Anzeige

Wir machen was Malte Bedürftig: „Viele Syrer und Afghanen wollen jetzt den Ukrainern helfen“

Webseite der Ukraine-Nothilfe
Webseite der Ukraine-Nothilfe
© PR
Ex-McKinsey-Berater Malte Bedürftig bündelt auf der Website „Ukraine Notfallhilfe“ Informationen für Helfer und koordiniert unter „Alliance4Ukraine“ die Arbeit von Hilfsorganisationen.

Capital kürt jährlich die herausragenden Talente des Landes aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft – die „Top 40 unter 40“. Daraus ist ein Netzwerk aus über 1000 Mitgliedern entstanden. Viele dieser Entscheider haben nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine umgehend Initiativen gestartet: Sie helfen Menschen in der Ukraine vor Ort und auf der Flucht und sie positionieren sich gegen den Angriff des russischen Regimes. Capital stellt einige Top40-Akteure in der Serie „Wir machen was“ vor.

Capital: Herr Bedürftig, Sie haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Sozialunternehmen gegründet. Wie bringen Sie sich jetzt in der Ukraine-Krise ein?

MALTE BEDÜRFTIG: Die Menschen in der Ukraine wurden von den schrecklichen Angriffen weitgehend unvorbereitet aus ihrem Alltag gerissen. Sie sind dringend auf Hilfe angewiesen, um Schutz, Versorgung und eine Perspektive auf ein halbwegs stabiles Leben zurückzugewinnen. Die Hilfsbereitschaft in ganz Europa ist zum Glück riesig. Mit unserer Freiwilligen-Organisation GoVolunteer und der Aktion „Ukraine-Nothilfe” sorgen wir dafür, dass Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Wir zeigen Menschen, wo sie mit ihren individuellen Fähigkeiten einen Beitrag leisten können, um das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer zu lindern.

Malte Bedürftig
Malte Bedürftig
© PR

Wie ging es los?

2015 habe ich die Freiwilligen-Organisation GoVolunteer gegründet. Damals ging es vor allem um die Versorgung von geflüchteten Menschen aus Syrien. Seither ist viel passiert. Wir haben ehrenamtliche Hilfe in ganz unterschiedlichen Notlagen koordiniert: Unterstützung für wohnungslose Menschen im Winter, medizinische Hilfe und Versorgung in der Coronapandemie oder Initiativen gegen den Klima-Notstand. Aber eine so rasante Entwicklung wie den Kriegsausbruch in der Ukraine haben wir noch nie erlebt. Von einem Tag auf den anderen war klar, dass mehrere Millionen Menschen vor der humanitären Katastrophe in ihrem Heimatland flüchten müssen. Wir haben uns auf das besonnen, was wir am besten können: Die schnelle Koordination von ehrenamtlicher Hilfe. Bereits kurz nach den ersten Angriffen hatten wir unter www.ukraine-nothilfe.de eine Plattform und eine Hotline gestartet, um Menschen, die helfen wollen zu zeigen, wo Hilfe gebraucht wird.

Wie sind die Reaktionen darauf?

Die Bereitschaft zu helfen ist riesig. Jeden Tag melden sich viele tausend Menschen, die irgendwie unterstützen wollen. Das hat auch damit zu tun, dass die Grausamkeit und Skrupellosigkeit dessen, was in der Ukraine passiert, für viele Menschen in Deutschland weiterhin schwer zu verarbeiten ist. „Es kann doch nicht sein, dass Menschen in Europa, die an einem Tag ein normales Leben führen, am nächsten unter Bombenangriffen um ihr Leben fürchten müssen.“ Solche Sätze der Fassungslosigkeit hören wir oft. Zu helfen, wo man kann, ist deshalb für viele ein Weg, um ein bisschen Kontrolle zurückzugewinnen, das Geschehen nicht einfach hinzunehmen.

Was hat Sie bislang am meisten beeindruckt?

Direkt nach dem Ausbruch des Krieges haben mich viele Hilfsangebote von Menschen aus Syrien und Afghanistan erreicht, die selbst vor wenigen Jahren auf der Flucht vor Gewalt und Not nach Deutschland gekommen sind. Von allen kam die Botschaft: „Wir wollen jetzt etwas zurückgeben, weil wir wissen, wie sich Menschen fühlen, die fliehen müssen.” Das hat mir Hoffnung gegeben: Wem geholfen wird, der hilft anderen. Es gibt also in unserer Welt nicht nur Negativ-Spiralen, sondern auch Kettenreaktionen der Nächstenliebe.

Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis aus der aktuellen Aktion?

Wenn es schnell gehen muss, ist Koordination schwierig, aber trotzdem enorm wichtig. Die Ideen, die dezentrale Power und die Bereitschaft zu helfen sind vorhanden, man muss sie nur zusammenbringen. Wir haben uns mit vielen anderen Organisationen und Unternehmen in der Alliance4Ukraine zusammengeschlossen, um Informationen in Echtzeit auszutauschen und unsere Kräfte zu bündeln. Das klappt besser als in den letzten Krisen: Die Hilfe entlang der Bedürfniskette von Transport zu Ankunft zu Unterkunft zu Versorgung zu Bildung zu Arbeit ist gut aufeinander abgestimmt.

Wie geht es weiter?

Als Gesellschaft müssen wir einen langen Atem beweisen und zeigen, dass sich die notleidenden Ukrainer und Ukrainerinnen auch dauerhaft auf unsere Hilfsbereitschaft verlassen können. Was ich in meinem Umfeld mitbekomme, stimmt mich optimistisch: Viele Menschen in Deutschland sind bereit, auch persönliche Einschnitte in Kauf zu nehmen, um zu helfen und dem Kriegstreiben entgegenzuwirken.

Malte Bedürftig, 38, ist Seriengründer und Sozialunternehmer. Der ehemalige McKinsey-Berater hat neben Deutschlands größter Freiwilligen-Plattform GoVolunteer auch ein E-Commerce-Startup für diversitätsbewusstes Spielzeug (www.hautfarben-buntstifte.de) und einen sozialen Co-Working-Space (www.machwerk.berlin) gegründet. Derzeit baut er mit Nature Meet (www.nature-meet.com) eine Community für gemeinsame Naturerfahrungen und den Erhalt der biologischen Vielfalt auf.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel