner Einschätzung nach wäre es eher ersteres. Fest steht jedoch, dass sich dies nicht ‘de re’ einscheiden lässt. Doch damit ist dem Putnamschen Argument ein Großteil seiner Zugkraft entzogen, denn es liegt nicht fern zu behaupten, dass es eine mögliche Welt gäbe, in der sich die Erdenbewohner für ersteres, eine zweite in der sie sich für zweiteres entscheiden würde. In einem solchen Fall noch davon zu sprechen, dass Wasser notwendigerweise H2 O ist, scheint schlichtweg falsch zu sein. 78 Wäre es dagegen aus irgendeinem Sinne notwendig, dass Menschen sich bzgl. erster Aussage verhalten, so hätte das Gedankenexperiment keinerlei Zugkraft mehr hinsichtlich der These Bedeutungen sind nicht im Kopf“, ” da man nun unterstellen müsste, dass ja Wasser“ geäußert von P dasselbe ” bedeute wie geäußert von P ′ . Bezüglich der Identitätsaussage würde das Gedankenexperiment dann lediglich in Aussicht stellen, dass die Struktur H2 O auf tieferer Ebene heterogen auftreten kann. Zusammenfassend gilt festzustellen, dass Kuhns Kritik ernst zu nehmen ist, gerade auch in dem Sinn, wie sie zeigt, dass die Gefahr eines wissenschaftlichen Fallibilismus in Putnams eigenen Gedankenexperimenten präsent ist. In Sinne eines solchen kann man der Aussage Wasser ist notwendigerwei” se H2 O“ allerhöchsten mit dem Vorsatz Wenn Wasser wirklich H2 O ist“ ” Validität zugestehen. 3.3.6 Apriorität der Identitätsaussagen Gleich zu Beginn der Kritik der reinen Vernunft weist Kant auf die vom ihm vertretene Unmöglichkeit von notwendiger Erkenntnis a posteriori hin: Erfahrung lehrt uns zwar, daß etwas so oder so beschaffen sei, aber nicht, daß es nicht anders sein könne. Findet sich also erstlich ein Satz, der zugleich mit seiner Notwendigkeit gedacht wird, so ist er ein Urteil a priori; [. . . ] Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit sind also sichere Kennzeichen einer Erkenntnis a priori, und gehören auch unzertrennlich zu einander. [[Kan98] B3/B4, S.53] Ganz in der Tradition obigen Zitats versucht Hanna zu zeigen, dass die Notwendigkeit von Sätzen wie HP Hesperus ist Phosphorus. GE Gold ist das Element mit atomarer Nummer 79. a priori wissbar ist. Als Veranschaulichung bemüht er folgenden bewußt fehlerhaften Beweis dafür, dass einige analytische Aussagen nur a posteriori erkennbar sind:60 (1) Folgende Aussagen sind aposteriorische Wahrheiten und können in dieser Fähigkeit empirisch festgestellt werden: Kant ist ein Junggeselle. Kant ist nicht verheiratet. Ebenso ist es sowohl epistemisch als auch logisch möglich, dass obige Aussagen falsch sind. 60 vgl. [Han98] S. 516 79 (2) Dennoch ist es notwendig und analytisch, dass folgende Aussage gültig ist: KB Wenn Kant ein Junggeselle ist, so ist er nicht verheiratet. (3) Also ist KB analytisch notwendig und a posteriori. Nun ist aber KB nach Hanna selbstverständlicherweise analytisch a priori. Weder die Notwendigkeit noch der apriorische Charakter von KB werden dabei dadurch beeinträchtigt, dass (i) durch die direkte Referenz von Kant“ beinhaltet KB nicht eliminier” bare empirische Konstituenten (ii) KB is made true by an empirical fact (as it happens Kant is indeed ” unmarried)“ ([Han98] S. 517) (iii) KB is knowable a posteriori (its consequent is empirically verifiable)“ ” (iv) es ist epistemisch möglich, dass Kant verheiratet ist. Zur weiteren Analyse schließen wir uns hier der von Casullo getroffenen recht nützlichen Unterscheidung von WW Wahrheitswert einer Aussage ϕ, der Frage, ob ϕ wahr oder falsch ist; von WW und GMS abhängt. One cannot know the specific model status ” of a proposition unless one knows both its general modal status and its truth value.“ Dies sollte nicht vorschnell dahingehend interpretiert werden, dass gilt: falls eine Aussage speziell modalen Status notwendig und wahr“ besitzt, ” so folgt, dass sie wahr ist (in der aktualen Welt). So gibt es Aussagen über Individuen oder Gegenstände, die in der aktualen Welt nicht existieren. Etwa Aussagen über meinen Bruder, der lediglich in möglichen Welten existiert, in denen meine Mutter ein weiteres männliches Kind zur Welt gebracht hat. Die Aussage Mein Bruder hat blaue Augen“ ist in der aktualen Welt weder ” wahr noch falsch. Man könnte eher sagen, dass sie in gewisser Weise keinen Sinn hat. Aus der Kenntnis um den speziellen modalen Status einer Aussage allein lässt sich im Allgemeinen noch nicht der Wahrheitswert der Aussage ableiten. Es könnte nämlich durchaus sein, dass mindestens eine Individuum oder ein Gegenstand der Aussage in der aktualen Welt nicht existiert. Wir wollen also zum besseren Verständnis folgende Formularisierungen für einen Satz ϕ vornehmen: ( def W  ϕ Ind(ϕ) ⊆ U(W ) ⋆ (3.16) W  ϕ= ⊤ sonst ( Ind(ϕ) ⊆ U(Wa ) def Wa  ϕ WW(ϕ) = (3.17) nicht definiert sonst def SMS spezieller modaler Status einer Aussage ϕ, der Frage, ob ϕ notwendig oder kontingent wahr bzw. falsch ist; GWS(ϕ) = (∀W ∈ M : W ⋆ ϕ) ∨ (∀W ∈ M : W ⋆ ¬ϕ) def ϕ∃ = ∃W : (W ⋆ ϕ) ∧ (Ind(ϕ) ⊆ U(W ))  def SWS(ϕ) = ∀W ∈ M : W ⋆ ϕ ∧ ϕ∃ GMS genereller modaler Status einer Aussage ϕ, der Frage, ob ϕ notwendig oder kontingent ist (was auch immer der Wahrheitswert ist) an.61 Wir können uns nun genauer ausdrücken: Hanna versucht zu zeigen, dass der spezielle modale Status von HP und GE ‘notwendig wahr’ ist62 und dies a prori erkennbar ist. Wir wollen zunächst hervorheben, dass WW und GMS einer Aussage logisch unabhängig sind. So stellt etwa Goldbachs Vermutung ein Beispiel dafür dar, dass [o]ne can know that p is a mathematical proposition and ” that all mathematical propositions are necessary but not know whether p is true or false.“ 63 Dagegen muss herausgestellt werden, dass SMS wesentlich 61 vgl. [Cas03b] und [Cas03a] Man kann dagegen durchaus geneigt sein, obiges Kant Zitat nur im Sinne von GMS auszulegen. 63 [Cas03b] Abschnitt 3.2 62 80 (3.18) (3.19) (3.20) Hierbei sei Ind(ϕ) die Menge aller Individuenkonstanten in ϕ, M die Menge aller möglichen Welten, U(W ) das Universum einer Welt W , sowie Wa die aktuale Welt. Es sei darauf hingewiesen, dass SWS(ϕ) genau dann wahr ist, wenn ϕ notwendig wahr ist. In den Fällen, dass ϕ nicht notwendig ist, oder notwendig falsch ist, ist SWS(ϕ) falsch. Vieles an dieser Stelle hängt von der Frage ab, was als mögliche Welt gelten soll, also welche Welten die Menge M beinhaltet. Vielfach wird eine mögliche Welt im Sinne von Leibniz64 als konsistent beschreibbare Welt angesetzt.65 Es stellt sich die metaphysische Frage, in welchem Verhältnis die Menge aller konsistent beschreibbaren Welten A zur Menge aller möglichen 64 65 vgl. etwa §173 in der Theodizee. vgl. etwa Brittan in [GGB78] S. 17 81 Welten stehen. Die Unterstellung einer Koextensivität, aber auch A ⊂ M sind jedoch als nicht triviale Zusatzannahmen zu werten. Darüber hinaus stellt sich jedoch auch die Frage, ob es sinnvoll ist, an einer Modalität festzuhalten, die sich ähnlich dem Kantischen ‘Ding an sich’, der beschränkten menschlichen Existenz entzieht. Ein pragmatischer Begriff der Möglichkeit und der Notwendigkeit könnte so für eine Identifikation von A und M argumentieren. Will man dagegen an einem metaphysischen, im Gegensatz zu einem in obiger Hinsicht anthropomorphen Begriff der Modalität festhalten, so stellt sich etwa die Frage, ob nicht manche konsistent beschreibbare Welten metaphysisch unmöglich sind. Dann stellt sich die Frage, ob nicht die Welt, in der das fliegende Spaghettimonster“ existiert über die konsistente ” Beschreibbarkeit (wenn es denn möglich ist eine solche konsistente Beschreibung der Welt zu geben) hinaus auch metaphysisch möglich ist. Doch gerade diese Frage ist wegen ihrer Unbeantwortbarkeit aus pragmatischer Hinsicht eine Sackgasse. Insbesondere gilt für eine Aussage ϕ:66 SMS(ϕ) → GMS(ϕ) (3.21) Wir führen nun folgende epistemische Prädikate ein: (iv) Es gelte ϕ1 ∧ ϕ2 , so K(ϕ1 ∧ ϕ2 ) ↔ K(ϕ1 ) ∧ K(ϕ2 ) Beweis. (i) Sei Q = K. Insbesodere gilt apriori(ϕ1 → ϕ2 ) → K(ϕ1 → ϕ2 ). Damit gilt K(ϕ2 ). Für Q = apriori gehe analog vor. (ii) Angenommen apriori(ϕ2 ). Dann gilt jedoch wie in (i) gezeigt apriori(ϕ1 ). Gilt dagegen ¬K, so gibt sich ebenfalls ein Widerspruch zu (i). (iii) Die Behauptung folgt unmittelbar aus der Symmetrie von (i) und (ii). (iv) Trivial. Lemma 2. Es gelte ϕ1 ∧ ϕ2 , dann (i) apriori(ϕ1 ∧ ϕ2 ) ↔ apriori(ϕ1 ) ∧ apriori(ϕ2 ) • K(ϕ) ist wahr, falls der Wahrheitswert von ϕ erkennbar ist. • apriori(ϕ) ist wahr, falls der Wahrheitswert von ϕ a priori erkennbar ist. • aposteriori(ϕ) ist wahr, falls der Wahrheitswert von ϕ a posteriori erkennbar ist. • aposteriori⋆ (ϕ) ist wahr, falls der Wahrheitswert von ϕ nur aposteriori erkennbar ist. Falls darüber hinaus gilt: Ind(ϕ) ⊆ U(Wa ), so hat man: SMS(ϕ) → WW(ϕ), apriori(WW(ϕ)) ∧ apriori(GMS(ϕ)) → apriori(SMS(ϕ)) (ii) apriori(ϕ1 ↔ ϕ2 ) ∧ aposteriori⋆ (ϕ1 ) → aposteriori⋆ (ϕ2 )   (iii) apriori ϕ1 ↔ ϕ2 → Q(ϕ1 ) ↔ Q(ϕ2 ) . (3.22) (3.23)  (ii) aposteriori⋆ (ϕ1 ∧ ϕ2 ) ↔ aposteriori⋆ (ϕ1 ) ∨ aposteriori⋆ (ϕ2 ) ∧ K(ϕ1 ) ∧ K(ϕ2 ) Beweis. (i) trivial. (Beachte jedoch, ohne die Einschränkung ϕ1 ∧ϕ2 wäre die Äquivalenz ungültig. Sei etwa ϕ1 = ¬ϕ2 = eine Aussage, die unbeweisbar ist.) (ii) →“: Mit Lemma 1 (iv) gilt: K(ϕ1 )∧K(ϕ2 ). Angenommen apriori(ϕ1 )∧ ” apriori(ϕ2 ), dann mit (i) auch apriori(ϕ1 ∧ ϕ2 ), doch dies ist ein Widerspruch. ←“: Mit Lemma 1 (iv) gilt: K(ϕ1 ∧ϕ2 ). Angenommen es gilt apriori(ϕ1 ∧ ” ϕ2 ), dann allerdings mit (i) auch apriori(ϕ) ∧ apriori(ϕ2 ). Dies ist ein Widerspruch. Allgemeiner gelten folgende Zusammenhänge: Lemma 1. Es gilt: Lemma 3. Es gilt (i) Für Q ∈ {K, apriori} gilt: apriori(ϕ1 → ϕ2 ) ∧ Q(ϕ1 ) → Q(ϕ2 ) 66 Dies folgt unmittelbar aus der Definition. 82 (i) SMS(ϕ) → GMS(ϕ) (ii) SMS(ϕ) ↔ GMS(ϕ) ∧ ϕ∃ 83 Beweis. Folgt beides direkt aus der Definition. Satz 3.3.1. Es gilt Wir führen an dieser Stelle die beiden Prädikate ϕJ (x) für x ist Jungge” selle“ und ϕl (x) für x ist ledig“ ein. KB ist in diesem Sinn ” ϕJ (Kant) → ϕl (Kant) (KB) Bei KB handelt es sich lediglich um eine Instantiierung der allquantifizierten Aussage ∀x : ϕJ (x) → ϕl (x) (KBa) KBa folgt jedoch direkt aus der analytischen apriorischen Aussage, dass ein Junggeselle ein unverheirateter Mann ist und ist somit auch apriori notwendig wahr: apriori(SWS(KBa)). Wir wollen zurückkehren zur Aussage KB. Mit KBa weiß man apriori, dass für eine Entität x, welche auch immer, sofern es eine mögliche Welt gibt, in der x existiert, gilt: ϕB (x) → ϕl (x). Es ist sogar denknotwendig, und gilt damit sogar in jeder denkbaren Welt, in der x existiert. In diesem Sinne gilt auch KB und ist apriori notwendig: all parties to this debate will agree ” that (KB) is analytic a priori“ ([Han98] S. 516).Formal heißt das, da wir apriori(KBa) haben, gilt gerade nicht aposteriori⋆ (ϕJ (Kant)) ∧ aposteriori⋆ (ϕl (Kant)) → aposteriori⋆ (KB). Auch Kant betont: Alle analytische Urteile beruhen gänzlich auf dem Satze des Widerspruchs, und sind ihrer Natur nach Erkenntnisse a priori, die Begriffe, die ihnen zur Materie dienen, mögen empirisch sein, oder nicht. [[Kan77] S. 125] Bereits These (ii, S. 80) ist keineswegs einleuchtend, denn KB ist wahr, ob nun Kant in Wirklichkeit verheiratet war oder nicht. These (iii) ist in dem Sinne richtig, dass sowohl die Frage, ob Kant ein Junggeselle ist, als auch ob er ledig ist, a posteriori entschieden werden kann. Dies, so ist zu betonen, heißt allerdings nicht, dass KB nur a posteriori entschieden werden könnte. Hanna macht nun die überraschende Feststellung: Like (KB), (GE)’s ” specific modal status is known only a priori.“ ([Han98] S. 517) und ebenso (HP) is known to be true only a priori“ ([Han98] S. 519). Wir jedoch ” behaupten folgendes: 84 SMS(HP) ∧ K(SMS(HP)) → aposteriori⋆ (SMS(HP)). Beweis. Mit Lemma 1 (iii) und Lemma 3 (ii) gilt: aposteriori⋆ (SMS(HP)) ↔ aposteriori⋆ GMS(HP) ∧ HP∃ Mit Lemma 2 (ii) gilt:  aposteriori⋆ (SMS(HP)) ↔  aposteriori⋆ (GMS(HP)) ∨ aposteriori⋆ (HP∃ ) ∧ K(HP) ∧ K(HP∃ ) Aufgrund der Apriorität der kausalen Theorie gilt apriori(GMS(HP)).67 Das heißt, aufgrund der kausalen Theorie der Eigennamen ist es apriori möglich darauf zu schließen, dass HP notwendig ist, was auch immer der Wahrheitswert dieser Aussage ist. Zu zeigen wäre dann noch aposteriori⋆ (HP∃ ). Ist es a priori erkennbar, ob es eine mögliche Welt gibt, in der HP wahr bzw. falsch ist? Gibt es etwa im Sinne der konsistenten Beschreibbarkeit eine Welt, in der HP gilt? Mit der Theorie der rigiden Referenz hängt dies davon ab, ob in der aktualen Welt HP gilt, da Hesperus“ und Phosphorus“ in jeder möglichen Welt ” ” gerade denselben Referenten haben wie in der aktualen Welt. Würde man umgekehrt über apriorisches Wissen der Gültigkeit von HP in einer möglichen Welt verfügen, so würde dies mit der unterstellten apriorischen Theorie der Referenz heißen, dass auch die Frage Wa  HP apriori zu entscheiden wäre. Im Unterschied zu KB, eine Instantiierung der allquantifizierten notwendig wahren Aussage KBa, muss, um die Frage nach der Identität von Hesperus und Phosphorus zu beantworten, empirisch nachgeforscht werden. Die Frage ist nicht begrifflich a priori zu beantworten. Mit obiger Bemerkung gilt damit apriori(GMS(HP)) ∧ aposteriori⋆ (HP∃ ) Somit ist die Behauptung gezeigt. Im Gegensatz zu KB ist man im Falle von HP auf den empirical fact“ ” aus (ii) angewiesen, zur Erkenntnis des Wahrheitswertes. Ebenso gilt hier im Gegensatz zu KB im Sinne von (iii), dass HP nur knowable a posteriori“ ” ist. 67 Hanna pointiert (vgl. [Han98] S. 519, wie auch Casullo ([Cas87] S. 164), dass Kripke dies notwendig voraussetzt. 85 Analog verhält es sich mit GE. Hanna jedoch kontert damit, festzustellen, dass the essential microphysical properties that it ascribes to natural kinds“ ” keine empirical properties“ ([Han98] S. 518) sind. Die in GE vorgenommene ” Identifikation ist based entirely on the Metaphysical Doctrine“, sie ist keine ” empirical identification“ , da essential microphysical properties are non” ” empirical properties“ ([Han98] S. 519). Selbst wenn GE auch als a priori philosophical theory“ entworfen wer” den kann, so ist die Frage ob sie in der Wirklichkeit - Wa  GE - gilt die Frage danach, ob sie sich in der Erfahrung bewährt. Richtig ist, dass, wenn man mit Hume die empirische Unzugänglichkeit der inneren Strukturen und mit Peirce die Abduktion als wissenschaftliche Methode unterstreicht, lediglich mit Hilfe eines nicht-trivialen wissenschaftlichen Realismus geschlossen werden kann, dass überhaupt Erkenntnis über den Wahrheitswert von Aussagen wie GE gewonnen werden kann. Tut man dies, so ist es allerdings falsch mit Hanna zu behaupten, der spezielle modale Status solcher Aussagen wäre apriori erkennbar. Wir haben jedoch die stärkere Behauptung nachgewiesen, dass wenn HP notwendig ist und dieses erkannt werden kann, so nur a posteriori. 3.4 Putnams spätere Fassung des Begriffs der Notwendigkeit In Is water necessarily H2 O?“([Put90a]) distanziert sich Putnam kritisch von ” Kripke’s Konzeption. Damit antwortet er auf die Kritik von Ayer in [Aye82]. Ebenso wurde eine Vielzahl anderer Einwände gegen die bis dahin sich recht stark ähnelnden Ansätze von Kripke und Putnam vorgebracht, so dass eine Entgegnung Putnams gefordert war. Dies gibt ihm zusätzlich die Gelegenheit seine Referenz/Bedeutungstheorie wie er sie ausgehend von [Put75e] entwickelt hat in ein transparenteres Verhältnis zur neueren Konzeption des internen Realismus zu setzen68 . Der Bedeutungs-Externalismus und der Internalismus von Putnams Version des Realismus verunsicherte Interpreten bei der Frage nach der Konsistenz dieser Ansätze bis dahin. Putnam versucht in einer minimalistischen Reinterpretation von Kripke in einem intern Realistischen Gestus den für ihn unbequemen metaphysischen Ballast abzuwerfen. Dabei werden von ihm vor allem zwei interdependente Begriffsfelder anvisiert: den der Identität und den der modalen Begriffe der Notwendigkeit bzw. der Möglichkeit. Putnam versucht so mit seinen sich bis dahin verstärkten Zweifeln am Begriff der metaphysischen Notwendigkeit“ ” und damit am flat claim that it is metaphysically necessary that water is ” H2 O“ ins Reine zu kommen“.69 Dabei wird Kripkes ‘de re’ Konzeption ” durch eine solche ersetzt, bei der zum einen konventionellen Aspekten und zum anderen einem Fallibilismus Einlass gewährt werden. Es geht Putnam darum to assimilate his [Kripke’s] metaphysical intuitions to the linguistic ” intuitions that other analytic philosophers talk about“, die metaphysischen Annahmen sollten auf ein Niveau reduziert werden to the point where Car” nap might have accepted it.“ ([Put90a] S. 64) 3.4.1 Notwendigkeit Abschied von der metaphysischen Notwendigkeit Bevor Putnam einem objektiven Notwendigkeitsbegriff Platz verschafft, geht es ihm um eine Kritik am traditionellen und vor allem Kripkes Begriff einer metaphysischen Notwendigkeit“, bzw. das, was Putnam selbst in [Put75e] ” als logische Notwendigkeit“ bezeichnet hat. Metaphysische Notwendigkeit ” ist bestimmt durch das Wesen der Dinge, durch transzendente Faktoren. In diesem Sinne kann man sie als ‘de re’ spezifizieren. Diesen Begriff, oder zumindest die Frage der epistemischen Zugänglichkeit einer metaphysischen Notwendigkeit verabschiedet Putnam zusammen mit Ayer als sinnlos.70 Die Frage nach einem akzeptablen Begriff der Notwendigkeit ist für Putnam eng verbunden mit der Frage nach einem akzeptablen Begriff der Identität. So ist nach Kripke die Frage danach was noch als dieser Stuhl gilt und was nicht mehr, ‘de re’. There is (according to Kripke) a fact of the matter ” as to what it is to be Aristotle.“ ([Put90a] S. 65) Dabei werde von Kripke der Intuition als fundamentale Kapazität des Verstandes eine Fähigkeit zum Entdecken von metaphysischer Notwendigkeit zugestanden. Kripke is not doing rational reconstruction; he is engaged in ” (what he views as) metaphysical discovery.“ ([Put90a] S. 67) Doch gerade diese metaphysischen Intuitionen stellt Putnam in Frage. Sie sind durch linguistic intuitions“ ([Put90a] S. 64) zu ersetzten. ” Eine oft auftauchende Kritik ist verbunden mit der Frage nach der Transitivität der Identität. Es sei n die Anzahl der Moleküle eines Tisches T . Der i-te Tisch sei Ti in einer hypothetischen Situation, wobei dieser n − i 68 Dies wird so nicht, wie die beiden anderen Punkte, programmatisch von Putnam vorgegeben. Deshalb ist Teil der folgenden Analyse diese Verträglichkeit von internem Realismus zum Bedeutungs-Externalismus heraus zu arbeiten. 86 69 to come clean“ [Put90a] S. 55 ” Er und Ayer könnten nicht fathom what this sort of ‘metaphysical discovery’ is ” supposed to come to.“ ([Put90a] S. 67) 70 87 Moleküle weniger hat als T aktual hat. Is there supposed to be a fact of ” the matter as to when the hypothetical table stops being ‘=’ (identical ) with the table I am pointing to?“ ([Put90a] S. 67) Putnam ersetzt in seiner minimalistic reinterpretation of Kripke“ den ” strengen logischen Begriff der Identität, den Kripke verwendet, mit dem Begriff der sortalen Identität. Der vor allem von Wiggins und Ayer geprägte Begriff wird in Putnams Aufsatz nicht eingehend besprochen. In diesem Sinne sollen an dieser Stelle lediglich die für Putnams Ansatz wichtige Charakteristika betont werden. Der Begriff der sortalen Identität kommt gewöhnlich einher mit der Feststellung, dass es so etwas wie eine ‘bare’ Identität, eine solche, die nicht relativ auf einen bestimmten Begriff gedacht wird, nicht gibt, oder zumindest sich unserem epistemischen Zugang entzieht. Dagegen ist die sortale Identität jeweils relativ bzgl. eines Begriffs - eines Begriffs etwa, der eine mögliche Antwort auf eine Was ist das?“ Frage darstellt. ” Hinzu kommt für Putnam im Falle der sortalen Identität eine zweite Relativität: Criteria of table-identity are conceived of (by me anyway) as to ” some extent up to us.“ ([Put90a] S. 67) Dies steht wiederum im Gegensatz zur logischen Identität. Während die logische Identität entdeckt werden muss, da sie ‘de re’ - den Dingen selbst entspringt, so wird die sortale Identität zu einem gewissen Grad legitimiert und ist in diesem Sinne ‘de dicto’.71 Wir werden weiter unten noch darauf eingehen, was für Putnam nun als Kriterium etwa der Identität von NKTs zählt. Für Kripke stellt sich dagegen diese Frage nicht: Kripke rejects the very idea of ‘criteria of identity.“ ” ([Put90a] S. 66) Für ihn ist Identität ein primitiver Begriff, der keinerlei weiteren Erklärung bedarf. Möglichkeit ist in diesem Sinne zu verstehen als modale Eigenschaft von Dingen. Um zu bewerten, ob eine hypothetisch gegebene Situation über etwa diesen Stuhl möglich ist, bedarf es nach Putnam mit der sortalen Identität gewisser explicit or implicit criteria of table-identity“, ” während es für Kripke darum geht, intuitive Einsichten in das Wesen des Stuhls, an intuitiv grasp of the limits of the possibilities in which the hypo” thetical object would bear the primitive logical relation ‘=’ to the table I am pointing to“ ([Put90a] S. 67) zu erreichen und auf Grundlage dieser, obige Frage zu beantworten. Putnam strebt nun eine Konzeption an, die unabhängig ist von der Rede von möglichen Welten. Es geht ihm um the question only concern[ing] actual ” substances“ ([Put90a] S. 69). Es geht darum, was für aktuale Substanzen im Sinne der sortalen Identität möglich und notwendig ist, nicht im Sinne von Kripke der aussichtslosen Aufgabe nachzuhängen, mit Hilfe intuitiver 71 Putnam spricht von discovered“ und legitimated“ (vgl. [Put90a] S. 64). ” ” 88 Einsichten in das Wesen von Substanzen nach Bedingungen Ausschau zu halten, die über alle möglichen Welten invariant sind. I now think that the question, ‘What is the necessary and sufficient condition for being water in all possible worlds?’ makes no sense at all. And this means that I new reject ‘metaphysical necessity. [[Put90a] S. 70] Die objektive physische commonsense Notwendigkeit Nach obiger Konzeption scheint es, als gebe Putnam jeglichen Objektivitätsanspruch auf. Das ist jedoch nicht der Fall, denn I still accept a notion ” of objective nonlogical modality.“ ([Put90a] S. 70) Diese ist im Bereich der physischen Möglichkeit aufzusuchen: We cannot just stipulate physical pos” sibilities.“ ([Put90a] S. 71) Hier hält Putnam an einem commonsense Bild fest. Die Frage etwa, ob ein Perpetuum Mobile möglich ist, ist faktisch, und keine Frage danach ob wir darum wissen oder jemals darum wissen werden. Es gibt demnach objective facts about what is possible and impossible in ” the world.“ ([Put90a] S. 56) Dieses Bild des working scientists“ ([Put90a] S. ” 57) ist nun ausschlaggebend für die Art und Weise, wie wir NKTs benutzen. Wir unterstellen dabei den nicht-epistemischen Charakter der physikalischen Gesetze. Es taucht an dieser signifikanten Stelle verstärkt der Begriff des Bildes in Putnams Text auf. Es heißt hier: We picture the term ‘water’ as becoming connected at some point in its history with the idea that substances possess a subvisible structure [. . . ]. It is part of that picture that the subvisible structure explains why different substances obey different laws. This, ‘has the same composition and (therefore) obeys the same laws’ becomes the criterion of substance-identity. We picture ‘water’ as acquiring a ‘rigid use [. . . ] [[Put90a] S. 60/61] Dieses Bild ist sozusagen mit der Zeit der Grammatik von NKTs eingeschrieben worden. Wenn wir solche Begriffe benutzen, entspricht es unseren sprachlichen Intentionen, dass wir mit ihnen gerade das meinen, was auch immer dieselbe Tiefenstruktur“ hat, wie die Mehrzahl der Paradigmen. Un” terschiedlichkeiten in der Tiefenstruktur sind dabei dafür verantwortlich, dass verschiedenes gesetzmäßiges Verhalten auftritt. In Putnam heißt es we pic” ture as“. Es handelt sich nicht mehr um einen epistemischen Zugang zum sprach-unabhängigen Wesen von Substanzen, sondern vielmehr um eine Beschreibung der Art und Weise, wie wir die Welt sprachlich wiedergeben.72 72 vgl. zu Putnams Verhältnis zu Bildern auch Seite 121 89 Die Objektivität liegt dabei in den Naturgesetzen, the search for such ” laws is the search for something objective (as objective as anything is).“ ([Put90a] S. 68), das heißt aber nicht, dass sie vom Wissen oder von den ” möglichen Erkenntnissen der Menschen unabhängig sind“ ([Put88] S. 192), unabhängig von dem, was die Mehrheit der Kulturangehörigen glaubt“ je” doch sehr wohl. In diesem Sinne kann der Begriff des physikalischen Gesetzes als eines der grundlegenden regulativen Bilder unseres Sprachgebrauchs angesehen werden, welche die Grammatik, den Gebrauch von NKTs orientieren. We didn’t know those laws [diejenigen, denen die Mehrzahl der Paradigmen gehorchen] when we introduced the term ‘water’, but we already had the concept of a physical law, and the concept of discovering a physical law, and that is all we needed to formulate this notion of substance identity. Es stellt sich nun selbstverständlich die Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Welt in dieser Konzeption. Wie ist die Rede vom Faktischen zu verstehen. Dies wird uns weiter in Kapitel 4 beschäftigen. Vagheit Mit dem Begriff der wissenschaftlichen Gesetze tritt in Putnams Konzeption eine gewisse Vagheit ein, der er sich durchaus bewusst ist. Putnam veranschaulicht dies am Beispiel des Begriffs der Isotope. Isotope etwa von Eisen treten in allen paradigmatischen natürlich auftretenden Fällen in einem gewissen Proportionsspielraum auf. Es gibt jedoch auch Techniken monoisotopische Stoffproben herzustellen. Ist ein Kriterium für Substanz-Identität nun vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sich zwei Substanzen gesetzmäßig gleich verhalten, so stellt sich die Frage, ob die monoisotopische Stoffprobe der gleichen Substanz angehört. Ebenso kann bei natürlich auftretenden Stoffproben die Proportionen der Isotope innerhalb eines Toleranzspielraums unterschiedlich ausfallen, so dass leicht unterschiedliches Verhalten an den Tag tritt. Unsere Klassifizierungen unterliegen in solchen Fällen unseren Interessen.73 Doch gefährdet dies nicht die gesuchte Objektivität, den nicht konventionalistischen ‘de re’ Charakter? Zunächst gilt herauszustellen: But the fact that there is some component of interest relativity here, and, perhaps, some drawing of arbitrary lines, does not change the fact that the degree of arbitrariness is infinitesimal compared to that arbitrariness in the ‘almost the same matter at 73 Well, it may depend on our interests.“ ([Put90a] S. 68) ” 90 the time of origin’ criterion for identity of tables. [[Put90a] S. 68/69] An dieser Stelle sei auf eine bemerkenswerte Perspektivenveränderung hingewiesen, die Putnam in [Put90a] geradezu unter der Hand durchführt. Noch in [Put75e] war die innere Struktur das Kriterium für Substanz-Identität. Auf Seite 60 heißt es: In the terms I am using today ([. . . ]), it is sufficient ” to take ‘has the same physicochemical composition and obeys the same laws’ to be the criterion of ‘substance-identity [Herv. CS]’“, während es auf Seite 68 heißt: I would propose the following as a condition for the adequacy ” of any proposed criterion of substance-identity: the criterion must have the consequence that A and B are the same substance if and only if they obey the same laws.“ In diesem Sinne scheint sich eine deutliche Bewegung von dem mit etwa Peirce der menschlichem Erkenntnis nur auf dem mutmaßlichen Weg der Abduktion zugänglichen Kriterium der Gleichheit der inneren physiko-chemischen Struktur hin zu einem Kriterium des gleichartigen, relativ einer geltenden Theorie gesetzmäßigem Verhalten abzuspielen. Es wird zwar an dem Bild festgehalten, dass verschiedenartiges gesetzmäßiges Verhalten auf eine Verschiedenheit der Mikrostruktur zurückzuführen sei, doch die Rede von der Mikrostruktur selbst als Kriterium wird schließlich zuletzt verdrängt. Ist dies als weiterer anti-metaphysischer Schritt seitens Putnams zu werten? Schließlich ist das gesetzmäßige Verhalten von Stoffproben, wenn auch immer gesehen durch die Sichtweise einer bereits gegebenen Theorie und über entsprechende Testgeräte, empirisch eher“ zugänglich als die ver” borgene, und nur aufgrund dieses Verhaltens durch Abduktion gewonnene innere Struktur. Eine Konsistenz dieser Konzeption mit Aussage wie What he [the scien” tist, CS] intended all along [. . . ] was to refer to whatever had the ‘deep structure’ of his terrestrial paradigms, and not to whatever had the superficial characteristics he knew about.“ ([Put90a] S. 60) herzustellen ist nur dann möglich wenn man die Rede von laws“ nicht als wissenschaftsinterna” listisch relativ zum gegenwärtigen Theorie-Standard zu sehen, sondern externalistisch, als Rede von objektiv geltenden Naturgesetzen, verbunden mit the idea that the search for such laws is a search for something objective“ ” ([Put90a] S. 68). Wir werden in Abschnitt 4.4 näher auf diese Themenstellung eingehen. Sprachspielrelativismus Wie von Kritikern wiederholt herausgestellt ist es nicht unmittelbar einleuchtend, die vergleichbar strengen kriterialen Maßstäbe aus der Wissenschaft 91 auch auf die Alltagssprache anzuwenden.74 Auch Putnam grenzt oben gewonnene Erkenntnisse vor allem auf den wissenschaftlichen Sprachgebrauch ein. Das heißt jedoch für ihn nicht, dass beide Sprachgebräuche nicht wechselseitig voneinander abhängig sind. In welcher Art und Weise, wird hier jedoch von Putnam nicht weiter thematisiert. Es gilt herauszustellen, dass the layman’s ‘water’ is not the chemically pure water of the scientist, and ” just what ‘impurities’ make something no longer water but something else ([. . . ]) is not determined by scientific theory.“ ([Put90a] S. 69) Die in konkreten alltagssprachlichen Kontexten gegebenen Verwendungsweisen von Ausdrücken wie Wasser“ ist also nicht durch die wissenschaft” liche Intention gekennzeichnet, gerade das zu bezeichnen, was im Sinne der Substanz-Identität in der Mehrzahl der gegebenen paradigmatischen Beispiele gleich“ ist.75 Die Ausdrücken wie Wasser“ innewohnende“ Grammatik ” ” ” ist also heterogener, sprachspielrelativer und flexibler als noch zu Zeiten von Die Bedeutung von ‘Bedeutung’“ angenommen. ” Das oder die Bilder, die mit Wittgenstein den Sprachspielen unserer Lebensform zugrunde liegen, formen in ihrer regulativen Funktion unsere Redeweisen und Sprechgewohnheiten nicht in der von Putnam früher angenommenen strikten und einseitigen Form. Man könnte mit Wittgenstein davon ausgehen, dass in der Umgangssprache Sätze wie Dies ist Wasser.“ geäußert, ” während auf eine mehr oder weniger unreine“ Wasserpfütze oder einen Wei” her gezeigt wird, die Funktion von grammatischen Sätzen übernehmen. Mit ihrer Hilfe erlernen wir die Funktionsweise von Wörtern wie Wasser“, sie ” geben uns Regeln vor, wie wir diese zu benutzen haben. In wissenschaftlichen Sprachspielen werden solche Sätze jeweils in anderen Kontexten, in denen vergleichsweise reinere Formen von Wasser gegeben sind, geäußert. Dies geschieht meist in Verbindung mit gesetzmäßig auftretenden Verhalten, Klassifizierungsexperimenten, und der Rede von inneren Strukturen. Die Regeln, die etwa Physik-, oder Chemieschüler und Studentinnen mit Hilfe dieser grammatikalischen Sätze lernen sind anders, wenn auch verwandt mit denen der Alltagssprache. Fälle wie der oben skizzierte monoisotopische Fall, werden mit Hilfe der in den grammatikalischen Sätzen implizit gegebenen Sprachregeln nicht im strikten Sinne geregelt, so wie es im Tennisspiel keine Regel gibt, wie hoch man den Ball spielen darf.76 In solchen Fällen kommen konventionalistische Faktoren, Interessen ins Spiel. Es kommt zu einer gewissen Freiheit: Make up the rules while you go along.“ 77 ” 74 vgl. etwa Abschnitt 3.3.1 Damit antwortet er auf die in Abschnitt 3.3.1 dargestellte Kritik. 76 vgl. [Wit84] S. 279, § 68 77 vgl. [Wit84] S. 287, § 83 75 92 Fallibilismus It is built into the rigid use (plus the criterion for substanceidentity) that our empirical discoveries may lead to revisions in what we are willing to call ‘water’ in a given hypothetical situation. [[Put90a] S. 61] Putnam stellt einen Fallibilismus in zweierlei Hinsicht in Aussicht. Zum einen bezüglich der Paradigmen: es können sich im Laufe der Untersuchungen bestimmte Paradigmen als ungültig herausstellen: those paradigms are defea” sible paradigms“ ([Put90a] S. 60). Putnam vertritt, obwohl nicht genauer erläutert, ein Majoritätskriterium bzgl. der paradigmatischen Fälle. Die andere Art von Fallibilismus ist radikaler. But [. . . ] what should we ” say if we later find out that we made a huge mistake? That water is XYZ after all and not H2 O?“ ([Put90a] S. 61) Wie sind in einem solchen Fall vor der neuartigen wissenschaftlichen Entdeckung getroffene Aussagen wie Wasser ist notwendigerweise H2 O“ zu bewerten? We should say that what ” ” we said was wrong.“ ([Put90a] S. 61) Offensichtlich ist in Putnams Theorie the claim that it is necessary that water is H2 O [. . . ] a defeasible claim“ ” ([Put90a] S. 61). Dies scheint selbstwidersprüchlich, denn wie kann eine Aussage ψ, welche die Notwendigkeit einer Aussage ϕ behauptet, selbst anfechtbar sein, ohne dass gerade durch die Anfechtbarkeit der Aussage ψ gerade eben widersprochen wird? Denn, ist eine Aussage ϕ notwendig, so ist sie gerade nicht anfechtbar. Doch die Anfechtbarkeit von ψ überträgt sich offensichtlich auf ϕ. This is what Ayer finds to paradoxical to be right.“ ([Put90a] S. 61) ” Um zu verstehen, wie Putnam diese Schwierigkeit zu meistern versucht, wollen wir Putnams Begriff der Notwendigkeit näher untersuchen. 3.5 Notwendigkeit und Kontextualität In zwei Veröffentlichung - The Analytic and the Synthetic ([Put62a]) und It ain’t necessarily so [Put62b]) - aus dem Jahre 1962 beschäftigt sich Putnam, vor allem motiviert und als Reaktion auf die radikalen Ergebnisse von Quine, mit der Frage nach der Distinktion von analytischen und synthetischen Aussagen, und damit verbunden mit dem Begriff der Notwendigkeit. 1994 greift Putnam in Rethinking Mathematical Necessity ([Put94d]) damalige Überlegungen wieder auf und aktualisiert sie. 93 3.5.1 Analytizität und Rahmenprinzipien In seinem 1951 erschienenen Artikel Two Dogmas of Empiricism“ [Qui51] ” stellt Quine die nach wie vor radikale und kontroverse These auf, dass die traditionelle Scheidung von analytischen und synthetischen Aussagen nicht akzeptabel wäre. Putnam hat ein ambivalentes Verhältnis zu dieser These. Einerseits ist sie begrüßenswert, indem sie die Philosophie aus einem dogmatischen Schlummer weckte, andererseits ist sie zu wenig differenziert. Quine is surely right that the old notion of analyticity has collapsed, and ” I see no point in reviving it.“ ([Put94d] S. 252) Andererseits begrüßt Putnam jedoch die Kritik etwa von Strawson und Grice, nicht so sehr die theoreti” cal reasons“, sondern vielmehr dahingehend, dass der Sprachgebrauch eine Übereinstimmung der Sprecher bei der Verwendung bestimmter Aussagen aufweist, die darauf hinweist, dass there must necessarily be some kind of ” distinction present“ ([Put62a] S. 35).78 Wie ist dieser Sprachgebrauch zu erklären; What is the point of the game‘“ ([Put62a] S. 36)? Putnams Ziel ist ” es, uns in die Lage zu bringen, dass we should be able to indicate the nature ” and the rationale of the analytic-synthetic distinction.“ Wenn die Dichotomie von analytischen und synthetischen Aussagen nicht haltbar ist, jedoch die Art und Weise, wie wir Sprache benutzen auf eine Heterogenität verschiedener Ausdrucksklassen hinweist, wie kann man dies begrifflich fassen? Putnam versucht die Dichotomie durch ein multidimensional ” continuum“ ([Put62a] S. 40) zu ersetzen. Die Pole sind etwa Konventionalität und different kinds of systematic import“ ([Put62a] S. 39). So haben ” etwa Aussagen wie Es gibt eine Vergangenheit“ an overwhelming amount ” ” of systematic import - so much that we can barely conceive of a conceptual system which did not include the idea of a past [. . . ] that the idea of ever making a transition from one to the other seems fantastic.“ ([Put62a] S. 39). Wenn es auch borderline cases“ ([Put62a] S. 65) gibt, so gilt den” noch, dass es just a enormous number of statements which are not happily ” classified as either analytic or synthetic“ ([Put62a] S. 38) gibt. Das heißt, wenn auch die strenge Dichotomie mit Quine aufgegeben werden muss, so muss doch einer Heterogenität verschiedener Gebrauchsweisen Rechnung getragen werden. Der spezielle Charakter bestimmter ehedem fälschlicherweise als analytisch klassifizierter Sätze wie Red is a color“ darf nicht zugunsten ” eines homogenen Bildes aufgegeben werden, indem man etwa an der alten Begriffsopposition orientiert statuiert, dass die Klasse der analytischen Sätze nullextensiv ist. Bestimmte Aussagen haben relativ zu einem body of knowledge“ ([Put62b] ” S. 662), oder wie er sich später ausdrückt, um den nichtepistemischen Cha78 Hervorhebungen von mir. Im Original ist die ganze Stelle hervorgehoben. 94 rakter mehr zu unterstreichen, zu einem conceptual system“ ([Put94d] S. ” 251), einen special status“ ([Put62a] S. 45), sie nehmen eine special ro” ” le“ ([Put62b] S. 662) ein. So gibt es etwa eine Gruppe von Aussagen, die Putnam als Rahmenprinzipien“ 79 bezeichnet. Diese sind durch ihre zentrale ” Rolle innerhalb bzw. bzgl. eines begrifflichen Schemas charakterisiert. Durch diese wird konstituiert und sie dienen als Hilfen dafür, wie wir Experimente analysieren, wie wir Voraussagen machen. Durch sie ist vorgegeben welches die varianten und welches die invarianten Parameter innerhalb eines wissenschaftlichen Modells sind. Sie selbst geben dadurch einem wissenschaftlichen Paradigma und seiner Entwicklung Halt und Direktive. In diesem Sinne können sie selbst nicht durch isolierte Experimente widerlegt werden, da sie selbst den Grund, die conditio sine qua non, vorgeben, auf dem Korrekturen und Veränderungen einer Theorie vor sich gehen. Das begriffliche System zeichnet sich dabei als ein network“ aus, als ” a massive allience of beliefs“ mit deeply embedded collateral information“ ” ” ([Put62a] S. 40). Nicht isolierte einzelne Sätze sind dabei dem Strafgericht ” der Erfahrung“ 80 ausgesetzt, sondern jeweils ein komplexes interkonnektive, interdependentes System, indem verschiedene Sätze verschiedene Rollen einnehmen, die manche als zentraler, andere als näher an der Peripherie auszeichnen. Wittgensteins Metapher vom Fluss kommt nicht von ungefähr in den Sinn.81 Putnam deutet in Rethinking Mathematical Necessity 82 expliziter auf die Ähnlichkeit hin. Sätze, die über einen gewissen Grad an Zentralität verfügen, können zwar bzgl. deren Wahrheitsansprüche oder auch bzgl. deren Zentralität und der damit verbundenen Rollenverteilung umgestürzt werden, allerdings nicht durch isolierte Experimente, sondern jeweils dadurch, dass ein alternatives Modell das alte ablöst. So erging es etwa der euklidischen Geometrie mit Einsteins Relativitätstheorie. Before Einstein, geometrical principles had exactly the same status as analytic principles, or rather, they had exactly the same status as all the principles that philosophers mistakenly cite as analytic. After Einstein, especially after the general theory of relativity, they have exactly the same status as cosmological laws: this is because general relativity establishes a complex interdependence between the cosmology and the geometry of our universe. 79 framework principles“ vgl. [Put62a] S. 48 tribunal of experience“ [Put62a] S. 40 81 ” vgl. [Wit89] §96-§99 82 [Put94d] S. 253/254 80 ” 95 [[Put62a] S. 50] It is because of the cluster character of geometrical concepts that the methods usually suggested by operationists for demonstrating the falsity of Euclidean geometry by isolated experiments would not have succeeded before the development of non-Euclidean geometry. If someone had been able to construct a very large light-ray triangle and had shown that the sum of the angles exceeded 180◦ , even allowing for measuring errors, he would not have shown the ancient Greek that Euclidean geometry was false, but only that ligth did not travel in straight lines. [[Put62b] S.665]83 Die Rahmenprinzipien werden folglich nicht experimentell widerlegt, sondern werden vielmehr durch die Akzeptanz eines neuen systematischen begrifflichen Korpus abgelöst, der eine Alternative zum alten System darstellt. Die Art und Weise, wie wir die arbitrary fixed points in our natural language“ ” ([Put62a] S. 68) stecken, entscheidet dabei darüber, was als wahr und falsch gilt. Für die Rahmenprinzipien selbst gilt dabei: The reality is that they are ” true because they are accepted [Herv. CS] as true“.84 Vielfach ist die Aufgabe oder Veränderung von Rahmenprinzipien nicht vorstellbar, so dass für eine Sprachgruppe something that was literally in” conceivable turned out to be true.“ ([Put62b] S. 664) Dazu bedarf es neuer mathematischer Modelle, die das, was zuvor noch als begrifflicher Widerspruch gelten kann, Paradoxie-frei darstellen. Die Gründe für die Akzeptanz eines neuen Systems sind tiefgreifend und betreffen nicht nur wissenschaftliche Faktoren, since moral and social questions depend on how we decide to ” speak“ ([Put62b] S. 668). 3.5.2 Notwendigkeit und Quasi-Notwendigkeit Was gilt nun in solch einem relativierten“ Modell als notwendig? Putnam ” geht dazu über, auch die modalen Begriffe der Notwendigkeit und Möglichkeit zu relativieren. Zunächst führt er eine qualitative Nuancierung ein, indem er davon spricht, dass manche Aussagen tend to be less necessary“ ([Put62b] ” 83 vgl. auch: But I want to suggest that before the work of nineteenth-century mathema” ticians, the principles of Euclidean geometry were as close to analytic as any nonanalytic statement ever gets. [. . . ] no experiment that one could describe could possible overthrow them, by itself.“ [Put62a] S. 48 84 Vgl. auch bzgl. obigen Beispiels: The use of spatial locations requires, however, ” the acceptance [Herv. CS] of some systematic body of geometrical theory. To abandon Euclidean geometry before non-Euclidean geometry was invented would be to ‘let our concepts crumble’.