Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Artikel des Tages – Archiv

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[] sein Unwesen treiben, Mehrwortausdruck

durch böse Taten, (kleine) Verbrechen, rechtswidriges Verhalten für Ärger, Unruhe sorgen, eine Bedrohung darstellen; Ruhe und Ordnung gefährden

Am Vorabend des 1. Mai, in der Walpurgisnacht, fliegen Hexen auf Besen zum Blocksberg, um dort ein ausschweifendes Fest zu feiern. Diese Vorstellung machte nicht zuletzt Goethes Faust populär. Tatsächlich muss man sich am 30. April mancherorts weniger vor zaubernden Wesen als vor der hiesigen Dorfjugend fürchten: Kinder und Jugendliche treiben in dieser – regional auch „Freinacht“ genannten – Nacht nämlich allerlei Schabernack. Das reicht von relativ harmlosen Streichen wie dem Einwickeln von Autos in Klopapier oder dem Forttragen nicht befestigter Gegenstände bis hin zu strafbarer Sachbeschädigung. Wie dieser Brauch entstand, ist umstritten. Eine Erklärung lautet, dass der 1. Mai früher ein Musterungstermin war und die jungen Männer vor dem Wehrdienst noch einmal „auf den Putz hauen“ wollten.

[] Musik im Blut, Mehrwortausdruck

hohe musikalische Begabung; Talent, Neigung, zu singen, tanzen, ein Instrument zu spielen, Rhythmus zu fühlen

Obwohl Edward Kennedy „Duke“ Ellington, geboren am 29. April 1899, ein begabter Maler war, entschloss er sich schon in jungen Jahren, seiner wahren Leidenschaft nachzugehen – der Musik. Er machte sich nicht nur als Pianist und herausragender Bandleader einen Namen in der Jazzwelt, sondern besaß auch eine unermüdliche Schaffenskraft. Sein Werk umfasst rund 2000 Kompositionen, von denen sich etliche zu Jazzstandards entwickelten. Der Jazz-Herzog (den Spitznamen „Duke“ erhielt er schon als Kind aufgrund seines vornehmen Auftretens) zählt damit zu den bedeutendsten amerikanischen Komponisten. Im Prinzip gab er die Malerei trotz des eingeschlagenen Karrierewegs nicht auf, denn Duke Ellington war Synästhetiker: Er nahm Töne als Farben oder Formen wahr. Dieses neurologische Phänomen dürfte maßgeblich zu seinem kreativen Talent beigetragen haben.

[] Lochkamera, die

aus einem lichtdichten Gehäuse bestehende einfache Kamera, bei der das einfallende Licht nicht durch ein Objektiv, sondern durch eine kleine lochförmige Blende auf ein lichtempfindliches Medium projiziert wird

In der Zeit von Handykameras entstehen im Urlaub schnell Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Schnappschüsse pro Tag. Ganz anders bei den Fans der Lochkamerafotografie – einer der ältesten Fotografietechniken überhaupt. Frei nach dem Motto „weniger ist mehr“ reduziert man das Fotografieren mit der Lochkamera auf das Wesentliche. Ohne Objektiv, Strom und die Möglichkeit, sofort zu überprüfen, ob das Bild gelungen ist, lädt diese Technik dazu ein, innezuhalten und sich in Geduld zu üben. Auch, weil die Belichtungszeiten schon mal mehrere Minuten bis Stunden betragen können. Belohnt wird man dafür – mit etwas Glück – mit stimmungsvollen und einzigartigen Aufnahmen. 2001 riefen Lochkamerabegeisterte den „World Pinhole Photography Day“ ins Leben, der jährlich am letzten Sonntag im April zelebriert wird.

[] Ballungsgebiet, das

Gebiet, in dem viele Menschen eng beieinander wohnen und viele Firmen, Fabriken usw. angesiedelt sind

Am 27. April 1920 wurde in der Verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung das „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“, kurz das „Groß-Berlin-Gesetz“, beschlossen. Es sollte zum stadtplanerischen bzw. städtebaulichen Grundstein der wachsenden Metropole werden. Dank der Eingemeindung von sechs kreisfreien Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken verdoppelte sich die Einwohnerzahl schlagartig auf 3,8 Mio., die Gebietskörperschaft Groß-Berlin spielte nun mit Metropolen wie London, Los Angeles oder New York in einer Liga. In der Alltagssprache ist heute wohl nur noch vereinzelt von „Groß-Berlin“ die Rede, doch die damals beschlossene Gebietsneuordnung wirkt bis heute nach. Im Zuge der deutschen Einheit 1990 wurde auf Grundlage der 1920 entstandenen Stadt- und Einheitsgemeinde Groß-Berlin das neue Bundesland Berlin konstituiert.

[] Markise, die

Sonnenschutz aus festem, meist farbigem Stoff vor Fenstern, an Balkonen, über Terrassen o. Ä.

Nicht nur der französische Marquis war unter der Haube, sofern mit seiner Marquise verheiratet; auch Offizierszelte besaßen im 17. Jh. einen zusätzlichen Überzug, um den teuren Stoff (bzw. die adeligen Herren) vor den Unbilden des Wetters zu schützen. Vielleicht kam es deshalb unter Europas Soldaten zur spöttischen Bedeutungsübertragung. Als diese „Schonbezüge“ außer Gebrauch kamen, bezog man das Wort auf die über Fenstern oder Läden aufgespannten Sonnendächer. Auch die Wortform veränderte sich. Im Deutschen – wo man sich mit dem auslautenden, weich gesprochenen [z] schon seit jeher schwertut, wandelte sich das stumme <e> in Marquise zum Reduktionsvokal [ə], aus <qu> wurde <k>. Und so erinnert im Wort „Markise“ heute nur noch wenig an die vornehme französische Markgräfin, pardon: Marquise.

[] Doppelhelix, die

Struktur des aus zwei wendelförmig ineinander gewundenen Strängen (Helices) aufgebauten Moleküls der Desoxyribonukleinsäure oder ein so geformtes Molekül selbst

1855: Es ist ein gewaltiges Menschheitsrätsel, über das Ludwig Büchner in seinem epochalen Werk: „Kraft und Stoff“ schreibt: „Unendlich fein und unsern Sinnen vorerst gänzlich unzugänglich müssen hier die molekulären Verhältnisse jener unbedeutenden Stoffmenge sein, die als Träger zukünftiger geistiger oder körperlicher Anlagen auftritt!“ Fast 100 Jahre später, genauer: am 25. April 1953, präsentieren Francis Crick und James Watson in der Zeitschrift „Nature“ die DNA-Doppelhelix. Die Entschlüsselung der Struktur der Desoxyribonukleinsäure ermöglicht endlich das Verständnis für die genetischen Mechanismen der Vererbung. Auch wenn 1963 nur Crick, Watson und Maurice Wilkins den Nobelpreis erhalten, an der Lösung des Rätsels waren viele weitere, nicht zuletzt die 1958 verstorbene Rosalind Franklin, beteiligt.

[] Scheiterhaufen, der

historisch: großer Haufen aus Reisig und Holzscheiten, auf dem Verbrecher und besonders Hexen, Ketzer oder unerwünschte Bücher und Dokumente verbrannt wurden

Zehntausende Frauen und auch einige Männer wurden im Zuge der europäischen Hexenverfolgung des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit auf dem Scheiterhaufen verbrannt – die meisten übrigens im Heiligen Römischen Reich. Eine solche Hinrichtung fand auch am 24. April 1751 in Endingen am Kaiserstuhl statt. Die als Hexe Verurteilte war Anna Schnidenwind, geborene Trutt. Man beschuldigte die 63-jährige Bäuerin, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und den verheerenden Brand in ihrem Heimatdorf Wyhl verursacht zu haben. Der Prozess ging nicht nur auffallend schnell vonstatten, auch wurden weder, wie es nach damaligen Vorgaben eigentlich hätte geschehen sollen, die Gutachter noch die Kaiserin persönlich davon in Kenntnis gesetzt. Es war eine der letzten Hexenhinrichtungen in Mitteleuropa.

[] Reinheitsgebot, das

Brauerei: (historische) deutsche Vorschrift zur Bierherstellung, die ursprünglich festlegt, dass nur Wasser, Gerste und Hopfen, später auch Hefe, für die Produktion von Bier verwendet werden dürfen

Am 23. April 1516 erließen die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. eine neue Landesordnung für das Herzogtum Bayern. Eine darin enthaltene Passage ist für die Deutschen noch heute von besonderer Bedeutung: „Wir wöllen auch sonnderlichen / das füran […] zu kainem Pier / merer Stuckh / dann allain Gersten / Hopffen / und Wasser / genomen unnd gepraucht sölle werden.“ Dieses „Reinheitsgebot“, das heute als eine Art deutsches Kulturgut betrachtet wird, sollte seinerzeit u. a. verhindern, dass wertvoller Weizen oder Roggen – die den Bäckern vorbehalten bleiben sollten – für die Bierherstellung verwendet wurden. Außerdem wollte man die Bevölkerung schützen; Brauer versahen ihren Gerstensaft oft mit allerlei Zutaten, um dessen Optik oder Geschmack zu verbessern oder die berauschende Wirkung zu verstärken. Nicht selten wurden hierzu Bilsenkraut, Stechapfel und Tollkirsche oder auch Ruß, Pech und andere giftige Beigaben ins Gebräu gemischt.

[] Imperativ, der

bildungssprachlich: Forderung, an die man sich (aus ethischen, moralischen Gründen) halten sollte

Heute vor 300 Jahren wurde Immanuel Kant in Königsberg geboren, was nun durch zahlreiche Veranstaltungen gefeiert wird. Mit seinem „kategorischen Imperativ“, der erst nach seinem erkenntnistheoretischen Hauptwerk „Critik der reinen Vernunft“ bekannt gewordenen Forderung von 1785 „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“, hat der Philosoph die Basis für jedes ethische Handeln beschrieben. Diese Regel, die er in seiner „Critik der practischen Vernunft“ ausführlich diskutiert, und sein umfangreiches Gesamtwerk machen den 1804 in seiner Geburtsstadt gestorbenen Philosophen zu einem der größten Denker nicht nur des neuzeitlichen Abendlandes, sondern aller Zeiten.

[] Pseudonym, das

angenommener, nicht der wirkliche Name (besonders eines Autors)

Seit eh und je veröffentlichen viele Literaturschaffende ihre Werke unter Pseudonymen. Manche möchten mit dem Rätsel um die eigene Identität Interesse wecken, andere suchen sich vor Aufmerksamkeit zu schützen. Wieder andere sehen das Schreiben unter einem Decknamen als einzige Möglichkeit, in der literarischen Welt ernst genommen zu werden. So erging es auch Charlotte Brontë, einer der bedeutendsten Literaturschaffenden des 19. Jahrhunderts. Ihr autobiografisch geprägter Roman „Jane Eyre“, den sie 1847 unter dem männlichen Tarnnamen Currer Bell veröffentlichte, sorgte seinerzeit für Empörung wie Begeisterung ob seiner Fortschrittlichkeit. Erst später gab Brontë sich als Autorin zu erkennen und wurde in höhere literarische Kreise aufgenommen. Heute wäre sie 208 Jahre alt geworden.

[] Legalisierung, die

Aufhebung des gesetzlichen Verbotes (von etw.)

1930 trat das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, bekannt als das Opiumgesetz, in Kraft. Es untersagte die Abgabe, Gewinnung, Herstellung und Zubereitung zahlreicher Substanzen, einschließlich des damals sogenannten „Indischen Hanfs“: Cannabis. Seither hat sich die politische und öffentliche Meinung zu Cannabis gewandelt, etwa durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrungen anderer Länder mit liberaleren Drogenpolitiken. Die Einführung des Cannabisgesetzes am 1. April 2024 ist eine signifikante Abkehr von der bisherigen Drogenpolitik in Deutschland: Das Gesetz erlaubt Personen (ab 18 Jahren) unter anderem den Besitz von (bis zu 25 bzw. 50 g) Cannabis für den Eigenkonsum sowie den nicht-gewerblichen Eigenanbau. Es soll dazu beitragen, den Schwarzmarkt für Cannabis einzudämmen, Konsumierende zu schützen und polizeiliche sowie justizielle Ressourcen effizienter zu nutzen.

[] gut Ding will Weile haben, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: damit sich gute Ergebnisse, positive Resultate einstellen können, muss man einem Prozess, einer Entwicklung ausreichend Zeit geben

Unzufrieden mit der damaligen Wörterbuchlandschaft sprach sich 1857 eine Gruppe britischer Philologen für die Erstellung eines neuen, umfassenden Wörterbuchs der englischen Sprache aus. Für das „New English Dictionary“, das später zum „Oxford English Dictionary“ wurde, wurden Millionen von Belegzetteln aus Büchern und Zeitschriften gesammelt und ausgewertet. James Murray, der später die redaktionelle Leitung übernahm, schätzte den Zeitbedarf für die Fertigstellung des Wörterbuchs auf 10 Jahre ein. Doch als nach fünf Jahren der erste Band erschien, der die Wortstrecke A-ant umfasste, schien die Einhaltung des Zeitplans immer unwahrscheinlicher. Schließlich erschien 40 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Bandes und über 70 Jahre nach Projektbeginn am 19. April 1928 der letzte Band (der ersten Auflage) des Oxford English Dictionary.

[] Waschsalon, der

Laden mit Waschmaschinen und elektrischen Wäschetrocknern, die Kunden gegen Bezahlung benutzen können, um ihre Wäsche selbst zu waschen und zu trocknen

Es ist eine seltsame Bewandtnis der Geschichte, dass man anscheinend genau weiß, wann der erste öffentliche Waschsalon weltweit eröffnet wurde – nämlich heute vor genau neunzig Jahren –, aber nicht mehr so genau, ob es nun in Chicago oder doch eher in Fort Worth (Texas) war. Wie dem auch sei: Die Läden, in denen man seine Wäsche in großen Maschinen, meist mit Münzeinwurf, säubern kann, gehören seitdem zum Bild jeder größeren Stadt. Geändert hat sich mit der Zeit allerdings ihr Charakter: Heute hat fast jeder eine elektrische Waschmaschine zu Hause, die Salons erfüllen daher Notfall- oder Spezialfunktionen. Da die vor etwa hundert Jahren erfundenen Geräte aber zunächst für Einzelne unerschwinglich waren, bedeuteten Waschsalons zunächst den allgemeinen Riesenschritt von der Hand- zur Maschinenwäsche.

[] Volksempfinden, das

Phrasem „gesundes Volksempfinden“: (vermeintlich) natürliches, echtes, authentisches Empfinden des Volkes

Erst vor gut einem Monat hat der Papst das Martyrium von Max Josef Metzger anerkannt und damit die Voraussetzung für die Seligsprechung des katholischen Priesters geschaffen, der heute vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Vorausgegangen war ein Schauprozess vor Roland Freisler am Volksgerichtshof, der beispielhaft für die NS-Unrechtsjustiz ist: In unerträglicher, mit juristischer Fachsprache nichts mehr gemein habender Diktion schreiben die Richter, Metzger sei gemäß dem „gesunden Volksempfinden“ ein Verräter und verdiene den Tod, völlig egal nach welchem Paragraphen. Sein Verbrechen: Der Pazifist trat für ein demokratisches Deutschland ein. Die Gestapo-Agentin, die Metzger und zahlreiche andere später Hingerichtete denunziert hatte, kam im Übrigen nach dem Krieg selbst vor ein (ordentliches) Gericht, aber letztlich mit einer lächerlichen Haftstrafe davon.

[] Retortenbaby, das

Jargon: Baby, das sich aus einem außerhalb des Mutterleibs befruchteten und dann wieder in die Gebärmutter eingebrachten Ei entwickelt hat

Kerngesund erblickt Baby Oliver (4150 g, 53 cm) am 16.4.1982 in der Erlanger Universitätsfrauenklinik das Licht der Welt. Ist das der Presse eine Schlagzeile wert? Durchaus, denn der kleine Racker ist das erste in Deutschland per In-vitro-Fertilisation gezeugte Menschenkind, auch als „Retortenbaby“ bezeichnet. Aus medizinischer Sicht zutreffend ist dieser Ausdruck freilich nicht, doch was hat es auf sich mit der Retorte? Es dürfte auf der Hand liegen, dass in Erlangen weder seltsam geformte Glasgefäße zum Einsatz kamen noch Alchimisten oder gar Quacksalber ihre Hände im Spiel hatten. Viel eher nimmt der Ausdruck Bezug auf die im 19. Jh. geprägte Fügung „aus der Retorte“ im Sinn von „künstlich erzeugt, geschaffen“. Apropos Babyglück: Zum 40. Mal jährt sich heuer die Geburt von Sascha und André, der ersten DDR-Zwillinge aus der Retorte, zur Welt gebracht in der Frauenklinik der Charité.

[] das Licht der Welt erblicken, Mehrwortausdruck

von Unternehmen, Projekten, Erzeugnissen o. Ä.: geschaffen, kreiert, produziert werden

Die aufgehende Sonne reflektiert im trüben, blaugrünen Wasser des nebelverhangenen Hafens von Le Havre und taucht die Wolken in ein sanftes, orangenes Licht. Als Claude Monet für den Katalog einer Gruppenausstellung vom 15. April bis 15. Mai 1874 nach einem Werktitel gefragt wurde, antwortete er: „Nennen Sie es ‚Impression‘.“ Einen Titel wie „Ansicht von Le Havre“ hielt er aufgrund der Skizzenhaftigkeit nicht für angemessen. Im Katalog stand schließlich „Impression, Sonnenaufgang“ und obwohl der Begriff „Impressionismus“ schon vorher kursierte, wird Monets Bild als namensgebend für diese künstlerische Bewegung betrachtet. Die Künstler bemühten sich nicht um eine naturalistische Ausarbeitung der Bildgegenstände, worüber so mancher Kritiker höchst empört war. Vielmehr war ihnen daran gelegen, flüchtige Augenblicke ausschnitthaft festzuhalten. Insbesondere die Darstellung der Lichtverhältnisse sollte dabei Stimmung erzeugen.

[] Bluetooth

Verfahren zur Datenübertragung per Funk über kurze Distanz

Eine Gruppe ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger durchkämmt Ende Januar 2018 ein Ackergebiet nahe einem bronzezeitlichen Hügelgrab auf der Insel Rügen. Als ihr Metalldetektor anschlägt, vermuten sie zunächst wertloses Aluminium. Doch bei näherer Betrachtung entpuppen sich die Funde als Silbermünzen mit den Prägungen des dänischen Wikingerkönigs Harald Blauzahn. Umgehend informieren sie das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, das am 14. April 2018 den bislang größten Münzfund im südlichen Ostseeraum birgt – über 600 Silbermünzen und Schmuckstücke. Doch König Haralds Erbe prägt unser Leben bis heute. Aufgrund dessen Kommunikationsfähigkeit wurde der Funkstandard Bluetooth nach ihm benannt; sein Logo ziert ein Monogramm von Blauzahns Initialen ᚼ und ᛒ.

[] Klischee, das

abwertend: pauschalisierte, nicht hinterfragte Vorstellung, formelhaft wiederkehrende (häufig Vorurteile bedienende) Annahme

Der Begriff „Klischee“ entstammt der Welt des Druckwesens, wo es eine erhabene Druckplatte bezeichnete. Statt wie bisher direkt von einer aus beweglichen Lettern zusammengesetzten Druckform zu drucken, erstellte man das Klischee, einen Abguss der gesamten Druckseite(n), der hierauf archiviert werden konnte und die Lettern zur weiteren Nutzung freigab. Das Wort ist dem gleichbedeutenden französischen „clicher“ entlehnt und lautmalerisch zu „cliquer“, ‚klatschen, klicken‘ gebildet, dem Geräusch, das bei der Erstellung eines solchen Druckabzugs entstand. Doch wie ein ständig wiederverwendetes Klischee wurde auch das Wort selbst zum Abklatsch und zum Sinnbild für abgedroschene Vorstellungen oder immer wiederkehrende stereotype Denkmuster.

[] Neozoon, das

ursprünglich in einem bestimmten Gebiet nicht vorkommende Tierart, die meist durch Einfluss des Menschen in dieses Gebiet gelangt und dort ansässig wird

Seid fruchtbar und mehret euch: Bisweilen scheint der Bibelspruch auch auf Tiere zu passen. Am 12. April 1934 setzte ein Oberförster am hessischen Edersee zwei nordamerikanische Waschbärenpaare aus. Für Procyon lotor – unverwechselbar mit seiner pelzigen Gaunermaske – war die Alte Welt offenbar ein echtes Paradies; der Bestand gedieh. Gegenwärtig räumt er als Allesfresser und Kulturfolger des Menschen in Städten allerdings nicht nur Mülltonnen aus, sondern fällt auch als Eierdieb bisweilen unangenehm auf. Ob es sich beim Neozoon Waschbär um eine das ökologische Gleichgewicht störende „bioinvasive“ Art handelt, ist umstritten. Mancherorts wird er übrigens nicht nur vertrieben und gejagt, sondern landet anschließend sogar auf dem Teller.

[] Attentat, das

(politischer) Mordanschlag auf eine im öffentlichen Leben stehende Persönlichkeit

Wenn man als Journalist, Bloggerin oder Aktive in den sozialen Medien über die Wirkung des geschriebenen Wortes nachdenkt, dann sollte man auch dieses Ereignis im Gedächtnis haben: Heute vor 45 Jahren feuerte ein als Rechtsextremer bekannter Hilfsarbeiter drei Kugeln auf Rudi Dutschke ab. Dutschke war seinerzeit als Wortführer der Studentenbewegung für viele eine Reizfigur, gar ein Hassobjekt. Die rechtsextreme „Deutsche National-Zeitung“ brachte zur Zeit des Attentats Porträtfotos von Dutschke und die Titelzeile „Stoppt Dutschke jetzt!“ heraus – eine Handlungsanweisung für einen verwirrten Geist, der dieses Hetzblatt bei Ausführung des Attentats mit sich führte. Den Machern dieser Zeitung wird ihre Wirkung sicher nicht peinlich gewesen sein, allen anderen sollte dieser Vorfall eine Mahnung zur Vorsicht sein. Kritik ja, Hass auf Personen aber hat in den Medien nichts zu suchen.

[] Zivi, der

Person, die einen Zivildienst leistet

War im Jahr 1956 die Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt worden, folgte ab dem 10. April 1961 die Möglichkeit für anerkannte Kriegsdienstverweigerer, einen nichtmilitärischen Wehrersatzdienst abzuleisten. In den darauf folgenden Jahrzehnten leisteten die als „Zivi“ bezeichneten jungen Männer vor allem im sozialen Bereich einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland endete 2011 auch die Ära des Zivildiensts. Für junge Menschen in Deutschland, denen heute eine vergleichbare Betätigung zum Einstieg ins Berufsleben vorschwebt, steht (neben Frauen und Männern jeden Alters) als „Bufdi“ die Möglichkeit zur Ableistung eines Bundesfreiwilligendienstes offen. Wer hingegen von einer Laufbahn in Uniform träumt, hat dank des Personalmangels als „Bundi“ bei der Bundeswehr recht gute Chancen auf einen Berufseinstieg.

[] rabiat, Adj.

häufig abwertend: sich durch Rigorosität, mitunter Gewaltausübung (anderen gegenüber) auszeichnend

Brutal, aggressiv, unerbittlich: Wenn es rabiat zugeht, kann sich dies in Gewalt, besonders radikalen Entscheidungen oder rücksichtslosem Auftreten äußern. Nicht von ungefähr kommt die Verbindung zur durch das Rabiesvirus ausgelösten Tollwut (lat. „rabiatus“ bedeutet ‚wütig, tollwütig‘), einer Krankheit, die eine Gehirnentzündung und dadurch neben Verwirrtheit und Lähmungen auch schwerwiegende Wesensveränderungen auslösen kann. Die Betroffenen rasen vor Wut, schlagen um sich, schreien, beißen. Es ist auch denkbar, dass „rabiat“ seinen Weg in die deutsche Sprache über das italienische Adjektiv „arrabiato“ gefunden hat. Diese Bezeichnung dürfte den meisten wahrscheinlich durch ein besonders ‚wütig‘ geschärftes Pastagericht bekannt sein.

[] aus heiterem Himmel, Mehrwortausdruck

meist in Bezug auf unangenehme Ereignisse: völlig unerwartet, urplötzlich, unvorhersehbar

Mitten am Tag bricht auf einmal Dunkelheit herein, die Vögel werden still, Tiere flüchten sich in Verstecke, Pflanzen schließen ihre Blüten, ein kühler Wind erhebt sich. Wie bedrohlich die plötzliche Verfinsterung der Sonne einst gewirkt haben muss! Heute wissen wir, dass die Eklipse kein unheilverheißendes Omen ist. Wir können sogar ziemlich genau berechnen, wann, wo und wie lange das Himmelsspektakel zu beobachten sein wird. Heute zum Beispiel herrscht für ein paar Minuten eine totale Sonnenfinsternis in Teilen Nord- und Mittelamerikas. Erst am 3. September 2081 wird der Kernschatten des die Sonne vollständig verdeckenden Mondes wieder über Mitteleuropa streifen.

[] Dichtung und Wahrheit, Mehrwortausdruck

meist zur Betonung der Schwierigkeit eindeutiger Abgrenzungen: Ausgedachtes, Fiktion und Tatsächliches, Faktisches

Wer in den zahlreichen öffentlichen Bücherschränken stöbert, stößt zwischen verblühten Bestsellern von einst oft auch auf seine Werke: Johannes Mario Simmel. Der gebürtige Wiener feierte mit „Es muss nicht immer Kaviar sein“, „Liebe ist nur ein Wort“, „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ besonders in den 1960er und 1970er Jahren seine großen internationalen Erfolge, blieb aber auch in späteren Jahrzehnten aktiv und beliebt. Erfolgsrezept des gelernten Journalisten war, aktuelle, gut recherchierte Themen mit einer packenden Story (selten ohne Liebesgeschichte) zu verbinden. Dass dabei oft genug auch die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Gut und Böse verschwammen, verlieh seinen Geschichten Tiefe. Heute vor 100 Jahren wurde der Erfolgsschriftsteller geboren.

[] Vater, der

Mann im Verhältnis zu seinem Kind gesehen und besonders im Verhältnis des Kindes zu ihm

Kurt Erich Ohser – kaum jemand kennt diesen Zeichner noch unter seinem echten Namen. Sein Pseudonym „e. o. plauen“ ist hingegen vielen bekannt – als Name des Schöpfers von textlosen Bildergeschichten, deren Helden ein liebender Vater und sein Sohn sind. Früh fiel Ohser durch Karikaturen auf, in denen er seine Verachtung für den Nationalsozialismus und seine Protagonisten zum Ausdruck brachte. Ein Berufsverbot war die Folge. Unter Pseudonym konnte er immerhin seine Vater-und-Sohn-Geschichten veröffentlichen. Infolge einer Denunziation geriet er später doch noch in die Hände der Nazis. Um seinen Peinigern und einem Prozess vor dem sog. Volksgerichtshof mit erwartbarem Ausgang zu entkommen, wählte er den Freitod, heute vor 80 Jahren. Sein Werk, das er notgedrungen unter dem selbst gewählten Pseudonym veröffentlichen ließ, hat die finsteren Zeiten überdauert. Ein Stolperstein vor dem Haus der Buchdrucker in der Berliner Dudenstraße erinnert an ihn.

[] Schmerz, der

höchst unangenehme Empfindung

„It’s better to burn out than to fade away“ – Mit diesem Liedzitat verabschiedete sich der Sänger und Gitarrist der Band Nirvana, Kurt Cobain, in einem letzten Brief von der Welt. Der Schmerz (das Wort wird unter anderem auf die indoeuropäische Wurzel „*smel-“ bzw. „*smer-“ mit der Bedeutung ‚langsam und rauchend verbrennen, schwelen‘ zurückgeführt) spielte im Leben Cobains eine große Rolle. Viele Jahre quälten ihn starke Magenschmerzen, ohne dass eine Diagnose gestellt werden konnte. Schließlich verschafften ihm nur harte Drogen Linderung. Dass er sich – vermutlich am 5. April 1994 – das Leben nahm, deutet aber auch auf seelische Schmerzen hin; eine bipolare Störung war zu diesem Zeitpunkt bereits diagnostiziert worden. Cobain wurde nur 27 Jahre alt.

[] Browser, der

Software, mit der andere Rechner im Web angesteuert, Daten, Programme und Mediendateien von diesen Rechnern heruntergeladen, Verknüpfungen rechnerübergreifend verfolgt und die heruntergeladenen Daten angezeigt oder abgespielt werden können

Der 4. April 1994 ist gefühlt noch gar nicht so lange her, doch im Bereich der Software sind diese 30 Jahre eine halbe Ewigkeit. Das bis dahin wortwörtlich recht eintönige Internet sollte sich nach diesem Datum verändern, denn da wurde das Softwareunternehmen Mosaic Communications Corporation gegründet. Dessen Browser, Netscape, sollte schnell 80 % Marktanteil im aufblühenden WWW erreichen. Nach 1995 brachte Microsoft den einstigen Platzhirsch im sog. Browserkrieg unsauber zu Fall und dominierte mit seinem Internet Explorer danach lange den Markt. Doch Netscape war ein zweites Leben beschieden: 1998 wurde es zu freier Software unter dem Dach der Mozilla Foundation, und sein dort entstandener Abkömmling Firefox sorgte ab etwa 2003 wieder für belebende Konkurrenz auf dem Browsermarkt.

[] Adabei, der

Person, die (meist zu Unrecht) von sich selbst glaubt, wichtig zu sein und sich deshalb (besonders bei Veranstaltungen) zu anderen wichtigen Personen stellt und sich oft (unsachgemäß) zu verschiedenen Themen äußert

Unser heutiges Wort des Tages hat nicht etwa mit dem Storch Adebar zu tun. Vielmehr werden so in Österreich und Bayern Wichtigtuer bezeichnet, eben Leute, die „a[uch] dabei“ sein wollen. Das Wort funktioniert also so, wie ein Gernegroß gerne ein Großer wäre, man ein Vergissmeinnicht nicht vergessen soll oder man vom Berg Schauinsland den schönen Breisgau betrachten kann. Wie diese Beispiele zeigen, ist die Konversion, also die Umwandlung eines sprachlichen Elements in eine andere Wortart, nicht auf klassische Fälle wie „leben“ → „Leben“, „heute“ → „das Heute“ oder „Film“ → „filmen“ beschränkt, sondern es können als Basis auch wie in den obigen Beispielen mehrere Wörter bis hin zu Sätzen verwendet werden. Bisweilen werden solche kuriosen Bildungen auch Zusammenrückungen genannt.

[] Werbeblock, der

mehrere, einander folgende Werbespots, die vor einem Kinofilm, zwischen Fernsehsendungen oder auch in – einen Film oder eine Sendung unterbrechenden – Werbepausen gezeigt werden

„Gunaaaamd!“ – seit dem 2. April 1963, also praktisch seit Beginn der Ausstrahlung des Zweiten Deutschen Fernsehens, dienen die sechs Mainzelmännchen Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen als sogenannte Werbetrenner, die Programminhalte und Werbeblöcke voneinander absetzen. Erfunden wurden die inzwischen weit über ihre Ausgangsfunktion hinaus verbreiteten Kultfiguren, deren Name eine Mischung aus den Heinzelmännchen und dem Sendersitz Mainz darstellt, von dem Mitarbeiter Wolf Gerlach, der später auch für den WDR die gezeichneten Werbetrenner Ute, Schnute und Kasimir konzipierte. 2012 verstarb der multitalentierte Bühnenbildner, Filmarchitekt, Zeichner und Autor; sein letzter Wohnort Bad Zwischenahn widmete ihm ein Denkmal.

[] Generalin, die

Angehörige der höchsten Dienstgradgruppe der Offiziere in Streitkräften oder auch polizeilichen oder paramilitärischen Organisationen

Krieg (bzw. dessen Verhinderung durch bewaffnete Abschreckung) ist Männersache – so galt es lange in Deutschland. Auch die west- und später gesamtdeutsche Bundeswehr, in der im Verlauf der Jahre um die 10 Millionen Männer (meist unfreiwillig) Dienst getan haben, ließ lange keine Frauen in Kampfeinheiten zu. Dies änderte sich erst 2001, als freiwilliger Dienst in allen Bereichen für Frauen durch ein Gerichtsurteil erzwungen wurde. Schon ab der Gründung 1955 hatten diese aber die Möglichkeit, in der Zivilverwaltung zu arbeiten, 1975 kamen militärische (aber nicht-kämpfende) Stellungen im Sanitäts- und Musikdienst dazu. So wurde heute vor 30 Jahren die erste Frau zu einer Generalin (korrekt heißt es übrigens auch hier: General) der Bundeswehr, die Generalärztin Verena von Weymarn.

[] ein Zeichen der Zeit, Mehrwortausdruck

charakteristisches, prägendes Phänomen, maßgebliches Thema eines Zeitabschnitts, einer Epoche

Samstag, der 31. März 1934: Berlin schwärmt noch vom frühlingshaften Karfreitagswetter, manche freuen sich auf die anstehende Kinopremiere des neuen Rühmann-Streifens „Pipin der Kurze“. Richten wir unseren Blick indes auf Redaktion und Leser der „Vossischen Zeitung“, verblasst die Fassade. Nach Inkrafttreten des Schriftleitergesetzes am Jahresanfang ist der Weg des liberal-bürgerlichen Traditionsblattes – übrigens der ältesten Berliner Tageszeitung – vorgezeichnet; heute erscheint die allerletzte Ausgabe. Zahlreiche Redakteure sind seit drei Monaten mit einem Berufsverbot belegt; das Vorhaben, den Lesern „auf dem Wege […] in eine neue Zeit mit Nachricht und abgewogenem Urteil zur Seite zu stehen“, ist gescheitert. Das DWDS-Kernkorpus des 20. Jahrhunderts enthält einzelne Ausgaben der „Vossischen“ – Dokumente politischer Berichterstattung in bewegten Zeiten.

[] Ostersamstag, der

Religion: Samstag nach Ostern

Vielleicht werden Sie unserer Definition widersprechen: Ostersamstag (bzw. -sonnabend) ist doch heute, der Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag! Umgangssprachlich heißt es zwar tatsächlich so, aber aus Sicht der Kirche, die eine komplexe, ausführliche Einteilung für die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten hat, ist heute der Karsamstag, und der Ostersamstag eben erst in einer Woche, als erster Samstag nach dem Hochfest, vor dem Weißen Sonntag als erstem Oktavtag. Besonders bei Verabredungen mit theologisch bewanderten Menschen ist es daher angeraten, beim „Ostersamstag“ nochmal das kalendarische Datum hinzuzusetzen.

[] Winkelzug, der

häufig abwertend: geschicktes, nicht ohne Weiteres zu durchschauendes Vorgehen zur Erreichung eines häufig eigennützigen Ziels

Heute vor 20 Jahren trat in Irland das weltweit erste für geschlossene öffentliche Räume geltende Rauchverbot in Kraft. Erwartungsgemäß weigerte sich das nikotinaffine Kneipenpublikum standhaft, die liebgewordene Gewohnheit aufzugeben. Was nun folgte, waren raffinierte Winkelzüge gewiefter Kneipiers, um ihrer Kundschaft auch weiterhin den Genuss der Glimmstängel zu ermöglichen. So wurden Kneipenräume durch den Ausbau von Fenstern „geöffnet“, „geschlossene (Raucher-)Gesellschaften“ veranstaltet oder, wenn schon im Freien, den allen Wettern trotzenden Qualmenden Heizstrahler hingestellt … Womöglich hat gar „smirting“ (in jenen Tagen geprägtes Buzzword, gebildet aus „smoking“ und „flirting“) dazu beigetragen, dass man sich (dank netter Gesellschaft) mit der Verlagerung des Rauchens vor die Tür arrangiert hat.

[] Unkraut, das

zusammenfassende Bezeichnung für alle wildwachsenden Pflanzen, die die Kulturpflanzen in ihrem Wachstum hindern und schädigen

Ob Un-mensch, Un-geheuer oder un-bedarft: Steht einem Wort das Präfix un- vor, erwächst daraus häufig nichts Gutes. So wird auch das Kraut, zum Un-kraut, wenn es sich unter die Nutzpflanzen mischt und diese zu verdrängen droht. Früher gar als „Böskraut“ bezeichnet, stand es bildlich für den sündigen Menschen, wenn nicht für den Teufel. Heute, im Zeitalter schwindender Artenvielfalt, fällt das Urteil milder aus, bietet es doch Bienen und anderem „Un“-geziefer Nahrung und Schutz. Der heutige Ehrentag des Unkrauts ist ein guter Anlass, vielgeschmähte Gewächse wie Löwenzahn, Giersch und Brennnessel zu würdigen. Oft werden sie inzwischen auch neutraler als „Wildkräuter“ bezeichnet.

[] Überfliegerin, die

weibliche Person, die begabter, intelligenter, tüchtiger ist als der Durchschnitt

Sie war eine juristische Überfliegerin, abgehoben war sie nie. Dabei hatte Jutta Limbach eigentlich andere Pläne: Als die Enkelin der Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Elfriede Ryneck 1954 ihr Abitur in der Tasche hat, will sie „politische Journalistin“ werden. Sie studiert stattdessen Jura und das höchst erfolgreich: Sie habilitiert sich, übernimmt 1972 als erste Frau eine Professur für Zivilrecht an der FU Berlin und wird 1994 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Der Politik bleibt sie gleichwohl verbunden: Als Justizsenatorin in Berlin verantwortet sie ebenso wichtige wie umstrittene Entscheidungen. In Erinnerung bleibt sie nicht zuletzt als Präsidentin des Goethe-Instituts für ihre spannenden Überlegungen zum Status der deutschen Sprache in unserer Zeit. Heute vor 90 Jahren wurde die Sprachenthusiastin, Frauenrechtlerin und Politikerin geboren.

[] ein Zeichen setzen, Mehrwortausdruck

öffentlich sichtbar bzw. öffentlichkeitswirksam eine symbolische Handlung vollziehen und damit (in einer Debatte, Auseinandersetzung, Krise) eindeutig (für oder gegen etw.) Position beziehen bzw. jmdn., etw. unterstützen

„The news people said, ‚Say what you doing in bed‘ | I said, ‚We're only trying to get us some peace‘“, singt John Lennon im Beatles-Song „The Ballad of John and Yoko“. Die Zeilen spielen auf seine Flitterwochen mit Yoko Ono an, die das Paar vom 25. bis 31. März 1969 in seinem Hotelbett in Amsterdam verbrachte. Frieden wünschten sich die Frischvermählten aber nicht für sich selbst, sondern für die Welt. Den beiden war bewusst, dass sie unmittelbar nach ihrer Hochzeit ohnehin keine Ruhe vor der Presse haben würden, warum also nicht die Aufmerksamkeit für eine Protestaktion nutzen? Täglich zwischen 9 und 21 Uhr waren Medienvertreter zu ihrem Bed-in eingeladen. Manche Journalisten erhofften sich Schlüpfriges, tatsächlich saßen Lennon und Ono aber in ihren Schlafanzügen im Bett und sprachen über den Weltfrieden.

[] unterqueren, Verb

in gerader Richtung unter einer Strecke, einem Platz, Fluss verlaufen, hindurchführen

Nicht nur unter Tage, sondern unter dem Wasser – der Londoner Thames Tunnel war der erste Tunnel, der je unter einem Fluss gebaut wurde. Trotz der im Vorfeld aus den Technikwissenschaften geäußerten Zweifel war es nach knapp 20 Jahren Bauzeit gelungen: Am 25. März 1843 wurde der rund 366 Meter lange und 10 Meter breite Tunnel feierlich eröffnet. Der unterirdische Verkehrsweg unterquert die Themse zwischen den Stationen Wapping am nördlichen und Rotherhithe am südlichen Ufer. In den ersten Jahrzehnten wurde er zunächst für den Fußverkehr, ab Ende des 19. Jahrhunderts für den Bahnverkehr genutzt. Als Meilenstein der Technikgeschichte können Interessierte einen Teil des Tunnels auch im Rahmen einer Ausstellung des nahegelegenen Brunel Museums besuchen.

[] Arbeit, die

regelmäßig ausgeübte Tätigkeit (in einem Beruf), mit der man meist für seinen Lebensunterhalt sorgt

Im Zuge der politischen, militärischen und gesellschaftlichen Modernisierung Japans in der Meiji-Zeit gelangten viele Wörter aus westlichen Sprachen ins Japanische. Aus dem Deutschen entlehnten die Japaner vor allem Vokabular aus dem medizinischen Bereich, z. B. „kuranke“ (クランケ) ‚Patient‘ (aus dt. „Kranke“). Möglicherweise sind ihnen beim Kontakt mit dem preußischen Staat auch die von ihm propagierten Tugenden wie Fleiß nicht entgangen – das Japanische „arubaito“ (アルバイト), häufig verkürzt zu „baito“, leitet sich jedenfalls vom deutschen „Arbeit“ ab. Anders als im Deutschen bezeichnet das Wort im Japanischen jedoch speziell eine Teilzeitbeschäftigung oder einen Aushilfsjob. Auch in anderen Sprachen finden sich Wörter deutschen Ursprungs: In unserem Blog erfahren Sie, welche Germanismen beispielsweise die Sprache der Roma aufweist.

[] Meteorologe, der

(oft auf einer Hochschule ausgebildeter) Fachmann auf dem Gebiet der Meteorologie

Seit 63 Jahren wird jährlich am 23. März der Welttag der Meteorologie gefeiert. Dieses Datum geht auf die Gründung der Weltorganisation für Meteorologie im Jahr 1950 zurück, bei der die Bundesrepublik seit 1954 durch den Deutschen Wetterdienst vertreten ist. Die Organisation verfolgt das Ziel, meteorologische Daten auszutauschen und zu standardisieren sowie wissenschaftlich zu kooperieren – unabhängig von der politischen Lage in und zwischen den Ländern. In diesem Jahr steht erneut der Klimawandel im Fokus des Aktionstages. Die Entwicklung und weltweite Bereitstellung von Frühwarnsystemen soll Menschen die Möglichkeit geben, sich auf extreme Wetterphänomene vorzubereiten und deren Auswirkungen zu mildern.

[] verrinnen, Verb

etw., besonders eine Flüssigkeit, hört auf zu rinnen, fließen und versickert; etw. vergeht

Am heutigen Weltwassertag steht vor allem Punkt 6 der Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN-Agenda 2030 im Fokus: Weltweit sollen „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle“ gewährleistet werden. Nach wie vor fehlt jedoch ca. 2,2 Milliarden Menschen der Zugang zu einer elementaren Trinkwasserversorgung. Weitere Herausforderungen, etwa die Belastung des Grundwassers durch Schadstoffe, die zunehmende Wasserknappheit infolge des Klimawandels und das daraus wachsende Konfliktpotential, verdeutlichen, dass der Wettlauf der Menschheit gegen die Zeit schon längst begonnen hat.

[] ein Gedicht sein, Mehrwortausdruck

wundervoll, ganz entzückend, vortrefflich sein

Der Frühling hat angefangen! So sehr man sich nun über das Ende des Winters und auf die wärmeren Monate des Jahres freut, so regelmäßig wird man in Deutschland aus diesem Anlass mit dem bekannten Gedicht „Er ist’s“ behelligt, wie sonst nur mit „Last Christmas“ vor Weihnachten. Aber: Lassen Sie sich durch dieses Überzitieren nicht die Freude am Lyrischen vergällen, denn heute ist der Welttag der Poesie. Also flugs zu Hartmann von Aue, Heinrich Heine, Rose Ausländer oder Sarah Kirsch gegriffen und losgeschmökert! Dort findet man auch ganz andere Gedichte zur Feier des Lenzes oder zu jedem Anlass. Übrigens: Der kalendarische Frühlingsanfang ist schon seit 2012 nicht wie früher gewohnt heute, sondern war gestern. Ab 2048 ist die ihn bestimmende Tag-und-Nacht-Gleiche sogar am 19. März.

[] Generalüberholung, die

vor allem von technischen Geräten und Einrichtungen: gründliche, umfassende Prüfung und Instandsetzung, das Beheben von Mängeln usw.

Dem Wort „Generalüberholung“ wird eine ambivalente Wertschätzung entgegengebracht: Einerseits bedeutet es, dass ein Flugzeug oder Auto grundlegend überprüft, verbessert oder erneuert wird. Andererseits ist klar, dass dies mit hohem Aufwand und Kosten einhergeht. Interessanterweise gehört das zugrundeliegende „überholen“ in dieser Bedeutung zu den Wörtern und Wendungen, denen man ihren nautischen Ursprung nicht mehr anmerkt: Vorbild für unser „überholen“ war der in der englischen Seefahrt geläufige Ausdruck „to overhaul“. Es bezog sich auf die Durchsicht der Takelage, bei der Haltetaue „übergeholt“ (d. h. deren Spannung durch Heranziehen gelockert) wurden, um sie aus der Verankerung zu lösen und genauer inspizieren zu können. Die Bedeutung erweiterte sich im Englischen wie im Deutschen im Sinne einer gründlichen Durchsicht.

[] Rettungshubschrauber, der

im Rettungsdienst eingesetzter Hubschrauber

Die meisten von uns sehen sie nahezu täglich, doch eher selten bekommen wir mit, wer da eigentlich über unsere Köpfe hinwegfliegt. Vor wenigen Jahren ins Leben gerufen, widmet sich der Aktionstag der Luftretterinnen und Luftretter den Helden des Alltags, die in Ergänzung zum bodengebundenen Rettungsdienst auf dem Luftweg im Einsatz sind. Sie treten beispielsweise auf den Plan, wenn es um Notarzt- und Rettungseinsätze an schwer zu erreichenden Notfallorten geht, wenn Notfallpatienten über große Distanzen schnellstmöglich in (andere) Krankenhäuser verbracht werden müssen. Als fliegende Intensivstationen sind die Hubschrauber der Luftrettung in ganz Deutschland unterwegs, für Rettungseinsätze im Ausland stehen auch speziell ausgerüstete Rettungsflugzeuge zur Verfügung.

[] auf die Barrikaden gehen, Mehrwortausdruck

wegen etw. (eines Plans, einer Maßnahme, Idee, eines Vorhabens, Gesetzes o. Ä.) aufs Schärfste protestieren; gegen jmdn., etw. entrüstet, empört angehen

Der 18. März ist für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland ein bedeutendes Datum: 1793 rief der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent die Mainzer Republik aus und erklärte „allen Zusammenhang mit dem deutschen Kaiser und Reiche für aufgehoben“. 1848 entbrannten während der Märzrevolution in Berlin Barrikadenkämpfe zwischen der aufständischen Bevölkerung und preußischen Soldaten, bei denen hunderte Zivilisten ums Leben kamen; noch im Dezember wurden in der Frankfurter Paulskirche die Grundrechte proklamiert. Und schließlich fanden am 18. März 1990 nach dem Mauerfall die ersten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR statt. Aktuell gehen tagtäglich zahlreiche Menschen, die das demokratische Erbe vor allem durch rechtsextremistische Kräfte bedroht sehen, demonstrativ auf die Straße, um diese Errungenschaft zu verteidigen.

[] Kleeblatt, das

meist aus drei, selten aus vier Teilen bestehendes Blatt des Klees; beliebtes Motiv in der Heraldik und als Marken- oder Firmenzeichen

Er brachte das komplizierte Problem der Dreieinigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist so elegant auf den Punkt wie kein Zweiter: der irische Missionar St. Patrick – so zumindest will es die Legende: Ein Druide machte sich einst auf einer Clanversammlung über die heilige Dreifaltigkeit lustig und zeichnete diese als dreiköpfiges Monster. Patrick präsentierte stattdessen ein Kleeblatt; er gewann so den Disput und die Iren für das Christentum. Das Kleeblatt gilt seither nicht nur als inoffizielles Nationalsymbol Irlands, auch das englische „shamrock“ (= Kleeblatt) geht auf irisch „seamrog“ zurück und natürlich steht es heute am Sankt-Patricks-Tag im Mittelpunkt.

[] Rave, der oder das

größere Tanzveranstaltung mit elektronischer, von einem Discjockey (DJ) gemischter Musik (z. B. Techno) und ekstatischem Tanz, häufig in einer ungewöhnlichen, eigens dafür umgestalteten Örtlichkeit

Kennen Sie den Interpreten dieser Zeilen: „Good Morning, yeeeeaaaah! One two, … one two three four, pump it up, aaaah!“? Stellen Sie sich nun noch vor, wie jemand diesen Nonsens-Text in ein Megaphon brüllt; dazu hören Sie synthetische Beats (ungefähr 150 pro Minute) im 4/4-Takt, ab und zu aufgelockert durch schlumpfig verzerrten Gesang. Mit diesem Konzept hat die deutsche EDM-Band Scooter seit über dreißig Jahren Erfolg. Für Frontmann H. P. (Hans Peter) Baxxter, der heute 60 Jahre alt wird, ist der Rave wie eine Droge; eine andere hat er wohl nie gebraucht. Noch immer ist seine Band aktiv; das zuletzt veröffentlichte Album „God Save the Rave“ noch keine drei Jahre alt. Na dann, immer munter weiter! Und auch wer diese Art Musik nicht mag, muss wohl akzeptieren, dass es sich dabei um ein nicht irrelevantes Stück deutscher Musikgeschichte handelt.

[] schlafen wie ein Murmeltier, Mehrwortausdruck

sehr (lange) tief und fest schlafen

Inmitten von Winterblues und Frühjahrsmüdigkeit beneidet man manchmal den Winterschlaf haltenden Teil des Tierreichs. Passend dazu findet heute der „World Sleep Day“ statt, der uns daran erinnert, dass Schlaf essentiell für körperliches und geistiges Wohlbefinden ist. Ausreichender Schlaf stärkt das Immunsystem, reduziert Stress und steigert unsere Leistungsfähigkeit. Dieses Jahr liegt der Fokus des Aktionstages auf den globalen Unterschieden in der Schlafgesundheit. Ziel ist es, gleiche Chancen auf erholsamen Schlaf für alle Menschen weltweit zu schaffen – unabhängig vom Standort, sozioökonomischen Status, von Umweltbedingungen, sozialen Strukturen, gemeinschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen sowie individuellen Überzeugungen und Verhaltensweisen.

