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Das Verhalten der kriegführenden Staaten gegenüber feindlichen und neutralen Verkehrsflugzeugen im Zweiten Weltkrieg Auch während des Zweiten Weltkriegs fand im Bereich des europäischen Kriegsgebiets wie auch im Kriegsgebiet in Ostasien ziviler Luftverkehr statt. Die Lufthansa hat während des ganzen Krieges ein recht umfangreiches Netz betrieben. Selbst Anfang März 1945 beflog die Lufthansa noch ein Streckennetz, das Flüge von Berlin nach Danzig, Kopenhagen, Malmö, Göteborg, Stockholm, Wisby Rönne und Oslo umfasste und über Trondheim, Bodö, Narvik bis Tromsö. Nach Süden gab es Verbindungen über Prag und Wien nach Zagreb und über MünchenMailand nach Barcelona und weiter nach Madrid, Lissabon, Valencia, Sevilla bis nach Tetuan und Melilla. In den Jahren zuvor wurden auch die Balkanstaaten und die Türkei bedient. Die letzten dokumentierten Linienflüge fanden am 4. Mai 1945 mit Junkers Ju 52 und Focke-Wulf FW 200 statt, zwischen Flensburg bzw Aalborg und Oslo. Den letzten Flug nach und von Danzig führte die Lufthansa im März 1945 aus. Nach Spanien flog die Lufthansa noch bis in den April 1945. Am 6. April 1945 flog die Junkers Ju 290 DAITR nach Barcelona, konnte nach einer Bruchlandung allerdings nicht mehr zurück. Am 12. April 1945 flog die Focke-Wulf FW 200 D-ASHH nach Barcelona und von da über Mailand und München nach Berlin zurück. Die Flugzeuge flogen mit grauer Bemalung und zivilen Kennzeichen. Man muss davon ausgehen, dass Lufthansa-Flugzeuge auch in Gebieten flogen, in denen militärische Bedrohungen nicht selten waren. Die britische BOAC operierte ebenfalls ein großes Netz, nahezu weltweit. Von 1940 bis Kriegsende sogar einen Kurierdienst England-Schweden über norwegisches Territorium, zunächst mit Lockheed 14 Super Electra, einem 14-sitzigen Verkehrsflugzeug, von Februar 1943 bis November 1944 mit De Havilland Mosquito, danach mit Douglas DC 3. Dieser Dienst diente nicht nur der Postbeförderung; die Flugzeuge brachten Kugellager für die britische Rüstungsindustrie zurück und transportierten auch Personen, etwa den dänischen Kernphysiker Niels Bohr. Die Flugzeuge der BOAC trugen in der Regel zivile Kennzeichen und Tarnbemalung. Als im Mai 1943 allerdings eine Flugboot-Verbindung England-Kairo-Karachi eingerichtet wurde, erhielten die Flugzeuge und die Crews einen militärischen Status, da Gebiete passiert werden mussten, in denen militärische Kampfhandlungen stattfanden. Neben deutschen und britischen Luftlinien flogen im europäischen Kriegsgebiet: Die schwedische AB Aerotransport beflog Stockholm-Berlin bis Frühjahr 1945. Eine Kurierlinie Stockholm-London bestand ab Mai 1942. Nach Abschuss zweier DC-3 1943 durch deutsche Jäger verhandelte Schweden mit den kriegführenden Mächten über freies Geleit. Nach weiterem deutschen Angriff –ohne Verlust- wurde das verwendete Flugzeugmuster auf Boeing B-17 (Fliegende Festung) umgestellt, jedoch ohne Bewaffnung und notdürftig für Passagiertransport umgebaut. Es handelte sich um siebn nach Schweden ausgewichene amerikanische Bomber, die die USA an Schweden für einen Dollar und die Freilassung der Besatzungen aus der Internierung verkauften. Die Aero OY aus Finnland bediente ab November 1941 die Linie Helsinki –Tallinn – Riga - Kaunas und ab 1943 Helsinki - Berlin. Der Betrieb wurde eingestellt im September 1944. Die Air France betrieb bis zur deutschen Besetzung 1942 Inlanddienste im unbesetzten Frankreich und in die der Vichy-Regierung folgenden Gebiete in Nordafrika und im Nahen Osten. Außerdem wurden Strecken innerhalb Algerien und Marokko beflogen. In Italien wurde die Ala Littoria in die Luftwaffe integriert. In Italien flog nur die zu Fiat gehörende Avio Linee Italiane ALI sporadische Dienst nach Deutschland. Die spanische Iberia flog nach Mallorca und über Marokko zu den Kanarischen Inseln. Die niederländische KLM bediente bis Mai 1940 Amsterdam- London, danach bis Kriegsende Bristol-Lissabon und Bristol-Gibraltar. Die Swissair beflog ab 1941 Zürich – Stuttgart - Berlin und Zürich – München, ab 1943 nur noch Zürich - Stuttgart. 