“ [Put62b] S. 665 96 S. 660) als andere. Ebenso spricht er von necessary relative to the appro” priate body of knowledge“ ([Put62b] S. 662), bzw. später weniger epistemisch quasi-necessary“ ([Put94d] S. 251) relativ zu einem conceptual scheme“. ” ” Den Terminus quasi-notwendig“ führt Putnam ein, weil es ihm zufolge ” merkwürdig ist, etwas als notwendig zu bezeichnen, wovon man doch keine Garantie besitzen kann, dass es nicht doch einmal revidiert werden wird. Aber er betont zugleich, dass the traditional philosophical distinction between ” statements necessary in some eternal sense and statements contingent in some eternal sense is not workable“ ([Put62b] S. 670) und später The illusion that there is in all cases a fact of the matter as to whether a statement is ‘necessary or only quasi-necessary’ is the illusion that there is a God’s-Eye View from which all possible epistemic situations can be surveyed and judged; and that is indeed an illusion. [[Put94d] S. 258] Während sich im ersten Zitat der Putnam des internen Realismus“ bereits ” ankündigt, ist im zweiten Zitat dieser Übergang bereits mit der Aufgabe der absoluten Gottesperspektive vollzogen. Wahrheit und Notwendigkeit sind Begriffe, die außerhalb von je gegebenen begrifflichen Systemen keinen Sinn machen. Es gibt keine Metaperspektive über die Systeme hinaus. Die Situation, d.i. das Auffinden solcher Modelle, sowie die Unvorstellbarkeit einer Revidierung bestimmter Sätze, vergleicht Putnam mit dem Lösen von Rätseln: we are able to give the words a sense only after we know the so” lution“ ([Put94d] S. 254). In diesem Sinne kann es sinnlos sein, zu behaupten that B is ‘unrevisable’, but neither can we intelligibly say ‘B can be revised“ ” ([Put94d] S. 254), da wir nicht in der Lage sind, Situationen zu beschreiben, in denen wir sagen würden, dass ein bestimmter Glaube falsifiziert wäre. 3.5.3 Zurück zur Paradoxie Wir wollen an dieser Stelle noch einmal rekapitulieren. Es ergab sich in Abschnitt 3.4.1 eine Paradoxie, die man mit obigen Überlegungen auch als eine Spannung zwischen einer externalistischen und einer internalistischen Tendenz in Putnams Denken charakterisieren kann. Ein Externalismus ergibt sich durch die rigide Designation von NKTs . Die Extension eines NKTs bestimmt sich über paradigmatische Fälle. Dabei benutzen wir solche Ausdrücke, at least for ordinary scientific purpo” ses“ ([Put90a] S. 68) orientiert an einem regulativen, bzw. orientierenden Bild, für das gilt: die Extension eines NKTs bestimmt sich über SubstanzIdentität der Mehrheit der Paradigmen. Für den kriterialen Rahmen für 97 Substanz-Identität gilt, dass gleiche Substanzen den gleichen Gesetzen gehorchen müssen und Substanzen, die den gleichen Gesetzen gehorchen, sind identisch. Das unseren Sprachspielen zugrunde liegende Bild ist auch dadurch charakterisiert, dass Naturgesetze eine Rolle spielen, die von Putnam als objektiv bezeichnet werden. In diesem Sinne, orientiert am commonsense Sprachgebrauch, statuiert Putnam eine objektive physikalische Notwendigkeit. Der Internalismus, von dem oben die Rede war, soll folgendermaßen charakterisiert werden. An Stelle eines absoluten Notwendigkeitsbegriffs, ein solcher aus einer Gottesperspektive, geht Putnam zu einem relativierten Notwendigkeitsbegriff über. Sowie in Is Water Necessarily H2 O der absolute85 Begriff der Identität zugunsten eines relativierten Begriffs einer sortalen Identität aufgegeben wird, kommt auch nun ein relativierter Begriff der Notwendigkeit ins Spiel. Die Sprachspiele der natürlichen Sprache, bzw. mit Wittgenstein auch weiter gefasst: die Lebensform einer Sprachgruppe, ist mit Putnam jeweils eingebettet in ein hoch komplexes, vernetztes und interdependentes Begriffs- und Bildernetz. Manche Sätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie etwa durch isolierte Experimente nicht widerlegt werden können, und dass sie vorgeben, z.B. wie wir Experimente auswerten, welches die variablen und welches die invariablen Parameter eines physikalischen Modells sind. Metaphysisch geprägte Begriffe, wie der der Notwendigkeit, oder die Wahrheit, sind nun jeweils ausschließlich relativ zu begrifflichen Systemen gegeben. gültig. Jedoch ergibt sich bezüglich der empirischen Unwiderlegbarkeit die Einschränkung, dass diese nicht mit isolierten Experimenten, sondern nur unter Akzeptanz eines Alternativmodells geschehen kann. In diesem Sinne könnte Putnam durchaus Kuhn’s Kritik zustimmen. Würde man entdecken, dass Wasser nicht H2 O ist, so nur dadurch dass ein neues chemo-physikalisches Modell das alte Atommodell ablöst. Putnam löst also den Begriff der Notwendigkeit im absoluten Sinne nicht ersatzlos auf. Sätze, die wir gewöhnlich als notwendig bezeichnen, spielen eine besondere und zentrale Rolle innerhalb unseres begrifflichen Systems, wenn wir ihnen auch nicht in sinnvoller Weise die üblichen metaphysischen Attribute wie etwa (i) und (ii) geben können. Ähnlich den Philosophischen Gedankengebäuden von etwa Wittgenstein, stellt sich auch bei Putnam die Frage der Selbstanwendung in besonderer Schärfe. Auch Putnams Sätze und Überzeugungen entspringen einem konzeptuellen System oder einem für unsere Lebensform konstitutiven Zusammenspiel ebensolcher. Welcher Wahrheitswert, welche Modalität kommt seinen Feststellungen zu Gute. Sie sind in dem Sinne quasi-notwendig bzgl. des Putnam-Begriffssystems, quasi-wahr etwa in der Putnam-Schule. [. . . ] what is possible is a matter of two things: the range of selfconsistent possible situations we have in mind and the conventions for describing those situations in our language. [[Put90a] S. 62] Nun ändern sich konzeptuelle Systeme, wissenschaftliche Modelle beanspruchen in ihrer Sukzession, die Wirklichkeit besser zu beschreiben, besser zu erklären. Was früher als notwendig wahre Aussage galt, gilt heute als falsch. Aussagen, wie Wasser ist H2 O“ sind in Putnams Sicht mit der Terminolo” gie aus [Put94d] quasi-notwendig, denn die Aussage, dass Wasser ist H2 O ” (quasi-)notwendig ist, ist selbst defeasible“. ” Haben wir diesen Sachverhalt noch in Abschnitt 3.4.1 als scheinbar paradox charakterisiert, so war dies noch nicht unter Berücksichtigung des relativen Begriffs der Quasi-Notwendigkeit“. Die Paradoxie entsprang der dem ” Begriff der Notwendigkeit unterstellten Charakteristik, dass notwendig gerade auch (i) empirisch unwiderlegbar und (ii) für immer gültig heißt. Für den Begriff der Quasi-Notwendigkeit sind sowohl (i) als auch (ii) nicht mehr 85 von Putnam meist der logische“ Begriff der Identität genannt ” 98 99 Kapitel 4 Realismus und Referenz 4.1 Überblick Das Themenfeld Realismus nimmt in Putnams Philosophie einen ganz zentralen Stellenwert ein. Im nächsten Abschnitt wollen wir versuchen, uns einen Überblick zu verschaffen über zentrale begriffliche Spannungsfelder innerhalb derer im Werk Putnams der Realismus in seinen Spielarten diskutiert wird. Putnam war und ist über sein gesamtes Werk ein großer, sowie einflussreicher Verfechter des Realismus. Das soll allerdings keineswegs als Indiz für eine Konstanz diesbezüglich in seinem Denken gewertet werden, denn welchen Realismus Putnam vertrat, hat sich oft geändert, was ihm den Ruf eines philosophischen Chamäleon eingebracht hat. Angefangen mit einem frühen, in Putnams Terminologie ‘metaphysischen Realismus’, gab er diese Auffassung schnell als naiv und zu wenig reflektiert auf. Es kam zu einer sehr einflussreichen Phase des internen bzw. pragmatischen Realismus, der in seiner Spätphase übergeht in einen von William James beeinflussten direkten bzw. natürlichen Realismus. Begleitet wurden Putnams Reflexionen über den Realismus stets maßgeblich von der Frage “‘Wie ‘hängt’ die Sprache an der Welt?”’ [Put86] S. 203) und er sieht sich damit in der Tradition der Denker der linguistischen Wende in der Philosophie.1 Sprachphilosophische Betrachtungen spielten und spielen unter dem stetig größer werdendem Einfluss der Philosophie des späten Wittgenstein eine - manchen Kritikern zu - dominante Rolle. Im Zusammenhang mit dem Begriff der Interpretation nutzt Putnam oft, hauptsächlichen hinsichtlich kritischer Stellungnahmen zu traditionellen philosophischen Standpunkten, modelltheoretische Argumente. So verteidigt er, wenn auch nicht im strengen Sinne, die Dichotomie 1 Wie etwa Frege, Carnap, Wittgenstein und Russell. 100 von theoretischen und Beobachtungstermen in von Craigs’s Theorem.2 Sehr prägnant werden modelltheoretische Argumente v.a. kritisch jeweils im Sinne einer reductio ad absurdum gegen den metaphysischen Realismus angewendet. Wir präsentieren die Resultate in Abschnitt 4.2. Wie oben bereits erwähnt ist eines von Putnams Hauptanliegen eine Klärung des Verhältnisses von Sprache und Welt. Nachdem Putnam mit seiner kritischen Abkehr vom metaphysischen Realismus den Begriff einer WELT, d.i. einer geistunabhängigen Welt, als sinnlos entlarvt hat, stellt sich die Frage, was Putnam an Stelle dieser im internen Realismus setzt. Dies soll in Abschnitt 4.3 geklärt werden. In kritischer Auseinandersetzung mit Philosophen wie Thomas Kuhn macht sich Putnam ausgehend von einem spezifischen Modell über die Referenz wissenschaftlicher Termini für die Konvergenz der Wissenschaften stark. Es wird von ihm der Begriff des trans-theoretischen Terms im Zusammenhang mit seinem Prinzip des Vertrauensvorschuss stark gemacht. Putnam richtet sich wiederholt massiv gegen Kuhns und Feyerabends Theorie der Inkommensurabilität bzw. gegen jegliche Theorie, welche die Bedeutung und Referenz von Termen kontextuell ausschließlich konstituiert durch das wissenschaftliche Modell ansetzt. Wir haben uns in Abschnitt 2.6 bereits einleitende Gedanken zu diesem Themenkomplex gemacht und wollen die Auseinandersetzung in Abschnitt 4.4.1 noch weiter verfolgen. 4.2 Kritik am metaphysischen Realismus Wir wollen zuerst Realismenarten in zwei zentrale Gruppen gliedern: einen metaphysischen und einen kopernikanischen. Vertreter des metaphysischen Realismus halten an einer vom Geiste, vom Mentalen, von der Sprache unabhängigen Welt fest. Diese Welt ist im Kantischen Sinne noumenal, sie ist die Welt, wie sie an sich ist. Putnam notiert diese Welt oft als DIE WELT“.3 Später spricht Putnam von einer ” Fertigwelt“ 4 mit einer ’eingebauten’ Struktur“ 5 , denn andernfalls könn” ” ” ten Theorien verschiedener Struktur die Welt nicht richtig ‘kopieren’ [. . . ] und Wahrheit verlöre ihren absoluten Charakter“ ([Put82c] S. 181). Wahrheit wird hier als Korrespondenz eines Satzes mit der Wirklichkeit radikal nicht-epistemisch gefasst.6 ‘Verified (in any operational sense) does not im” 2 vgl. Fußnote 90 vgl. etwa [Put77] S. 123, [Put91] S. 406, etc. 4 in Anlehnung an Nelson Goodman 5 etwa Kausalbeziehungen, vgl. auch [Put84b] 6 vgl. etwa [Put77] S. 125 3 101 ply ‘true’, on the metaphysical realist picture, even in ideal limit.“ ([Put77] S. 125), das, wie im folgenden aufgezeigt werden soll, von Putnam kritisiert wird. Diesem gemäß gibt es genau eine wahre Theorie, ein wahres Modell der Welt, nämlich gerade das, was die geistesunabhängige Struktur der Welt kopiert“, die darauf wartet, abgelesen“ zu werden.7 ” ” Im Gegensatz zu diesen Ansätzen gehen Spielarten des kopernikanischen Realismus mit Kant den Weg der kopernikanischen Wende.8 Die uns empirisch zugängliche Welt ist uns jeweils ‘nur’ bezüglich unseres begrifflichen Rahmens möglich, sie ist jeweils vorkonzeptualisiert und für uns. Eine noumenale Welt an sich ist uns nicht zugänglich. We cannot test a version [der Welten für uns] by comparing it with a world undescribed, undepicted, unperceived [. . . ]. While we may speak of determining what versions are right as ‘learning about the world’, ‘the world’ supposedly being that which all right versions describe, all we learn about the world is contained in right versions of it; and while the underlying world, bereft of these, need not be denied to those who love it, it is perhaps on the whole a world well lost. [[Goo78] S. 4] Mit Denkern wie u.A. Nelson Goodman, Thomas Kuhn9 und Hilary Putnam kommen verschiedene Spielarten desselben auf. Mit Putnams internen Realismus wollen wir uns in Abschnitt 4.3 beschäftigen. Putnam führt verstreut über seine Veröffentlichungen verschiedene Strategien gegen den metaphysischen Realismus. Da diese sehr mit unserem Thema der Referenz verbunden sind, wollen wir einige davon unter die Lupe nehmen. 7 Putnam charakterisiert den Metaphysischen Realismus wie folgt: Nach dieser Perspektive besteht die Welt aus einer feststehenden Gesamtheit geistesunabhängiger Gegenstände. Danach gibt es eine wahre und vollständige Beschreibung dessen, ‘wie die Welt aussieht’, und zur Wahrheit gehöre eine Art Korrespondenzbeziehung zwischen Wörtern bzw. Gedankenzeichen und äußeren Dingen und Mengen von Dingen. [[Put81d] S. 75 (Übersetzung wurde von mir leicht verändert und ist nun enger am Originaltext orientiert)] 8 vgl. [Kan98] B XV Speziell gilt das für den späten Kuhn und dessen Konzeption des Post-Darwinian ” Kantianism“ (vgl. [Kuh90b] S. 104) 9 102 4.2.1 Reductio der idealen Theorie Putnam stellt wiederholt fest, dass die Erkenntnis der einen wahren und ” vollständigen Beschreibung“ der WELT nur aus der unabhängigen Beobachterperspektive Gottes als gerade diese erkannt werden kann. Das Motiv des ” metaphysischen Realisten ist [. . . ] die Rettung des Gottesgesichtspunkts, d.h. der EINEN WAHREN THEORIE.“ ([Put81d] S. 105) Dies führt nun aber zu der skeptischen Einsicht, dass selbst eine ideale Theorie, die man sich als complete, consistent, to predict correctly all observation sentences (as ” far as we can tell), to meet whatever ‘observational constraints’ there are [. . . ], to be ‘beautiful’, ‘simple’, ‘plausible’, etc.“ ([Put77] S. 125) vorstellen mag, die unter epistemisch idealen Bedingungen rational akzeptierbar ist, falsch sein könnte, d.h. im Sinne des metaphysischen Realismus nicht das Korrespondenzkriterium erfüllt. Putnam zeigt in Realism and Reason“([Put77]) und ausführlicher in ” Modelle und Wirklichkeit“ ([Put80a]), dass diese Anschauung in unintelli” ” gibility“ ([Put77] S. 126) mündet. In diesem Sinne kann man das Argument als eine reductio ad absurdum werten. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, detailliert auf den modelltheoretischen Hintergrund einzugehen. Deshalb sollen die Resultate lediglich kurz motiviert und anschließend die Konsequenzen problematisiert werden. Putnams Argument setzt an, zu zeigen, dass, sofern eine (konsistente) ideale10 Theorie gegeben ist, diese in allen Modellen aus der nicht-leeren Klasse der ‘intendierten’ Modelle wahr ist und damit im Sinne des Korrespondenzkriteriums als wahr gelten muss.11 Wir sind im Sinne der Idealität an einer Theorie T interessiert, die alle operationalen und alle theoretischen Bedingungen erfüllt.12 Operationale Begriffe entstammen dabei dem perzep10 Putnam ist sich durchaus der Vagheit, sowie der Interessensrelativität ( ’ideal’ [ist] ” selbst ein leicht interessenrelativer Begriff“ [Put80a] S. 123) der ‘Idealität’ bewusst. Putnam führt über den Begriff der idealen Theorie auch den Begriff der perfekten, gottgegebenen Theorie ein ( the set of all true sentences“ [Put77] S. 135). ” 11 Die Argumentation ist zu finden in [Put77] S. 125ff., [Put80a] S. 113ff. Selbstverständlich ist sie auch in den nicht-intendierten Modellen wahr, doch dies wird sich erst im nächsten Abschnitt als folgenreich erweisen. 12 Eine Vagheit des Begriffs der Idealität einer Theorie stellt sich auch bezüglich der theoretischen Bedingungen ein. Über die Forderung, dass diese eine optimale Formalisierung eine ‘idealen’ wissenschaftlichen Position sein soll, stellt sich die Frage, welche anderen theoretischen Vorbedingungen erfüllt sein sollen. Mit Kant könnte man etwa das Prinzip des Determinismus fordern. Dies scheint allerdings im Laufe der Wissenschaftsgeschichte vom Status des in Putnams Sinne kontextuell Apriorischen verdrängt worden zu sein (etwa in der klassischen Kopenhagen-Interpretation oder der GRW Interpretation der Quantenmechanik, vgl. [Put05]). Ergo ergibt sich im Begriff der theoretischen Bedingungen eine Kontext-, evtl. auch Interessens-Relativität. 103 tiven Vokabular P ( Begriffe, die beschreiben, was wir sehen, fühlen, hören ” etc.“ ([Put80a] S. 113) speziell im Zusammenhang mit Experimenten), sowie Handlungsvokabular H ( aufheben, schieben, ziehen, [. . . ]“). Zudem führt ” def Putnam ein Beobachtungsvokabular B = P ∪ H und eine Menge der makroskopisch beobachtbaren Dinge und Ereignisse S ein.13 Die operationalen Bedingungen an unsere Theorie werden dann durch eine Valuierungsfunktion auf allen endlich-stelligen Prädikaten über Elemente aus S repräsentiert.14 Ebenso sei T eine Formalisierung einer ‘idealen’15 wissenschaftlichen Theorie. Da unsere Theorie T wegen ihrer Idealität konsistent ist, ist es eine Konsequenz aus Gödels Vollständigkeitssatz, dass sie auch ein Modell besitzt, mit dem Satz von Löwenheim-Skolem folgt sogar, dass sie Modelle für jede unendliche Kardinalität besitzt.16 Hierbei kommt es zu nicht ‘intendierten’ Modellen. Man nehme beispielsweise an, dass das Universum etwa α viele (beobachtbare) Entitäten und Ereignisse hat, wobei α abzählbar unendlich sei. Eine Theorie der Welt hat demnach ein ‘intendiertes’ Modell derselben Kardinalität. Mit obiger Argumentation hat die Theorie aber auch Modelle mit überabzählbarer Kardinalität. Solche Modelle werden als ‘nicht-intendiert’ bezeichnet.17 Ebenso ist mit obiger Argumentation klar, dass es wahre Modelle für T gibt mit der Kardinalität α. In all diesen ‘intendierten’ Modellen ist T wahr. Doch damit ist T wahr, denn, wie Putnam berechtigterweise einwendet, ist im Sinne der Korrespondenztheorie der Wahrheitsbegriff gerade nichts anderes als wahr in der intendierten Interpretation (oder ‘in allen intendierten ” Interpretationen’, falls es mehr als eine vom Sprecher intendierte - oder gestattete - Interpretation geben darf).“ ([Put80a] S. 116) Wir wollen an dieser Stelle Putnams Argument noch einmal rekapitulieren: Der Metaphysische Realismus unterstellt eine strenge Dichotomie von Geist, bzw. Sprache und Welt. Deshalb ist es für den Vertreter dieser Auffassung möglich, dass eine ‘ideale’ Theorie falsch sein könnte. Mit modelltheoretischen Argumenten allerdings gelingt es Putnam zu zeigen, dass eine ideale Theorie über wahre ‘intendierte’ Modelle verfügt. 13 Putnam motiviert die Inklusion von Ereignissen in Berufung auf Richard Boyd, da einige der Entitäten, die wir direkt beobachten können, Kräfte sind (wir können Kräfte ” fühlen, und Kräfte sind keine Gegenstände.“ ([Put80a] S. 114) 14 Wir orientieren uns hier an der späteren Fassung in [Put80a], da so das Problem der nicht-trivialen ontologischen Voraussetzung, dass THE WORLD has (or can be broken ” into) infinitely many pieces“ aus [Put77] vermieden werden kann, und dagegen lediglich angenommen werden muss, dass S eine Kardinalität von mindestens ω besitzt. 15 wie oben skizziert 16 Es handelt sich genauer um die aufwärts“-Variante. ” 17 So gibt es etwa überabzählbare Modelle der natürlichen Zahlen. 104 The supposition that even an ‘ideal’ theory (from a pragmatic point of view) might really be false appears to collapse into unintelligibility. ([Put77] S. 126) Wie könnte der metaphysische Realist seine Auffassung verteidigen? Er müsste insistieren, dass es sich bei den erfüllenden ‘intendierten’ (im modelltheoretischen Sinn) Modellen gerade nicht um die Interpretation handelt, die der Sprecher, auf welche Weise auch immer, tatsächlich intendiert. Er muss eine Theorie entwickeln, der zufolge Interpretationen anders be” stimmt werden als durch die Bestimmung von Modellen.“ Für Putnam sind die Standardstrategien für ein solches Unternehmen im höchsten Maße unbefriedigend. So etwa die magische Theorie“ der Referenz. Von ihr gibt es zwei Spiel” arten: zum einen berufen sich Vertreter derselben auf mysteriöse Kräfte des ” Geistes“ im Sinne einer ‘Intentionalität’.18 Zum anderen wird die Magie auf der Seite der Entitäten der WELT angesiedelt, indem diese selbstidentifi” zierend“ sind, also ihre Referenz sozusagen frei Haus für den Sprecher zur Verfügung stellen. Solche Modelle sind in dieser Phase in Putnams Denken als ‘ad hoc’ zu disqualifizieren.Referenz wird in solchen Ansätzen zu ei” nem okkulten Phänomen“ ([Put82c] S. 176), zu metaphysischem Klebstoff“ ” ([Put86] S. 207). Eine andere Möglichkeit ist etwa mit der (materialistisch geprägten) kausalen Theorie der Referenz gegeben, wie sie etwa Fodor vertritt, oder in anderweitig physikalistischen, sowie evolutionistischen Ansätzen. 4.2.2 Indeterminiertheit der Referenz Mit dem Vollständigkeitssatz ergibt sich noch eine andere Angriffsfläche für Putnam. Dadurch, dass es für jede beliebige unendliche Kardinalität19 für eine Theorie mit einem unendlichen Modell jeweils ein Modell mit der entsprechenden Kardinalität gibt,20 ergibt sich die Frage, wie man die ‘intendierten’ Modelle fixieren bzw. heraus greifen kann. Wie oben bemerkt, sind die Strategien, die dem metaphysischen Realismus zur Verfügung stehen, für Putnam unbefriedigend. Wir werden weiter unten Putnams Lösungsvorschlag, den internen Realismus, untersuchen. Wie Richard Schantz richtig bemerkt, hat oben vorgeschlagene modelltheoretische 18 nicht zu verwechseln mit obigem modelltheoretisch geprägten Begriff der ‘intendierten’ Modelle, wie er in [Put80a] auftaucht (nicht in [Put77]). 19 also ≥ ω 20 sowie mit dem Theorem von Löwenheim-Skolem auch ein abzählbares 105 Argumentation einen gravierenden Nachteil“ ([Sch96] S. 297): Sie ist ledig” lich auf Logik erster Stufe anwendbar. Jedoch kommt es zu einer anderen Formulierung des Arguments der Indeterminiertheit der Referenz, das Putnam etwa in Vernunft, Wahrheit und ” Geschichte“ ausarbeitet.21 Wir benötigen im Folgenden wieder die mögliche Welten Semantik und eine Intensionsfunktion, die als Input jeweils eine mögliche Welt und ein Prädikat erhält. Die ‘Intension’ bildet nun gerade auf die Extension des gegebenen Prädikats in der gegebenen Welt ab: Intension(W, P) = Ext(P, W ).22 Ebenso sei hier darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Konzeption um mögliche WELTEN handelt, also um geistesunabhängige Welten ganz im Sinne der Ontologie des metaphysischen Realisten. Putnam macht sich nun an, Quines Indeterminiertheits-Thesen etwa aus Word and Object“ (1960) oder detaillierter in Ontological Relativity“ ” ” (1968) auf einen sehr viel weiteren Bereich“ ([Put81d] S. 55) zu übertragen. ” Putnams Gedanke ist folgender: aufgrund einer strengen Dichotomie, eines Dedekindschen Schnitts zwischen mentaler Welt und der WELT muss sich der metaphysische Realist bei der Beantwortung der Frage How does lan” guage hook up to the world?