Das ist ein Artikel vom Top-Thema:
Stromabschaltung und Netzkapazität

Blackout wegen zu viel Windstrom – Stromnetz komplett überfordert

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Dr. Olaf Zinke, agrarheute
am Dienstag, 17.01.2023 - 11:54 (3 Kommentare)

Im Südwesten ist es beinahe zu Stromabschaltungen gekommen. Der Grund ist aber zu viel Strom und nicht zu wenig. Hauptursache ist offenbar die fehlende Netzkapazität. Um den regionalen Blackout zu verhindern, mussten Reservekraftwerke ans Netz und Strom importiert werden. Gleichzeitig exportierte Deutschland große Mengen billigen Strom ins Ausland. Und die Kunden zahlen für den sogenannten Redispatch.

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Aktuell wird in Deutschland sehr viel Windstrom erzeugt. Die Strompreise fallen deshalb im Großhandel deutlich – teilweise bis in den negativen Bereich, Der Grund: Zeitweise wird deutlich mehr Strom erzeugt, als man braucht. Deshalb wird auch sehr viel Windstrom ins benachbarte Ausland exportiert, zuletzt fast ein Viertel der erzeugten Strommenge.

Doch es kann noch zu anderen Problemen kommen: Der Stromnetzbetreiber TransnetBW in Baden-Württemberg hatte am Sonntagnachmittag zum Stromsparen aufgerufen, um einen akuten Strom-Engpass zu vermeiden. In der Zeit von 17 bis 19 Uhr sollten Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen nach Möglichkeit nicht benutzt werden, teilte TransnetBW in Stuttgart mit.

Ursache war aber eigentlich nicht zu wenig Strom, sondern zu viel. In Norddeutschland wurde laut einer Sprecherin des Stromnetzbetreibers Windenergie mit bis zu 50 Gigawatt erzeugt und eingespeist. Weil die Netze für diese großen Energiemenge nicht ausgelegt sind, reicht die Übertragungskapazität in den Südwesten für solche große Mengen nicht aus.

„Es entsteht ein Stau, und der Strom sucht sich einen anderen Weg“, heißt es in der Erklärung. Außerdem hatten wegen des sehr viel günstigem Windstroms aus Norddeutschland regionale Energieversorger ihre Kraftwerke wegen der schlechteren Profitabilität heruntergefahren. Der Engpass traf sie dann offenbar ziemlich unvorbereitet. Um aber den Bedarf in Baden-Württemberg trotzdem zu decken, musste dann von anderen Anbietern zusätzlich Strom erzeugt oder aus dem Ausland importiert werden.

Zu viel Strom im Norden und Mangel im Süden

Nötig werden in solchen Situationen dann sogenannte Redispatch-Maßnahmen. „Unter Redispatch versteht man Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen“ sagt die Bundesnetzagentur.

Um den möglichen Stromengpass im Südwesten zu verhindern, sind am Sonntagabend nach Angaben des Netzbetreibers Transnet BW rund 3000 Megawatt (MW) eingesetzt worden. 1400 MW davon kamen aus Kraftwerken, die ohnehin am Markt sind und hochgefahren wurden. Reservekraftwerke lieferten etwa 800 MW, und 740 MW wurden aus der Schweiz importiert.

Deutschlandweit stellt sich die Situation am Sonntag aber ganz anders dar: Schaut man auf die Daten der Bundesnetzagentur lag die Erzeugung von Windstrom onshore und offshore zusammen bei 36.385 MWh. Damit wurde mehr als doppelt so viel Strom aus Wind erzeugt, wie alle konventionellen Energieträger mit 14.213 MWh zusammen geliefert haben.

Auch in den Tagen davor war die Stromerzeugung aus Wind schon sehr hoch und die Überschüsse entsprechend groß. Deutschland hat deshalb erhebliche Mengen sehr preiswerten Windstroms in die Nachbarländer exportiert – am Sonntag waren es rund 12.900 MWh bzw. fast ein Viertel der gesamten Erzeugung.

Fazit ist also: Seit Wochen wird in Deutschland ein erheblicher Stromüberschuss (vor allem aus billiger Windenergie) erzeugt und die Einkaufspreise für Stromhändler und Versorger sind sehr, sehr niedrig. Doch die Stromkunden in Baden-Württemberg haben noch weniger von den niedrigen Großhandelspreisen als die übrigen Stromkunden in Deutschland.

Denn: Die Kosten für den Redispatch werden über die Netzentgelte umgelegt und kommen so über die Stromrechnung beim Endverbraucher an.

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