Klassikpflege im Oberallgäu

Klassik-Nachwuchs glänzt mit Sinfonischem in Fischen

Mit Leidenschaft, Disziplin und Einfühlungskraft: Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester beschwört unter der Leitung von Carolin Nordmeyer im Fischinger Kurhaus Fiskina eindringliche Klangbilder. Beim neuen Werk „About Time“ von Carolin Pook setzt außerdem Solistin Hanna Weirich eindrucksvolle Akzente.

Mit Leidenschaft, Disziplin und Einfühlungskraft: Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester beschwört unter der Leitung von Carolin Nordmeyer im Fischinger Kurhaus Fiskina eindringliche Klangbilder. Beim neuen Werk „About Time“ von Carolin Pook setzt außerdem Solistin Hanna Weirich eindrucksvolle Akzente.

Bild: Günter Jansen

Mit Leidenschaft, Disziplin und Einfühlungskraft: Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester beschwört unter der Leitung von Carolin Nordmeyer im Fischinger Kurhaus Fiskina eindringliche Klangbilder. Beim neuen Werk „About Time“ von Carolin Pook setzt außerdem Solistin Hanna Weirich eindrucksvolle Akzente.

Bild: Günter Jansen

Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester beschwört in Fischen eindringliche Klangbilder – in einem Klassiker von Dvořák und einem neuen Werk von Carolin Pook.
27.04.2022 | Stand: 18:00 Uhr

Wer sehnt sich in Zeiten des Krieges nicht nach Frieden? Insofern scheint Antonín Dvořáks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ ein Stück der Stunde. Denn in dessen langsamem Satz, einem weit ausschwingenden Largo, wird eine solche Insel innerer Ruhe und Zufriedenheit beschworen, die als Symbol eines ersehnten und letztendlich erreichten Friedens gedeutet werden kann.

Junge Musiker zeigen außerordentliches Können in Fischen

Der Satz bildet gleichsam das Herz des gesamten Werkes und entfaltet große Wirkung, wenn er so inspiriert interpretiert wird, wie von dem Schwäbischen Jugendsinfonieorchester unter der Leitung von Carolin Nordmeyer beim Konzert im Fischinger Kurhaus Fiskina. Dort offenbart besonders beeindruckend dieses Largo das außerordentliche Können der jungen Musiker.

Heikle Herausforderungen bravourös gelöst

Heikle klangliche Herausforderungen wie das immer wiederkehrende, stimmungsvolle Englischhornsolo oder die Reduzierung der Instrumentation auf einen kammermusikalischen Streicherklang werden geradezu bravourös gelöst. So entfaltet die Musik ihren Reiz, ihre Poesie, ihre tiefere Bedeutung.

Die Legende vom Friedensstifter

Die Legende von einem indianischen Friedensstifter könnte Antonín Dvořák zu diesem Satz inspiriert haben. Doch das bleibt Mutmaßung. Richtig ist, dass die Amerikaner große Hoffnungen hegten, endlich zu einer eigenständigen nationalen Musik zu finden, als der böhmische Komponist zum Direktor des „National Conservatory“ in New York berufen worden war und in der Metropole 1893 seine „Sinfonie aus der Neuen Welt“ vorstellte.

Böhmisches mit Eleganz und Leichtigkeit

Doch das Werk enthält auch viel Idiomatisches aus dem Heimatland seines Tonschöpfers, wie das Schwäbische Jugendsinfonieorchester im drittem Satz, den Scherzo, deutlich macht. Dirigentin Carolin Nordmeyer hält dabei die jungen Musiker zu einer hoch differenzierten Klangsprache an, die der Musik auch Eleganz und Leichtigkeit verleiht.

Spielfreude und Leidenschaft

Schon von Anfang an verdeutlicht die Interpretation, wie genau die Dirigentin das Werk mit ihren jungen Musikern erarbeitet hat. Langsam und klar strukturiert entwickelt sie die Einleitung des Eröffnungssatzes, bevor sich dann dessen Dramatik und Klangfülle mit Spielfreude und Leidenschaft Bahn bricht. Und auch im Finale, in dem das Feuer des leidenschaftlichen Spiels vom Komponisten ausdrücklich vorgeschrieben ist, bleibt doch bei allen majestätischen Klangbildern, die vielleicht die Natur verherrlichen, auch Raum für Nachdenklichkeit, für die Rückbesinnung auf die Poesie der friedvollen Momente.

Ein neues Stück über die Zeit

Wird dort scheinbar die Zeit für Augenblicke zurückgedreht, so beschäftigt sich das erste Stück des Abends, die Auftragskomposition „About Time“ der 1981 geborenen Komponistin Carolin Pook eher mit der Frage: Was ist Zeit überhaupt?

Das Werk gleicht formal einer ausladenden Fantasie für Violine und Orchester und führt den Hörer zu immer neuen Klang- und Geräuscherlebnissen. Den Beginn umgibt ein Raunen, ein Suchen. Zeit erscheint als etwas kaum Greifbares. Dem immer heftigeren Agieren des von Hannah Weirich gespielten Soloinstruments steht ein wie aus dem Tiefschlaf erwachendes Orchester gegenüber. Es wächst klanglich stetig an, wie ein Untier, das sich schließlich in erschreckend bedrohlicher Größe zeigt.

Die unbarmherzige Motorik von Maschinen

Diesem ersten eindrucksvollen Klangbild folgen weitere, in denen vor allem stetige Taktgeber an die unbestechliche Mechanik von Zeitmessern erinnern, aber auch an die unbarmherzige Motorik moderner Maschinen. Die Komponistin Carolin Pook setzt dafür ein großbesetztes Schlagwerk ein – vom Vibraphon bis zur großen Trommel. Es dient nicht nur dazu, lautstark Rhythmen zu hämmern, sondern auch um filigrane, geradezu kristalline Klänge zu erzeugen. Zeit ist etwas Kühles, Herzloses, Unbestechliches, dem Menschen letztendlich Fremdes und für ihn nicht Beherrschbares. Am Ende versucht sich die Sologeige, dem Entgleiten des Orchesterklangs entgegenzustemmen. Vergeblich.

Experimentelle Spieltechniken

Carolin Pook schöpft für ihre Komposition aus der reichen Tradition der Musikgeschichte, nutzt experimentelle Spieltechniken, die vor allem Geräusche erzeugen, wie etwa das Kratzen auf Geigensaiten, das Schlagen auf den Instrumentenkorpus oder einfach nur das Aufstampfen von Füßen. Doch damit beschwört sie auch immer wieder neue reizvolle Klangbilder und motiviert vor allem die Musiker, mit Leidenschaft und Disziplin dieses neue Werk kraftvoll mit Leben zu erfüllen.

Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester.

Die Dirigentin Carolin Nordmeyer.

Die Violinistin und Komponistin Carolin Pook.

Die Violinistin Hannah Weirich.

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