Peter Hartz: Erfinder der "arbeitsmarktpolitischen Radikalkur"
Sein Name steht für eine der umstrittensten Reformen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wegen der Hartz-Gesetze gingen Hunderttausende auf die Straße.
30.12.2016 um 13:42
Der Name "Hartz" steht heute im Duden, 2009 wählte eine Jury das Verb "hartzen" zum Jugendwort des Jahres - für "rumhängen oder arbeitslos sein". Es geht auf Peter Hartz zurück, den berühmteste Arbeitsdirektor Deutschlands, der dieser Tage 75 wird.
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1941 kam er im saarländischen St. Ingbert zur Welt. Aufgewachsen in einem typischen Arbeiterhaushalt, mussten er und seine beiden Brüder in der Landwirtschaft mitarbeiten. Heute sage man Kinderarbeit dazu, sagte Hartz in einem Interview mit der "SZ".
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Er wird Mitglied der IG Metall und der SPD, holt auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach und studiert Betriebswirtschaftslehre. Ab 1976 arbeitet er als Arbeitsdirektor in der saarländischen Stahlindustrie, ab 1979 bei den Dillinger Hüttenwerken. Es ist die Zeit der großen Branchenkrise.
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Hartz schafft es mit innovativen Modellen und guten Kontakten in die Politik, den Personalabbau ohne Entlassungen zu bewerkstelligen. Dass er es in seinen 29 Jahren als Personalchef in der Stahl- und Automobilindustrie immer wieder schaffte, bei großen Strukturreformen und Wettbewerbsmaßnahmen betriebsbedingte Kündigungen mit ausschließen zu können, betrachtet er als Erfolg.
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1993 holt ihn der damalige VW-Chef Ferdinand Piech als Personalvorstand zum Wolfsburger Autobauer, der sich in einer schweren Krise befindet. Hartz gilt als Modernisierer und geschickter Mittler zwischen Management und Arbeitnehmervertreten. Hartz erfindet die Vier-Tage-Woche, eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich - aber kein VW-Mitarbeiter landet auf der Straße. Dann aber bringt ihn seine Verwicklung in die VW-Affäre zu Fall. 2005 tritt er zurück, 2007 wird er wegen Untreue und Begünstigung von Betriebsräten zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.
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2002 wird Hartz vom damaligen deutschen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als Leiter in eine Experten-Kommission geholt. Dort legt er einen Katalog von Vorschlägen für eine "arbeitsmarktpolitische Radikalkur" vor. Diese werden in vier Reformgesetze gegossen - von denen das letzte unter dem Namen "Hartz IV" bekannt wird.
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Innerhalb von drei Jahren lasse sich die Arbeitslosigkeit halbieren, das war die Botschaft von Hartz. Als er seine Reformen damals vorschlug, gab es 3,8 Millionen Arbeitslose - heute sind es 2,66 Millionen. Nach wie vor sind die Reformen aber umstritten.
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Bei Hartz IV wurden 2003 Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zum sogenannten Arbeitslosengeld II zusammengeführt. Dieses liegt zum Teil unterhalb der bisherigen Sozialhilfe. Die Hartz-Kommission wollte einen Hartz-IV-Regelsatz von 511 Euro - die Politik entschied sich damals für das Niveau der Sozialhilfe, der Regelsatz landete bei 345 Euro.
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Hartz selbst meint im Rückblick, dass die Arbeitsmarktreformen unterm Strich ein Erfolg waren. "Hätten die Politiker die Vorschläge der Fachleute alle umgesetzt, wären sie noch besser geworden." Dies sei der Preis der parlamentarischen Demokratie, sagte Hartz. "Große Gesetze werden nie so verabschiedet, wie sie ins Parlament eingebracht werden."
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