1944 wurde der Betrieb eingestellt, nachdem eine DC-3 in Stuttgart bei einem Luftangriff am Boden zerstört worden war. Im ostasiatischen Kriegsgebiet flogen sowohl die britische BOAC als auch die chinesische CNAC. Wie verhielten sich nun die kriegführenden Parteien gegenüber feindlichen oder neutralen Verkehrsflugzeugen? War ein unterschiedliches Verhalten über eigenem Territorium, dem vom Feind kontrollierten Territorium oder hoher See festzustellen? Einleitend seien Beispiele für den Abschuss ziviler Verkehrsflugzeuge durch die kriegführenden Staaten aufgeführt: 29. September 1939 Douglas DC-3 PH-ASM der KLM über der Nordsee durch deutsche Jäger 18. Dezember 1939 Junkers JU-52 M-CABA der Iberia südlich Gibraltar durch britische Flak Die sowjetische Luftwaffe schoss im Juni 1940 am Tag vor dem Überfall auf Estland die Morgenmaschine der finnischen Aero OY von Tallinn nach Helsinki ab, eine Junkers Ju 52 mit 10 Passagieren an Bord. 27. November 1940 eine Farman F-224 der Air France F-AROA auf dem Flug nach Beirut südlich Sardinien durch italienische Jäger. Als Passagier an Bord war der neue Hochkommissar der Vichy-Regierung für Syrien und Libanon, Jean Chiappe. 3. Juni 1941 eine De Havilland Dragon der Great Western and Southern Air Lines GACPY über dem Atlantik durch deutsche Jäger 15. Februar 1942 Consolidated Liberator AM 916 der BOAC auf dem Nonstop-Flug von Kairo nach England 5 Meilen vor Plymouth über dem Kanal durch polnische Piloten der RAF. Es gab keine Überlebenden. Es gab eine kriegsgerichtliche Untersuchung des Vorfalls, deren Ergebnis auf Weisung der britischen Regierung geheim gehalten wurde. 13. August 1942 das Air-France Flugboot Liore et Olivier H-246 F-AREJ bei Algier durch britische Jäger 1. Juni 1943 eine DC 3 der BOAC mit 13 Passagieren auf dem Linienflug von Lissabon nach London über der Biscaya durch deutsche Nachtjäger. Leslie Howard, der Ashley Wilkes aus „Vom Winde verweht“, war an Bord. 13. August 1943 eine DC 3 der schwedischen AB Aerotransport SE-BAF über der Nordsee durch deutsche Jäger 22. Oktober 1943 eine DC 3 der schwedischen AB Aerotransport SEBAP vor der schwedischen Küste durch deutsche Jäger 17.April 1944 eine Junkers JU-52/3m D-AOCA der Lufthansa bei Belgrad durch USJäger 2.September 1944 eine Junkers JU52/3m D-AUAW der Lufthansa bei Belgrad durch US- Jäger 27. September 1944 eine Focke-Wulf FW 200 D-AMHL der Lufthansa bei Dijon durch britischen Nachtjäger 17. Oktober 1944 eine Junkers JU-52/3m D-ASHE der Lufthansa über Ungarn durch britische Mosquitos 29. November 1944 eine Focke-Wulf FW 200 D-ARHW auf dem Linienflug nach Stockholm bei Falsterbro durch britische Jäger Im ostasiatischen Kriegsgebiet schossen die Japaner ziemlich regelmäßig Verkehrsflugzeuge der CNAC - China National Aviation Corporation ab. Beim Angriff auf Niederländisch-Ostindien wurden auch mehrere Flugzeuge der KNILM Netherlands East Indies KLM und Flugzeuge und Flugboote der BOAC abgeschossen. Schon 1940 hatten die Japaner eine Dewoitine der Air France FARTD über dem Golf von Tonking abgeschossen. Versucht man das Verhalten der kriegführenden Staaten gegenüber Verkehrsflugzeugen gegnerischer oder neutraler Staaten zu systematisieren, so kann man folgende Fälle unterscheiden: 1. Verkehrsflugzeuge feindlicher Staaten wurden über vom Feind kontrollierten und über eigenem Territorium sowie über hoher See abgeschossen von Kampfflugzeugen Deutschlands, Großbritanniens, Italiens, Japans