[] gegen jmdn., etw. ist kein Kraut gewachsen, Mehrwortausdruck

es findet sich kein Mittel, keine Strategie, um ein Problem zu lösen, eine negative Entwicklung, eine schädliche Handlung zu unterbinden; es gibt keine Möglichkeit der Gegenwehr

In Mittelalter und Früher Neuzeit war man da wohl optimistischer: Mediziner wie Paracelsus gingen davon aus, dass gegen jede Krankheit auch eine Pflanze als Heilmittel existieren musste, sofern man es eben verstand, anhand ihrer äußeren Merkmale (den Signaturen) zu deuten, gegen welche Krankheit sie wirkte. Noch heute verraten entsprechende Pflanzennamen wie Augentrost, Lungenkraut oder Steinbrech (gegen Gallensteine), welche Heilungserfolge man von ihnen erhoffte und zum Teil noch erhofft. Dass Kräuter doch nicht gegen alles wirksam waren, war den Menschen durchaus bewusst, wie auch der Barockdichter Sigmund von Birken mit knackigen Versen verdeutlichte: „Es hilfft kein Reichthum/ Geld noch Gut/ Kein Kunst noch Gunst/ noch stoltzer Muht; Für’n Tod kein Kraut gewachsen ist…“

[] Kompositum, das

Sprachwissenschaft: unmittelbar aus zwei (oder mehr) zumeist auch selbstständig verwendbaren Morphemen zusammengesetztes Wort

Das Deutsche ist berühmt (und bei denen, die es lernen müssen, berüchtigt) für seine „Bandwurmwörter“, also lange Komposita, die auf dem im Deutschen eben besonders produktiven Prinzip der Aneinanderreihung von Wortstämmen beruhen (im Übrigen kann das das Englische ganz genauso, es schreibt seine Komposita eben nur getrennt, was Mark Twain in seinem „The Awful German Language“ sogar anerkennt). Und so kreisen so manche absurd lange Wortzusammensetzungen in einschlägiger Literatur, die im echten Leben niemand benutzt. Kein Witz hingegen ist das Paradebeispiel der „Donaudampfschifffahrtsgesellschaft“! Diese wurde heute vor 195 Jahren als „Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ (also mit erleichternden Bindestrichen) in Wien gegründet. Das Wort verblasst sowieso vor den Ideen des deutschen Amtsschimmels.

[] Priesterin, die

geweihte, zu besonderen kultischen Handlungen berechtigte Geistliche

Als König Heinrich VIII. von England sich scheiden lassen und wieder heiraten wollte, stieß er beim Papst auf Ablehnung – es war der Anlass zur Abspaltung der Church of England von der katholischen Kirche im Jahr 1531. Die sogenannte anglikanische Kirche wurde damit zu einer eigenständigen Glaubensgemeinschaft mit eigenen, vergleichsweise fortschrittlichen Regeln. Was die Ordination von Frauen betrifft, blieb man gerade im Ursprungsland der Glaubensgemeinschaft jedoch lange konservativ. Erst am 12. März 1994 wurden die ersten Frauen in Bristol zu Priesterinnen geweiht. Damit waren die britischen Inseln Jahrzehnte später dran als die anglikanischen Gruppen in Hongkong, den USA, Kanada und Neuseeland. Heute machen Frauen etwa ein Drittel des anglikanischen Klerus aus, wobei ihre Beteiligung an höheren Positionen nur langsam voranschreitet.

[] Fee, die

schöne, meist gutgesinnte und hilfreiche weibliche Märchengestalt, Sagengestalt, die mit Zauberkräften begabt ist

Manche Dinge sind so toll, wenn es sie nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden. Das haben sich nicht nur die Leute gedacht, die mit Fotos angeblich echter Feen vor hundert Jahren sogar Arthur Conan Doyle hinters Licht geführt haben, sondern anscheinend auch die Sprecher des Deutschen. In der Sprache entsteht allerdings selten etwas aus dem Nichts, sondern öfter entlehnt man für ein bisher unbenanntes Konzept ein passendes Wort. Im Falle der Fee geschah das sogar zwei Mal: Im Mittelalter gelangte eine ostfranzösische Dialektform „féye“, die auf die lateinische Schicksalgöttin „Fāta“ zurückgeht, als „fei(e)“ ins Deutsche. Diese Form verschwand aber wieder, lebte nur in „feien“, also eigentlich ‚jemanden durch Feenzauber schützen‘, bzw. in „gefeit“ weiter. Darum kehrte französisch „fée“ in der Romantik in der heutigen Form zurück.

[] sich in guter Gesellschaft befinden, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: mit seinem Verhalten (besonders auch Versäumnissen, Fehlern o. Ä.), seinem Erscheinungsbild nicht alleine dastehen, sondern vergleichbar mit anderen (respektierten, bekannten) Personen oder Institutionen sein

Die Wissenschaft ist geprägt von Zufallsfunden. So wollten die US-amerikanischen Astronomen James Elliot, Edward Dunham und Douglas Mink am 10. März 1977 eigentlich das Vorbeiziehen des Planeten Uranus nutzen, um einen Stern im Sternbild Waage zu beobachten. Das Licht des Sterns wurde jedoch nicht nur von dem Gasriesen selbst, sondern auch von etwas anderem abgeschwächt: den Ringen des Uranus. Diese unerwartete Entdeckung war bahnbrechend, da zu diesem Zeitpunkt Saturn als einziger Ringplanet galt. Doch die beiden Planeten befinden sich, wie sich inzwischen herausgestellt hat, in guter Gesellschaft, denn neben Saturn und Uranus besitzen auch Jupiter, Neptun und sogar der Zwergplanet Haumea Ringe. Erst letztes Jahr entstanden hochauflösende Bilder der Uranusringe.

[] Puppe, die

gegenständliche Nachbildung eines Menschen; als Spielzeug für Kinder, auch als Objekt zum Sammeln, Dekorieren o. Ä.

Äußerlich hat sie sich gut gehalten, immer noch kein graues Haar, immer noch Wespentaille: Die Barbie wird heute 65 Jahre alt. Am 9. März 1959 stellte die Firma Matell die Modepuppe zum Spielen und Sammeln auf einer New Yorker Spielzeugmesse zum ersten Mal öffentlich vor. Es folgte ein Ansturm insbesondere junger Mädchen auf Barbie und ihren Sidekick Ken. Wo sich anfangs die Vielfalt des Produkts noch auf die Garderobe und Ausstattung der Puppe beschränkte, ist sie über die Jahrzehnte auch auf anderen Ebenen „diverser“ geworden: Es gibt sie mit verschiedenen Haar- und Hautfarben, im Yoga-Outfit, im Rollstuhl, mit Beinprothese, als Fußballerin, als Meeresbiologin. Jedoch ist sie im Kern die Alte geblieben: sexy, süß und eben auch als Ärztin oder Wissenschaftlerin stets im Minirock. Aus kommerzieller Sicht scheint die Entwicklung gelungen.

[] Verkehrsflughafen, der

dem allgemeinen Verkehr dienender Flughafen

In zehn Jahren vom Baubeschluss bis zur Eröffnung eines pannenfreien Großflughafens bei der Hauptstadt? Berliner werden jetzt ungläubig die Augen reiben, aber das gibt es wirklich! Heute vor 50 Jahren wurde im Nordwesten von Paris der zweite Verkehrsflughafen der französischen Hauptstadt, „Paris-Charles-de-Gaulle“, eingeweiht. Innovativ waren damals nicht nur die parallelen Start- und Landebahnen, sondern auch die zweckmäßige wie futuristische Ausstattung (sogar eine eigene gut lesbare Schriftart war entworfen worden). An die Zukunft hatte man auch bei der Planung künftigen Wachstums gedacht: Wurden in seinem ersten Jahr noch etwa 2,2 Millionen Passagiere abgefertigt, so muss und kann der seitdem mehrfach erweiterte Bau heute weit über 70 Millionen Menschen stemmen.

[] Maus, die

kleines (oft graues oder braunes) Säugetier mit dünnem, schwach behaartem Schwanz

Wie kommen die Löcher in den Käse? Warum ist der Himmel blau? Wie wird ein Flugzeug gebaut? Seit dem 7. März 1971 beantwortet die „Sendung mit der Maus“ sonntags auf charmante und informative, dabei aber stets kindgerechte Weise solche Fragen und begeistert damit nicht nur Kinder, sondern bringt auch noch manche Erwachsene zum Staunen. Seit der ersten Sendung ist der Produzent und Moderator Armin Maiwald ein fester Bestandteil des Teams und hat sich neben der Maus, dem Elefanten und der Ente längst einen Ehrenplatz in der deutschen Fernsehlandschaft verdient. Möge die „Sendung mit der Maus“ mit ihrem einzigartigen Mix aus Lach- und Sachgeschichten noch viele weitere Generationen von Wissbegierigen jeden Alters unterhalten.

[] Bowling, das

aus Amerika stammende Art des Kegelns mit zehn Kegeln und einer Kugel mit Grifflöchern

Es ist eine der Kultkomödien der 90er Jahre: „The Big Lebowski“. Die Hauptfigur, der Dude, lebt in Los Angeles und ist ein gediegener Typ: nicht selten mit Sonnenbrille, Bademantel und Schlappen unterwegs, gelegentlich einen Joint rauchend oder einen White Russian trinkend. Ein zentraler Ort in seinem Leben ist die Bowlingbahn, wo er regelmäßig mit seinen Kumpels abschimmelt. Es könnte alles so entspannt sein – wenn da nicht sein Name wäre: Jeffrey Lebowski, den problematischerweise auch ein Millionär trägt, der kürzlich in Schwierigkeiten geraten ist. Von da an gerät der friedliebende Dude unfreiwillig in Konflikt mit Geldeintreibern und Gangstern. Auch sein klappriger, rostfleckiger Ford Gran Torino muss einiges (Verfolgungsjagd, Diebstahl, Schießerei, Brandanschlag usw.) aushalten. Der Film der Coen-Brüder wurde am 6. März 1998 erstmals öffentlich ausgestrahlt.

[] Grüßaugust, der

salopp, scherzhaft, abwertend: Person, die ein Amt mit ausschließlich repräsentativen Funktionen innehat, aber darüber hinaus über keine weiteren Kompetenzen verfügt

Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand wird der deutsche Bundespräsident ja gerne als „Grüßaugust“ bezeichnet, hat er doch – nach den negativen Erfahrungen mit Reichspräsident Hindenburg in der Zwischenkriegszeit mit voller Absicht – ganz überwiegend nur repräsentative Funktionen und keine entscheidenden Machtbefugnisse. Dennoch ist es nicht egal, wer das höchste Amt im Land bekleidet. Beispielhaft zeigte dies Gustav Heinemann, der heute vor 55 Jahren als erster SPD-Kandidat und erst im dritten Wahlgang in das Amt gewählt wurde. Seine einmalige Amtszeit (er trat aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder an) war geprägt von einer bis dahin unbekannten Bürgernähe und konsequentem Humanismus. Sie hinterließ bleibende Erinnerungen in der alten Bundesrepublik.

[] Snack, der

kleine, meist kalte Zwischenmahlzeit, Appetithappen, Knabbergebäck

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Snack“ hören? Bei einem Snack handelt es sich um eine Zwischenmahlzeit, mit der gemeinhin wohl eher Ungesundes assoziiert wird. Sicherlich denken die meisten dabei eher an einen Schokoriegel am Arbeitsplatz oder eine Tüte Chips vorm Fernseher als an einen kleinen Salat. Das Wort ist ein Anglizismus, der seinen Ursprung wiederum vermutlich im Mittelniederländischen („snacken“ = ‚gierig zuschnappen, -beißen‘) hat. Inzwischen wird hierzulande umgangssprachlich auch das zugehörige Verb „snacken“ verwendet. Allzu gierig zugeschnappt wird in Deutschland nicht: Bei Knabberzeug und Süßkram liegen wir derzeit bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von ca. sechseinhalb Kilo pro Jahr (also etwa 125 Gramm pro Woche), Tendenz aber steigend.

[] hören, Verb

den Schall mit dem Gehör wahrnehmen

Das Motto des diesjährigen Welttags des Hörens lautet „Das Leben gehört gehört“. In den sozialen Medien wird der Welttag auch unter dem Hashtag #ichgehöredazu thematisiert. Es handelt sich natürlich nicht um ein zufälliges Wortspiel, doch wo genau ist der Zusammenhang zwischen „hören“ und „gehören“? Schon im Althochdeutschen existierte die verstärkende Präfixbildung „gihōren“ (im Mittelhochdeutschen „gehœren“) parallel zum Simplex, beide in der Bedeutung ‚akustisch wahrnehmen‘, aber auch ‚zuhören, gehorchen‘. Auf Basis der zuletzt genannten entsteht die Bedeutung ‚in Besitz sein‘ bzw. ‚Teil von etwas sein‘, auf der Basis von Besitz und Zugehörigkeit (#ichgehöredazu) wiederum der Bedeutungsbereich von Notwendigkeit und Erfordernis („Das Leben gehört gehört“).

[] Tschechisch, das

in Tschechien beheimatete Sprache aus dem westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Getauft wurde der tschechische Komponist Smetana, geboren heute vor genau 200 Jahren, noch auf den Namen „Friedrich“, bekannt ist er heute mit der tschechischen Vornamensform „Bedřich“. Das ist allerdings beileibe keine spätere national(istisch)e Vereinnahmung, denn Smetana hatte das selbst bewirkt. Er hatte sich der Nationalbewegung angeschlossen, die im 19. Jahrhundert nach einer langen Phase der Germanisierung zu einer Wiedergeburt der tschechischen Kultur und Sprache (die Smetana erst als Erwachsener lernte) führte. Smetana leistete im Rahmen seines breiten musikalischen Œuvres seinen Beitrag durch die Aufnahme volkstümlicher Motive in Opern und durch sein wohl bekanntestes Werk, den Zyklus sinfonischer Dichtungen „Mein Vaterland“ (mit dem weltbekannten Bestandteil „Die Moldau“).

[] Schmetterling, der

in sehr zahlreichen Arten vorkommendes, hochentwickeltes Insekt mit zwei verhältnismäßig großen, von (farbigen) Schuppen bedeckten Flügelpaaren und einem Saugrüssel, Falter

Zum heutigen meteorologischen Frühlingsanfang erstrahlen bereits die ersten Krokuswiesen in den Parks Berlins, und bald wird auch ein farbenfroher flatternder Frühlingsbote zu beobachten sein. In seiner heutigen Schreibung findet sich der „Schmetterling“ seit Mitte des 18. Jahrhunderts und hat seine etymologischen Wurzeln wohl im ostmitteldeutschen „Schmetten“, das wiederum dem gleichbedeutenden tschechischen „smetana“ ‚Sahne, Rahm‘ entspringt. Die Assoziation der Insekten mit Molkereiprodukten – wie auch im englischen „butterfly“ zu erkennen ist – geht auf den Volksglauben zurück, dass Schmetterlinge eine Verkörperung von Hexen seien, die „in dieser verhüllung einem ihrer hauptgeschäfte, dem verderben der milch- und buttervorräte nachgehen.“

[] Schalttag, der

Tag, der alle vier Jahre (als 29. Februar) zusätzlich zu den 365 Tagen eines normalen Jahres eingeschaltet wird, um so immer wieder die Differenz zwischen Kalenderjahr und Sonnenjahr auszugleichen

Wer an einem 29. Februar zur Welt gekommen ist (wie etwa Schriftsteller Martin Suter oder Ex-Fußballer Benedikt Höwedes), hat gleichzeitig ein bisschen Pech und ein bisschen Glück: Er kann seinen „wahren“ Geburtstag nur alle vier Jahre feiern, dafür ist das Datum ein echter Hingucker. Warum gibt es solche Schaltjahre überhaupt? Damit Kalenderjahr und tropisches Jahr dauerhaft übereinstimmen, wird jedem durch 4 teilbaren Jahr ein Schalttag, ein 29. Februar, hinzugefügt. Nur wenn ein solches Jahr durch 100 (nicht aber durch 400) teilbar ist, dauert es ausnahmsweise die üblichen 365 Tage. Kompliziert, aber es funktioniert: Der Januar bleibt dadurch für immer im Winter, der Juli im Sommer.

[] Keeper, der

Mannschaftssport: vor dem Tor bzw. auf der Torlinie agierender Spieler, dessen Aufgabe es ist, das Spielgerät abzuwehren oder abzufangen

Eine Legende im Tor: Sepp Maier war 17 Jahre lang (1962–1979) Keeper (von engl. ‚Wächter, Hüter‘) der Herrenmannschaft des FC Bayern München. Mit insgesamt 706 Pflichtspielen ist er Rekordspieler beim Verein und liegt damit derzeit noch knapp vor Thomas Müller. Hinzu kommen noch knapp 100 Spiele mit der (west-)deutschen Nationalmannschaft. In seiner Karriere hat er wohl alle Titel gewonnen, von denen ein Fußballer nur träumen kann. So wurde er unter anderem mit seinem Club mehrfach Deutscher Meister, mit der Nationalmannschaft 1972 Europameister und 1974 sogar Weltmeister. Heute wird er 80 Jahre alt und fühlt sich fit: „Ich bin weiter geschmeidig. Nicht umsonst nannte man mich die ‚Katze von Anzing‘.“

[] Annexion, die

widerrechtliche und meist gewaltsame Inbesitznahme fremden Staatsgebiets

Seit der vollen Invasion Russlands tobt seit nun zwei ganzen Jahren der Krieg in der Ukraine. Doch begann, was im Westen oft ignoriert wird, der Versuch der Rekolonisierung Kiews durch Moskau bereits viel früher: Nachdem im Rahmen der sog. „Revolution der Würde“ im Februar 2014 der prorussische Präsident Janukowitsch aus dem Land geflohen war, landeten heute vor genau zehn Jahren russische Truppen mit entfernten Hoheitszeichen auf der Halbinsel Krim und nahmen sie im Handstreich ein. Unter vorgehaltener Waffe stimmte das regionale Parlament für ein „Unabhängigkeitsreferendum“ im März, das Ansprüchen an freie, gleiche und geheime Wahlen nicht genügte. Entsprechend erkennt die internationale Staatengemeinschaft die Annexion der Krim durch Russland vom 18.03.2014 nicht an.

[] Luftbetankung, die

Militär: (technisches Verfahren der) Versorgung eines Luftfahrzeugs mit Treibstoff während des Fluges

Auf der illustren Liste bedeutender Weltumrundungen nimmt sich diejenige, die am 26. Februar 1949 begann, nur auf den ersten Blick wenig imposant aus. Waren unzählige Pioniere bereits zuvor zu Wasser, zu Lande und durch die Lüfte um die Welt gereist, sollte sie diesmal per Flugzeug umkreist werden. So weit, so unspektakulär – doch halt! Nicht etwa ein ordinärer Lufttransporter, sondern ein Atombomber der United States Air Force (USAF) hob ab, um den blauen Planeten – Achtung! – nonstop zu umrunden. Technisch fuhr man dazu schweres Geschütz auf: Der Bombenschacht wurde zweckentfremdet und zur Erhöhung der Reichweite mit einem Zusatztank versehen. 94 Stunden ohne Zwischenlandung bzw. vier Luftbetankungen später zog der zivile Leiter der USAF ein positives Fazit: „Luftbetankung kann mittlere Bomber in interkontinentale Bomber verwandeln“.

[] flink wie ein Wiesel, Mehrwortausdruck

sehr schnell und wendig (in der Bewegung)

Abgesehen von ihm selbst glaubte kaum jemand an Cassius Clays Erfolg, als er am 25. Februar 1964 den damals amtierenden unumstrittenen Boxweltmeister im Schwergewicht, Sonny Liston, herausforderte. Der ausweichende Kampfstil des leichtfüßigen und wendigen Clay machte Liston, der vor allem für die ungeheure Wucht seiner Schläge bekannt war, so zu schaffen, dass er in der siebten Runde frustriert und entkräftet aufgab. Vom Ring aus brüllte der Sieger den Sportreportern, die ihn nur für einen Gernegroß mit losem Mundwerk gehalten hatten, immer wieder „I am the greatest“ und „I shook up the world“ entgegen. Noch im selben Jahr änderte der sich zum Islam bekennende Clay seinen Namen und trat beim Rückkampf gegen Liston als Muhammad Ali an. In diesem Fight schlug er seinen Kontrahenten nach nur 105 Sekunden k. o.

[] Klagelied, das

Schmerz ausdrückendes, klagendes Lied

„Heute siegen in der Hölle Mitleid und Liebe“ singt der Chor der Geister, als der hocherfreute Orfeo, gefolgt von seiner kurz zuvor verstorbenen Eurydike, aus der Unterwelt dem Leben wieder entgegeneilt. Doch Orfeo tut das Verbotene, er dreht sich zu seiner Geliebten um und verliert sie damit endgültig an den Tod. Es folgt ein untröstliches Klagelied, in welches die Nymphe Echo, selbst an der Liebe zugrunde gegangen, mitfühlend einstimmt. Monteverdis L'Orfeo wird von vielen als die erste Oper bezeichnet. Zumindest ist sie die älteste, die noch heute regelmäßig auf den Spielplänen steht. Sie wurde am 24. Februar 1607 in Mantua uraufgeführt.

[] Klarsicht, die

Fähigkeit, jmdn. oder etw. richtig einschätzen zu können, sicheres rationales Urteilsvermögen

Am 10. Mai 1933 stand er vor dem Berliner Opernplatz (heute Bebelplatz), sah seine Bücher „in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners [Goebbels])“. „Verfemt“ war Erich Kästner nicht von ungefähr. Nachdem er in Leipzig 1927 wegen eines frech-erotischen Gedichts als Theaterkritiker gefeuert worden war, stieg er in Berlin zum gefeierten Literaturstar auf, schrieb in Romanen und Gedichten gegen den Zeitgeist an und blieb doch stets zeitlos. Seine Verse aus „Die Entwicklung der Menschheit“ (1932) etwa lassen sich mit nur wenig Phantasie auf die modernen Medien übertragen: „Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, / in zentral geheizten Räumen. / Da sitzen sie nun am Telefon. / Und es herrscht noch genau derselbe Ton / wie seinerzeit auf den Bäumen.“

[] Bär, der

einzelnes Tier oder Tierart aus einer Gruppe von Raubtieren (Familie der Ursidae), die meist relativ schwer und stämmig sind, einen dichten Pelz haben

Der Bär ist gefährlich – dessen waren sich unsere Vorfahren besonders bewusst. Da diese sehr abergläubisch waren, vermieden sie es, den „wahren“ Namen des wilden Tieres zu nennen, um es nicht zu beschwören. Die indogermanische Bezeichnung „*h2r̥tko-“, „*h2r̥kþo-“ wurde, so vermutet man, zum Tabuwort und der bedrohliche Räuber lieber umschrieben. In den germanischen Sprachen wird er deshalb als der ‚Braune‘ bezeichnet (zur indogermanischen Wurzel „*bher-“ ‚braun‘): So findet man neben dem deutschen Wort „Bär“ beispielsweise im Englischen „bear“ und im Schwedischen „björn“. Einer anderen Theorie zufolge leitet sich der Name von der Wurzel „*gwher-“ ‚wild‘ (wie in griechisch „thḗr“ ‚wildes Tier‘ und lateinisch „ferus“ ‚wild‘) ab. Die Slawen sprechen wiederum vom ‚Honigesser’ (urslawisch „*medu-ed-i-“).

[] Revier, das

Bereich von bestimmter Ausdehnung und Abgrenzung; umgangssprachlich: Tätigkeitsfeld, Fach; Bergmannssprache: großes Gebiet, in dem Bodenschätze gefördert werden; Bergbaurevier

Er war Sänger und Poet, seit den 80er Jahren erfolgreich als Liedermacher, besonders im Osten Deutschlands: Gerhard „Gundi“ Gundermann. Doch die Bühne war nur sein zweites Revier: Sein Geld wollte er mit „echter Arbeit“ verdienen, das Baggerfahren im Lausitzer Braunkohlerevier nicht aufgeben. Eines Tages musste er es dennoch, als sein Tagebau Mitte der 90er geschlossen wurde. Bis dahin hatte er sich über viele Jahre beidem leidenschaftlich gewidmet – abends auf der Bühne, kaum Schlaf, morgens wieder auf dem Bagger. Wie schwer ihm dieser Abschied fiel, hört man in einem seiner bekanntesten Lieder: „Da fliegt ein Engel durch den rauchigen Himmel über dem Revier. Er hat jetzt fast ein halbes Leben auf mich aufgepasst. Jetzt trennt er sich von mir.“ Nur wenig später, im Juni 1998, starb Gundermann im Alter von 43 Jahren. Heute wäre sein Geburtstag gewesen.

[] Maya, der oder die

indianisches Kulturvolk in Mittelamerika, besonders der Halbinsel Yucatán

Anfang des 16. Jahrhunderts herrschte in Mittelamerika ein komplexes Geflecht verschieden großer, hochentwickelter Staaten und Kulturen, von denen besonders die Azteken und die Maya bekannt sind. Wie labil dieses System war, zeigt sein schneller Zusammenbruch, als plötzlich ein externer Störfaktor ins Spiel kam: die Ankunft der Spanier 1519. Obwohl nur mit lächerlich geringen Mengen an Soldaten unterwegs, gelang den „Konquistadoren“ mit einer Mischung aus Technik, Verhandlungsgeschick und Chuzpe die Eroberung des Aztekenreichs und weiterer Staaten. Tecun Uman, Anführer der Quiché-Maya, stellte sich heute vor 500 Jahren den Spaniern und ihren indianischen Hilfstruppen entgegen, unterlag und starb aber in der Entscheidungsschlacht. Heute wird er als Nationalheld in Guatemala verehrt.

[] Assyriologie, die

Wissenschaft von der assyrisch-babylonischen Geschichte, Kultur und Sprache

Er studierte Assyriologie, bekannt wurde er aber für eine andere Keilschriftsprache, das Hethitische. Ab 1917 nutzte der heute vor 130 Jahren als Sohn des bedeutenden Schweizer Archäologen Robert Forrer geborene Emil Forrer die Möglichkeit, diese eben entzifferte Sprache des kleinasiatischen Hethiterreichs in Berlin zu erforschen. Er formte dabei die Hethitologie entscheidend mit, identifizierte die vielen verschiedenen Sprachen in den Tontafelbruchstücken aus Hattusa, katalogisierte und umschrieb sie. Doch im Fach war er unbeliebt, besonders wegen seiner spekulativen Gleichsetzung des hethitischen Ausdrucks „Ahhijawa“ mit den mykenischen Griechen („Achäern“; er sollte übrigens Recht behalten). Und so gelang es ihm nirgendwo, eine ordentliche Anstellung zu finden. Enttäuscht wanderte er 1949 nach Südamerika aus.

[] Filibuster, der oder das

vorwiegend auf den US-Senat bezogen: von einer parlamentarischen Minderheit angewandte Taktik der Zermürbung des politischen Gegners, indem durch überlanges Reden eine Abstimmung blockiert bzw. verschleppt, verzögert wird

Wer im US-Senat am Rednerpult steht, darf in der Regel so lange reden, wie es ihm oder ihr beliebt. Den Rekord hält der Senator Strom Thurmond, der 1957 mit einer mehr als 24 Stunden andauernden, enervierenden Marathonrede eine Debatte kaperte („Filibuster“ lässt sich auf niederländisch „vrijbuiter“, also ‚Freibeuter‘ zurückführen), in der er unter anderem die Wahlgesetze sämtlicher Bundesstaaten und George Washingtons Abschiedsrede vorlas. Seine Bemühungen waren umsonst – das Gesetz, das er damit verhindern wollte, wurde dennoch verabschiedet. Mitunter genügte aber schon die bloße Androhung eines Filibusters, um den politischen Gegner abzuschrecken: Als sich Henry Clay verärgert über die Filibusterei in einer Debatte 1841 dafür aussprach, die Regelungen zur Zeitbegrenzung zu ändern, drohten William R. King und andere Oppositionelle damit, noch länger zu filibustern. Clay gab klein bei.

[] U-Boot, das

für militärische, seltener für andere Zwecke, z. B. Tiefseeforschung, eingesetztes Wasserfahrzeug, das komplett untergetaucht operieren kann

Waren Unterseeboote, Tauchglocken oder Skaphander bis ins 19. Jahrhundert hinein unpraktische (und meist nicht einmal realisierte) Kuriositäten gewesen, so ermöglichte darauffolgend die industrielle Revolution erste zumindest theoretisch funktionierende Entwürfe (in Deutschland bekannt ist Wilhelm Bauers Brandtaucher von 1850). Zum ersten tatsächlichen militärischen Einsatz eines Tauchbootes kam es dann im amerikanischen Bürgerkrieg: Am 17.02.1864 versenkte das Südstaatenschiff CSS Hunley (eine große Metallzigarre mit Kurbelantrieb) das Blockadeschiff USS Housatonic vor dem Hafen von Charleston. Die Hunley wurde dabei von ihrer eigenen Waffe ebenfalls versenkt. Dabei und bei zwei früheren Tauchunfällen starben insgesamt deutlich mehr Südstaatler als Unionssoldaten auf der Housatonic.

[] Fixer, der

(drogenabhängige) Person, die sich gewohnheitsmäßig Rauschmittel, besonders Heroin, spritzt, injiziert

Ob „Fixer“, „anfixen“, „Fixerraum“: Fremdsprachige Entlehnungen entwickeln in den Zielsprachen oft ein „Eigenleben“. Zwar stammt „Fixer“ über das Verb „to fix“ in der Bedeutung ‚Drogen injizieren‘ tatsächlich aus dem Englischen, ist dort in dieser Bedeutung aber kaum noch geläufig. Lange unbekannt (und ungewollt) war in der anglophonen Welt auch das Konzept der Fixerräume, Drogenkonsumräume, mit denen man Abhängigen eine geschützte Umgebung und sauberes Spritzenbesteck anbietet. Es war 1986 die Schweiz, die weltweit die ersten Räumlichkeiten einrichtete. Deutschland folgte (in Form eines Busses) genau heute vor 30 Jahren. Und auch im Vereinigten Königreich wurde man schließlich aufmerksam, wobei Journalisten das Wort (meist in Anführungszeichen gesetzt) zu „fixing room“ rückübersetzten.

[] weißer Fleck auf der Landkarte, Mehrwortausdruck

nicht erschlossene Region, nicht erschlossener Bereich; unerforschtes Gebiet, Gelände

Im späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert, als die Welt scheinbar vollständig erschlossen war, galt die Antarktis als der letzte sprichwörtliche wie buchstäbliche weiße Fleck auf der Landkarte. Getrieben von großem Entdecker- und Forschergeist plante der Polarforscher Ernest Shackleton – nachdem Roald Amundsen ihm beim Erreichen des geographischen Südpols zuvorgekommen war – die transkontinentale Durchquerung der Antarktis. Die Expedition scheiterte jedoch, noch bevor sie richtig begann, als sein Schiff im Packeis eingeschlossen wurde. Dennoch gelang es Shackleton unter widrigsten Umständen, seine gesamte Mannschaft in einer waghalsigen und zehrenden Rettungsmission vor dem Tod zu bewahren. Heute jährt sich Shackletons Geburtstag zum 150. Mal.

[] Tanz auf dem Vulkan, Mehrwortausdruck

unruhige, aufgeheizte Situation; unbekümmertes, riskantes Verhalten, ausgelassenes Feiern angesichts einer drohenden Katastrophe

Februar 1929, die Spatzen pfiffen es von den Dächern, ganz München in Aufruhr – die Baker kommt! Mit einer gewagten, überaus freizügigen Bühnenshow eroberte die gerade mal 22-jährige Künstlerin Josephine Baker Ende der 1920er Jahre unzählige Herzen – manchem hingegen sackte dasselbe in die Hose. Besorgt um Anstand und öffentliche Ordnung verbot unter Beifall der zunehmend erstarkenden Nationalsozialisten die Münchner Polizeidirektion am 14. Februar 1929 die Lustbarkeit. Vorbote des Kommenden? Wie dem auch sei, ergoss sich der Spott der Presse (nicht nur nördlich des Weißwurstäquators) noch ungehindert über den „Geist der Engherzigkeit“ in der Isarmetropole: „München, die erste Stadt der Welt, in welcher die Baker ‚nicht‘ tanzt“, war eines der im Vergleich noch harmlosen Bonmots.

[] Talkmaster, der

Person, die eine Talkshow, eine Gesprächsrunde moderiert, leitet

Schon mal den Ausdruck „schmaltzmeister“ gehört (als solcher galt u. a. James Last) – nein? Dann vielleicht in ähnlicher Bedeutung „schlockmeister“ – auch nicht? Es sind Begriffe, die in der anglophonen Welt kursieren. Wortspiele mit fremdsprachigen (hier deutschen und jiddischen) Konstituenten sind also, mögen Sprachuntergangspropheten auch anderes behaupten, kein rein deutsches ‚Laster‘. Hierzulande ist anstelle des „Meisters“ der „Master“ beliebt: Analog zum amerikanischen „quiz master“ kreierten Programmverantwortliche in den 1960er Jahren flugs den „Showmaster“. Als eine solche vermeintlich deutsche Bildung galt lange auch der „Talkmaster“. Doch tatsächlich gibt es das Wort auch im Englischen. Geläufiger sind allerdings „talk show host“, „TV host“ oder als ironischer Ehrentitel – man glaubt es kaum – der „talkmeister“.

[] Alaaf, das

in Köln, Bonn, Leverkusen, Aachen, Andernach, Düren und vielen anderen Orten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verwendeter Narrenruf

„Als die fröhlichste Stadt [im Rheinland] gilt Cöln, und auf dem Cölner Carneval kommt der rheinische Frohsinn am stärksten zum Ausdruck“, liest man schon vor über hundert Jahren in einem Geografieschulbuch. Nicht nur der besagte rheinische Frohsinn, auch die Liebe vieler Kölnerinnen und Kölner zu ihrer Heimatstadt wird dieser Tage wieder augenscheinlich und vor allem ohrenfällig. Diese drücken unzählige Jecken während des Karnevals nämlich mit einem schallenden „Alaaf“ aus, das auf die jubelheischende Vorlage „Kölle“ eines Vorrufers erwidert wird. Was sie damit sagen wollen? Köln ist die beste Stadt überhaupt! Denn das ripuarische „Kölle alaaf“ bedeutet so viel wie ‚alles (ist) unterhalb Kölns‘. Wenn Sie mehr über einen der bekanntesten Narrenrufe sowie das in anderen Gegenden dominierende „Helau“ erfahren wollen, haben wir den passenden Blogartikel für Sie.

[] von der Bildfläche verschwinden, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sich (aus der Öffentlichkeit) zurückziehen, abtreten; nicht mehr sichtbar, präsent sein

Wie einst die „HMS Beagle“ Charles Darwin auf Entdeckungsreise führte, hatte auch die „Beagle 2“ ein ehrgeiziges (Forschungs-)Ziel: die Suche nach Leben auf dem Mars. Die im Juni 2003 gestartete Raumsonde „Mars Express“ erreichte den Orbit des roten Planeten am 25. Dezember 2003. Die bereits sechs Tage zuvor abgekoppelte Landesonde „Beagle 2“ sollte die Marsoberfläche am selben Tag erreichen. Doch von der „Beagle 2“ fehlte jede Spur; am 11. Februar 2004 wurde sie schließlich offiziell als verloren erklärt. Noch 11 Jahre blieb sie verschollen, bis 2015 hochauflösende Aufnahmen einer anderen Marssonde zeigten, dass die Sonde wohlbehalten gelandet war, jedoch aufgrund nicht vollständig ausgeklappter Solarzellen keinen Kontakt herstellen konnte.

[] Hülsenfrucht, die

essbarer Samen bestimmter Hülsenfrüchtler

Es ist kaum zu glauben: Der Pro-Kopf-Verbrauch an Hülsenfrüchten liegt in Deutschland bei gerade einmal zwei Kilo pro Jahr, so die Schätzung des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft. Eingeschlossen sind alle sog. Körnerleguminosen, also Linsen, Erbsen, Bohnen, Soja, Kichererbsen und weitere. Der größte Teil der Hülsenfrüchte wird als Tierfutter verwendet. Abgesehen von eventuellen Unverträglichkeiten sind sie aber mit einem hohen Anteil an Proteinen, Ballaststoffen, häufig auch Eisen und B-Vitaminen äußerst gesundheitsfördernd für den Menschen. Zudem sind sie preiswert, vielseitig in der (nicht nur vegetarischen) Küche einsetzbar und leicht aufzubewahren. Dass sie zusätzlich eine gute CO₂-Bilanz aufweisen und sich positiv auf Biodiversität und Ackerbodenqualität auswirken, wären weitere Argumente für einen vermehrten Anbau hierzulande, 2023 sank die Anbaumenge jedoch sogar leicht.

[] Polystilistik, die

(Kompositions-)‍Technik, die sich vor allem durch Einsatz von Stilzitaten und die Verbindung historischer und gegenwärtiger Elemente, Stilmittel o. Ä. auszeichnet

Als am 9. Februar 1974 in Gorki Alfred Schnittkes 1. Sinfonie ihre Uraufführung erlebte, brach für so manchen eine wohlgepflegte Ordnung zusammen. An jenem Abend erklang Sakrales und Chaotisches, Barockzitate lösten Foxtrottsequenzen ab, Jazz- und Marschelemente gipfelten in einem fulminanten Orchestertumult – die Entrüstung war vorprogrammiert. „Seit ungefähr zwei Jahrzehnten bemühe ich mich um eine Vermischung der Stile, die so aufgearbeitet werden, wie sie sind: also nicht im Sinne einer Synthese, sondern einer Polystilistik […].“ Für Schnittkes künftiges Schaffen sollte diese unorthodoxe, in Teilen rätselhafte Kompositionsweise zentrale Bedeutung erlangen. In Hamburg übrigens verdankt die Inszenierung des Balletts „Endstation Sehnsucht“ ihren seit 1987 anhaltenden Erfolg nicht zuletzt Schnittkes darin erklingender 1. Sinfonie.

[] Koffein, das

bitter schmeckender Stoff, der besonders in der Kaffeebohne und im Teeblatt enthalten ist und anregend wirkt

Anfang des 19. Jahrhunderts machte der deutsche Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge – inspiriert von einem Vorschlag Goethes – eine große Entdeckung: Es gelang ihm erstmals, einen Wirkstoff aus Kaffeebohnen zu isolieren und er erkannte dessen stimulierende Wirkung auf den menschlichen Körper. Er bezeichnete ihn zunächst als „Caffein“. Dabei handelt es sich um eine Bildung aus „Caffee“ und dem für Substanzbezeichnungen typischen Suffix „-īn“, das sich beispielsweise auch in „Tein“ findet, dem in den Blättern des grünen und schwarzen Tees enthaltenen Koffein. Jahrzehnte später wurde dann in Anlehnung an das englische „coffee“ bzw. das neulateinische „Coffeīnum“ die Variante „Koffein“ geläufig. Interessanterweise wird aber im Englischen noch heute die aus dem ursprünglichen Namen abgeleitete Form „caffeine“ genutzt.

[] recyceln, Verb

übertragen: etw. Altes, bereits Dagewesenes für einen neuen Zweck verwenden

Was haben Dee Bass, Fabrizio Bastino, Howard Houston, Jennifer Blake und Marcel Mardello gemeinsam? – Richtig, sie sind Pseudonyme von Dieter Bohlen, der heute 70 Jahre alt wird. Seit Ende der 70er hat Bohlen als Autor, Komponist und wenig später auch als Produzent um die 1.000 Musikstücke zu verantworten (oder zumindest mitzuverantworten), von denen nicht wenige einen durchschlagenden Verkaufserfolg erzielten – vorgetragen von „ihm selbst“ oder aber Größen wie Andrea Berg, Bonnie Tyler, den Wildecker Herzbuben oder einem seiner vielen „Schützlinge“ aus der Casting-Show DSDS (bitte nicht verwechseln mit dem DWDS). Wer genauer in Bohlens Werk reinhört, wird feststellen: Der Pop-Titan ist ein Meister des Recycelns seiner eigenen Songs (und die Rede ist hier nicht von ausgewiesenen Coversongs). Wirtschaftlichen Erfolg hat es jedenfalls gebracht.

[] Digital Detox, das

bewusster zeitweiser oder teilweiser Verzicht auf Smartphones, Internet, soziale Medien o. Ä.

Na, lesen Sie diesen Text gerade auf Ihrem Handy? Der gesellschaftliche Einfluss von Smartphones ist nicht zu leugnen. Bei den geradezu entzugsartigen Symptomen, die so manchen ereilen, wenn das geliebte Telefon mal vergessen wurde, sprechen manche gar von einer Nomophobie („No-Mobile-Phone-Phobie“). Den Druck, ständig erreichbar zu sein, spürte der französische Schriftsteller Phil Marso bereits vor über 20 Jahren, zu einer Zeit, in der man mit Mobiltelefonen wenig mehr als telefonieren konnte. Um die Abhängigkeit von diesen Geräten zu reflektieren, rief er am 6. Februar 2001 den „Welttag ohne Mobiltelefon“ aus, aus dem 2004 drei Tage wurden. Vielleicht nutzen Sie ja die kommenden drei Tage, um sich wieder mal auf die Welt jenseits der Bildschirme zu konzentrieren oder sich kritisch mit dem eigenen Handynutzungsverhalten auseinanderzusetzen.

[] Nachrichtensender, der

Medien: Rundfunksender, dessen Programm überwiegend aus Nachrichten besteht

Es gibt heutzutage so viele Nachrichtenkanäle – seien es Radio, Fernsehen, Internetportale oder Videokanäle, dass man die Menge und die verschiedenen Ausrichtungen (in Bezug auf Schwerpunkte der Berichte oder die politische Grundhaltung) kaum mehr überblicken kann. Das war in den 1980ern noch anders, besonders in Europa. Da war es eine echte Premiere, als am 5. Februar 1989 Sky News via Satellit Astra 1A auf Sendung ging, und das sogar (anders als z. B. der US-Kabelsender CNN) ununterbrochen: 24 Stunden Nachrichten. Der Sender des Medien-Tycoons Rupert Murdoch war zwar lange Zeit defizitär, erarbeitete sich und seiner Senderfamilie aber wertvolles Prestige. Ob es allerdings der geistigen Gesundheit zuträglich ist, rund um die Uhr Nachrichten zu schauen, überlassen wir Ihrem Urteil.

[] quasseln, Verb

unaufhörlich und schnell reden, langweilige und törichte Sachen erzählen

Ein Berliner Gerichtssaal, Mai 1882, ein Angeklagter bittet um Nachsicht für sein loses Mundwerk: „Lieber Herr Jerichtshof, drücken Se man een Oge zu. Et is een Erbfehler von mir, daß ick immer quasseln muß.“ – Alte Gerichtsprotokolle geben wertvolle Einblicke in den selten salonfähigen Wortschatz gesellschaftlicher Randgruppen. Und oft genug förderte die Schriftform auch dessen überregionale Verbreitung. So wurde das niederdeutsche „quasseln“, gebildet zu „quasen“ (‚fressen, schwatzen‘), nicht zuletzt geadelt durch Fontane, über das Berlinische ins Hochdeutsche entlehnt. „Alle geben sie vor, Ideale zu haben; in einem fort quasseln sie vom ‚Schönen, Guten, Wahren‘“. Unserem Angeklagten widerfuhr mit 14 Tagen Gefängnis weniger Nachsicht: „Au Backe, es ist aber een bisken ville!“

[] Bündnis, das

(an einen Vertrag gebundener) Zusammenschluss, Pakt von mehreren Personen oder Ländern

Heute vor 100 Jahren starb der 28. Präsident der Vereinigten Staaten, Thomas Woodrow Wilson. In Erinnerung bleibt er besonders wegen seiner Außenpolitik während und nach dem Ersten Weltkrieg, die konzeptionell ihrer Zeit weit voraus war. Wilson strebte eine aktive Rolle der USA in der Welt an, um Demokratie, Marktwirtschaft und Frieden zu fördern. Wilsons 14-Punkte-Programm zur friedvollen Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg und sein Vorschlag zur Gründung eines Völkerbundes sind zentrale Elemente dieser Politik. Für diese Bestrebungen bekam er 1919 den Friedensnobelpreis. Wie sieht man ihn heute – als Idealisten oder gar Naivling, als Pragmatiker, als Einmischer? Auf den sogenannten Wilsonianismus beriefen sich jedenfalls noch Jahrzehnte später US-Präsidenten wie Roosevelt und Truman, aber auch George W. Bush zu Beginn des Irakkriegs.

[] Redispatch, der oder das

bei der Verteilung von Strom: Eingriff zur Anpassung der Leistungseinspeisung von Kraftwerken auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers mit dem Ziel, auftretende regionale Überlastungen im Übertragungsnetz zu vermeiden oder zu beseitigen

Der Anglizismus „Redispatch“ trendete 2015 schon einmal und ist seit 2022 wieder recht präsent in den Medien. Dabei handelt es sich um eine kurzfristige Anpassung der Stromerzeugung, um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im Stromnetz aufrechtzuerhalten; die Netzbetreiber weichen also von ihrem ursprünglichen Plan bei der Einsatzplanung der Kraftwerke (dem sogenannten ­„Dispatch“) ab. Solche regulierenden Maßnahmen sind gang und gäbe und werden besonders im Winter eingesetzt, da es in der dunklen Jahreszeit eine besonders hohe Nachfrage an Strom gibt, gleichzeitig besonders im Norden zu viel Windenergie produziert wird und die Übertragungsleitungen leicht überlasten. Für mehr Stabilität bei der Energieversorgung könnte ein Ausbau der Netze sowie der Windkraftanlagen im Süden Deutschlands sorgen.

[] Mysterienspiel, das

geistliches Schauspiel des Mittelalters

Seine Familie war seine größte Bürde: Als Hugo von Hofmannsthal heute vor 150 Jahren in Wien geboren wurde, war sie just verarmt. Zeit seines Lebens steckten Antisemiten ihn wegen der jüdischen Vorfahren (von Hofmannsthal selbst war gläubiger Katholik) in die entsprechende Schublade, und als sich sein Sohn 1929 erschoss, traf ihn zwei Tage später mit nur 55 Jahren der Schlag. Die vielen Hindernisse, die ihm in den Weg gelegt wurden, hielten ihn nicht davon ab, zu einem führenden Vertreter der Literatur des Fin de Siècle aufzusteigen und sich mit seinem reichen Schaffen in vielen Gattungen als einer der bedeutendsten modernen deutschsprachigen Schriftsteller zu verewigen. Sein Mysterienspiel (eine wiederbelebte mittelalterliche Gattung) „Jedermann“ wird traditionell bei den von ihm mitbegründeten Salzburger Festspielen aufgeführt.

[] Fake News, die

falsche oder irreführende Nachricht, die absichtlich zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung verbreitet wird

„Fake News“ war Anglizismus des Jahres 2016. Und so traurig das Wort, so düster und verwickelt – und nicht unbedingt englisch – ist auch die Herkunft seines Bestandteils „fake“. Wer der Wortgeschichte nachspürt, findet sich in den dunklen Ecken Londons des 18. Jahrhunderts wieder, wo sich die Unterwelt mit „cant“, auch „peddler's French“ genannt, (das Pendant zum Rotwelschen) verständigte. Wörter dieser Geheimsprache konnten viele Bedeutungen annehmen. In Charles Dickens’ „Oliver Twist“ waren „cly fakers“ (‚Taschendiebe‘) aktiv, wobei „fake“ als Verb neben ‚stehlen‘ auch für ‚betrügen‘ stehen konnte. Spannend ist, dass einiges auf das Niederdeutsche als Quellsprache hindeutet. Manche vermuteten den Ursprung in „feague“ von niederdeutsch „vegen“ bzw. deutsch „fegen“, andere in „vaken“ (‚fassen, fangen‘).

[] Narrativ, das oder der

häufig abwertend: konventioneller, zwischen einer Reihe von Ereignissen oder Sachverhalten Sinn stiftender, begründender Rahmen, Zusammenhang; (ein bestimmtes Bild, Verhalten schaffende oder legitimierende) Vorstellung, Darstellung, Behauptung, Theorie, Geschichte

Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler endete vor 91 Jahren die Weimarer Republik. Innerhalb kürzester Zeit bemächtigten sich die Nationalsozialisten daraufhin der staatlichen Machtinstrumente und installierten das NS-Regime. Flankierend etablierten sie ein Narrativ, in dem sie sich als gesetzeskonforme und legitime („Machtübernahme“), dynamische, vom Willen zur Macht erfüllte („Machtergreifung“) und kämpferische („Machteroberung“) politische Kraft präsentierten. Eine sprachkritische Auseinandersetzung begann etwa in den 1970er Jahren und hält bis in die Gegenwart an. Die damalige Verkennung des Nationalsozialismus sowie die Unterstützung durch die Bevölkerung wird heute unter anderem durch die Konkurrenzvokabeln „Machtüberlassung“, „Machtübergabe“ oder „Machtübertragung“ wiedergegeben. An diesem heterogenen Sprachgebrauch ist abzulesen, wie wirkmächtig Deutungsmuster und Narrative unsere Wahrnehmung beeinflussen.

[] Satire, die

Form des Komischen in der Kunst, besonders in der Literatur, die mit dem Anliegen, Bestehendes zu verändern, durch Ausdrucksmittel des schärfsten Spottes und enthüllender Polemik charakteristische Widersprüche in Individuum und Gesellschaft aufdeckt und der Lächerlichkeit preisgibt

Zutiefst beunruhigt über die Eskalation des Kalten Kriegs beschloss Stanley Kubrick Anfang der sechziger Jahre, das Thema der nuklearen Bedrohung in einem Film zu verarbeiten. Dieser sollte wie die Romanvorlage „Red Alert“ einen ernsten Ton haben. Doch je mehr Kubrick recherchierte, desto überzeugter war er davon, dass der Thriller nicht die geeignete Form ist, um die Absurdität und Paradoxie der Abschreckungspolitik darzustellen. So entstand „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“ („Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“) – eine tiefschwarze Komödie, die mittels satirischer Elemente verdeutlicht, wie labil das „Gleichgewicht des Schreckens“ ist. Auch sechzig Jahre nach Erscheinungsdatum könnte diese Satire über Allmachtsfantasien, Irrationalität und mangelhafte Kommunikation auf der Bühne der Weltpolitik aktueller kaum sein.

