Jahresrückblick Architektur

Zerstörung im Krieg und viele Herausforderungen

08:29 Minuten
Blick auf das zerstörte Kulturhaus in der ukrainischen Stadt Bachmut.
Das russische Militär greift auch wichtige architektonische Denkmäler in der Ukraine an. So wurde in der umkämpften Stadt Bachmut das Kulturzentrum völlig zerstört. © picture alliance / AA / Andre Luis Alves
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Britta Bürger · 23.12.2022
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Beim Rückblick auf das Architekturjahr 2022 erinnert Kritiker Nikolaus Bernau an die Zerstörung bedeutender Bauten in der Ukraine. Im Wohnungsbau sieht er gelungene ökologische Ansätze und stellt fest: Die Debatten der Achtziger sind wieder aktuell.
Auch für die Baukultur hat der Krieg in der Ukraine katastrophale Folgen, findet unser Architekturkritiker Nikolaus Bernau bei seinem Rückblick auf das Jahr 2022: Das russische Militär nehme auch Bauten und Anlagen unter Beschuss, die historisch und urbanistisch von allergrößter Bedeutung sind.

Zerstörung von Charkiw

Nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Klöster, Museen und Kirchen seien bombardiert worden. Das ganze Stadtzentrum von Charkiw sei vor seiner Zerstörung kurz davor gewesen, in die Liste der Unesco für das Weltkulturerbe eingetragen zu werden - "als Dokument des sowjetischen Konstruktivismus und des Stalinismus."
Die Unesco habe inzwischen ganz klar festgestellt, dass all diese Bauten gezielt angegriffen worden seien, um jeden Anschein ukrainischer Eigenidentität zu zerstören.

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Weltweit habe es im zurückliegenden Jahr keine besonderen "Pop-Effekte" in der Architektur gegeben, so Bernau. Die Architekturkritik habe selbst die neu gebauten Stadien in Katar kaum wahrgenommen. "Da war nichts, was irgendwie besonders war", so der Architekturexperte. "Das sind ganz konventionelle, kommerzielle Stadiengebäude."
Vielleicht sei es auch ein gutes Zeichen, dass die Zeit der großen Stararchitekten vorbei sei und man sich mehr im Detail darum kümmere, wie sich Städte oder ein kleines Hausobjekt entwickeln.

Debatten der 1980er sind zurück

Bernau sieht desweiteren den Klimawandel auch für die Architektur als großes Thema. Doch "man muss auch sagen, dass die Antworten bisher sehr limitiert sind." Interessant findet Bernau allerdings, dass viele der heutigen Themen bereits Anfang der 1980er Jahre diskutiert worden seien.
"Jede Stadt erklärt sich zur Schwammstadt." Regenwasser werde abgeleitet, um es in der Stadt zu halten. Auch diese Debatte habe es 1980 bereits gegeben. Das gelte auch für die Forderungen, Hauswände und Dächer zu begrünen oder ökologisch nachhaltigeres Baumaterial wie Holz zu verwenden. "Das ist vielleicht eine der großen neuen Entwicklungen des vergangenen Jahres, dass man zurückgucken muss in die 1980er Jahre."
Genossenschaftssiedlung in München
Architekturkritiker Nikolaus Bernau sieht in Genossenschaftssiedlungen wie in München ein gutes Beispiel für neue Ansätze im Wohnungsbau. © picture alliance / Robert B. Fishman / Robert B. Fishman
Beim Wohnungsbau hat sich nach Bernaus Ansicht viel, aber nicht genug getan. 400.000 neue Wohnungen wollte die pro Jahr bauen lassen. Aber schon 2021 wurden nur 300.000 gebaut und "dieses Jahr werden es wahrscheinlich noch weniger werden."
Der Baukonjunktur in Deutschland tue dies zwar keinen Abbruch. Doch mangele es an Handwerkern. Der Bevölkerungszuwachs in der Bundesrepublik hingegen halte weiter an. Die Statistik sehe deshalb nicht gut aus: Viel zu oft würden Neubauviertel auf der grünen Wiese gebaut, kritisiert Bernau. Besser findet er es, mehr Baulücken zu schließen und Dachräume ausbauen, um so preiswerten Wohnraum zu schaffen.

Mehr Holz am Bau

Interessant findet Bernau auch, dass vor allem im privaten Wohnungsbau immer mehr Wohnungsbauprojekte heute mit Holz und nachwachsenden Baustoffen umgesetzt werden. Überhaupt beobachtet er tolle, neue Wohnungsbauprojekte: Als hoffnungsvolles Beispiel nennt er eine neue Genossenschaftssiedlung in München.
Von einem "Wahrnehmungswechsel" spricht Bernau mit Blick auf die diesjährige Verleihung des renommiertenden Pritzker-Preis 2022 an den in Burkina Faso geborenen 56-jährige Architekten Diébédo Francis Kéré. Dadurch werde die Arbeit von Architektinnen und Architekten in Afrika endlich wahrgenommen.
(gem)
Das Jahr 2022 im Rückblick