und der USA. Ob dies immer der Fall war, wenn die Möglichkeit dazu bestand, muss offen bleiben. In Ostasien scheint es der Regelfall gewesen zu sein. Die Kurierverbindung der BOAC zwischen Stockholm und Prestwick/Schottland muss von Deutschland allerdings wohl stillschweigend geduldet worden sein, obwohl sicher bekannt war, dass diese Verbindung in Großbritannien allgemein „ball-bearing-connection“ genannt wurde wegen der von den Flugzeugen aus Schweden importierten Präzisionskugellager. Allerdings ist zu bedenken, dass die diese Linie 1943 und 1944 von De Havilland Mosquito-Flugzeugen mit Tarnbemalung beflogen wurde und in diesem Luftraum nur wenige deutschen Jagdflugzeuge und keine deutschen Nachtjäger vorhanden waren. Auch die Lufthansa-Flüge nach Spanien waren spätestens ab der Landung der Alliierten in Südfrankreich eigentlich nur mit einer gewissen Duldung der Gegenseite aufrecht zu erhalten. 2. Verkehrsflugzeuge neutraler Staaten wurden über hoher See abgeschossen von Kampfflugzeugen Deutschlands, Großbritanniens, Italiens und Japans. Dies scheint aber nicht regelmäßig der Fall gewesen zu sein. Teilweise, wie etwa auf der schwedischen Kurierlinie Stockholm-London, muss eine Art Duldung durch Deutschland – trotz zweier Abschüsse- vorgelegen haben. Dass die kriegführenden Staaten mit dem Angriff auf eigene Verkehrsflugzeuge auch rechneten erkennt man daran, dass von den Briten Tarnbemalung verwendet wurde. Die Vergabe eines militärischen Status an Verkehrsflugzeuge und deren Besatzung, die im Bereich von Kampfgebieten operierten, deutet darauf hin, dass es Großbritannien darauf ankam, den Besatzungen einen Kombattantenstatus zu geben. Die Flugzeuge der Lufthansa trugen keine Tarnbemalung sondern waren dunkelgrau bemalt, Das deutet darauf hin, dass die Flugzeuge häufig nachts operierten, was auch durch den Abschuss von Lufthansa-Flugzeugen durch Nachtjäger belegt wird. Eine Ausnahme in der Art der Bemalung machten die zwischen Gibraltar bzw. Portugal und England operierenden Flugzeuge der KLM, die in einem leuchtenden Orange bemalt waren. Hierzu ist zu bedenken, dass in diesem Seegebiet sowohl die deutsche wie die britische Luftwaffe operierten, dass also die Bemalung auch dafür sorgen musste, dass kein Angriff durch britische Flugzeuge erfolgte. Die deutschen Flugzeuge im Bereich des Seegebietes westlich der Iberischen Halbinsel und über der Irischen See waren in der Regel drei- bzw. sechsmotorige Flugboote der Typen Blohm & Voss BV 138 und BV 222 und viermotorige Kampfflugzeuge des Typs Focke-Wulf FW 200, die zwar eine starke Abwehrbewaffnung trugen, aber für den aktiven Angriff auf feindliche Flugzeuge nicht eingerichtet waren. Diese Fernaufklärer und Kampfflugzeuge des Fliegerführers Atlantik aus Biscarosse bzw. Mont-deMarsan dürften die Flugzeuge der KLM öfter zu Gesicht bekommen aber nicht angegriffen haben. Dass dies nicht grundsätzlich unmöglich gewesen wäre, zeigt der Abschuss einer Consolidated PB4Y Liberator, eines viermotorigen Bombers auf dem Überführungsflug aus den USA, durch ein sechsmotoriges Flugboot BV 222 am 22.Oktober 1943. Die Verkehrsflugzeuge neutraler Staaten, die im Kriegsgebiet verkehrten, waren in der Regel sehr deutlich in ihren Landesfarben gekennzeichnet, sodass man unterstellen muss, dass deren Abschüsse nicht versehentlich erfolgt sind. Von den nicht kriegführenden Staaten ist eine bewaffnete Neutralität mit aktivem Schutz des eigenen Luftraums wohl nur die Schweiz zeitweise betrieben worden. Während des deutschen Angriffs auf Frankreich kam es in den ersten Wochen zu zahlreichen Luftkämpfen mit deutschen Flugzeugen über dem Schweizer Jura mit Verlusten auf beiden Seiten. Auf deutschen Druck verbot General Guisan am 20. Juni 1940 Luftkämpfe und befahl den Schutz des Luftraums nur durch Flak, was recht wirkungslos war, da die Schweiz nur über wenige Flakgeschütze 7,5 cm verfügte, die hochfliegende Bomber nicht erreichen konnten. Unter diesen Umständen wurde die Schweiz ein beliebter Anflugraum für Angriffe auf Friedrichshafen und ein beliebter Landeplatz für beschädigte oder verirrte Bomber. 