[] Gang nach Canossa, Mehrwortausdruck

gehoben: Gang zu jmdm., vor dem man sich demütigt

Im Zuge des Investiturstreits, des großen machtpolitischen Konflikts zwischen der katholischen Kirche und den weltlichen Herrschern im 11. und 12. Jh., war der Salier Heinrich IV. exkommuniziert worden. Sein Gang nach Canossa, mit dem er sich vom Bann befreite und so Königskrone und Herrschaft rettete, wurde in der Geschichtsschreibung traditionell als nationale Demütigung begriffen. Dass der für Heinrich positive Ausgang das Resultat einer diplomatischen Meisterleistung war, wird hingegen meist vergessen. Im Zentrum stand Markgräfin Mathilde von Canossa, die als Verwandte Heinrichs und Vertraute Papst Gregors VII. für die Mittlerrolle geradezu prädestiniert war. Am 28. Januar (oder am 25. Januar – die Quellen belegen das Datum nicht eindeutig) 1077 gewährte der Papst dem barfüßigen Büßer Heinrich Einlass in die Burg Canossa.

[] Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, Mehrwortausdruck

am 27. Januar in Deutschland und anderen Ländern begangener Gedenktag, der an die durch das nationalsozialistische Deutschland Verfolgten und Ermordeten erinnert

Heute gedenken wir der Millionen Menschen, die dem National- und Rassenwahn in den vom nationalsozialistischen Deutschland beherrschten Teilen Europas 1933–1945 zum Opfer fielen. Dieses Datum, das seit 1996 in Deutschland und seit 2005 auf UN-Empfehlung international begangen wird, ist nicht zufällig gewählt, sondern steht für das bekannteste Einzelverbrechen Nazi-Deutschlands: Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (bei Oświęcim im polnischen Oberschlesien), in dem über eine Million Menschen, besonders Juden, Polen, Roma und sowjetische Kriegsgefangene, von den Nazis ermordet worden waren. Dieser Tag erinnert uns an ein nach dem Holocaust geprägtes und heute leider weiterhin aktuelles Schlagwort: Nie wieder!

[] aufpassen wie ein Heftelmacher, Mehrwortausdruck

regional, veraltend: äußerst aufmerksam, wachsam, vorsichtig sein; etw. (z. B. eine Entwicklung, einen Prozess) genau beobachten

Wenn eine Aufgabe besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht erfordert, sollte man aufpassen wie ein Heftelmacher – bzw. je nach Region auch wie ein Häftli-, Haftl-, Heftle- oder Heftlesmacher. Doch was genau stellte der namensgebende Heftelmacher eigentlich her? Weder Schul- noch Schwerthefte, denn dieser heute meist historische Beruf umfasste die Fertigung von Hafteln, kleinen metallenen Haken oder Ösen. In Zeiten vor dem Reißverschluss und selbst bevor sich Knöpfe flächendeckend durchsetzten, dienten sie dem Verschließen von Kleidungsstücken. Die Herstellung der Hafteln erforderte großes handwerkliches Geschick, gute Augen und höchste Sorgfalt, weshalb die Redewendung entstand. Auch heute finden sich noch Hafteln an unseren Kleidungsstücken, zum Beispiel an Trachten oder Büstenhaltern.

[] Dabeisein ist alles, Mehrwortausdruck

an einem (sportlichen) Wettkampf, einer Veranstaltung teilzunehmen ist ein positiver Wert an sich

Nachdem 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit stattgefunden hatten, sollten erst 28 Jahre ins Land ziehen, bevor sich das Internationale Olympische Komitee der Freunde des Wintersports erbarmte. Von allen Wintersportarten war lange Zeit lediglich der Eiskunstlauf olympisch. 1924 änderte sich dies grundlegend. Als am 25. Januar nicht einmal 300 Athletinnen und Athleten in Chamonix einzogen, um sich in neun Sportdisziplinen zu messen, brach die Ära der Olympischen Winterspiele an. Nimmt man es ganz genau, muss man noch ein Jahr draufschlagen, denn offiziell wurde die „Wintersportwoche“ erst ein Jahr später rückwirkend zu den „I. Olympischen Winterspielen“ gekürt. Deren Medaillenspiegel führte wenig überraschend Norwegen (17 Mal Edelmetall) an, doch auch für die Schlusslichter Belgien, Nepal, Kanada und andere dürfte das Wissen, an dem historischen Ereignis mitgewirkt zu haben, beglückend genug gewesen sein.

[] richtungsweisend, Adj.

auf einem bestimmten Gebiet Möglichkeiten für die künftige Entwicklung zeigend (und bestimmend)

Mit dem 24. Januar 1984, sprich der Markteinführung eines Mikrocomputers mit grafischer Benutzeroberfläche, der im Vergleich zu Vorgängermodellen erschwinglich war, begann eine neue Ära. Benannt nach einer Kernobstsorte, verfügte das Modell über knackige 128 Kilobyte Hauptspeicher, ein Diskettenlaufwerk und der Monitor war in die Einheit des Rechners integriert. Wegweisend war diese Modellserie nicht zuletzt durch die Popularisierung innovativer IT-Konzepte, die seit nunmehr sage und schreibe 40 Jahren auf den Desktops der Rechnerwelt Anwendung finden: Das Betriebssystem ließ sich unkompliziert per Maus bedienen, die über den Desktop verstreuten Icons ließen sich einfach per Drag-and-Drop pflücken, verschieben und im Obst-, äh, Papierkorb sammeln. Besonders Kreative zeigten sich begeistert, kommerziell ließ der Erfolg indes noch etwas auf sich warten.

[] Insulin, das

Medizin, Pharmazie: die Aufnahme von Glukose in Körperzellen regulierendes, den Blutzuckerspiegel senkendes Hormon der Bauchspeicheldrüse; Insulin enthaltendes Arzneimittel zur Therapie von Diabetes (mellitus)

Am 23. Januar 1922 ermöglichte die erste Insulinspritze das Überleben eines 13-jährigen Jungen – es war eine medizinische Revolution. Seine Diagnose: Diabetes mellitus Typ 1, eine Autoimmunerkrankung, die dazu führt, dass die Bauchspeicheldrüse kein Insulin (von lat. „insula“, auch „Inselhormon“ genannt) mehr produziert – mit schwerwiegenden Folgen für die Blutzuckerregulation. Ohne das Medikament hätte der Junge nicht lange überleben können. Heute, 102 Jahre später, erleichtern Insulinpumpen, gekoppelt mit Sensoren und Apps, das Leben mit Diabetes Typ 1 erheblich. Übrigens sind etwa 95 Prozent der an Diabetes Erkrankten von der erworbenen Variante (Typ 2) betroffen; allein in Deutschland ist sie bei über acht Millionen Menschen diagnostiziert.

[] Souvenir, das

kleiner Gegenstand, den man als Erinnerung, Andenken (z. B. an eine Auslandsreise) mitnimmt, aufbewahrt

Jährlich findet am 22. Januar – als Erinnerung an die Unterzeichnung des Élysée-Vertrags im Jahr 1963 – der Deutsch-Französische Tag statt. Es ist eine Erinnerung (frz. „souvenir“) an das Streben nach intensiver Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland. Es ist auch ein Tag des kulturellen Austauschs zwischen beiden Ländern, an dem sich besonders Schulen und Bildungseinrichtungen in Form von Sprachkursen, Bühnenprogrammen und interaktiven Projekten beteiligen. Vor allem bis ins 19. Jahrhundert hinein hat das Französische den deutschen Wortschatz enorm bereichert. Diese Souvenirs des engen kulturellen Kontakts (die sog. Gallizismen) prägen dabei noch heute eine große Breite lexikalischer Themenfelder, z. B. Gesellschaft (Renommee, Elite, Büro) und Kulinarik (Gourmand, Kuvertüre, Marinade).

[] knuddeln, Verb

umgangssprachlich: (besonders ein Kind oder ein Haustier) fest umarmen, an sich drücken und liebkosen; sich an jmdn., etw. (spielerisch) anschmiegen

Im Jahr 1986 rief ein US-amerikanischer Pfarrer den Weltknuddeltag ins Leben. Seither soll der 21. Januar (auf halber Strecke zwischen dem Weihnachtsfest und dem Valentinstag) eine Insel der körperlichen Nähe und Zuwendung in der kalten, dunklen Winterzeit sein. Immer mehr Untersuchungen legen nahe, dass als angenehm empfundene Berührungen die Ausschüttung von Glückshormonen (etwa Oxytocin) begünstigen und damit nicht nur zwischenmenschliche Bindungen stärken, sondern sich auch positiv auf Herz-Kreislauf-System und Psyche auswirken. Besonders wirkungsvoll sollen längere, sich wiederholende Berührungen sein, so wie es beim „Knuddeln“ der Fall ist: Das Verb ist verwandt mit dem „Knoten“; die Endung „-eln“ kennzeichnet den repetitiven Charakter (wie bei „schütteln“ oder „funkeln“).

[] Premiere, die

etw., das man zum ersten Mal erlebt, macht; etw. Neues, vorher nicht Dagewesenes

Heute vor 15 Jahren gab es eine politische Premiere, die vor Ort rund 1,8 Millionen und noch etliche mehr an den Bildschirmen weltweit verfolgten: Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten wurde ein Afroamerikaner als Präsident vereidigt. „Yes, we can!“ – Der Demokrat Barack Obama hatte bei der Wahl im November eine Mehrheit von 365 Wahlleuten erzielt und rund 53 % des Wahlvolks für sich gewinnen können. Am 20. Januar 2009 um 12:05 Uhr schwor er seinen Amtseid; aber sowohl er als auch der vereidigende Richter John Roberts waren um ein paar Worte verlegen. Sie mussten den Eid am folgenden Tag vor dem Parlament noch einmal im korrekten Wortlaut wiederholen.

[] fisten, Verb

eine Blähung leise abgehen lassen

Das Wort „fisten“ dürfte, wenn überhaupt, nur als Sexualpraktik bekannt sein und gehört zu engl. „fist“ (Faust). Es gibt aber auch ein weiteres „fisten“, ein heute schon fast völlig verschwundenes Erbwort (noch erhalten im Pilznamen „Bofist“), das leises Flatulieren bezeichnet. Im Urindogermanischen bildete diese Wurzel *pesd- ein Paar mit der Wurzel *perd-, die in unserem „furzen“ fortgesetzt ist und die hörbare Flanke der Medaille beschreibt. Dass es sich dabei um Onomatopoetika (lautnachahmende Wörter) handelt, wird klar beim Blick auf die Schwundstufe (die Form der Wurzel ohne den Hauptvokal): *psd und *prd. Wenn Sie sagen, diese Geschichte stinkt zum Himmel, können wir Ihnen versichern: Sie ist wahr! Die urindogermanische Wurzel für „stinken“ lautete übrigens *peu̯H-, Schwundstufe *puH.

[] Mann von Welt, Mehrwortausdruck

weltoffene, im gesellschaftlichen Umgang erfahrene (oft modebewusste) männliche Person, die gewandt und (selbst)sicher auftritt

Archibald Alec Leach, vor 120 Jahren im englischen Bristol geboren, zählt zu den größten Hollywoodstars aller Zeiten. Bekannter ist er jedoch unter dem selbstgewählten Namen Cary Grant, mit dem er sich regelrecht zur Marke machte. Er brillierte als zerstreuter Paläontologe, durchtriebener Chefredakteur und zwielichtiger Ehemann, überzeugte in Komödien ebenso wie in Thrillern – und blieb dabei doch immer Cary Grant. Auf und neben der Leinwand kultivierte er das Image des charmanten, gutaussehenden Weltmannes, in typischer Grant-Manier mit einem Hauch Selbstironie und Clownerie. Sogar für die Rolle des ersten James Bond suchten die Macher jemanden wie Cary Grant; er selbst wollte sich nicht für eine Filmreihe verpflichten lassen. Nach über 70 Filmen überreichte ihm Frank Sinatra 1970 einen Ehrenoscar „for being Cary Grant“.

[] Smog, der

Dunstschicht über Großstädten, in der sich Industriestaub, Abgase und Rauch mit Nebel mischen

Es ist kein Zufall, dass das Wort für die gefürchtete dicke Luft aus Ruß, Schwefeldioxid, Staub und Nebel als Anglizismus ins Deutsche gelangte, hatte doch die britische Hauptstadt besonders darunter zu leiden. „Smog“, das Kofferwort aus „smoke“ und „fog“ wurde erstmals 1905 auf einem Medizinerkongress in London geprägt: „Kein hübsches Wort“, wie das Journal of the American Medical Association bemerkte, aber „äußerst ausdrucksstark und angemessen“. In Deutschland wurde man 1952, nach der Londoner Smogkatastrophe, bei der 12.000 Menschen starben, hellhörig. Doch erst der Film „Smog“ von Wolfgang Petersen von 1973 führte beängstigend realistisch vor Augen, wie hilflos Behörden und Bevölkerung auf einen solchen Fall vorbereitet waren. Am 17. Januar 1979 wurde im Ruhrgebiet dann erstmals die Warnstufe Eins für Smog ausgerufen.

[] Frühling, der

oft in Namensbezeichnungen für historische Ereignisse oder Entwicklungen: Zeit des Aufbruchs, Neuanfangs; durch Aufbruchbewegungen oder Reformanstrengungen geprägtes gesellschaftliches Klima, in dem sich starre bzw. repressive soziale oder staatliche Strukturen wandeln

Heute vor 55 Jahren steht der 20-jährige Student Jan Palach auf dem Wenzelsplatz im Prager Zentrum. Plötzlich überschüttet er sich mit Benzin und zündet sich an. Wenige Tage später stirbt er, die ganze Zeit bei klarem Verstand, an den schweren Verletzungen. In Interviews im Krankenhaus sowie in Flugblättern, die gegen den Willen der kommunistischen Obrigkeit kolportiert werden, macht er klar: Seine Selbstverbrennung ist ein Protest gegen die Besetzung der Tschechoslowakei durch Ostblocktruppen 1968, die so den Prager Frühling, den Versuch einer liberalen Reform des Sozialismus, beendeten. Und obwohl Palachs Fanal weder die erste Selbstverbrennung (dies tat bereits im September 1968 der Pole Ryszard Siwiec) war, noch die letzte, so ist sie doch bis heute die bekannteste – und weltweit Symbol für den unbedingten Willen zur Freiheit.

[] Sammlung, die

Menge von nach bestimmten Kriterien ausgewählten und zusammengeführten konkreten Objekten, Gegenständen oder abstrakten Entitäten

Kein Kuriositätenkabinett zur Belustigung des Adels, keine bischöfliche Schatzkammer: Die Ausstellung, die heute vor 265 Jahren – damals noch im Montagu House im Londoner Stadtteil Bloomsbury – ihre Pforten öffnete, stand für ein Museum neuen Typs. Ganz im Sinne der Aufklärung sollte das „British Museum“ der Allgemeinheit gehören. Der Grundstock, die umfangreiche Sammlung des Botanikers Hans Sloane, wuchs im Zuge weiterer Stiftungen stark an, so dass der Bestand 1848 in den von Robert Smirke entworfenen klassizistischen Museumsbau umzog. Dort kann man bis heute auf endlosen Fluren und in unzähligen Räumen die über 80.000 Ausstellungsstücke bestaunen, die zusammen mit den im Depot lagernden 8 Millionen Objekten das kulturelle Erbe der Menschheit repräsentieren.

[] Linguistin, die

Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft

Heute gratulieren wir der Linguistin Luise F. Pusch zu ihrem 80. Geburtstag. Nach anglistischen und romanistischen Arbeiten konzentrierte sie sich seit 1979 auf die Sprachkritik des Deutschen aus feministischer Sicht, die 1984 in dem Sammelband „Das Deutsche als Männersprache“ gipfelte. Durch dieses bekannte Werk und ihr aktives Engagement auch außerhalb des Fachdiskurses wurde die Mitbegründerin der feministischen Linguistik in Deutschland zu einer der wirkmächtigsten Personen der modernen Sprachwissenschaft, denn die kontrovers diskutierte Frage, ob und wie man gendern sollte, dürfte an niemandem vorbeigegangen sein. Pusch gilt dabei als Erfinderin der Sprechpause bei den mit Binnen-I, Gendersternchen o. Ä. geschriebenen alternativ-generischen Formen – die nur ihre zweite Wahl waren; sie selbst hätte lieber ökonomisch die Endung „-in“ abgeschafft.

[] Vanille, die

aus den Früchten der Vanillepflanze gewonnenes, aromatisch duftendes Gewürz, das für Süßspeisen verwendet wird

Im Frühling 1892 bekam die zeitweilig im Londoner Hotel Savoy wohnende Opernsängerin Helen Mitchell ein wunderbares Dessert serviert – kreiert für sie höchstpersönlich vom Küchenchef Auguste Escoffier, der ihre Vorlieben kannte: Vanilleeis, darauf pochierter Pfirsich, überzogen mit Himbeerpüree. Es war die Geburtsstunde des Pfirsich Melba, benannt nach seiner begeisterten Empfängerin, die man damals besser unter ihrem Künstlernamen Nellie Melba kannte. Es ist nicht die einzige Kreation mit Vanilleeis und Früchten, die Escoffier uns hinterlassen hat. Die Birne Helene (Poire belle Hélène) verdanken wir ihm ebenfalls, ihren Namen wiederum der schönen Helena aus der gleichnamigen Oper. Auguste Escoffier reformierte die traditionelle Kochkunst um die Jahrhundertwende nachhaltig, sein Werk gilt noch heute als Paradigma für Angehörige seiner Zunft.

[] Draisine, die

zweirädriges Fahrzeug, mit dem sich der darauf Sitzende, sich mit den Füßen abstoßend, fortbewegt; Vorläufer des Fahrrads

Am 12. Januar 1818 erhielt Karl Freiherr von Drais vom Großherzog von Baden das Privileg für seine „Laufmaschine“, die mit zwei Rädern, einer sie verbindenden Achse, einem Sattel und einem Lenkhebel ausgestattet war. Dieses hölzerne Laufrad, der Vorläufer des Fahrrads, wurde seinem Erfinder zu Ehren Draisine genannt. Die bahnbrechende Geschwindigkeit, die „auf ebenen festen Wegen fast ganz der des Schlittschuhlaufens [glich]“ und bei der bergab „die besten Pferde auf langen Strecken übertroffen [werden]“ stellte Drais auf einer Testfahrt zur Schau – von Mannheim nach Schwetzingen und zurück in knapp einer Stunde! Reich wurde Drais mit der Draisine jedoch trotz großer Beliebtheit nicht, da Nachahmer seine Patentrechte missachteten.

[] Distanz, die

übertragen, bildungssprachlich: geistiger oder emotionaler Abstand zu etw. oder jmdm., neutrale Haltung

1941 wurde Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ in Zürich uraufgeführt – ein Stück über eine Marketenderin, die sich am Krieg bereichern will und dabei ihre Kinder verliert. Trotz der positiven Rezeption war Brecht unzufrieden. Viele interpretierten die Courage nämlich als fürsorgliche, leidende Mutter. Die Zuschauer sollten sie jedoch nicht bemitleiden, sich nicht mit ihr identifizieren. Brecht sah in ihr in erster Linie eine „Hyäne des Schlachtfelds“, weshalb er das Stück überarbeitete: Die Courage musste negativer dargestellt werden, damit sich das Publikum im Sinne des epischen Theaters von ihr distanziert. Nach dem Erfolg der Premiere dieser neuen Version am 11. Januar 1949 in Berlin ließ Brecht das „Couragemodell“ – einen für künftige Inszenierungen verpflichtenden, äußerst detaillierten Musterkatalog – erstellen.

[] Tempogegenstoß, der

Angriffstaktik im Handball, bei der nach erfolgreicher Abwehr eines Angriffs der gegnerischen Mannschaft mit möglichst wenigen Zuspielen ein schneller Torabschluss gesucht wird

Neben körperbetonten Zweikämpfen, taktischen Finessen und technischem Geschick ist es vor allem das hohe Tempo des Spielgeschehens, das Handball so spannend und sehenswert macht – besonders, wenn die besten Spieler Europas aufeinandertreffen. Davon kann man sich bei der heute beginnenden Europameisterschaft der Männer überzeugen. Am Eröffnungstag der ersten deutschen Heim-EM tritt Deutschland gegen die schweizerische „Nati“ an. Das Besondere: Es soll ein Zuschauerweltrekord mit 53.000 Handballbegeisterten im Düsseldorfer Fußballstadion aufgestellt werden. Vor dieser Kulisse ist wohl eine besonders energiegeladene Partie mit Tempogegenstößen und Schnellen Mitten zu erwarten. Auch an raffinierten Spielzügen wird es bestimmt nicht fehlen und wenn wir Glück haben, wird sogar ein artistischer Kempa-Trick (in der Schweiz „Flieger“ genannt) dargeboten.

[] Auftragswerk, das

künstlerisches Werk, das der Künstler für einen bestimmten Zweck gemäß den Wünschen eines Auftraggebers gestaltet

Als sich die Aussichten im Europa der 1930er Jahre zunehmend verdüsterten, wurde das Exil für viele Gegner des Faschismus zu einem existentiellen Thema. Eines der symptomatischsten Werke aus jener Zeit, das Trio „Kontraste“ aus der Feder von Béla Bartók, entstand noch vor dessen Emigration in die USA. Motivisch schlug die Komposition einen Bogen von der Alten zur Neuen Welt durch die Verquickung osteuropäischer folkloristischer Melodien mit jazzigen Rhythmen und raffinierten Tempowechseln. Vor 85 Jahren, am 9.1.1939, wurde das Werk in einer frühen, noch zweisätzigen Fassung in New York von Joseph Szigeti (Violine), dem Auftraggeber Benny Goodman (Klarinette) und Endre Petri (Klavier) uraufgeführt. Bei der New Yorker Premiere des Trios in seiner heute bekannten dreisätzigen Form im April 1940 saß der exilierte Komponist höchstpersönlich am Klavier.

[] Reich der Mitte, Mehrwortausdruck

dichterisch: China

Als Marco Polo am 8. Januar 1324 auf dem Sterbebett lag, wurde er (vergeblich) gebeten, um seines Seelenheils willen die Lügen über seine Reisen nach und in China zu widerrufen. Von seinen Lebzeiten bis in die Gegenwart wurde bezweifelt, dass der Venezianer 1271 mit seinem Vater und seinem Onkel auf Geheiß des Papstes zum Großkhan in Peking aufgebrochen, tatsächlich dort angekommen und 20 Jahre Präfekt gewesen sei, ehe er 1295 wieder in Venedig erschien. Die moderne Geschichtswissenschaft aber hält seinen Reisebericht für weitgehend authentisch. Wie dem auch sei, das in genuesischer Gefangenschaft 1299 niedergeschriebene Werk verbreitete sich in Europa schnell und war ein Schlüsselelement für spätere Kontakt(wünsch)e mit dem Reich der Mitte – unter anderem für Christoph Kolumbus, der bekanntlich die „Abkürzung“ über den westlichen Seeweg nahm.

[] mit von der Partie sein, Mehrwortausdruck

anwesend, präsent, dabei sein; mitmachen

Der Mannschaftssport Hockey (genauer: Feldhockey) in seiner modernen Form entstand im 19. Jahrhundert in England; seit 1908 ist er olympisch. Da die Sportart jedoch aufgrund eines fehlenden internationalen Verbands nicht ins Programm der Olympischen Sommerspiele 1924 in Paris aufgenommen wurde, musste gehandelt werden: Heute vor 100 Jahren gründeten sieben Länder (darunter Österreich, die Schweiz und Frankreich) den Welthockeyverband Fédération Internationale de Hockey (FIH). Seit 1928 in Amsterdam sind die Spieler mit dem ‚Schäferstock‘ (altfranzösisch „hoquet“) wieder mit von der Partie bei Olympia, die Hockey-Damen folgten 1980. Und 2024, genau 100 Jahre nach dem Ausschluss, bekommen Spielende und Fans endlich die Chance, olympische Hockeyturniere in Paris zu erleben.

[] Foul, das

Sport: den Gegner behinderndes, regelwidriges Verhalten in einem Wettkampf

Ein Foul kann während eines Wettkampfs die Konkurrenz nicht nur auf unfaire Weise behindern, sondern auch zu schweren Verletzungen führen. Treten, Schlagen, Beinstellen – auch bei körperbetontem Sport werden dort die Grenzen gezogen, wo es „foul“ (engl.), also dreckig, hinterhältig und unehrenhaft wird. Eine besonders „foule“ Aktion fand vor 30 Jahren ausgerechnet im Eiskunstlauf statt, jedoch schon im Vorfeld des eigentlichen Wettbewerbs. Während der Trainingszeit für die US-Meisterschaft wurde die Favoritin Nancy Kerrigan von einem Attentäter mit einer Eisenstange am Knie verletzt und konnte deshalb nicht antreten. Die Meisterschaft gewann ihre Konkurrentin Tonya Harding. Wie sich später herausstellte, war es der Mann der Siegerin, der den Attentäter beauftragt hatte, Kerrigan für den Wettbewerb auszuschalten. Der Titel wurde Harding aberkannt und sie erhielt eine lebenslange Sperre für alle folgenden Eiskunstlaufmeisterschaften.

[] Mindestlohn, der

Lohnstufe bzw. Höhe der Bezahlung, die bei einem regulären Beschäftigungsverhältnis in der Regel nicht unterschritten werden darf

Der US-amerikanische Großindustrielle Henry Ford (1863–1947) ist eine ambivalente Persönlichkeit: Seine abstrusen antisemitischen Veröffentlichungen irritieren, jedoch lässt sich seine Bedeutung für die industrielle Produktion und die Prinzipien sozialer Sicherung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht leugnen. Die Verbindung aus standardisierter Massenproduktion (Fließbandarbeit) und disziplinierter Arbeiterschaft einerseits sowie lebenslanger Anstellung bei hohen Löhnen und guten Bedingungen andererseits erhielt sogar seinen Namen (Fordismus) und dominierte in der westlichen Welt bis in die 1960er. Seinen symbolischen Anfang nahm der Fordismus heute vor 100 Jahren, als Ford ankündigte, der Arbeitstag würde auf 8 Stunden gekürzt und der Mindestlohn für seine Arbeiter auf 5 US-Dollar am Tag verdoppelt.

[] Parkuhr, die

meist historisch: (an jedem einzelnen Stellplatz einer Parkzone aufgestellter) Automat zur Entrichtung der Parkgebühr, der durch Münzeinwurf in Lauf gesetzt wird (und die verbleibende Parkzeit anzeigt)

Ein Hauch Amerika umwehte heute vor 70 Jahren Duisburg. Die Stadtverwaltung der Ruhrmetropole vollbrachte, was noch keine Stadt in Deutschland vor ihr gewagt hatte – nach US-amerikanischem Vorbild wurden am 4. Januar 1954 zwanzig Parkographen aufgestellt. Von nun an war ein Groschen pro Stunde zu berappen, wollte man seinen fahrbaren Untersatz in bestimmten Parkzonen abstellen. Stadtobere erkannten umgehend das monetäre Potential der Parkraumbewirtschaftung; schon bald schossen die „Groschengräber“ landesweit wie Pilze aus dem Boden. Mitte der 1990er Jahre wurden die meisten der mechanischen Parkzeitmesser durch modernere Parkscheinautomaten ersetzt. Wer im digitalen Zeitalter mit der Zeit geht, entrichtet seine Parkgebühren längst schon smart per App.

[] Elbisch, das

Gruppe konstruierter oder rein fiktionaler Sprachen der Elben Mittelerdes in Romanen J. R. R. Tolkiens

Der vor 132 Jahren geborene J. R. R. Tolkien ist vielen als sprachgewaltiger Schöpfer von „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ bekannt. Weniger geläufig ist, dass Tolkien auch als Sprachwissenschaftler, Lexikograf und Professor in Oxford wirkte. Seine Leidenschaft für Philologie und alte Sprachen, gepaart mit seinem linguistischen Schöpfergeist, prägten sein Werk maßgeblich, man denke z. B. an die von ihm erfundenen Sprachen Sindarin und Quenya, die seiner Welt eine unvergleichliche Tiefe und Authentizität verleihen. Interessanterweise waren es auch die Sprachen, die zuerst kamen. Denn aus Sicht des Sprachwissenschaftlers braucht jede Sprache selbstredend eine Geschichte und einen Ursprung, und so entstanden um seine Sprachen herum nach und nach die Geschichten aus Mittelerde.

[] jmdn., etw. in den höchsten Tönen loben, Mehrwortausdruck

jmdm. große Komplimente machen, viel Anerkennung zollen; von jmdm., etw. begeistert, hingerissen sein

In Baden-Württemberg und Teilen Bayerns wird zwischen Weihnachten und dem 6. Januar der Brauch des Christbaumlobens oder Christbaumschauens gepflegt. Wenn man in dieser Zeit bei jemandem zu Besuch ist und bemerkt, wie schön doch der Christbaum aussieht, erhält man vom Gastgeber im Gegenzug einen Schnaps (traditionell einen Obstler oder einen anderen Klaren), seltener Gebäck. Ob Schmuck, Dichte, Größe oder ein gerader Stamm: Jedes Merkmal kann gewürdigt werden – am besten mit einem überschwänglichen „Oooh“ oder „Aaah“, um die eigentliche Intention der lobenden Worte durchklingen zu lassen. Manche betreiben das Christbaumloben auch ganz gezielt, indem sie – oft in Gruppen – von Haus zu Haus ziehen und die weihnachtlich geschmückten Nadelgewächse von Verwandten, Freunden und Bekannten bestaunen.

[] Adebar, der

Storch

Ein Wort, das sofort den Zauber von Märchenwelten, Erzählungen am Kamin und ähnlichen schönen Kindheitserinnerungen erweckt: Adebar. Dieses in jeder Hinsicht poetische Wort für den Storch ist durchaus nicht der Phantasie eines Dichters der Romantik entsprungen oder etwa mit den Märchen aus 1001 Nacht aus dem Arabischen entlehnt, sondern deutscher Erbwortschatz. Wobei man wohl schon vor eintausend Jahren, als es althochdeutsch „ōtibaro“ hieß, nicht genau wusste, was die Bestandteile bedeuten. Heute vermutet man „Sumpfgänger“ (germ. *uda-faro), was aber auf lautliche Probleme stößt – schon früh war der Name jedenfalls als „Segenbringer“ (*ōda-boro) volksetymologisch neu interpretiert und verändert worden. Das ist doch auch viel schöner als die schnöde Alternative.

[] Krisenmodus, der

Zustand einer Person oder Gruppe, in dem diese ihre Gegenwart und nähere Zukunft als von (mehreren) Krisen, Bedrohungen usw. geprägt sieht (und entsprechend handelt)

Jedes Jahr wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache anhand von tausenden Vorschlägen das Wort des Jahres. Welches Wort stach dieses Jahr hervor und spiegelte das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben besonders gut wider? Das bezeichnende Ergebnis vor wenigen Wochen: Gewonnen hat „Krisenmodus“. Na, herzlichen Glückwunsch, 2023! Ja, es war (erneut) ein Jahr voller Krisen: Klima, Krieg und Krankheit stellen uns, gelinde gesagt, fortwährend vor Herausforderungen. Im öffentlichen Diskurs begegnet uns das Wort oft im Zusammenhang mit der Sehnsucht nach „Normalität“ und gleichfalls mit konkreten Versuchen, diesen Krisen kreativ, klug und beherzt zu begegnen. Für das kommende Jahr wünschen wir unseren Leserinnen und Lesern jede Menge Zuversicht; wir sind uns sicher, dass es auch viel Positives bereithält.

[] Adaption, die

Übernahme eines künstlerischen Werks aus einem Genre in ein anderes in einer den Erfordernissen des Genres entsprechenden Bearbeitung; das bearbeitete, angepasste Werk

„Romeo und Julia“, das bekannteste Ballett des Komponisten Sergej Prokofjew, erlebte am 30. Dezember 1938 am Tschechischen Nationaltheater in Brno seine Weltpremiere, allerdings noch in Form einer losen Szenenfolge in einem Akt. Die Arbeit am Libretto und der Komposition gestaltete sich als langwieriges Ringen mit dem Stoff und den sowjetischen Kultur- bzw. Zensurbehörden. Bis zur heute bekannten Fassung durchlief die Adaption zahlreiche Umarbeitungen. In einem der ganz frühen (nicht zur Aufführung gekommenen) Entwürfe erwartete das Liebespaar gar ein Happy End: Romeo sollte beim Anblick der schlafenden Julia von Lorenzo vom Suizid zurückgehalten werden, Julia kurz darauf erwachen, die Liebenden wären wiedervereint – und am Leben.

[] Mäzenin, die

vermögende weibliche Privatperson oder Organisation, die mit finanziellen Mitteln Kunst, Künstler oder den Sport fördert

Als Mäzenin und Vertraute von Friedrich dem Großen spielte die heute vor 270 Jahren geborene Wilhelmine Gräfin von Lichtenau nicht nur eine bedeutende Rolle am preußischen Hof, sondern prägte auch das kulturelle Leben im 18. Jahrhundert maßgeblich. Ihre Leidenschaft galt der Kunst und Kultur, so richtete sie zum Beispiel Literatursalons aus und unterstützte zahlreiche Künstler und Gelehrte. Doch auch in der Architektur hat sie Spuren hinterlassen: Die Gestaltung des Marmorpalais in Potsdam sowie die der Winterkammern im Berliner Schloss Charlottenburg gehen auf sie zurück. Der Begriff „Mäzen“ leitet sich übrigens vom Namen des vermögenden römischen Finanziers Gaius Cilnius Maecenas ab, der für die Förderung von Künstlern und Dichtern bekannt war.

[] Knappschaft, die

Bergmannssprache: Gesamtheit der Knappen eines Bergwerkes, Reviers und deren Organisation

Am 28. Dezember 1260 sicherte der Hildesheimer Bischof Johann I. von Brakel der Sankt-Johannes-Bruderschaft am Rammelsberg im niedersächsischen Goslar Unterstützung zu. Das hohe Risiko und die körperlich fordernde Arbeit bewog die Bruderschaft dazu, den Bergleuten Schutz und Solidarität zu bieten, indem sie sich zum Beispiel um kranke und verletzte Bergleute sowie die Hinterbliebenen verstorbener Bergleute kümmerte. Damit gilt sie als erste Knappschaft weltweit. Die ursprünglich religiös geprägten Knappschaften – abgeleitet von dem „Knappen“, in der Bergmannssprache die Bezeichnung für einen Bergmann mit abgeschlossener Lehre – entwickelten sich bis heute zu einer modernen Krankenkasse, die soziale und medizinische Absicherung u. a. für Bergleute und deren Familien bietet.

[] Lebemann, der

(reiche) Person, die ihr Leben an Luxus und Genuss ausrichtet

Sei es in Familie, im Verein oder im Kollegium – in so mancher größeren Weihnachtsgesellschaft findet sich ein besonderer Zeitgenosse, der neben enormer Leibesfülle mit einer ganz eigenen (raumfüllenden) Ausstrahlung auftrumpft – der Bonvivant. So sagt man von einem, der mit Leib und Seele den Sinnenfreuden des Lebens ergeben ist. Als Kostverächter kann man ihn wahrlich nicht bezeichnen, denken wir nur an prototypische Lebemänner wie Bruder Tuck, Porthos, Maigret, Falstaff oder Obelix. Joachim Heinrich Campe empfahl dereinst (1813 in seinem Verdeutschungswörterbuch), „Bonvivant“ durch „Wohlleber“ oder „Hochleber“ zu ersetzen; Daniel Sanders steuerte in seinem Nachschlagewerk (1884) „Lebemann“, „Genußmensch“, „Nießling“ bei. Nicht alle diese Entsprechungen haben sich durchsetzen können, sind sie doch, seien wir ehrlich, nun mal deutlich blasser im Abgang als das vollmundige „Bonvivant“.

[] Boxing-Day, der

im Vereinigten Königreich und in Ländern des Commonwealth, gelegentlich auch in anderen Ländern: der Tag nach Weihnachten (26. Dezember) bzw. der erste Werktag nach Weihnachten, an dem Händler besondere Angebote machen oder besondere, vor allem sportliche Veranstaltungen stattfinden

Im Vereinigten Königreich und anderen Ländern (besonders des Commonwealth) ist am 26. Dezember nicht mehr viel von weihnachtlicher Besinnlichkeit zu spüren. Wenngleich am sogenannten Boxing-Day traditionsreiche sportliche Wettkämpfe ausgetragen werden und Geschäfte mit Preisnachlässen Schnäppchenjäger anlocken, die um die besten Angebote wetteifern, hat die Bezeichnung nichts mit dem Kampfsport Boxen zu tun. Ihr Ursprung ist zwar unsicher, doch laut Oxford English Dictionary bezieht sie sich auf die Tradition, Handwerksleuten, Angestellten etc. an diesem Tag als Dank für gute Arbeit (Geld-)Geschenke zu überreichen. Um das Weihnachtstrinkgeld von der Kundschaft bzw. den Betrieben zu sammeln, wurde früher eine Schachtel (engl. „box“) verwendet. Das Wort „(Christmas) box“ wurde dann metonymisch auf das Geschenk selbst übertragen.

[] Suppenkoma, das

meist scherzhaft, übertrieben: Zustand der körperlichen bzw. geistigen Erschöpfung nach dem Essen

Jedes Jahr leiden am 1. Weihnachtstag zahlreiche Menschen an postprandialer Somnolenz. Was ohne Latein- oder Medizinkenntnisse bedrohlich klingen mag, ist i. d. R. harmlos: Es handelt sich um die Schläfrigkeit, die uns nach einer üppigen Mahlzeit befällt. Scherzhaft spricht man auch von „Suppenkoma“, wobei Suppe in den meisten Fällen nicht die (alleinige) Ursache sein dürfte. Unter dem englischen Hashtag #foodcoma sieht man diese in den sozialen Medien jedenfalls selten. Es scheinen vor allem einfache Kohlenhydrate, Fette und Proteine zu sein, die (im Zusammenspiel mit anderen Faktoren) den „komatösen“ Zustand hervorrufen. Das Phänomen ist nicht abschließend erforscht. Wer heute an einer traditionellen Weihnachtstafel mit Gans, Knödeln und Co. schlemmt, muss aber wohl damit rechnen, dass er oder sie anschließend lethargisch auf der Couch liegt.

[] Bescherung, die

Feier an Heiligabend, meist in der Familie oder im Freundeskreis, bei der Geschenke überreicht werden

Die Etymologie beschert uns bisweilen überraschende Wege: Das schöne englische Wort „to share“ ‚teilen‘ hatte ehemals im althochdeutschen „skerian“ (mittelhochdeutsch: „schern“) seine Entsprechung. Das Wort ging unter, überdauerte aber mit dem Präfix „be-“ und erhielt dabei eine neue Bedeutung: Wem etwas „be-schert“ wurde, der erhielt von Gott eine besondere Gabe. Seit dem 16. Jahrhundert sind diese besonderen Gaben eher irdisch und man findet sie schön verpackt unter dem Weihnachtsbaum. Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir für den heutigen Abend und die kommenden Tage ein schönes Weihnachtsfest.

[] Barocklyrik, die

Dichtkunst bzw. deren Produkte aus der Epoche des Barock

Von seinen Anhängern wurde er „Vater und Wiederhersteller der Dichtkunst“ genannt, seine Kritiker sahen in seinen Dogmen eine unnötige Einengung der dichterischen Schaffenskraft: Wie man es auch sehen mag (und vielleicht stimmt auch einfach beides zugleich), Martin Opitz, geboren am 23.12.1597 in Bunzlau (heute Bolesławiec in Niederschlesien), gestorben schon 1639 in Danzig an der Pest, war eine zentrale Gestalt der deutschsprachigen Barocklyrik. Schon zu Lebzeiten geehrt (und geadelt), stellte Opitz sprachlich angemessene Grundsätze für die deutsche Lyrik auf, dargelegt im „Buch von der Deutschen Poeterey“, und überwand das bis dahin geläufige blinde Imitieren französischer Dichtung. Dabei schottete er sich aber nicht prinzipiell ab, sondern griff gerade auch auf Vorbilder der klassischen Antike zurück und etablierte z. B. auch die Echolyrik.

[] Spekulatius, der

flaches, knuspriges, meist mit Zimt, Nelken und Kardamom gewürztes und mit weihnachtlichen Reliefmotiven versehenes Weihnachtsgebäck aus Mürbeteig

Auf den Adventstellern liegen sie wieder reichlich, die schmackhaft gewürzten Mürbeteigkekse. Etymologinnen und Etymologen allerdings haben an dem Dauergebäck schwer zu kauen. Denn „Spekulationen“ zur Herkunft gibt es wohl so viele, wie es figürliche Ausformungen der Leckerei gibt. Das lateinische Kunstwort erinnert an „speculum“ (‚Spiegel, Abbild‘) ebenso wie an den Beinamen von Nikolaus: „speculator“ (‚er, der alles sieht‘) – Sie wissen schon: „He sees you when you’re sleeping …“. Vielleicht geben auch die exotischen Gewürze einen Hinweis. In den Niederlanden mit ihrer langen Tradition an Gewürzgebäck nennt man sie „Speculaas“, wohl ein Kofferwort aus „specerijen“ (‚Gewürze, Spezereien‘) und „Sinterklaas“ (‚St. Nikolaus‘). Doch bevor Sie lange grübeln: Keks gefällig?

[] Strahl, der

Physik: schmales Bündel elektromagnetischer Wellen; Strom materieller Teilchen, Korpuskeln

Am 21. Dezember 1898 entdeckten Marie und Pierre Curie ein Element, das sie „Radium“, also ‚das Strahlende‘ (eine neulat. Bildung zu lat. „radius“ ‚Strahl‘) nannten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand das silbrig-weiße Metall vielerlei Anwendung, nicht zuletzt als eine Art Allheilmittel. So wurde z. B. in den USA radiumhaltiges Wasser verkauft und als „Arzneimittel für die lebenden Toten“ und „ewiger Sonnenschein“ beworben – bis 1932 der bekannte Industrielle und Athlet Eben Byers nach mehrjähriger Einnahme von insgesamt ca. 1.400 Fläschchen an multiplen Tumoren starb. Sein Tod und andere durch Radium verursachte Krankheits- und Todesfälle (s. bspw. die „Radium Girls“) schärften das Bewusstsein für die Gefahr, die von radioaktiver Strahlung ausgeht.

[] Schnapsdrossel, die

Person, die regelmäßig (sehr viel) Alkohol, besonders Schnaps oder Likör, trinkt

Einen zwitschern, Schluckspecht, Schnapsdrossel – das scheint ein stimmiges Bild zu geben, zumal wir Menschen uns gerne tierischer Metaphern bedienen. Wobei Vögel nicht mehr oder weniger als andere Gattungen einen Affen und später einen Kater haben, wenn sie sich z. B. an vergorenen Früchten guttun. Dabei hat aber die Schnapsdrossel nichts mit dem Vogel zu tun, sondern enthält vielmehr ein zufällig gleichlautendes, altes Substantiv mit der Bedeutung „Kehle“. Dieses findet sich noch in geläufigen Ableitungen wie „drosseln“, „erdrosseln“ (eigentlich ‚die Kehle zuschnüren‘) sowie in der Märchenfigur des Königs Drosselbart (der einen Kehlbart hat und nicht etwa wie ein Vogel aussieht). Jägersprachlich findet man die „Drossel“ noch heute.

[] Skyr, der

aus der isländischen Küche stammendes Milcherzeugnis, das durch die Zugabe spezieller Milchsäurebakterien zu pasteurisierter Magermilch gewonnen wird

Isländische Kinder haben das Glück, nicht nur vom Nikolaus, sondern von gleich 13 Weihnachtsgesellen, den „Jólasveinar“, besucht zu werden. Diese Schabernack treibenden Gesellen tauchen einer nach dem anderen in den 13 Tagen vor Weihnachten auf und bringen mittlerweile sogar Geschenke – wenn man denn artig war. Heute, am 19. Dezember, hat der „Skyrgámur“, der „Skyrschlund“ seinen Auftritt. Skyr, das quarkähnliche isländische Milchprodukt (das sich auf „Tier“ reimt) ist mittlerweile auch in hiesigen Supermärkten zu finden. Der Skyrgámur hat ein besonderes Faible dafür und klaut den Leuten der Legende nach gerne ihre gesamten Vorräte. Um ihn zu besänftigen, wird daher etwas Skyr ins Fenster gestellt – neben dem obligatorischen Schuh für die erwarteten Geschenke.

[] Nussknacker, der

spezieller: gewöhnlich bunt bemalte, geschnitzte Figur, oft in Form eines Soldaten, in deren Mund eine Nuss geknackt werden kann, oft als Dekorationsobjekt in der Weihnachtszeit

Am 18. Dezember 1892 wurde in Sankt Petersburg Tschaikowskys „Der Nussknacker“ uraufgeführt. Das Ballett, das auf dem Märchen „Nussknacker und Mäusekönig“ von E.T.A. Hoffmann in einer Adaption des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas basiert, wurde zunächst kritisch aufgenommen. Die Geschichte von Klara, dem zum Leben erwachten Nussknacker, dem bösen Mäusekönig und, wie sollte es anders sein, einer Liebesgeschichte, gepaart mit Tschaikowskys teilweise gar himmlischer Musik, entführt die Zuschauer in eine zuckersüße bunte Traumwelt und trifft damit offenbar den weihnachtlichen Zeitgeist. Das Ballett wird in vielen Ländern traditionell in der Weihnachtszeit aufgeführt und hat sich seit seinem holprigen Start zu einem Publikumsliebling entwickelt.

[] Sonntagskind, das

Person, die an einem Sonntag geboren wurde (und daher als vom Glück begünstigt gilt)

Eines der bekanntesten Sonntagskinder ist wohl Peter Munk, ein armer, junger Köhler und Hauptfigur des Märchens „Das kalte Herz““. Peter träumt von Ansehen und Reichtum. Daher sucht er einen Wünsche erfüllenden Waldgeist auf, der sich nur Sonntagskindern zeigt. Mit diesem Geschenk geht Peter fahrlässig um, lässt sich in seinem Wahn sogar einen Stein anstelle seines Herzens in die Brust setzen. Von Gier, Kälte und Machthunger zerfressen, zerstört er bald alles von wahrer Bedeutung und Schönheit in seinem Leben – scheinbar unwiderruflich. Doch: Zu seinem Glück hat er noch einen Wunsch beim Waldgeist frei, der ihm hilft, sein Herz zurückzugewinnen und sein Leben in Ordnung zu bringen. Der Autor des Märchens, Wilhelm Hauff, wurde im Jahr 1802 an einem Montag geboren und verpasste damit den Status als Sonntagskind knapp. Bis ins 13. Jh. waren es übrigens die Samstagskinder, denen magische Fähigkeiten zugeschrieben wurden, da der jüdische Sabbat damals als heiliger Wochentag gefeiert wurde.

[] Teegesellschaft, die

(regelmäßige) Zusammenkunft, geselliges Beisammensein einer Personengruppe zum Tee

Der Tee, besonders als gesellschaftliche Einrichtung des Nachmittagstees (tea time) ist in Großbritannien bekanntlich ein wichtiges kulturelles Element. So überrascht es nicht, dass nach 1760, als das nach Kriegen klamme Königreich Großbritannien höhere Steuern und Zölle erhob, der Teepreis sich als Stein des Anstoßes im Konflikt zwischen den dreizehn nordamerikanischen Kolonien und dem Mutterland erweisen sollte. War es anfangs ein eher theoretischer Streitfall um Vertretung der Kolonisten in London („no taxation without representation“), so schaukelten sich Verstimmungen, Maßnahmen und Gegenmaßnahmen hoch. Der Kipppunkt war heute vor 250 Jahren erreicht: Am 16.12.1773 kippten aufgebrachte Kolonisten drei Teeladungen in den Hafen von Boston. Anderthalb Jahre später begann der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg.

[] jmdm. gegen den Strich gehen, Mehrwortausdruck

jmdm. nicht gefallen, zuwider sein; jmdm. widerstreben

Er hat seine Spuren hinterlassen – bunt, ungerade, individuell. So hat er etwa die grüne Zitadelle in Magdeburg, den Bahnhof in Uelzen, aber auch eine Müllverbrennungsanlage in Osaka und ein Toilettengebäude in Neuseeland gestaltet: Der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser, der heute vor 95 Jahren in Wien geboren wurde, ist mit seinen unverkennbaren Bauwerken vielerorts präsent. Sein Drang zum Natürlichen, Organischen machte ihn gleichzeitig zum Gegner des Rationalismus in der Architektur. Im von ihm verfassten „Verschimmelungsmanifest“ heißt es: „Wir leben heute in einem Chaos der geraden Linien, in einem Dschungel der geraden Linien. Wer dies nicht glaubt, der gebe sich einmal die Mühe und zähle die geraden Linien, die ihn umgeben, und er wird begreifen; denn er wird niemals ans Ende gelangen.“

[] prophezeien, Verb

(jmdm.) etw. in der Zukunft Liegendes aufgrund einer Vermutung, Ahnung oder aufgrund der Kenntnisse von Zusammenhängen voraussagen

Die Gedichte eines Apothekers und Astrologen, der vor 520 Jahren geboren wurde, faszinieren die Öffentlichkeit noch heute. Die Rede ist von den Prophezeiungen Nostradamus’, geschrieben in Versform, metaphorisch, vage, düster. In einem Gedicht soll er den Tod Heinrichs II. im Kampf vorhergesehen haben; so wurde er schon zu Lebzeiten als Prophet verehrt. Und so sehr man – gerade aus heutiger Sicht – die Astrologie als Grundlage für Vorhersagen des Weltgeschehens in Zweifel ziehen kann, so muss man Nostradamus doch großes sprachliches Geschick zugestehen. Die Vagheit seiner Verse schützte ihn vor der Inquisition, in deren Blickfeld er mehrfach geraten war. Und ihre Vieldeutigkeit wird es erlauben, dass sich auf die eine oder andere Art wohl noch einige seiner rund 1.000 Weissagungen bewahrheiten werden.

