Welche Gedanken gehen Ihnen bei dieser Überschrift durch den Kopf? „Genießen können in Stressphasen – totaler Quatsch!“, „Schön wär’s, wenn ich bei Stress genießen könnte!“, oder „Prima, das würde mir enorm helfen beim Abschalten!“?
Was sich erst einmal widersprüchlich anhört, muss nicht widersprüchlich sein. Stress gehört zum Leben – zu unser aller Leben. Jeder Mensch hat Stress in irgendeiner Form. Aber ebenso gehört Genuss zu unserem Leben. Und dieser ist gerade in stressigen Zeiten enorm wichtig, denn er dient als Ausgleich für bestehende Belastungen. Ziel ist eine ausgeglichene Beanspruchungs-Erholungsbilanz.
Allerdings liegt der Fokus in unserer Gesellschaft auf einer deutlichen Zunahme von Arbeit, Leistung und Produktivität. Die Folgen davon sind lange Arbeitszeiten, Selbstüberforderung, das Zerbrechen sozialer Bindungen und die Geringschätzung von Freizeit. Dabei ist regelmäßige Erholung für die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit notwendig. Doch das Bewusstsein dafür bleibt oft auf der Strecke und viele Menschen neigen dazu, in Belastungsphasen sportliche Aktivitäten einzustellen und soziale Kontakte zu minimieren, um mehr Zeit für die Arbeit zu haben.
Handelt es sich um eine kurzfristige Belastung, wenn zum Beispiel die ganze Arbeitskraft in ein dringendes Projekt fließt, das in wenigen Wochen zum Abschluss kommen soll, dann kann ein Zurückstellen der Freizeitaktivitäten durchaus zumutbar und bewältigbar sein.
Was passiert aber, wenn über viele Monate keine Regeneration stattfindet?
Unser Körper leidet, die Sinne verkümmern und unbewusst besteht der Wunsch nach Regeneration, der aber immer wieder in weite Ferne wie zum Beispiel in den Ruhestand gerückt wird. Früher oder später stellen sich dann massive Stress-Symptome ein, die wir aufgrund unserer eingeschränkten Sinneswahrnehmung gar nicht erkennen. Der Teufelskreis nimmt Fahrt auf ….
Wie schaffen wir den Sprung aus diesem Hamsterrad?
Wir müssen mit offenem Herzen und offenen Augen durchs Leben gehen, um uns auf die Schönheiten des Lebens zu fokussieren. Aus Japan stammt das Sprichwort „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“. Diesen Rat können wir recht gut auf stressige Situationen übertragen. Wer also Stress hat, sollte genießen lernen. Wenn wir im Stress sind, sind wir im Kopf. Durch die permanenten kreisenden Gedanken wird viel Energie abgezogen. Energie, die dem restlichen Körper fehlt. Doch der Mensch kann nur glücklich sein, wenn er als Ganzes funktioniert – wenn Körper, Geist und Seele gleichermaßen angesprochen werden. Dann stellt sich ein harmonischer Rhythmus ein und der Mensch ist in Balance!
Um in einem ersten Schritt ein Gespür für unsere Erholungsbedürftigkeit zu entwickeln, ist es hilfreich, unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu trainieren. Diese kann durch Körperübungen geschult werden und auch durch das Trainieren unserer Sinne, indem wir mit mehr Gefühl schauen, hören, schmecken, berühren und riechen. Betrachten wir eine Blume bewusst und mit offenem Herzen, werden wir uns an ihrer Schönheit erfreuen. Ebenso sollten wir unser Essen genießen, indem wir dessen Duft bewusst wahrnehmen und uns zum Kauen Zeit nehmen und so den Geschmack der Speisen wirklich realisieren. Unsere Sinne sind wunderbar, denn sie bereichern unser Leben. Aber wir müssen sie auch schulen, sonst geht uns diese kostbare Fähigkeit verloren. Dazu fällt mir auch das schöne Zitat von Lü Buwei ein, der sagte: „Die Natur der Nase ist es, Düfte zu lieben; aber wenn das Herz nicht heiter ist, so mögen alle Düfte einen umgeben, und man riecht sie nicht“. Gehen wir aber mit geschulten Sinnen in den Wald und sind fähig, die würzige Waldluft um uns herum wahrzunehmen und wertzuschätzen, stimmt uns das zufrieden und glücklich. Es trägt zu unserem Wohlbefinden bei und hilft uns Stress abzubauen.
Also ist es gerade in stressigen Situationen wichtig, einen Blick für das Schöne um uns herum zu haben. Das schärft unsere Sinne. Wir können zum Beispiel
- die Zeit morgens auf dem Weg zur Arbeit nutzen und eine besonders schöne Morgenstimmung am Himmel bewundern. Manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die uns wirklich glücklich machen. Ein schöner Baum, ein Tier, das Lächeln eines Menschen …
- im Büro das Fenster öffnen und die frische Luft tief einatmen. Genuss hat nicht immer etwas mit Länge zu tun. Kurze Augenblicke können schon wahre Wunder wirken.
- unseren Kaffee bewusst und mit Genuss trinken, anstatt den mittlerweile kalt gewordenen Kaffee hinunterzuschütten, um uns wach zu halten
- uns die Zeit nehmen, abends selbst etwas Leckeres zu kochen und das Essen mit der Familie genießen
Es gibt genügend Möglichkeiten, wichtig ist, dass Sie die Möglichkeiten finden, die zu Ihnen persönlich passen. Denn jeder Mensch ist verschieden.
Sie dürfen sich Genuss auch gönnen. Vielleicht leben Sie nach der Devise „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, dann werden Sie vermutlich nie zum Genießen kommen, denn Arbeit gibt es immer. Vielleicht heißt Ihr neues Motto ab sofort „Wer arbeitet, darf auch genießen!“ Ist das nicht eine wunderbare wertschätzende Erlaubnis sich selbst gegenüber?
Zu guter Letzt: Überlassen Sie nicht alles dem Zufall. Bei manchen schönen Dingen dürfen wir auch ein wenig nachhelfen. Damit möchte ich sagen, dass Genuss durchaus planbar ist! Also, planen Sie ein gemeinsames Mittagessen mit einem Kollegen, den nächsten Saunabesuch für Ihr Wohlbefinden, den Theaterabend oder ein Abendessen mit lieben Freunden ganz bewusst und genießen Sie bereits die Vorfreude auf den Termin.
Schulen Sie Ihre Sinne, dann entwickeln Sie gleichzeitig auch ein Gespür für Signale Ihrer Erholungsbedürftigkeit. Dadurch können Sie bei steigendem Stresspegel rechtzeitig einlenken ohne Gefahr zu laufen auszubrennen. Letztendlich ist Genuss ein guter Gegenpart bei Stress.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gelassene Zeit!
Sollten Sie Unterstützung wünschen, um Ihrer Genussfähigkeit etwas auf die Sprünge zu helfen, dann freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme für ein erstes unverbindliches Gespräch.