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Von Blüte zu Blüte

Eine Biene bestäubt Stachelbeerblüten.

Wenn sich Kirschen, Äpfel und Birnen in ihre duftigen Blütenwolken hüllen, wollen sie beeindrucken. Weniger uns, die wir staunend davorstehen, sondern vielmehr die Bienen und andere bestäubende Insekten. Diese sollen die verlockenden Nektarquellen besuchen, den männlichen Pollen von Blüte zu Blüte tragen und die weiblichen Organe befruchten.

Das Spektakel ist kurz, intensiv und hat nur ein Ziel: die Produktion von Samen. Aus diesen werden neue Bäume heranwachsen und das Erbgut von Generation zu Generation weitergeben. Die Früchte? Sie sind nur Mittel zum Zweck, dienen als schützende Hülle und Nährstoffquelle für den keimenden Nachwuchs sowie als Lockmittel für Tiere, um die Samen zu verbreiten.

Mit dem Wetter, aber auch mit den Kraftreserven eines Baumes steht und fällt die Befruchtung.

Die Bestäubung ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Auch wenn sich die Insekten noch so anstrengen, bleiben nur wenige passende Pollenkörner auf den weiblichen Narben haften und keimen dort. Sie bilden einen Pollenschlauch, der durch den Griffel hindurch zur Samenanlage im Fruchtknoten wächst und mit den enthaltenen Spermazellen die Eizelle befruchtet. Bei Äpfeln und Birnen z. B. entwickeln sich gerade mal 5 Prozent der Blüten zu Früchten, bei Kirschen und Pflaumen bis zu 25 Prozent. Je wärmer das Wetter ist, desto schneller wächst der Pollenschlauch, bei Kirschen kommt er in wenigen Tagen ans Ziel, bei Äpfeln etwa nach einer Woche. Ist es kalt, gerät der Prozess ins Stocken, auch die Pollenkörner keimen dann sehr eingeschränkt. Kälte und Regen verhindern zudem, dass Bienen ausschwärmen. Der schlimmste Feind ist der Frost, der den gesamten Geschlechtsapparat der Blüten zerstören kann und die Erntefreuden komplett zunichte macht. Obstblüten nämlich können sich bei unwirtlichem Wetter und nachts nicht schließen und dadurch schützen, so wie es andere Frühlingsblüher tun.

Rote Johannisbeere

Blüten: Grünlich-gelbe Scheibenblüten bilden hängende, bis 15 cm lange Trauben. Sie sind zwittrig

Entdeckt in: den Blattachseln der 1–2jährigen Triebe

Blütezeit: April–Mai

Bestäubung: Zum einen sind sie selbstfruchtbar. Zum anderen bestäuben Bienen und andere Hautflügler

Frucht: Kugelrunde, saftige Beeren mit zahlreichen Samen

Gut zu wissen: Der Ertrag erhöht sich, wenn man 2 unterschiedliche Sorten pflanzt. Rote können auch durch weiße befruchtet werden, allerdings nicht durch schwarze.

Die Macht des Wetters

Je früher eine Obstart blüht, desto mehr ist sie Wetterkapriolen ausgeliefert. Eine Zitterpartie beschert Gärtnerinnen und Gärtnern die rosafarbene Blüte des Pfirsichs und die rot-weiße der Aprikose etwa Anfang April. Bis Mitte April folgt weiteres Kernobst nach, wie die kleineren, schneeweißen Büschel der Zwetschgen. Etwa zeitgleich öffnen sich die weißen Süßkirschen und etwas später Sauerkirschen. Beim Kernobst locken die cremeweißen Blüten der Birnen Anfang April die Bienen in die Baumkronen, bald gefolgt vom Apfel mit seiner anfangs rosafarbenen Wolke. Während Kirschen und Pflaumen in der Regel ihre Knospen alle auf einmal öffnen und so fast über Nacht ein üppiges Naturschauspiel präsentieren, blühen Birnen und Äpfel gestaffelt auf. Ihre Blütezeit erscheint deshalb recht lang, wobei die einzelnen Blüten nur 2–3 Wochen lang geöffnet sind. So können die Bäume den einen oder anderen Frostschaden geschickt ausgleichen.

