Recht

Bundesverfassungsgericht billigt Strukturzuschlag für Psychotherapeuten

Das Verfassungsgericht billigt den Strukturzuschlag für Psychotherapeuten. Auf einen Nachschlag können aber nur Therapeuten hoffen, deren Honorarbescheide noch nicht rechtskräftig sind.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen für den Strukturzuschlag für Psychotherapeuten im Kern gebilligt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen für den Strukturzuschlag für Psychotherapeuten im Kern gebilligt.

© rtn, frank bründel / picture alliance

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Regelungen für den sogenannten Strukturzuschlag für Psychotherapeuten im Kern gebilligt. In einem aktuell veröffentlichten Beschluss rügten die Karlsruher Richter lediglich die Berechnung der rückwirkenden Zahlungen für die Jahre 2012 bis 2015. Auf einen Nachschlag können aber wohl nur Therapeuten hoffen, deren Honorarbescheide noch nicht rechtskräftig sind. Den stark umstrittenen Strukturzuschlag hatte der Erweiterte Bewertungsausschuss im September 2015 beschlossen – aber rückwirkend ab 2012. Er soll es den Therapeuten ermöglichen, eine halbe Sprechstundenhilfe zu beschäftigen.

Gezahlt wird der Zuschlag für Einzel- und Gruppentherapie, also nur für antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen. Zudem gibt es das Geld nur bei einer mehr als hälftigen Auslastung, bei einem vollen Versorgungsauftrag mit veranschlagten 36 Therapiestunden pro Woche erst ab der 19. Stunde, bei einem halben Versorgungsauftrag ab der zehnten Stunde.

Damit waren die Psychotherapeuten und ihre Verbände nicht einverstanden. Das Gesetz sehe eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit vor. Hier komme es zu einer unterschiedlichen Vergütung je nach Auslastung der Praxis und auch abhängig davon, ob es sich um genehmigungspflichtige Leistungen handelt oder nicht. Zudem sei in der Grundvergütung für Psychotherapeuten der Punktwert zu niedrig ausgefallen.

Dass die Zuschläge erst für die zweite Hälfte der Auslastung bezahlt werden, hatte zwar auch den Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) überrascht, dennoch hatten die Kasseler Richter die Reglungen gebilligt. Auch bei dieser Konstruktion sei gewährleistet, dass ein voll ausgelasteter Psychotherapeut über sein Honorar die Kosten für eine Hilfskraft mit einer halben Stelle erhält. Die so geschaffenen Anreize, den vorhandenen Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, seien sachgerecht.

Die Psychotherapeutenverbänden bvvp und DPtV trugen jeweils einen Fall vor das Bundesverfassungsgericht. Doch die Karlsruher Richter bestätigten nun die Rechtsprechung des BSG. Die Angriffe auf die Therapeutenvergütung insgesamt wiesen sie insbesondere wegen einer unzureichenden Begründung schon als unzulässig ab.

Auch der „Strukturzuschlag als solcher“ begegne „keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken“. Dass er an die erbrachten Leistungen anknüpfe, führe zwar zu einer Ungleichbehandlung, für diese gebe es aber einen sachlichen Grund. „Der Erweiterte Bewertungsausschuss (hat) dadurch einen objektiven, nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen der Praxisauslastung und der Refinanzierbarkeit von Personal geschaffen“, heißt es in dem Beschluss.

Bewertungsausschuss durfte Anreize schaffen

„Es stellt auch eine sachlich nachvollziehbare und realitätsgerechte Wertung des Erweiterten Bewertungsausschusses dar, die Beschäftigung von Personal überhaupt erst für möglich und sinnvoll zu halten, wenn eine bestimmte Mindestauslastung erreicht ist.“ Daher habe der Bewertungsausschuss Therapeuten mit hälftiger oder geringerer Auslastung auf die bereits in die Regelvergütung eingepreisten tatsächlichen Personalkosten verweisen dürfen.

Auch die Differenzierung zwischen genehmigungspflichtigen und nicht genehmigungspflichtigen Leistungen hatte vor den Verfassungsrichtern Bestand. Der Bewertungsausschuss habe so Anreize schaffen dürfen, genehmigungspflichtige Leistungen zu erbringen.

Für die rückwirkend ausbezahlten Strukturzuschläge greift dieser Grund naturgemäß nicht, weil eine Steuerungswirkung nicht mehr möglich ist. Hier seien daher die mit dieser Differenzierung geschaffenen Ungleichheiten verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Dass die Honorarbescheide in dieser Hinsicht mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, gilt zunächst nur für die Beschwerdeführer selbst. Welche Folgen der Karlsruher Beschluss darüber hinaus haben soll, muss nun der Erweiterte Bewertungsausschuss entscheiden. Therapeuten mit noch nicht rechtskräftigen Honorarbescheiden können ihre Ansprüche gegebenenfalls vor den Sozialgerichten geltend machen.

Bundesverfassungsgericht

Az.: 1 BvR 669/18 und 1 BvR 732/18

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