[] Ding der Unmöglichkeit, Mehrwortausdruck

nicht realisierbare Idee, Aufgabe, Angelegenheit o. Ä.; äußerst unwahrscheinliches Ereignis

„Es ist das umfangreichste dramatische Werk über den Ersten Weltkrieg und den Untergang des Habsburgerreiches, das jemals geschrieben wurde.“ Tatsächlich kommt man um Superlative nicht herum, will man Karl Kraus’ Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ angemessen würdigen. Das ausufernde Zeitporträt verzichtet auf eine geschlossene Handlung und eine zentrale Hauptfigur. Der Autor selbst hielt seine Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog für unaufführbar, bis heute ist eine lückenlose Aufführung der sage und schreibe 220 Szenen nicht realisiert worden. Am nächsten ist dem von Kraus imaginierten „Marstheater“ wohl der Bühnenberserker Paulus Manker mit seiner etwa siebenstündigen Parcours-Inszenierung von 2021 gekommen. Ab 1915 erschienen einzelne Vorstufen zu Szenen in mehreren Ausgaben der „Fackel“. Heute vor 105 Jahren startete mit einem Sonderheft die Erst- bzw. Aktausgabe, deren weitere Teile folgten im Jahr 1919.

[] Katzenjammer, der

unangenehme körperliche Nachwirkungen von übermäßigem Alkoholgenuss (verbunden mit seelischer Niedergeschlagenheit und Reuegefühlen); Verzweiflung, tiefe Enttäuschung nach einem Misserfolg, einer (selbstverschuldeten) Niederlage

Dunkelhaarig der eine, flachsblond der andere, und mit ihren derben Scherzen treiben sie Mensch und Tier in den Wahnsinn. An Max und Moritz denkt da der Deutsche, der Amerikaner dagegen an Hans und Fritz aus „The Katzenjammer Kids“. Nicht von ungefähr: Es war der Zeitungstycoon Randolph Hearst, der 1897 den deutschstämmigen Zeichner Rudolph Dirks anwies, nach dem Vorbild Wilhelm Buschs einen Comic für seine Blätter zu entwickeln. Heraus kam die langlebigste Comicserie der Geschichte. Der Titel „Katzenjammer“ war durchaus Programm, denn für die juvenilen Intensivtäter endete fast jede Episode in Tränen. Maßgeblich für den Erfolg war aber auch das liebevoll karikierte englisch-deutsche Sprachgemisch („Mit dose kids, society is nix“). Am 12. Dezember 1897 hatten die Kids ihren ersten Auftritt.

[] Hoffnung, die

zuversichtliche Erwartung, dass etw. geschehen wird, zuversichtliche Annahme; jmd., auf den man große Erwartungen setzt

Am 11. Dezember 1946 wurde UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, gegründet. Die Organisation entstand als Antwort auf die drängende Notwendigkeit, Kindern, die von den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs betroffen waren, Unterstützung zukommen zu lassen. „Die Hoffnung der Welt richtet sich auf die kommenden Generationen“, heißt es in der Gründungserklärung. Inspiriert von dieser Überzeugung setzte sich die Organisation ab 1947 für humanitäre Hilfe, Gesundheitsversorgung, Ernährung und Schutz zunächst von Kindern in Europa ein. Inzwischen unterstützt UNICEF weltweit Kinder in Notsituationen, vor allem in Kriegsgebieten, nach Naturkatastrophen und im Kampf gegen Hunger und Krankheiten.

[] Zwischenfrage, die

Frage, mit der jmd. den Redefluss einer anderen Person unterbricht

Gefürchtet ist sie, nicht nur auf Tagungen und bei Vorträgen, sondern seit 70 Jahren auch im Bundestag: die Zwischenfrage. Um sich Gehör zu verschaffen, blieb den Mitgliedern kleinerer Parteien davor oft nur die Möglichkeit, den Redner durch polternde Zwischenrufe zu unterbrechen. Um diesem unzivilisierten Treiben Einhalt zu gebieten, wurde am 10. Dezember 1953 als neues Instrument der parlamentarischen Debatte die Zwischenfrage eingeführt. In der Geschäftsordnung des Bundestages, § 27, Absatz 2, ist seither geregelt, dass sich die Mitglieder des Bundestages über die Saalmikrofone zu Wort melden können – sofern ihnen der Bundestagspräsident das Wort erteilt und der Redner die Zwischenfrage zulässt. Das erste Mal wurde von der Zwischenfrage allerdings erst am 5. Februar 1954 Gebrauch gemacht.

[] Nachschrift, die

Übertragung, Abschrift einer schriftlichen Vorlage; Niederschrift, schriftliche Dokumentation von etw.

Nachdem Alexander von Humboldt seine Vorlesungen über „Physische Erdbeschreibung“ – heute als „Kosmos-Vorträge“ bezeichnet – an der Berliner Universität und der Sing-Akademie begonnen hatte, entschloss er sich recht schnell, publizierten Mitschriften seiner Vorträge entgegenzutreten. Am 9. Dezember 1827 verlautete er in der Berliner Presse eine Erklärung zu den „Hefte[n], welche Zuhörer meiner Vorlesungen zu ihrer Erinnerung schreiben […] Ich halte es dennoch für besser, hierdurch öffentlich zu erklären, daß ich jede Publikation dieser Art, als einen Eingrif in mein Eigenthum betrachten werde“. Die Aufbereitung von Leben und Werk großer Forscher wie Humboldt leistet solchen Befindlichkeiten jedoch nicht in jedem Fall Folge. Denn nun, fast 200 Jahre später, sind die Kosmos-Nachschriften dank viel Fleiß und Akribie wissenschaftlich erschlossen und im Volltext frei verfügbar. Das ist besser.

[] einen Bock schießen, Mehrwortausdruck

(versehentlich) einen schlimmen, peinlichen Fehler machen; eine Fehlentscheidung treffen; sich blamieren

Im Banker- oder Brokerjargon gibt es einen ebenso griffigen wie gefürchteten Ausdruck: „Mistrade“ (‚fehlerhaftes Börsengeschäft‘). Dabei sind es oft die kleinen Fehler, die eine große, bisweilen verheerende Wirkung entfalten, zum Absturz von Währungen beitragen oder Banken ins Wanken bringen können. Die Mutter aller Mistrades widerfuhr 2005 einem offenbar verpeilten japanischen Börsenhändler, der, anstatt eine Aktie für 610.000 Yen zu verkaufen, das genaue Gegenteil in seinen Computer tippte: 610.000 Aktien für einen Yen. An der London Stock Exchange hätte er 30 Minuten, an der Frankfurter Wertpapierbörse 2 Stunden Zeit gehabt, seine Order zu stornieren. Die Börse in Tokio kannte eine solche Regelung nicht. Die Bank blieb auf einem Schaden von 300 Millionen Euro sitzen.

[] Krippe, die

Ort, an dem nach der biblischen Erzählung Jesus Christus geboren wurde; (künstlerische) Nachbildung dieses Ortes; Teil des weihnachtlichen Schmucks

Vielerorts wurden schon oder werden bald die Weihnachtskrippen aus dem Keller geholt. Der Krippenbrauch, wie wir ihn heute kennen, geht auf den heiligen Franz von Assisi zurück. Vor 800 Jahren, im Jahr 1223, inszenierte er in einer Höhle in Greccio die erste lebende Krippe mit einem Ochsen, einem Esel und Heu – allerdings noch ohne Jesuskind, Maria, Josef und andere Figuren – um die Geburt Jesu Christi zu feiern und für alle erlebbar zu machen. Das Wort „Krippe“ stammt vom mittelhochdeutschen „krippe“ ab, was ‚Futtertrog‘ bedeutet. Da das Jesuskind laut Weihnachtsgeschichte in einen solchen gelegt wurde, übertrug sich die Bedeutung von „Krippe“ als Pars pro Toto auf die gesamte (künstlerische) Darstellung der Weihnachtsszene.

[] Karambolage, die

Zusammenstoß von mehreren Personen oder Sachen (meist Fahrzeugen)

Bei der Karambolage denkt man in aller Regel an den Straßenverkehr – wir hoffen sehr, dass dies für Sie nur Hypothese, nicht Erinnerung ist! Älter ist aber die zweite Bedeutung dieses aus dem Französischen entlehnten Wortes, nämlich das Aufeinandertreffen zweier Billardkugeln, woraus die Übertragung auf Autounfälle so blumig wie naheliegend ist. Grundlage ist franz. „carambole“, span. „carambola“, was wenig überraschend „Billardkugel/-spiel“ bedeutet, doch überraschend ist dessen Herkunft: Es bezeichnet eigentlich den Karambolabaum, dessen Frucht hierzulande als Sternfrucht bekannt ist. Wie jemand auf die Übertragung von einer sternförmigen Frucht auf eine Kugel gekommen sein soll, entzieht sich allerdings unserem Verständnis.

[] aller Ehren wert, Mehrwortausdruck

gehoben: lobenswert, Anerkennung verdienend

Krieg, Krankheit und Klimawandel – aktuell erleben wir eine Vielzahl handfester Krisen, deren Konzentration von vielen hierzulande als beispiellos wahrgenommen wird. In dieser turbulenten Zeit wird deutlich, welch bedeutende gesellschaftliche Stütze das Ehrenamt darstellt. Derzeit engagieren sich rund 31 Millionen Menschen ehrenamtlich in Deutschland. Sie übernehmen Aufgaben in der Pflege von Senioren und Kranken, unterstützen Geflüchtete und Wohnungslose, setzen sich in Umwelt- und Tierschutzprojekten ein. Jede und jeder Einzelne trägt einen kleinen Teil dazu bei, die aktuelle Situation zu verbessern; gemeinsam bewirken sie Großes im Umgang mit diesen Krisen und zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. „Man kann das Ehrenamt nicht hoch genug schätzen“, betont Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Dass dieses immense Engagement aller Ehren wert ist, soll am heutigen internationalen Tag des Ehrenamtes hervorgehoben werden.

[] Nebenhaushalt, der

Politik, Verwaltung: neben dem Kernhaushalt einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft bestehender weiterer Haushalt dieser Gebietskörperschaft [...]

Was haben das Sondervermögen der Bundeswehr, das Deutsche Krebsforschungszentrum und der Abwasserzweckverband Umlachtal gemeinsam? Sie alle werden über Nebenhaushalte finanziert. Obwohl Nebenhaushalte zur Finanzierung einzelner begrenzter Aufgaben nichts Ungewöhnliches darstellen, so sind doch deren Übertragung auf andere Aufgaben enge Grenzen gesetzt. Mit Urteil vom 15. November 2023 hat das Bundesverfassungsgericht nämlich festgestellt, dass eine Umwidmung von Mitteln aus dem Corona-Hilfsfonds zur Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfassungswidrig ist. Dies hat nicht nur Folgen für den KTF, sondern auch für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Nebenhaushalten von Bund und Ländern im Allgemeinen.

[] Adventszeit, die

Zeit des Jahres, in der sich Menschen in christlich geprägten Ländern auf das Weihnachtsfest einstimmen und vorbereiten

Die drei- bis vierwöchige Adventszeit, wie wir sie heute kennen, geht auf eine Entscheidung Papst Gregors I. im 7. Jahrhundert zurück. Er legte die Zahl der Sonntage vor Weihnachten auf Vier fest. Der Grund: Seinerzeit glaubte man, die Zeit zwischen Sündenfall und Geburt Christi betrüge 4.000 Jahre – jeder Sonntag dieses „tempus adventus Domini“, der „Zeit der Ankunft des Herrn“, sollte also tausend dieser Jahre repräsentieren. Die Adventszeit ist für Christen und Nichtchristen heute auch eine Zeit geliebter Bräuche: Adventskalender, Adventskränze, Weihnachtsmärkte dürfen nicht fehlen. In diesem Jahr fällt der erste Adventssonntag auf das spätestmögliche Datum; er findet genau drei Wochen vor Heiligabend statt.

[] Repertoire, das

Gesamtheit der Darbietungen (vor allem der Rollen, musikalischen Werke, artistischen Nummern), die jmd. beherrscht bzw. einstudiert hat

Wohl mindestens jeder zweite Text über Maria Callas, ursprünglich Maria Kalogeropoulou, beginnt damit, dass die Sopranistin die Verkörperung der Operndiva sei. Heute vor hundert Jahren war sie in New York als Tochter eines griechischen Einwanderers geboren worden, ging aber 1937 nach Athen zurück, wo sie ihre ersten Auftritte in der Oper hatte. Schnell begeisterte die „Göttliche“ das Publikum durch ihr breites Repertoire an Belcanto-Rollen und den fantastischen Umfang und die Variabilität ihrer Stimme. Seit 1951 trat sie auch international auf und wurde Teil des Jetsets, auch durch ihre medienwirksame langjährige Affäre mit dem Milliardär Aristoteles Onassis. Callas starb schon früh mit 53 Jahren an einem Herzinfarkt, doch ihr Œvre ist durch Aufnahmen besonders aus London für die Ewigkeit konserviert.

[] zirzensisch, Adj.

dem Zirkus eigen

Schon mit drei Jahren voltigierte sie in der Manege, denn sie war in eine Zirkusfamilie geboren worden. Carola Williams, die heute vor hundertzwanzig Jahren in Bad Sassendorf als Carola Althoff zur Welt kam, wurde später selbst Zirkusdirektorin und zu einer bekannten Person besonders im Gebiet von Köln, wo ihre Mehrzweckhalle „Williamsbau“ nach dem Zweiten Weltkrieg die erste wieder nutzbare Halle für Großveranstaltungen war. Auf einen Scherz von Williams geht der Geißbock Hennes als Maskottchen des 1. FC Köln zurück. Die Familie selbst hatte im Krieg trotz eigener großer Not jüdische Menschen versorgt und beschützt, Williams’ Bruder und Schwägerin wurden daher als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet.

[] Los, das

gehoben: Schicksal, Geschick

Am Todestag des Apostels Andreas, dem 30. November, feiert Schottland seinen Nationalfeiertag (St. Andrew's Day). Andreas ist jedoch nicht nur Schutzheiliger der Schotten, sondern auch der Liebenden und des Ehestandes. So wurden an diesem Tag auch im deutschsprachigen Raum einst allerlei Bräuche gepflegt, da er als besonders geeignet für Liebesorakel und -zauber galt. In der Andreasnacht vom 29. auf den 30. November, einer sogenannten Losnacht, warfen junge Frauen beispielsweise Pantoffeln, schälten Äpfel, gossen Blei, Wachs o. Ä. in Wasser oder fegten rückwärts und nackt die Stube. Dazu wurde oft noch ein Spruch oder Gebet aufgesagt. Dem Volksglauben nach sollte sich dann ihr Zukünftiger offenbaren oder ihr Auserwählter an sie gebunden werden.

[] Habseligkeit, die

eines der Dinge, die jmdm. gehören, vor allem etw. Kleines, das man tragen kann

Die Frage, welches das schönste Wort der deutschen Sprache sei, wird häufig mit „Habseligkeiten“ beantwortet. Der Beweggrund scheint – da der Klang hier wohl eher keine Rolle spielt – die Vorstellung zu sein, dass das Wort ausdrücke, dass man den (kleinen) Besitz, den man mit sich herumtragen kann, „selig hat“, also in seinem Herzen einen besonderen Platz dafür vorhält. Mal ganz davon abgesehen, dass so ziemlich alle Philosophen nah und fern der Meinung sind, man solle sich von Besitztümern frei machen, ist diese Herleitung auch sprachlich unsinnig. Denn „-selig“, das wir z. B. auch in „armselig“ und „redselig“ finden, hat nichts mit „Seele“ oder dem damit nicht verwandten „selig“ zu tun, sondern gehört zum Suffix „-sal, -sel“, das ursprünglich abstrakte Substantive bildet („Trübsal“).

[] Kuppelei, die

Recht, veraltet: (strafbare) Begünstigung fremder sexueller Handlungen

Noch bis in die 1970er Jahre hinein machten sich Eltern in der Bundesrepublik Deutschland strafbar, wenn sie ihren Kindern – auch volljährigen – im eigenen Haus den außerehelichen Kontakt mit Sexualpartnern, der zu dieser Zeit noch als Unzucht galt, gestatteten. Bei Minderjährigen (damals unter 21 Jahren) genügte auch die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zur Erfüllung des Straftatbestandes der Kuppelei: Erziehungsberechtigte, die beispielsweise unwissentlich ihrem unverheirateten 20-jährigen Kind den Beischlaf ermöglichten, weil sie schliefen, konnten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Mit Inkrafttreten der Reform des Sexualstrafrechts am 28. November 1973 wurde die Strafbarkeit der Kuppelei in der BRD stark eingeschränkt, um veränderten gesellschaftlichen Moralvorstellungen Rechnung zu tragen. Der Ausdruck selbst ist im StGB nicht mehr zu finden.

[] Kantersieg, der

leicht errungener, klarer und meist hoher Sieg

Auch wenn die deutsche Nationalelf von einem solchen derzeit nur träumen kann – von einer Herkunftsgeschichte soll uns das nicht abhalten: Englisch „canter“ für leichten Galopp geht wohl auf jene frommen Wallfahrer zurück, die in einem solchen Tempo zu Pferde nach Canterbury pilgerten. Ins Deutsche gelangte der Ausdruck im 19. Jh., wo er, wie eine Enzyklopädie von 1888 beschreibt, auch auf das Pferderennen bezogen wurde: „Im Kanter gewinnt ein Pferd das Rennen, wenn es seinem Gegner so überlegen ist, dass es nicht seine größte Geschwindigkeit zu entfalten braucht.“ Aus „im Kanter gewinnen“ wurde schließlich der „Kantersieg“, der dann auf andere Sportarten, insbesondere auf den (wenn auch nicht unbedingt deutschen) Fußball, übertragen wurde.

[] Totensonntag, der

zwischen dem 20. und 26. November liegender letzter Sonntag vor den Adventssonntagen, an dem evangelische Christen der Verstorbenen bzw. des Jüngsten Tages gedenken

Im Kino feiert Ridley Scotts „Napoleon“ Premiere, Protestanten begehen hierzulande den Totensonntag. Zwischen beidem besteht ein historischer Zusammenhang – nämlich die bittere Realität hinter den cineastischen Schlachtengemälden. Allein in der Völkerschlacht bei Leipzig fielen 100.000 Soldaten, im Russlandfeldzug weit über 400.000. Man geht heute von 1,5 bis 2 Millionen Menschen aus, die im Zuge der Napoleonischen Kriege im Gefecht umkamen, verhungerten, durch Krankheit starben oder erfroren. Es war wohl nicht zuletzt jene unvorstellbar hohe Zahl von Opfern, die den preußischen König Friedrich Wilhelm III. dazu bewog, am 25. November 1816 per Kabinettsorder für den letzten Sonntag vor dem 1. Advent ein „allgemeines Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“, den Totensonntag, auszurufen.

[] Kasper, der

bezeichnet die traditionelle männliche Hauptfigur des Puppentheaters mit roter Zipfelmütze, die schlau und witzig ist

Grinsend, mit langer Nase und einer Zipfelmütze, eine Klatsche in der Hand – so kennen wir den Kasper. Er erscheint auf der Bühne des Theaters, für das er auch der Namensgeber ist: das Kaspertheater. Die Stücke dort sind simpel gestrickt, sie erfreuen und begeistern mit ihrer Situationskomik vor allem Kinder. In Bayern nennt man ihn „Kasperl“ oder „Kaschberl“, in Schwaben „Kaschberle“, in der Schweiz „Kasperli“ oder „Chaschperli“. Die Vielfalt der Namen zeigt, wie tief diese Figur in der Volkskultur verankert ist. Und auch, wenn sich die Leute wieder einmal (in den Augen anderer) unwürdig verhalten haben, sagt man gern: „Was für ein Kaspertheater, Kaschbertheater!“

[] transkribieren, Verb

von Texten, sprachlichen Elementen: in eine (besser) lesbare schriftliche Form umwandeln

Am 24. November 2003 wurde Wikisource gegründet. Zunächst noch unter dem Namen „Project Sourceberg“ firmierend, war die zugrunde liegende Idee, Artikel für die Wikipedia mit historischen Quellen und Originaldokumenten anzureichern und entsprechende Primärquellen als Nachweise digital anzubieten. Mittlerweile ist „die freie Quellensammlung“ ein eigenständiges Projekt in über 50 Sprachen mit sympathischer Community – jede und jeder kann mitmachen – innerhalb des Wikiversums. Die Hauptarbeit liegt seither auch in der Erschließung und dem fleißigen Transkribieren von historischen Dokumenten – mit wissenschaftlich fundierten Standards und in offener, freier Publikationsform. Danke, Wikisource, Eure Arbeit ist auch für das DWDS unerlässlich, und alles Gute zum 20.!

[] Kitsch, der

abwertend: vorgeblich stilvolles, kultiviertes, gehobenes o. ä., dabei jedoch süßlich-sentimentales (und künstlerisch wertloses) Produkt schlechten Geschmacks

Kommt das Thema Lehnwörter auf, denken viele wahrscheinlich zuerst an die zahlreichen Anglizismen, die in den vergangenen Jahrzehnten Einzug in die deutsche und andere Sprachen gehalten haben. Bis ins 19. Jahrhundert war es noch das Französische, das unseren Wortschatz besonders bereichert hat. Was wir uns seltener vergegenwärtigen: Auch der deutsche Wortschatz hat einige Exportschlager zu bieten, die sich in gleich mehreren Sprachen bewährt haben. Viele davon sind Abstrakta wie „Zeitgeist“, „Schadenfreude“ oder etwa „Leitmotiv“ – jede dieser Entlehnungen transportiert auch eine Idee, ein Konzept aus dem deutschsprachigen Raum in die Welt. Auch das Wort „Kitsch“ hat sich in den verschiedensten Sprachen verbreitet: poln. „kicz“, russ. „kитч“, engl., nl., span., ital. „kitsch“, estn. „kitš“, griech. „κιτς“, japan. „キッチュ (kitchu)“ etc. Woher das Wort im Deutschen genau kommt, ist übrigens ungewiss.

[] auf offener Straße, Mehrwortausdruck

häufig bezogen auf Verbrechen: in aller Öffentlichkeit; draußen auf der Straße; vor anderen Leuten

Am 22. November 1963 ist der damalige US-Präsident John F. Kennedy zu Gast in Dallas, vor allem in Vorbereitung auf den anstehenden Wahlkampf. Während der Fahrt in einer Autokolonne durch die mit Publikum gefüllten Straßen der texanischen Metropole fallen plötzlich Schüsse. Nur kurze Zeit später wird Kennedy im nahegelegenen Parkland Memorial Hospital für tot erklärt. Seine Ermordung erschüttert Politik und Gesellschaft. Denn Kennedy war für viele in seinem Land und darüber hinaus ein Symbol des Wandels und des Fortschritts. Als charismatisches Staatsoberhaupt hatte er eine inspirierende Vision, die er in seiner „New Frontier“-Politik verkörperte. Er setzte sich für die Bürgerrechte ein, für die Gleichberechtigung der afroamerikanischen Bevölkerung, trieb die Raumfahrt voran und förderte das Friedenskorps. Sein gewaltsamer Tod ist auch heute noch Gegenstand von Verschwörungsmythen.

[] hinterfragen, Verb

die Gültigkeit, Richtigkeit von Informationen, Normen, Verhaltensweisen, Hintergründen, Voraussetzungen o. Ä. kritisch überprüfen, beurteilen

„Ceci n’est pas une pipe.“ – zu Deutsch „Dies ist keine Pfeife.“ – ist auf einem der bekanntesten Gemälde von René Magritte zu lesen. Über dem Schriftzug abgebildet: eine Pfeife. Das Werk mit dem Titel „La trahison des images“ („Der Verrat der Bilder“) spielt mit der beinahe trivial wirkenden Beobachtung, dass ein Gegenstand und dessen Abbild nicht identisch sind oder wie Magritte sagte: „Können Sie meine Pfeife stopfen? Natürlich nicht! Sie ist nur eine Darstellung.“ Der heute vor 125 Jahren geborene Künstler zählt zu den bekanntesten Vertretern des Surrealismus. Das Anliegen dieser Bewegung ist es, gewohnte Wahrnehmungs- und Denkmuster zu erschüttern. In der Malerei irritieren z. B. unerwartete, oft traumhaft wirkende Nebeneinanderstellungen von Bildelementen und zwingen so zur Reflexion über die Realität. Die Kunst des Surrealismus soll dazu anregen, die Welt neu zu sehen.

[] Apartheid, die

historisch: politische Praxis der staatlich organisierten Rassentrennung in Südafrika und Südwestafrika (bis 1994), die auf einer Doktrin von der angeblichen Überlegenheit und darauf basierenden Vorherrschaft des weißen Bevölkerungsteils beruhte

Sie wolle die Wirklichkeit ehrlich darstellen und verborgene Aspekte beleuchten, erklärte die südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer, die heute vor 100 Jahren geboren wurde. Die Wirklichkeit, das war in ihrer Heimat Südafrika für einen bedeutenden Teil ihres Lebens die Politik der Apartheid, deren Zustand und Wandlungen sie in ihren Romanen, Erzählungen und Essays ausleuchtete. Dabei war sie zeitweise doppelt ausgegrenzt: von der weißen Umwelt aufgrund ihrer offen geäußerten politischen Meinung, von der schwarzen Umwelt aufgrund ihrer Hautfarbe. Anerkennung erfuhr sie im Ausland: Sie erhielt 1974 den Booker Prize und 1991 den Nobelpreis. Unbequem und kritisch gegenüber ihrer Gesellschaft blieb sie auch nach dem Ende der Apartheid, etwa in dem Roman mit dem sprechenden Titel „Die Hauswaffe“. Gordimer verstarb 90-jährig im Juli 2014.

[] ein Dorn im Auge, Mehrwortausdruck

Person oder Tatsache, die in hohem Maße als lästig, störend, als ständiges Ärgernis empfunden wird

Die international vertriebene sowjetische Monatszeitschrift „Sputnik“ stach Mitte der 1980er Jahre dank offener Berichterstattung über die Reformen Gorbatschows und historische Tabuthemen (wie die Stalinschen Repressionen) aus der sozialistischen Medienlandschaft hervor, auch in der DDR. Als in der Novemberausgabe des Jahres 1988 u. a. das geheime Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts thematisiert werden sollte, reagierte der Staatsapparat: Am 19.11.1988 wurde der „Sputnik“ aus dem Postzeitungsvertrieb genommen, die Ausgabe eingezogen und eingestampft. Die öffentliche Reaktion blieb nicht aus – insbesondere Angehörige der Intelligenz sowie Studentinnen und Studenten taten sich in ihrer Kritik hervor, wie aus den Auswertungsdokumenten der Sicherheitsorgane zur „Reaktion der Bevölkerung“ zu erfahren ist. Den Lauf der Geschichte konnte das Verbot jedoch nicht mehr aufhalten.

[] Massel, der oder das

umgangssprachlich: (unverdientes, unerwartetes) Glück

Es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass wir unsere Aufmerksamkeit allzu oft auf das Negative richten. Daher kennen wir uns sehr gut damit aus, etwas zu vermasseln oder dick im Schlamassel zu stecken. Sprachlich und außersprachlich weniger vertraut sind wir wahrscheinlich mit dem zugrundeliegenden „Massel“, dem Glück, das uns geschenkt wird, ohne dass wir es erwartet haben. Entlehnt ist es aus dem Jiddischen bzw. Hebräischen „mazzal, masol (מזל)“ ‚(Glücks-)Stern, Gestirn‘. Warum wir Sie gerade heute darauf hinweisen? Warum nicht; die Chance auf unerhörten Massel haben Sie jeden Tag. Und auch heute gilt es, dieses Glück zu feiern – oder einen Menschen, dem Sie reichlich davon wünschen.

[] Modewelle, die

Phänomen, bei dem etw. für meist kurze Zeit in Mode kommt (um danach wieder aus der damit verbundenen allgemeinen Aufmerksamkeit zu verschwinden)

Als am 17.11.1923 Oscar Straus’ Operette „Die Perlen der Cleopatra“ in Wien ihre Uraufführung erlebt, herrscht um Ägypten ein regelrechter Hype. Nicht nur gedeihen die politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Verbindungen von Kairo aus bis nach Berlin, auch im Unterhaltungssektor liefert das Reich am Nil als Sehnsuchtsort eine exotische Projektionsfläche, quasi als Spiegel der Gegenwart. Der musikalische Spaß trumpft auf mit flotter Story, frivolen Dialogen und natürlich hinreißenden Melodien. In der Erstbesetzung begeistern 1923 Stars wie Fritzi Massary, Max Pallenberg und Richard Tauber. Von den Nazis verfolgt, emigrieren sie wenige Jahre später ebenso wie der Komponist und die Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald. In Berlin erlebt das Werk 2016 eine glamouröse, vielbeachtete Wiederaufführung.

[] strub, Adj.

zerzaust, kraus oder struppig, nicht glatt (gekämmt) oder gepflegt

Im zerzausten Struwwelpeter, dem berühmten Sinnbild schwarzer Pädagogik, steckt eine dialektale Entsprechung zu „strubbelig“, das liegt sprachlich wie bildlich nahe. Auch nicht weit weg liegt „struppig“. Die Wörter gehören zu der Wurzel, die wir in „sträuben“ finden, bezeichnen also alle den Zustand aufgestellter Haare. Die direkte Ableitungsbasis der Adjektive – gleichbedeutendes mittelhochdeutsches „strup, strûbe“ – ist in Deutschland und Österreich seit Langem ausgestorben. In der Schweiz, in einer für Randgebiete von Sprachgemeinschaften typischen Mischung aus Archaismus und Innovation, hat sie sich als normales Adjektiv „strub“ gehalten, zugleich aber auch zusätzliche bildliche Bedeutungen wie ‚unangenehm, widrig‘ angenommen.

[] jmdn. mundtot machen, Mehrwortausdruck

jmdn. (auch auf unlautere, brutale Weise) zum Verstummen bringen; jmdn. daran hindern, eine (abweichende, unerwünschte) Meinung zu äußern

Menschen, die mit all ihrer Überzeugung für den Mut und die Zuversicht einstehen, dass die Wahrheit stärker ist als Lüge, Schweigen und Unterdrückung, haben es selten leicht. Denn seit jeher wissen autoritäre Machthaber um diese unliebsame, für sie mitunter unberechenbare Bedrohung. 2022 etwa sind weltweit 115 Übergriffe auf Autorinnen und Autoren registriert worden. Das Writers-in-Prison-Committee des Internationalen PEN setzt sich seit 1960 für verfolgte und inhaftierte Autorinnen, Journalisten, Verlegerinnen u. a. ein, veröffentlicht jährlich einen internationalen Lagebericht. Außerdem unterhält das Komitee ein internationales Netzwerk, das in dringenden Fällen weitreichende Kampagnen für akut bedrohte Autoren organisiert. Seit 1981 wird am 15. November der „Writers-in-Prison-Day“ begangen.

[] Adelsgeschlecht, das

Gesamtheit der Angehörigen einer adligen Familie über sämtliche Generationen hinweg

Der Jubilar, dem wir heute unsere Reverenz erweisen, ist durch und durch adelig. Über zahlreiche Verwandtschaftsbeziehungen ist Seine Majestät König Charles III., ehem. Prince of Wales, mit vielen einst einflussreichen Adelshäusern verbandelt. Sachsen-Coburg und Gotha sind hier zu nennen, das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, eine Nebenlinie des Hauses Oldenburg. Zu dem Adelsgeschlecht Hessen-Darmstadt, das 1968 erlosch, bestehen entferntere Beziehungen, vor allem über das Haus Battenberg. Charles und der ehemalige griechische König Konstantin II. waren Cousins zweiten Grades, Markgraf Max von Baden und Prinz Rainer von Hessen waren bzw. sind Cousins Seiner Majestät. Der heute 75-jährige Charles III. kam erst jüngst zu königlichen Ehren: Seit dem 8. September 2022 ist er König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie von 14 weiteren souveränen Staaten einschließlich ihrer Territorien und abhängigen Gebiete. Wenn man das Beispiel seiner Mutter und Großmutter betrachtet, hat Charles III. ein langes Leben vor sich und vermutlich eine lange Regentschaft.

[] Blog, das oder der

auf einer Webseite geführtes Tagebuch, für das ein oder mehrere Autoren regelmäßig Texte und die Leser Kommentare verfassen

Der 13. November 1990 ist ein Meilenstein für die moderne Kommunikation. An diesem Tag stellt Tim Berners-Lee, Physiker und Informatiker am CERN, die erste Website überhaupt online, um den weltweiten Informationsaustausch innerhalb seines Fachs zu erleichtern. Es ist zugleich die Geburtsstunde des Blogs (Kurzform des englischen Kompositums „weblog“, also eine Art ‚Online-Tagebuch‘), der sich inzwischen zu einer zentralen Kommunikationsform für die digitale Wissensvermittlung und den Austausch über unterschiedlichste Themen entwickelt hat. Auch auf dem Blog des DWDS (der übrigens vor wenigen Tagen ein Jahr alt wurde) gibt es heute wieder Neuigkeiten: Wir stellen eine praktische Funktion vor, die unseren Nutzerinnen und Nutzern im DWDS ab sofort zur Verfügung steht.

[] Auslegeware, die

meist textiler, als Meterware angebotener Bodenbelag

„Wenn ich noch e i n m a l ‚Birne Helene‘ höre, werf ich mich hier auf den Boden und b e i ß e in die Auslegeware!“ – „Ach was?!“ Von wem, wenn nicht von Vicco von Bülow, alias Loriot, könnten Sätze wie diese stammen? Wohl nur wenige Humoristen besaßen wie er dieses einmalige Gespür für die Mikrodramen des Alltags, verbunden mit dem absoluten Gehör für die schrägen Neben- und Untertöne scheinbar gewöhnlicher Dialoge. Eines seiner zahlreichen Stilmittel waren sicher auch die herrlich pedantischen Komposita wie Auslegeware, Münzeinwurfbehälter, Herrenbutike oder Kosakenzipfel, die seinen Cartoons oder Sketchen eine absurde Tiefe gaben. Im kollektiven Humorgedächtnis der Deutschen hat er seinen festen Platz. Heute vor 100 Jahren wurde er geboren.

[] olle Kamelle, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, meist abwertend: altbekanntes Thema, immer wiederkehrendes Motiv

Auch wenn’s in der fünften Jahreszeit auf Rosenmontagszügen „Kamelle, Kamelle!“ schallt: Unter die 150 Tonnen Wurfmaterial, die so ein Rosenmontagszug unters Volk bringt, mischen sich Schokoriegel, Mäusespeck, Chipstüten, aber immer seltener die klassischen Karamellbonbons – und „olle Kamellen“ schon mal gar nicht. Die Wendung bezog sich im Norddeutschen ursprünglich auf „alte, nicht mehr duftende und damit wertlose Kamillen(blüten)“. („Dat sünd olle Kamellen – de rükt nich mehr.“) Der Mundartdichter Fritz Reuter titulierte mit „Olle Kamellen“ selbstironisch seine autobiografisch gefärbten Erzählungen, in denen er das Niederdeutsche zu literarischer Hochform führte.

[] sprachgewaltig, Adj.

die sprachlichen Ausdrucksmittel sehr gut beherrschend und sie wirkungsvoll einsetzend; von großer sprachlicher Ausdruckskraft

Muss man es nicht vermessen nennen, über Dich, Martin Luther, der Du heute vor 540 Jahren geboren wurdest, und Dein so sprachgewaltiges und wortschöpferisches Werk in den engen Grenzen dieser Kolumne Kunde zu geben? Würdest Du selbst dieses Unterfangen nicht verwegen nennen, mich dafür gar einen „Madensack“ schelten? Mit Dir bekenne ich: „Ich bin mehr als töricht, wenn ich mit einer Sache, die klarer ist als die Sonne, Worte und Zeit verliere“ (aus einem Brief an Erasmus von Rotterdam). Und dennoch möchte ich mich vor der Wirkmacht Deiner Sprache und Schriften verneigen und Dir den einen oder anderen Fehltritt wenigstens heute nachsehen. „Inzwischen mahne ich Dich, dass Du Zunge und Feder besserst.“ – Ich will versuchen, Deinen Rat, der nicht mir galt, sondern Erasmus von Rotterdam, zu beherzigen.

[] Dach der Welt, Mehrwortausdruck

bildlich: Himalaja

Elizabeth Hawley sah sich als Chronistin der Berge, obwohl sie selbst nie einen Berg bestiegen hatte. Als die amerikanische Journalistin 1960 als Korrespondentin nach Kathmandu zog, entwickelte sie schnell ein Interesse für das aufkeimende Expeditionsgeschehen im Himalaja. Sie begann, Gipfelbesteigungen und Rekordversuche penibel zu dokumentieren, knüpfte Kontakte zu Alpinisten und unterzog sie intensiven Interviews vor und nach ihren Expeditionen – nicht zuletzt, um Hochstapler zu entlarven. Aus ihren handschriftlichen Daten entstand eine fast lückenlose Chronik des Bergsteigens auf dem Dach der Welt, die als „Himalayan Database“ seit 2004 digital zugänglich ist. Nachdem sie sich 2016 zur Ruhe gesetzt hat, wird ihre Arbeit von ihrer Nachfolgerin Billi Bierling und einem kleinen Team weitergeführt. Heute wäre Elizabeth Hawley 100 Jahre alt geworden.

[] Semantik, die

Lehre von der Bedeutung von Wörtern, Wortgruppen und sprachlichen Äußerungen

Heute feiert eine Person ihren 175. Geburtstag, deren Werk entscheidenden Einfluss auf verschiedene Wissenschaftszweige und deren praktische Anwendung hatte: Gottlob Frege, 1848 in Wismar geboren, gilt als einer der großen Logiker des 19. Jahrhunderts, durch dessen formale Sprache nach langer Zeit der Stagnation neue Entwicklungen möglich wurden – bis hin zur Anwendung in der modernen Informatik. Das Hauptanwendungsgebiet sah Frege aber in Bezug auf die theoretischen Grundlagen der Mathematik, wodurch er auch auf diesem Gebiet innovativ war. Nicht zuletzt beschäftigte er sich auch mit Sprachphilosophie und stellte das bis heute diskutierte „Frege-Prinzip“ auf, wonach sich die Bedeutung einer Äußerung aus der Summe ihrer Bestandteile ergebe.

[] Rettungsweg, der

Weg, auf dem man aus einer Gefahrensituation entkommen oder in einer Notsituation evakuiert werden kann

Die Liste der Opfer war bereits ausgehängt, die Trauerfeier für die 40 umgekommenen Kumpel vorbereitet worden: Rund zehn Tage, nachdem sich Wasser und Schlamm aus einem unzureichend gesicherten Teich in die Erzgrube von Lengede ergossen hatten, rechnete niemand mehr mit Überlebenden, obwohl inzwischen an zwei Stellen insgesamt zehn Bergleute gerettet werden konnten. Doch eine letzte Suchbohrung fand Lebenszeichen von elf Männern, die sich in einen lang aufgegebenen Bergwerksteil hatten retten können. Heute vor 50 Jahren, zwei Wochen nach dem Grubenunglück, wurden sie unter größter Anteilnahme der Öffentlichkeit, die vom „Wunder von Lengede“ sprach, mittels einer nur 40 cm breiten Kapsel durch einen eilig gebohrten Rettungsschacht geborgen.

[] Salsa, der oder die

in den USA aus der Mischung verschiedener karibischer Musikstile entstandene Form populärer, rhythmusbetonter Musik; ursprünglich aus der Karibik stammender Tanz, der paarweise oder in einer größeren Gruppe getanzt wird

Es ist beim Essen so wie im Leben allgemein: Es braucht ein wenig Würze, um es sich schmackhaft zu machen. Da bietet sich eine Salsa an, eine pikante Zusammenstellung aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch – oder eben eine zum Tanzen animierende Mischung verschiedener Musikstile aus dem karibischen Raum – eine einleuchtende Metaphorik. Wie aber Musik und Tanz genau zu ihrem kulinarisch geprägten Namen kamen, ist eine längere Geschichte. Wie dem auch sei, kaum ein Musik-/Tanzstil ist lebensbejahender als die Salsa; so tanzt es sich mit Bass, Piano, Blechbläsern, Trommeln und Chören im 4/4-Takt mal schneller, mal langsamer, aber stets beschwingt durch die Nöte des Lebens: „Y si se cae el cielo, bailo bajo la tormenta“ (‚Und wenn der Himmel herabstürzt, tanze ich unter dem Sturm‘). Einer der Pioniere der Salsa-Musik, Rolando Valdés, wäre heute 100 Jahre alt geworden.

[] Chefredakteur, der

journalistische Fachkraft, die den Mitarbeitern einer Redaktion (Zeitschrift, Format in Funk, Fernsehen oder Internet) vorsteht

Unabhängige Medien sind ein kritischer Bestandteil einer liberalen Demokratie. So verwundert es nicht, dass es nach den Schreckensjahren der Nazis mit ihrer gleichgeschalteten Presse Ende der 1940er in Westdeutschland zu einem Gründungsboom von Medienhäusern kam. Eines der auf Dauer erfolgreichsten kommt dabei aus Hamburg: Seit 1947 ist das Nachrichtenmagazin SPIEGEL einer der großen Namen der deutschen Printlandschaft. Das Wochenblatt legte immer wieder den Finger in Wunden, die die Politik gerne verborgen hätte, und wurde dabei auch selbst Zentrum von Skandalen und Anfeindungen. Treibende Kraft hinter dem SPIEGEL war sein Gründer, Chefredakteur und Herausgeber: Rudolf Augstein. Heute vor genau hundert Jahren wurde der streitbare Publizist in Hannover geboren.

[] Boykott, der

massenhafte (und öffentlich kundgetane) Vermeidung bestimmter Produkte, Produktarten oder Dienstleistungen eines Herstellers (Firma, Herstellergruppe, Land o. Ä.), um diesen durch den wirtschaftlichen Schaden zu einem bestimmten (sozial erwünschten) Verhalten zu zwingen

Was haben die Wörter „Draisine“, „Derby“ und „Boykott“ gemeinsam? – Richtig, es handelt sich um sogenannte Eponyme, also Bezeichnungen, die ursprünglich auf Eigennamen zurückgehen. Das Wort „Boykott“ verdanken wir dem im 19. Jahrhundert als Gutsverwalter tätigen Charles Cunningham Boycott. Auf die Raffgier und Schikane des Engländers reagierten im Jahr 1880 Bauern der irischen Insel Achill, auf der Boycott eingesetzt war, indem sie sich weigerten, den Pachtzins zu bezahlen und grundsätzlich jede Zusammenarbeit mit ihm ablehnten. Aufgrund dieses Misserfolgs war Boycott schnell gezwungen, nach England zurückzukehren. Dass der gewaltfreie Protest noch heute als „Boykott“ (ursprünglich engl. „to boycott“ ‚in Verruf erklären‘) bezeichnet wird, bleibt wohl seine bedeutendste Hinterlassenschaft.

[] Raumsonde, die

unbemannter Flugkörper (mit Messinstrumenten) zur Erforschung des Weltraums jenseits des Schwerefelds der Erde, insbesondere der Himmelskörper darin

„Per aspera ad astra“ – über raue Pfade, mit großer Mühsal gelangt man zu den Sternen. Das wussten schon die alten Römer. Eine Mission, die heute vor 50 Jahren in Cape Canaveral startete, zielte nicht auf die Sterne, sondern auf einen Planeten. Man kann davon ausgehen, dass die Vorbereitungen von großer Mühsal waren, sicherlich aber glitt die Sonde „Mariner 10“ nicht über raue Pfade, sondern sanft durch das All, bis sie am 29. März 1974 den Planeten Merkur passierte und in mehreren Anflügen ca. 9.000 Bilder von dessen Oberfläche auf die Erde funkte. Damals war dies sicher eines der teuersten Fotoshootings der Geschichte. Die Fotos zeigen eine Oberfläche voller Krater, eine Atmosphäre hingegen konnte die Sonde nicht finden, dafür ein schwaches Magnetfeld. Eine spätere Mission zur Erkundung des Merkur sorgte dafür, dass das galaktische Fotoalbum auf über 200.000 Aufnahmen anschwoll.

[] Wahlbetrug, der

bewusste Manipulation des formalen Ablaufs einer Abstimmung oder von deren Ergebnis

Es war der Beginn kritischer Wochen in Georgien: Heute vor 20 Jahren fanden Parlamentswahlen statt, zu deren Sieger sich der langjährige Präsident Eduard Schewardnadse erklärte. Es war aber klar, dass die korrupten Eliten die Abstimmungsergebnisse gefälscht hatten. Die Opposition wollte sich nicht um den Wahlsieg bringen lassen und organisierte Massenproteste. Mit Rosen statt Waffen in Händen stürmte sie schließlich das Parlament. Als die Sicherheitskräfte ein Eingreifen verweigerten, musste Schewardnadse aufgeben. Die Wahlen wurden aufgrund dieser Rosenrevolution wiederholt und Georgien bekam die Chance eines demokratischen Aufbruchs, wodurch auch andere ehemalige Sowjetrepubliken (Orange Revolution in der Ukraine 2004 und die Tulpenrevolution in Kirgisien 2005) inspiriert wurden.

[] Freskomalerei, die

künstlerische Maltechnik, bei der ein Bild, ein Fresko, in den noch frischen, feuchten Putz einer Wand oder Decke gemalt wird

Ein opulentes Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle – so der Wunsch von Papst Julius II. Diese ehrwürdige Aufgabe wurde dem schon damals hoch angesehenen Künstler Michelangelo zuteil, der den Auftrag jedoch nur widerwillig annahm, da er sich primär als Bildhauer und nicht als Maler verstand. Die Arbeit an dem Fresko erstreckte sich über vier Jahre. Bei Kerzenschein, auf einem Gerüst auf dem Rücken liegend, gestaltete er im Alleingang die gewaltige Gewölbedecke in der anspruchsvollen Technik der Freskomalerei. Die Fresken erzählen eindrucksvoll die Schöpfungsgeschichte – von der Scheidung von Licht und Finsternis über die Erschaffung Adams bis hin zur Sintflut. Am 1. November 1512 erfolgte die feierliche Enthüllung des Meisterwerks von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom.

[] Stadt, die

geschlossene dauerhafte Siedlung mit größerer und sozial differenzierter Einwohnerschaft, eigenen Rechten und eigener Verwaltung

„Die Städte aber wollen nur das Ihre / und reißen alles mit in ihren Lauf. / Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere / und brauchen viele Völker brennend auf.“, dichtete einst Rainer Maria Rilke. Gewiss, die negativen Folgen der Urbanisierung für Mensch und Umwelt lassen sich nicht leugnen. Klar ist aber auch, dass sich dieser Prozess nicht aufhalten lässt: Prognosen zufolge werden bis 2050 fast 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Aus diesem Grund haben die Vereinten Nationen vor 10 Jahren den 31. Oktober zum Welttag der Städte erklärt. Jedes Jahr tauschen sich die Mitgliedsstaaten an diesem Tag unter dem Motto „Better City, Better Life“ über die Herausforderungen, aber auch Chancen der Stadtentwicklung aus, mit dem Ziel, nachhaltigere und lebenswertere Städte zu schaffen.

[] harsch, Adj.

rau, eisig

„Wie dunkel sind deine Schläfen. / Und deine Hände so schwer. / Bist du schon weit von dannen, / Und hörst mich nicht mehr.“ Tod, Verfall und Krieg – harsch waren die Themen in den Gedichten von Georg Heym, einem der wichtigsten Vertreter des frühen literarischen Expressionismus, der am 30.10.1887 in Hirschberg (Jelenia Góra) geboren wurde. Ähnlich rau wie seine Gedichte war auch der Tod des jungen Schriftstellers: Eines Wintertages trifft sich der erst 24-Jährige mit seinem Freund Ernst Balcke zum Schlittschuhlaufen auf der Havel. Wenig später bricht Heym im Eis ein – vermutlich beim Versuch, seinem ebenfalls verunfallten Freund zu Hilfe zu kommen. Wie später berichtet wird, kämpft er noch lange gegen die eisige Kälte und gegen das Ertrinken, bis er schließlich von dannen gehen muss.

[] Rundfunk, der

drahtlose Bereitstellung und Übertragung von Sendungen (Informationen, Nachrichten, Musik, Hörspielen o. Ä.) des Hörfunks und des Fernsehens

Politische Unruhen und Hyperinflation prägen das Jahr 1923 in der Weimarer Republik. Auch geistig verarme die Bevölkerung, konstatiert Hans Bredow, Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen, in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Der Deutsche Rundfunk“ vom 14. Oktober. „Erholung, Unterhaltung und Abwechslung lenken den Geist von den schweren Sorgen des Alltags ab, erfrischen und steigern die Arbeitsfreude […].“ Darin sieht er die Aufgabe des Rundfunks. Am 29. Oktober 1923 um 20 Uhr startet dann das erste deutsche Rundfunkprogramm. Als erstes Stück schickt die Funk-Stunde Berlin das „Andantino“ von Fritz Kreisler als live gespieltes Cello-Solo mit Klavierbegleitung in den Äther. Ob überhaupt jemand dieser Übertragung lauschte, ist jedoch ungewiss: Als der Sender den Betrieb aufnahm, besaß nämlich noch keiner der potenziellen Hörer eine offizielle Genehmigung für den Empfang.