“, als der Frage nach der Extension der Sprache und damit nach der Interpretation unserer Intensions-Funktion, auf Kriterien bzgl. der Wahrheitsbedingungen ganzer Sätze beschränken. Magische Theorien der Referenz werden von Putnam ebenso abgelehnt wie physikalistische (Harty Field23 ), evolutionäre24 oder kausale (Fodor25). Wenn es also keine externen Bedingungen (etwa Kausalität, selbstidentifizierende Entitäten, Gedankenstrahlen etc.) gibt, die eine mögliche Interpretation der Zeichen der Sprache leisten, so bleiben nach Putnam dem metaphysischen Realisten lediglich operationale und theoretische Bedingungen an Wahrheitswerten von Sätzen. Putnams Argument lautet dann wie folgt: durch Vorbedingungen der eben geschilderten Art kann nicht bestimmt werden, worauf sich unsere Termini ” beziehen“ ([Put81d] S. 54), denn es gibt stets unendlich viele verschiede” ne Interpretationen der Prädikate einer Sprache [. . . ], durch die den Sätzen in allen möglichen Welten die ‘richtigen’ Wahrheitswerte zugeordnet wer- den, gleichgültig, wie diese ‘richtigen’ Wahrheitswerte herausgegriffen werden.“ ([Put81d] S. 57). Putnams Argument ist mit einem formal recht aufwendigen Beweis verbunden26 , den wir an dieser Stelle nicht rekapitulieren wollen. Wir wollen uns lediglich das Permutationsargument“ kurz veranschaulichen. Der Witz ” des Arguments besteht darin, dass gezeigt werden kann, dass die Intension27 von sprachlichen Zeichen unter Beibehalt des Wahrheitswertes von ganzen Sätzen permutiert werden kann. Putnam veranschaulicht dies etwa mit einer Interpretation von Katze“ zum einen durch Katzen und zum anderen durch ” Kirschen (Putnam notiert das Zeichen verwendet unter letzterer Interpretation als Katze⋆ ). Selbstverständlich müssen bei der erwünschten Invarianz des Wahrheitswertes ganzer Sätze entsprechend andere Zeichen auch hinsichtlich ihrer Intension permutiert werden: so z.B. das Zeichen Matte“ (etwa ” durch die Interpretation Baum ). Durch geschickte Fallunterscheidung über mögliche Welten gelingt es schließlich unendlich viele Permutationen der Interpretation einer gegebenen Sprache unter Beibehalt der Wahrheitswerte von ganzen Sätzen zu bewerkstelligen. Es gelingt mit Putnam dem metaphysischen Realisten nicht, alleine basierend auf operationalen und theoretischen Vorbedingungen an Wahrheitswerte ganzer Sätze eine Interpretation als die richtige heraus zugreifen. Ein philosophischer Ansatz, der zu einer Indeterminiertheit der Referenz, bzw. der Interpretation führt, ist jedoch für Putnam im Gegensatz etwa zu ( Put” nams“) Quine oder Derrida,28 inakzeptabel. Es ist an dieser Stelle natürlich von zentralem Interesse, ob es Putnam mit seiner Konzeption des internen Realismus gelingt, die Probleme der Indeterminiertheit der Referenz zu vermeiden. 26 Dieser ist im Anhang von [Put81d] enthalten im obigen extensionalen Sinne bzgl. möglicher Welten 28 vgl. etwa [Put90d] S. 263: 27 If meaning and reference are indeterminate, does the notion of what the native ‘really means’ by gavagai make any sense, then? Quine forthrightly (though in the strange company of such thinkers as Derrida) answers ‘no’. There is, Quine says, no ‘fact of the matter’ as to what a word refers to. 21 im Kapitel Ein Problem der Bezugnahme“ S. 45ff ” Dieser Begriff der Intension ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Intension wie er in den ersten beiden Teilen verwendet wird (im Gegensatz zu Extension). Putnam verweist auch explizit darauf, dass der Begriff nicht mit Bedeutung gleichzusetzen ist. Man vergleiche etwa die Koextensionalität von ‘Lebewesen mit Herz’ und ‘Lebewesen mit Niere’, die doch nicht bedeutungsgleich sind (vgl. [Put81d] S. 47 und [TW93] S. 133). 23 dieser wird kritisiert etwa in [Put81d] S. 68ff. 24 vgl. etwa [Put92a] ( Evolution won’t give you more intentionality than you pack into ” it.“ S. 33) oder [Put81d] S. 61ff. 25 vgl. etwa [Put88] S. 91ff, [Put92e] S. 35ff 22 106 Auch Derrida wird für seinen Sprachinternalismus, indem die Vorstellung eines vom Sys” tem unabhängigen ‘Bezeichneten’ zusammengebrochen ist“ ([Put92i] S. 267) und für die These es gebe nur Texte“ ([Put86] S. 203) kritisiert. ” 107 4.3 Sprache und Welt im internen Realismus 4.3.1 Einleitende Worte Putnams Position des internen Realismus, der auch als kleiner Realismus“ 29 , ” realismus“ (mit kleinem ‘r’)30 , sowie von Putnam später bevorzugt als prag” ” matischer Realismus“ 31 bezeichnet wird, wurde von ihm einmal in folgender metaphorischer Weise auf den Punkt gebracht: the mind and the world jointly make up the mind and the world. (Or to make the metaphor even more Hegelian, the Universe makes up the Universe - with minds - collectively- playing a special role in the making up.) ([Put81b] p.xi) The rich and ever-growing collection of truths about the world is the joint product of the world and language users. Or better (since language users are part of the world), it is the product of the world, with language-users playing a creative role in the process of production. ([Put91] S. 423) Es ist zugegebenermaßen nicht einfach zu verstehen, was Putnam damit meint. Ist Putnam Konstruktivist, verliert er sich in einer Paradoxie, ist diese Haltung verträglich mit dem Begriff des Realismus, ist es Putnam möglich die unliebsame Indeterminiertheit der Referenz zu vermeiden, führt seine Auffassung in eine Inkommensurabilität etwa verschiedener wissenschaftlicher Auffassungen? Die Rezeption ist bunt-gestreut hinsichtlich der Interpretation. Putnam macht es seinen Interpreten in vielerlei Hinsicht schwer: zum einen war der interne Realismus in stetigem Wandel, v.a. hinsichtlich der Auffassung, was Wahrheit ist, bzw. allgemeiner zur gnoseologischen Fragestellung des Zusammenhangs von Wahrheit und Wissen/Erkenntnis.32 Zum anderen ist es zunächst nicht einfach, sich einen Überblick über die Vielzahl von Aufsätzen, die den internen Realismus behandeln, zu beschaffen, doch gerade dies ist nötig, um sich ein umfassendes Bild dieser Position zu verschaffen. Da eine Überarbeitung des traditionellen Bildes vom Verhältnis Sprache und Welt eine zentrale Motivation und Anliegen von Putnams neuer Form des Realismus darstellt, spielt die Frage nach Referenz darin selbstverständlich 29 [Put90e] S. 246 [Put90c] S. 26 31 [Put87a] S. 17 32 vlg. etwa Abschnitt 4.3.3 eine zentrale Rolle und es liegt demnach ganz im Sinne unserer Untersuchung, den internen Realismus unter die Lupe zu nehmen. Eine paradigmatische Wende im Denken Putnams kommt auf einen Nenner, wenn er in Realism and Reason“ den Begriff interner Realismus“ 33 ” ” in Opposition zum Metaphysischen Realismus einführt. Zunächst noch eingeführt als eine empirische Theorie,34 bildet er sich schon bald zu einer philosophischen Position aus. Was ist also in Putnams neuer Konzeption an Stelle der strengen Dichotomie zwischen Sprache/Mentalem und der geistunabhängigen Welt zu setzen? Ein erster Ansatz, der sich an verschiedenen Stellen in Putnams Werk wiederfindet, ist der eines Kontinuums zwischen den beiden Polen des Konventionellen und des Faktischen. There is continuum stretching from choices ” which, by our present lights, are just choices of a way of talking to question of what are plainly empirical fact, but there is no ‘Dedekind cut’ which divides this continuum into what is true by convention alone and what is not.“ ([Put91] S. 408)35 Ein Problem ist hierbei, dass es scheint, als wäre bei der Kontinuumsthese begrifflich die Dichotomie, und damit der Begriff der WELT vorausgesetzt. Zumindest stellt sich die Frage, worauf fact“ in der ” obigen Formulierung referiert, das den Gegenpol zu Konvention darstellen soll. An anderen Stellen heißt es, dass die Rede von der noumenalen Welt nicht im Sinne eines idealen Limits verstanden werden kann, sondern sich als Unsinn herausstellt. Wiederum an anderen Stellen stellt Putnam mit Kant Überlegungen zu einer möglichen Denknotwendigkeit einer noumenalen Welt als Grundlage unserer Erfahrung“, obgleich die Rede als Unsinn zu klassifi” zieren ist. (Aber möglicherweise hat Kant recht: Vielleicht können wir nicht umhin, zu denken, dass es irgendwie eine geistunabhängige ‘Grundlage’ unserer Erfahrung gibt, selbst wenn der Versuch, über sie zu reden, sofort zu Unsinn führt.) ([Put80c] S. 169) Gibt es gar (in Anlehnung an Wittgensteins berühmtes Bild aus dem Tractatus) eine Putnamsche Leiter, die wir nach Erklimmen des internen Realismus wegschmeißen dürfen/sollen? Oder sollte man die Dialektik der eingangs erwähnten Metapher ernst nehmen, und was hieße dies? Wie bewerkstelligt Putnam den Spagat, nicht in das Extrem der Fertigwelt“ auf der einen, und ” 33 [Put77] S. 123 Putnam bemerkt auch, dass der Realismus als Erklärung des Erfolgs der Wissenschaft selbst den Status einer wissenschaftlichen Hypothese hat (vgl. [Put75f] S. 79) 35 vgl. hierzu auch Es ist eine graduelle Angelegenheit, was tatsächlich und was kon” ventionell ist“ ([Put90e] S. 249) 30 34 108 109 auch nicht in das Extrem, dass ‘es nur den Text gibt’“ ([Put86] S. 213) auf ” der anderen Seite zu fallen? Vielleicht erreichen wir ein klareres Bild, wenn wir eine andere Problemstellung betrachten, die Putnams internen Realismus als Antwort motiviert hat: den begrifflichen Relativismus und den damit zusammenhängenden ontologischen Pluralismus. 4.3.2 Der ontologische Pluralismus Oben haben wir das Problem behandelt, dass selbst bei einer einzelnen gegebenen Theorie, der metaphysische Realismus nicht fähig ist eine der vielen möglichen Interpretationen als intendiert heraus zugreifen. Ein anderes Problem ergibt sich dadurch, dass sowohl Wissenschaft, als auch Umgangssprache von einem ontologischen Pluralismus geprägt sind.36 Putnam veranschaulicht dies anhand verschiedener Standardbeispiele, die wiederholt in seinen Aufsätzen auftauchen. Besonders frequentiert treten dabei Beispiele zum ontologischen Status von Objekten bzw. von Punkten auf. So kann man Punkte im Sinne von nulldimensionalen Objekten als existierende Entitäten ansetzen. Genauso gut könnte man jedoch auch behaupten, dass Punkte lediglich idealisierte Limes-Konstruktionen über Strecken sind. In diesem Sinne gäbe es in der WELT Punkte als nulldimensionale Objekte nicht.37 Man stelle sich ein Universum bestehend aus drei Bällen vor. Man kann nun behaupten, dass in diesem Universum genau drei Objekte existieren. Wenn man allerdings mereologischen Summen auch den Objektstatus zugesteht, so existieren nicht drei, sondern sieben Objekte in unserem BeispielUniversum.38 Es ergibt sich also eine fundamentale Theorie-Relativität von zentralen ontologischen Begriffen, wie Objekt, Kardinalität (des Universums), etc. Vielfach gibt es empirisch äquivalente Theorien mit ontologisch sich widersprechenden Voraussetzungen. Man könnte nun versuchen, sich mit Übersetzungs- bzw. Reduktionsstrategien zu behelfen. Man könnte etwa behaupten, dass die beiden unterschiedlichen Ansätze, da sich ein Übersetzungs- bzw. Reduktionsschema angeben lässt, nicht inkompatibel hinsichtlich dessen, was sie in der WELT abbilden, sind. Putnam kritisiert dies auf zweierlei Weise: zum einen sind Übersetzungsschemata nicht eindeutig gegeben. So könnte man etwa Punkte als Li- miten von allen Strecken der Länge 2−x oder aber auch 3−x ansetzen. Welche Übersetzung ist die richtige? Oder sind alle korrekt? Dann aber hat the lan” guage [. . . ] more than one correct way of being mapped onto THE WORLD“ ([Put77] S. 135). Zum anderen handelt es sich um keine Referenz-erhaltende, sowie um keine synonymen Übersetzungen, vielmehr sind sie holistisch. Sei etwa ein Universum aus einem roten und einem schwarzen Ball gegeben, so hat der Ausdruck Objekt, das halb rot und halb schwarz ist“ keine synony” me Übersetzung in der Sprache desjenigen, der mereologische Summen den Objektstatus versagt. Entitäten aus der Extension der einen Sprache gehen in der Übersetzung verloren. Ebenso mag eine Reduktion in beide Richtungen möglich sein, oder die Entitäten zugunsten derer reduziert wird (etwa Zahlentheorie in Mengenlehre) mögen verdächtig erscheinen“.39 ” Wie geht der metaphysische Realist mit dieser Situation um? Er wird behaupten, dass höchstens eine der in unseren Beispielen jeweils zur Auswahl stehenden beiden ontologischen Sichtweisen der der Welt zugrunde liegenden eingebauten“ Struktur entsprechen kann: there is a ‘fact of the matter’ as ” ” to which one is true.“ ([Put77] S. 131) Gerade hinsichtlich empirisch äquivalenter und somit erfahrungsmäßig unentscheidbarer ontologischer Ansätze geht dies einher mit einem Skeptizismus. Man könnte versuchen, den metaphysischen Realismus entsprechend anzupassen: einen bescheidenen40 , bzw. einen ausgeklügelten41 Realismus. Dieser geht davon aus, dass es eine Eigenschaft der WELT ist, dass sie auf zweierlei, bzw. mehrerlei Art und Weise ‘abgebildet’ werden kann. Man könnte geneigt sein, diesen moderaten Realismus auf zweierlei Arten anzusetzen. Einmal so, dass die ‘wahren Abbildungen’ die der WELT ‘eingebaute’ Struktur isomorph abbilden (d.h. insbesondere wird die Kardinalität erhalten).42 Putnam scheint vor allem einen solchen im Sinn zu haben, wenn er schreibt it can happen that what we picture as ‘incompatible’ terms can ” be mapped onto the same real object - though not of course within the same theory.“ ([Put77] S. 132) Eine andere Möglichkeit wäre, die Abbildungen als holistisch wahr anzusetzen. Dies heißt, dass die WELT multistrukturell angesetzt wird, so dass in verschiedenen Hinsichten isomorphe Abbildungen existieren. Es gibt also nicht eine eingebaute Struktur, sondern derer viele. Man vergleiche die Welt in diesem Modell mit Wittgensteins Hase-Enten-Kopf. In einer Hinsicht ist 39 vgl. etwa science itself, and not just ‘ordinary language’, is deeply pluralistic in its ” ontology.“ ([Put84b] S. 95) 37 vgl. [Put77] S. 130ff, [Put87b] S. 102f. 38 vgl. etwa [Put87b] S. 96f. im Orig. seem suspicious“ und weiter some people think sets are very suspicious ” ” entities“ ([Put87b] S. 102). 40 Curtis Brown nennt diese Form des Realismus einen modest realism“ (in [Bro88]). ” 41 Putnams Terminus ist sophisticated realism“ (in [Put77]). ” 42 Das oben erwähnte Problem, dass es dann auch Modelle mit abweichender Kardinalität gibt, sei hier ausgeblendet. 110 111 36 er Ente, in einer anderen Hase. Aus Sicht der ‘Enten-Theorie’ ist die ‘HasenTheorie’ falsch, da die Welt aus dieser Sicht eben eine Ente und kein Hase ist. In ersterem Modell wären die Objekte der Welt jeweils multidimensionale Hasen-Enten-Köpfe. Es gibt eine transzendente43 Entität, die zum einen als nulldimensionaler Punkt, zum anderen als Limes von Strecken ‘abgebildet’ werden kann.44 Die erste Möglichkeit des moderaten metaphysischen Realismus kritisiert Putnam mit seinem Beispiel der mereologischen Summen. So ist gerade auch die Frage nach der Kardinalität der Welt Theorie-relativ.45 Putnam hat einen Grund bzgl. der Quantität und der Qualität mit welcher der ontologische Pluralismus auftritt, der obigen Ansatz seiner Meinung nach sinnlos macht: The fact is, so many properties of THE WORLD [. . . ] turn out to be ‘theory-relative’ that THE WORLD ends up as a Kantian ‘noumenal’ world, a mere ‘thing in itself’. If one cannot say how THE WORLD is theory-independently, then talk of all these theories as descriptions of ‘the world’ is empty. ([Put77] S. 133) Goodman spricht in diesem Sinne von einer world well lost“ ([Goo78] S. ” 4). Sind zentrale und so viele Eigenschaften der unterstellten Welt jeweils nur relativ zu einer gegebene Theorie gegeben, so macht es nach Putnam keinen Sinn, der WELT in einem absoluten Sinne etwa die Eigenschaft zu unterstellen, dass sie admits of these different mappings“ ([Put77] S. 132). ” Wie schon anschließend an den Abschnitt zur Indeterminiertheit der Übersetzung fragt sich der Leser sicherlich, wie Putnam diese Problem zu vermeiden sucht. Im folgenden Abschnitt wollen wir uns mit seiner Konzeption des internen Realismus befassen. 43 Putnam spricht oft von transzendental“ wenn er eigentlich transzendent“ meint. ” ” Diese im der anglistischen analytischen Philosophie weit verbreitete Ungenauigkeit ist vor allem dann störend, wenn im selben Aufsatz von Kant die Rede ist. 44 Brown scheint in seinem Aufsatz unentschlossen zu sein, welche Variante er denn meint. Seine Rede von einer Welt mit infinitely many classifications“ und die weitere ” Argumentationslinie scheint auf unsere holistische Variante zuzulaufen - verwirrend ist an dieser Stelle jedoch die Rede davon, that it contains infinitely many different kinds of ” objects [. . . ] the world ‘in itself’ has more objects then we usually talk about, not fewer“ ([Bro88] Abschnitt 1). Diese Konzeption unterliegt jedoch derselben Putnamschen Kritik wie die erste Variante der moderaten metaphysischen Realismus. 45 then even the cardinality of the world becomes theory relative“ ([Put77] S. 133) ” 4.3.3 Interner Realismus Putnams interner Realismus ist vor allem motiviert durch die oben geschilderten Probleme, denen ein metaphysischer Realismus nicht Herr werden kann und die demnach, will man wie Putnam am Realismus festhalten, nach einer alternativen Position verlangen. Putnams Problemstellung erinnert sehr an die Kants. Der sog. Kopernikanischen Wende liegt auch die Auffassung zugrunde, dass der Zugang zu der Welt jeweils über Kategorien, über ein System von Begriffen einher geht, so dass Kant schließlich behaupten kann, dass wir der Welt die Gesetze vorschreiben. Neben dem tranzendentalen Idealismus will jedoch auch Kant an einem Realismus, einem empirischen festhalten. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Putnam in Kant einen Vorläufer des internen Realismus sieht. Mir scheint, Kant wird am besten so gelesen, dass er als erster das vorschlägt, was ich eine ‘internalistische’ oder ‘intern realistische’ Wahrheitsauffassung genannt habe [. . . ] ([Put80c] S. 167)46 Ein anderer Denker in Auseinandersetzung zu und inspiriert von dessen Werk sich der interne Realismus entwickelt hat ist Nelson Goodman. Wie oben schon angedeutet teilt Putnam mit diesem vor allem den kritischen Ansatz hinsichtlich des metaphysischen Realismus. Beide, Putnam und Goodman, stehen einer post-Kantian“, im Gegensatz zu einer neo-Kantian“, Philoso” ” phie nahe, in der die Dichotomie von Begriffsschema und Welt abgeschwächt bzw. aufgegeben wird.47 Die Wege trennen sich jedoch, wenn es um den konstruktiven Gegenentwurf geht.48 Wir wollen den Faden des obigen Abschnitts noch einmal an der Stelle des ontologischen Pluralismus bzw. des konzeptuellen Relativismus aufnehmen. Eine versus viele Welten Wir hatten festgestellt, dass verschiedene (sogar empirisch äquivalente) Theorien über wechselseitig widersprechende und damit unvereinbare Ontologien verfügen können. Dies nimmt Goodman zum Anlass, von einer Pluralität von Welten zu sprechen. Und da unvereinbare Versionen nicht auf dieselbe ” Welt zutreffen können, schließt er, dass sie auf verschiedene Welten zutreffen können, ‘wenn überhaupt auf irgendeine Welt’.“ ([Put92i] S. 259) An dieser 46 vgl. auch Fußnote 60 vgl. zu dieser Terminologie [Put90d] S. 261 48 Wir wollen, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, Putnams Goodman“ ” erläutern. Es bleibt nicht der Raum, um diese Interpretation kritisch zu analysieren. 47 112 113 Stelle widerspricht Putnam. Während seine Wertung von Goodmans Ansatz aus Ways of Worldmaking“ im Jahre 1982 noch recht positiv ist,49 ändert ” sich Putnams Tonfall zunehmend. Er unterstellt Goodman, dass die Rede von vielen Welten hinsichtlich eines radikalen konstruktivistischen Ansatzes zu deuten ist, denn die Welten wären in von uns gemacht“. Mitten in der ” ” gegenwärtigen analytischen Philosophie entspringt eine Form des Idealismus, so extrem wie die Hegels oder Fichtes“ ([Put92i] S. 255), Theologisch könn” te man sagen, Goodman macht den Menschen zum Schöpfer.“ ([Put92i] S. 257) Dagegen setzt Putnam einen gerade in seiner Einfachheit verwirrenden Leitsatz: Aber die Welt ist kein Produkt, sie ist nur die Welt. ([Put90e] S. 249) Zunächst ist festzustellen, dass Putnam sowohl einen radikal konstruktivistischen Ansatz ablehnt,50 als auch eine Pluralität der Welten“: etwa für die ” konkurrierenden ontologischen Ansätze aus obigen Beispielen ist festzuhalten, dass die beiden Beschreibungen ein und dieselbe Welt beschreiben und ” nicht zwei verschiedene Welten“ ([Put92i] S. 264). Es stellt sich natürlich sogleich die Frage Welche Welt?