Windkraftanlagen in Frankreich
Wer eine Windkraftanlage bauen will, muss mehrere Genehmigungsverfahren durchlaufen – unter anderem bezüglich Lärm, Landschaftsbild und Naturschutz.
APA/dpa/Federico Gambarini

Die Regierung will der Windkraft neuen Schwung geben. Sie erhöht die sogenannte Marktprämie und sichert Betreiber von Windkraftanlagen damit besser gegen niedrige Strompreise ab. In sozialen Medien kämpft die Branche hingegen häufig mit Gegenwind. Viele Mythen kursieren: Windräder veränderten das Wetter, ließen das Stromnetz kollabieren und erzeugten Infraschall, der krank mache. Ein Faktencheck.

1. Windräder überlasten das Stromnetz

Ohne ein gut ausgebautes Netz kann die Energiewende nicht funktionieren, das ist klar. Gibt das Netz nicht genügend her, geht bei Erzeugungsspitzen ein bisschen Energie verloren – in Österreich ist das bislang allerdings nicht der Fall. Und: Wäre das wirklich ein Grund, keine Windparks zu bauen? Fest steht: Die Windkraft ist ökologisch und auch mit Blick auf die Energiesicherheit viel sinnvoller als fossile Energie.

Daher muss der Ausbau der Netze vorangetrieben werden, außerdem braucht es Lösungen für Speicher. "Da gibt es eine Reihe von Ideen", sagt der deutsche Meteorologe Stefan Emeis, der früher am Karlsruher Institut für Technologie forschte. Diese reichen von immer besser werdenden Batterien bis hin zur Erzeugung von Wasserstoff mit dem überschüssigen Strom. Es gebe auch Überlegungen, alte Erdgasspeicher im Boden mit Druckluft zu füllen, wenn gerade zu viel Energie da ist. Zudem ändern sich auch die Technologien in den Haushalten: Etwa speichern auch Heizsysteme wie Wärmepumpen Energie.

Das Stromnetz sei vor einigen Jahrzehnten "für große zentrale Kraftwerke gemacht worden, heute ist die Stromproduktion dezentraler", appelliert Rupert Wychera, Energieberater und Dozent an der FH Technikum Wien, für einen schnellen Ausbau. Nötig geworden ist der allerdings allein schon durch die Liberalisierung der Energiemärkte, nicht erst durch den Ausbau der Erneuerbaren. Ist das Netz einmal angepasst, machen Erneuerbare es sogar stabiler – viele kleine Anlagen statt weniger großer Kraftwerke minimieren das Ausfallsrisiko.

2. Windräder verändern das Klima

Ein Windrad wandelt mithilfe von Rotorblättern und einem Generator Wind in Strom um. Dabei wirbelt es die Luft auch von oben nach unten – und macht sie in Bodennähe trockener und wärmer. "Eine Windkraftanlage trägt wirklich zu einer leichten Abtrocknung hinter ihr bei, aber nur in einem Bereich, der in etwa dem Zehnfachen der Höhe der Windkraftanlage entspricht", sagt Emeis. Wenn etwa eine Anlage 100 Meter hoch ist, sind Auswirkungen rund 1000 Meter weit feststellbar, dahinter nicht mehr. Die Frage ist aber: Wie schlimm ist das wirklich? "Bauern mögen das sogar teilweise, weil die Nachtfrostgefahr auf diese Weise sinkt", sagt Emeis.

Dass die lokale Umschichtung einen Einfluss aufs Weltklima und globale Trockenheit hat, ist falsch. Auch störende Folgen für Regenwolken schloss der Deutsche Wetterdienst kürzlich "eher aus". Emeis meint in Abwägung von Makro- und Mikroklima, dass "die Vermeidung von fossilen Brennstoffen wesentlich höher zu werten ist als die geringen Temperatur- und Feuchteunterschiede hinter Windkraftanlagen".

3. Windräder sind viel zu laut

Wenn das Rotorblatt am Turm vorbeifährt, entsteht ein Geräusch. Doch die Auflagen sind in Österreich streng. In der leisesten Viertelstunde der Nacht wird zunächst der Pegel vor Ort gemessen – diesen darf das Windrad dann nur minimal übersteigen. Eine Lärmbelästigung ist nicht zu erwarten, nicht zuletzt auch, weil strikte Abstandsregeln gelten.

Das zeigt auch eine Studie der Universität Klagenfurt von 2021. So antworteten 88 Prozent der Anrainerinnen und Anrainer von Windparks, sie würden eine Windanlage in ihrer Wohngemeinde, etwas außerhalb der Siedlungen, begrüßen. Die Akzeptanz war höher als unter Menschen, die keine Anlagen in ihrer Umgebung haben – dort lag sie bei 78 Prozent.