[] Polio

von Polioviren ausgelöste, besonders im Kindesalter auftretende Infektionskrankheit, die besonders das Rückenmark befällt und schwere bleibende Lähmungen verursachen kann

Im Jahr 1960 wurde in der DDR, zwei Jahre später in der BRD, die Impfung gegen das Poliovirus eingeführt. Nur wenige Jahre später war es hierzulande nahezu ausgerottet und mit ihm eine teils schwer verlaufende Krankheit, von der meist Kinder betroffen sind: Poliomyelitis, zu griech. „poliós (πολιός)“ ‚grau‘ und „myelós (μυελός)“ ‚Mark‘. Bei einem geringen Prozentsatz der Infizierten befällt das Virus die graue Substanz des zentralen Nervensystems; bei ca. einem Prozent kommt es zu einer schweren sog. paralytischen Poliomyelitis (Kinderlähmung). Schmerzhafte, zum Teil lebensgefährliche Lähmungen können auftreten, irreparable Schäden sind möglich. Eine Kampagne zur weltweiten Ausrottung von Polio startete die WHO 1988 und rief in diesem Zuge auch den Weltpoliotag ins Leben, der ursprünglich jährlich am 28. Oktober stattfand, dem Geburtstag des Entwicklers des ersten Impfstoffs gegen Polio, Jonas Salk.

[] Chronist, der

Person, die historische oder z. B. für eine Firma oder einen Verein bedeutsame Ereignisse in ihrer zeitlichen Abfolge schriftlich festhält, beschreibt (und interpretiert), eine oder mehrere Chroniken verfasst

„Hier ist die Geschichte der vergangenen Jahre, wie das russische Land zum Entstehen kam, wer zuerst in Kiew Fürst war und wie das russische Land geordnet ist.“: So beginnt die berühmte Nestorchronik, benannt nach dem Mönch Nestor von Kiew, der sie in seinen beiden letzten Lebensjahren verfasst haben soll – was heute aber bezweifelt wird. Wie auch immer, die Chronik, die in altostslawischer Sprache die Entstehung der ostslawischen Staatlichkeit zwischen ca. 860 und 1110 beschreibt, ist eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte der Region in dieser Zeit, auch wenn sie an manchen Stellen sichtbare Ungenauigkeiten enthält. Zudem war sie wichtiger Quell für die Legitimation späterer Herrscher in Russland und der Ukraine und wurde entsprechend umgedeutet und nachbearbeitet.

[] Saubär, der

mundartlich, veraltend: männliches Schwein

Umgangssprachlich wird jemand, der sich hygienisch oder moralisch wie ein Schwein verhält, auch schon mal als „Saubär“ beschimpft. Dem liegt aber nicht irgendeine Vorstellung eines Bären zugrunde, sondern regional kann das Wort auch einfach das männliche (Haus-)Schwein bezeichnen. Es handelt sich hierbei um ein verdeutlichendes Kompositum, damit man das alte Wort „Ber/Bär“ nicht mit Meister Petz verwechselt. Natürlich klingt hier das gleichbedeutende und heute überall verbreitete „Eber“ an. Doch während Letzteres sprachvergleichend gut bezeugt ist (vgl. lat. „caper“, altkirchenslaw. „veprь“), ist „Ber/Bär“ auf das Germanische beschränkt (vgl. engl. „boar“). Im Übrigen ist der Gebrauch als Schimpfwort eine falsche Übertragung, denn Schweine sind reinliche und soziale Tiere.

[] Nudel, die

meist aus einem Teig aus Getreidemehl hergestellte (Eier-)‍Teigware von verschiedenartiger Form (und Füllung), die getrocknet oder frisch zubereitet in siedendem Wasser gekocht wird

Die Welt der Pasta ist erstaunlich vielfältig: Hunderte verschiedener Sorten existieren, darunter auch die weniger bekannten ringförmigen Anelli oder die gewellten Mafalde. In Deutschland isst man am liebsten Spaghetti – vielleicht manchmal so viel davon, dass man sich „wie genudelt“ (also übersatt) fühlt. Der Ausdruck hat einen unappetitlichen Ursprung: Das Nudeln ist eine Form der Zwangsernährung, die in der Geflügelmast zur Anwendung kommt. Enten oder Gänsen wird dabei einige Tage oder Wochen vor der Schlachtung mehrmals täglich ein gehaltvoller Maisbrei (früher noch dicke Teigröllchen) in die Speiseröhre gepumpt. Dieses bedenkliche Verfahren ist Grundlage von Delikatessen wie Stopfleber, in vielen Ländern allerdings bereits verboten. Am heutigen Weltnudeltag sollten wir vielleicht weniger stopfen, vielmehr genießen.

[] Leuchtturmprojekt, das

(häufig mit Fördergeldern finanziertes) herausragendes, innovatives Projekt oder Vorhaben, das wegweisend sein könnte für weitere, sich daraus ergebende Projekte oder Vorhaben

Heute vor genau 20 Jahren ging eine Ära zu Ende: Das Überschallpassagierflugzeug Concorde, auch „Königin der Lüfte“ genannt, hob zu ihrem letzten Flug über den Atlantik ab. Seit 1976 hatten British Airways und Air France besonders die Route nach New York mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit bedient. Diese staatlichen Fluglinien der Entwicklerländer Großbritannien und Frankreich blieben allerdings auch die einzigen Kunden des technischen Wunderwerks, das seit den 1950ern mit horrenden Kosten (aus öffentlicher Hand) entwickelt worden war. Statt wie erhofft 200 wurden nur 16 Serienmaschinen gebaut; das ganze Projekt war ein finanzieller Misserfolg. Technisch beeinflusste die Concorde aber die weitere Entwicklung der zivilen Luftfahrt maßgeblich.

[] Schöpfer, der

Religion: Synonym zu Gott

Nach aktueller wissenschaftlicher Berechnung entstand die Erde vor 4,6 Milliarden Jahren gemeinsam mit der Sonne, das Universum vor vielleicht 13,8 Milliarden Jahren. Vor den Entdeckungen durch die Astronomie mussten sich Menschen, wollten sie das Alter der Welt wissen, auf mythologische Quellen stützen, sprich für Europa: die Bibel. So berechnete 1650 der Bischof James Ussher in bemerkenswerter Detailarbeit durch Verknüpfung biblischer Zeitraum-Angaben und historischer Daten die Erschaffung der Welt durch den Schöpfer auf heute vor 6.027 Jahren, den 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt (mit dem Zusatz durch John Lightfoot: 9 Uhr morgens). In einem stimmen Astrophysiker und Bibel übrigens tatsächlich überein: Vor der Entstehung des Weltalls herrschte „Irrnis und Wirrnis“.

[] stottern, Verb

aufgrund einer Sprachstörung mit krampfartigen und mehrmals rasch aufeinanderfolgenden Wiederholungen von Lauten und Silben sprechen

Am 22. Oktober findet jährlich der Welttag des Stotterns statt. Dieses Jahr steht er unter dem Motto „One Size Does NOT Fit All“ (‚Eines passt nicht für alle‘); aufgrund der Heterogenität der Betroffenen und ihrer Umstände braucht es verschiedene Ansätze im Umgang mit der Redeflussstörung. Beim Verb „stottern“ handelt es sich übrigens um eine sogenannte Intensivbildung. Während Diminutive (auch) unter den Verben recht bekannt sind („husten“ → „hüsteln“, „lachen“ → „lächeln“), fallen die Intensiva weniger auf, zumal Ihre Form sie nicht so eindeutig verrät. Greifbar wird sie aber sowohl phonetisch bzw. graphematisch als auch semantisch. So wird aus „stoßen“ „stottern“, aus „schlagen“ „schlachten“ und aus „sehen“ „suchen“.

[] nomen est omen, Mehrwortausdruck

bildungssprachlich: schon die Bezeichnung, der Name deuten auf etw. hin

Am 21. Oktober 2003 wurden am Palomar-Observatorium Bilder des Kuipergürtels aufgenommen. Später entdeckten Astronomen darauf ein transneptunisches Objekt, das zunächst als „zehnter Planet“ bezeichnet wurde. Die Entdeckung löste eine Debatte über die Planetendefinition aus, die schließlich 2006 zur Einführung der Klasse der Zwergplaneten führte. Im Zuge dessen wurde auch Pluto, der bis dahin als neunter Planet galt, sein Planetenstatus abgesprochen. Der Himmelskörper, der die Kontroverse entfacht hatte, erhielt den Namen (136199) Eris – nach der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streits. Diese verursachte dem Mythos nach durch eine Intrige, die einen goldenen Apfel (auch: Apfel der Zwietracht, Erisapfel oder Zankapfel) beinhaltete, einen Streit, der letztendlich im Trojanischen Krieg mündete.

[] Flop, der

(kommerzieller) Misserfolg; gescheiterte Unternehmung; ein schlechtes, ungenügendes, unbrauchbares Produkt o. Ä.

Mit dem Wort „Flop“ assoziiert man im Deutschen heute einen Misserfolg, eine gescheiterte Unternehmung, schlechte Produkte oder gescheiterte Existenzen. Das ist erstaunlich, denn heute vor 55 Jahren wurde dieses Wort als Bezeichnung für eine Sprungtechnik im Hochsprung populär. Der sportliche Flop wird deshalb auch meist mit seinem Erfinder assoziiert und „Fosbury-Flop“ genannt. Dick Fosbury, dem wir hiermit unsere Reverenz erweisen wollen, war ein außerordentlich erfolgreicher Mensch. Er setzte seinen Stil gegen den Widerstand des Trainers durch („Besser wäre es, wenn du zum Zirkus gehen würdest“), gewann am 20. Oktober 1968 eine Vorausscheidung für die Olympischen Spiele, war für den Hochsprung stilbildend, überwand später eine Krebserkrankung, führte ein Bauunternehmen, reüssierte in der Lokalpolitik. Die Latte konnte wohl nie hoch genug für ihn liegen. Im März dieses Jahres verschied er im Alter von 76 Jahren. Mach’s gut, mach’s besser, Dick!

[] Bakterium, das

einzelliger, in besonderen Fällen mehrzellige Aggregate bildender Mikroorganismus, der keinen Zellkern besitzt, sich durch Teilung vermehrt und durch seinen Stoffwechsel bestimmte Substanzen produziert bzw. zersetzt oder auch Krankheiten verursachen kann

Es klingt wie der Anfang eines Science-Fiction-Dramas: In New Mexico wird bei Bohrungen in ca. 600 Metern Tiefe ein Salzkristall entdeckt, in dem ein 250 Millionen Jahre altes Bakterium eingeschlossen ist. Forschern gelingt es, den Mikroorganismus im Labor zu isolieren und zum Wachsen anzuregen. Im Film würde sich der Bazillus aus der Tiefe nun als tödlicher Krankheitserreger herausstellen und eine verheerende Epidemie auslösen. Im Fall des von einem Forscherteam der West Chester University befreiten, harmlosen Bacillus permians* blieb die Menschheit von solch einer dramatischen Entwicklung verschont. Eine Sensation war der Fund, der am 19. Oktober 2000 im Wissenschaftsjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, dennoch: Der Einzeller ist das langlebigste uns bekannte Lebewesen; bei einer so langen Lebensdauer wäre theoretisch sogar intergalaktisches Reisen möglich.

[] Monumentalismus, der

Stilrichtung in der Kunst (besonders in der Architektur), für die gewaltige, überdimensionale Bau- oder Kunstwerke charakteristisch sind

Heute vor 210 Jahren kulminierte die Völkerschlacht bei Leipzig, und genau 100 Jahre später, am 18.10.1913, wurde auf der Walstatt das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht. War die viertägige Schlacht, in der eine Koalition um Russland, Preußen und Österreich Napoleons Frankreich und seine Verbündeten entscheidend besiegte, die bis dahin größte Schlacht der Weltgeschichte gewesen, so sprengte auch ihr Denkmal alle Dimensionen, was im Deutschen Kaiserreich mit seinen zahlreichen Monumenten durchaus bemerkenswert ist. Mit über 90 Metern Höhe ist der von Bruno Schmitz (auch Architekt des Kyffhäuserdenkmals) entworfene und in 15 Jahren errichtete spendenfinanzierte Klotz bis heute das höchste Denkmal Europas und Touristenattraktion.

[] Energiekrise, die

durch die mangelnde Verfügbarkeit bestimmter Energieträger bedrohte Sicherheit der Energieversorgung, die meist mit stark steigenden Energiepreisen einhergeht

Am 17. Oktober 1973 beschloss die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC), die Ölförderung zu reduzieren und den Rohölpreis von drei auf fünf US-Dollar pro Barrel zu erhöhen. Die daraus resultierende Ölkrise brachte die Weltwirtschaft ins Wanken. Schnell wurden auch in Deutschland Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs ergriffen. Das Bild von leeren Autobahnen infolge des Sonntagsfahrverbots ist sicherlich vielen in Erinnerung geblieben. Heute stehen wir erneut vor einer Energiekrise, da die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bei begrenzten Vorräten weiter steigt. Vor dem Hintergrund der Klimakrise und wachsender politischer Spannungen ist es daher wichtiger denn je, auf erneuerbare Energien zu setzen, um die Abhängigkeit vom Öl zu verringern.

[] in Stein gemeißelt, Mehrwortausdruck

unveränderlich, fest, abschließend entschieden

Am 16. Oktober 1843 spazierte der irische Mathematiker William Rowan Hamilton durch Dublin, als ihm plötzlich die zündende Idee zu einem Problem kam, an dem er schon jahrelang gearbeitet hatte. Besorgt, dass ihm die Idee gleich wieder entfleuchen würde, ritzte er seine Erkenntnis – eine Formel für die Multiplikation von „Quaternionen“ – in Ermangelung von Stift und Papier kurzerhand in die steinerne Broom Bridge. Auch wenn diese Formel das mathematische Verständnis des gemeinen Lexikografen übersteigt, spielte die Entdeckung der Quaternionen bei der weiteren Entwicklung der modernen Algebra eine große Rolle. Quaternionen finden bis heute Anwendung bei der Berechnung der Rotation fester Körper und werden daher z. B. bei der Satellitensteuerung, aber auch bei der Programmierung von Computerspielen eingesetzt.

[] Taikonaut, der

Raumfahrer einer chinesischen Weltraummission

Am 15. Oktober 2003 startete die erste bemannte Raumfahrtmission der Volksrepublik China. An Bord befand sich der Taikonaut Yang Liwei. Doch was hat es eigentlich mit dem Begriff „Taikonaut“ auf sich? Astro- und Kosmonauten haben zumindest sprachlich griechische Wurzeln: „ástron (ἄστρον)“ ‚Gestirn, Stern‘ bzw. „kósmos (κόσμος)“ ‚Kosmos‘ + „nautēs (ναύτης)“ ‚Schiffer, Seefahrer‘. Das Kunstwort „Taikonaut“ verbindet das chinesische „tàikōng (太空)“ ‚Weltraum, Kosmos‘, wörtlich ‚große Leere‘, mit dem bereits erwähnten griechischen „nautēs“. Entgegen landläufiger Annahmen wird der Begriff jedoch hauptsächlich von westlichen Medien gebraucht, in China selbst ist er kaum gebräuchlich, stattdessen wird das offiziellere „yǔhángyuán (宇航员)“ ‚Raumfahrer‘ verwendet. In China ansässige englischsprachige Medien bezeichnen chinesische Raumfahrer als „astronauts“.

[] Aufarbeitung, die

gründliche, systematische Untersuchung, Erforschung (von etw. Vergangenem), um Klarheit darüber zu gewinnen; das geistige und seelische Verarbeiten eines zurückliegenden Geschehens; das Aufgearbeitetwerden (eines vergangenen Geschehens)

Die aus jüdischen Häftlingen der Arbeitskommandos bestehende Widerstandsorganisation im Mordlager Sobibor hatte unter Einsatz ihres Lebens diesen Tag vorbereitet, Waffen besorgt, Abläufe koordiniert: Am 14.10.1943 um 16 Uhr brach der Aufstand los. Zehn SS-Angehörige und zwei Volksdeutsche der Wachmannschaft wurden getötet, die Absperrung des Lagers wurde durchbrochen. Über 300 Frauen und Männern gelang die Flucht, zahlreiche Flüchtende wurden jedoch von Kräften der Schutzpolizei, Wehrmacht und des Zollgrenzschutzes aufgegriffen und ermordet. Wenigen gelang es, sich zu verstecken, sich den Partisanen oder der Roten Armee anzuschließen. Die genaue Zahl der Aufständischen, die das Kriegsende erlebten, ist nicht abschließend festzustellen. Doch viele legten Zeugnis ab, um dieses wichtige Kapitel des mutigen jüdischen Widerstands nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

[] ankurbeln, Verb

übertragen: beleben, beschleunigen; in Schwung bringen

Mit der propagandistisch verbreiteten Mitteilung darüber, dass der Hauer Adolf Hennecke am 13.10.1948 seine Tagesnorm um über 380 Prozent übertroffen hatte, begann die Ära der sogenannten Aktivistenbewegung in der Sowjetischen Besatzungszone. Um die realsozialistische Planwirtschaft anzukurbeln, wurden mit dieser Masseninitiative Betriebsleitungen angehalten, gegen sogenanntes Bummelantentum vorzugehen, die Werktätigen zum sozialistischen Wettbewerb, zur Übererfüllung der vorgegebenen Arbeitsnormen zu motivieren, kurz: zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im Land beizutragen. Im Rahmen der angestrebten Planerfüllung wurden später auch Aktivistenbrigaden, und -kollektive als Vorbilder propagiert sowie weitere Kampagnen, z. B. die Neuerer-Bewegung oder die Rationalisatoren- und Erfinderbewegung, ins Leben gerufen.

[] Emigrantenkreis, der

Gruppe von aus der Heimat ausgewanderten oder geflohenen Personen, die meist derselben Nationalität angehören

Die heute vor 85 Jahren in Frankreich erschienene Erstausgabe der deutschsprachigen Wochenzeitung „Die Zukunft“ erfuhr in Emigrantenkreisen großen Zuspruch. Die Redaktion (wohlgemerkt: nicht „Schriftleitung“) stützte sich auf ein Netzwerk international renommierter antifaschistischer Autoren, die aus Deutschland emigriert waren, u. a. Franz Werfel, Joseph Roth, Erika und Klaus sowie Heinrich Mann, Alfred Döblin und Stefan Zweig. Als Presseorgan für „Ein Neues Deutschland: Ein neues Europa“ und als „Journal Anti-Hitlérien“ vertrat „Die Zukunft“ die gesamte Bandbreite der Anti-Hitler-Opposition und zeichnete sich mehrheitlich durch ihre antistalinistische Haltung aus. Ein zentraler Themenschwerpunkt der Zeitschrift war die Diskussion über ein vereintes Europa und das befreite freiheitlich-sozialistische Deutschland nach Hitlers Sturz. Angesichts der Offensive der Wehrmacht gegen Frankreich und die Benelux-Staaten im Mai 1940 stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein.

[] Reformation, die

historisch: Erneuerungsbewegung innerhalb des westlichen Christentums im 16. Jahrhundert, die zur Abspaltung von der katholischen Konfession und zur Bildung der protestantischen Kirchen führte sowie umfassende und weitreichende Auswirkungen in den verschiedensten Lebensbereichen nach sich zog

„Ein Christ syn ist nit schwätzen von Christo, sundern wandlen, wie er gewandlet hat.“ Mit diesen Worten prangert der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli den moralischen Verfall innerhalb der katholischen Kirche an. Parallel zu Martin Luther in Wittenberg treibt er in Zürich reformatorische Ideen voran und fordert eine Rückkehr zu den biblischen Wurzeln des Christentums sowie eine Reform der Kirche und der Gesellschaft. Seine Überzeugung breitet sich schnell auf andere Kantone aus, was jedoch zu Feindseligkeiten und Bürgerkriegen zwischen katholischen und protestantischen Kantonen führt, denen auch Zwingli zum Opfer fällt. Sein Tod am 11. Oktober 1531 markierte das Ende seines Kampfes für die Reformation, seine Bemühungen hatten jedoch weitreichende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der evangelisch-reformierten Konfession in der Schweiz.

[] kontrovers, Adj.

bildungssprachlich: umstritten, gegensätzliche Meinungen hervorrufend

Seit 2003 wird am 10.10. der Internationale und Europäische Tag gegen die Todesstrafe begangen. Der von der Weltkoalition gegen die Todesstrafe initiierte Aktionstag setzt sich die weltweite Abschaffung der Todesstrafe zum Ziel. Trotz großer Erfolge der Organisation vollstreckten 2022 immer noch 20 Staaten Todesurteile und auch die Zahl der Hinrichtungen stieg in den letzten Jahren wieder an. Gleichzeitig ist die Todesstrafe aber in 112 Staaten bereits für alle Straftaten abgeschafft, Tendenz steigend. Die Todesstrafe ist nach wie vor ein kontroverses Thema, das aufgrund von Justizirrtümern, bewusstem Missbrauch und der Verletzung der unantastbaren Menschenwürde – nicht nur heute – scharf kritisiert wird.

[] Tausendsassa, der

vielseitig begabter, geschickter, tüchtiger, mitunter auch eigenwilliger, unkonventioneller Mensch

Heute vor 130 Jahren wurde einer der prägendsten deutschen Charakterdarsteller des 20. Jahrhunderts geboren. Bodenständig und facettenreich, so lässt sich das Spiel des großen Mimen von wuchtiger Statur, Kraft und Stimme umreißen. Heinrich George prägte das Kino der Weimarer Zeit, z. B. als Wächter der Herzmaschine im Stummfilm „Metropolis“. Unvergessen sein Franz Biberkopf in der Romanverfilmung „Berlin Alexanderplatz“. Auch am Theater hinterließ George Spuren – in Stücken von Gorki und Brecht, bei Erwin Piscator im „proletarischen Theater“, nicht zu vergessen in der Rolle des goetheschen Götz von Berlichingen. Dass er sich ab 1933 mit dem NS-Regime nicht nur arrangierte, sondern als „Staatsschauspieler“ und „Gottbegnadeter“ an mehreren, heute u. a. zu den sogenannten Tendenz- und Vorbehaltsfilmen zählenden Propagandastreifen mitwirkte und 1946 im Speziallager Sachsenhausen starb, ist die andere, traurig stimmende Seite der Medaille.

[] umwidmen, Verb

einer anderen (öffentlichen) Nutzung, Bestimmung zuführen

Auf den Tag genau 100 Jahre ist es her, dass der „Flughafen Tempelhofer Feld“ eröffnet wurde. An diesem Ort spiegeln sich auf einzigartige Weise die Ereignisse und Brüche des 20. Jahrhunderts wider. In den 1930er Jahren trieben die Nationalsozialisten den Ausbau des Flughafens voran, Tempelhof wurde Schauplatz propagandistischer Großveranstaltungen – in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Gestapo-Gefängnis und einem Konzentrationslager. Wurden hier während des Krieges Menschen zur Zwangsarbeit genötigt, avancierte der Flughafen 1948–1949 zum Freiheitssymbol – die Berliner Luftbrücke wäre ohne den Flughafen mit der IATA-Kennung THF nicht denkbar. Einer Hochphase als Verkehrsflughafen folgte ein allmählicher Bedeutungsverlust, 2008 wurde der Flugbetrieb endgültig eingestellt. Seit 2010 steht das Tempelhofer Feld als öffentliche Freizeitfläche Einwohnern und Gästen Berlins von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang offen.

[] Aberglaube, der

Glaube an die Wahrnehmung und Wirkung übernatürlicher Kräfte, Irrglaube

Verlassen Sie am 13. des Monats lieber nicht das Haus, wenn er auf einen Freitag fällt? Haben Sie ein ungutes Gefühl, wenn Sie einer schwarzen Katze begegnen? Klopfen Sie auf Holz, um drohendes Unglück abzuwenden? Der Glaube an Magisches und Dämonisches ist alt und universell; Talismane und Amulette finden sich schon weit vor unserer Zeitrechnung in verschiedenen Kulturen. Das Wort „Aberglaube“ ist erst seit dem Spätmittelalter geläufig. „Aber“ als erster Bestandteil des Kompositums bewirkt durch seine wiederholende Wirkung (zu sehen z. B. in „abertausend“ und „abermals“) eine Bedeutungsverkehrung des Grundworts. Deshalb können wir „Aberglaube“ auch als ‚Irrglaube‘ (wie auch „Abersinn/Aberwitz“ als ‚Widersinn/Irrsinn‘) verstehen. Aus psychologischer Sicht ist die menschliche Neigung zum Aberglauben jedoch nachvollziehbar; gibt er doch manchen ein Gefühl von Kontrolle und tieferer Bedeutung.

[] Empathie, die

Fähigkeit, die Gefühle, Gedanken und Motive eines anderen Wesens zu erkennen; Fähigkeit, die Gefühle eines anderen Wesens nachzuempfinden

Stellen Sie sich vor, es steht eine wichtige politische Wahl an. Im Vorfeld sprechen Sie mit Menschen in Ihrem Umfeld, unter anderem darüber, welche Partei man wohl wählen sollte. Nun geraten Sie mit einem Freund in einen hartnäckigen Streit, da er eine Partei bevorzugt, mit deren Programm Sie nicht übereinstimmen. Die Frage nach der Strategie (Partei und Programm) führt zu Konflikten; die Frage nach den zugrunde liegenden Bedürfnissen (Sicherheit, Selbstbestimmung, Zugehörigkeit) verbindet wiederum, sie kann die Empathie unseres Gegenübers entfachen. Empathie ist ein grundlegender Baustein der Gewaltfreien Kommunikation. Dieses Handlungskonzept für wertschätzende Kommunikation und friedliche Konfliktlösung entwickelte der Psychologe Marshall B. Rosenberg, der am 6.10.1934 in Ohio geboren wurde. Ihm zu Ehren findet zu diesem Datum der Tag der Gewaltfreien Kommunikation statt.

[] aus der Traum, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: es besteht keine Hoffnung mehr, ein früher gesetztes Ziel zu erreichen

Die Geschichte ist voll von Mächten, die ihre Ausdehnung der Zerstrittenheit ihrer Nachbarn verdanken, gegen die vereint sie eigentlich keine Chance gehabt hätten. So eroberte Rom z. B. nacheinander die etruskischen Stadtstaaten, und so nahmen die weißen Siedler der jungen USA um 1800 stetig mehr Indianergebiet ein. Der charismatische, strategisch und rhetorisch brillante Stammesführer Tecumseh erkannte die Gefahr und versuchte, die Stämme gegen den gemeinsamen Gegner zu vereinen. Doch trotz zahlreicher nicht nur kleinerer Erfolge blieb ihm der große Durchbruch verwehrt. Heute vor 210 Jahren starb er, von seinen britischen Alliierten im Stich gelassen, im Kampf und mit ihm die letzte Gelegenheit auf erfolgreichen Widerstand gegen die Landnahme.

[] gleichschalten, Verb

(alle Ebenen des öffentlichen Lebens) durch Zwangsmaßnahmen der nationalsozialistischen Ideologie, deren Weltanschauung, Führerprinzip usw. unterordnen, unterwerfen

Als heute vor 90 Jahren in Deutschland das sogenannte Schriftleitergesetz verabschiedet wurde, waren bereits seit Februar 1933 die Presseorgane linker Parteien verboten. Das neue Gesetz sollte ab dem 1. Januar 1934 zu einem Instrument der Medienkontrolle gegen die bürgerliche Presse werden und die Presselandschaft in Deutschland einschneidend verändern. Bereits in der Wortwahl war der Gesinnungswandel ablesbar – aus „Redakteuren“ wurden „Schriftleiter“, „Chefredakteure“ waren von nun an „Hauptschriftleiter“. Fürderhin durften in Deutschland nur noch linientreue Reichsdeutsche mit sog. „Ariernachweis“ als Journalisten tätig sein, Berufsgerichte sprachen Berufsverbote aus – das Pressewesen war auf Linie gebracht. Heute legt Artikel 5 des Grundgesetzes fest, dass die Freiheit der Berichterstattung keiner staatlichen Kontrolle unterliegt.

[] Oktober, der

zehnter Monat des Jahres

Septem, octō, novem, decem: Wenn man die lateinischen Zahlen von sieben bis zehn mit den Monatsnamen September bis Dezember vergleicht, erkennt man sofort den Zusammenhang – und wundert sich, dass zum Beispiel im gerade begonnenen zehnten Monat unseres Jahres die Acht steckt. Viele wissen, dass dies auf die Verlegung des Jahresanfangs im römischen Mondkalender vom 1. März auf den 1. Januar zurückgeht. Viele glauben zu wissen, dass diese Initiative von Cäsar ausging; tatsächlich fand jene Kalenderreform jedoch schon im 2. Jahrhundert v. Chr., etwa 50 Jahre vor seiner Geburt, statt. Julius (wieder ein Monat!) verdanken wir aber die Monatslängen nach dem Sonnenjahr.

[] Sturm läuten, Mehrwortausdruck

wiederholt oder langandauernd an einer Wohnungs- oder Haustür klingeln; oft übertragen: laut und lange Zeit erklingen, um andere zu warnen oder große Aufmerksamkeit zu erregen

Wer heutzutage „Sturm läutet“ (oder klingelt), hat mit Sicherheit ein drängendes Anliegen. Der historische Ursprung dieser Wendung allerdings ist weit dramatischer, steht diese doch verkürzt für: „die Sturmglocke läuten“. Wie in moderner Zeit die Sirenen, so warnten früher Sturmglocken vor Feuer und feindlichen Angriffen, nachzulesen auch in einer erschütternden Passage in Friedrich Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, der verzweifelten Verteidigung von Magdeburg, Mai 1631: „Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feind entgegen.“

[] ungefähr, Adj.

annähernd, schätzungsweise

Vor genau einem Jahr erhöhte die Bundesregierung den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde, also der EU-Richtlinie entsprechend auf „ungefähr 60 Prozent des Medianlohns in Deutschland“. „Ungefähr“: Der Ausdruck wirft – mehr als seine Synonyme „annähernd“ und „schätzungsweise“ – Fragen nach seiner Herkunft auf. Tatsächlich geht er zurück auf mittelhochdeutsch „āne gevære“ (‚ohne Hinterlist, ohne böse Absicht‘); es existiert eine Verwandtschaft mit „ungefährlich“. Ausgangspunkt für die heute geläufige Bedeutung von „ungefähr“ waren entsprechende Anmerkungen bei Zahlen- und Maßangaben im Rechtsverkehr des 15. Jahrhunderts; mögliche kleine Abweichungen sollten damit als ‚nicht vorsätzlich‘ gekennzeichnet werden. Wie genau (oder ungefähr) der Mindestlohn nach seiner nächsten Erhöhung noch der EU-Richtlinie entsprechen wird, können wir im Januar 2024 nachrechnen.

[] Dragoman, der

(oft einheimischer) Übersetzer oder Dolmetscher

Heute ist der Internationale Übersetzertag. Auch wenn Mehrsprachigkeit weltweit ziemlich verbreitet ist und manche Polyglotten gar dutzende Sprachen beherrschen, macht die schiere Anzahl verschiedener Idiome es dennoch nötig, zwischen ihnen zu vermitteln – mündlich, schriftlich, neuerdings auch per Computer. Wie uralt dieser Job ist, zeigt ein wundervolles, heute fast vergessenes Wort: „Dragoman“, ein Dolmetscher, zugleich oft Fremdenführer im Nahen Osten. Das über das Arabische und viele Zwischenstationen nach Europa gekommene Wort ist womöglich das letzte Überbleibsel der altanatolischen Sprachen: Hethitisch „tarkummāe-“ (vielleicht eine Zusammensetzung aus den Verben ‚sagen‘ und ‚verkünden‘) bedeutet ‚übersetzen‘.

[] Gewerkschaftschef, der

umgangssprachlich: Vorsitzender einer Gewerkschaft

Heute feiert Lech Wałęsa seinen 80. Geburtstag. Zehn Jahre, nachdem er bei blutig niedergeschlagenen Streiks erstmals in Konflikt mit der Staatsmacht des sozialistischen Polen geraten war, wurde der Elektriker auf einer Danziger Werft 1980 zu einem der Anführer erneuter Streiks. Diese führten als Zugeständnis der Regierung zur Gründung der ersten unabhängigen Gewerkschaft „Solidarität“ (Solidarność), deren Vorsitzender Wałęsa wurde. Damit begann die Erosion des exklusiven Machtanspruchs der Kommunistischen Partei, die zehn Jahre später zur Wende in Osteuropa beitrug. 1990 wurde Wałęsa zum ersten Präsidenten des neuen Polen. Unter anderem weil er sich für einen friedlichen Übergang mit Amnestien eingesetzt hatte, wurde der Friedensnobelpreisträger (1983) aber auch zu einem Hassobjekt der politischen Rechten, die ihn als „Geheimdienst-IM“ verleumdet.

[] Transparenz, die

übertragen: Durchschaubarkeit, Nachvollziehbarkeit

Im Jahr 2015 erklärte die UNESCO den 28. September durch eine Resolution zum Internationalen Tag des allgemeinen Informationszugangs. Damit soll an Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnert werden: Alle Menschen haben das generelle Recht auf freien Zugang zu amtlichen Informationen. Die Realität ist häufig eine andere – neben der Beschneidung der Medienfreiheit steht vor allem mangelnde Transparenz der öffentlichen Verwaltung im Fokus des heutigen Tages. Im Jahr 2006 trat in der Schweiz das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung in Kraft. In Deutschland ist der Zugang zu Informationen auf Bundesebene durch das Informationsfreiheitsgesetz gewährleistet, auf Landesebene gibt es vergleichbare Regelungen. Ein entsprechendes Gesetz für Österreich ist bislang nicht verabschiedet worden.

[] Matthäi am Letzten, Mehrwortausdruck

(wirtschaftlich) am Ende, kaum mehr zu retten; kurz vor dem Aus, vor dem (finanziellen) Ruin; kurz vor dem (Lebens-)Ende, (nahezu) zu spät

„… dann ist Matthäi am Letzen!“ Diese Warnung erscheint uns heute rätselhaft, bedrohlich, geradezu apokalyptisch und ist doch ein großes Missverständnis. Zieht man Luther zurate, dem die Wendung zugeschrieben wird, liest sich alles ungleich harmloser: „Auffs erste / mus man fur allen dingen / die wort wol wissen ... Nemlich / da der Herr Christus spricht Math. am letzten.“ Tatsächlich steht „XY am letzten (Kapitel)“ eben nur verkürzt für das jeweilige letzte Kapitel eines Evangeliums. Luther selbst bezog sich in der bekannten Stelle nur auf das Taufsakrament. Vielleicht geht die moderne Deutung auf das Jesuswort zurück, mit dem das Matthäusevangelium schließt. Doch auch dieses ist eher tröstlich „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“.

[] Großstadtatmosphäre, die

(empfundene) Urbanität bzw. das Besondere, das eine Großstadt ausmacht, sie von kleineren Städten oder dem ländlichen Raum unterscheidet

Mit seinem unverkennbaren Stil vermag der amerikanische Komponist George Gershwin das aufstrebende Amerika der 1920er-Jahre und die kulturelle Schmelztiegel-Atmosphäre dieser Ära wie kein anderer einzufangen – so auch in seinem wohl berühmtesten Werk, „Rhapsody in Blue“, in dem er mühelos Jazz, Blues sowie klassische Elemente miteinander verflicht. Das Stück beginnt mit einem sirenenartigen Klarinetten-Glissando, das einen sofort in das lebendige, pulsierende New York dieser Zeit versetzt. Der sich daraufhin entfaltende Klangteppich fängt die Energie und Vielfalt der Metropole durch die mit klassischen Klavierpassagen verwobenen jazzigen Rhythmen ein. Heute vor 125 Jahren wurde Gershwin in New York geboren.

[] Spionage, die

Beschaffung geheimer oder vertraulicher Informationen aus nicht offengelegten Quellen sowie Weitergabe derselben mit dem Ziel, einen militärischen, politischen, wirtschaftlichen o. ä. Vorteil zu erlangen

Als entschiedenem Gegner des Nationalsozialismus eröffnete sich dem am 25. September 1900 geborenen Fritz Kolbe durch seine Position im Auswärtigen Amt eine einmalige Gelegenheit. Überzeugt davon, dass die Befreiung Deutschlands nur von außen erfolgen könne, übermittelte er im Alleingang, angetrieben nur von seinem Gewissen, unter dem Decknamen George Woods mehr als 1.600 geheime militärische und außenpolitische Dokumente an die Amerikaner. Für diese erschienen die Informationen jedoch zu gut, um wahr zu sein; man vermutete einen Doppelagenten. Nach dem Krieg als Verräter gebrandmarkt, wurde Fritz Kolbe zu einem Paradebeispiel für die oft übersehenen Helden, die die ihnen gebührende Anerkennung erst viel zu spät erhalten – in Fritz Kolbes Fall erst 2004.

[] Pfifferling, der

blassgelber bis dottergelber, essbarer Speisepilz mit anfangs gewölbtem, später welligem Hut, der von Juni bis November im Laubwald und Nadelwald vorkommt

Nun, da der Herbst begonnen hat, macht man sich vielerorts auf, um in die Pilze zu gehen; im September beginnt die eigentliche Pilzsaison. Allerdings sind neben Morcheln und Steinpilzen auch die gelb leuchtenden Pfifferlinge schon Monate zuvor in den Wäldern zu finden. Dass der beliebte und kulinarisch vielseitig einsetzbare Pfifferling (seinen Namen hat er übrigens wegen seines leicht pfeffrigen Geschmacks) einst in rauen Mengen verfügbar war, spiegelt sich auch im Ausdruck „keinen Pfifferling wert sein“ wider. Das Überangebot machte ihn nahezu wertlos. Inzwischen hat sich das Bild in den heimischen Wäldern gewandelt. Unter anderem wegen zunehmender Bodentrockenheit ist bereits ein deutlicher Bestandsrückgang zu verzeichnen; in Österreich und Deutschland steht der Pfifferling daher unter Naturschutz.

[] gebärden, Verb

in Gebärdensprache kommunizieren, etw. ausdrücken

Am 23. September wird der Internationale Tag der Gebärdensprachen gefeiert. Ob Deutsche (DGS), Deutschschweizerische (DSGS) oder Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) – weltweit gibt es mehr als 300 verschiedene natürliche Gebärdensprachen. Das Motto des diesjährigen Aktionstags lautet „Eine Welt, in der gehörlose Menschen überall gebärden können!“ Es liegt also an uns, eine Welt zu schaffen, in der gehörlose Menschen als Teil der natürlichen (linguistischen, kulturellen, menschlichen) Vielfalt betrachtet werden und (nationale) Gebärdensprachen überall als Teil (nationaler) Gemeinschaften gefeiert und verwendet werden. Der Initiator des Aktionstages, die World Federation of the Deaf (WFD), setzt sich seit 1951 für die Rechte der mehr als 70 Millionen gehörlosen Menschen weltweit ein und fördert den Erhalt der Gehörlosenkultur und Gebärdensprachen.

[] autofrei, Adj.

durch freiwilligen oder auf Selbstverpflichtung beruhenden Verzicht auf individuellen Besitz bzw. private Nutzung von Personenkraftfahrzeugen gekennzeichnet

Kamen Ihnen die Straßen heute Morgen leerer vor als sonst? Das könnte am „Internationalen Autofreien Tag“ liegen, der jedes Jahr am 22. September stattfindet. Der Aktionstag hat seine Wurzeln in den autofreien Sonntagen der 1970er-Jahre, als Ölkrisen und Umweltbewegungen die Welt aufrüttelten. Heute soll er die Menschen ermutigen, umweltfreundliche(re) Verkehrsmittel auszuprobieren und aktiv zum Klimaschutz beizutragen. Ob Fahrrad, Bus, Bahn oder der Gang zu Fuß – weniger Autos auf den Straßen bedeuten weniger Lärm, Unfälle und geringere Abgasemissionen. Im Fall muskelbetriebener Fortbewegungsmittel fördern sie zudem die eigene Gesundheit. Als Teil der Europäischen Mobilitätswoche beteiligen sich einige Städte in Deutschland, indem sie heute kostenlosen Nahverkehr anbieten.

[] das wahre Gesicht zeigen, Mehrwortausdruck

jmdn. demaskieren, entlarven; die Wahrheit über jmdn. aufzeigen

Am 21.9.1933 begann unter großer internationaler Aufmerksamkeit vor dem Reichsgericht in Leipzig der Reichstagsbrandprozess gegen den Hauptangeklagten Marinus van der Lubbe und vier weitere kommunistische Angeklagte, u. a. Georgi Dimitroff. In den Monaten vor Prozessbeginn waren auf Grundlage der Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ durch die SA provisorische Konzentrationslager zur Inhaftierung zehntausender politischer Gegner eingerichtet worden, sehenden Auges schritt das Land in die Diktatur. Im Laufe des Prozesses entlarvte Georgi Dimitroff als ausgezeichneter Rhetoriker Widersprüche in den Zeugenaussagen der Anklage. So sah sich das Gericht gezwungen, die Angeklagten im Dezember 1933 bis auf van der Lubbe aus Mangel an Beweisen freizusprechen. Im Dezember 2007 wurde Marinus van der Lubbe posthum durch den Generalbundesanwalt rehabilitiert und das Todesurteil als nationalsozialistisches Unrechtsurteil in der Strafrechtspflege aufgehoben.

[] vor einem Rätsel stehen, Mehrwortausdruck

mit etwas Unerklärbarem, Unfassbarem, einem (meist mysteriösen, unerklärlichen) Problem konfrontiert sein; etw. nicht begreifen, lösen können

Vor 60 Jahren boten sich dem deutschen Kinopublikum apokalyptische Bilder auf der Leinwand: Im malerischen Küstenstädtchen Bodega Bay scharen sich plötzlich die Vögel. Sie belagern die örtliche Schule, stürzen auf Menschen herab, hacken auf ihre Köpfe ein, töten. Wer einmal versucht hat, am von Möwen besiedelten Strand von Brighton Pommes zu essen, wird diese Angriffe in Alfred Hitchcocks Klassiker „Die Vögel“ gar nicht so unrealistisch finden. Hitchcock gab jedoch keine Erklärung, was die gefiederten Tiere in seinem Film artenübergreifend so wild macht. Pommes sind es jedenfalls nicht. Dieses Moment des Unbekannten lässt das Szenario umso bedrohlicher wirken. Der „Master of Suspense“ rührt damit an eine Art menschliche Urangst – die Angst vor der unkontrollierbaren Natur. Das Ende bleibt offen.

[] Flibustier, der

vor den Westindischen Inseln agierender Freibeuter

Ahoi! Pirat, Seeräuber, Freibeuter, Bukanier oder eben Flibustier: Es gibt viele (Spezial-)Ausdrücke für die Männer und nicht wenigen Frauen, die das an und für sich überhaupt nicht sympathische, in Bezug auf die Vergangenheit aber romantisch verklärte „Gewerbe“ des Raubüberfalls auf hoher See betrieben. Ein Baustein dieser kulturellen Sicht ist auch der heute begangene internationale Sprich-wie-ein-Pirat-Tag. Anders als zahlreiche andere seltsame internationale Tage begann dieser aber immerhin nicht als Werbegag, sondern als nur zufällig bekannt gewordener Witz zwischen zwei Freunden. Der Autor dieser Zeilen sieht sich als süddeutscher Trockenschwimmer nicht in der Lage, dem Motto glaubhaft zu folgen, vielleicht haben Sie mit Zugriff auf unseren norddeutschen Wortschatz ja mehr Erfolg.

[] Knoten, der

zu einem festen Ganzen verschlungener Teil eines meist dünnen, biegsamen Körpers; Verschlingung mehrerer meist dünner, biegsamer Körper, z. B. Fäden, Bänder, Seile, Tücher

Vor fünf Jahren rief die Internationale Gilde der Knotenmacher den Weltknotentag ins Leben, der inzwischen jährlich am 18. September stattfindet. In wie vielen Bereichen des Lebens Knoten im Einsatz sind, zeigt schon die personelle Zusammensetzung der Gilde; ihre Mitglieder kommen aus der Seefahrt, der Kunst, der Medizin, dem Sport, der Landwirtschaft, … Schon seit etwa 500.000 Jahren nutzt der Mensch Knoten. Für die verschiedenen Zwecke kann in hunderten Varianten geschlungen, geschnürt und geschürzt werden; gut möglich, dass noch weitere, bisher nicht dokumentierte Techniken existier(t)en. Und apropos (um)schlingen und schürzen: Der „Knoten“ ist etymologisch verwandt mit dem Verb „knutschen“.

[] sein Wort brechen, Mehrwortausdruck

ein (mündlich gegebenes) Versprechen nicht erfüllen, eine Zusage nicht einhalten; wortbrüchig werden

Im Herbst 1923 wurde das industriell geprägte Lörrach zum Schauplatz eines dramatischen Arbeiteraufstands. Eine Verdreifachung ihres Stundenlohns fordernd, zogen am 14.9. etwa 2000 Arbeiter vor die Werktore. Immer mehr Werktätige schlossen sich ihnen an und erzwangen durch einen Generalstreik Verhandlungen mit den Unternehmern. Auf die zäh errungene Einigung folgte kurz darauf der Wortbruch: In der Nacht zum 17.9. kündigte die Arbeitgeberseite förmlich sämtliche Vereinbarungen auf, die Schutzpolizei besetzte den Ort, denn laut Befehlslage seien „Lohndifferenzen zu erwarten“. Vom 18. bis 25.9. folgte der Ausnahmezustand, in den gewaltsamen Ausschreitungen starben drei Menschen, zahlreiche wurden verletzt sowie Geiseln genommen und misshandelt. Erst nach erneutem Verhandeln wurde der anfängliche Kompromiss unter der Bedingung angenommen, die Schutzpolizei solle bei Wiederaufnahme der Arbeit abziehen.

[] proper, Adj.

äußerlich ordentlich, sauber (und so das Wohlgefallen anderer bewirkend)

Wer kennt ihn nicht: jenen Kahlkopf mit Ohrring auf der Flasche für Haushaltsreiniger, der dafür sorgen soll, dass man sich nicht nur in dessen Glatze, sondern angeblich auch in der Küche spiegeln kann. Diese Werbefigur hat, was weniger bekannt ist, nebenbei unseren Wortschatz (etwas) aufpoliert. Als Procter & Gamble ihren Flüssigreiniger Anfang der 1960er Jahre in der BRD einführten, griffen die Werbestrategen anstelle von „Mr. Clean“ auf das eher wenig verbreitete „proper“ zurück, eine in Berlin geläufige Verballhornung von frz. „propre“. Unzählige Werbespots und -slogans später hatte sich das Adjektiv endgültig im Allgemeinwortschatz festgesetzt. Übrigens: Falls Sie „proper“ (wie so viele) regelwidrig mit Doppel-p geschrieben haben sollten, befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Auch in Döblins „Berlin Alexanderplatz“ liest man’s so.

[] Schlüsselmoment, der

für eine bestimmte Entwicklung (im Rückblick darauf) entscheidender Augenblick

Heute vor 150 Jahren wurde Otto Wels geboren. Das Leben dieses SPD-Politikers war geprägt von den politischen Wirren der Zwischenkriegszeit. Wels positionierte sich Anfang der 1930er Jahre vehement gegen den Vormarsch der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Ein beeindruckendes Zeitzeugnis aus jenen Tagen ist seine letzte Rede vor dem Reichstag am 23. März 1933, in der er dem Nationalsozialismus im Namen der gesamten SPD-Fraktion eine Absage erteilt. Seine Worte „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ markieren das Ende der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Einen Tag später wurde mit der Inkraftsetzung des Ermächtigungsgesetzes die Gewaltenteilung aufgehoben und damit die demokratische Staatsordnung abgeschafft. Wels wird in die Emigration gezwungen, im August 1933 ausgebürgert und stirbt 1939 im Pariser Exil.

[] Probealarm, der

Gefahrenwarnung, die nicht aus Anlass einer akuten Gefahr, sondern zum Testen des Warnsystems erfolgt

„Ad arma!“ – ‚Zu den Waffen!‘, riefen die Römer, wenn sich der Feind näherte, „all'arme!“ die Italiener und „al’arme!“ die Franzosen. Im Deutschen wurde daraus spätestens im Frühneuhochdeutschen der „Allarm“ bzw. „Alarm“. Doch spielte bei der Entlehnung – durchaus passend – auch das Wort „Lärm“ mit hinein, entsprechend sind auch Formen wie „allerm“ überliefert. Daher behielt das Wort die Bedeutung ‚großer Krach‘ (eben nicht zwangsläufig als Warnung) noch eine Zeitlang bei. Später kamen für den „Fehlalarm“ der „blinde Alarm“ und seitdem auf nicht immer funktionierende technische Mittel zurückgegriffen wird, der „Probealarm“. Ein solcher findet heute bundesweit ab 11:00 Uhr statt.

[] überleben, Verb

etw. (Schweres, Gefahrvolles) lebend überstehen

Der Eisenbahnarbeiter Phineas Gage ist während einer Sprengung bei Cavendish, Vermont, für einen kurzen Augenblick abgelenkt. In dem Moment schießt ihm eine Eisenstange von unten durch den Schädel und durchbohrt dabei den präfrontalen Kortex. Noch heute ist von dem Unfall, der sich am 13. September 1848 ereignete, in Lehrbüchern der Medizin, Psychologie und Neurowissenschaften zu lesen. Warum? Gage überlebte. Mehr noch: Er war nach kurzer Zeit (abgesehen von einem zerstörten Auge) körperlich regeneriert; seine motorischen und intellektuellen Fähigkeiten wurden durch die Verletzung erstaunlicherweise nicht beeinträchtigt. Er legte jedoch plötzlich ein für ihn untypisches Verhalten an den Tag, war ungehemmt, impulsiv, kindisch. Phineas Gage schien nicht mehr derselbe zu sein. Der bemerkenswerte Fall sollte die Hirnforschung, insbesondere die Hirnkartierung, nachhaltig beeinflussen.

[] über den Jordan gehen, Mehrwortausdruck

salopp: sterben

„I'm just going over Jordan / I'm just going over home“, sang Country-Legende Johnny Cash im Jahre 2000. Es war die Neuinterpretation des alten amerikanischen Volksliedes „(The) Wayfaring Stranger“, die er für den dritten Teil seiner legendären Albenreihe „American Recordings“ aufnahm – mit gebrochener, alter Stimme und voller Weltschmerz. Über den Jordan gehen, heimkehren, sterben: Die Redewendung mit heutzutage eher salopper Färbung ist christlich-jüdischen Ursprungs. Die alten Israeliten überquerten den Jordan von der Wüste aus, um in das Gelobte Land einzuziehen. In der späteren geistlichen Literatur wurde dieser Übergang als Eintritt in das Reich Gottes ausgedeutet, das Leben nach dem Tod. Heute vor 20 Jahren starb Johnny Cash, nur wenige Monate nach seiner Frau, mit der er 35 Jahre verheiratet war.