Mini-Kiwi

Blüten: radförmige, große, cremeweiße und eingeschlechtliche Blüten; die männlichen mit zahlreichen, langen schwarzen Staubblättern, die weiblichen mit weißen Griffeln

Entdeckt: als Blütenbüschel in den Blattachseln der jungen, diesjährigen Triebe (weibliche Büschel aus 3, männliche aus bis zu 9 Blüten)

Blütezeit: Mai–Juni

Bestäubung: durch Bienen, Hummeln und andere Insekten

Frucht: stachelbeergroße, dünnschalige grüne Beeren mit zahlreichen schwarzen Samen

Gut zu wissen: Kiwis sind zweihäusig, eine männliche Pflanze sollte neben maximal 6 weiblichen wachsen

Staffellauf der Obstarten

Während aufblühendes Kern- und Steinobst alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, sorgen viele andere Obstpflanzen eher im Verborgenen für Nachwuchs. Wer auch deren Blüten beobachtet, kann die Erntechancen zeitig im Jahr abschätzen. Stachelbeeren und Erdbeeren starten schon Ende März und zittern nicht selten im Frost. Johannisbeeren folgen im April, im Mai die Heidelbeeren. Die herbstliche Walnussernte entscheidet sich im März. Ab Juni geht es mit Him- und Brombeeren weiter. Denken Sie bei einigen Blütenschönheiten vielleicht gar nicht an volle Erntekörbe? So sieht der süßlich duftende Flor der Kiwi besonders hübsch aus. Die sternförmig blühende Felsenbirne kennen viele vor allem als Ziergehölz. Dann gibt es noch die weißen Dolden von Holunder und Vogelbeere, den Zweigschmuck der Zieräpfel, den zarten Schaum der Apfelbeere. Betrachten Sie mal unsere Beispielbilder – ob Sie jedes Obst gleich erkannt haben?

Heidelbeere

Blüten: Aus einer Blütenknospe entwickeln sich bei der Kulturheidelbeere bis zu 14 weiße Glöckchenblüten, die zwittrig sind.

Entdeckt an: den Spitzen der jungen Bodentriebe und an langen einjährigen Seitentrieben

Blütezeit: Mai

Bestäubung: selbstbefruchtend, Wildbienen und Hummeln sorgen für mehr und größere Früchte

Frucht: blaue, bereifte Beeren mit hellem Fruchtfleisch

Gut zu wissen: Die Blüten öffnen sich nacheinander, selbst innerhalb einer Doldentraube, von oben nach unten. So erstreckt sich auch das Erntefenster über mehrere Wochen

Keine Blüten in Sicht

Immer wieder kommt es vor, dass Blüten ausbleiben. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die meisten mitteleuropäischen Obstarten haben schon im Sommer des vergangenen Jahres ihre generativen Knospen angelegt. Stand die Pflanze zu dieser Zeit unter Stress, hat sie ihre Kraft womöglich auf andere Aktivitäten verlegt. Die Ursachen können Nährstoffmangel und Trockenheit, aber auch der falsche Standort gewesen sein. Zum Beispiel brauchen Beerensträucher neutralen bis sauren Boden, besonders Heidelbeeren kümmern auf kalkhaltigem Untergrund. Obstgehölze sind zudem Sonnenkinder, die viel Licht als Blühanreiz brauchen. Manche Gärtner schneiden ihre Gehölze im Winter allzu beherzt und entfernen ausgerechnet die fruchtenden Zweige. Das sind je nach Obstart 1–3jährige Triebe, an denen die meisten Blütenknospen sitzen. Schräg und waagrecht ausgerichtete Zweige sind dabei besser ausgestattet als steile Schosse. Denn in der Waagrechten können sich jene Hormone besser sammeln, die die Blütenbildung anregen. Auch kommt es vor, dass die Ernte des Vorjahres einen Baum so erschöpft hat, dass er keine Blüten anlegen konnte. Vor allem bei Äpfeln ist die Alternanz ein bekanntes Phänomen, etwa bei den Sorten ‘Boskoop’ und ‘Elstar’. Sie blühen und fruchten nur in jedem zweiten Jahr.

Damit Obstpflanzen reich blühen, müssen sie sich an ihrem Standort wohlfühlen

Manchmal ist es wie verhext und nach einer reichen Blüte im Frühjahr fällt die Ernte im Spätsommer oder Herbst enttäuschend aus. Nicht nur Frostschäden spielen dabei eine Rolle: Weil z. B. bei Stein- und Kernobst die Blüten stets vor den Blättern erscheinen, versorgt sie der Baum noch mit seinen Reserven. Ist er in einem schwächlichen Zustand, steht den Fruchtembryos zu wenig Energie zur Verfügung, um wie geplant heranzuwachsen. Ein Augenmerk sollte auch immer den älteren Ästen gelten: Greise Apfelzweige etwa blühen oft noch recht kräftig, doch für Früchte reicht es meist nicht mehr, allenfalls für kleine, verkorkste.

Auch vitale, gut versorgte Bäume können gerade nach überreicher Blüte und frostfreien Wochen an ihre Grenzen kommen. Sie beenden gestresst den Befruchtungsvorgang oder entwickeln in der Masse nur kleine, wenig schmackhafte Früchte. Im Jahr darauf alternieren sie und blühen gar nicht. Deshalb sollten Sie in solchen Jahren entweder die Blüten oder spätestens im Juni die kleinen Früchte ausdünnen, damit der Baum in seinem Gleichgewicht bleibt.

Stachelbeere

Blüten: nach unten geneigte, weich behaarte Blüten mit oft rötlichen, zurückgebogenen Kelchblättern. Sie sind zwittrig.

