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Abhängigkeit von China doch nicht so groß?

15. Februar 2023

Die deutsche Wirtschaft ist bei der Produktion von Laptops, Mobiltelefonen und Medizinprodukten weiterhin sehr stark von China abhängig. Doch eine Studie zeigt: Die Abhängigkeit scheint weniger dramatisch als befürchtet.

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China Fabrik Wirtschaft Symbolbild
Viele Arbeiter in mehreren Reihen fertigen Einzelteile für E-ZigarettenBild: Kevin Frayer/Getty Images

Deutschland ist einer Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zufolge weit weniger von Importen aus Chinaabhängig als dies das enorme Defizit in der Handelsbilanz mit der Volksrepublik suggeriert. "Insgesamt hängt nur ein äußerst kleiner Teil der deutschen Produktion direkt oder indirekt von chinesischen Vorleistungen ab", heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des IfW. "Der mit Abstand größte Teil entstammt deutschen Eigenleistungen."

China dominiere allerdings bei einzelnen Rohstoffen und Produkten, insbesondere im Bereich Elektronik, den Weltmarkt sowie die deutsche Versorgung. Kurzfristig könnte China als Lieferant nicht ersetzt werden. Insgesamt werden 221 Produkte gezählt, bei denen China und Taiwan gemeinsam den deutschen Import dominieren. Bei der Mehrzahl der Produkte liegt der Importanteil bei mehr als 80 Prozent.

Die Musik spielt in Fernost

Für die deutsche Wirtschaft unabdingbare Produktgruppen, bei denen die Abhängigkeit von China besonders hoch ist, sind der Studie zufolge mit einem Importanteil von rund 80 Prozent Laptops. Es folgen Mobiltelefone (68 Prozent), bestimmte Textilprodukte wie Spinnstoffwaren (69 Prozent), Computereinheiten wie Sound- und Grafikkarten (62 Prozent), Fotoelemente und LEDs (61 Prozent) sowie Platinen und Leiterplatten (Schaltungen gedruckt, 58 Prozent).

Die IfW-Experten identifizierten 221 Produkte, bei denen China und Taiwan gemeinsam den deutschen Import dominieren. Insgesamt aber sei Chinas Bedeutung für die Wirtschaft der Bundesrepublik überraschend gering. Nur 0,6 Prozent der für die deutsche Produktion benötigten direkten Vorleistungen kämen von dort, weniger als aus den USA und Frankreich. Direkt stammten 1,4 Prozent der in Deutschland konsumierten Leistungen aus China, samt indirekter Verflechtungen 2,7 Prozent.

Allerdings stünden die Zahlen laut IfW im Kontrast zu gängigen Statistiken, wonach China mit knapp zwölf Prozent wichtigstes Ursprungsland aller deutschen Importe ist. Eine Abkopplung der EU von China mit einer Verringerung des Handels um 97 Prozent würde nach Modellrechnungen Deutschlands Wirtschaftsleistung auf lange Sicht - wenn neue Lieferstrukturen etabliert sind - um ein Prozent verringern.

China | Halbleiter aus Taiwan
Halbleiter - diese wichtigen Vorprodukte kommen nicht nur aus der Volksrepublik, sondern auch aus TaiwanBild: AFP/Getty Images

Das Problem "Seltene Erden"

"Um die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Rohstoffe sowie Vor- und Endprodukte zu gewährleisten, braucht Deutschland dringend eine Strategie für mehr Diversifizierung", sagt Studien-Coautuor Alexander Sandkamp. "Dies wäre nicht nur die richtige Antwort auf zunehmende geopolitische Rivalitäten, sondern dient vor allem auch der Absicherung gegen Lieferengpässe."

Einige der für die Produktion von Spezialtechnologie wichtigen und von der EU als kritisch eingestuften Seltenen Erden und Rohstoffe wie Scandium oder Antimon bezieht Deutschland den Angaben nach zu 85 Prozent und mehr aus China. Sie kommen beispielweise in der Batterieproduktion oder Oberflächenbeschichtung zum Einsatz. Äußerst hoch ist die deutsche Abhängigkeit von China auch bei bestimmten Medizinprodukten, etwa Atemschutzmasken und Schmerzmitteln, mit Importanteilen von zum Teil über 90 Prozent.

"Gefährliche Entwicklung"

Der Handel der deutschen Wirtschaft mit China ist 2022 ungeachtet aller politischen Warnungen vor einer zu starken Abhängigkeit auf einen Rekordwert gestiegen. Zwischen beiden Ländern wurden Waren im Wert von rund 298 Milliarden Euro gehandelt. Das ist ein Wachstum von rund 21 Prozent im Vergleich zu 2021, wie aus Reuters vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.

Damit blieb die Volksrepublik das siebte Jahr in Folge der wichtigste deutsche Handelspartner. Deutschen Exporten von rund 107 Milliarden Euro stehen Importe aus China von 191 Milliarden Euro gegenüber. In der bilateralen Handelsbilanz weist Deutschland damit ein Defizit von rund 84 Milliarden Euro aus.

Bundesfinanzminister Christian Linder hat das kritisiert, und hält das für eine "gefährliche Entwicklung: Das deutsche Handelsdefizit mit China hat sich 2022 mehr als verdoppelt", twitterte der FDP-Politiker vorige Woche. "Aus den Erfahrungen mit Russland sollten wir lernen. Statt in zu große Abhängigkeiten zu geraten, müssen wir dringend umdenken - und auf mehr Freihandel mit Wertepartnern setzen."

dk/hb (rtr/dpa)