1945 standen in Dübendorf über 100 viermotorige Bomber der Alliierten. Der Überflug über die Schweiz war risikoarm. Nur 1944 wurde einmal, schon in Sichtweite von Dübendorf, eine Consolidated Liberator über dem Greifensee von begleitenden Schweizer Dewoitine-Jägern abgeschossen, weil ein Bordschütze auf sie das Feuer eröffnet hatte. Eine völkerrechtliche Wertung des Verhaltens der kriegführenden Staaten des Zweiten Weltkrieges gegenüber gegnerischen und neutralen Verkehrsflugzeugen im Kriegsgebiet ist schwierig. Als Kriegsgebiet im Sinne des Kriegsvölkerrechts war das Staatsgebiet der kriegführenden Staaten, das der von diesen besetzten Gebiete und die Hohe See unstreitig. Es gab zwar keine explizite völkerrechtliche Regelung diesbezüglich, aber völkergewohnheitsrechtlich war auch der Luftraum über diesen Gebieten hinzuzurechnen. Es gab jedoch keine international verbindliche Kodifikation von Luftkriegsnormen, worauf Wilhelm G. Grewe in einem Aufsatz auf den S. 117137 des Archivs für Luftrecht 1941 hingewiesen hat. Eine völkerrechtliche Problematik, die eine gewisse Analogie zu der Behandlung von Verkehrsflugzeugen erkennen lässt, ist 1940 aufgetreten. Die deutsche Luftwaffe setzte zur Seenotrettung zweimotorige Schwimmerflugzeuge He 59 ein, die weiß bemalt und mit großen Roten Kreuzen versehen waren. Diese Flugzeuge wurden ab Frühsommer 1940 regelmäßig von britischen Jagdflugzeugen abgeschossen. Das hatte auf Seiten der Briten den ganz pragmatischen Grund, dass sie den baldigen erneuten Einsatz aus Seenot geretteter deutscher Besatzungen in der Luftschlacht um England verhindern wollten. Auf einen deutschen Protest hin erklärte die britische Regierung, die Verwendung des Roten Kreuzes bei militärischen Seenotrettungsflugzeugen sei völkerrechtswidrig und im Übrigen würden auch Seenotrettungsflugzeuge von Einsätzen militärisch wertvolle Aufklärungsergebnisse mitbringen. Die deutsche Luftwaffe verwendete daraufhin Flugboote des Typs Dornier Do 24 mit Tarnbemalung und militärischen Kennzeichen für die Seenotrettung. Diese Besonderheit der Möglichkeiten der Aufklärung aus der Luft auch durch Flugzeuge mit zivilen Kennzeichen dürfte die analoge Anwendung der Bestimmungen der Londoner Erklärung über das Seekriegsrecht vom 26. Februar 1909 auf den Luftkrieg ebenso unmöglich machen wie die fehlenden Möglichkeiten der Durchsuchung eines Flugzeuges und der Rettung der Besatzung vor einem Abschuss. In den Haager Luftkriegsregeln von 1923 war der Versuch einer Kodifizierung eines Luftkriegsrechts unternommen worden. Sie wurden allerdings weder ratifiziert noch gewannen sie zwischen 1923 und 1939 den Rang von Völkergewohnheitsrecht. Über ihre Bedeutung und ihren Sinn setzte gleich nach 1923 eine heftige Diskussion ein. In der völkerrechtlichen Literatur dieser Zeit werden sie gelegentlich erwähnt, ihr Status innerhalb des Völkerrechts wird aber immer offen gelassen. Auch der Bezug von Artikeln der Haager Landkriegsordnung auf den Luftkrieg bzw. die analoge Anwendung auf ähnliche Sachverhalte war wohl im zweiten Weltkrieg nicht als Kriegsgewohnheitsrecht allgemein anerkannt. Auch in Kriegsverbrecherprozessen ist dieses Thema nicht behandelt worden, und zwar wohl, weil das hier durchweg benutzte Handbuch L.Oppenheim - International Law. A Treatise hierzu nichts aussagte. Damit verbleibt als völkerrechtliches Hindernis für den Abschuss von Verkehrsflugzeugen allenfalls Art. 24 der