“, denn anschlie” ßend an die Kritik am metaphysischen Realismus kann es sich nicht um die noumenale Welt handeln. Was bleibt für die Bestimmung der Bedeutung des Welt-Begriffs dem internen Realisten übrig, wenn er von verschiedenen Beschreibungen ein- und derselben Welt spricht? Anders: auf was referiert das Wort Welt“ in der Sprache des internen Realisten? ” Es ist nicht diese Wirklichkeit, so wie sie ist, unabhängig von diesen ” Redeweisen“ ([Put92i] S. 264), so weist Putnam einen seiner imaginären Gegenspieler zurecht, denn die Welt unabhängig von unseren Beschreibungen ist eine world well lost“. Es besteht daher kein Anlass an[zu]nehmen, dass ” ” die Wirklichkeit unabhängig von unseren Beschreibungen beschrieben werden kann“ ([Put92i] S. 264). Die Frage bleibt trotzdem bestehen, ob nicht gerade die Rede von ein” und derselbe Welt“, die durch inkompatible, sich gegenseitig widersprechende Theorien beschrieben werden kann, auf eben eine solche Welt, die hinter 49 So schreibt er: Auch wenn er davon redet, dass wir viele Welten machen, so meint er doch nicht, dass es im Sinn von David Lewis (oder der Science-fiction) viele Welten gebe, sondern dass Richtigkeit relativ zu Mittel und Mitteilung ist. ([Put82c] S. 198) 50 vgl. auch: To deny, as I do, that there is a ‘ready-made world’ is not to say that we ” make up the world.“ [Put92e] S. 58 114 den Beschreibungen steht, verweist. Wenn es etwa heißt: sie werden zur ” Beschreibung desselben Sachverhalts verwendet“ ([Put92i] S. 260), verweist dann Sachverhalt“ auf einen von den Beschreibungen unabhängigen Gegen” part in der noumenalen Welt? Nein, so antwortet Putnam, er führe [. . . ] ” damit keine transzendentale Ontologie von Sachverhalten ein“ ([Put92i] S. 260). Er referiert vielmehr auf einen Sachverhalt, der mit einer mit Wittgenstein language in place“ 51 bereits schon gegeben ist. [Ich] habe [. . . ] mit ” ” Sachverhalt bloß das gemeint, was jederman mit diesem Ausdruck meinen würde, der ihm keine metaphysische Bedeutung gibt.“ ([Put92i] S. 261) Eine Welt ohne metaphysische Betonung Was ist dieser Sachverhalt“ auf den sich beide Beschreibungen beziehen, ” auf den sich jedermann ohne metaphysische Betonung beziehen kann? Der ” Stuhl vor mir“ 52 , auf ihn beziehen sich die Beschreibungen, von ihm handeln sie. Aber, ist dieser Stuhl nun ein Objekt in der noumenalen Welt? Nein. Ein anderes Beispiel: In Is the Causal Structure of the Physical Itself Something ” Physical?“ beschäftigt sich Putnam mit der Frage des ontologischen Status der Kausalität und stellt deren Kontext- und Interessensrelativität heraus. Auf was beziehen wir uns nun wenn wir sagen A ist die Ursache von B“ inner” halb eines Sprachspiels, das uns einen begrifflichen und Interessens-relativen Rahmen vorgibt? Putnam stellt hier die zentrale Bedeutung dessen, was er mit Husserl die Lebenswelt nennt, heraus: [causality] certainly exists in our ‘life world’“. ” In der Lebenswelt können wir the problematic idea of ‘really existing’“ ” ([Put84b] S. 89) hinter uns lassen. Hier gibt es diese metaphysische Betonung laut Putnam nicht. Sinnlos sind die Fragen Welches der begrifflichen Schemas ist das (einzig) ” passende, welches bezieht sich auf die all den Diskursen zugrunde liegende Welt?“. In der Lebenswelt gilt, dass things having dispositions, causing one ano” ther, having modal properties, are simply matters of course“ ([Put84b] S. 95). Sie konstituieren den Grund unserer Sprachspiele. Was rechtfertigt diese Selbstverständlichkeiten und ihre Rolle in unserer Sprache. Zu sagen, eine Überzeugung sei gerechtfertigt, heißt zu sagen, wir ” sollten an sie glauben; Rechtfertigung ist zunächst einmal ein normativer 51 vgl. [Put84a] S. 122 sowie [Put90c] S. 28. Vgl. auch das in diesem Zusammenhang geäußerte Kurz, ich nehme an, eine bekannte Sprache ist bereits vorhanden.“ ([Put92i] ” S. 260) 52 [Put92f] S. 433 115 Begriff.“ ([Put86] S. 215) Und Putnam zitiert den späten Wittgenstein aus ‘Über Gewissheit’: §509: I really want to say that a language game is only possible if one trusts something. (I did not say ‘can trust something.’). ([Put92g] S. 177) - und kommentiert: a shockingly simple answer: trust.“ ” Wenn nun Vertrauen und Glauben am Grunde unserer Sprachspiele liegen und damit unverzichtbar sind für unser Denken und Handeln, sowie auf der anderen Seite unser Zugang zur Welt immer through discourse and the role ” discourse plays in our lives“ ([Put84a] S. 121) erfolgt, so bilden Vertrauen und Glauben ein conditio sine qua non der Welt für uns. Vertrauen und Glauben sind aber jeweils immer nur in jeweils gespielten Sprachspielen vorhanden, wenn eine language in place“ gegeben ist, und nicht außerhalb derselben. ” Sprache konstituiert sich darüber hinaus jeweils in ihrem Gebrauch. Verschiedene Gebräuche der begrifflichen Schemata eröffnen verschiedene Zugänge zur Welt.53 [T]he logical primitives themselves, and in particular the noti” ons of object and existence, have a multitude of different uses rather than one absolute ‘meaning’.“ ([Put87b] S. 97)54 und damit: Die Vorstellung, ” dass ‘Gegenstand’ unabhängig davon einen Sinn hätte, wie wir Gegenstände zählen und was wir in einer gegebenen Situation als Gegenstand ansehen, ist eine Illusion.“ ([Put92i] S. 262). Putnam spricht sich bereits früh und wiederholt gegen die verifikationistische These aus, dass Wahrheit Verifizierbarkeit57 oder rationale Akzeptierbarkeit58 sei. Zum einen kann eine Aussage die Eigenschaft, wahr zu sein, im Gegensatz zur Eigenschaft, rechtfertigt werden zu können, verlieren. Zum anderen ist Wahrheit im Gegensatz zu Rechtfertigung nicht graduell.59 In frühen Schriften interpretiert Putnam WIA noch in dem Sinne, dass Wahrheit die Möglichkeit einer Rechtfertigung unter idealen Bedingungen impliziert.60 Später distanziert sich Putnam zunehmend von dieser These.61 Er charakterisiert vielmehr die Begriffe der Wahrheit und der rationalen Akzeptierbarkeit als wechselseitig abhängig“ ([Put88] S. 203), so dass er schließlich ” schreibt: an ideal epistemic situation is one in which we are in a good posi” tion to tell if p is true or false.“ ([Put91] S. 421), was, wenn man WIA als Definition deuten würde, hoffnungslos zirkulär wäre.62 Die oben angegebene Idealität hat in der Sekundärliteratur für viel Ver57 vgl. etwa [Put69] S. 443 und das Beispiel, dass der Satz There is a gold mountain ” one mile high and no one knows that there is a gold mountain one mile high.“, falls wahr, nicht verifizierbar ist. 58 vgl. etwa [Put78b] S. 108 und das Beispiel ‘The rug is green’ might be warrantedly ” assertible even though the rug is not green.“ 59 vgl. [Put80b] S. 151 60 vgl. [Put80b] S. 152 Dies ist ganz im Sinne von Kants Mond-Bewohner: Daß es Einwohner im Monde geben könne, ob sie gleich kein Mensch jemals wahrgenommen hat, muß allerdings eingeräumt werden, aber es bedeutet nur so viel: daß wir in dem möglichen Fortschritte der Erfahrung auf sie treffen könnten. ([Kan98] A 493 / B 521) Putnams Wahrheitsbegriff im internen Realismus - Ein Überblick Putnams Wahrheits-Begriff im internen Realismus ist viel und kontrovers diskutiert worden, was dazu führte, dass Putnam tried for ten years to ” protect his account of truth againt various misunderstandings“ ([Kün02] S. 148). Wenn auch Putnam Wahrheit als idealisierte rationale Akzeptierbarkeit charakterisiert (WIA),55 so ist es dennoch problematisch, dies im Sinne einer Identität oder Koextensionalität, oder etwa reduktionistisch56 zu lesen. Später charakterisiert Putnam diese Sicht der Dinge folgendermaßen: [E]very truth that human beings can understand is made true by conditions that are, in principle, accessible to some human beings at some time or other, of not necessarily at all times or to all human beings. ([Put92d] S. 364) 61 53 Diese Sprechweise darf mit Putnam entsprechend nicht mit der WELT verwechselt werden. 54 Schon in Reference and Understanding“ zeigt sich Putnams Sprachphilosophie be” einflusst von Wittgensteins ‘Philosophischen Untersuchungen’. Die Interdependenz von Bedeutung und Gebrauch, so wie der Anti-Essentialismus der Familienähnlichkeit wird etwa in Putnams Metapher Meaning, in my view, is a coarse grid laid over use.“ ([Put78b] ” S. 99) deutlich. Ebenso die große Vielfalt mit der Sprache auftritt, etwa in language is a ” ‘motley’“ ([Put78b] S. 99). 55 vgl. etwa [Put80b] S. 151, [Put82a] S. 41, [Put79] S. 616 56 Der Witz ist, dass ich keine in irgendeinem Sinne reduktionistische Analyse der ” Wahrheit (oder der Berechtigung) liefere.“ ([Put88] S. 203) Vgl. auch [Put92d] S. 421 Er führt zwei Gründe an: Zum einen rezitiert Putnam ein Argument, das auch schon in Nagels The View from Nowhere“ ([Nag86] S. 93ff.) auftaucht. Es ist vorstellbar, dass ” es intelligentere Wesen gibt, als uns Menschen, die Gedanken haben, die von uns nicht verstanden werden können und some of those thoughts could be true.“ ([Put92d] S. 364) ” Das zweite Argument demonstriert Putnam mit Hilfe des Satzes There is no intelligent ” extraterrestrial life.“ Putnam meint, darin ein Beispiel für einen Satz gefunden zu haben, dem wir die Eigenschaft zusprechen, wahr oder falsch zu sein, bei dem wir aber keine clear ” notion of what would make it warrantedly assertable“ ([Put92d] S. 364) haben. Da uns eine weitere Besprechung dieses sehr interessanten Gedankens zu weit von unserem Thema wegführen würde, verweise ich an dieser Stelle auf etwa Künne in ([Kün02] S. 156ff.) oder Schantz in ([Sch96] S. 361f). 62 Später bezieht sich Putnam retrospektiv auf diese Stelle und meint, er hätte ursprünglich eine Reduktion im Auge gehabt, that truth might be reduced to notions of ‘rational ” acceptability’ and ‘better and worse epistemic situation’“. ([Put92d] S. 373) 116 117 wirrung gesorgt. Was sind epistemisch ideale Bedingungen“ ([Put80b] S. ” 151)? Putnam vergleicht sie mit reibungsfreien Flächen“, die man zwar nicht ” erreichen kann, an die man sich aber beliebig annähern kann. Die könnte man leicht als Eintrittstüre für einen Skeptizismus werten. Putnam distanziert sich davon später, denn [t]o think of knowledge as something we never really pos” sess but only ‘approximate’ is the first step on the slide to scepticism, and my talk of ‘idealization’ was unfortunate if it suggested such a view.“ ([Put91] S. 421) Der approximative Charakter wird schließlich aufgegeben zugunsten eines kontextuellen, Sprachspiel-internalistischen, denn a good enough epis” temic situation is a contextual matter.“ ([Put91] S. 421). Eine epistemisch gute Situation für die Aussage There is a chair in my study“ ([Put90c] S. ” viii) unterscheidet sich von einer epistemisch guten Situation in der Quantenphysik. Es gilt, truth operates within whatever type of language we are ” talking about“. Demnach gibt es nicht die eine epistemische Situation, in der wir im Sinne des metaphysischen Realismus am besten in der Lage wären, in der fundamentalen Wissenschaft etwas über die Struktur der WELT in Erfahrung zu bringen.63 Ebenso wenig gibt es eine phänomenologisch ideale Situation.64 Putnam betonte bereits 1982, dass es eine Vielfalt von Dingen gibt, die eine epistemisch ideale Situation auszeichnen können - I do not ” have a theory. Truth is as plural, vague, open-ended, as we are.“ ([Put82b] S. 198). Auch in diesem Zusammenhang weist Putnam die Angewiesenheit von Wahrheit auf eine bestehende Sprachpraxis, eine Perspektive from the ” point of view of life and intellectual practice“ ([Put82a] S. 40) hin, sowie, dass die Wahrheit den Gebrauch nicht transzendiert.“ ([Put88] S. 203) ” Sprachspielrelativität Sowohl der Begriff der Rechtfertigung, als auch der Begriff der Wahrheit auf die Interdependenz der beiden weist Putnam wiederholt nachdrücklich hin - machen außerhalb der einzelnen Sprachspiele, außerhalb der einzelnen Diskurse und damit einer Sprachpraxis, keinen Sinn. ‘Wahrheit’ ist ebenso ” kontextempfindlich, wie wir es sind.“ ([Put86] S. 214) In diesem Sinn kann Putnam behaupten: My view is that God himself, if he consented to answer the question ‘Do points really exist or are they mere limits?’ would say ‘I don’t know’; not because His omniscience is limited, but because there is a limit to how far questions make sense. ([Put87b] S. 97)65 Folglich gilt für einen Vertreter des internen Realismus, dass dieser denies ” that there is a fact of the matter as to which of the conceptual schemes [. . . ] is really ‘true’. Each of these schemes contains, in its present form, bits that will turn out to be ‘wrong’ in one way or another - bits that are right and wrong by standards appropriate to the scheme itself - but the question ‘which kind of ’true’ is really Truth’ is one that interal realism rejects.“ ([Put87b] S. 98) Die Frage nach einem Sachverhalt auf den wir uns beziehen, nach einem state of affairs“ ist part of a common sense version of what we are ” ” doing“. Putnam betont gleich darauf, dass die Akzeptanz desselben gerade ohne metaphysische Betonung vonstatten geht: accepting such a common” sense version does not require us to elevate ‘states of affairs’ etc., to the status of a universal ontology.“ ([Put91] S. 406) Das Problem des metaphysischen Realismus entsteht gerade dann, wenn wir die Lebenswelt, the world of ordinary language“, als defizitär betrach” ten und nach einer ‘wahren Welt’ Ausschau halten, then we end up feeling ” forced to choose between the picture of ‘a physical universe with a built-in structure’ and ‘a physical universe with a structure imposed by the mind“ ([Put84b] S. 89) Im Zusammenhang mit Wittgenstein stellt Putnam heraus, wie diese Position motiviert ist: It is as if the recognition that our language ” game does not have a trancendental justification made us want to handle it with kid gloves, or to handle it from a metalanguage. But why is the metalanguage any more secure?“ ([Put92g] S. 176) Dass Wahrheit kontextuell ist, heißt nicht, dass man sagen sollte, etwas ist nur wahr in einem Sprachspiel, da dies is something that makes us want to distance ourselves from our ” own language game. [. . . ] The thought that everything we believe is, at best, only ‘true in our language game’ isn’t even a coherent thought“ ([Put92g] S. 177), gerade deshalb, weil er nicht aus einer Gottesperspektive geäußert werden kann. Auf den Begriff der Objektivität muss jedoch nicht Verzicht geleistet werden, nur handelt es sich nicht um jene merkwürdigen Begriffe ” der ‘Objektivität’ und ‘Subjektivität’, die wir aus der Ontologie und Epistemologie gelernt haben“, die uns unfähig [machen] im Gewöhnlichen zu ” ruhen“ ([Put86] S. 218). Objektivität ist wie die Begriffe der Wahrheit und Rechtfertigung auf eine language in place“, auf ein bestehendes Sprachspiel, ” auf eine bestehende Sprachpraxis angewiesen, und macht außerhalb, bzw. oberhalb derer aus einer Gottesperspektive keinen Sinn. (oder mit seinem Raum-Zeit-Bereich) ‘identisch’ ist, und zwar nicht etwa deshalb, weil es etwa gibt, was er nicht weiß.“ ([Put90e] S.247/248) 63 vgl. [Put82b] S. 198 Internal realism is not phenomenalism all over again.“ ([Put90c] S. viii) 65 ” vgl. auch bspw. Selbst Gott könnte uns nicht sagen, ob der Stuhl mit seiner Materie ” 64 118 119 Bessere und schlechtere Texte Der interne Realist wäre bereit, sich Referenz als intern zu ‘Texten’ (oder ” Theorien) vorzustellen, vorausgesetzt, wir erkennen an, dass es bessere und schlechtere ‘Texte’ gibt.“ ([Put86] S. 213). Das heißt zunächst gerade nicht, dass es nur den Text gibt“, dass Repräsentation ein Mythos“ ([Put86] S. ” ” 213) wäre. Die qualitativen Merkmale des relativen besser“- oder schlech” ” ter“-Seins, oder der Richtigkeit“ einer Behauptung sind weder subjektiv ” und Objektivität darf in diesem Sinne nicht mit Intersubjektivität verwechselt werden - als auch gehen sie über Rechtfertigung hinaus. Ebenso wie die objektive Natur der Umwelt zur Festlegung der Referenz ” von Ausdrücken be[i]trägt, so trägt sie auch zur Festlegung der objektiven Wahrheitsbedingungen von Sätzen bei - wenn auch nicht auf die metaphysische realistische Weise.“ ([Put80b] S. 153) Eine Umwelt, die uns jeweils via einem begrifflichen Schema, via eines Diskurses zugänglich ist, deshalb eine Referenz als intern zu ‘Texten’“. Dennoch gilt, dass, wenn man die ” Allgegenwart der begrifflichen Schemata akzeptiert, so verlangt die von uns keineswegs, to deny that truth genuinely depends on the behaviour of things ” distant from the speaker, but the nature of dependence changes as the kinds of language games we invent change.“ ([Put94c] S. 309) Putnam sprach oben von bits that are right and wrong by standards appropriate to the scheme ” itself “. Was behauptbar ist, erlernen wir indem wir uns eine Praxis aneig” nen“ ([Put86] S. 214). Und daher wird Verbesserung [a]us unserem Bild ” der Welt heraus“ beurteilt. Aber aus diesem Bild heraus sagen wir, dass ” ‘besser’ nicht dasselbe ist wie ’wir glauben, es ist besser’.“ ([Put90e] S. 246). Dennoch, ‘Besser’ und ‘schlechter’ mögen selbst von unserer historischen Si” tuation oder unseren Zwecken abhängen; es gibt hier keine Vorstellung einer Wahrheit von der Perspektive Gottes.“ ([Put86] S. 214) Dieses Bild der Welt konstituiert unsere Erfahrung und Behauptbarkeit und die question how ” to talk is itself something to which empirical facts are relevant“ ([Put91] S. 408). Das Bild von der Welt und der Sprache als gemeinsame Erzeuger von Welt und Sprache fast Putnam in diesem Zusammenhang auch im Bild einer Feedback-Schleife“ auf: ” Es gibt eine Art von Feedback-Schleife: Während wir uns auf unsere bestehenden Normen und Standards stützen, entdecken wir Tatsachen, die selbst manchmal zu einer Veränderung in den Bildern führen, welche diese Normen und Standards durchdringen (und also indirekt auch zu einer Veränderung in den Normen und Standards selbst). ([Put90e] S. 246) 120 Die Welt wird demnach in Putnam nicht in Folge der kopernikanischen Wende, in Folge der Einsicht, dass access to the world is through our discour” se“, weg gekürzt. Was bleibt ist aber auch nicht ein gemeinsamer Nenner im Sinne einer dahinter - hinter all den ‘Versionen’(!) - stehenden noumenalen Welt. Versionen von was?“ möchte man sofort fragen. Die Rede von Versio” nen verleitet bereits in die falsche Richtung. Sie unterstellt gerade wieder die Perspektive einer sprachunabhängigen Welt, eines Dedekindschen Schnitts, doch Was ich also sagen möchte, ist, dass die Elemente dessen, was wir ‘Sprache’ oder ‘Geist’ nennen, so tief in das eindringen, was wir ‘Wirklichkeit’ nennen, dass die Unternehmung, uns als die ‘Abbildenden’ von etwas ‘Sprachunabhängigem’ darzustellen, selbst von vornherein verhängnisvoll kompromittiert ist. ([Put90e] S. 249) Die Welt auf die wir uns beziehen ist vielmehr die Lebenswelt des manifesten ” Bildes“ ([Put86] S. 218), a picture which is at the root of all our thinking.“ ” ([Put92h] S. 156) Was gescheitert ist, is the attempt to divide mundane ” reality, the reality of Lebenswelt into Real Reality and Projection.“ ([Put84b] S. 90) Kann man also behaupten, dass Putnam aus einer Perspektive Gottes ” heraus“ sage, dass es keine Perspektive Gottes gibt“ ([Put90e] S. 245)? Put” nam selbst konstatiert, dass beinahe jeder die Aussage, dass es keine geis” tesunabhängige Wirklichkeit oder nur die ‘Versionen’ oder nur den ‘Diskurs’ oder was immer gibt, als ausgesprochen paradox“ ([Put82c] S. 198) auffasst. Putnam dagegen gibt uns ein Bild:66 Now the picture I have just sketched, ” is only a picture.“ ([Put82a] S. 42)67 Insofern unterscheidet er sich zunächst nicht vom metaphysischen Realismus, denn [t]he metaphysical realist asks ” us to accept a picture“ ([Put82b] S. 197).68 Putnam versucht jedoch seinen Lesern zu zeigen, dass der metaphysische Realismus ein schlechtes Bild darstellt, dass all the graps of the picture seems to vanish“ ([Put77] S. 135) ” und dass der interne Realismus ein vergleichbar besseres Bild abgibt. Putnam versucht uns in diesem Sinne ein Bild zu geben, das uns die Möglichkeit gibt, ” aus einer Vielfalt verschiedener Phänomene irgendwie schlau zu werden [. . . ] anstatt einen Gottesstandpunkt anzustreben“ ([Put88] S. 192), wobei es gerade die Inkonsistenzen des metaphysischen Realismus vermeidet. Hier zeigt sich Putnams an Wittgenstein angelehnte Konzeption, dass unterschiedliche 66 vgl. auch [Put88] S. 191f) Der interne Realismus kann nur, wie Schantz (vgl. [Sch96] S. 324) richtig bemerkt, zum Zeitpunkt von Realism and Reason“ als empirische Theorie betrachtet werden. ” 68 Bereits in [Put77] spricht Putnam davon, dass der metaphysische Realismus mehr Modell ist als Theory in the ‘colliding billiard balls’ sense of ‘model’.“ (S. 123) ” 67 121 Bilder am Grunde unserer Sprachspiele liegen und diese Bilder sind essen” tial to our lives.“ So auch das Bild, dass truth genuinely depends on what ” is distant, is part if a picture with enormous human weight“, eines, das, so zitiert er Wittgenstein, is to be respected and not treated as a superstition“. ” (vgl. [Put94b] S. 277). 69 4.3.4 Indeterminiertheit der Referenz im internen Realismus? Putnam präsentiert seinen internen Realismus unter anderem als Lösung des Problems der Indeterminiertheit der Referenz. In der Sekundärliteratur dagegen wird dies teilweise als unmotiviert, bzw. als falsch bewertet.70 Für Putnam ist die geistunabhängige Welt, in dem Sinne, dass es geistunabhängige Gegenstände gibt, eine conditio sine qua non dessen, was wir oben die Indeterminiertheit der Referenz genannt haben. Die Ansicht requi” res us to believe in a world of things in themselves that have no determinate relations to our language.