Panorama Politik

Katja Suding: "Ich bin an der Politik fast kaputtgegangen"

- Inhalt aus dem BUNTE-Magazin -

Katja Suding "Ich bin an der Politik fast kaputtgegangen"
Katja Suding: "Ich bin an der Politik fast kaputtgegangen" © IMAGO / Political-Moments

Katja Suding war der weibliche Star der FDP, aber litt sehr unter dem Druck der Spitzenpolitik. Jetzt hat sich die Hamburgerin mit einem mutigen Ausstieg befreit

Sie fühlte sich wie im falschen Film. So ging es Katja Suding (46) bis vor Kurzem stellvertretende Parteivorsitzende der FDP, oft während ihrer politischen Karriere. Die Hamburgerin hatte große Erfolge und galt als die starke Frau der Liberalen – wie verletzlich es in ihr drinnen aussah, enthüllt sie jetzt in ihrem Buch "Reißleine" (Herder Verlag, 22 Euro). "Ich bin an der Politik fast kaputtgegangen", sagt sie BUNTE. Es ist die Beichte einer Frau, die von vielen bewundert wurde. Und sich doch in dem "Raumschiff Politik" verloren fühlte. 

BUNTE: 2021 haben Sie den Bundestag verlassen – schon bereut? 

Katja Suding: Keine Sekunde. Es war eine tolle Zeit, aber heute fühle ich mich wieder frei und sage mir täglich: juhu! Ich darf das, ich musste es sogar. Ein Achtstundentag kommt mir jetzt vor, als wenn ich halbtags arbeiten würde. 16 Stunden waren in der Politik keine Seltenheit, oft ohne richtig zu essen. Das hat mich fast kaputtgemacht. Auch wenn es keiner gemerkt hat. 

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Katja Suding: "Ich wurde zu einer Maschine, das killte meine Lebensfreude"

Wie haben Ihre Kinder reagiert?

Die sagten nur: "Hauptsache, du bist glücklich, wir wollen nur, dass es dir gut geht." Mein inneres Drama hatte ich ja auch vor ihnen verborgen. Einer meiner Söhne wohnt noch bei mir, ich genieße es, dass ich ihm jetzt das Frühstück machen kann. Normalität ist kostbar. Ich bin nicht süchtig nach Bedeutung. Damit kann man mich nicht kriegen. Die Sorte öffentlicher Aufmerksamkeit, die man als Politikerin braucht, erschien mir manchmal wie eine Art von Prostitution. Das war ich nicht. Und war ich doch. Konnte ja jeder sehen. Die private Katja ist weich und zugänglich. Die politische Katja war hart und kalt. Ich wurde zu einer Maschine, das killte meine Lebensfreude. Trotz aller Wahlerfolge. 

Sie hätten Ministerin in der neuen Bundesregierung werden können, wenn Sie geblieben wären, blutet da nicht das Herz?

Ich habe die Vorstellung der Ampelregierung auf einer Ranch in der amerikanischen Prärie erlebt. Und habe gespürt, dass es richtig ist, da nicht dabei zu sein, auch wenn ich ganz kurz den Gedanken hatte: Ja, bin ich denn verrückt, das alles hinzuwerfen? Mein Leben wäre noch enger geworden. Als politische Katja hätte ich furchtbar gern gestaltet, als private Katja hätte ich "Oh, Gott" geseufzt. 

Was hat Sie so belastet?

Ich bin keine Rampensau wie manche meiner Kolleginnen und Kollegen, habe ungern öffentlich geredet, obwohl ich nie einen Blackout hatte. Es war immer mein glücklichster Moment, wenn ich vom Rednerpult ging. Wenn ich in derselben Veranstaltung mit Guido Westerwelle, dem Meister der Rhetorik, eine Rede halten musste, bekam ich Beklemmungen, die ich in den Schlaf mitnahm. Der direkte Vergleich war für mich Horror.

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Katja Suding fühlte sich als Kind mit ihren Talenten nicht beachtet

 "Ich hasse mein Leben" schrieben Sie. Sie empfanden Ihr privates Leben als "Trümmerhaufen", aber nach außen hin haben Sie gestrahlt. Sie waren eine Frau mit zwei Gesichtern. 

Ja, meine Tränen sollte keiner sehen. Meine Freundin und Fraktionskollegin Anna hat es als eine von ganz wenigen wirklich mitbekommen. Manchmal habe ich darüber nachgedacht, wie ich die Treppe im Rathaus runterfallen kann, um mir etwas zu brechen, damit ich nicht in die politische Arena muss. Streit mit intriganten Parteifreunden kam dazu, zeitweise ging ich sogar mit Pfefferspray in Sitzungen. Aus Wut und Verzweiflung habe ich Bücher durch den Raum geschleudert. Ich legte mir einen Schutzpanzer zu, den auch die private Katja nicht mehr ausziehen konnte. 

Wie haben Sie sich befreit?

Das war ein langer Prozess. Der Wendepunkt war ein Seminar, in dem es um Muster ging, die in der Kindheit angelegt wurden, die uns aber noch im Erwachsenenalter prägen. Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit, sagte meine Trainerin.

Worum ging es genau?

Ich fühlte mich als Kind mit meinen Talenten nicht beachtet, obwohl ich ganz tolle Eltern habe. Ich konnte bereits mit fünf etwas lesen und rechnen und wäre gerne schon zur Schule gegangen. Das durfte ich aber nicht, weil ich zu jung war. Auf der Suche nach Anerkennung und Aufmerksamkeit habe ich mich angestrengt, um sichtbar zu werden. Nach dem Motto: Wenn nicht gesehen wird, was ich kann, dann liegt es an mir, dann bin ich nicht gut genug. Diese Konditionierung konnte ich als Erwachsene nicht einfach ablegen und ich habe mich verausgabt. Dabei habe ich das Gefühl dafür verloren, was mir als Mensch gut tut.

Katja Suding: "Nicht mehr zu arbeiten, war keine Option"

Wie fühlten Sie sich danach?

Ich ruhe in mir. Somit war das Seminar, wissenschaftlich fundiert, ein Life-Changer für mich. Mein Leben ist im Fluss und ich lasse mich von ihm mitnehmen. Ich traf meinen alten Bekannten Stefan wieder, wir wurden ein Paar. Einige Wochen später war mir dann klar, dass ich aus der Politik rauswill. Obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, was ich danach beruflich mache. Nicht mehr zu arbeiten, war keine Option, ich bin nicht vermögend. Aber ich bin auch nicht selbst aktiv geworden. Meine neue Aufgabe wird mich finden, davon war ich überzeugt. Ich habe mich einfach dem Universum anvertraut.

Und, kamen Angebote?

Ja, reichlich. Ich konnte die besten Projekte auswählen, arbeite heute mit verschiedenen Unternehmen zusammen. Wenn die inneren Blockaden weg sind, passieren die schönsten Dinge. Ich strahle wieder, sagen mir viele.

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