Kontrollmacht der (Parlaments-)Minderheit

Untersuchungsausschüsse sind in der öffentlichen Debatte derzeit allgegenwärtig – sei es der Eurofighter Typhoon-Untersuchungsausschuss oder der BVT-Untersuchungsausschuss. Sie bilden eine zentrale Kontrollmöglichkeit des Nationalrats gegenüber der Regierung. Damit erfüllt der Nationalrat eine seiner wichtigsten Aufgaben.

Durch die Kontrollfunktion übt der Nationalrat im politischen System insbesondere politische sowie Verwaltungskontrolle aus. In parlamentarischen Systeme verfügen die Regierungsparteien zumeist auch über die Mehrheit der Stimmen im Parlament. Daher sind parlamentarische Kontrollinstrumente, die als Minderheitenrechte ausgestaltet sind, besonders wichtig, um die Regierung zu kontrollieren.

Die Minderheit der Abgeordneten im österreichischen Nationalrat, zumeist die Opposition, kann die Bundesregierung durch vier zentrale Instrumente kontrollieren.

Tabelle: Andrea Tony Hermann
Quellen: Nationalrat, Rosenberger/Pelinka 2007, Pelinka 2009

(1) Das schriftliche Interpellations- und Fragerecht umfasst schriftliche und dringliche Anfragen. Fünf Abgeordnete können zusammen eine schriftliche Anfrage an die gesamte Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder richten. Die Regierung bzw. das befragte Regierungsmitglied muss diese Anfrage innerhalb von zwei Monaten schriftlich oder mündlich beantworten. Fünf Abgeordnete können gemeinsam vor Eingang in die Tagesordnung auch die dingende Anfrage, d.h. dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage, verlangen. Die Debatte über diese Anfrage findet statt, nachdem die Punkte der Tagesordnung abgearbeitet wurden.

(2) Neben diesen schriftlichen Anfragen besteht im Rahmen von Fragestunden und Aktuellen Stunden die Möglichkeit, mündliche Anfragen an die Regierung zu richten. Sitzungen des Nationalrats beginnen üblicherweise mit einer Fragestunde, bei der jede/r Abgeordnete eine kurze mündliche Anfrage an ein Mitglied der Regierung richten kann, die dieses sofort zu beantworten hat. Zudem dürfen spontan kurze Zusatzfragen gestellt werden. Die Fragestunde entfällt, sofern zu Beginn einer Plenarsitzungswoche eine Aktuelle Stunde stattfindet. In einer Aktuellen Stunde oder Aktuellen Europastunde (seit 2010), die auf Antrag von mindestens fünf Abgeordneten abgehalten wird, diskutieren die Abgeordneten und das zuständige Mitglied der Bundesregierung über ein aktuelles Thema. Dieses Thema legen die Parlamentsklubs abwechselnd fest. Aus jedem Klub dürfen zwei Abgeordnete zum Thema sprechen.

(3) Zusätzlich zu den genannten Interpellations- bzw. Fragerechten können Sondersitzungen des Nationalrats einberufen werden. Während der Sitzungsperiode muss der Nationalrat zu einer Sondersitzung zusammentreten, wenn 20 Abgeordnete von Regierungs- oder Oppositionsparteien dies verlangen und ein Thema benennen. Sofern ein Parlamentsklub aus weniger als 20 Abgeordneten besteht, kommt ihm trotzdem einmal pro Jahr dieses Recht zu. Außerhalb der Sitzungsperiode muss der Nationalrat einberufen werden, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten (oder die Bundesregierung oder der Bundesrat) dies verlangen. Der Nationalrat muss dann innerhalb von zwei Wochen zusammentreten.

(4) Untersuchungsausschüsse bilden eines der stärksten Instrumente der parlamentarischen Kontrolle in Österreich. Seit dem 1.1.2015 ist die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auch durch eine Minderheit der Abgeordneten möglich. Zuvor war dies nur durch eine Nationalratsmehrheit möglich. Der Nationalrat setzt einen Untersuchungsausschuss ein, wenn ein Viertel der Abgeordneten (derzeit 46 der insgesamt 183 Abgeordneten) die Einsetzung verlangt (oder auf Antrag von fünf Abgeordneten mit anschließendem NR-Mehrheitsbeschluss). Untersuchungsausschüsse dienen der Feststellung von Missständen innerhalb der Bundesvollziehung. Meist werden hierbei die Tätigkeiten der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder überprüft. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, die Tätigkeit unabhängiger Behörden, wie der Finanzmarktaufsicht, zu kontrollieren.

Die primäre Aufgabe der Ausschüsse besteht darin, die Verantwortung für eine Entscheidung und die Umstände, die zu dieser geführt haben, aufzuklären. Alle Behörden sind zur Kooperation verpflichtet. Untersuchungsausschüsse haben einen politischen Auftrag und können die betroffenen VertreterInnen der Bundesregierung nicht zur Rechenschaft ziehen. Nach der Anhörung des Berichts und etwaiger Empfehlungen des Ausschusses kann im Nationalrat ein Misstrauensvotum oder eine Ministerklage initiiert werden. Untersuchungsausschüsse führen auch gelegentlich zu Gesetzesänderungen, um ähnliche Missstände in Zukunft zu vermeiden. In der Zweiten Republik wurden bisher 25 Untersuchungsausschüsse eingerichtet, wie der Hypo-Untersuchungsausschuss oder die Vorgänger zum aktuellen Eurofighter-Untersuchungsausschuss.

Grundsätzlich kennt das politische System unterschiedliche Formate der parlamentarischen Kontrolle durch die Nationalratsminderheit. Durch das Recht auf die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses durch eine Minderheit im Jahr 2015 wurden diese Kontrollrechte deutlich gestärkt. Einschränkungen der Minderheitenrechte bestehen in verfahrenspragmatischer und verfahrensökonomischer Hinsicht, die im Blogbeitrag am 18. Oktober thematisiert werden.