[] behost, part. Adj.

Hosen tragend

Für die Septemberausgabe der US-amerikanischen Vogue ließ Marlene Dietrich sich 1933 als eine der ersten Frauen im Hosenanzug ablichten. Heute – zumindest in unseren Breiten – kaum vorstellbar, dass das einst skandalös war. Der Anzug war lange dem arbeitenden Mann vorbehalten; dass Frauen nun den Zweiteiler trugen, galt als geradezu vermessen. Wenngleich die Dietrich und andere Vorreiterinnen mit ihrer Kleiderwahl schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorherrschende Geschlechternormen durchbrachen, sollte es noch eine ganze Weile dauern, bis das emanzipatorische Outfit gesellschaftsfähig wurde. „Die erste Hose am Pult!“, ertönte es 1970 im Bundestag, als Lenelotte von Bothmer als erste Abgeordnete im Hosenanzug ans Rednerpult trat. Andere Politikerinnen wie Angela Merkel oder Hillary Clinton präsentierten sich später ebenfalls demonstrativ in der ursprünglichen Männerkleidung.

[] mitten ins Herz treffen, Mehrwortausdruck

emotional tief berühren; kränken, verletzten; tief erschüttern; demoralisieren, entmutigen

„Ich wollte, meine Seele entflöge zum Himmel durch eine ganz kleine Öffnung des Herzens“, schrieb Kaiserin Elisabeth von Österreich einst. Ohne es zu wissen, erfüllte ein italienischer Anarchist der lebensmüden Sisi diesen Wunsch. Am 10. September 1898 lauert Luigi Lucheni der Monarchin während eines Aufenthalts am Genfersee vor einer Schiffsanlegestelle auf und sticht ihr mit einer scharf geschliffenen Feile in die Brust. Die zu Boden gegangene Elisabeth – im Glauben, der Angreifer hätte ihr lediglich einen Schlag mit der Faust versetzt – erhebt sich wieder und begibt sich an Bord der „Genève“. Kurz nach dem Ablegen bricht sie zusammen, eine Stunde später ist sie tot. Lucheni hatte mit der Tatwaffe die linke Herzkammer durchbohrt. Ganz Europa war entsetzt und Kaiser Franz Joseph vom Tod seiner Sisi zutiefst erschüttert.

[] Floskel, die

formelhafte Redensart, Äußerung; nichtssagende oder inhaltsarme Äußerung, leere Worte

Nützt ja nix. Wird schon. So sieht’s aus. Floskeln begegnen uns ständig. Eigentlich inhaltsleer, erfüllen sie doch einen kommunikativen Zweck, drücken z. B. Höflichkeit oder Mitgefühl aus, mehr oder weniger gelungen. Neben solchen Redewendungen existieren auch weniger auffällige Varianten: Denken Sie nur an die „gegebenen Umstände“ (Umstände sind immer gegeben), die „aufgestellten Regeln“ (es wären keine Regeln, hätte sie nicht jemand aufgestellt) oder die „schwere Verwüstung“ (leichte Verwüstungen gibt es nicht). Maximal als Stilmittel zur Betonung können sich die Adjektive und Adverbien in diesen Fällen legitimieren. Das stilisierende Element, die Zierde, trägt die „Floskel“ schon im Namen; ihr Ursprung liegt im lat. „flōsculus“ (‚Blümchen, Zierde, exzerpierter Sinnspruch‘), dem Diminutiv von „flōs“ (‚Blume, Blüte‘).

[] Peilung, die

das Bestimmen einer Richtung, der Entfernung, Höhe oder Tiefe oder eines Standorts mit Hilfe von Funk, Radar, Sicht, Kompass o. Ä.

Kriegsschiffe müssen Gefechte aushalten, doch darüber hinaus haben sie auch einen allen gemeinsamen Feind: die Elemente. So gingen immer wieder auch Marineeinheiten ohne einen Schuss verloren; besonders in Kriegszeiten, wo Hast, Dunkelheit, militärisch gebotene Funkstille z. B. zur sarkastisch „Schlacht bei der Insel May“ genannten Kollision zahlreicher britischer U-Boote und Kreuzer Anfang 1918 führten. Aber auch im Frieden konnten solche tragischen Vorfälle geschehen, so heute vor genau 100 Jahren beim Kap Honda Point vor Kalifornien, als ein Verband US-amerikanischer Zerstörer durch einen Navigationsfehler zu früh Richtung Küste eindrehte. In dichtem Nebel liefen 9 Zerstörer auf Grund und sanken teilweise, 23 Seeleute kamen ums Leben.

[] Diskokugel, die

mit vielen kleinen Spiegeln beklebte und in der Regel an der Decke aufgehängte Kugel, die beim Drehen durch die Reflexion von Licht ein sich bewegendes Muster von Lichtpunkten an die Decke, die Wand oder auf den Boden wirft

Heute können wir Gloria Gaynor zum 80. Geburtstag gratulieren. Die US-Amerikanerin wurde als Disco-Sängerin bekannt, und das nicht nur in Bezug auf ihren Musikstil, sondern auch wörtlich: Gaynor kann nur relativ wenige Hits in den Charts vorweisen. Ihre Songs wurden dennoch populär, denn sie wurden vor allem auf den Tanzflächen gespielt, wo sie ihre volle Wirkung entfalten. So geschah es auch mit ihrem größten Single-Erfolg „I will survive“, der eigentlich nur die B-Seite einer anderen Single war, aber von den DJs bevorzugt wurde. Mit ihrem zweiten wohlbekannten Lied, der Disco-Adaption des Musicallieds „I am what I am“, wurde die gläubige Christin mehr oder weniger unfreiwillig zu einer Ikone der Schwulen- bzw. Travestie-Bewegung.

[] wer zuerst kommt, mahlt zuerst, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: der zuerst Kommende hat das Vorrecht; wer als Erster, wer früh da ist, wird zuerst berücksichtigt

Wohl nur wenige stehen heutzutage mit einem Sack Weizen auf den Schultern vor der Mühle. Gleichwohl wird das beliebte Rechtssprichwort von jenem, der zuerst mahlen darf, kreativ auf alle möglichen Streitfälle angewandt. Weniger bekannt ist, dass es im Sachsenspiegel (um 1220–1235), dem wir den Spruch verdanken, schon damals um etwas anderes ging: den auch zu jener Zeit von Dränglern, Rechthabern und Prozesshanseln beherrschten Straßenverkehr. „Welcher Wagen zuerst auf die Brücke kommt, der soll zuerst darüber fahren, er sei leer oder beladen. (Denn) wer zuerst zur Mühle kommt, der soll zuerst mahlen.“ Das Prinzip gilt in Teilen bis heute, wie man in der StVO § 12 in etwas prosaischer Form nachlesen kann: „An einer Parklücke hat Vorrang, wer sie zuerst unmittelbar erreicht (...)“.

[] Sorbisch, das

in der Lausitz beheimatete Sprache aus dem westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Neben den Dänen, den Sinti und Roma sowie den Friesen gibt es eine weitere autochthone Minderheit in Deutschland: die Sorben in Brandenburg und Sachsen. Ihre Sprachen Niedersorbisch um Cottbus und Obersorbisch um Bautzen sind die letzten Überbleibsel des früher überall zwischen Elbe und Oder gesprochenen Slawisch. Sie stehen unter starkem Druck des Deutschen, heute aus wirtschaftlichen Gründen, im Zweiten und Dritten Reich gab es aber darüber hinaus staatliche Maßnahmen zur Assimilation der Sorben. Dem stellte sich neben vielen anderen der evangelische Pfarrer Bogumił Šwjela, geboren heute vor 150 Jahren, entgegen. Er war Mitbegründer des Dachverbands Domowina und knickte auch vor den Repressalien der Nazis nicht ein. Das Wiedererstehen des sorbischen Kulturlebens nach 1945 konnte er noch erleben.

[] googeln, Verb

einen Namen oder Begriff mit einer Suchmaschine im Internet suchen

Hand aufs Herz: Als Sie zuletzt etwas mit einer Suchmaschine im Internet gesucht (und hoffentlich gefunden) haben, haben Sie das dann „mit einer Suchmaschine im Internet suchen“ genannt oder eher „googeln“? Als das Unternehmen Google Inc. heute vor 25 Jahren in einer Garage gegründet gegründet wurde, hätte man nicht gedacht, dass seine gleichnamige Suchmaschine, benannt nach der der Mathematik entlehnten Urschöpfung Googol (10¹⁰⁰), nicht nur die damaligen Platzhirsche des Marktes verdrängen, sondern auch Basis und Kern eines Multimilliarden-Konzerns werden würde. Doch es geschah so, und die Suche per Google wurde so dominant, dass „googeln“ zum generischen Ausdruck für die Tätigkeit an sich wurde – obwohl es heute wieder zahlreiche andere, oft auf besondere Vorlieben zugeschnittene Suchmaschinen gibt.

[] Müßiggang ist aller Laster Anfang, Mehrwortausdruck

Faulheit, Nichtstun führt zu Übel, verleitet zu verwerflichem Verhalten

„Die ihr die Niedern so verachtet, / Vornehme Müßiggänger! … Wißt, daß Euer Vorzug (= Wohlstand) … auf ihrem Fleiß gegründet ist.“ So schimpfte einst Gellert. Müßiggänger haben damals wie heute keinen guten Ruf, steht doch der Müßiggang sprichwörtlich am Anfang aller Laster. Und doch bezog sich der Ausdruck, wie das Zitat zeigt, ursprünglich nicht zwangsläufig auf den Faulpelz. Verwandt ist „müßig“ mit „müssen“. Und das zugrundeliegende althochdeutsche „muoʒan“ bedeutete nicht ‚gezwungen sein‘, sondern ‚können, mögen, dürfen‘ (bzw. ‚über Besitz, Raum, Zeit, Gelegenheit verfügen‘). Ein Müßiggänger war also vor allem so begütert, dass er für seinen Lebensunterhalt nicht arbeiten musste.

[] Philippika, die

veraltend: heftige, leidenschaftliche Strafrede

Die Philippika hat – oft als Schimpftirade oder Kapuzinerpredigt geschmäht – heute keinen besonders guten Ruf. Dabei gerät leicht aus dem Blickfeld, dass die historischen „Philippiken“ aus einer existenziellen Notlage heraus entstanden, dass sie einst den letzten Versuch darstellten, die Demokratie zu retten. Am 2. September 44 v. Chr. stemmte sich Marcus Tullius Cicero mit der ersten von 14 Reden gegen die drohende Gewaltherrschaft Antonius’. Mit der Bezeichnung „Philippische Reden“ bezog er sich auf Demosthenes, der drei Jahrhunderte zuvor mit seinen Reden gegen Philipp II. von Makedonien die Athener Demokratie retten wollte. Beide, Cicero wie Demosthenes, scheiterten am Ende. Beide starben sie eines gewaltsamen Todes: durch Mord der eine, Selbstmord der andere.

[] ein Eigentor schießen, Mehrwortausdruck

sich durch unbedachtes Handeln selbst schaden; (aus Versehen) gegen die eigenen Interessen handeln

„Meistens hat, wenn zwei sich scheiden, einer etwas mehr zu leiden“ (W. Busch), könnte man in diesem Fall mit Recht sagen: Vor 100 Jahren reichte die Deutsche Turnerschaft ultimativ die sogenannte „Reinliche Scheidung“ ein. Den Funktionären, die Wert auf Gemeinschaftserlebnis und Freude an der Bewegung legten (ja, sogar Medaillen ablehnten), war besonders der aus England importierte, stark wettbewerbsorientierte Fußball ein Dorn im Auge. Kicken galt fortan nicht mehr als Leibesübung, die Verbände wurden vor die Tür gesetzt, Doppelmitgliedschaften der Sportler verboten. Was folgte, war eine Abstimmung mit den Füßen und bei den Turnern ein dramatischer Mitgliederschwund. Die Gründung vieler Fußball-Traditionsvereine wie des FC St. Pauli geht auf diese Zeit zurück.

[] Radioteleskop, das

Physik, Astronomie: aus einer oder mehreren großen Parabolantennen sowie Messeinrichtungen bestehende astronomische Anlage zum Empfang und zur Auswertung elektromagnetischer Strahlung aus dem Weltraum im Radiofrequenzbereich

Bei Teleskopen, selbst den allergrößten (die fantasievolle Namen wie „Very Large Telescope“ haben), darf doch eines nicht fehlen: Die Linse! Doch gibt es eine Sorte von Teleskopen, mit denen man viel mehr vom Kosmos „sehen“ kann als mit dem verstärkten Auge: Die Radioteleskope, die meist aussehen wie riesige Satellitenschüsseln, nehmen elektromagnetische Wellen aller Längen aus den Tiefen des Alls auf und verwandeln sie in Bildpunkte ferner Objekte. Maßgeblich mitentwickelt wurde die Technik von Bernard Lovell, der kurz zuvor im Zweiten Weltkrieg an der entscheidenden militärischen Anwendung des Radars geforscht hatte. Heute vor 110 Jahren wurde der Pionier der Radioteleskopie in England geboren.

[] heißer Draht, Mehrwortausdruck

Politik: eine direkte telefonische (oder schriftliche) Kommunikationsverbindung zweier oder mehrerer Staatsregierungen für den Austausch von Informationen in Krisensituationen

Im Kalten Krieg konnte es mitunter ganz schön heiß werden. So auch während der Kubakrise, in der Missverständnisse zwischen den USA und der Sowjetunion aufgrund von Kommunikationsverzögerungen beinahe zum Atomkrieg geführt hätten. Um solche Situationen künftig zu vermeiden, beschloss man, einen direkten Kommunikationskanal für Krisenfälle via Fernschreiber einzurichten. Die Nachrichtenübertragung sollte mittels aufwändiger Einmalverschlüsselung geschützt werden. Der „heiße Draht“ (engl. „hotline“) zwischen Washington und Moskau wurde am 30. August 1963 in Betrieb genommen. Häufig wird er auch als „Rotes Telefon“ bezeichnet und in Filmen, Serien, Werbung etc. als solches dargestellt; tatsächlich handelte es sich bei der Verbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml nie um eine telefonische. Die Verbindung via Fernschreiber wurde zwar mehrfach modernisiert, inzwischen wird jedoch E-Mail verwendet.

[] Brombeere, die

zur Familie der Rosengewächse gehörende strauchartige Pflanze der Gattung Rubus mit schwarzen bis schwarzroten, aromatischen Sammelfrüchten

Wir befinden uns Ende August wohl auf dem Höhepunkt der Brombeer-Erntezeit. Die zu den Rosengewächsen zählende Pflanze hat viele Vorzüge: Ihre Blätter werden zu medizinischen Zwecken schon seit dem Mittelalter zu Tees und Tinkturen verarbeitet; die Früchte sind vitaminreich und lassen sich prima zu Kuchen, Marmeladen, Likören etc. verarbeiten. Doch Vorsicht: „Every rose has its thorn“ (das trifft übrigens nicht auf alle Rosengewächse zu). So haben sich die meisten sicherlich schon an den Stacheln der Brombeersträucher wehgetan. Sie dienen der Pflanze als Rankhilfe und als Schutz gegen Fressfeinde. Und tatsächlich trägt sie diese Eigenschaft sogar im Namen: „Brombeere“ ist eine Zusammensetzung aus ahd. „brāmo“ bzw. „brāma“ (‚Dornstrauch‘) und „beri“ (‚Beere‘).

[] Traumziel, das

sehnlichst angestrebtes, erwünschtes Ziel

Lang war die Liste der Redner am 28.8.1963, als sich zum „March on Washington“ vor dem Lincoln Memorial über 200 000 Menschen zusammenfanden, sehr lang war sie. Der Beitrag Nr. 16 auf der Rednerliste ging als eine der bedeutendsten politischen Reden in die US-Geschichte ein: Martin Luther Kings Aufruf zur Überwindung der Rassentrennung rüttelte auf, vermittelte Zuversicht und die Hoffnung auf eine bessere Welt. „I have a dream“ – ein Lehrstück der Redekunst. Kings inhaltlich und stilistisch ausgefeilte, sprachrhythmisch beeindruckende, dabei religiöse Elemente einsetzende Rede – eine Predigt für Freiheit, die in Ton und Bild für die Nachwelt dokumentiert wurde. Wer Kings im freien Vortrag formulierten Aufruf „Let freedom ring“ einmal im Ohr hatte, wird den Traum von der Gleichberechtigung aller Menschen nicht mehr vergessen.

[] Vulkanausbruch, der

meist kurz anhaltender, mehr oder weniger heftiger Ausstoß flüssigen oder festen Materials (z. B. Lava, pyroklastisches Sediment) aus einem Vulkan

Als am Morgen des 27. August 1883 die Vulkankegel der kleinen Krakatau-Inselgruppe, gelegen zwischen Sumatra und Java in Indonesien (damals Niederländisch-Indien), Lava spien, war man nicht überrascht, denn nach über 200-jähriger Ruhe war der Krakatau bereits im Mai des Jahres wieder aktiv geworden. Doch seine fünfte Explosion um 8:20 übertraf alles damals Bekannte: In einer Eruption, die heute Stufe 6 von 8 auf dem Vulkanexplosivitätsindex erhält, wurde ein Großteil der Hauptinsel weggesprengt, rund 20 Kubikkilometer Material wurden dabei ausgeworfen und verheerende Tsunamis ausgelöst. Mindestens 36 000 Menschen starben durch den Ausbruch und seine Folgen, Flutwelle, Explosionsknall und Atmosphärenpartikel konnten noch in vielen tausend Kilometern Entfernung registriert werden.

[] Kosmonaut, der

Raumfahrer, besonders als Teilnehmer einer sowjetischen bzw. russischen Weltraummission

Im Rahmen des Programms Interkosmos brach vor exakt 45 Jahren, am 26.8.1978, eine internationale Besatzung zur Raumstation Saljut 6 auf. An Bord des Raumschiffs Sojus 31: Kommandant Oberst Waleri Bykowski und Oberstleutnant Sigmund Jähn – der erste (ost)deutsche Kosmonaut im All. Nach insgesamt 124 Erdumkreisungen kehrten beide Kosmonauten zur Erde zurück. Jähn, gelernter Buchdrucker, erfahrener und mehrfach ausgezeichneter Militärflieger, widmete den Flug dem bevorstehenden 30. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik. Der gebürtige Vogtländer wurde Namenspatron nicht nur von Straßen und Schulen, auch Sternwarten, Planetarien und gar ein Asteroid wurden nach ihm benannt. Dass man in einem Beruf, bei dem man oft schwebe, auf dem Boden bleiben könne, habe er von Sigmund Jähn gelernt, meint Astronaut Alexander Gerst, ein Berufskollege aus der nachfolgenden Generation.

[] Abschiedsgruß, der

beim Scheiden, Verabschieden ausgesprochene, niedergeschriebene oder nonverbale Höflichkeitsbezeigung

Bekannt wurde er durch seine Musicals, allen voran die moderne Romeo-und-Julia-Bearbeitung „West Side Story“, doch Leonard Bernstein, heute vor 105 Jahren in Massachusetts geboren, war nicht nur als Komponist von Orchester-, Kammer-, Film-, Klavier- und Bühnenmusik vielseitig, sondern trat auch als Pianist und gefeierter Dirigent auf. Im Sommer 1990, kurz vor seinem 72. Geburtstag, erlitt Bernstein in den USA beim Dirigieren von Beethovens 7. Sinfonie einen Schwächeanfall, schloss die Aufführung aber mit eiserner Disziplin ab, um sich mit „It’s over“ zu verabschieden. Er wollte und sollte nie wieder dirigieren: Am 14. Oktober 1990 starb Bernstein. Begraben wurde er mit einem Taktstock und einer Partitur im Sarg.

[] Figurine, die

Statuette meist eines Menschen, besonders einer Frau

Sie ist nicht so bekannt und, offen gesagt, auch nicht so ansehnlich wie die berühmte Venus von Willendorf, aber dennoch ein hochinteressanter archäologischer Fund: die Venus von Mauern. Heute vor 75 Jahren wurde sie bei Grabungsarbeiten bei dem bayerischen Städtchen gefunden. Ihr Alter wird auf 27 000 Jahre geschätzt, damit gehört sie noch in die Altsteinzeit. Die Interpretation des rot bemalten Kalksteins ist nicht sicher: Ist es eine stark stilisierte Frau mit üppigem Gesäß oder ein männliches Gemächt, oder beides? Für alles gibt es Parallelen. Da wir auch nicht wissen, was der Beweggrund für die Erschaffung der anderen paläolithischen sog. Venusfigurinen war (es waren jedenfalls keine praktischen Gegenstände), wird das wohl weiter der Fantasie der Betrachtenden überlassen bleiben.

[] Coping, das

Psychologie: Verhaltensweise oder Strategie, die der Auseinandersetzung mit schwierigen Lebensereignissen, belastenden Situationen, Stressoren bzw. Stress auslösenden Erlebnissen und deren Bewältigung dient

„Die Party hat begonnen“, ruft Jan-Erik Olsson, nachdem er am Morgen des 23. August 1973 während seines Freigangs aus dem Gefängnis einen Schuss in der Kreditbanken-Filiale am Stockholmer Norrmalmstorg abgefeuert hat. Er nimmt daraufhin vier junge Menschen als Geiseln und verlangt neben Geld, Waffen und einem Fluchtwagen, dass man seinen ebenfalls inhaftierten Freund Clark Olofsson zu ihm bringt. Das fast sechs Tage andauernde Geiseldrama sorgte besonders wegen des verblüffenden Verhaltens der Geiseln für Aufmerksamkeit: Sie schienen mit ihrem Peiniger und dessen Kumpan zu sympathisieren. Vor allem die damals 23-jährige Kristin Enmark entwickelte eine Bindung zu Olofsson, zu dem sie auch nach dem Überfall noch Kontakt hielt, woraus sogar eine kurze Beziehung entstand. Das Ereignis war namensgebend für das „Stockholm-Syndrom“, das als eigenständiges Syndrom in der Wissenschaft jedoch umstritten ist.

[] munter wie ein Fisch im Wasser, Mehrwortausdruck

in bester körperlicher, gesundheitlicher Verfassung; wohlauf

Fische sind die wohl ältesten Wirbeltiere. Seit ca. 450 Millionen Jahren bevölkern sie unsere Meere, Flüsse, Seen, nunmehr auch Gartenteiche und Aquarien – sofern sie (noch) ausreichend gute Lebensbedingungen vorfinden. Über 20.000 Fischarten gibt es. Auch unsere Sprache bevölkern sie. Der Fisch ist Bestandteil verschiedenster Wendungen: „kalt wie ein Fisch“, „weder Fisch noch Fleisch“ oder eben „munter wie ein Fisch im Wasser“. Auch bestimmte Arten nutzen wir als Metaphern und Vergleiche: Wir können „aalglatt“, „ein toller Hecht“ oder „platt wie eine Flunder“ sein, uns in einem „Haifischbecken“ befinden oder dicht an dicht stehen „wie die Ölsardinen“. Vielleicht fallen Ihnen heute, am Tag der Fische, ja noch viele weitere Redensarten ein?

[] Schallmauer, die

Flugwesen, Physik: starke Luftstauung vor einem bewegten Körper (meist Flugkörper), der nahezu Schallgeschwindigkeit erreicht hat, und deren Überwindung einen lauten Knall erzeugt

Fliegen schneller als der Schall – dies wurde lange Zeit für unmöglich gehalten. Die Schallmauer galt als unüberwindbare Barriere, bis sie der amerikanische Testpilot Chuck Yeager 1947 mit einem Raketenflugzeug nachweislich durchbrach. Mit zunehmendem Verständnis für die physikalischen Prozesse rund um die Schallmauer entwickelten sich auch die technischen Möglichkeiten, diese zu durchbrechen. So überschritt am 21. August 1961 mit der Douglas DC-8 auch erstmals ein Verkehrsflugzeug die Schallgeschwindigkeit, wenn auch nur im Sinkflug und eher zufällig. Bei −50 °C beträgt die Schallgeschwindigkeit etwa 300 m/s, also 1080 km/h. Der charakteristische Knall, der beim Erreichen der Schallgeschwindigkeit zu hören ist, entsteht durch die Druckwellen, die von dem Objekt erzeugt werden und sich von diesem kegelförmig ausbreiten.

[] Luftschlösser bauen, Mehrwortausdruck

undurchführbare, unrealistische, phantastische Pläne entwerfen; Wunschträume hegen

Schon im 17. Jh. war die Wendung beliebte Metapher für die zutiefst menschliche Schrulle, sich in unrealistischen Wunschvorstellungen zu ergehen. Und stets wurde das „Luftschloss“ von Predigern, Aufklärern und dergleichen mit Warnhinweisen versehen: Im Roman „Wunderliche Fata einiger See-Fahrer“ (1737) berichtet etwa ein Protagonist von seiner traurigen Familiengeschichte, wie „[mein Onkel], ein alter Vagabond von seinen 15-jährigen Reisen zu Hause kömmt, und meiner Mutter allerhand verzweifelte Lufft-Schlösser ins Gehirne bauet“, genauer: über die Mutter den Vater dazu verleitet, sich mittels Alchemie auf die Goldherstellung zu verlegen. Die Familie verliert am Ende alles und hat, um es mit einem Sprichwort auszudrücken, „kein Haus auf Erden, aber ein Schloss in die Luft gebaut“.

[] sportiv, Adj.

besonders von Mode, Design: von sportlichem, schnittigem Aussehen; lässig und praktisch

Coco Chanel revolutionierte die Mode. Inspiriert vom Reiten, Jagen und Segeln kreierte die Designerin funktionale und zugleich elegante Kleidung für die moderne Frau. Ein zentrales Element: Jersey – ein weicher Stoff, aus dem sie unter anderem lockere Kleider und weite Hosen fertigte, die viel Bewegungsfreiheit garantierten. Schließlich waren Frauen seit dem Ersten Weltkrieg mobiler und oft berufstätig. Auch beim berühmten Chanel-Kostüm setzte die Modeschöpferin auf Alltagstauglichkeit. So verzichtete sie auf das Versteifen des Materials und brachte praktische Taschen an. Es wurde minutiös Maß genommen und getestet: Models und Kundinnen mussten die Arme verschränken, sich bücken und auf Podeste steigen. Wenn Coco Chanel auf eines Wert legte, dann auf Komfort. Sie machte sportive Kleidung salonfähig, wofür wir ihr auch heute, an ihrem 140. Geburtstag, äußerst dankbar sind.

[] Entdeckung, die

das Auffinden von etw. (Neuem) in Wissenschaft und Forschung, das bis dahin unbekannt war

Es ist – nach Wasserstoff – das zweithäufigste Element im All und essentieller Baustein von Sternen und Gasriesen: das Helium. Es kommt zum Einsatz beim Fliegen, Tauchen und in der Medizin. Durch seine geringe Dichte verändert es die Klangfarbe unserer Stimme und lässt Luftballons in den Himmel steigen. Am 18. August 1868 entdeckte der französische Astronom Jules Janssen bei der Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der Sonne ein gelbes Licht (die gelbe Spektrallinie), das er als neues Element identifizierte – ähnlich wie etwa zur selben Zeit sein britischer Fachkollege Norman Lockyer. So kam das Edelgas auch zu seinem Namen, abgeleitet von griech. hḗlios (ἥλιος), ‚Sonne‘. Erst Jahre später konnte Helium auch auf der Erde nachgewiesen werden, seine Entdeckung wurde dadurch in breiteren Wissenschaftskreisen akzeptiert.

[] großer Wurf, Mehrwortausdruck

besonders bedeutendes, erfolgreiches (alles andere überragendes) Projekt, Werk, Konzept o. Ä.

Kind of Blue, zu Deutsch so viel wie ‚Irgendwie traurig‘, lautet der Titel des am 17. August 1959 erschienenen Studioalbums von Miles Davis. Und genau diese Stimmung transportiert es auch: irgendwie melancholisch, aber irgendwie auch nicht. Alles andere als traurig dürfte der Jazztrompeter, Komponist und Bandleader über dessen Rezeption gewesen sein. Es ist nicht nur das kommerziell erfolgreichste Album der Jazzgeschichte, sondern wurde bereits bei Veröffentlichung von Kritikern gefeiert. Mit seinen bisweilen fast schon meditativ wirkenden Stücken gilt es als Meilenstein des Modalen Jazz. Von vielen wird die Platte, der es trotz ihrer Zurückhaltung nicht an Spannung fehlt, sogar als das Jazzalbum schlechthin betrachtet. Der immense Erfolg ist wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es sich als unaufdringliche Hintergrundmusik im Café ebenso eignet wie für den aufmerksamen, intensiven Hörgenuss.

[] Flop, der

(kommerzieller) Misserfolg; gescheiterte Unternehmung; ein schlechtes, ungenügendes, unbrauchbares Produkt o. Ä.

Wer zu Beginn des 19. Jh. Nachrichten über den Atlantik verschicken wollte, brauchte vor allem eins: Geduld. Zwei Wochen war eine Nachricht im besten Fall mit dem Dampfschiff unterwegs. Gespannt sah man daher der Verlegung eines Unterwassertelegrafenkabels entgegen, das Irland mit Neufundland verbinden sollte. Am 16. August 1858 entsandte die britische Königin Victoria darüber ein Glückwunschtelegramm an den US-Präsidenten James Buchanan. Die Übertragung der 98 Grußworte dauerte „nur“ 17 Stunden! Doch der Erfolg war von kurzer Dauer. Das Kabel fiel bereits nach wenigen Wochen aus. Erst 1866 wurde ein neues, zuverlässigeres Kabel verlegt. Dennoch war das erste transatlantische Telegrafenkabel ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der globalen Telekommunikationsinfrastruktur.

[] Gesamtkunstwerk, das

[Kunst, Kunstgeschichte] von Künstlern geschaffenes Werk, das verschiedene, einander ergänzende Kunstformen und künstlerische Tätigkeitsfelder vereint und idealerweise alle Sinne anspricht

Schlicht, rational und funktional – diese Attribute verbindet man mit dem Bauhaus, einer Kunstschule des frühen 20. Jahrhunderts. Ihr Begründer Walter Gropius sowie seine Kolleg- und Schülerschaft waren in vielerlei Hinsicht kühne Vorreiter: Sie sahen die Architektur als Gesamtkunstwerk in Verbindung mit den anderen Künsten, entwarfen neuartige Material- und Farbkonzepte und prägten das Prinzip „Form follows function“. Ebenfalls innovativ: Die Aufnahme in die Schule war unabhängig von Alter und Geschlecht, für den Meisterrat zählten lediglich Talent und Vorkenntnisse. Heute vor 100 Jahren wurde die erste Bauhaus-Ausstellung eröffnet. Das damals ausgestellte Musterhaus („Haus am Horn“) kann noch heute in Weimar besichtigt werden.

[] Führerschein, der

Ausweis, der zum Lenken von Kraftfahrzeugen, Flugzeugen berechtigt, Fahrerlaubnis

Bis man heute den begehrten Lappen, die Pappe, die Fleppe, also die Fahrerlaubnis, in Händen hält, braucht es viel Mühe, Zeit und Geld. Vor allem will die gefürchtete Fahrprüfung bestanden sein. Der erste deutsche Automobilist Carl Benz hatte seine Zulassung von der badischen Regierung 1888 noch ohne jeden Eignungsnachweis erhalten. In Frankreich dagegen fand fünf Jahre später, heute vor 130 Jahren, die erste, nach heutigen Begriffen etwas ungewöhnliche Führerscheinprüfung statt: Der Beamte, der die Prüfung abnahm, arbeitete im Bergamt. Und der Prüfling musste beweisen, dass er Reparaturen wie Reifenflicken selbst übernehmen konnte. Ansonsten: starten, lenken, bremsen – „et voilà“. Heute sind die Prüfungen zwar anspruchsvoller, die Hände schmutzig machen muss man sich aber nicht mehr.

[] binnen kurzem, Mehrwortausdruck

innerhalb kürzester Zeit

Heute vor 100 Jahren begann die nur 100 Tage andauernde Reichskanzlerschaft von Gustav Stresemann. Er bildete eine Koalition aus Zentrum, DDP, DVP (deren Vorsitzender er war) und SPD – eine wilde Parteienmischung in einer höchst krisenreichen Zeit: Das Ruhrgebiet war von französischen Truppen besetzt und der Wert der Mark in unvorstellbare Tiefen gesunken. Diese Geschichten, dass man mit Wäschekörben voll Geld zum Bäcker ging, um ein Brot zu kaufen, haben sicherlich viele von uns noch gehört. Rauer Gegenwind kam auch aus der Politik selbst, von ganz links und ganz rechts. An diesen Konflikten zerbrach die Koalition schnell, zunächst durch den Austritt der SPD, wenige Wochen später besiegelt durch ein Misstrauensvotum. Doch allein in gut 14 Wochen hatte Stresemann mit seiner Regierung Großes geleistet – für die wirtschaftliche Stabilisierung und die Verständigung mit Frankreich, für die er sich auch später als Außenminister noch engagierte.

[] Hochrüstung, die

Intensivierung der militärischen Rüstung

Erst vor wenigen Tagen hat die Welt der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht, schon gibt es ein weiteres Datum aus der Geschichte der zerstörerischen Kernwaffentechnik: Heute vor 70 Jahren zündete die Sowjetunion ihre erste Wasserstoffbombe. Hatten die Sowjets vier Jahre gebraucht, um beim militärischen Gebrauch der Kernspaltung mit den USA gleichzuziehen, waren es bei der Kernfusion damit nur zwei. Der Rüstungswettlauf verschärfte sich: 1954 zündeten die USA ihre stärkste Bombe (15 Megatonnen TNT-Äquivalent), 1961 die Sowjetunion (über 50 Megatonnen). Die Vernichtung der Welt im Kriegsfall war garantiert. Trotz aller Abrüstungsbemühungen rasseln auch heute noch einige Atommächte mit dem nuklearen Säbel.

[] Musiktheoretiker, der

im Bereich der Musiktheorie tätiger Musikwissenschaftler

Der heute vor 80 Jahren geborene Krzysztof Meyer blickt auf ein bewegtes Musikerleben zurück. Ausgebildet u. a. bei Krzysztof Penderecki an der Musikakademie Krakau und Witold Lutosławski in Warschau, schuf der Komponist ein überaus vielseitiges Œuvre – darunter mehrere Opern, Orchesterwerke und Kammermusik, Ballette. Darüber hinaus vollendete Meyer mehrere unabgeschlossene Werke anderer Musiker. Mit Deutschland verbindet den polnischen Komponisten seine über zwanzigjährige Professur für Komposition an der Hochschule für Musik in Köln. In seinem Schaffen besonders geprägt worden sei er, so Meyer, durch die Komponisten Dmitri Schostakowitsch und Witold Lutosławski. Meyers lesenswerte Biografien dieser Komponisten sind heute wichtige Quellen zur Erschließung deren zentraler Werke. Im Juni 2023, bei den Internationalen Schostakowitsch-Tagen, ist Krzysztof Meyer für seine Verdienste um dessen musikalisches Erbe ausgezeichnet worden.

[] Pyramide, die

Mathematik: spitz zulaufender Körper mit einem Vieleck als Grundfläche; monumentaler Grabbau der altägyptischen Könige, der über einer quadratischen Grundfläche spitz zuläuft

Am 10. August 1793, inmitten der Französischen Revolution, öffnete in Paris das mittlerweile wohl größte und meistbesuchte Kunstmuseum der Welt seine Pforten: das Musée du Louvre. Seinen Ursprung nahm das Museum bereits im 14. Jh. und wurde im Laufe der Zeit durch verschiedene königliche und private Sammlungen erweitert. Die berühmte Glaspyramide, die heute als Haupteingang des Museums dient, wurde erst 1989 nach den Entwürfen des chinesisch-amerikanischen Architekten I. M. Pei fertiggestellt. Sie hat die gleichen Proportionen wie die Große Pyramide von Gizeh und erinnert an die Bedeutung der ägyptischen Antiquitätensammlung im Museum. Zunächst umstritten, ist sie heute eine architektonische Hauptattraktion von Paris und das Symbol für den Louvre schlechthin.

[] Initiative, die

Fähigkeit, aus eigener Motivation und Kraft aktiv zu werden zu handeln; Gesetzentwurf Gesetzesvorlage

„Nun komm aus dem Quark – zeig doch mal etwas Initiative!“ Das oft durch den verdeutlichenden, wenngleich überflüssigen Zusatz „Eigen-“ verstärkte „Zauberwort“ genervter Eltern gehört zu den Kernforderungen einer jeden Leistungsgesellschaft. Man denke an Verbindungen wie „Privatinitiative“ oder „unternehmerische Initiative“. Tatsächlich aber ist das Wort ursprünglich ein Kernbegriff der parlamentarischen Demokratie, der wie so viele andere aus dem Englischen oder wie in diesem Fall aus dem Französischen entlehnt (und in Lautung und Schreibung an den lateinischen Fremdwortschatz angepasst) wurde. In der Französischen Revolution stand die Forderung nach „initiative legislative“ für das Recht des Parlaments, Gesetze nicht nur passiv abnicken, sondern aktiv am Gesetzgebungsprozess mitwirken zu können.

[] Witz, der

geschickt, kunstvoll auf eine Überraschung hin formulierter Scherz, Spaß, der Fehler, Schwächen, Absonderlichkeiten von Menschen oder Sachverhalten anprangert, entlarvt, dem Gelächter preisgibt; Gabe, etw. lustig, treffend, schlagfertig und geistreich zu erzählen

„Der Weise ist ohne Humor undenkbar“, heißt es. Tatsächlich haben Witz und Wissen die gleiche Wurzel: Das althochdt. „wizzi“ (Wissen, Verstand), das altengl. „wit(t)“, das gotische „unwiti“ (Unwissenheit) und einige nordische Varianten gehören wie altindisch „vidyā́“ (Wissen, Weisheit, Gelehrsamkeit) zu der indoeuropäischen Wurzel *u̯eid- (erblicken, sehen). Franzosen und Briten brachten vor gut 300 Jahren den „geistreichen Einfall“ („esprit“, „wit“) ins Deutsche, die Wendung zum Scherzhaften war gemeistert. Seit Ende des 19. Jh. gibt es den Witz auch als (zugegeben mal mehr, mal weniger geistreiche) Anekdote.

[] fahrbarer Untersatz, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft: (meist motorisiertes) Gefährt, das der Fortbewegung dient

Auf den Pariser Boulevards des 17. Jahrhunderts präsentierten sich die vornehmen Damen in kleinen, flinken Kutschen, die sie darüber hinaus selbst steuerten, der Gesellschaft. Was anfangs als Spielerei des Adels erschien, war verkehrstechnisch eine kleine Sensation. Die zweirädrigen Cabriolets mit dem offenen Verdeck eroberten den Kontinent. Dass die positiven Fahreigenschaften auf den holprigen Straßen dieser Zeit allerdings mit einigen Unbequemlichkeiten erkauft waren, zeigt schon der Name, der sich von französisch „cabrioler“ (‚Sprünge machen‘, von ital. „capriolare“) ableitet. Im Deutschen bezeichnet das Wort, besonders in der Kurzform „Cabrio“, heute ausschließlich das Automobil mit offenem Verdeck, im Englischen blieb dagegen der Bezug zur Kutsche erhalten.

[] Kanalschwimmerin, die

weibliche Person, die den Ärmelkanal (die Meerenge zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich) durchschwimmt bzw. in ihm schwimmt

Am 6. August 1926 gelang Gertrud Ederle ein bemerkenswerter sportlicher und historischer Erfolg: Sie durchschwamm als erste Frau den Ärmelkanal. Dick mit isolierendem Fett eingeschmiert, startete die US-amerikanische Schwimmerin im für die damalige Zeit unerhörten Zweiteiler in Cap Gris-Nez an der Küste Frankreichs und kämpfte sich 14 Stunden und 31 Minuten lang durch die eisigen Gewässer. Damit erreichte sie nicht nur das gegenüberliegende Ufer im englischen Dover, sondern war sogar noch zwei Stunden schneller als der bis dato männliche Rekordhalter. Ihre Leistung inspirierte eine ganze Generation von Frauen dazu, sich in verschiedenen Sportarten auszuprobieren und trug dazu bei, Geschlechtergrenzen im Sport zu überwinden.

[] Standardsprache, die

Sprachwissenschaft: gewöhnliche, durch Sprachplanung und Sprachpflege entstandene Ausprägung einer Sprache, die die Dialekte, die Umgangssprache und anderen Varietäten überdacht

Norwegisch ist die Erstsprache von etwa 4,5 Millionen Menschen. Die nordgermanische Sprache teilt sich in zwei Standardvarietäten auf: Bokmål (‚Buchsprache‘) ist vor allem vom Dänischen geprägt, das während der dänisch dominierten Personalunion zwischen beiden Ländern 1380–1814 als Verwaltungssprache genutzt wurde. Als Gegenkonzept entwickelte Mitte des 19. Jahrhunderts der heute vor 210 Jahren geborene Sprachforscher Ivar Aasen das Nynorsk (‚Neunorwegisch‘), das vor allem auf traditionellen einheimischen Dialekten basiert. Nynorsk ist als zweite Standardvarietät anerkannt und wird von ca. 10–15 % der Bevölkerung genutzt – allerdings (wie auch Bokmål) vorwiegend als Schriftsprache. Im mündlichen Sprachgebrauch begegnen wir wiederum einer Vielzahl an Dialekten und Regiolekten.

[] Bierschwemme, die

große Menge Bier

Menschen auf aller Welt trinken Bier. Es ist nicht nur das beliebteste, sondern vermutlich auch das älteste alkoholische Getränk. Es gibt Hinweise darauf, dass man Bier (oder zumindest Bierähnliches) schon 10.000 v. Chr. kannte. Für den Bau der Pyramiden von Gizeh war der Trank sogar, so scheint es, essenziell: Jeder Arbeiter erhielt täglich vier bis fünf Liter zur Stärkung und Erfrischung. Auch die alten Babylonier nahmen die Herstellung und den Konsum von Bier sehr ernst. In einer der ältesten Gesetzessammlungen überhaupt, dem „Codex Hammurapi“ aus dem 18. Jh. v. Chr., widmen sich gleich mehrere Paragrafen dem flüssigen Gold. Unter anderem ist darin festgelegt, dass eine Wirtin, die minderwertiges Bier ausschenkt, zur Strafe ertränkt werden soll.

[] Petrichor, das oder der

Geruch, der aufsteigt, wenn warmer, trockener Erdboden durch Regen oder Besprengung nass wird

Er zählt zu den schönsten Sinneserfahrungen des Sommers: Wenn nach heißer, trockener Zeit Regen (oder Wasser aus dem Gartenschlauch) auf warme Steine und trockene Erde fällt, steigt ein Geruch auf, den wir den Winter über vergessen hatten und der uns sogleich in Wonne wiegt. Er geht übrigens nicht vom Wasser aus, sondern von in der Hitze von Pflanzen ausgedünsteten Ölen. Und er hat einen großartigen Namen: „Petrichor“, griechisch wörtlich ‚Steinblut‘, wobei „ichṓr“ nicht gewöhnliches Blut bezeichnet (das ist „haĩma“), sondern das schwarze Blut der Götter (das auf die Erde tropfte, als Kronos seinen Vater Uranos entmannte). „Petrichor“ selbst finden wir aber nicht bei Homer oder Hesiod, sondern erst 1964 in der Beschreibung des Phänomens durch zwei von der Muse geküsste Wissenschaftler.

[] Augenzeugenbericht, der

Aussage, Bericht eines Augenzeugen über einen Vorfall, einen Unfall, bestimmte Zustände o. Ä.

Als der 2. August 1943 endete, hatte in Treblinka das kaum Vorstellbare, ein Häftlingsaufstand in einem Vernichtungslager, tatsächlich stattgefunden. Unter extremen und äußerst gefährlichen Bedingungen hatten die jüdischen Häftlinge in einem geheimen Organisationskomitee einen großangelegten Ausbruch geplant und vorbereitet. Als kurz vor 16 Uhr der Aufstand losbrach, gelang es den völlig unzureichend bewaffneten Häftlingen, mehrere Wachleute und Funktionshäftlinge zu überwältigen und zu töten, mehrere Gebäude wurden in Brand gesetzt. Sehr viele der Aufständischen wurden getötet, doch etwa 200 Personen gelang die Flucht, sie wurden verfolgt und gejagt, und nur wenige der Flüchtenden erlebten das Ende des Krieges. In ihren Berichten legten die Überlebenden Zeugnis ab über diesen Akt der Selbstbestimmung, über den Mut, selbst in höchst auswegloser Lage den Weg des Widerstands gegen die Barbarei zu gehen.

[] Stinkefinger, der

salopp: Geste in der Form eines hochgestreckten Mittelfingers, mit der Abneigung oder Verachtung gegenüber einer Person oder Personengruppe zum Ausdruck gebracht wird

Für Stefan Effenberg führte er 1994 zum Ausschluss aus dem Kader der deutschen Fußballnationalmannschaft, ein Jahr später war er die Antwort Johnny Cashs auf die Grammy-Auszeichnung seiner „American Recordings“, und für den ehemaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück war er eine der größten Pannen im Bundestagswahlkampf 2013: Der ausgestreckte Mittelfinger (oder sogenannte „Stinkefinger“) hat schon für einige Aufreger gesorgt. Und doch gebührt ihm bei all seiner Schamlosigkeit einige Ehre, ist er doch eine kultur- und sprachenübergreifende Geste des Protests und Missfallens. Und so wird diese Universalie der nonverbalen Kommunikation jährlich am 1. August mit dem Weltmittelfingertag geehrt.

[] auf dem Trockenen sitzen, Mehrwortausdruck

meist scherzhaft: nichts Alkoholisches (mehr) zu trinken, ein leeres Glas vor sich haben

Der 31. Juli 1970 war ein dunkler Tag in der Geschichte der Royal Navy. Weltweit konnte man auf britischen Kriegsschiffen mit schwarzen Trauerfloren geschmückte Seeleute beobachten, die schwermütige Trauerlieder anstimmten, Ehrensalven abfeuerten und sogar Särge aufbahrten. Anlass für das große Betrübnis war jedoch weder der Tod eines hohen Marineoffiziers noch Schiffbruch oder Meuterei, sondern die Entscheidung der Royal Navy, die tägliche Rumration – die sogenannte „Tot“ – abzuschaffen. Die mehr als 300 Jahre alte Tradition war ursprünglich der längeren Haltbarkeit von Rum gegenüber Wasser geschuldet. Da die Kombination aus betrunkenen Matrosen und komplizierter Schiffstechnologie jedoch nicht erfolgversprechend war, wurde die Tradition mit dem „Black Tot Day“ endgültig symbolisch bestattet.

[] Lotse, der

kundiger Seemann, der Wasserfahrzeuge durch schwieriges Fahrwasser (besonders im Küstenbereich) führt

Der heutige 125. Todestag Ottos von Bismarck – Ministerpräsident, Bundeskanzler, Reichskanzler und wichtigste politische Figur seiner Zeit – gibt Anlass zu Gedanken. Nun reichen 800 Zeichen nicht für eine Behandlung der positiven und negativen Facetten des umstrittenen und später verklärten „Eisernen Kanzlers“. Darum konzentrieren wir uns darauf, was Bismarck außerhalb der Politik hinterlassen hat, abgesehen von zahlreichen Denkmälern unkritischer Verehrung: Zum einen wurde er eines der ersten Opfer von Paparazzi, die ihn auf seinem Totenbett heimlich fotografierten, zum anderen ist er Protagonist einer bis heute bekannten englischen Karikatur: Als er 1890 von Wilhelm II. entlassen wurde, hieß es dort, „Der Lotse geht von Bord“. Das geflügelte Wort wird noch heute verwendet.

[] Raumfahrtbehörde, die

Einrichtung, die meist in Form einer staatlichen bzw. öffentlichen Dienststelle ein Raumfahrtprogramm leitet

Mit Unterzeichnung des „National Aeronautics and Space Act“ durch US-Präsident Eisenhower begann am 29. Juli 1958 eine neue Ära der Weltraumforschung in den USA. Im sogenannten Wettlauf ins All genoss die zivile Raumfahrtbehörde NASA einen ganz besonderen Status, sie erhielt in ihren Anfangsjahren eine rekordverdächtige Finanzierung von bis zu 4,4 Prozent des gesamten US-Haushalts. Schon kurz darauf, im Mai 1961, startete Alan Shepard im Rahmen des Mercury-Programms als erster US-Amerikaner zu einem suborbitalen Weltraumflug. Zahlreiche weitere legendäre bemannte Weltraumflüge und andere Weltraummissionen sollten folgen.

[] jmdm. spanisch vorkommen, Mehrwortausdruck

jmdm. seltsam, merkwürdig, verdächtig erscheinen; jmdm. unverständlich sein

Es ist Urlaubszeit und viele Deutsche zieht es auch diesen Sommer nach Spanien. Die Spanier dürften so manche Sitte der deutschen Touristen – man denke nur an den „Ballermann“ – ungewöhnlich finden. Ähnlich ging es wahrscheinlich umgekehrt den Deutschen im 16. Jahrhundert, als ein spanischer König auf dem Thron des Heiligen Römischen Reiches saß und sich mit dem Hofstaat Karls des V. spanische Gepflogenheiten und die spanische Sprache ausbreiteten. Diese empfanden die Deutschen als fremdartig, wodurch sich wohl die Redensart „Das kommt mir spanisch vor“ einbürgerte, die man im Deutschen noch heute verwendet, wenn einem etwas sonderbar erscheint.

[] Album, das

Veröffentlichung mit mehreren, thematisch zusammengehörigen Musikstücken eines Interpreten, einer Band, eines Orchesters o. Ä.