“ ([Put84b] S. 83) Wir erinnern uns, dass sowohl mit der Interpretationsfunktion in der Logik erster Stufe, als auch mit der Intensionsfunktion in der mögliche Welten Semantik jeweils eine vorgegebene Welt (bzw. vorgegebene Welten) mitsamt deren Entitäten vorausgesetzt worden sind. Modelltheoretisch konnte jeweils gezeigt werden, dass Permutationen im Bild dieser Abbildungen unter Beibehalt des Wahrheitswertes ganzer Sätze möglich sind. Mit Verabschiedung dieser ready-made-world“ ” verspricht sich Putnam, das Problem der Indeterminiertheit der Referenz abzuschütteln. Um die Probleme der Indeterminiertheit der Referenz zu vermeiden, kann man in der Mathematik den intuitionistischen Weg einschlagen. Damit gelang es, eine Theorie des Verstehens von mathematischen Aussagen zu entwickeln, die nicht auf die Begriffe Wahrheit und Referenz und damit auf Modelle ( geschweige denn eines ‘intendierten Modells’“ ([Put80a] S. 124)) ” angewiesen ist, denn die Semantik wird vollständig mittels des Begriffs des ” ‘konstruktiven Beweises’ gegeben, einschließlich der Semantik von ‘konstruktiver Beweis’ selbst.“ ([Put80a] S. 123/124) Eine mathematische Aussage zu verstehen heißt im Intuitismus zu wissen, what constitutes a proof (verifi” cation) of it.“ ([Put77] S. 128) 69 Vgl. auch Putnams Stellungnahme dazu, dass seine Argumente in [Put75b] konsistent sind mit Wittgensteins Konzeptionen von ‘Bildern’, ‘Notwendigkeit’ und ‘Bedeutung’ in [Put92b] und natürlich seine Untersuchungen im Kapitel ‘Wittgenstein on Reference and Relativism’ in [Put92g] 70 vgl. etwa [Sch96] oder [Bro88] 122 Dies heißt nun nicht, dass der Intuitionist auf Begriffe, wie Modell, Wahrheit oder Referenz verzichten muss. Er muss lediglich eine Sprache verstehen, die reich genug ist, um als Metasprache für eine Theorie T zu dienen“ ” ([Put80a] S. 124). Dies bringt ihn in die Lage, innerhalb seiner Metasprache Wahrheit und Referenz im Sinne Tarskis als Zitattilgung zu definieren. Da dies intern bzgl. der verstandenen Metasprache geschieht, ist für ihn Re” ferenz [. . . ] durch Sinn gegeben, und Sinn ist durch Verifikationsverfahren, nicht durch Wahrheitsbedingungen gegeben. Die ‘Kluft’ zwischen unserer Theorie und den ‘Gegenständen’ [. . . ] taucht gar nicht erst auf.“ ([Put80a] S. 125) Wenn man das Feld der Mathematik verlässt, so ergeben sich Probleme, den Intuitionalismus beizubehalten. Verifikation ist in den empirischen Wissenschaften im Gegensatz zum Begriff des Beweises in der Mathematik eine graduelle Angelegenheit und zudem ist Verifikation zeitlich variabel in dem Sinne, dass sich der Grad von Verifikation wandeln kann, bis hin zum Verlust dieser Eigenschaft. Darüber hinaus ist Verifikation in empirischen Wissenschaften wesentlich holistischer geprägt als in der Mathematik, wo isolierte Aussagen bewiesen werden. Putnam ist außerdem nicht gewillt, die verifikationistische Theorie der Bedeutung anzunehmen, da diese verschiedene Aspekte nicht berücksichtigt, die er etwa in Die Bedeutung von ‘Bedeutung’“ herausgestellt hat, ” for, as I have argued elsewhere, ‘meaning’ is not just a function of what goes on ‘in our heads’, but also of reference, and reference is determined by social practices and by actual physical paradigms, and not just by what goes on inside any individual speaker. ([Put77] S. 129) Was Putnam allerdings übernimmt, ist eine verifikationistische Theorie von Verstehen. So betont er, dass etwa Michael Dummetts ‘non-realistische Semantik’ als eine solche verwendet werden kann. Zudem wäre das in einer Weise möglich, die nicht inkohärent ist mit dem internen Realismus. Bereits in Reference and Understanding“ bemüht sich Putnam zu zeigen, ” dass eine Theorie von Verstehen unabhängig von den Begriffen der Wahrheit und der Referenz entwickelt werden kann. Putnam betont hier mit dem Wittgenstein aus den Philosophischen Untersuchungen, dass der Begriff des Verstehens mit dem Begriff des Gebrauchs in einem engen Zusammenhang steht. So heißt es understanding a language consists in being able to use ” it (or to translate it into a language one can use).“ ([Put78b] S. 97) Putnam sieht außerdem keine Probleme, bestimmte Ansätze aus etwa [Put75e], wie Stereotypen oder den holistischen Charakter von Verstehen (z.B. die linguistische Arbeitsteilung) in einer Theorie des Verstehens basierend auf 123 dem Gebrauch einzubinden. Wichtig ist Putnam zu betonen, dass es für eine Theorie des Verstehens nicht vonnöten ist, eine Erklärung des Erfolgs von Handlungen (die etwa mit unserem Benutzen von Sprache verbunden sind) zu geben. For example, the instructions for turning an electric light on and ” off - ‘just flip the switch’ - do not mention electricity.“ ([Put78b] S. 99), während the success of the ‘language-using program’ may well depend on ” the words of a language and things, and between the sentences of the language and states of affairs.“ ([Put78b] S. 100) Die Begriffe der Wahrheit, der Referenz und der Extension werden dagegen benötigt, um den Erfolg unserer Sprach-Handlungen zu erklären. Es ist hier wichtig festzustellen, dass Putnam zum einen eine verifikationistische Theorie des Verstehens in der Tradition von Dummetts nichtrealistischer Semantik, mit einer realistischen Theorie der Bedeutung im Sinne des internen Realismus, sowie in Anschluss an Überlegungen aus Die Be” deutung der ‘Bedeutung’“ für vereinbar hält. Zum anderen hält Putnam die verifikationistische Theorie des Verstehens für ausreichend, um eine Indeterminiertheit der Referenz zu vermeiden. Putnam bringt dies folgendermaßen auf den Punkt:71 [1] Wenn wir [. . . ] die Alternative der ‘non-realistischen’ Semantik [wählen], dann tut sich die ‘Kluft’ zwischen Worten und der Welt, zwischen unserem Gebrauch der Sprache und ihren Gegenständen, gar nicht erst auf. [2] Zudem ist ‘non-realistische’ Semantik mit realistischer Semantik nicht unverträglich, sie geht ihr ganz einfach voraus in dem Sinn, dass es ‘non-realistische’ Semantik ist, die verinnerlicht werden muss, wenn die Sprache verstanden werden soll. ([Put80a] S. 126 - die Nummerierung wurde von mir nachträglich eingeführt.) Beide Thesen sollen anschließend kritisch beleuchtet werden. These [1] ist zunächst gerade aus dem Grunde einleuchtend, da eben in der non-realistischen Semantik die Rede von Referenz, von Extension wie auch im Intuitionismus in der Mathematik nicht mehr auftaucht. Dies geht gerade auf die strikte Trennung von Theorie des Verstehens auf der einen und Theorie 71 Wenn im folgenden Zitat von ‘non-realistischer Semantik’ die Rede ist, so ist dabei eine Theorie des Verstehens gemeint, während mit der ‘realistischen Semantik’ es sich um eine Theorie der Bedeutung in Putnamschen Sinne handelt (also eine Bedeutung, die den Begriff der Referenz als Teil des Bedeutungsvektors voraussetzt). Vgl. hierzu auch theory ” of meaning, on my view, presupposes theory of understanding and reference - and reference is what the problem is all about!“ ([Put77] S. 129) 124 der Bedeutung, der Referenz auf der anderen Seite, wie von Putnam bereits in Reference and Understanding“ vorgeschlagen, zurück. Das Problem der ” Indeterminiertheit der Referenz taucht erst mit dem Begriff der Referenz auf. Wir haben oben bereits darauf hingewiesen, dass der Intuitist auf den Begriff der Referenz nicht Verzicht leisten muss. Die Frage im Folgenden muss also lauten: Wie kommt man mit der verfikationistischen Theorie des Verstehens zur Referenz und ist die Konzeption dann vereinbar mit Putnams ‘realistischer Semantik’ ? Putnam bemerkt zunächst: [3] Entweder legt der Gebrauch bereits die ‘Interpretation’ fest, oder nichts kann es tun. ([Put80a] S. 128) These [2] spricht davon, dass die Verinnerlichung einer ‘non-realistischen Semantik’ der ‘realistischen Semantik’ vorausgeht und in diesem Sinne eine Bedingung der Möglichkeit dieser darstellt. Was Putnam mit Verinnerlichung der ‘non-realistischen Semantik’ meint, ist fraglich, doch es ist davon auszugehen, dass er im Sinne der verifkationistischen Semantik davon spricht, dass der richtige Gebrauch einer Sprache Voraussetzung dafür ist, sich mit Fragen der Referenz zu beschäftigen. Diese Deutung ist auch im Einklang mit [3]. Ebenso ist dies vereinbar mit der oben besprochenen Konzeption, dass die Begriffe der Wahrheit, der Rechtfertigung und der Referenz jeweils erst Sinn machen mit einer language in place“. ” Fraglich bleibt nun, wie der Gebrauch im Sinne von Putnams Konzeption der verifikationistischen Semantik Referenz festlegt und welche Rolle dabei die Umwelt spielt. Sowie mit Kants Kopernikanischer Wende wir es sind, die der Welt die Gesetze vorschreiben, kann man nun mit Putnam behaupten, dass wir durch unsere begrifflichen Schemata es sind, die der Welt die Entitäten vorschreiben: [. . . ] ein Zeichen, das von einer bestimmten Gemeinschaft von Zeichenbenutzern auf bestimmte Weise verwendet wird, kann innerhalb des Begriffsschemas dieser Zeichenbenutzer bestimmten Gegenständen entsprechen. Unabhängig von Begriffsschemata existieren keine ’Gegenstände’. Wir spalten die Welt in Gegenstände auf, indem wir dieses oder jenes Beschreibungsschema einführen. Da die Gegenstände und die Zeichen gleichermaßen interne Elemente des Beschreibungsschemas sind, ist es möglich, anzugeben, was wem entspricht. ([Put81d] S. 78) Die Frage, ob eine Theorie eine einzelne ausgezeichnete Interpretation hat macht für den internen Realisten keinen Sinn. Zur Veranschaulichung rekapituliert Putnam in Realism and Reason“ das Beispiel über die Ontologie ” 125 des Punkts.72 Dabei ist herauszustellen, dass ‘Punkt’ innerhalb einer Theorie jeweils eine unique intended meaning“ hat, während aus der Sicht der ” Alternativ-Theorie sich viele Interpretationen ergeben mögen73 Innerhalb einer Sprache bezieht sich Kaninchen“ trivialerweise auf Kaninchen74 und ” Adopting ‘cow talk’ is adopting a ‘version’ in Nelson Goodman’s phrase, ” from within which it is a priori that the word ‘cow’ refers (and, indeed, that it refers to cows).“ ([Put77] S. 137) Dem internen Realisten könnte man nun antworten: Natürlich ist Ka” ” ninchen“ bezieht sich auf Kaninchen“ richtig per Definition, aber in deiner Metasprache ist selbst nach der Zitattilgung immer noch die Frage offen, worauf sich das Kaninchen ohne Anführungszeichen bezieht. Denn nach der Indeterminiertheitsthese könnte sich dieses Wort auf alles mögliche beziehen.“ Der interne Realist würde darauf jedoch schlichtweg antworten, dass damit wiederum eine geistunabhängige Welt von Entitäten angeführt wird und dies im höchsten Maße unintelligibel wäre. Der Witz der Argumentation ist ja gerade, dass auch die Welt des internen Realisten jeweils mit a language ” in place“ aus ‘selbst-identifizierenden’ Gegenständen besteht, aber nicht in ” einem Sinn, der dem Externalisten zugänglich ist.“ ([Put80c] S. 160). Putnam betont nun wieder im Sinne der Kontinuumshypothese die beiden Aspekte der Konvention und der empirischen Faktizität: Wenn ‘Gegenstände’ ebenso gemacht wie entdeckt sind, ebenso Produkte unserer begrifflichen Erfindung wie des ‘objektiven’ Faktors in der Erfahrung, des von unserem Willen unabhängigen Faktors, dann gehören Gegenstände natürlich intrinsisch unter bestimmte Etiketten; denn diese Etikette waren ja zunächst unsere Werkzeuge zur Konstruktion einer Version der Welt mit solchen Gegenständen. Diese Art von ‘selbst-identifizierendem Gegenstand’ ist aber nicht geistunabhängig [. . . ] ([Put80c] S. 160/161) Wir sollten an dieser Stelle, den Versuch unternehmen, obige Gedanken in Einklang zu bringen mit einer der zentralen Thesen in Putnams Denken, dass Bedeutungen nicht im Kopf sind und zum anderen der Frage nachgehen, wie in diesem Zusammenhang davon ausgegangen werden kann, dass empirische Forschung mehr über die Welt in Erfahrung bringt. Beide Themenstellungen sind zentral mit der Frage verbunden, wie man sich den Faktor der Erfah” rung“ und den Anteil der Entdeckung“ von Gegenständen im obigen Zitat ” zu denken hat. 72 [Put77] S. 136 etwa Punkte als Limiten von Strecken der Länge 2−x oder 3−x , etc. 74 vgl. etwa [Put81d] S.78, [Put80c] S. 159 Putnam betont wiederholt, dass it makes no sense to think of the world ” as ‘dividing itself up’ into ‘objects’ (or ‘entities’) independently of our use of language.“ ([Put92f] S. 434) Begriffe wie ‘Entity’, ‘object’, ‘event’, ‘situati” on’, ‘fact’, ‘property’, etc. have no fixed use but an ever expanding family of uses.“ und dasselbe gilt für ‘Existenz’. Damit geben wir der Welt durch unser begriffliches Schema und die Art und Weise, wie wir dieses benutzen, eine Struktur vor, wir teilen sie auf“. Das heißt allerdings nicht, dass wir ” die Welt machen. Putnam will gerade nicht den radikalen Idealismus, den er Goodman unterstellt. Und während er talk of ‘independent existence’“ von ” Entitäten als deeply problematic“ bezeichnet75 , hält er dennoch daran fest, ” dass (with our language in place) [we] must say that the sky is blue, and that ” that fact is (causally and logically) independent of how we talk“ ([Put92f] S. 433). Mit einem fixierten begrifflichen Schema macht es auch Sinn von empirischer Forschung etwa über Elektronen zu sprechen. Die Frage, ob es unabhängig von diesem begrifflichen Schema in der Welt Elektronen gibt, macht keinen Sinn. So heißt es auch, dass stars are indeed independent of ” our minds in the sense of being causally independent; we did not make the stars. But we did make the concept star“ ([Put91] S. 407). Das heißt nun eben auch, dass es mit einem begrifflichen Schema in place“ Sinn macht, davon ” zu sprechen, Sachverhalte, auch Gegenstände zu entdecken“. Wir entdecken ” aber neue Quanten-Teilchen eben nur im begrifflichen Schema der Physik, die wir betreiben. Wie wären diese Gedanken auf die These, dass Bedeutungen nicht im Kopf sind anzuwenden? Ist es etwa mit obigen Ansichten vereinbar, dass XYZ kein Wasser in unserer Sprache (als Bewohner der Erde) ist (selbst im Jahre 1750)? Putnam schreibt zunächst: Was Pferde, mit denen ich nicht ” interagiert habe, zu Wesen ‘derselben Art’ macht wie Pferde, mit denen ich interagiert habe, ist die Tatsache, dass erstere ebenso wie letztere Pferde sind.“ Des weiteren betont er, dass ‘von derselben Art’ keinen Sinn außerhalb eines ” Kategoriensystems macht, das sagt welche Eigenschaften als Ähnlichkeiten zählen und welche nicht.“ ([Put80c] S. 160) Doch dies scheint gerade der These aus [Put75e] zu widersprechen, dass die Ähnlichkeitsrelation gerade von der Umwelt und nicht durch die jeweilig aktuelle Deskription geleistet wird. Aus obigem Zitat folgt doch gerade, dass Wasser im Jahre 1750 auch XYZ umfasst, gerade weil der begriffliche Rahmen zwischen H2 O und XYZ noch nicht zu unterscheiden in der Lage war. Diese Analyse ist jedoch vorschnell. Ein gegebenes begriffliches Schema (etwa im Jahre 1750) gibt uns an, was wir Wasser“ nennen, und was wir als Ähnlichkeit betrachten (etwa damals ” der Aggregatzustand flüssig, etc.). In diesem Sinne spalten wir die Welt in 73 126 75 [Put92f] S. 433 127 Gegenstände auf. Doch entspricht es unseren linguistischen Intentionen für NKTs wie ‘Wasser’, diese so zu benutzen, dass wir damit gerade das meinen, was die gleiche innere Struktur besitzt, wie die paradigmatischen Beispiele in unserer Umgebung. In gerade der Umgebung die durch unser begriffliches Schema strukturiert ist (aber eben nicht gemacht). Und gerade an diesem Punkt kommt die empirische Erfahrung ins Spiel, das ‘Faktische’, allerdings nicht im Sinne des metaphysischen Realisten als unabhängig von unseren begrifflichen Schematas. Es kommt zu der oben erwähnten Feedback-Schleife. Die ‘selbst-identifizierenden Gegenstände’ des internen Realisten sind nicht, wie diejenigen des metaphysischen Realisten, Entitäten der noumenalen Welt, die auf okkulte Weise die Interpretation unserer Zeichensysteme beeinflussen. Wir müssen keine Interpretationsleitern erklimmen, von unseren Zeichen zu Entitäten einer noumenalen Welt, die, haben wir die Interpretation einmal geleistet weggeschmissen werden können. Vielmehr bringt die Welt, wie wir sie durch unsere begrifflichen Schemata sehen, die Interpretation frei Haus. Putnam demonstriert das an Wittgensteins Hase-Enten-Kopf. Das ‘geistige ” Bild’ ist stets eindeutig ein Hasenbild oder ein Entenbild [. . . ]. Daraus folgt, dass geistige Bilder in Wirklichkeit ganz anders als physikalische Bilder sind [. . . ]. Wir können diesen Unterschied dadurch ausdrücken, dass wir sagen, die Interpretation sei im ‘geistigen Bild’ eingebaut [. . . ]“ ([Put82c] S. 179). 4.3.5 Die Welt als gigantischer multidimensionaler HaseEnten Kopf Wir haben oben gesehen, dass Putnam scheinbar die holistische Form des moderaten Realismus ablehnt. Dies war nicht ganz klar aus seiner Argumentation erkenntlich, da er sich in seiner Beschreibung eines sophisticated ” realism“ nur auf die nicht-holistische Form desselben bezieht. Diese sieht eine geistunabhängige Welt in der Weise vor, dass die Entitäten derselben in verschiedener Weise beschrieben werden können. So etwa gibt es in der noumenalen Welt Entitäten, die sowohl als nulldimensionaler Punkt, als auch als Punkt im Sinne einer Limeskonstruktion von Strecken beschrieben werden kann. Die Frage, was diese Entität in Wirklichkeit“ ist, bleibt in dieser ” Form des moderaten metaphysischen Realismus in analoger Weise sinnlos, wie für einen internen Realisten. Putnam gab zwei Argumente gegen diese Form des Realismus. 1. Selbst der Begriff der Kardinalität ist von unserem begrifflichen Schema abhängig. So unterscheidet sich die Anzahl der Elemente im Universum aus der Sicht von jemanden, der auch mereologische Summen als Objekte ansetzt, von derjenigen aus der Sicht von jemanden, der 128 dieselben nicht als Objekte zählt. Wenn so zentrale Begriffe, wie der des Objekts und der der Kardinalität jeweils von unseren begrifflichen Schemata abhängen, so macht es keinen Sinn, davon auszugehen, dass eine noumenale Welt über eine festgesetzte, geistunabhängige Anzahl von Entitäten verfügt, gerade auch deshalb, weil selbst, wenn dem so wäre, uns der Zugang zu dieser Welt, d.h. unabhängig von unseren begrifflichen Schemata, verwehrt bleibt. 2. Da so viele und so zentrale Eigenschaften von unseren begrifflichen Schemas abhängen, macht es keinen Sinn der Welt gerade diese Eigenschaft zu geben, die ihr der moderate Realismus geben will. Die holistische Form des moderaten Realismus ist durch Argument (1) nicht angegriffen. Diese behauptet lediglich, dass die Welt in der Weise multistrukturell ist, dass sie durch vielerlei Beschreibungen korrekt beschrieben werden kann. Ich hab dies mit Wittgensteins Hase-Enten Kopf verglichen, insofern als dieser sowohl als Hase, als auch als Ente gesehen werden kann. Welche Entitäten ich als einzelne darin identifiziere, hängt ganz davon ab, als was ich diesen sehe. Sehe ich ihn etwa als Ente, so sehe ich einen Schnabel, ein Auge, etc. Sehe ich ihn dagegen als Hase, so sehe ich zwei Ohren, ein Auge, etc. Man beachte, dass gerade die Frage, wie viele Entitäten es gibt, von welcher Art diese sind, d.h. die Fragen nach Existenz“, Objekt“, Kardi” ” ” nalität“, etc. gerade von meinem Schema abhängen. Ist mein Schema fixiert, so ist die Interpretation, wie Putnam oben bemerkt, meinem begrifflichen Schema inhärent. Im Gegensatz dazu, kann man in der nicht-holistischen Variante die einzelnen Entitäten als multi-strukturelle Hasen-Enten-Köpfe sehen. So lässt sich die den verschiedenen Beschreibungen zugrunde liegende Entität sowohl als nulldimensionaler Punkt als auch als Punkt im Sinne einer Limeskonstruktion beschreiben. Argument (2) richtet sich gegen beide Arten des moderaten Realismus. Wenn so viele und so zentrale Eigenschaften der Welt sich als relativ zu und abhängig von unseren begrifflichen Schemata erweisen, so ist es sinnlos der Welt an sich“ unabhängig von unseren Schemata überhaupt irgendei” ne Eigenschaft zu verleihen, also inklusive der Eigenschaften etwa im Sinne der holistischen Variante des moderaten Realismus multistrukturell im Sinne eines multidimensionalen Hasen-Enten-Kopfes zu sein. Das Problem, das sich nun für Putnam ergibt, ist folgendes. Im Sinne des Realismus will Putnam gerade an der Vorstellung festhalten, dass verschiedene Theorien, verschiedene Beschreibungen der Welt wahr sein können, in der wir zumindest von bits that are right and wrong“ ausgehen, wenn auch ” jeweils by standards appropriate to [a] scheme itself“ ([Put87b] S. 98). Die ” 129 Streitfrage ist nun, ob das nicht gerade eine Welt im Sinne des holistischen moderaten Realismus impliziert. Denn damit behauptet doch Putnam gerade, dass die Welt von der Art ist, dass sie in verschiedener Art und Weise beschrieben werden kann. Mit Argument (2) wird dies jedoch gerade als unsinnig kritisiert. Letzten Endes jedoch, so scheint es, sind wir doch wieder, gerade wenn man eine realistische (wie auch immer geartete) Ansicht vertreten will und von Wahrheit sprechen will, und gleichzeitig am Bild der ein” und derselben Welt“ festhalten will, gezwungen zu fragen, Versionen von ” was?“, Hinsichten von was?“, Aspekte von was?“. ” ” Putnam lässt sich trotz der Hegelian metapher“ nicht auf einen dialekti” schen Ansatz ein. In diesem Sinne verbleibt der interne Realist in seltsamer Weise Seiltänzer auf Kants Pfaden. Leider hat sich Putnam nicht bemüht die interessante Randbemerkung über die Denknotwendigkeit der geistunabhängigen Welt76 systematisch vor allem im Zusammenhang mit seiner Konzeption des internen Realismus weiter zu untersuchen. Doch in dieser Weise hinterlässt er seine Leser in der ungemütlichen rätselhaften Spannung eines Kulminationspunktes mit dem unguten Gefühl einer offenen Frage. 