Haager Landkriegsordnung von 18. Oktober 1907, der „die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres“ verbietet. Auch hier ist aber durchaus nicht eindeutig, wie der Begriff „meuchlerisch“ zu interpretieren ist. Man landet also letztlich für die kriegsvölkerrechtliche Beurteilung des Verhaltens der kriegführenden Staaten des Zweiten Weltkriegs bezüglich gegnerischen und neutralen Verkehrsflugzeugen bei der Martens’schen Klausel, die der Völkerrechtsprofessor der Universität St.Petersburg 1907 wie folgt formuliert hat: In Fällen, die von den geschriebenen Regeln des internationalen Rechts nicht erfasst sind, verbleiben Zivilpersonen und Kombattanten unter Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts, wie sie sich aus den feststehenden Gebräuchen, aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben. Diese Formel ist aber so allgemein und unspezifisch, dass es auch heute keine einheitliche Meinung gibt, in welchen Zusammenhängen die Klausel angewendet werden kann und inwieweit sie Grundsatz, dass alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist, einschränkt. Seit Dezember 1944 gibt es zwar das Chicagoer Abkommen. In Annex 2: Rules of the Air zu dieser ‚Convention on International Civil Aviation‘ ist festgelegt, wann und wie Staaten auf die Verletzung ihres eigenen Luftraums reagieren dürfen, wobei als ultima ratio zugelassen ist, ein unberechtigt in den eigenen Luftraum eingedrungenes Flugzeug zur Landung zu zwingen Das Abkommen bindet zwar die Staaten, die es ratifiziert haben, aber es ist auch heute noch umstritten, ob diese Regeln inzwischen den Rang von Völkergewohnheitsrecht haben. In dem Kolonialkrieg zwischen den Niederländern und den Indonesiern setzte sich der Abschuss von Passagierflugzeugen in Ostasien fort. Am 27. juli 1947 schossen nach indonesischen Quellen niederländische P-40 Kittyhawk die in Indien registrierte DC-3 VT-CLA nahe Maguwo ab. Nach niederländischen Quellen versuchten die niederländischen Jäger das Flugzeug zur Landung auf einem von den Niederländern kontrollierten Flugplatz zu zwingen. Nach Warnschüssen soll das Flugzeug einen Baum berührt haben und dann gecrasht sein. Am 28. Oktober 1948 schossen niederländische Jäger die thailändische DC-3 HS-PC 103 der Pacific Overseas Airlines nahe der Westküste Sumatras ab. Trotz des Chicagoer Abkommens haben seit dem Zweiten Weltkrieg Angriffe auf Verkehrsflugzeuge stattgefunden, meist auch vorsätzlich. Einige Beispiele sind: 29. April 1952 sowjetische Jäger greifen ein Air France Flugzeug im Berliner Korridor an. 3 verletzte Passagiere 1954 Chinesiche Jäger greifen einen Linienflug Bangkok-Hongkong der Cathay Pacific Airways an. 10 Tote Passagiere 27 Juli 1955 Bulgarische Jäger schießen ein El Al Linienflugzeug London-Tel Aviv ab. 58 Tote 21 Februar 1973 Israelische jäger schießen über der Sinai-Halbinsel einen verirrten Linienflug der Libyan Arab Airlines ab. 108 tote Passagiere. 20 April 1978 Sowjetische Jäger greifen einen Korean Airlines Linienflug Paris Seoul an. 2 tote Passagiere. 1. September 1983 Ein sowjetischer Jäger schießt den Korean Airlines Linienflug KAL 007 ab 269 Tote. 3. Juli 1988 Der amerikanische Kreuzer USS Vincennes schießt einen Iran Air Flug Teheran-Dubai ab. 290 Tote. 24. Februar 1996 Kubanische Jäger schießen über internationalen Gewässern zwei in Florida registrierte Sportflugzeuge ab. 4 Tote. In allen diesen Fällen gab es massive internationale Proteste. Nach dem KAL 007Zwischenfall wurde das Chicagoer Abkommen schon am 10. Mai 1984 einstimmig durch einen Artikel 3bis ergänzt, der jede bewaffnete Aktion gegen ein ziviles Flugzeug als unrechtmäßig erklärt. Dabei wird selbst die leichte Beschädigung eines Flugzeuges durch Waffeneinsatz einem Abschuss rechtlich gleichgestellt.