Bildungsbürgerinnen und -bürger denken bei dem Wort „Madonna“ wahrscheinlich an die zahlreichen Marienbildnisse oder -figuren. Andere Menschen (und Suchmaschinen) scheinen unter diesem Namen fast ausschließlich eine Popmusikerin mit dem vollen Namen Madonna Louise Ciccone zu kennen. Dass Frau Ciccone als „Madonna“ zu einem der Leitsterne der Popkultur und nebenbei zur erfolgreichsten Künstlerin aller Zeiten (im Billboard-Hot-100-Ranking) wurde, hat sie vermutlich auch einem Album zu verdanken, das heute vor 40 Jahren, am 27. Juli 1983, unter genau diesem Namen in den USA erschien. Ursprünglich sollte das Album „Lucky Star“ heißen, doch ein glücklicher Stern verhinderte dies gerade noch rechtzeitig.

[] Stein des Anstoßes, Mehrwortausdruck

Ursache eines Ärgernisses, des Missfallens; Anlass für (wiederkehrende) Diskussionen, Auseinandersetzungen o. Ä.

Sein Name ist einer der ersten, der einem in den Sinn kommt, wenn man an „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“ denkt: Mick Jagger. Mit seiner 1962 gegründeten Band „The Rolling Stones“ erlangte der Frontmann mit der markanten Stimme weltweiten Ruhm. Die Stones wurden als ungewaschener Gegenentwurf zu den Beatles inszeniert und gerierten sich als nonkonformistische Provokateure. Bei Auftritten erregte besonders Mick Jagger mit seinem eigenwilligen und lasziven Tanzstil Aufsehen. Heute wird das Urgestein des Rock 80 Jahre alt – und scheint noch nicht ans Aufhören zu denken. Die Bewegungen mögen ein wenig langsamer und steifer geworden sein, der (inzwischen zum Ritter geschlagene) Performer hüpft, zappelt, stolziert nach über sechzigjähriger Karriere jedoch immer noch unglaublich energetisch über die Bühne.

[] ab die Post!, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: los geht’s!; auf geht’s!; weg damit!

Sagt Ihnen der Werbeslogan „Fünf ist Trümpf“ noch etwas? Vorgetragen wurde er 1993 von der gelben Hiphop-Hand Rolf, dem damaligen Maskottchen der Deutschen Post. Rolfs „moderne“ Performance sollte der Bevölkerung das neue, fünfstellige Postleitzahlensystem schmackhaft machen. 80 Millionen Mark nahm die Post für diese Kampagne in die (fünffingerige) Hand; die meisten Leute lassen sich bekanntlich nicht leicht überzeugen, wenn etwas anders werden soll, als es früher war. Die Umstellung war unvermeidbar, da im vierstelligen System seit der Wiedervereinigung hunderte Ziffernfolgen doppelt vergeben waren. Ihren Anfang nahm die Geschichte der Postleitzahlen in Deutschland am 25. Juli 1941 mit der Einführung von zweistellig nummerierten Päckchenleitgebieten zur effizienteren Gestaltung des Zustellsystems.

[] Friesisch, das

an der niederländischen und deutschen Nordseeküste beheimatete Gruppe von Sprachen aus dem westgermanischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Wenn Sie bei „Ostfriesisch“ an Plattdeutsch (Niederdeutsch) denken, ist das verständlich. Aber das eigentliche Ostfriesische ist eine der drei eigenständigen friesischen Sprachen: Während das Nordfriesische in Nordfriesland vom Aussterben bedroht ist, ist das Westfriesische an der niederländischen Nordküste noch sehr lebendig. Das an der niedersächsischen Küste gesprochene Ostfriesische wurde in der Neuzeit vollständig vom Niederdeutschen verdrängt – fast: Südlich, in der Gemeinde Saterland, hält sich als letzter Rest seit Jahrhunderten das Saterfriesische, gesprochen von 1.000–2.000 Menschen. Seine erste wissenschaftliche Beschreibung verdanken wir Johann Friedrich Minssen, der 1846 einige Monate in der abgelegenen Gegend verbrachte. Heute vor 200 Jahren wurde der sprachbegabte Theologe in Jever geboren.

[] Pilgerweg, der

Strecke, die traditionell von Pilgern (oder Wanderern) genutzt wird, um an einen Wallfahrtsort zu gelangen

Sie boten im Mittelalter einen vertrauten Anblick: Menschen in langen Mänteln, mit Schlapphut, Wanderstab und Kürbisflasche, die auf dem langen Weg nach Santiago de Compostela zum Grab des Jakobus pilgerten. Unter ihnen befand sich 1341 auch die Schwedin Birgitta Birgersdotter, heute besser bekannt als die heilige Birgitta von Schweden. Es war nicht die einzige Reise der vor 650 Jahren gestorbenen Mystikerin, die sich auch als Beraterin von Fürsten und Päpsten einen Namen gemacht hat. Die unermüdlichen Wanderungen zu heiligen Stätten von Rom bis Jerusalem waren ebenso wie ihre zahlreichen Visionen Ausdruck einer ständigen Suche nach Gott. Ein kleiner Abschnitt ihres Weges, der von Sassnitz auf Rügen über Schwerin quer durch Mecklenburg-Vorpommern verlaufende Birgittenweg, ist ihr gewidmet.

[] Gesundheitsförderung, die

fachsprachlich: (institutionelle) Maßnahmen zur Stärkung und Erhaltung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens

Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk der Natur: komplex wie kein anderes Organ und mit Fähigkeiten ausgestattet, die noch kein Computer nachahmen kann. Erkrankungen des Gehirns bzw. Nervensystems können unsere Lebensqualität erheblich reduzieren. Die World Federation of Neurology hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, weltweit den medizinischen Standard in der Neurologie zu verbessern und Hirngesundheit zu fördern. 2013 hat der Verband den jährlich am 22. Juli stattfindenden „World Brain Day“ ins Leben gerufen. Das diesjährige Motto lautet „Brain Health and Disability: Leave No One Behind“: In Zusammenarbeit mit der World Federation for Neurorehabilitation will die Organisation über neurologische Störungen informieren. Insbesondere soll dabei auf die ungleichen Gesundheitschancen für Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht und ein inklusiverer Zugang zur Gesundheitsfürsorge geschaffen werden.

[] Überfallkommando, das

überfallartig, überraschend vorgehende Gruppe Krimineller

Die Brüder Jesse und Frank James und ihre Bande waren hundsgemeine, skrupellos und brutal vorgehende Verbrecher, die in den 1860ern und 1870ern den Mittleren Westen der USA unsicher machten. Und dennoch umgab besonders Jesse schnell die Aura eines modernen Robin Hood, der ohne objektiven Grund Zuspruch bei Teilen der Bevölkerung fand. Dazu beigetragen haben zum einen Sympathien von Anhängern der Südstaaten, denn die James-Brüder waren im Bürgerkrieg Guerilleros in Missouri, zum anderen die teils gewagten Überfälle. So brachte die Bande am 21.07.1873 einen Zug zum Entgleisen, um ihn auszurauben. Es war der erste Zugüberfall im Westen der USA. Der letztlich geläuterte Frank James war das einzige Mitglied der Bande, das einen ruhigen Lebensabend verbringen konnte.

[] jmdm. das Geld aus der Tasche ziehen, Mehrwortausdruck

jmdn. auf eine listige oder betrügerische Art und Weise zu einer Geldausgabe bewegen, von der man selbst profitiert; jmdn. übervorteilen

Zehn Prozent Zinsen, bar auf die Hand versprach Adele Spitzeder den Kunden ihrer „Spitzederschen Privatbank“. Was mit der Einlage einer Zimmermannsfrau begann, wurde dank Mundpropaganda innerhalb kürzester Zeit zum Münchner Großunternehmen – bis alles zusammenbrach: Gegner, die das dubiose Geschäft schon länger misstrauisch beäugten, brachten Dutzende Gläubiger dazu, sich gleichzeitig ihr Geld auszahlen zu lassen. Spitzeder, die mit ihrer Masche ihren luxuriösen Lebensstil finanziert hatte, war nicht solvent. Man stellte eine Überschuldung von acht Millionen Gulden fest. Am 20. Juli 1873 wurde sie wegen „betrüglichen Bankrotts“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. In ihren Memoiren beteuerte sie: „Mein Gewissen war rein, ich war mir keiner Verschleppung bewusst, die mir ebenfalls zur Last gelegte mangelhafte Buchführung konnte mir, als einem Weibe, doch auch nicht als Verbrechen angerechnet werden […].“

[] Wende, die

einschneidende Veränderung gegenüber dem bisherigen Verlauf (besonders eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses); Segelmanöver, bei dem das Boot mit dem Bug gegen den Wind einen Bogen beschreibt

Die Seefahrt mit ihren Gefahren, ihren technischen und intellektuellen Herausforderungen hat schon immer ihren festen Platz in der Sprache, wie die zahlreichen nautischen Ausdrücke und Wendungen in übertragener Bedeutung zeigen: So gehen alle Verbindungen mit „cyber-“ auf griechisch κυβερνητική τέχνη ‚Steuermannskunst‘ zurück. Wer in der Politik am Ruder (in der Regierung) sitzt, kann den Kurs festlegen. Auch die „Wende“ als Begriff für eine einschneidende Veränderung hat hier ihren Ursprung. Dass eine solche auf See nicht immer harmlos ist, musste die Besatzung des englischen Kriegsschiffs Mary Rose erfahren. Nach einem unglücklichen Wendemanöver ging diese am 19. Juli 1545 sang- und klanglos unter. Ursache war wohl eine konstruktionsbedingte Schlagseite – auch dies eine unter Landratten beliebte Metapher.

[] etw. gegen den Strich bürsten, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: etw. ganz anders als üblich betrachten; etw. genau entgegengesetzt der bisherigen Sichtweise darstellen, interpretieren

Christa Päffgen kommt 1938 in Köln zur Welt, wird schon als Teenagerin zum gefragten Model und zieht wenig später nach Paris. Auch als Schauspielerin und Sängerin mit tiefer, melancholischer Stimme ist sie erfolgreich und heute vor allem unter dem Namen Nico bekannt. In New York und London ist Nico seit den 60ern in engem Kontakt mit den Größen der männerdominierten Kulturszene: Lou Reed, Jim Morrison, Bob Dylan, Andy Warhol. Immer wieder bürstet sie ihr Image der kühlen, blonden Schönheit gegen den Strich; Affären, Drogen, Skandale prägen ihre Karriere; sie ist düster und (selbst-)zerstörerisch: „Der einzige Grund, warum ich mich nicht erschieße, ist, dass ich wirklich einzigartig bin.“ Schließlich stirbt sie am 18.07.1988 mit nur 49 Jahren an den Folgen eines Fahrradunfalls.

[] Emoji, das oder der

Emoticon oder andere kleine Grafik, die eine elektronische Nachricht oder Äußerung kommentiert

Emojis sind in der digitalen Kommunikation heutzutage allgegenwärtig: Die kleinen Bildzeichen (Smileys, Piktogramme, Flaggen etc.) sind dort nicht nur buntes Beiwerk, sondern bringen eine ganze Reihe vorteilhafter Funktionen mit sich: Zum einen sind sie universell verständlich und ökonomisch; oft sagt ein gut gewähltes Emoji mehr als ein langer Satz. Zum anderen lassen sich mit ihrer Hilfe Doppeldeutigkeiten auflösen; indem z. B. mit einem zwinkernden Smiley Ironie markiert wird. Dazu kommen Relativierung, Akzentuierung und Spezifizierung von Aussagen. Das Wort „Emoji“ kommt übrigens aus dem Japanischen und setzt sich aus den Wörtern „e“ (‚Bild‘) und „moji“ (‚Zeichen‘) zusammen. Emoji-Fans können sich auf eine größere Auswahl ab Herbst 2023 freuen: Hinzukommen sollen u. a. neue Gesichtsausdrücke, ein Phönix und eine Limette.

[] Nukleartechnologie, die

Gesamtheit der auf (neuesten) Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik beruhenden Verfahren für die Nutzung der Kernenergie

Der Ort: White Sands, New Mexico. Der Tag: 16. Juli 1945. Die Zeit: kurz vor 5:30 Uhr. Streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit startet hier ein geschichtsträchtiger Feldversuch. Unter dem Codenamen „Trinity“ zünden US-amerikanische Wissenschaftler und Militärs die erste Atombombe der Menschheitsgeschichte. Durch die Wirkung der Implosionsbombe schmilzt in der unmittelbaren Umgebung des Ground Zero der Wüstensand, umliegende Bauten lösen sich in Luft auf, der aufsteigende Feuerball formt einen Atompilz, der eine Höhe von 12.000 Metern erreicht – der Test ist erfolgreich verlaufen. Nur wenige Wochen später, am 9. August 1945, wird ohne Vorwarnung „Fat Man“, eine Plutoniumbombe des gleichen Typs, über der japanischen Stadt Nagasaki abgeworfen. Bei dieser Explosion und an deren Folgen sterben Zehntausende Menschen.

[] Feuersbrunst, die

Schadenfeuer von großem Ausmaß

Das Wort „Flamme“ gehört zu den faszinierenden Wörtern im deutschen Wortschatz: Im Singular kann das Wort für eine winzig kleine Streichholzflamme stehen, im Plural, besonders in Verbindung mit der Präposition „in“, für die verheerende Feuersbrunst: „in Flammen stehen/aufgehen“. Auch im realen Leben kann sich ein unbedeutendes Ereignis zur Katastrophe auswachsen: Heute vor 200 Jahren setzten unvorsichtige Arbeiter die Papstbasilika St. Paul vor den Mauern in Brand. Beim Versuch, das Dach zu teeren, zerstörten sie die letzte aus dem 4. Jh. stammende Großkirche Roms. Im Zuge einer Spendenkampagne konnte sie prächtig wiederaufgebaut werden. Doch die beeindruckende antike Ausstrahlung, die sich auf dem berühmten Stich Piranesis erahnen lässt, war dahin.

[] Karriereende, das

durch Aufgabe eines Amtes, die Entlassung aus einem Amt, das Erreichen der Leistungsgrenze o. Ä. stattfindendes Ende, Beenden der aktiven Laufbahn (vor allem als Politiker oder Sportler)

Rücktritte sind an der Spitze der Vereinigten Staaten von Amerika ein äußerst seltenes Phänomen. Bisherige Präsidentschaften endeten bereits acht Mal mit dem Tod (die Hälfte davon durch Mord), doch nur ein einziger Präsident musste bisher zurücktreten: Richard Nixon scheiterte im Sommer 1974 aufgrund der Watergate-Affäre. Sein Vizepräsident, der Republikaner Gerald Ford, beendete für ihn die Amtszeit und wurde damit zum 38. Präsidenten der USA. Interessanterweise war Fords politischer Karriere etwa ein Jahr zuvor schon ein anderer Rücktritt zupassgekommen: Nixons damaliger Vizepräsident Spiro Agnew hatte sein Amt aufgrund von Korruptionsvorwürfen niederlegen müssen. Heute wäre Gerald Ford 110 Jahre alt geworden.

[] Fußballspiel, das

meist auf einem Spielfeld im Freien betriebenes Ballspiel, bei dem zwei Mannschaften nach bestimmten Regeln versuchen, einen Ball mit dem Fuß, Bein oder Kopf in das jeweils gegnerische Tor zu schießen

Der Fußballsport ist seit 1908 eine olympische Disziplin. Die olympischen Turniere wurden dabei zunächst beherrscht von europäischen Mannschaften. In den zwanziger Jahren allerdings dominierten Mannschaften südamerikanischer Länder, in denen das Fußballspiel schon damals professionell organisiert war. Die Reaktion war eine gewisse Arroganz europäischer Mannschaften, die den olympischen Gedanken von geldgierigen Profis missachtet sahen. Diese Entwicklung voraussehend, beschäftigte sich Jules Rimet mit einer Alternative – einem von den Olympischen Spielen unabhängigen Weltturnier. Dieses konnte erstmals 1930 realisiert werden. Am 13. Juli dieses Jahres begann das erste dieser Turniere, die bis heute in vierjährigem Rhythmus ausgetragen werden. Der erste, erwartbare Sieger wurde die Mannschaft von Uruguay. Auf den verständlichen Wunsch des Schiedsrichters wurde es den Zuschauern des Finals gegen Argentinien untersagt, Revolver zu tragen.

[] auf den Hund kommen, Mehrwortausdruck

sich wirtschaftlich, gesellschaftlich, gesundheitlich, moralisch im Niedergang, Verfall befinden

„Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“ – dieses berühmte Zitat ist sinnbildlich für die große Liebe, die Vicco von Bülow alias Loriot Hunden gegenüber empfand. Da verwundert es nicht, dass der Humorist Anfang der 1950er-Jahre seine Karriere als satirischer Zeichner in einer einschlägigen Comicserie im „Stern“ begann. Nach einem ersten Anlauf 1951 folgten 1953 weitere Comicstrips, in denen die Rollen von Mensch und Hund ironisch verkehrt waren – und eine solch heftige negative Reaktion seitens der Leserschaft, dass heute vor 70 Jahren die neunte Folge als tatsächlich letzte erschien. Loriots Karriere hat das frühe Ende dieser Serie mit dem Namen „Auf den Hund gekommen“ nicht geschadet. Übrigens, woher die Redensart kommt, ist unklar, wie die gleich fünf verschiedenen Erklärungsansätze zeigen.

[] Bevölkerungswachstum, das

Zunahme der Einwohnerzahl

Der Weltbevölkerungstag wird jährlich am 11. Juli begangen, um auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, die mit der stetig wachsenden Weltbevölkerung einhergehen. Dazu gehören vor allem eine höhere Nachfrage nach allen lebensnotwendigen Ressourcen und das damit verbundene Potential für soziale und politische Konflikte sowie Gefahren für Umwelt und Biodiversität. Seit November 2022 leben über acht Milliarden Menschen auf der Erde – etwa doppelt so viele wie vor 50 Jahren. Es wird vermutet, dass sich das Bevölkerungswachstum noch fortsetzen wird, wenn auch weniger stark als zuletzt. Um dieser Entwicklung begegnen zu können, braucht es weltweit mehr Bildung und nachhaltige Lösungen in allen Bereichen.

[] Trümmerfrau, die

Frau, die nach dem 2. Weltkrieg mithalf, die Trümmer zu beseitigen

Dass Deutschland in den Jahren nach 1945 „aus Ruinen auferstand“, wie es in der Nationalhymne der DDR hieß, haben wir vor allem den Frauen zu verdanken. Am 10. Juli 1946 verpflichtete der Alliierte Kontrollrat Frauen zwischen 15 und 50 Jahren zur Mithilfe bei der Trümmerbeseitigung. Viele Männer waren im Krieg gefallen, in Kriegsgefangenschaft oder „Invaliden“. Schaut man sich zeitgenössische Filmaufnahmen an, dann sieht man Frauen auf Schuttbergen stehen und Eimerketten bilden. Einige rauchen, andere schauen gelangweilt in die Kamera. Alle aber sind sich sicher nicht bewusst, dass ihr Typ als die „Trümmerfrau“ eines Tages ikonisch für die frühe Phase des Wiederaufbaus stehen würde. „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut!“ dichtete Bertolt Brecht in einem „Aufbaulied“ von 1948 passend dazu.

[] Währung, die

von einem Staat auf seinem Territorium (oder von mehreren Staaten in einem größeren Währungsraum) offiziell eingeführtes und überall gültiges Geldsystem

Groschen, Gulden, Heller, Kreuzer, Taler – diese Münzbezeichnungen kennt man noch heute. Weniger bekannt sind der Konventionsgulden und der Bremer Goldtaler. Münzen mit diesen und noch weiteren Namen prägten wie ein Flickenteppich das Deutsche Reich zum Zeitpunkt seiner Gründung 1871. Der materielle Wert dieser Münzen, ihr Goldgehalt, war ganz verschieden, und zusammen behinderten sie die Entwicklung des Handels in dem neuen Staatsgebilde. Dem begegnete man schnell: Durch ein Gesetz wurde schon im Jahr 1871 der Goldgehalt der Münzen einer einheitlichen Währung, „Mark“ genannt, festgelegt. Heute vor 150 Jahren, am 9. Juli 1873, wurde dies durch ein Münzgesetz auf die bunte Vielfalt der Landeswährungen angewendet. Diese verschwanden dann aber erst zum 1. Januar 1876, als die Mark im gesamten Reichsgebiet eingeführt wurde. Man kann diesen Schritt als eine frühe Währungsunion ansehen. Und die Älteren unter uns werden sich noch an eine Währung dieses Namens erinnern.

[] General, der

Angehöriger der höchsten Dienstgradgruppe der Offiziere in Streitkräften oder auch polizeilichen oder paramilitärischen Organisationen

Adjektiv, Substantiv, zivile und militärische Gattungs- und Einzelbezeichnung – mit dem „General“ hat man es nicht leicht. Das lateinische Adjektiv „generālis“ bedeutete eigentlich nur „zur Gattung (genus) gehörig“. Im Kirchenlatein bezeichnete es als Beiwort dann eine allgemeine, höhergestellte Amtsperson (gegenüber „specialis“, der besonderen, untergeordneten Person) und verselbständigte sich schließlich im späten Mittelalter zur Bezeichnung eines Vorstehers (so gibt es heute noch die Generale der Franziskaner). Zugleich wurde es in Frankreich auch für militärische Ränge übernommen und benennt heute sowohl die ganze Klasse der höchsten Führungsoffiziere als auch in manchen Armeen, z. B. der Bundeswehr, den heute faktisch höchsten Rang des Vier-Sterne-Generals. Die Ursprungsbedeutung blieb in Zusammensetzungen wie „Generalabsolution“ erhalten.

[] Lügen haben kurze Beine, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: Unwahrheiten bleiben nicht lange unentdeckt

Am 7. Juli 1881 erschien in einer italienischen Kinderzeitschrift die erste Folge der sukzessive veröffentlichten Abenteuer von Pinocchio. Die von Carlo Collodi konzipierte Erzählung handelt von Pinocchio, einem hölzernen, zum Leben erweckten Marionettenjungen und seinen meist leichtsinnigen Eskapaden. Doch auch der pädagogische Anspruch kommt in dem Kinderbuch nicht zu kurz: Nur durch Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Fleiß wird Pinocchio schließlich zu einem echten Jungen. Dass man ihm jede Lüge buchstäblich im Gesicht ablesen konnte – nach einer Begegnung mit einer Fee wuchs seine Nase bei jeder Lüge merklich – half dem moralischen Reifeprozess sicherlich auch.

[] Nationalpreis, der

Auszeichnung, die von einer Nation bzw. ihren Repräsentanten an Personen verliehen wird, die sich um die Nation verdient gemacht haben

Einen Kunstbegriff politischer, ja ideologischer Prägung vertrat der heute vor 125 Jahren geborene österreichische Komponist Hanns Eisler: Bereits im Alter von 18 Jahren verfasste er unter den Eindrücken seines Kriegseinsatzes erste Entwürfe für sein Chorwerk „Gegen den Krieg“. Mit der Arbeiterbewegung verband ihn zeitlebens eine enge Beziehung, die Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht ab 1930 prägte sein Schaffen. Als KPD-Mitglied 1933 ins Exil getrieben, erreichte er nach fünfjähriger Odyssee schließlich die USA. Dort entstanden unter anderem Filmmusiken für Hollywood. Nach seiner Ausweisung wegen „unamerikanischer Umtriebe“ kehrte Eisler 1947 nach Europa zurück. Für die Vertonung der Nationalhymne der DDR mit dem Nationalpreis ausgezeichnet, erhielt Eisler 1950 eine Professur für Komposition an der Hochschule für Musik, die seit 1964 seinen Namen trägt.

[] Absinth, der

aus Wermut, Anis, Fenchel und weiteren Kräutern hergestelltes, stark alkoholisches Getränk (das meist mit Wasser verdünnt genossen wird)

Der Genuss „geistiger Getränke“ ist, das sei vorausgeschickt, immer der geistigen und körperlichen Verfassung abträglich – je geistiger, umso gefährlicher. Dass das Verbot eines solchen Getränkes aber Verfassungsrang erhält, wie in der Schweiz geschehen, dürfte einmalig sein. Das Verbot von höchster Stelle geht auf eine Abstimmung zurück, bei der das Schweizer Volk sich heute vor 115 Jahren, am 5. Juli 1908, für ein ebensolches aussprach. Auslöser für die Initiative wiederum war eine blutrünstige Geschichte über einen Weinbergarbeiter, der angeblich unter dem Einfluss des Getränks seine Familie ermordete. Wie so oft bei solchen Geschichten weiß man eigentlich nichts Genaues über Ursache und Wirkung. Und so sind die Schweizer im Jahre 2005 auch wieder zur Unvernunft gekommen und haben das Verbot aufgehoben – bisher, so viel man weiß, ohne schwerwiegende Folgen für die Volksgesundheit in der Alpenrepublik.

[] jmdm. Rätsel aufgeben, Mehrwortausdruck

für jmdn. unerklärbar, nicht begreiflich sein; für jmdn. ein Problem, eine unlösbare Aufgabe darstellen

Was tun Sie an einem langweiligen Nachmittag: einen Spaziergang machen, einen Kuchen backen, ein Kreuzworträtsel lösen? Und wenn Ihnen stattdessen ein sprechendes weißes Kaninchen erschiene, würden Sie ihm in seinen Bau folgen? So tat es Alice, die Hauptfigur in Lewis Carrolls Kinderbuch „Alice im Wunderland“. Exzentrische Wesen, verzauberte Objekte und viel Unsinn – all den Rätseln und Skurrilitäten dieses Wunderlandes stellt sich das auf sich gestellte Mädchen kühn und klug. Falls Ihnen das nächste Mal langweilig sein sollte, lassen Sie sich doch von Alices Abenteuern inspirieren, die erstmals am 4. Juli 1865 in Großbritannien veröffentlicht wurden.

[] Erdmännchen, das

im südlichen Afrika beheimatetes kleines Säugetier aus der Familie der Mangusten mit braungrauem Fell, das in kleinen Kolonien in Erdbauten lebt

Fragen Sie uns nicht, warum es einen Welterdmännchtag gibt, die possierlichen Tiere können ihn heute jedenfalls feiern. Die Mini-Mangusten aus dem südlichen Afrika gehören zu den Stars in Zoos und Tier-Dokumentationen, was man gut verstehen kann angesichts ihres niedlichen Aussehens, des Wachestehens auf den Hinterfüßen und des liebevollen sozialen Umgangs der matriarchal organisierten Kolonien untereinander (wir drücken mal ein Auge zu bei der Tatsache, dass das dominierende Weibchen möglichem Nachwuchs der anderen nach dem Leben trachtet). Während sich im Deutschen der sprechende Name gegen das ältere französische „Surikate“ durchgesetzt hat, hat das Englische mit „meerkat“ ein Wort aus dem Afrikaans übernommen, das ohne Zusätze eigentlich die Meerkatze, eine Primatenart, bezeichnet.

[] UFO, das

(für ein außerirdisches Raumfahrzeug gehaltenes) unbekanntes und nicht identifiziertes Flugobjekt

Ein Flugkörper am Himmel – er leuchtet in verschiedenen Farben, schwebt, lässt technische Geräte in seiner Umgebung verrücktspielen, bewegt sich dann ungewöhnlich schnell, verschwindet gar und taucht plötzlich an anderer Stelle wieder auf. Über Sichtungen sogenannter UFOs („unidentified flying objects“) wird schon seit dem 19. Jahrhundert berichtet. Die Initialzündung für die fantastische Furore um fremdartige Fluggeräte lieferte jedoch der Sommer 1947, als eine Reihe solcher Beobachtungen von US-Bürgern in verschiedenen Bundesstaaten gemeldet wurden – unter anderem am am 2. Juli in der Kleinstadt Roswell in New Mexico. An diesem Tag wird nun jährlich der Welt-UFO-Tag begangen, um gemeinsam nach geheimnisvollen Luftraumphänomenen Ausschau zu halten und sie aufzuklären.

[] Armenisch, das

unter anderem in Armenien beheimatete indogermanische Sprache

hayr (հայր) ‚Vater‘, erkow (երկու, sprich etwa järkú) ‚zwei‘, merk (մերկ) ‚nackt‘ – diese drei (alt-)armenischen Wörter sehen so gar nicht aus wie ihre deutschen Entsprechungen. Und doch sind sie urverwandt, gehen auf dieselben urindogermanischen Wurzeln zurück. Das Armenische, schon vor Beginn der Überlieferung in der Spätantike im Kaukasus beheimatet, hat eben vorgeschichtlich starke lautgesetzliche Veränderungen erfahren. Zudem hat es so viele Lehnwörter aus iranischen Sprachen übernommen, dass die frühe Indogermanistik es daher für ebenso iranisch hielt. Erst der Orientalist Heinrich Hübschmann, heute vor 175 Jahren in Erfurt geboren, zeigte durch Konzentration auf den nicht entlehnten Kernwortschatz, dass Armenisch einen eigenen indogermanischen Zweig darstellt.

[] Blümchentapete, die

Tapete mit Blumenmuster

​​Na, was schmückt Ihre Wand zuhause? Raufaser, Baumwollputz oder doch die Fototapete? Falls Sie mal wieder über einen Tapetenwechsel nachgedacht haben, oder Spaß an kuriosen Museen haben, kommen Sie in Kassel ganz auf Ihre Kosten. Dort öffnete heute vor hundert Jahren das Deutsche Tapetenmuseum seine Tore. Gegründet auf Initiative des Tapetenfabrikanten Gustav Iven und seiner Kollegen, sollte das Museum die Tradition ihrer Branche dokumentieren und Tapeten als Kunst- und Kulturobjekte ausstellen. Die Sammlung ist bis heute auf etwa 23 000 Exponate aus fünf Jahrhunderten gewachsen: von der opulenten barocken Goldledertapete über die französischen Panoramatapeten des 19. Jahrhunderts bis hin zu den Blümchentapeten der 70er-Jahre ist für jeden Tapetenliebhaber etwas dabei.

[] Spiel mit dem Feuer, Mehrwortausdruck

riskantes, leichtsinniges Verhalten mit ungewissem Ausgang

Man ließ eine Kanonenkugel über den Boden des Raums oberhalb der Bühne rollen, warf ein aus Harz hergestelltes Pulver in die Flamme einer Kerze und schon war im Theater des vortechnischen Zeitalters die Illusion von Gewitter hergestellt. Ob Rauch, fliegende Schauspieler oder Blitz und Donner – bereits im elisabethanischen England wurden Spezialeffekte eingesetzt, um das Publikum zu beeindrucken. Dass das nicht ganz ungefährlich war, zeigte der 29. Juni 1613: Bei einer Aufführung von Shakespeares „Henry VIII“ im Londoner Globe Theatre wurde eine mit Schießpulver und Watte geladene Kanone abgefeuert, wobei das Dachstroh Feuer fing. Innerhalb einer Stunde brannte das hauptsächlich aus Holz gebaute Gebäude nieder. Verletzt wurde dabei erstaunlicherweise niemand. Die in Flammen stehende Hose eines Mannes konnte wohl noch rechtzeitig mit Ale gelöscht werden.

[] Eigeninitiative, die

Fähigkeit, aus eigenem Antrieb zu handeln bzw. in eigener Verantwortung selbst in die Wege geleitete Aktivität

„Die brandenburgische Sonne (…) war hinter dicken Wolken verborgen, die Massen um Massen Wasser herabschütteten. Nebel zog über das Moor.“ So malerisch beginnt Herbert Rosendorfer seine Beschreibung der schicksalhaften Schlacht von Fehrbellin am 28. Juni 1675 (greg.). Als sich die Nebel schließlich verzogen, hatte Brandenburg über die als unbesiegbar geltenden Schweden triumphiert. Doch der Tag markiert mehr als nur einen Wendepunkt europäischer Geschichte; er steht auch für ein Dilemma: Was steht höher, herrschaftliche Befehlsgewalt oder wohlbegründete Eigeninitiative? Ein gewisser Prinz von Homburg hatte durch sein eigenmächtiges Vorpreschen zum Ausgang der Schlacht beigetragen und damit keinen Geringeren als Heinrich von Kleist zu seinem gleichnamigen Drama inspiriert.

[] Zugriff, der

das Dingfestmachen eines Verdächtigen im Rahmen der Strafverfolgung

Für Aufsehen sorgte vor 30 Jahren der GSG-9-Einsatz zur Festnahme zweier RAF-Mitglieder. Beim Treffen mit einem V-Mann werden Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld am 27.6.1993 im Bahnhof von Bad Kleinen Ziel eines Zugriffs. Hogefeld wird von mehreren Beamten in der Bahnunterführung verhaftet, Grams flieht auf den Bahnsteig und zückt seine Pistole. Der Polizist Michael Newrzella wird beim nun folgenden Schusswechsel tödlich verletzt. Danach stürzt Grams ins Gleis, den Kopfschuss aus der eigenen Waffe fügt er sich nach Einschätzung mehrerer Gutachten aller Wahrscheinlichkeit nach selbst zu. Wiewohl der Abschlussbericht der Bundesregierung eine Fremdtötung kategorisch ausschließt, konnte die Auslegung, dass der Verletzte sich nicht selbst getötet habe, auch aufgrund einer unzulänglichen Spurensicherung nicht restlos ausgeräumt werden.

[] Nachleben, das

in der Erinnerung der Lebenden haftende Nachwirkung eines Menschen, der gestorben ist oder einer Sache, Idee, die vergangen, nicht mehr wirkmächtig ist

1483 erklimmt, o Schurke, der Duke von Gloucester den englischen Thron. Shakespeares Drama über einen, der „gewillt, ein Bösewicht zu werden / Und feind den eitlen Freuden dieser Tage“, prägt seit Generationen das Bild des ruchlosen letzten Königs aus dem Hause York, besser bekannt als Richard III. Dessen Regentschaft währte nur gut zwei Jahre; 1485 fiel er in der Schlacht von Bosworth. 2012 wurden seine sterblichen Überreste entdeckt und wissenschaftlich analysiert; dabei stellte sich heraus, dass selbst die Statur des Herrschers nicht der populären Vorstellung von dem Buckligen entsprach. Doch wohl noch lange wird uns sein verzerrtes Konterfei einflüstern: „Ich tu das Bös’ und schreie selbst zuerst. / Das Unheil, das ich heimlich angestiftet, / Leg ich den andern dann zur schweren Last.“

[] Fünfprozenthürde, die

Klausel im Wahlrecht, die bestimmt, dass Parteien mit weniger als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen keinen Sitz im Parlament erhalten

Heute vor 70 Jahren beschloss der Bundestag eine Änderung zum Wahlgesetz, wonach die sog. Fünfprozentklausel, umgangssprachlich besser bekannt als Fünfprozenthürde, einheitlich auf Bundesebene und nicht mehr wie bei der ersten Bundestagswahl 1949 getrennt nach Ländern gezählt wird. Doch was verbirgt sich genau dahinter? Manche wissen es sicher noch aus dem Gemeinschaftskunde-Unterricht: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der BRD für Wahlen diese Sperrklausel eingeführt, so dass es nicht mehr wie in der Weimarer Republik reichte, genug Stimmen für ein Mandat zu erhalten, sondern es mussten gleich mehrere direkte oder anteilige Mandate erlangt werden. Das wirkt einer Zersplitterung des Parlaments in Fraktionen mit Partikularinteressen entgegen und hat sich im Großen und Ganzen bewährt.

[] Berliner, der

Person, die in Berlin geboren und aufgewachsen ist; Person, die in Berlin wohnt

Am Morgen des 24. Juni 1948 müssen die Einwohner der Westsektoren Berlins feststellen, dass ihnen der Strom abgedreht wurde. Mehr noch: Das als Enklave in der sowjetischen Besatzungszone eingeschlossene Westberlin war abgeriegelt. Als Reaktion auf die Währungsreform der westlichen Besatzungsmächte in der Trizone, die die UdSSR als Provokation empfand, hatten die sowjetischen Besatzer die Energieversorgung der von den USA, Großbritannien und Frankreich besetzten Teile Berlins eingestellt sowie Zufahrtswege in die bzw. aus den Westzonen gesperrt. Diese Blockade, die fast ein Jahr lang andauern sollte, gilt als erster Höhepunkt des Kalten Kriegs. Dank der Bemühungen der Westalliierten und der Standhaftigkeit der Westberliner Bevölkerung, die sich lieber in Verzicht übte, als von propagandistischen Angeboten der sowjetischen Militäradministration Gebrauch zu machen, blieb dieser Einschüchterungsversuch jedoch erfolglos.

[] steiniger Weg, Mehrwortausdruck

schwieriger, durch zahlreiche Hindernisse oder Rückschläge geprägter Weg zu einem bestimmten Ziel; ein Vorhaben, Projekt o. Ä., dessen Realisierung viel Mühe, Anstrengung und Opferbereitschaft erfordert

Wilma Rudolph musste bis zu ihrem Erfolg als Leichtathletin einen steinigen Weg beschreiten. Am 23. Juni 1940 kam sie als zwanzigstes von zweiundzwanzig Kindern auf die Welt. Eine Polio-Erkrankung im Kindesalter ließ ihr linkes Bein gelähmt zurück. Doch sie kämpfte gegen alle Widrigkeiten an – auch gegen die, mit denen sie sich als Afroamerikanerin im Amerika ihrer Zeit konfrontiert sah –, konnte mit 12 wieder gehen und begann kurz darauf mit dem Lauftraining. 1956, mit 16 Jahren, gewann sie Bronze bei den Olympischen Spielen. 1960 brach sie in Rom den Weltrekord in der 4-mal-100-Meter-Staffel und gewann dreifaches Gold. Zufrieden mit dem, was sie erreicht hatte, beendete sie ihre Sportkarriere zwei Jahre später und engagierte sich fortan für soziale Projekte und die Rechte schwarzer Menschen.

[] Texterin, die

weibliche Person, die einen Text verfasst (hat)

„Girls just want to have fun”, rief Cyndi Lauper 1983 in die Welt hinaus. Was viele vermutlich nicht wissen: Der Song stammt ursprünglich aus der Feder eines Mannes. Lauper war zunächst skeptisch, da sie die Zeilen so gar nicht als „fun“, sondern eher als misogyn empfand. Also schrieb sie Teile des Textes von Robert Hazard aus weiblicher Perspektive um, sang das Lied mit ihrer unverwechselbaren Stimme ein und schuf damit eine feministische Hymne, die lautstark kundtut, dass junge Frauen in der Lage sein wollen, dieselben Erfahrungen zu machen wie Männer. Mit zahlreichen weiteren Hits wie „True Colors“ oder „Time After Time“ sowie ihrem verspielten und zugleich punkigen Erscheinungsbild avancierte Cyndi Lauper zur unangepassten Popikone der 80er Jahre. Heute feiert die Sängerin, Songschreiberin, Schauspielerin und Aktivistin mit den ständig wechselnden Haarfarben ihren 70. Geburtstag.

[] Morpheus' Arme, Mehrwortausdruck

ruhiger, erholsamer Schlaf

Ausreichender und gesunder Schlaf ist unverzichtbar für unsere Leistungsfähigkeit, unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit. Ein großer Teil der Bevölkerung leidet jedoch an Schlafstörungen oder Schlaferkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sieht ihre Aufgabe darin, auf die Wichtigkeit von erholsamem Schlaf aufmerksam zu machen und wissenschaftlich fundiert über dieses Thema zu informieren. Dazu findet jährlich am 21. Juni der Aktionstag „Erholsamer Schlaf“ statt. Unter dem diesjährigen Motto „Einfach schlafen!“ möchte die DGSM unter anderem mit Erkenntnissen aus der Schlafforschung über populäre Irrtümer und die (nicht belegte) Wirksamkeit angepriesener Gadgets und Wundermittel aufklären.

[] Hirsebrei, der

Brei aus in Milch oder Wasser gekochter Hirse

Schützenfeste sind dafür bekannt, verrückte Ideen hervorzubringen. So auch bei einem gemeinsamen Fest der befreundeten Städte Straßburg und Zürich. Um den Elsässern zu beweisen, dass sie im Ernstfall sofort zur Hilfe eilen könnten, kündigten die Eidgenossen an, die Strecke von Zürich nach Straßburg innerhalb von nur 24 Stunden auf dem Flussweg zurücklegen zu wollen – so schnell, dass ein in Zürich gekochter Hirsebrei noch warm in Straßburg ankäme. Gesagt, getan: Die erste Hirsebreifahrt fand 1456 statt. Zu einer besser dokumentierten Wiederholung der historischen Wette kam es am 20.06.1576. Auch heute finden noch regelmäßig Hirsebreifahrten statt, jedoch dauern sie aufgrund der vielen Schleusen und Wehre mittlerweile zweieinhalb Tage. Der Hirsebrei wird daher erst in Kehl an Bord gebracht.

[] Rechenmaschine, die

meist historisch: Maschine zur automatisierten Ausführung arithmetischer Operationen (z. B. Addition, Subtraktion)

Heute jährt sich der Geburtstag des französischen Universalgelehrten Blaise Pascal zum 400. Mal. Sein Interessens- und Wirkungsfeld erstreckte sich von naturwissenschaftlichen Phänomenen bis hin zu philosophischen und theologischen Fragestellungen. Eine seiner bedeutendsten Erfindungen war eine mechanische Rechenmaschine, die seinem Vater, einem Steuereinnehmer, die lästige Kopfrechenarbeit abnehmen sollte: Die „Pascaline“ beherrschte Addition und später auch Subtraktion mit bis zu sechsstelligen Zahlen. Die einzelnen Ziffern konnten mittels eines Speichenrads wie bei einer Telefonwählscheibe eingestellt werden. Ein filigraner Zahnrad- und Hebelmechanismus ließ das Ergebnis dann in einem Anzeigefenster erscheinen.

[] Autismus, der

Entwicklungsabweichung, die sich vor allem in Schwierigkeiten im sozialen Umgang, in der Kommunikation und in wiederkehrenden, stereotypen Verhaltensweisen äußert

Moment, ein Aktionstag für die Akzeptanz von Menschen mit Autismus, war der nicht neulich? Richtig, das war der Welt-Autismus-Tag der Vereinten Nationen, der seit 2007 am 2. April begangen wird. Heute hingegen ist der „Autistic Pride Day“, der sich nicht nur in Name und Flagge an die „Gay Pride“-Bewegung für Homosexuellenrechte anlehnt, sondern auch in der Kernforderung, Autismus als natürliche Andersartigkeit statt als zu heilende Krankheit anzusehen. Da das Autismus-Spektrum sehr verschiedene Ausprägungen hat, findet sich aber auch Kritik an der zu großen Pauschalität dieser Ablehnung jeglicher Behandlung. Zum Glück sind sich aber in der Buntheit der Positionen alle einig: Menschen mit Autismus verdienen Anerkennung ihrer Besonderheit und Respekt.

[] Kunstfreiheit, die

das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Freiheit der Kunst, insbesondere auf die Freiheit der künstlerischen Arbeit und die Freiheit, den Inhalt eines Kunstwerks einem Publikum zugänglich zu machen

Aufruf zu Revolution und Blutvergießen? Die Worte des Gedichts „Die Todten an die Lebenden“ schienen unmissverständlich: „Sie [die rote Fahne] fliegt voran der Bürgerwehr, sie fliegt voran dem Heere / Die Throne gehen in Flammen auf, die Fürsten fliehn zum Meere!“ Der Dichter Ferdinand Freiligrath (geb. 17. Juni 1810), der sich seine Verbitterung über die gescheiterte Revolution von 1848 von der Seele geschrieben hatte, stand im selben Jahr in Düsseldorf vor Gericht. Doch er hatte kluge Verteidiger – und noch klügere Zeugen. Auf die Frage des Richters, ob das Gedicht beim Zeugen nicht den Wunsch geweckt habe, zur Gewalt zu schreiten? „Oh, es hat mir sehr gefallen. Es hat den Eindruck auf mich gemacht, den ein schönes Gedicht immer macht … es hat mich nur aufgemuntert, ihm meinen Beifall zu zollen.“ Freiligrath wurde freigesprochen.

[] Rollator, der

von gehbehinderten, häufig älteren Personen benutzte Gehhilfe, die mit vier Rollen, einer Sitzfläche und einem Einkaufskorb ausgestattet ist

Am 16. Juni 1983 verstarb die Schwedin Aina Wifalk, die mit ihrer Erfindung des Rollators Millionen Menschen auf der ganzen Welt neue Bewegungsfreiheit geschenkt hat. Während der Ausbildung zur Krankenschwester erkrankte Wifalk an Polio und war fortan auf Gehhilfen angewiesen. Die permanente Belastung ihrer Schultern durch Krücken setzte ihr schwer zu, daher ließ sie sich von einem Bücherwagen, wie er in Bibliotheken verwendet wird, inspirieren und entwickelte kurzerhand den Vorläufer des modernen Rollators. Ihr innovatives Design mit vier Rädern, Handbremsen und einer Sitzfläche zum Ausruhen revolutionierte die Mobilität von Menschen jeden Alters. Um ihre Erfindung möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, verzichtete sie auf eine Anmeldung zum Patent.

[] frischer Wind, Mehrwortausdruck

neuer Antrieb, Elan; unkonventionelle, moderne Ideen; Innovationen, positive Veränderungen

Bei der Erzeugung von Windkraft liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 3 – mit etwa 30.000 Windkraftanlagen und einer installierten Gesamtleistung von über 60.000 Megawatt. Die meisten Windkraftanlagen befinden sich in Norddeutschland, insbesondere in den Küstenregionen. Und es sollen bis 2030 noch wesentlich mehr gebaut werden; die Ziele der Bundesregierung sind ambitioniert. Nach aktuellem Stand werden sie jedoch weit verfehlt, etwa durch begrenzte Flächen und Transportschwierigkeiten. Vor allem eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren könnte frischen Wind in den Ausbau der Windenergie bringen.

[] Alzheimerkrankheit, die

hirnorganische Demenzerkrankung, die mit Störungen bis zum fast vollständigen Verlust des Gedächtnisses und der Orientierung sowie starker Persönlichkeitsveränderung einhergeht

Mit ihm hielt etwas Menschlichkeit Einzug in die Psychiatrie. In einer Zeit, in der psychisch Kranke und geistig Behinderte verschämt weggesperrt, angebunden und mit zweifelhaften Methoden mehr gequält als therapiert wurden, vermied er Zwang, setzte auf Gespräche und Spaziergänge. Bekannt wurde der Psychiater Alois Alzheimer allerdings durch die nach ihm benannte demenzielle Erkrankung. Er hatte als erster die von Eiweißablagerungen und massenhaftem Absterben von Nervenzellen begleiteten krankhaften Veränderungen im Gehirn beschrieben. Geboren wurde er am 14. Juni 1864.

[] Badewasser, das

Wasser, in dem man baden oder schwimmen kann; Wasser, in dem man gebadet hat

„Natürlich muss man auf dem Rücken liegen / So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen. / Man muss nicht schwimmen, nein, nur so tun, als / Gehöre man einfach zu Schottermassen.“ Wer an heißen Junitagen nichts mit sich anzufangen weiß, könnte sich inspirieren lassen von Bertolt Brechts Zeilen. Mit einer Erfrischung im Freien hat der Internationale Badetag, der jährlich am 14. Juni stattfindet, aber wenig zu tun. Vielmehr soll vor über 2000 Jahren eine Woche vor Sommerbeginn Archimedes von Syrakus nach einem Wannenbad laut „Heureka!“ gerufen haben. Grund war die Erlangung der heute als Archimedisches Prinzip bekannten Erkenntnisse über den Auftrieb von Körpern in Flüssigkeiten und Gasen. Diese lassen sich jedoch auch in Badewassern unter freiem Himmel austesten.

[] Ku-Klux-Klan, der

rassistischer und rechtsextremer, besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiver Geheimbund in den USA, der mit teilweise terroristischen Mitteln vor allem gegen die Gleichberechtigung der Afroamerikaner kämpft

Der bittere Sarkasmus des Witzes, in dem angesichts eines von Kugeln durchsiebten Schwarzen ein Südstaaten-Sheriff den Kollegen fragt, ob er schon mal so einen schlimmen Selbstmord gesehen habe, kommt nicht von ungefähr: Im US-Süden waren auch noch in den 1960er-Jahren institutionalisierter Rassismus und gewalttätige Behinderung von Bürgerrechtlern gang und gäbe. Vor den Morden an Malcolm X und Martin Luther King traf es heute vor 60 Jahren Medgar Evers, der sich in der National Association for the Advancement of Colored People engagiert hatte. Er wurde hinterrücks vor seinem Haus von einem Ku-Klux-Klan-Mitglied erschossen. Der Schütze wurde bald festgenommen, doch eine nur von weißen Männern besetzte Jury verhinderte zweimal eine Prozessaufnahme. Erst 1994 gelang es, den Mörder zu verurteilen.

[] Paläontologe, der

Forscher der Paläontologie, der die Entwicklung des Lebens vergangener Erdzeitalter untersucht

„Welcome to Jurassic Park“ spricht der exzentrische Milliardär, und ebenso wie den beiden Paläontologen auf der Leinwand klappten auch den Zuschauern im Kinosaal die Kinnladen nach unten, als Steven Spielbergs Film „Jurassic Park“ heute vor 30 Jahren Premiere in den USA feierte. Setzte die Verfilmung eines Romans von Michael Crichton um in der Jetztzeit durch Klonen wiedererstandene Dinosaurier doch neue Maßstäbe in der Tricktechnik: Die (für stolze 18 Millionen Dollar) am Computer erzeugten Dinosaurier (übrigens nicht nur aus dem Jura, sondern vor allem auch aus der Kreidezeit) wirkten beeindruckend echt. Der bei Publikum und Kritikern beliebte Film hielt bis zum Erscheinen von „Titanic“ den Rekord des höchsten Kino-Einspielergebnisses und wurde bisher fünfmal fortgesetzt.

[] Meistertitel, der

Sport: durch herausragende Leistungen erworbene Position als bester Teilnehmer in einem sportlichen Wettkampf oder Turnier, als Erster einer Liga

Es war eine Sternstunde für die Fußballabteilung des Hamburger Sport-Vereins: Am 10. Juni 1923 holten sich die „Rothosen“ zum ersten Mal den deutschen Meistertitel. Damals und bis 1933 wurde die Meisterschaft noch im K.-o.-System ausgefochten, im Finale standen sich die Hamburger und die Spieler von Union Oberschöneweide im Deutschen Stadion in Berlin gegenüber. Rund 64.000 Fans (fast doppelt so viele wie offiziell im Stadion zugelassen waren) erlebten den 3:0-Sieg des HSV. Für den Verein folgten seither noch fünf weitere Meistertitel. Der nächste liegt heute – 100 Jahre später – wohl noch in unbestimmter Ferne; kürzlich musste sich die Mannschaft im Kampf um den Wiederaufstieg in die erste Bundesliga dem VfB Stuttgart geschlagen geben.