Entdeckt: Die Blüten stehen einzeln oder zu dritt in den Blattachseln der einjährigen Seitentriebe.

Blütezeit: Ende März–April

Bestäubung: selbstfruchtbar, profitiert vom regen Besuch von Honig- und Wildbienen, Fliegen und Ameisen

Frucht: anfangs behaarte, dann kahle, längliche bis runde Beere

Gut zu wissen: Da sich männliche und weibliche Blütenanlagen oft zeitversetzt entwickeln, sollte man mindestens 2 verschiedene Sorten mit unterschiedlicher Blütezeit pflanzen

Zu viele Blüten?

Dazu lassen Sie bei Apfel-, Birnbäumen, aber auch bei Zwetschgen, Mirabellen, Pfirsichen und Aprikosen von etwa zwei bis vier Jungfrüchten im Büschel nur die am besten ausgebildeten stehen. Die anderen knipsen Sie vorsichtig mit dem Fingernagel aus oder nehmen dazu eine Gartenschere. Ideal ist, wenn zwischen den Früchten je eine Handbreit Platz verbleibt. Bei Spindel-, Spalier- oder Säulenbäumen gehört dies zur einfachen Übung, bei großen Gehölzen aber wird es schwierig. Diese lassen sich besser beim Baumschnitt im zeitigen Frühjahr regulieren: Zweige mit auffallend vielen runden Blütenknospen werden stärker zurückgeschnitten als solche mit überwiegend spitzen Blattknospen.

Bei frisch gepflanzten Bäumen und Obststräuchern macht es Sinn, alle Blüten auszubrechen, damit jene ihre Kraft erst mal ins Anwurzeln und Wachsen stecken können. Je größer sie werden, desto mehr Blüten kann man stehen lassen. Einige Gärtner entfernen gezielt die ersten Blüten ihrer heranwachsenden Gehölze. Diese enthalten durch ihren zeitlichen Vorsprung mehr Hormone, welche ihnen die meisten Nährstoffe zuspielen und die Fruchtentwicklung der anderen Blüten hemmen. Bricht man so die Macht der Stärkeren, können auch aus den anderen Anlagen schöne Früchte heranwachsen. So reifen besonders bei kleinwüchsigen Obstbäumen mehrere gut entwickelte Früchte heran.

Walnuss

Blüten: auf jedem Baum gibt es männliche und weibliche; männliche setzen sich zu dicken, walzenförmigen Kätzchen zusammen, die weiblichen besitzen 2 auffällige Narben

Entdeckt: die männlichen in den Achselknospen des Vorjahrestriebs, die weiblichen an seinen Spitzen

Blütezeit: Ende März–Anfang Mai

Bestäubung: durch den Wind

Frucht: ovale bis runde, hartschalige Nussfrucht mit grüner, fleischiger Schale

Gut zu wissen: Dass Walnussbäume meist erst im höheren Alter tragen, liegt oft daran, dass männliche und weibliche Blüten versetzt aufblühen. Im Laufe der Zeit ziehen sie gleich und ermöglichen eine Selbstbefruchtung.

Männlein und Weiblein

Vergebliches Warten auf leckere Ernten ziehen auch zweihäusige Obstarten nach sich. Von ihnen gibt es weibliche Pflanzen mit fruchtenden Blüten und männliche mit ausschließlich Pollen tragen- den. Deshalb müssen auch von Kiwis oder Sanddorn immer Exemplare unterschiedlichen Geschlechts nebeneinandergesetzt werden, damit Nachwuchs entsteht. Einhäusig nennt man dagegen Gewächse, die zwittrige Blüten oder männliche und weibliche auf sich tragen. Einige können sich selbst bestäuben, doch profitieren auch sie von gleichartigen Partnern in ihrer Nähe. Bringen Insekten oder der Wind den Partnerpollen zu den Blüten, steigt die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung. Denn oftmals werden weibliche und männliche Anlagen einer Pflanze zu unterschiedlichen Zeiten aktiv. Durch die Fremdbestäubung entstehen mehr und größere Früchte, Rispenblüten wie die der Johannisbeeren fallen seltener ab, sie verrieseln kaum. Zudem gibt es Obst-arten wie Äpfel, Birnen und Kirschen, deren Blüten nur fruchten, wenn passende Bestäubersorten im Umkreis von maximal 50 Metern wachsen.

Buchtipp

Obstbäume verstehen

Annekatrin Schmidt

Obstbäume verstehen
Haupt Verlag, 128 Seiten, € 22,00 
ISBN 978-3-258-08218-9 

Warum braucht ein Apfelbaum einen Partnerbaum, während ein Pflaumenbaum ein „Single“ bleiben kann? Mithilfe von Abbildungen und Illus erklärt die Autorin botanische Grundlagen und Phänomene des Wachsens und Gedeihens von Obstbäumen. 

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