Baden
Zwei Ausnahmekünstler, die sich verstehen – und sich E.T.A. Hoffmanns «Der Sandmann» widmen

Die Schauspielerin Nikola Weisse und der Pianist Benjamin Engeli wirken für die Lesung von E.T.A. Hoffmanns «Der Sandmann» im Kurtheater Baden zusammen.

Elisabeth Feller
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Die Schauspielerin Nikola Weisse liest aus E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“, während der Pianist Benjamin Engeli das Werk musikalisch unterfüttert.

Die Schauspielerin Nikola Weisse liest aus E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“, während der Pianist Benjamin Engeli das Werk musikalisch unterfüttert.

zvg

E.T.A. Hoffmanns Erzählung «Der Sandmann» erschien vor über 200 Jahren; der 200. Todestag ihres Schöpfers wird im Juni 2022 begangen. Wie auch immer er gefeiert wird – es zählt nur eines: das literarische Werk.

Und darin spielt «Der Sandmann», dieses ebenso mit skurrilen wie verstörenden Figuren ausgestattete, in der Tradition der Schwarzen Romantik stehende Märchen eine grosse Rolle.

Wer es liest, wird reich belohnt, macht er doch Bekanntschaft mit einer unglaublich farbigen Sprache, deren Verschachtelungen aber Geduld erheischen. Dabei brennt man ungeduldig darauf weiterzukommen in einer Geschichte, die das Schicksal des Studenten Nathanael schildert, der unter dem Einfluss traumatischer Kindheitserinnerungen wahnsinnig wird und am Ende Suizid begeht.

Kein Mensch, sondern ein Automat

Man kann den «Sandmann» lesen oder man kann ihn hören: dank Nikola Weisse. Die grosse Schauspielerin liest Hoffmanns Erzählung im neuen Foyer des Kurtheaters integral – unterstützt vom Pianisten Benjamin Engeli, der mit Frédéric Chopins kurzen, spukhaften Préludes und Nocturnes sowie anderen Werken dieses Komponisten den Text musikalisch unterfüttert.

Dieser erscheint den Zuhörerinnen und Zuhörern ganz leicht. Zum einen gliedert Nikola Weisse Schachtelsätze mit Pausen und Tempoverschiebungen so, dass man diesen mühelos folgen kann; zum andern nuanciert die Schauspielerin stimmlich Schauplätze und Figuren derart vielfältig, dass man sich in einem Theaterstück mit rationalen und emotionalen Figuren wähnt.

Nathanael klingt als von Ängsten vor dem Sandmann geplagtes Kind anders als der Student Nathanael, der in Liebe zu Olimpia entbrennt. Aber dann stellt sich heraus, dass diese kein Mensch, sondern ein Automat ist: eine leblose Puppe.

Dass sich nach dieser Enthüllung Chopins so genannter «Minutenwalzer» anschliesst, geht auf das Konto von Engelis feiner Ironie. Nicht nur in diesem Moment erschliesst sich einem das wunderbar abgestimmte Zusammenwirken zweier Ausnahmekünstler. Dass E.T.A. Hoffmanns düsteres Märchen in Nikola Weisses Interpretation in dunklem Gold schimmern kann, ist auch Benjamin Engelis allzeit ersichtlicher Intensität des Spielens und Zuhörens zu verdanken.

Nikola Weisse ist am 3. Februar erneut im Kurtheater Baden zu sehen: in Christoph Marthalers «King Size».

Hinweis der Redaktion: Ursprünglich schrieben wir, dass im Juni der 200. Geburtstag von E.T.A Hoffmann ansteht. Richtig ist aber der Todestag. Wir haben den Fehler korrigiert.