4. Der Infraschall der Windräder ist gesundheitsschädlich

In manchen Internetforen wird vor angeblichen Gefahren für die Gesundheit durch Windkraftanlagen gewarnt. Besonders hartnäckig hält sich das Gerücht, dass der ausgelöste Infraschall dem Menschen schade. Dieser sei besonders heimtückisch, weil kaum wahrnehmbar.

Eine groß angelegte Untersuchung in Dänemark hat aber gezeigt, dass es bei Anrainerinnen und Anrainern von Windparks keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit gab. "Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfälle oder Bluthochdruck können in keinen Zusammenhang mit Infraschallemissionen von Windrädern gebracht werden", sagte Hanns Moshammer, Leiter der Abteilung Umwelthygiene und Umweltmedizin der Med-Uni Wien, mit Blick auf die dänischen Ergebnisse.

Der Vogel Bienenfresser beim Bienenfressen
Der Vogelschutz hat schon manches Windparkprojekt verhindert –zum Beispiel zum Wohle des Bienenfressers.
imageBROKER/Thomas Hinsche via w

5. Windräder töten massenhaft Vögel

Ja, es passiert, dass Vögel von den Rotorblättern erschlagen werden – wenngleich die Zahl im Vergleich zu Vögeln, die sterben, weil sie gegen Fensterscheiben fliegen und von Katzen gejagt werden, verschwindend gering ist. Außerdem gibt es Auflagen, bevor eine Windkraftanlage gebaut werden darf – auch solche zum Vogelschutz. Energieberater Wychera erzählt am Beispiel Niederösterreich: "Es wird bei allen Windparks vorher eine detaillierte, mindestens einjährige ornithologische Untersuchung durchgeführt." Wenn seltene Vogelarten oder große Populationen gefährdet wären, wird ein Windpark nicht genehmigt.

Allgemein können beim Thema Windräder der Naturschutz und der Klimaschutz kollidieren. Fürsprecher der Windkraft argumentieren, dass Klimaschutz auch Artenschutz bedeute. "Was passiert mit heimischen Vogelarten, wenn der Klimawandel so rasant weitergeht? Dann gibt es klimatische Verschiebungen und Vogelarten verlieren ihre Habitate vielleicht gänzlich", sagt Wychera.

6. Windräder verunreinigen das Grundwasser

Ja, in Windkraftanlagen werden chemische Stoffe wie Hydrauliköl, Schmier- und Kühlmittel verwendet. Dass diese Substanzen austreten und theoretisch das Grundwasser kontaminieren, geschieht aber nur im Fall von Unfällen oder Schäden – die dann wie in anderen Industrieanlagen behoben werden müssen.

Auch das Thema Bodenversiegelung lässt sich schnell entkräften. "Es wird nur der Bereich des Fundaments versiegelt. Das sind 20 bis höchstens 30 Meter Durchmesser", sagt Berater Wychera. Auf den geschotterten Wegen rund um Windkraftanlagen kann Wasser durchsickern.

Windrad in Zypern
Manche Anrainer fürchten, wenn die Sonne hinter einem Windpark untergeht und die Rotorblätter vorbeistreichen, werde man einem stroboskopartigen Flackern ausgesetzt.
AP/Karadjias

7. Windräder sind nicht schön

Dieses Argument lässt sich kaum widerlegen. Ja, es gibt Schöneres als einen Windpark. Hoffnung auf Besserung kann Ästheten ausgerechnet der Trend in der Windindustrie machen, immer größere Anlagen zu bauen. (In Österreich haben die Rotoren bei neuen Anlagen derzeit im Schnitt 129 Meter Durchmesser, im Jahr 2010 waren es noch 85.) "Je größer die Anlagen werden, desto langsamer drehen sie sich. Kleinere Windräder wirken hektischer, die langsamere Drehung bei großen ist besser fürs Auge verträglich", sagt Wychera.

Manche Anrainer von Windparks klagen auch, dass die Rotoren den Sonnenuntergang vermasseln und das Licht gleichsam in stroboskopartiges Flackern schneiden würden. Meteorologe Emeis beruhigt: "Wenn man zum Beispiel zwei Kilometer vom Windrad weg ist, wird das Rotorblatt so schmal, dass es nur einen kleinen Teil der Sonnenscheibe gleichzeitig abdeckt. Außerdem zieht die Sonne innerhalb von zwei Minuten vorbei. Der Effekt tritt nur an wenigen Tagen im Jahr auf und dauert dann höchstens zwei Minuten." (Lukas Kapeller, Alicia Prager, 23.10.2023)