4.3.6 Exkurs: Putnam und die Quasi-Metaphorik Wir wollen an dieser Stelle noch einmal auf die bereits eingangs zitierte Metapher the mind and the world jointly making up the mind and the world“ ” zu sprechen kommen. Putnams bildhafte Sprechweise versucht uns etwas zum Verhältnis von Sprache und Welt mitzuteilen. Es ist angebracht, die Frage zu stellen, wie Putnam in solchen Passagen Sprache benutzt. In Putnams Textkorpus sind keine Meta-Reflexion dieser Art aufzufinden, deshalb nähern wir uns der Frage mit Derridas Überlegungen zur Metapher an. Derrida setzt sich in Der Entzug der Metapher“ ([Der87]) mit der Meta” pher vor allem im Zusammenhang mit Heideggers Spätphilosophie auseinander, die geprägt ist von bildhaften Sprechweisen. Derrida stellt fest, dass es sich dabei nicht um gewöhnliche Metaphern handeln kann. Ein Beispiel wäre etwa die Metapher vom Haus des Seins“.77 Einen Grund dafür sieht Derrida ” darin, dass es nicht möglich ist, über Sein buchstäblich oder metaphorisch zu sprechen.78 Dagegen sprechen wir an solchen Stellen in quasi-metaphorischer Weise. Üblicherweise ist der Gang der Metapher von einem vertrauten Prädikat zu einem weniger vertrauten, [. . . ] unheimlichen“ Gegenstand. Es findet da” 76 vgl. Seite 109 Etwa in Brief über den Humanismus ([Hei67]): Das Denken baut am Haus des Seins“ ” oder Sprache ist das Haus das Seins“ 78 ” vgl. [Str] 77 130 durch eine Aufhellung mit Hilfe des Umwegs über das Vertraute statt. Die Quasi-Metapher ist nun durch eine Subversion des Vertrauten gekennzeichnet, dem Vertrauten wird im Verlauf des Gangs der Metapher gerade der Charakter der Vertrautheit entzogen, es wird unheimlich“, die Sicherheit ” des Nächsten und Bekannten gerät ins Schwanken. Bei der Heideggerschen Metapher des Haus des Seins“ handelt es sich ” gerade nicht im Sinne von herkömmlichen Metaphern um eine Übertragung eines vertrauten Sinns (das Haus) auf einen entfernten, weniger vertrauten Gegenstand (das Sein). Dieser Umweg über das Nächste zum vorerst Unheimlichen ist Heidegger durch das Denken der ontisch-ontologischen Differenz versperrt: gerade das Sein gibt aus seinem Entzug selbst das Haus [. . . ] ” als das Zu-Denkende auf“ ([Der87] S. 342). Wenn man mit dem frühen Wittgenstein über das Verhältnis von Sprache und Welt nicht wörtlich oder metaphorisch sprechen kann,79 muss es sich bei Putnams Bild mit Derrida um eine Quasi-Metapher handeln. Auch sie beginnt zunächst mit mind“ und world“ beim aus der Lebenswelt vertrauten ” ” (vgl. oben das Haus“). Doch im Verlauf der Metapher findet eine metapho” rische Subversion der Dichotomie von Geist und Welt statt. Die Begriffe werden uns unheimlich, indem sie sich jointly“ selbst erzeugen. Entsprechend ” bemerkt Putnam im Zusammenhang mit der Kausalität: The causal structure of the world is not physical in the sense of being built into what we conceive of as physical reality. But that doens’t mean that it is pasted into physical reality by the mind. It means, rather that ‘physical reality’ and ‘mind’ are both abstractions from a world in which things having dispositions, causing one another, having modal properties, are simply matters of course. Like all matters of course, causality can be seen as either the most banal or the most mysterious thing in the world. As is so often the case, each of these ways of seeing it contains a profound insight. ([Put84b] S. 95) Man könnte mit Putnam an dieser Stelle einwenden, dass there is nothing ” ‘indescribable’ in the relation of language to the world“ ([Put78b] S. 111), denn [a]fter one has learned one’s language one can talk about anything ” - including the correspondence in question.“ Ähnlich äußert sich Putnam 79 vgl. etwa [Wit84] S. 33 § 4.121 [. . . ] Was sich in der Sprache ausdrückt, können wir nicht durch sie ausdrücken. Der Satz zeigt die logische Form der Wirklichkeit. Er weist sie auf. 131 sehr viel später: Given a definite language in place and a definite scheme of ” ‘objects’, the relation between ‘words and objects’ is not at all indescribable; but it does not have a single metaphysically privileged description any more than objects do.“ ([Put94c] S. 309) Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es Putnams Ziel ist, uns ein Bild über Sprache und deren Verhältnis zur Welt im Allgemeinen zu geben und nicht über Referenz aus der Sicht eines (Meta-)Sprachspiels in place“. Wenn man beispielsweise das Inventar eines ” Zimmers in zwei verschiedenen Vokabularen beschreibt, dann ist es nicht so, als one cannot talk about how those vocabularies relate to the familiar ” objects in the room“. Vielmehr gilt hier, dass one can do that in a variety ” of ways, depending on what the purpose of the explanation is.“ ([Put94c] S. 309) Putnam liegt mit seiner Metapher jedoch an einer Perspektive jenseits des unendlichen Regress an Metasprachen.80 4.4 Die Wissenschaft und das Problem der Referenz In Putnams Wissenschaftsphilosophie spielt der bei Shapere entnommene Begriff des trans-theoretischen Terms eine zentrale Rolle.81 Bevor wir später ausführlicher auf Shaperes kritische Gedanken zu sprechen kommen, sei bereits hier erwähnt, dass er sich etwa in Evolution and Continuity in Scientific ” Change“ ([Sha89]) kritisch von Putnams Ansatz distanziert. Trans-theoretische Terme sind solche, die in verschiedenen Theorien dieselbe Referenz haben“ ” ([Put73c] S. 28). Wir wollen im Folgenden zeigen, dass sich der Begriff des trans-theoretischen Terms aus Putnams Prinzip des Vertrauensvorschuss82 ableitet und dazu führt, dass (i) Begriffe, die nicht genau auf irgend etwas zutreffen, können dennoch ” auf etwas referieren; Putnam gibt dabei dem Taufereignis einen hohen Stellenwert: [. . . ] so” bald festgelegt ist, worauf referiert wird, kann man das Wort verwenden, um beliebig viele Theorien darüber formulieren.“ ([Put73c] S. 34) Wir wollen uns noch einmal ein paradigmatisches wissenschaftliches Taufereignis veranschaulichen. In einem theoretischen Rahmen T gibt es eine Gruppe von im Sinne von T ‘auffälligen’ Effekten/Phänomenen P . Im Zusammenhang mit den Rahmenprinzipien sind die Forscher motiviert, eine neue Entität X zu stipulieren, die für die Phänomene aus P verantwortlich gemacht wird. Zusammen mit der Taufe werden der neuen Entität Eigenschaften zugeteilt, nämlich gerade diejenigen die zur Fixierung der Referenz zu Hilfe genommen worden sind (also etwa X verursacht P1“, mit P1 ∈ P ). Das Prinzip Ver” trauensvorschuss behauptet nun, dass dies nicht im Sinne einer Synonymie geschieht. Vielmehr liegt es in der Intention der Forscher, zukünftige Korrekturen im Sinne der Eigenschaften, die X zugeschrieben werden, zuzulassen. Damit entspricht es auch der Intention der Taufenden, unter Beibehalt der Referenz theoretische Veränderungen zuzulassen. So ändert sich etwa beim Wechsel von Bohrs frühen Modell zum quantentheoretisch geprägten späteren die Referenz des Begriffs Elektron nicht.83 Es kann selbstverständlich vorkommen, dass alle oder nahezu alle der Phänomene aus P im Laufe der Zeit anderen (abstrakten oder materiellen) Entitäten zugeteilt werden (in dem Sinne, dass diese dafür verantwortlich gemacht werden). In einem solchen Fall schwindet mehr und mehr die Evidenz für die Existenz von X und der Begriff wird unter Umständen aufgegeben (so etwa geschehen mit Phlogiston“). ” Aus dieser Konzeption speist sich Putnams Kritik an kontextuellen Bedeutungstheorien, wie sie etwa von Carnap, Kuhn und Feyerabend vertreten werden.84 Putnam kritisiert etwa die Inkommensurabilitätsthese, wie er sie Kuhn und Feyerabend unterstellt, als zum einen selbstwidersprüchlich85 und zum anderen als falsch hinsichtlich unserer sprachlichen Intuitionen.86 83 vgl. bzgl. des Metasprachen-Regresses [Put90c] S. 14 vgl. [Put73c] S. 28 82 In Verbindung mit anderen Prinzipien aus Putnams kausaler Theorie der Referenz, wie die Rolle der Umwelt und die sprachliche Arbeitsteilung. Wie wir jedoch oben gesehen, werden diese vom Prinzip des Vertrauensvorschuss vorausgesetzt. vgl. etwa [Put88] S. 41f. Shapere unterscheidet derer drei, je nach dem, was den Kontext im einzelnen konstituiert: (i) eine Theorie ( That sense of ‘context’ carries with it all the vagueness and ” ambiguity of the term ‘theory’.“ ([Sha89] S. 420)); (ii) eine spezielle Theorie, etwa mit Feyerabend eine ‘high-level background theory’; (iii) ein umfassender Ansatz als Theorie, etwa Quines ‘Netz’ oder Kuhns Paradigmen. 85 I want to say that this thesis [thesis of incommensurability] [. . . ] is a self-refuting ” thesis.“ ([Put81c] S. 114) 86 Die Auseinandersetzungen um den Begriff der Inkommensurabilität zwischen Putnam, Feyerabend und Kuhn sind sehr vielschichtig und erfordern tiefgreifende Analysen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden können. Paradoxerweise scheinen sie selbst durch ein hohes Maß an Inkommensurabilität“ geprägt zu sein, so weist etwa je” der Autor eine andere Konzeption von Begriffen wie Übersetzung“, Interpretation“ und ” ” 132 133 (ii) und Begriffe in verschiedenen Theorien können auf dasselbe referieren.“ ([Put73c] S. 28 - Nummerierung von mir eingeführt) Aussage (i) ist mit dem Prinzip des Vertrauensvorschuss gegeben, während (ii) aus der Definition der trans-theoretischen Terme folgt. Wir müssen also aus dem Prinzip des Vertrauensvorschuss (ii) motivieren. 80 81 84 Da mit dem Prinzip des Vertrauensvorschuss vernünftige Modifikatio” nen“ an den Beschreibungen, die wir einmal eingeführten Entitäten geben, nicht ausgeschlossen sind, wird Putnam zum einem dem Zug der Wissenschaft gerecht, gerade darauf ausgerichtet zu sein, herauszufinden, was eine Entität ist, d.h. u.A. welche Eigenschaften sie hat, was gerade Veränderung der Beschreibungen einschließt,87 denn [w]e do not expect that present-day physics ” will survive without change; we expect that tomorrow’s theory will have conceptual and empirical disagreements with present-day theory.“ ([Put82b] S. Inkommensurabilität“ auf, so dass es eine schwierige Aufgabe ist, die Diskussion in ei” ner (Meta-)Sprache zu formulieren, die die Bedeutungsnuancen geeignet berücksichtigt. Darüber hinaus ist gerade Kuhns Auffassung einem fließenden Wandel unterworfen. Die Einschätzung desselben differiert wiederum in der Sekundärliteratur und gegenüber der Selbsteinschätzung. Putnam gibt etwa einen Überblick in The Craving for Objectivity“ ” im Sinne von drei Stufen: von radikaler Inkommensurabilitätsthese über eine aufgeweichte Form desselben hin zu [s]omething that is thought to be better than interpretation [. . . ], ” the structural description of theories.“ ([Put84a] S. 127/128) Es soll an dieser Stelle lediglich ein kurzer Überblick über den Diskurs gegeben werden. Mit Two Conceptions of ” Rationality“ kritisiert Putnam Kuhn und Feyerabend scharf bzgl. der These der Inkommensurabilität: I want to claim that both of the two most influential philosophies of science ” of the twentieth century [. . . ] are self-refuting.“ ([Put81c] S. 114) Der Selbstwiderspruch wird v.a. in methodischer Hinsicht begangen, da [t]o tell us that Galileo had ‘incom” mensurable’ notions and then to go on to describe them at length is totally incoherent.“ ([Put81c] S. 115) Feyerabend antwortet direkt darauf in Putnam on Incommensurability“ ” ([Fey87]) und wehrt sich gegen u.A. gegen den Vorwurf der Selbstwidersprüchlichkeit: I ” shall show that while [incommensurability] may have unusual consequences, self refutation is not one of them.“ (S. 76) Feyerabend betont mit Beispielen aus der Literatur (Ilias) und aus der Geschichte der Wissenschaft (Galileo), dass Bedeutungsveränderungen Verstehen und Intelligibilität nicht unterbinden müssen, ganz im Gegenteil [s]peaking a language or ” explaining a situation, after all, means both following rules and changing them; it is an almost inextricable web of logical and rhetorical moves.“ (S. 79) Weder müssen für Verstehensprozesse Übersetzung vorausgesetzt werden - es besteht die Möglichkeit eine Sprache from scratch“ zu erlernen -, noch ist für eine erfolgreiche Übersetzung Synonymie er” forderlich (Letzterem Punkt stimmt Putnam ohnehin zu ( real synonymy apart from all ” workable practices of mutual interpretation, has been discarded as a myth.“ ([Put81c] S. 116))). Auch Kuhn stellt sich in verschiedenen Schriften der Kritik von seiten Putnams und anderen Autoren bzgl. seines Begriffs der Inkommensurabilität, etwa in Commen” surability, Comparability, Communicability“ ([Kuh83]), Possible Worlds in History of ” Science“ ([Kuh89]), The Road since Structure“ ([Kuh90b]), sowie Metaphor in Science“ ” ” ([Kuh79]). Es würde eine eigene Untersuchung erfordern, festzustellen, wie viel in Kuhns Argumentation Klarstellung und wie viel Reinterpretation ist. Putnam greift das Thema der Inkommensurabilität noch einmal auf in The Craving for Objectivity“ ([Put84a]) und ” macht dabei noch einmal sein PVV stark. 87 Putnam hat jedoch die wissenschaftliche Zielsetzung niemals darauf eingeschränkt, wie ihm das Shapere vorwirft ([Sha89] S. 425): there is no one ‘aim of science’, no one ” ‘function of scientific theories’“ ([Put65b] S. 257) 134 199) Zum anderen müssen wir, wie Shapere dies formuliert, reject the view ” that the properties ascribed to kinds of things and substances, whether initially or subsequently, can be treated as the unalterable ‘meanings’ of the terms we use to refer to those kinds of things and substances, as ‘defining properties’ of them, in the sense either of a set of necessary and/or sufficient conditions for applying the term or a set (cluster) of conditions ‘enough’ of which must be satisfied.“ ([Sha89] S. 423) Behielten die kontextuellen Bedeutungstheorien recht, so ergäben sich mit Putnam zentrale Bedrohungen für einen wissenschaftlichen Realismus: 1. Theorien sind nicht vergleichbar bzw. sie werden inkommensurabel;88 2. in diesem Sinne ist es nicht ersichtlich, wie noch von einer Konvergenz von Wissenschaften, oder von wissenschaftlichem Fortschritt gesprochen werden kann (wenn nicht rein quantitativ); 3. es ergibt sich die Meta-Induktive Gefahr“. Wenn sich mit einer Verände” rung der Theorie, oder des Paradigmas, jeweils die Referenz von zentralen Begriffen verändert, so kann man daraus induktiv folgern, dass keiner unserer wissenschaftlichen Begriffe referiert. Putnam betont, dass für eine Vergleichbarkeit der Theorien gerade nicht eine Gemeinsamkeit bzgl. der Bedeutungen vorausgesetzt werden muss, sondern es genügt, dass es ausreichend viele Termini mit derselben Referenz gibt“ ” ([Put75d] S. 63). Da PVV gerade ein Verfahren zur Bewahrung von Refe” renz durch Theoriewechsel hindurch darstellt“ ([Put75d] S. 63), sichert es die Vergleichbarkeit von selbst radikal verschiedenen Theorien“. Selbst wenn ” etwa das Wort ‘Pflanze’ is connected today with a quite different body of ” belief from that a hundred years ago“ ([Put82b] S. 200), so gehen wir doch von einer gemeinsamen Referenz aus, die, da sie uns über dieselben Dinge sprechen lässt, eine Vergleichbarkeit des Deutschen heute und des Deutschen vor etwa 100 Jahren zulässt. Da nun PVV gerade auch für theoretische Termini der Wissenschaft Gültigkeit beansprucht, gilt obiger Zusammenhang auch für die Vergleichbarkeit von verschiedenen Theorien.89 Mit Vermeidung von (i) ist nun aber auch eine notwendige Bedingung für die Vermeidung von (ii) und (iii) erfüllt. Um von wissenschaftlichem 88 Für Putnam sind diese Begriffe bzgl. wissenschaftlicher Theorien koextensiv, nicht so für Kuhn (vgl. [Kuh83] S. 35f.) und Feyerabend (vgl. [Fey87] v.a. S. 81). 89 Putnam hat in seiner Argumentation vor allem eine Vergleichbarkeit in diachroner Hinsicht im Sinn (Vorgänger und Nachfolgertheorien). Es spricht aber prinzipiell nichts dagegen, sein Prinzip auch bzgl. der Vergleichbarkeit in synchroner Hinsicht anzuwenden, etwa dann wenn beide Theorien auf gemeinsame Einführungsereignisse der entsprechenden Terme zurückblicken können. 135 Fortschritt zu sprechen, muss eine Vergleichbarkeit zumindest im diachronen Sinne, d.h. von Vorgänger zu Nachfolgertheorien, vorliegen. Dies gilt in einem gewissen Sinn selbst dann, wenn man ein operationalistisches Kriterium anlegt, wie das Leisten von präziseren Vorhersagen,90 indem gewöhlich Beobachtungsaussagen mit Hilfe von theoretischen Termen geführt werden. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass PVV alleine keineswegs eine hinreichende Bedingung für einen wissenschaftlichen Fortschritt abgibt. Selbst, wenn etwa ein Term X bei Einführung in Theorie T1 mit Eigenschaften P1 = {A, B, C, D} verbunden wird und sich diese in Theorie T2 zu P2 = {A, B, E, F } und schließlich in T3 zu P3 = {A, G, E, F } wandeln, und PVV garantiert, dass die Referenz von X“ erhalten bleibt, so werden ” darüber hinaus noch andere Kriterien benötigt, welche die Frage zu beantworten ermöglichen, warum und inwiefern die Zuschreibung von P3 einen Fortschritt gegenüber der Zuschreibung von P1 oder von P2 darstellt. Dagegen stellt sich PVV bereits als hinreichende Bedingung zur Vermeidung von (iii) heraus, außer man setzt die Induktion auf Grundlage von zahlreichen Termen wie Phlogiston“ oder Äther“, die als nullreferentiell ” ” aus dem wissenschaftlichen Verkehr ausgeschieden sind, radikaler an.91 Es 90 Man könnte versuchen, dies zu umgehen, indem man bspw. eine strikte Dichotomie von Beobachtungs- und theoretischem Vokabular und das Beobachtungsvokabular als trans-theoretisch ansetzt. In diesem Sinne müsste man keine Vergleichbarkeit bzgl. des theoretischen Vokabulars von wissenschaftlichen Theorien behaupten, könnte aber entsprechend an einem operationalistischen Begriff des wissenschaftlichen Fortschritts festhalten. So sehr Putnam eine strikte Trennung von Beobachtungs- und theoretischen Vokabular ablehnt, so will er doch an der Begriffsopposition festhalten. Zwar lässt sich mit Craigs Theorem zeigen, dass, gegeben eine Formalisierung aller Behauptungen in wissenschaftlicher Sprache, so ist etwa die Untertheorie, bestehend aus denjenigen Aussagen die nur über das Beobachtungsvokabular definiert sind, rekursiv axiomatisierbar. This has led ” some authors to advance the argument that, since the purpose of science is successful prediction, theoretical terms are in principle unnecessary.“ ([Put65b] S. 255) In Craig’s ” Theorem“ ([Put65b]) und What Theories are not“ ([Put62c]) kritisiert Putnam u.A. die ” operationalistische Voraussetzung obigen Arguments, dass es der Zweck der Wissenschaften wäre, erfolgreiche Voraussagen zu leisten. There is no one aim of science“ und ein Ziel ” der Wissenschaften ist es gerade to explain [the] behaviour and properties [of theoretical ” entities] better“ ([Put65b] S. 257). Er versucht dabei die Intelligibilität von theoretischen Termen nachzuweisen, unter anderem dadurch, indem er versucht aufzuzeigen, inwiefern deren Gebrauch so tief in der menschlichen Sprache verwurzelt ist, dass [t]here never was ” a stage of language at which it was impossible to talk about unobservables“ und [t]here ” is not even a single term of which it is true to say that it could not [. . . ] be used to refer to unobservables.“ ([Put62c] S. 218) 91 Aber man könnte in diesem Falle dagegen kritisch anmerken, dass es sich dabei eher um eine hastige Generalisierung handelt, wobei wiederum Induktions-kritische Geister dies wohl einer jeden Induktion unterstellen würden (wobei es sich wohl wiederum um eine hastige Generalisierung handeln würde...). 136 sei auch angemerkt, dass obige Induktion nur dann - unter Ablehnung von PVV - erfolgreich durchgeführt werden kann, wenn man eine Konvergenz der Wissenschaften in dem Sinn ansetzt, dass einmal erfolgte Veränderung von Referenz gleichzeitig die Interpretation des entsprechenden Terms im Vorgängermodell als leer aufzeigt. Sonst könnte man jeweils behaupten, dass der Term in einem Vorgängermodell erfolgreich referiert haben mag und würde die Induktion der Induktionsbasis berauben. Man hat nur jeweils kein Kriterium zur Verfügung, um zu beurteilen, wann eine erfolgreiche Referenz erfolgt und wann nicht.92 Putnam versucht mit seiner Wende hin zum Primat der Referenz sozusagen den Spieß hinsichtlich der Vertreter der kontextuellen Bedeutungstheorien umdrehen. Instead of seeig meaning as entities which determine reference, ” we now are trying to see meanings as largely determined by reference, and reference as largely determined by causal connections.“ ([Put74a] S. 606) Die Bewahrung der Referenz wird gewährleistet durch den/die indexikalisch geprägten Taufereignisse und die kausale Verbindung der Sprecher, die konstituiert ist durch die Sprecherintentionen, jeweils auf die gleiche Entität zu referieren wie Experten, bzw. wie die Taufenden. Dabei liegt es desweiteren in der Intention der Taufenden/Namengebenden, eine Variabilität bzgl. der Beschreibungen zuzulassen. Beschreibungen auf die sie angewiesen waren, um die Referenz auf die neue Entität festzulegen. 4.4.1 Kritik am Prinzip des Vertrauensvorschuss Reduction ad absurdum Wir wollen im Folgenden ein für Putnams Prinzip des Vertrauensvorschuss PVV problematisches Gedankenexperiment durchführen. Es ist illustriert in Abbildungen 4.1, 4.2 und 4.3. Wir nehmen in Analogie zu unserer Einführung des PVV in Abschnitt 2.6 eine Gruppe von Phänomenen/Effekten P an. In Abbildung 4.1 (links) wird veranschaulicht, inwiefern die Entitäten 1, 2 und 3 sich für unsere Phänomene P verantwortlich zeigen. Diese Ansicht ist sozusagen aus der Sicht Gottes. Für den schraffierten Bereich ist dabei ein/eine (mehr oder weniger) komplizierte Interaktion/Zusammenspiel der Entitäten verantwortlich. Wir wollen an dieser Stelle wieder eine Zwillingserde einführen. Diese 92 Diese Referentielle Blindheit kann man auch im Sinne eines blind realism“ (vgl. ” [Alm92]) ansetzen, der besagt, dass die meisten unserer Theorien wahr sind und erfolgreich referieren, wir können nur nicht beurteilen, welche (vgl. auch Rescher ([Res02] S. 77), der in kritischer Auseinandersetzung mit diesem, sowie Putnam seinen myopic realism“ ” verteidigt.) 137 a 1 X X 2 ? ? X α 3 Abbildung 4.1: Links: Die Situation aus der Sicht Gottes bzw. der perfekten Theorie; Rechts: Die Situation wie sie sich nach Einführung des neuen Terms X“ für beide Gruppen von Wissenschaftlern ergibt. ” sei wie immer völlig Erde in ihrer Beschaffenheit gleich (in physikalischer, biologischer und kultureller Hinsicht). Man Stelle sich nun eine Gruppe von Forschern G1 auf der Erde und eine solche G2 auf der Zwerde vor. Beide Forschergruppe blicken auf dieselbe Geschichte der Wissenschaft zurück, haben dieselben Forschungsfelder und gehören dementsprechend demselben wissenschaftlichen Paradigma an. Beide Gruppen beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit der Gruppe von Phänomenen P und führen einen neuen Term X“ ein, der für diese Effekte verantwortlich gemacht wird.93 Dies ist in ” Abbildung 4.1 (rechts) veranschaulicht.94 Es gibt, wie dies so in der Wissenschaft üblich ist, gewisse problematische Phänomene, die noch nicht ganz einsichtig gemacht werden können mit Hilfe der nun angepassten Theorie T1 . Ein genialer junger Forscher Zweistein aus Gruppe G1 untersucht nun gezielt eine Gruppe dieser und stellt fest, dass durch Einführung einer neuen Entität α sich die meisten der von ihm betrachten problematischen Phänomene auflösen lassen. In unserer Veranschaulichung ergibt sich damit eine im höchsten Maße befriedigende Erklärung für die grün hinterlegte Untermenge von P sowie für den oberen Bereich der blau hinterlegten Untermenge. Es kommt lediglich noch zu kleineren Inkonsistenzen im mittleren Bereich (hervorgehoben durch ein Fragezeichen). Diese halten sich aber gemessen an der Präzision der Experimentiergeräte auf ei93 Verantwortlich gemacht“ ist ein recht vager Ausdruck. Damit ist nicht unbedingt ” gemeint, dass X notwendige und hinreichende Bedingung für P ist, sondern dass X evtl. im Zusammenspiel mit bereits bekannten Entitäten und Prinzipien (entsprechend dem wissenschaftlichen Paradigma/ der wissenschaftlichen Theorie, in der wir uns befinden) kausal, oder im Sinne der Interpretation der Gleichungen und Formeln der Theorie (diese mag evtl. den Begriff der Kausalität abgelegt haben), beteiligt ist. 94 Das Zusammenspiel von X mit anderen bereits bekannten (abstrakten/materiellen) Entitäten wird dabei nicht illustriert. 138 Abbildung 4.2: Stadium 2. Links: Forschungsgruppe 1; Rechts: Forschungsgruppe 2. nem Niveau, das nicht zu größerer Beunruhigung beiträgt. Die entsprechende Theorie sei T2 . In Gruppe G2 stellt sich ein ähnliches Phänomen ein. Auch hier gibt es einen jungen genialen Forscher Dreistein, der seine Aufmerksamkeit einer anderen Untergruppe von problematischen Phänomenen widmet. Diese sind in unserer Illustration im rötlichen Bereich angesiedelt. Auch er stellt fest, dass mit Einführung einer neuen Entität a sich die meisten der von ihm betrachteten problematischen Phänomene erklären lassen. Damit ergibt sich eine bzgl. unserer Abbildung im höchsten Maße befriedigende Erklärung für die rötlich hinterlegten Phänomene. Für Gruppe G2 kommt es nun ebenfalls, gemessen am derzeitigen technischen Stand bzgl. des Experimentierapparatus, noch zu kleineren Inkonsistenzen im mittleren blau hinterlegten Bereich. Die entsprechende Theorie sei T3 . Mit fortschreitender durch den Experimentierapparat gegebenen Präzision kommen beide Gruppen zu tiefergreifenden Einsichten bzgl. der noch offenstehenden Inkonsistenzen. In beiden Fällen lassen sich diese durch die Einführung einer jeweis neuen Entität - auf der Erde genannt β“, auf der ” Zwerde b“ - aufösen, was zu Theorien T4 bzw. T5 führt. Es ergibt sich das ” in Abbildung 4.3 dargestellte Bild. Offenbar befinden sich beide Forschergruppen in der glücklichen Situation, dass die Theorien T4 und T5 strukturell mit der in Abbildung 4.1 (links) illustrierten perfekten Theorie übereinstimmen. Dabei kommt es zu folgenden Entsprechungen: • Entität 1 entspricht in der Terminologie von Gruppe G1 der Entität X und in der Terminologie von Gruppe G2 der Entität a; • Entität 2 entspricht in der Terminologie von Gruppe G1 der Entität β und in der Terminologie von Gruppe G2 der Entität b; 139 X a β b α X Abbildung 4.3: Stadium 3. Links: Forschungsgruppe 1; Rechts: Forschungsgruppe 2. • Entität 3 entspricht in der Terminologie von Gruppe G1 der Entität α und in der Terminologie von Gruppe G2 der Entität X. Das führt zu folgendem Problem für Putnams Prinzip des Vertrauensvorschuss: Obwohl beide Forschungsgruppen ausgehend von derselben Ausgangslage auf dieselbe Weise eine neue Entität X (in Stadium I) einführen, bezeichnet X“ in den beiden Gruppen am Ende jeweils eine andere Entität ” (im absoluten Sinne aus der Sicht Gottes“) - nämlich zum einen 1 und zum ” anderen 3. PVV sollte nun aber, so wie es von Putnam eingeführt worden ist, garantieren, dass man in verschiedenen Theorien eine Invarianz der Referenz erhält, dass sich Nachfolgetheorien jeweils auf dieselben Entitäten beziehen. So würde sich jeweils nur das Wissen um die Eigenschaften der Entitäten verfeinern. Was das Gedankenexperiment jedoch veranschaulicht ist, dass die Frage, auf welche Entität man sich etwa im Stadium I bezieht, von einer kontingenten Entwicklung der darauf folgenden Forschung abhängt. In der Entwicklung, wie sie von Forschungsgruppe G1 vollzogen wurde, bezieht sich X schließlich auf 1, im Falle von G2 auf 3. Beide Forschungsgruppen würden jeweils im Einklang mit PVV für sich behaupten, mehr und mehr erforscht zu haben, was denn X ist. Doch damit stellt sich der von Putnam so ungeliebte kontextuelle Faktor hinsichtlich der Referenz und nicht bloß der Referenz ein. Warum und worauf vertrauen? Shapere seinen Finger auf einen wunden Punkt in der Argumentation von Putnam und versucht diesen mit seiner Konzeption des chain of reasoning“ 95 ” zu lösen. Generell unterstellt Shapere Putnams Ansatz, keine hinreichende Erklärung geben zu können bzgl. (i) der Invariabilität der Referenz und (ii) der Vergleichbarkeit von Theorien. Shapere behauptet, dass in der kausalen Theorie der Referenz, die causal ” linkage should be taken as confirming common reference“ ([Sha89] S. 425), wofür aber no explanation is offered“. Das stimmt nur insofern als man ” übersieht, dass kausale Ketten im Sinne von Kripke und Putnam durch ein intensionales Kriterium konstituiert sind, das besagt, dass ein neues Glied nur dann erfolgreich an die Kette anschließt, wenn der Sprecher, der seinen Wortschatz um einen neuen Term bereichert, intendiert, auf dasselbe zu referieren, wie derjenige von dem er den Term erlernt. Dies hat nun bzgl. der Wissenschaft insofern erklärenden Charakter, als Putnam behauptet, dass Wissenschaftler gewöhnlich solche Intensionen in ihrem Sprachgebrauch vorweisen. Für Shapere ist das jedoch zu wenig. Er frägt weiter, warum dem so ist. Er betont, dass Wissenschaftler sich so verhalten, nur dann, und nur weil etwa zwei durch verschiedene Theorien konstituierte Gebräuche eines Terminus (etwa in der Vorgänger und der Nachfolgertheorie) durch eine hinreichend gute Kette an Erklärungen verknüpft sind. Der Verweis auf sprachliche Intension ist mit Shapere nicht genug, er fragt weiter nach dem Grund eben dieser. For on my view, continuity of reference is established by there being ” reasons for changing the body of properties ascribed to an entity or type of entity.“ ([Sha89] S. 427) Ebenso verhält es sich mit dem Prinzip Vertrauensvorschuss. Es ist ganz richtig, dass wir Wissenschaftlern einen solchen gewähren, doch aktualisiert und reaffirmiert kann dieser jeweils nur werden, wenn eine ausreichend gute Begründung vorliegt. In diesem Sinne ist es zu wenig, sich mit der kausalen Theorie der Referenz und PVV auf die Intensionen der Sprecher zu berufen, um gemeinsame Referenz zu sichern, weil dies insofern zu kurz greift, als dass diese selbst in obigem Sinne erklärungsbedürftig sind und gerade bei einem explanatorischen Defizit kollabieren können. Insofern kann Shapere behaupten, dass [s]uch assurance of continuity is pure pie in the sky“ ([Sha89] S. ” 425). Shapere weist noch auf eine andere Schwierigkeit im Ansatz Putnams hin. So greift eine Beschränkung auf referentielle Aspekte ungeachtet obiger Kritik Dudley Shapere kritisiert Putnam für dessen Konzeption des von ihm entlehnten Begriffs der trans-theoretischen Terme, da [t]hat is not at all what I ” had in mind“ ([Sha89] S. 425). Wir wollen im folgenden auf Shaperes Kritik eingehen, die sich als einerseits zu scharf erweisen wird. Zum anderen setzt 95 [Sha89] S. 427. Shapere spricht auch von einer entire reason-linked series“ ([Sha89] ” S. 429). Wir gehen aufgrund unserer Themenstellung im Rahmen dieser Arbeit nicht detaillierter oder kritisch auf Shaperes Ansatz ein. 140 141 auch deshalb zu kurz als Erklärung und Garant der Vergleichbarkeit von Theorien, weil Komparabilität gerade auch dann erreicht werden soll despite ” the fact, that the central concept in the two theories is different - despite, that is, this lack of common reference.“ ([Sha89] S. 429), wie es sich etwa mit anachronistischen Termen wie Phlogiston“ ergibt. Auch hier garantiert ” nach Shapere ein Begründungskomlex die Kontinuität und Vergleichbarkeit verschiedener wissenschaftlicher Modelle.96 Wir wollen an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das in Abschnitt 4.4.1 angeführte Gedankenexperiment jeweils so angesetzt war, dass bei Übergängen von Theorie T1 zu T2 /T3 und weiter zu T4 /T5 eine hinreichende Begründung für die Vorgehensweise durch die Forschungsgruppen geleistet wurde. In diesem Sinne ist auch Shaperes Ansatz derselben Kritik ausgesetzt. Man könnte versuchen Putnam in zweierlei Hinsicht zu verteidigen. Zum einen besagt PVV für einen namengebenden Wissenschaftler, dass wir an” nehmen sollten, er würde vernünftige Modifikationen seiner Beschreibung akzeptieren.“ (Herv. von mir, [Put75d] S. 56) Die Kriterien für die Vernünftigkeit einer Modifikation werden von Putnam nicht näher erläutert, doch kann man durchaus davon ausgehen, dass eine hinreichende Begründung im Sinne Shaperes notwendig dazu beiträgt. Von Shapere wird desweiteren übergangen, dass Putnam betont, dass PVV auch ein normatives Prinzip“ ([Put75d] S. 56) ist. Wir sollten“ uns ” ” so verhalten, gerade weil sonst eine stabile Referenz auf theoretische En” titäten wohl unmöglich“ wäre. Shapere würde wohl entgegnen, dass sich die Normativität, auf die sich Putnam beruft, gerade aus der Stringenz der Begründung, die gegeben sein muss, speist und es eben gerade in Fällen in denen die Begründung nicht zufriedenstellend ist unintelligibel wäre, auf die normative Struktur zu pochen. In diesem Sinne wäre auch die von Putnam betonte Normativität für sich genommen explanatorisch defizitär und so wenig befriedigend im Sinne einer philosophischen Erklärung. 4.4.2 PVV und der interne Realismus Wir wollen an dieser Stelle das PVV und damit verbunden die Invarianz der Referenz durch verschiedene wissenschaftliche Theorien hindurch im Zusammenhang mit dem internen Realismus diskutieren. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass unser Gedankenexperiment in Abschnitt 4.4.1 in der Perspektive des internen Realismus als metaphysisch rea96 Shapere gibt hier z.B. den Nachweis der Nicht-Existenz einer Entität als Grund an, oder der Nachweis der erfolgreicheren Modellierung unter Aufgabe dieser Entität evtl. unter Einführung anderer Prinzipien oder Entitäten (vgl. [Sha89] S. 430). 142 listisch und damit als sinnlos zu beurteilen ist. So setzt es gerade an entscheidender Stelle eine Struktur der Welt voraus, die von unserem begrifflichen Schema unabhängig ist. Wie ist es aber im internen Realismus verständlich zu machen, dass der Begriff Elektron“ in einer von Newtons Physik geprägten Sicht dieselbe Re” ferenz hat, wie in der Quantenmechanik? Gerade unter Anbetracht der Behauptung, dass wir mit unseren Begriffen die Welt in Gegenstände aufspalten, dass wir mit unserer Sprache zusammen mit der Welt die Welt hervorbringen. Eine nicht noumenale, geistunabhängige Welt, sondern eine Welt, wie sie immer nur für uns gegeben ist. Spaltet in diesem Sinne nicht die Quantenmechanik die Welt in einer fundamental anderen Art auf, als die Physik Newtons? Ist nicht die taxonomische Struktur des begrifflichen Schemas der Quantenmechanik (QM) grundsätzlich unterschiedlich zu der von Newtons Mechanik (NM), so dass eine durch die QM geformte Welt sich zu sehr von einer durch NM geformten Welt unterscheidet, um sinnvoll eine Identität von Entitäten anzunehmen. In derselben Weise hat Putnam für eine Unübersetzbarkeit des Begriffs Objekt“ ” vom Weltbild desjenigen, für den mereologische Summen Objekte sind, zum Weltbild desjenigen, für den sie eben keine sind, argumentiert. Auf der anderen Seite kann man mit Putnam davon ausgehen, dass Punkt“ im Begriffs” schema desjenigen der von nulldimensionalen Entitäten ausgeht, auf dasselbe referiert, wie im Begriffsschema desjenigen, der sie als Limeskonstruktionen ansetzt. Beide Ansätze sind in der Praxis vollkommen äquivalent“ ([Put92i] ” S. 260). Putnam will gerade nicht, wie Goodman oder (zumindest der frühe) Kuhn davon sprechen, dass verschiedene wissenschaftliche Theorien verschiedene Welten erforschen. Bohr findet in ein und derselben Welt mehr über Elektronen heraus. Dabei erlaubt ihm das PVV sich unter Veränderung der zugeschriebenen Eigenschaften dennoch auf dasselbe zu beziehen. An dieser Stelle hätte es der metaphysische Realist leichter, indem er wie folgt argumentieren würde: Bohr erforscht mehr und mehr die wahre Struktur der wirklich in der geistunabhängigen Welt existierenden Entitäten, die wir Elektronen“ nennen. ” Im internen Realismus97 muss auf den Begriff der noumenalen Welt verzichtet werden, zugunsten eines dynamischen Begriffs der Welt, die sich jeweils mit unserem sprachlichen Zugang ändert. Argumentiert Putnam nun im Sinne einer Invarianz von Referenz durch verschiedene begriffliche Schemata hindurch, so muss man sich die (invariante) Referenz zentraler wissenschaftlicher Termini als Fixpunkte der entsprechenden Welt(bilder) denken, 97 Genauso im post-Darwinistischen Kantianismus des späten Kuhn 143 unabhängig davon, dass sich die Eigenschaften dieser Entitäten in verschiedenen begrifflichen Schemata ändern. So schreibt Putnam: wir deuten den ” Begriff Pflanze so, als habe er eine im Zeitverlauf beständige Identität, aber kein Wesen, und den Begriff Elektron fassen wir ebenfalls so auf, als have er eine im Zeitverlauf beständige Identität, aber kein Wesen.“ ([Put88] S. 43) Wäre dem nicht so, dann wäre es nicht möglich, einen vor zweihundert Jah” ren geschriebenen ganz normalen Brief zu interpretieren.“ Wenn dies aber unserer Sprachpraxis im Umgangssprachlichen entspricht, warum dann nicht auch im Wissenschaftlichen?98 Wir wollen zur Veranschaulichung wieder den Hase-Enten-Kopf bemühen99 . Wenn wir etwa in der Hasen-Version den Begriff Auge“ verwenden, so re” ferieren wir auf dieselbe Entität, die der Begriff auch in der Enten-Version aufweist. Dennoch haben Hasen-Augen und Enten-Augen verschiedene Eigenschaften. Dagegen gibt es im Enten-Bild keine Ohren. Vergleiche hierzu etwa den Begriff der Simultanität, der zwar in der Newtonschen Mechanik Sinn macht, allerdings in der Relativitätstheorie (in einer absoluten Interpretation) keinen Sinn mehr macht. Interessanterweise taucht der Begriff in der Quantenmechanik wieder an zentraler Stelle auf. Die Art und Weise, wie wir mit unseren begrifflichen Schemata die Welt in Objekte aufspalten, ist in hohem Maße von Koreferentialität geprägt, die sich jeweils, ganz im Sinne des Primats der Referenz, über Bedeutungsverschiebungen hinweg erhält. 98 Philosophen wie Kuhn würden widersprechen. Dieser betont gerade den cluster“” Aspekt von theoretischen Termen der Wissenschaft. Sie zusammen mit wissenschaftlichen Gesetzen und paradigmatischen Experimentiersituationen constitute an interrelated or ” interdefined set that must be acquired together, as a whole, before any of them can be used, applied to natural phenomena.“ ([Kuh83] S. 44) So müssen etwa Masse“, Kraft“ ” ” und Newtons zweites Gesetz zusammen erlernt werden. Gesetze sind so to speak, built ” into the lexicon“ ([Kuh89] S. 71) und gerade weil das zweite Newtonsche Gesetz keine Anwendung in der Relativitätstheorie findet, können Kraft und Masse nicht dorthin übersetzt werden. Kuhn betont für die erfolgreiche Übersetzung neben der Koreferentialität der Terme auch eine Übereinstimmung der lexikalischen Struktur. [D]ifferent languages ” impose different structures on the world. [. . . ] where the structure is different, the world is different“ ([Kuh83] S. 52) Mit Frege könnte man behaupten, dass Putnam mehr auf die Bedeutung und Kuhn mehr auf den Sinn fokusiert. Dennoch kommt es zu überraschenden Parallelen zwischen den beiden Denkern. So verabschiedet auch Kuhn den metaphysischen Realismus. But the metaphor of mind-independent world [. . . ] prooves to be deeply mis” leading.“ ([Kuh90b] S. 103) Ebenso gilt für die Korrespondenztheorie der Wahrheit, dass sie whether in an absolute or probabilistic form [. . . ] must vanish together with foun” dationalism.“ ([Kuh90b] S. 95) Auch Kuhn steht in der Tradition der kopernikanischen Wende, denn like the Kantian categories, the lexicon supplies preconditions of possible ” experience. But lexical categories, unlike their Kantian forebears, can and do change“ ([Kuh90b] S. 104) Auch hier gilt, dass wenn auch the so-called facts proved never to be ” mere facts, independent of existing belief and theory“ ([Kuh92] S. 108), so gilt trotzdem, dass the world is not invented or constructed“ und wir finden the world already in place ” ” [. . . ] entirely solid“ ([Kuh90b] S. 101). 99 vgl. Abschnitt 4.3.5 144 145 zars Rayuela abschließen, mit dem sich sowohl Putnam, Goodman als auch Kuhn identifizieren dürften: Kapitel 5 Sagen wir, die Welt ist eine Figur, man muss sie lesen. Mit Lesen meinen wir, sie erzeugen. Ausblick Cortazar, Rayuela (S. 438, Suhrkamp 1987) Wir wollen an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen, auf diverse Untersuchungsfelder hinzuweisen, die im Rahmen dieser Arbeit keinen Platz finden konnten, die aber direkt an die vorliegenden Resultate anknüpfen. Putnam ist neben Goodman und Kuhn ein bedeutender Vertreter von Spielarten des, wie ich ihn genannt habe, kopernikanischen Realismus. Wir haben Goodman lediglich aus der Perspektive Putnams porträtiert und seine teilweise scharfe Kritik dargestellt. Dies war etwas unfair. Die Parallelen und Unterschiede der beiden Denkansätze gerade bezüglich der Referenz, der Bedeutung und allgemeiner des Verhältnisses von Sprache und Welt(en) ist ein außerordentlich vielversprechendes und herausforderndes Themengebiet. Sehr viele der hier gewonnenen Resultate könnte dort gewinnbringend einfließen. Dasselbe gilt entsprechend für Kuhn - nicht nur mit dem Streitpunkt Inkommensurabilität eröffnet sich ein breites Gebiet, sondern auch gerade in einer komparativen Studie von Putnams internen Realismus und Kuhns Post-Darwinischen Kantianismus, wie sie bereits in Fußnote 98 angeklungen ist. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass sich mit der Entwicklung Putnams hin zum direkten Realismus eine Wende hin zum Primat der Wahrnehmung vollzogen hat. Wir konnten hier leider nicht mehr darauf eingehen, was dies für die Begriffe der Referenz und der Bedeutungen nach sich zieht. Der Einfluss des überwiegend späten Wittgensteins ist über das Werk Putnams stetig angewachsen. An verschiedenen Stellen dieser Arbeit wurde dies betont. Eine systematische Ausarbeitung desselben konnte natürlich in diesem Rahmen nicht geleistet werden, obgleich sie eine gute Grundlage dafür bereitstellt. Wir wollen die Untersuchung an dieser Stelle mit einem Zitat aus Corta146 147 [Cas03b] Casullo, Albert: A Priori Knowledge. Version: 2003. http://www.unl.edu/philosop/people/faculty/casullo/apriorkn In: Moser, P. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Epistemology. New York: Oxford University Press, 2003 Literaturverzeichnis [Cha75] Chandler, Hugh: Rigid Designation. In: The Journal of Philosophy (1975), S. 363–369 [Con02] Conant, James (Hrsg.): Hilary Putnam: Pragmatism and Realism. Routledge, 2002 [Alm92] Almeder, Robert: Blind Realism: An Essay on Human Knowledge and Natural Science. New Jersey: Rowman and Littlefield, 1992 [Der87] Derrida, Jacques: Der Entzug der Metapher. In: Literatur und Philosophie, Band I der Reihe Poetik. Internationale Beiträge. 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