[] Pazifistin, die

weibliche Person, die jegliche Form der bewaffneten Auseinandersetzung und kriegerischen Handlung aus ethischen Gründen ablehnt

Vorhersehbar war ihr Lebensweg nicht: Denn das Militärische hat die heute vor 180 Jahren als Gräfin Kinsky geborene Bertha von Suttner von Anfang an begleitet. Aus ihrer Familie gingen mehrere Generäle hervor; sie selbst erlebte als freie Berichterstatterin den Russisch-Türkischen Krieg von 1877 mit. Erst in intensiven Gesprächen mit Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamit, wurde ihr die mörderische Zerstörungskraft moderner Kriege bewusst und der Pazifismus, die Gründung einer internationalen Friedensbewegung zur Lebensaufgabe. Auch wenn diese am blutigen Verlauf des 20. Jahrhunderts wenig ändern konnte. Der Friede zwischen Völkern bleibt ein Vermächtnis, das seinen sichtbaren Ausdruck im jährlich verliehenen Friedensnobelpreis findet, dessen Stiftung Bertha von Suttner angeregt hat.

[] Mystikerin, die

weibliche Person, die mystische, auf einer Offenbarung beruhende oder durch Offenbarung gewonnene Ideen, Lehren o. Ä. vertritt bzw. verbreitet

Juliana von Lüttich, eine fromme Ordensfrau, hat bereits in jungen Jahren eine wiederkehrende Vision. Darin sieht sie den Mond in vollem Glanz – abgesehen von einem Stück, das der Mondscheibe fehlt. Zunächst weiß sie dies nicht zu deuten, bis ihr eines Tages Jesus selbst erscheint, um das Rätsel zu entschlüsseln: Der Mond stehe für die Kirche, das fehlende Stück für das Fehlen eines Fests im Kirchenjahr. Als der Bischof von Lüttich von dieser Vision erfährt, ordnet er für seine Diözese ein Fest zu Ehren der Einsetzung der Eucharistie an. So kam es, dass 1247 das erste Fronleichnamsfest in Lüttich begangen wurde. Im Jahr 1264 erklärte Papst Urban IV. es schließlich – inspiriert vom Blutwunder von Bolsena – zu einem Fest der gesamten Kirche, dem „Hochfest des allerheiligsten Leibes und Blutes Christi“. Noch heute ist Fronleichnam (wörtlich: ‚Leib des Herrn‘) in katholisch geprägten Gegenden ein Feiertag.

[] Coversong, der

Lied, das als Coverversion, als neuere Aufnahme eines älteren Musiktitels aufgenommen oder vorgetragen wird

Als das Label „Decca Records“ am 7.6.1963 die Single einer fünfköpfigen Newcomerband veröffentlicht, lässt die Auswahl der beiden Songs vermuten, dass das Plattenstudio auf eine einträgliche Verwertung aus ist und daher auf Nummer sicher geht: Sowohl der Titelsong „Come On“ als auch die B-Seite „I Want to Be Loved“ stammen von etablierten Musikgrößen, dem Rock ’n’ Roller Chuck Berry und dem Bluesmusiker Willie Dixon. Ungeachtet des Erfolgs der Scheibe (erreicht Platz 21 und hält sich 14 Wochen in den UK-Top-100-Charts) ahnt noch niemand, dass für eine der langlebigsten Formationen der Rockgeschichte mit dieser Veröffentlichung der Stein ins Rollen kommt: Die „Rolling Stones“ betreten die Weltbühne.

[] Nationalfeiertag, der

gewöhnlich durch besondere historische Ereignisse begründetes Datum, an dem ein Staat sich bzw. sein Staatsvolk feiert, gewöhnlich durch Ruhen der Arbeit, Veranstaltungen, Paraden o. Ä.

Mit seinen vierzig Jahren ist der schwedische Nationalfeiertag, der am 6. Juni begangen wird, noch recht jung. Zuvor als „Tag der schwedischen Flagge“ bekannt, hatte das Datum in Schwedens Geschichte schon verschiedentlich eine Rolle gespielt. So fand am 6. Juni 1523 die Krönung König Gustav Wasas statt, mit dessen Regentschaft auch die Unabhängigkeit Schwedens von Dänemark erreicht wurde. Der Tag erinnert zudem an die schwedische Verfassungsreform im Jahre 1809, die die Grundlage für den schwedischen Staat legte, wie wir ihn heute kennen. Erst seit 2005 ist der 6. Juni auch ein arbeitsfreier Tag – übrigens vor allem auch zu dem Zweck, dass ins Land Eingewanderte feierlich in ihrer neuen Heimat begrüßt werden.

[] Wirtschaftsschule, die

prägende Richtung der Wirtschaftswissenschaften

Hätten die Regierungen der Welt auf ihn gehört, womöglich wäre das 20. Jahrhundert in weiten Teilen anders verlaufen – weniger verheerend für die Volkswirtschaften und wohl auch weniger blutig. Der Mathematiker John Maynard Keynes, geboren am 5. Juni 1883 als Spross einer britischen Akademikerfamilie, war schon früh ein strikter Gegner der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die niedrige Löhne, Geldverknappung und strenge Haushaltsdisziplin als Grundlage für eine prosperierende Volkswirtschaft propagierte, tatsächlich aber dafür verantwortlich war, dass die Börsenkrise von 1929 in der Weltwirtschaftskrise mündete – mit den bekannten Folgen. Und heute? Ob Banken- oder Coronakrise: Das keynesianische Prinzip, dass in Krisenzeiten der Staat die Wirtschaft mit Geldmitteln stützen muss, ist breiter Konsens.

[] Misanthrop, der

jmd., der Menschen verachtet, die Menschheit hasst und häufig den Umgang mit anderen Personen meidet

Die Verpflichtung zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit – das ist eine Sache für die Wissenschaft und sollte in diesem Geschäft ernst genommen werden. Höflichkeit im eigentlichen Sinne – „devoirs de la politesse“, Umgangsform der höfischen Gesellschaft – erlaubt die Halbwahrheit, gelegentlich auch die Notlüge, die Schmeichelei („War mein Vortrag gut?“ – „Geradezu brillant.“), ja, diese sind sozusagen ein Schmiermittel im Getriebe der Gesellschaft. Stellt man den Willen zur Wahrhaftigkeit absolut und über die höflichen Umgangsformen, dann landet man schnell in der Einsamkeit am Rande der Gesellschaft, so wie Alceste, der Held von Molières Bühnenstück „Der Menschenfeind“. Das Stück wurde am 4. Juni 1666 im Palais Royal in Paris uraufgeführt.

[] jmdm. an die Nieren gehen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: ⟨etw. geht jmdm. an die Nieren⟩ jmdn. (sehr) belasten, erschüttern; jmdn. aus der Ruhe bringen, aufregen

Gesundheitliche Nöte – seien es eigene oder die geliebter Bezugspersonen – können erschüttern, sprichwörtlich an die Nieren gehen. In Deutschland warten derzeit etwa 8500 Menschen auf ein Spenderorgan, die meisten davon auf eine Niere. Jedoch werden aus verschiedenen (vor allem rechtlichen) Gründen hierzulande nur unter 1000 Organe pro Jahr gespendet. Zur Erleichterung der bürokratischen Abläufe sollte bereits im Frühjahr 2023 ein zentrales Online-Register an den Start gehen und den Organspendeausweis ersetzen. Es befindet sich noch immer im Aufbau. Zudem ist derzeit ein erneuter Versuch zur Einführung der sogenannten Widerspruchslösung geplant, bei der standardmäßig von einer Bereitschaft zur Organspende ausgegangen wird, solange kein Widerspruch vorliegt. In Spanien wird diese Regelung bereits erfolgreich praktiziert.

[] Akademie, die

Vereinigung, Gesellschaft (von Gelehrten) zur Förderung der Forschung und Vertiefung wissenschaftlicher oder künstlerischer Studien

In der von schmerzhaften Nachwehen des europäischen Kolonialismus gezeichneten Geschichte Afrikas in der 2. Hälfte des 20. Jhs. steht der Senegal mit seinem ersten Präsidenten Léopold Sédar Senghor als Ausnahme da. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich der Senegalese, damals noch Bürger des französischen Kolonialreichs, einen Namen als Dichter gemacht, nach 1945 engagierte er sich in der Politik in Frankreich bzw. Westafrika und erlangte international hohes Ansehen, auch wenn seine politischen und literarischen Leistungen mitunter als zu sehr auf Europa und zu wenig auf Afrika bezogen kritisiert werden. Heute vor 40 Jahren wurde Senghor eine besondere Auszeichnung zuteil: Als erster Afrikaner wurde er in die altehrwürdige Académie Française aufgenommen.

[] Milch, die

von Kühen (auch Ziegen, Schafen und anderen weiblichen Tieren) durch Melken gewonnenes und vielseitig verwendetes Nahrungsmittel, das auch zu Milchprodukten wie Butter, Käse oder Joghurt weiterverarbeitet wird

„Got milk?“ – der einprägsame Slogan in Verbindung mit einer Person mit „Milchbart“ gehört zu den bekannteren Werbekampagnen. Auch über die USA – das Ursprungsland der Kampagne – hinaus wird seit 2001 zumeist am 1. Juni der „Weltmilchtag“ begangen, mit dem UN-Ernährungsorganisation und Milchwirtschaft den Konsum tierischer Milch(produkte) fördern wollen. Dieser Verbrauch wird aber auch aus ethischen, umweltschutztechnischen und gesundheitlichen Gründen kritisch gesehen, und seit Jahren nimmt der Konsum von Soja-, Hafer- und anderer Pflanzenmilch (auch wenn sie hierzulande nicht so heißen darf) stetig zu. Der großen Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung kann es ohnehin egal sein, denn die verträgt zumindest keine Kuhmilch.

[] Dichtung und Wahrheit, Mehrwortausdruck

Ausgedachtes, Fiktion und Tatsächliches, Faktisches

Heinrich Schliemann war eine erstaunlich facettenreiche Persönlichkeit: Einerseits Träumer, Heldenerzähler in eigener Sache, aber eben auch erfolgreicher Geschäftsmann und innovativer Archäologe. Doch als bei den Troja-Grabungen am 31. Mai 1873 auf dem Hisarlık Tepe Gold entdeckt wurde, brannte wohl der Phantast mit ihm durch. Gemeinsam mit seiner Frau Sophia will er den Depotfund unter dramatischen Umständen gefunden haben: „In größter Eile schnitt ich den Schatz mit einem großen Messer heraus, was nicht ohne die allergrößte Kraftanstrengung und die furchtbarste Lebensgefahr möglich war.“ Dass seine Frau an dem Tag gar nicht vor Ort war, der vermeintliche „Schatz des Priamos“ (wie er sehr wohl wusste) einer viel früheren Epoche entstammte – was machte das schon, wenn es galt eine knackige Anekdote zum Besten zu geben.

[] aus dem Stegreif, Mehrwortausdruck

ohne jegliche Vorbereitung; spontan und improvisiert

Wenn man improvisiert, muss man die Gelegenheit da ergreifen, wo man gerade steht. So etwa denken viele, wenn sie die Wendung „aus dem Stehgreif“ hören oder aussprechen. Doch tatsächlich ist diese stimmig klingende Herleitung – ebenso wie die (häufige) Schreibung mit -h- – schlicht falsch. Es ist der Steg-Reif, der „Steig-Ring“, der hier Pate stand: Denn wer könnte wohl mit mehr Spontaneität reagieren als ein Reiter, der mit den Füßen noch fest im Steigbügel (wie wir heute sagen) steht. Während die wörtliche Ursprungsbedeutung verschwunden ist, hat sich die übertragene Bedeutung inzwischen selbständig gemacht.

[] Versöhnung, die

friedvolle Beilegung von Streitigkeiten oder Zerwürfnissen; entgegenkommende Verständigung mit Gegnern oder Feinden

Der 29. Mai 1993 zählt unzweifelhaft zu den dunkelsten Tagen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. In Solingen verüben vier junge Neonazis in jener Nacht einen Brandanschlag auf das Wohnhaus einer türkischstämmigen Familie. Fünf Menschen kommen dabei ums Leben: Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç. Viele weitere werden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Trotz des unsäglichen Leids, das der Familie zugefügt wurde, setzen sich Angehörige der Opfer bis heute für ein friedliches Miteinander ein und rufen zur Versöhnung auf. Der im letzten Jahr verstorbenen Mevlüde Genç, welche vor 30 Jahren zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor, wurde für ihr zivilgesellschaftliches Engagement das Bundesverdienstkreuz verliehen.

[] Softwarepaket, das

mehrere aufeinander abgestimmte (sich in ihren Funktionalitäten ergänzende) Anwendungsprogramme, die als Einheit vertrieben werden

Es hätte eine Erfolgsstory werden können, es wurde eine Provinzposse: Heute vor 20 Jahren beschloss die Stadt München, ihre EDV bevorzugt auf freie bzw. quelloffene Software umzustellen. Schrittweise erfolgte ab 2006 der Übergang auf ein Softwarepaket aus Linux, Open/LibreOffice und eigenen Erweiterungen. Gründe für die Umstellung waren neben der Einsparung von Lizenzkosten für Windows-Software und durch den Weiterbetrieb alter Hardware besonders die langfristige Datensicherheit und Unabhängigkeit. 2013 war das Projekt ohne größere Probleme abgeschlossen. Die kleineren Probleme wurden aber 2014 Thema im Oberbürgermeister-Wahlkampf, und die neue Regierung beschloss schließlich 2017 die Rückkehr zu Windows. Als diese 2020 abgeschlossen war, gab es wieder eine neue Regierung – und einen Beschluss pro Open Source. Es bleibt spannend …

[] Außenpolitik, die

Prinzipien und politisches Handeln eines Staates in Bezug auf die Beziehungen mit anderen Staaten und die Wahrung der Rechte des Staates oder seiner Bürger im Ausland

Im Jahr seiner Geburt wurde Stresemann Reichskanzler der Weimarer Republik, jetzt im hohen Alter beschäftigt er sich mit der Auswirkung künstlicher Intelligenz auf die Politik. Mit seinen nun 100 Jahren hat Henry Kissinger Weltgeschichte als Zeitzeuge miterlebt und als Chefdiplomat oder Präsidentenberater vielfach mitgeprägt, sei es über die Aufnahme direkter Gespräche mit der Volksrepublik China oder die Beendigung des Vietnamkrieges (nicht ohne vorher militärisch zu eskalieren). Den einen gilt er als skrupelloser Machtpolitiker, gar als Kriegsverbrecher, den anderen als genialer Realpolitiker, der die Beziehungen der Großmächte auf eine rationale Basis stellte. Mit seinen Feinden und Bewunderern teilt er das Bewusstsein für die Bedeutung der Diplomatie, wo es gilt Kriege zu beenden oder gar zu verhindern.

[] Klapprad, das

umgangssprachlich: Fahrrad, das für den Transport auf ein kleineres Format zusammengelegt werden kann

Mobilität für alle – das war die Devise des Freiburger Erfinders Engelbert Zaschka. Besonders die Belange des „kleinen Mannes“ lagen ihm am Herzen, und so entwickelte er Lösungen für das aufkeimende (Park-)Platzproblem in den Großstädten der 1920er und 30er Jahre. „Zaschkas Klapprad“, das er am 26.5.1950 in Paris zum Patent anmeldete, war nur eines der von ihm erfundenen Fortbewegungsmittel. Vom Klappski bis hin zu einem Faltauto, das, in drei Teile zerlegt, platzsparend im Hausflur oder in der Wohnung abgestellt werden konnte, zeigt sich in seinen Erfindungen vor allem sein Faible für Klappmechanismen. Faltautos würden heute wohl als technische Spielerei abgetan, doch das Klapprad erfreut sich immer noch, nicht nur bei Pendelnden, großer Beliebtheit.

[] Dekolonisation, die

Entlassung einer Kolonie aus der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Abhängigkeit vom Mutterland

Es war ein Meilenstein in der Geschichte Afrikas: Heute vor 60 Jahren kamen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba dreißig afrikanische Staaten zusammen und gründeten die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU). Die Hauptziele dieser Organisation waren die Förderung der konsequenten Dekolonisation und die Stärkung der Einheit, Solidarität und wirtschaftlichen Zusammenarbeit unter den afrikanischen Staaten. Afrika hatte zu diesem Zeitpunkt bereits lange Zeit unter der unterdrückenden und ausbeuterischen europäischen Kolonialherrschaft gelitten. Das Ziel der Dekolonisation wurde schließlich im Jahr 1990 mit der Unabhängigkeit Namibias und im Jahr 1994 mit der Abschaffung der Apartheid in der Republik Südafrika erreicht.

[] Brücke, die

Bauwerk, das als Teil eines Weges der Überquerung eines physischen Hindernisses (z. B. eines Geländeeinschnitts, einer Straße, eines Gewässers) dient

Als nach 14-jähriger, von dramatischen Umständen begleiteter Bauzeit am 24.5.1883 die „New York and Brooklyn Bridge“ eröffnet wurde, war die Welt um einen weiteren Superlativ reicher. Die damals längste Hängebrücke der Welt überspannt den East River auf einer Gesamtlänge von über 1830 Metern. Brücken gelten seit jeher als Symbol für das Verbindende und werden häufig mit der Überwindung sprachlicher Barrieren, sozialer Ungleichheit, kultureller und anderer Differenzen assoziiert. Längst ist die Brooklyn Bridge zu einem Wahrzeichen des amerikanischen Traums geworden, als Sehnsuchtsort spielt sie in zahlreichen Werken der Literatur, der Kunst, des Films eine tragende Rolle.

[] Visionär, der

Person, die klare und realistische Vorstellungen von wichtigen, weitreichenden Entwicklungen in der Zukunft hat

Es war ein Vortrag voller Kultur- und Zukunftsoptimismus – die Vision einer besseren, gerechteren Gesellschaft, ebenso mitreißend wie der Redner selbst, Ferdinand Lassalle. Wo andere nur noch im gewaltsamen Umsturz und der völligen Umkehrung der Machtverhältnisse eine Lösung sahen, glaubte Lassalle an eine Verbesserung der Verhältnisse im Einklang mit den „Fortschritten der Kultur, mit dem Lebensprinzip der Geschichte selbst, welche nichts anderes als die Entwicklung der Freiheit ist“. Die 1862 in Berlin vor dem Handwerkerverein gehaltene Rede „Das Arbeiterprogramm“ führte schon im folgenden Jahr, am 23. Mai 1863 zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV). Er gilt als Vorläuferorganisation der SPD.

[] Walkürenritt, der

musikalische Darstellung der Walküren bei ihrer Zusammenkunft zu Pferde am Beginn des dritten Aufzugs von Richard Wagners Oper »Die Walküre«

Man kann ihm als Person nun wirklich kaum etwas Positives abgewinnen: Richard Wagner war neben seinem kruden, antisemitischen musiktheoretischen Werk auch ein notorischer Zechpreller und Weiberheld, auf den sich auch enge Freunde besser nicht verlassen sollten. Aber, hach, die Musik entführt viele Menschen dann doch in Sphären höchster Entzückung. Mit seiner konsequenten Anwendung des Leitmotivs, dem Wertlegen auf qualitätvolle Libretti und der Abkehr von Nummernrevuen führte er die Oper im 19. Jahrhundert zu höchster Vollendung (von Kritikern als „Zukunftsmusik“ verschrien). Der Ritt der Walküren am Beginn des 3. Aufzugs seiner „Walküre“ (der zweiten von vier Opern des „Rings des Nibelungen“) zählt zu den bekanntesten klassischen Melodien überhaupt. Heute vor 210 Jahren kam der Ausnahmekomponist in Leipzig zur Welt.

[] Vogelzug, der

periodisch erfolgender Zug bestimmter Vogelarten, um in klimatisch milderen Gegenden zu überwintern

Seit der Antike weiß man: Vögel verlassen im Herbst ihre Brutgebiete und kehren im Frühling zurück. Wohin sie jedoch entschwinden, war lange ein Rätsel. Das änderte sich 1822, als in Mecklenburg ein Storch auftauchte, dessen Hals von einem 80 cm langen Pfeil durchbohrt war. Der Storch wurde am 21.5.1822 erlegt und an der Universität Rostock wissenschaftlich untersucht. Der Arzt und Botaniker Heinrich Gustav Flörke stellte fest, dass der Pfeil aus tropischem Holz war und schloss daraus, dass sich das Tier seine Verletzung möglicherweise an den oberen Armen des Nils zugezogen hatte. Dank moderner Technologien sind die Flugrouten von Zugvögeln mittlerweile gut erforscht, doch der Rostocker Pfeilstorch war der erste lebende Beweis für den Vogelzug.

[] Retrovirus, das oder der

Medizin: Virus, dessen Erbinformationen in Ribonukleinsäure vorliegen, die in den Wirtszellen durch das Enzym Reverse Transkriptase in DNS umgeschrieben wird

Angst, Stigmatisierung und Vorurteile dominierten den öffentlichen Diskurs um die AIDS-Epidemie in den 1980er-Jahren. Zeitgleich versuchten Forschende weltweit die Ursache des erworbenen Immunschwächesyndroms zu ermitteln. In der am 20. Mai 1983 erschienenen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“ widmeten sich gleich fünf Beiträge dem Thema. Eine Arbeitsgruppe rund um Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier beschrieb ein neu entdecktes Retrovirus, das sie aus dem Gewebe eines an AIDS erkrankten Patienten isolierten. Für die Entdeckung des heute als HIV bekannten Virus erhielten sie 2008 den Nobelpreis für Medizin. Moderne antiretrovirale Therapien senken die Viruslast so sehr, dass das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Hierbei gilt: n = n (nicht nachweisbar = nicht übertragbar).

[] Ministerpräsidentin, die

in Deutschland: Regierungschefin eines Bundeslandes

Vor exakt 30 Jahren wird Heide Simonis zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein gewählt. Damit übernimmt die SPD-Politikerin als erste Frau in der bundesdeutschen Geschichte das Amt an der Spitze eines Bundeslandes; nicht ihre erste Premiere: 1976 geht Simonis als bisher jüngstes Mitglied des Bundestages in die Bundespolitik. Die Volkswirtin ist die erste Frau, die von der SPD-Fraktion in den Haushaltsausschuss entsandt wird. Ihre Amtszeit als Ministerpräsidentin währt von 1993 bis 2005. Eine unerwartete anonyme Stimmverweigerung aus der eigenen Fraktion verhindert ihre Wiederwahl, Simonis tritt zurück. 2014 wird sie (wieder einmal als erste Frau) mit der Ehrenbürgerwürde des Landes Schleswig-Holstein als „herausragende Persönlichkeit und Vorreiterin für andere Frauen“ ausgezeichnet.

[] Haager Landkriegsordnung, Mehrwortausdruck

Völkerrecht: wichtigstes der auf den Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen

„Inter arma silent leges“ heißt es im Lateinischen, „Unter den Waffen schweigen die Gesetze“. Um dies zu ändern, traten am 18. Mai 1899 Vertreter zahlreicher Staaten in Den Haag zusammen, unter großer Anteilnahme der prosperierenden Friedensbewegung. Nachdem 1874 (zehn Jahre, nachdem mit der Genfer Konvention überhaupt zum ersten Mal internationales Recht in Bezug auf Kriegführung beschlossen worden war) eine ähnliche Konferenz in Brüssel mangels folgender Ratifizierung gescheitert war, gelang auf der Haager Friedenskonferenz ein großer Wurf: Zwar kam den überwiegend gekrönten Häuptern nicht in den Sinn, Krieg an sich zu ächten, doch wurden international verbindliche Regeln geschaffen, so dass dieser kein rechtsfreier Raum mehr war. Vielleicht nicht zufällig sitzt der für Kriegsverbrecher zuständige Internationale Strafgerichtshof in jener niederländischen Stadt.

[] Heteronormativität, die

meist abwertend: Wertesystem, das Heterosexualität und das binäre Geschlechtermodell als Norm postuliert (und infolgedessen queere Personen ausschließt bzw. diskriminiert)

Aus heutiger Sicht ist es kaum noch zu glauben: Bis ins Jahr 1990 galt Homosexualität offiziell als psychische Krankheit. Im Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – aktuell war damals die Klassifikation ICD-9 – wurde sie in der Kategorie „Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen“ geführt. Der Beschluss der WHO, Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel zu streichen, erfolgte erst am 17. Mai jenes Jahres. An diesem Tag findet inzwischen jährlich der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie statt. Er zielt unter anderem darauf ab, die Heteronormativität als Konzept, in dem die Heterosexualität als einzig „normale“ sexuelle Orientierung angesehen wird, zu hinterfragen und zu überwinden.

[] Kompositum, das

Sprachwissenschaft: unmittelbar aus zwei (oder mehr) zumeist auch selbstständig verwendbaren Morphemen zusammengesetztes Wort

Die Komposition ist im Deutschen eines der zentralen Wortbildungsverfahren. Dabei werden zwei Wörter zusammengesetzt, um ein neues zu bilden. Jedes Kompositum kann aber wieder Teil eines neuen Wortes und das wiederum Teil einer weiteren Ableitung werden, was geradezu absurd lange Kreationen ermöglicht. Für seine Komposita ist das Deutsche weltweit ebenso beliebt („Poltergeist“, „Schadenfreude“) wie berüchtigt („Grund­stücks­verkehrs­geneh­mi­gungs­zu­stän­dig­keits­über­tra­gungs­ver­ord­nung“). Bei vielen Wortneuschöpfungen handelt es sich um Komposita, einige sind zum Beispiel während der Energiekrise („Energiekrise“ selbst ist eines) entstanden. Dass es bei ihrem Gebrauch auch häufig zu grammatischen Problemen und (mal mehr, mal weniger auffälligen) Stilblüten kommen kann, zeigen wir Ihnen in unserem aktuellen Blogbeitrag.

[] Sammelsurium, das

oft abwertend: Nebeneinander von mehreren Dingen, geistigen Inhalten o. Ä., die nicht zusammengehören, keine Ordnung erkennen lassen

Er verfasste das erste Lexikon, das sich ausschließlich an Frauen richtete. Über den genauen Zweck des „Frauenzimmer-Lexicons“ war sich der Verfasser, der Leipziger Jurist Gottlieb Siegmund Corvinus, allerdings wohl selbst nicht so recht im Klaren: Er überließ es seinen Leserinnen, ob sie das Werk als „nützliches, galantes oder kuriöses“ Werk ansehen wollten. Ob Viten gelehrter Frauen oder Schminktipps, Kochrezepte oder Gesellschaftsspiele: Das bunte Sammelsurium gibt in jedem Fall spannende Einblicke in die Alltagswelt des frühen 18. Jahrhunderts. Heute vor 346 Jahren wurde Corvinus geboren.

[] Jahrhundertprojekt, das

besonders herausforderndes und meist langwieriges, in seiner Umsetzung eine ganze Epoche prägendes Vorhaben, Unterfangen

Eine gewisse Faszination haftet Jahrestagen an, die mit einer Null enden – erst recht dann, wenn sich noch eine zweite dazugesellt. Als am 14. Mai 1963 mit der Fährverbindung über den Fehmarnbelt das letzte Teilstück der sogenannten Vogelfluglinie eingeweiht wurde, endete eine sage und schreibe einhundertjährige Planungs- und Bauzeit (einschließlich kriegsbedingter Bauunterbrechungen). Bei der Eröffnung der kombinierten Bahn-, Fähr- und Straßenverbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen, die der Flugroute von Zugvögeln nachempfunden ist, fehlten bis zum 4. Juni, an dem im Jahr 1863 der dänischen Regierung erste Pläne vorgelegt worden waren, nur noch wenige Tage. Doch so kleinlich wollte bei der Gelegenheit, ein derartiges Mammutprojekt feierlich abschließen zu können, dann doch keiner sein.

[] keinen Deut, Mehrwortausdruck

überhaupt nicht; nicht im Geringsten, Mindesten; in keiner Weise, kein bisschen; gar nichts

Vor der Einführung von Münzgeld wurden in der Frühzeit des Handels unter anderem Bruchstücke von wertvollen Metallen als Zahlungsmittel verwendet. Dies spiegelt sich zum Beispiel in der altnordischen Bezeichnung „þveiti“ für ‚Münze‘ wider, was eigentlich ‚das Abgeschnittene, das abgeschlagene Stück‘ bedeutet (zu anord. „þveita“ ‚schlagen, hauen, stoßen‘). Ein damit verwandtes Wort benutzen wir auch noch heute, wenn wir beispielsweise sagen, dass etwas keinen Deut wert ist. „Deut“ bezeichnet ursprünglich eine kleine Scheidemünze, die bis ins 19. Jahrhundert in den Niederlanden und am Niederrhein in Umlauf war. Diese stand dann auch für einen geringen Geldbetrag bzw. etwas von geringem Wert. Inzwischen finden wir „Deut“ meist nur noch in festen Verbindungen, die eine Negation ausdrücken.

[] Tamagotchi, das oder der

eiförmiges Spielzeug mit einem kleinen LCD-Bildschirm, auf dem sich ein simuliertes Küken bewegt, das durch zuverlässige Betreuung am Leben gehalten werden muss

Am 12. Mai 1997 kam in Deutschland ein kleines Spielzeug auf den Markt, das die Schulhöfe und Kinderzimmer der späten 90er Jahre aufmischen sollte – das (oder der) Tamagotchi, ein kleines, eiförmiges Handheld mit einer einfachen, aber geradezu süchtig machenden Spielmechanik. Bewohner dieses kleinen Geräts war ein virtuelles, pixeliges Haustier, genauer ein Küken, das regelmäßig gefüttert, gepflegt und rechtzeitig zu Bett gebracht werden musste. Vernachlässigte man es zu lange, wurde es krank oder starb sogar. Bei der Bezeichnung handelt es sich übrigens um eine Komposition aus japan. „tamago“ (‚Ei‘) und „uocchi“ (abgeleitet von engl. „watch“ ‚Uhr‘). Wie so viele Kuriositäten der 90er Jahre wurde auch diese etwas andere Ei(er)uhr inzwischen neu aufgelegt.

[] Eisheilige, die oder der

Maifrost, häufig zwischen 11. und 15. Mai

Vor diesem Männer-Quartett mit Anstandsdame graut jedem Landwirt, jedem Hobbygärtner: Dabei trifft Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die (kalte) Sophia keine Schuld an den gefürchteten Frosteinbrüchen – und das im dreifachen Sinne: Zum einen können die frühchristlichen Heiligen nun wirklich nichts dafür, dass ihre Gedenktage auf den 11.–15. Mai fallen. Zum anderen sind die Auswirkungen der Wettersingularität heute weit weniger dramatisch als noch in der sogenannten Kleinen Eiszeit, als von der Aussaat zur rechten Zeit tatsächlich die bäuerliche Existenz abhing. Und nicht zuletzt: Als der Spruch aufkam, galt noch der Julianische Kalender. Eigentlich müsste der „Pokal der Eisheiligen“ an Konstantin, Julia, Ester, Beda und Philipp (21.–26.5.) weitergereicht werden.

[] Apartheid, die

politische Praxis der staatlich organisierten Rassentrennung in Südafrika und Südwestafrika (bis 1994), die auf einer Doktrin von der angeblichen Überlegenheit und darauf basierenden Vorherrschaft des weißen Bevölkerungsteils beruhte

Im Jahr 1994 fanden in Südafrika die ersten freien demokratischen Wahlen statt, nachdem das rassistische System der Apartheid offiziell beendet worden war. Der legendäre Freiheitskämpfer Nelson Mandela, der zuvor fast drei Jahrzehnte wegen Verschwörung gegen das Apartheid-Regime in Haft saß, wurde zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes gewählt. In seiner fünfjährigen Amtszeit setzte er sich vehement für den Aufbau einer neuen Gesellschaft ein, die auf Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden basiert. Mandelas historischer Triumph bei den Wahlen war ein entscheidender Moment in der südafrikanischen Geschichte und ein Zeichen der Hoffnung für alle, die für die Überwindung von Unterdrückung und Ungerechtigkeit kämpften. Am 10. Mai 1994 wurde er als Präsident vereidigt.

[] jmdn., etw. aufs Korn nehmen, Mehrwortausdruck

in einer bestimmten Absicht gezielt die Aufmerksamkeit auf jmdn., etw. richten; sich (in kritischer Absicht) satirisch, humorvoll mit jmdm., etw. auseinandersetzen, besonders um Fehlverhalten oder Missstände aufzuzeigen; jmdn., etw. scharf kritisieren

Wir gebrauchen im Alltag unzählige verblasste Metaphern, über deren eigentliche Bedeutung wir uns oft nicht bewusst sind. So stammt beispielsweise die Redewendung „jmdn., etw. aufs Korn nehmen“ ursprünglich aus der Jägersprache, wobei „Korn“ einen Teil der Zielvorrichtung bei Handfeuerwaffen bezeichnet. Wörtlich bedeutet „aufs Korn nehmen“ also so viel wie ‚als Zielpunkt für einen Schuss nehmen‘. Eine ähnliche Bedeutungsentwicklung ist bei der Wendung jmdn., etw. ins Visier nehmen erkennbar. In diesem Fall lässt sich die Bedeutung jedoch noch eher ohne zusätzliches Wissen erklären. In der Sprachwissenschaft verwendet man den Terminus „Idiomatizität“, um den Grad der semantischen Transparenz eines komplexen sprachlichen Ausdrucks zu beschreiben: je undurchsichtiger (d. h. weniger nachvollziehbar) die Bedeutung, desto höher die Idiomatizität.

[] Zufallsfund, der

nicht geplanter, unerwarteter Fund

Was die globale Markenbekanntheit angeht, kann Coca-Cola kaum jemand das Wasser reichen. Die Existenz der braunen Brause verdanken wir jedoch einem Zufall. Der Apotheker John Pemberton experimentierte am 8. Mai 1886 mit verschiedenen Zutaten, um ein Mittel gegen Kopfschmerzen, Müdigkeit und Depressionen zu entwickeln. Ein Sirup aus Wein, Blättern des Kokastrauchs und Kolanüssen brachte den gewünschten Effekt, war jedoch ungenießbar. Um die Mischung schmackhafter zu machen, fügte er Zitrusöle, Karamell, Zimt und nicht zuletzt Zucker hinzu und mischte es mit Sodawasser. Aus dem ursprünglich mäßig erfolgreichen Arzneimittel wurde nach mehreren Marketingkampagnen das beliebte Erfrischungsgetränk, das die Welt – leider erst nach Pembertons Tod – im Sturm eroberte.

[] Gelächter, das

das (fortwährende) laute Lachen

Lachen ist gesund für Körper und Geist, es soll Stress abbauen, das Immunsystem stärken und allgemein die Stimmung verbessern. Diese Erkenntnisse nutzte in den 90er Jahren auch der indische Arzt Dr. Madan Kataria, der seinerzeit die positiven Auswirkungen des Lachens auf die Gesundheit erforschte. Er entwickelte mit dem sogenannten Lachyoga eine Methode, die Menschen ganz ohne Humor zum Lachen bringen sollte. Vielmehr soll das Lachen dabei durch spezielle Atemtechniken und Bewegungen ausgelöst werden. Seit 1998 findet ebenfalls auf Initiative von Dr. Kataria jährlich am ersten Sonntag im Mai der Weltlachtag statt – für Glück, Gesundheit und nicht zuletzt für den Weltfrieden. Halten Sie doch heute mal die Augen offen und schauen, ob Sie der einen oder anderen lachenden Gruppe begegnen!

[] Bodyshaming, das

das Herabsetzen anderer Personen auf Grund angeblich unvorteilhafter körperlicher Formen oder Merkmale

Sicher: Übergewicht, krankhafte Fettsucht gelten als Volkskrankheit. Die Gründe liegen oft genug im übermäßigen Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln mit überhöhtem Zuckergehalt und zu geringem Ballaststoffanteil. Auf der anderen Seite aber zeugen Erkrankungen wie Magersucht, Ess-Brech-Sucht, oder Orthorexie (krankhafter Zwang, sich vermeintlich gesund zu ernähren) davon, dass auch die ständige Fixierung auf die eigene Ernährung ernsthaft krank machen kann. Den Einstieg in diesen Leidensweg bilden oft genug nutzlose Diäten. Es war die britische Schriftstellerin Mary Evans Young – selbst eine Betroffene – die diesen Zusammenhang ins Bewusstsein rücken wollte. 1992 rief sie eine Anti-Diäten-Kampagne ins Leben, die seither an jedem 6. Mai der ewigen Jagd nach dem Idealgewicht und besonders dem Bodyshaming den Kampf ansagt.

[] Hebamme, die

Person, die vor, während und nach der Geburt Schwangere bzw. Neugeborene pflegerisch betreut

Sie gehört zu den weltweit wichtigsten Tätigkeiten, wird aber selten entsprechend gewürdigt: Die Geburtshilfe. Um darauf aufmerksam zu machen, wird seit 1991 am 5. Mai der Internationale Hebammentag begangen. Aber auch sprachlich ist die Hebamme im Deutschen bemerkenswert: Ursprünglich handelte es sich bei althochdeutsch „hevanna“ um die Ahne (Großmutter oder generell ältere, erfahrene Frau), die das Neugeborene (auf)hebt, schon im Mittelalter wurde das Hinterglied aber umgebildet, nach „Amme“, dem alten Kosewort für die Mutter. Übrigens gibt es zu dem Wort keine männliche Ableitung, somit sind auch Männer bei „Hebamme“ mitgemeint.

[] Codewort, das

Kennwort, Passwort

„Es ist ein älterer Code, Sir, aber er ist in Ordnung. Ich wollte den Flug freigeben.“ – spricht Admiral Firmus Piett in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Da wir oder Computer anders als Darth Vader nicht durch die Macht fühlen, ob am anderen Ende des Kommunikationskanals die richtige Person sitzt, sind wir auf Code- oder Passwörter angewiesen, in der Zeit des Internets noch viel mehr als früher. Diese unverzichtbaren Folgen aus bestenfalls mindestens 8 Zeichen (mit wenigstens einem Großbuchstaben, einer Zahl und einem Sonderzeichen – je länger, desto besser) haben heute, ebenso wie Star Wars, ihren Ehrentag. Letzteres bekanntlich aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit zwischen „May the fourth“ (4. Mai) und „May the force [be with you]“ (Möge die Macht [mit dir sein]).

[] Pluralismus, der

innerhalb einer Gesellschaft, eines Staates (in allen Bereichen) vorhandene Vielfalt gleichberechtigt nebeneinander bestehender und miteinander um Einfluss, Macht konkurrierender Gruppen, Organisationen, Institutionen, Meinungen, Ideen, Werte, Weltanschauungen usw.

„Die Schaffung einer unabhängigen, pluralistischen und freien Presse ist essentiell für die Wahrung der Demokratie und der wirtschaftlichen Entwicklung“ – so die zentrale Aussage der Deklaration von Windhoek, anlässlich deren Jahrestag die UNESCO 1994 den Internationalen Tag der Pressefreiheit ins Leben rief. Der jährlich am 3. Mai stattfindende Aktionstag soll auf die Bedeutung freier Berichterstattung für die Demokratie sowie die Verletzung der Pressefreiheit weltweit aufmerksam machen. Obwohl wir in Deutschland eine vergleichsweise hohe Pressefreiheit genießen, wird sie auch hier immer wieder bedroht, sei es durch abnehmende Medienvielfalt oder verbale wie physische Angriffe auf Medienschaffende. Weltweit führen auch Kriege und Konflikte zur Einschränkung der Pressefreiheit.

[] Mundart, die

auf eine bestimmte Region begrenzte, fast ausschließlich muttersprachlich erworbene und nicht normierte Sprachform, die überwiegend mündlich und in Alltagssituationen gebraucht wird

„Was Sachsen sin von echtem Schlaach, die sin nich dod zu griechn.“, heißt es auf dem Grabstein der Dichterin Lene Voigt, die am 2. Mai 1891 in Leipzig geboren wurde. Besonders bekannt wurde sie für ihre Gedichte und Humoresken in sächsischer Mundart, mit denen sie ab Mitte der 1920er Jahre großen Erfolg hatte. In den 1930er Jahren geriet sie jedoch in Misskredit, weil die Nationalsozialisten ihr vorwarfen, deutsche Literaturklassiker, aber auch die sächsische Sprache zu karikieren und zu verschandeln. 1936 wurden ihre Gedichte als „jiddische Machwerke“ verboten. Obwohl Lene Voigt als Schriftstellerin jahrzehntelang in Vergessenheit geriet und auch privat mit einigen schweren Schicksalsschlägen konfrontiert wurde, hörte sie nicht auf zu schreiben. Schließlich wurden 1983 ihre Werke wiederentdeckt und neu aufgelegt. Eine Sächsin von echtem Schlag ist eben nicht totzukriegen!

[] Maibaum, der

meist zum 1. Mai auf einem zentralen Platz errichteter Baumstamm, der von Rinde und (allen oder den unteren) Ästen befreit und mit bunten Bändern und einem Kranz geschmückt ist

Seit gestern oder heute stehen sie in vielen ländlichen Gemeinden wieder auf dem Dorfplatz, je nach Region verschieden geschmückt (oft mit einem Kranz und Bändern): die Maibäume. Dieser Brauch ist nicht nur alt (er reicht vermutlich bis in die germanische Zeit), sondern auch über den deutschen Sprachraum hinaus verbreitet: Von Skandinavien bis Slowenien, vom Rheinland bis in die Slowakei werden heute oder an Pfingsten (oder in Skandinavien zur Sommersonnenwende) die entasteten Baumstämme errichtet. So unterschiedlich die regionalen Bräuche im Detail sind, so gibt es doch auch viele überregionale Gemeinsamkeiten: Der Maibaum ist Mittelpunkt eines Fests und gegen übermütige Burschen muss er gesichert werden, damit der Tanz in den Mai gelingt.

[] Sommerzeit, die

Uhrzeit, die während des Sommers im Vergleich zur normalen Uhrzeit in einer Zeitzone (meist um eine Stunde) vorverlegt ist

In Zeiten drohender oder herrschender Knappheit werden häufig Ideen umgesetzt, die zur Einsparung wertvoller Ressourcen beitragen sollen. Die Idee, das Tageslicht maximal auszunutzen, um an künstlicher Beleuchtung zu sparen, läutete eine „besondere Zeitrechnung“ ein – die saisonale Umstellung der Uhrzeit. Im Jahre 1916 wurden sowohl im Deutschen Reich als auch in Österreich-Ungarn am 30. April erstmals die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Andere Länder folgten bald. So heißt es im k. u. k. Reichsgesetzblatt: „Darnach beginnt der 1. Mai 1916 am 30. April um 11 Uhr abends der bisherigen Zeitrechnung, der 30. September endet 1 Stunde nach Mitternacht der in dieser Verordnung festgesetzten Zeitrechnung.“

[] O-Bus, der

Omnibus mit Elektromotor, der seine Energie durch eine Oberleitung erhält

In Berlin wurde er erfunden, Erfolg hatte er aber nur anderswo: Der Oberleitungs(omni)bus, kurz O-Bus/Obus genannt. Vielen ist nicht bekannt, dass ab Anbruch des Automobilzeitalters im späten 19. Jahrhundert Elektrofahrzeuge lange mit jenen mit Verbrennungsmotoren konkurrierten, bis letztere sich vor etwa 100 Jahren (vorerst) durchsetzten. So fuhr am 29.04.1882 ein von Werner Siemens mit Elektromotor ausgestatteter Wagen, der Strom aus einer Oberleitung bezog, auf einer Teststrecke in Berlin-Halensee. Praktisch umgesetzt wurde dieses Prinzip als O-Bus erst um 1900, in Berlin endete nach einer gewissen Blüte der Einsatz in den 1960ern (West) bzw. 1970ern (Ost). Einer geplanten Neuauflage der Technik, die die Vorteile von Bus und Straßenbahn verbindet, wurde neulich vom Berliner Senat eine Absage erteilt.

[] Diversität, die

Verschiedenartigkeit, Mannigfaltigkeit, Unterschiedlichkeit

Wer einmal die „Scheibenwelt“, das literarische Universum des britischen Schriftstellers Terry Pratchett, betreten (und wieder herausgefunden) hat, für den nimmt Diversität eine völlig neue Dimension an. In den über 41 Romanen breitet sich dem Lesenden ein gigantisches Fantasy-Wimmelbild aus: eine Gesellschaft, in der das Personal der örtlichen Stadtwache gattungsübergreifend mit Trollen, Zwergen, Vampiren und einem Quotenwerwolf besetzt ist; in der Mörder, Diebe, Zauberer, Clowns in Berufsgenossenschaften organisiert sind, man sich mit lästigen Phänomenen wie Inflation oder digitaler Datenübertragung herumschlagen muss. Pratchett, der seit 1983 mit diesen humorvollen wie tiefgründigen Geschichten, in denen selbst Gevatter Tod keinen Kündigungsschutz genießt, unsere Rundwelt bereicherte, wurde heute vor 75 Jahren geboren.

[] Widmung, die

persönliche, in ein Buch, unter ein Bild o. Ä. geschriebene Worte (durch die kenntlich gemacht wird, dass es sich um ein Geschenk o. Ä. handelt)

„Für Elise am 27 April zur Erinnerung von L. v. Bthvn“ – so lautete die Widmung, mit der Ludwig van Beethoven 1810 eine seiner Kompositionen versah. Das besagte Klavierstück in a-Moll kennt vermutlich jeder, doch die Frage nach der Identität von „Elise“ treibt Musikhistoriker seit dem Fund des Musikstückes um. War Elise die befreundete Sängerin Elisabeth Röckel? Hatte sich der Finder des inzwischen verschollenen Autographen verlesen und das Stück sollte eigentlich Therese Malfatti, einer Klavierschülerin, für die Beethoven bekanntermaßen schwärmte, gewidmet sein? Diese und weitere Theorien sind viel diskutiert, doch das Rätsel um die mysteriöse Elise wird, wie vermutlich auch das Stück selbst, die Generationen überdauern.

[] wissen, wie der Hase läuft, Mehrwortausdruck

über etw. (z. B. bestimmte Abläufe, Regeln o. Ä.) genau Bescheid wissen; sich in, mit etw. gut auskennen; verlässlich abschätzen können, welche Entwicklung etw. Bestimmtes nimmt

„Dieses hübsche märchen“, schrieb 1853 Wilhelm Grimm, „ward mir im J. 1840 von hrn. professor Firnhaber in Cassel mitgetheilt, der mir sagte daß es nach mündlicher überlieferung aufgefaßt sei“. So gelangte „Der Hase und der Igel“ in die fünfte Auflage der „Kinder- und Hausmärchen“. Aber war es nicht doch ein Kunstmärchen, wie der vermeintliche Urheber Theodor von Kobbe behauptete, der es als plattdeutschen Text veröffentlichte? Wilhelm konnte immerhin eine ältere Variante des Stoffs präsentieren. Dort ist es ein ungleicher Wettlauf zwischen Fuchs und Frosch. Letzterer hängt sich unbemerkt an den Schwanz des Fuchses. Als der sich kurz vor dem Ziel umwendet, um nach seinem Konkurrenten zu sehen, hüpft der Lurch ins Ziel und lässt den arroganten Fuchs („bist du endlich da?“) alt aussehen.

[] Stechmücke, die

jedes Mitglied der Familie verschiedener Arten von Mücken (Culicidae), deren Weibchen das Blut von Tieren und Menschen saugen und dabei auch gefährliche Krankheiten übertragen können

Weltweit sterben etwa 600.000 Menschen jährlich an Malaria, überwiegend Kinder unter fünf Jahren. Die Infektionskrankheit führt meist zu periodisch auftretendem Fieber und Abgeschlagenheit, in schweren Fällen aber auch zu Anämie, Organ- und Kreislaufversagen. Früher glaubte man, die Krankheit würde hervorgerufen durch ungesunde feucht-heiße Luft aus den Sümpfen, daher auch der Name „Malaria“ (aus ital. „mala“ ‚schlecht‘ und „aria“ ‚Luft‘). Heute weiß man, dass die Krankheit durch Parasiten verursacht wird, die über Stechmücken, genauer über weibliche Anophelesmücken, übertragen werden. Zur Würdigung des Kampfes gegen die weit verbreitete Krankheit findet seit 2007 immer am 25. April der Weltmalariatag statt.

[] Bewusstmachung, die

Rede, Handlung o. Ä., die eine Person oder Gruppe auf etw. aufmerksam macht, ihr etw. ins Bewusstsein ruft

In seiner vor 100 Jahren veröffentlichten Schrift „Das Ich und das Es“ unterteilt Sigmund Freud die menschliche Psyche in drei Instanzen: das Es, das auf die sofortige Befriedigung unserer Bedürfnisse drängt; das Über-Ich, sozusagen unser Gewissen, in dem (in der Erziehung vermittelte) Moralvorstellungen und gesellschaftliche Normen repräsentiert sind; das Ich, das als Instanz der kritischen Reflexion versucht, die Forderungen von Es und Über-Ich unter Berücksichtigung der Realität (Außenwelt) in Einklang zu bringen. Gelingt ihm das nicht, wehrt das Ich z. B. als unangemessen erachtete Bedürfnisse des Es ab und verdrängt sie ins Unbewusste, was Freud zufolge u. a. zu psychischen Leiden führt. Hauptanliegen der Psychoanalyse ist die (Wieder-)Bewusstmachung dieser Inhalte, um eine Auflösung der Konflikte zu ermöglichen und das Ich gegenüber dem Es zu stärken.

[] Clip, der

Medien: meist kurze filmische Sequenz

Ein banaler 19-sekündiger Clip, in dem ein junger Mann vor dem Elefantengehege des San Diego Zoos steht und ihre langen Rüssel als „cool“ bezeichnet – nicht gerade großes Kino, doch das Video schrieb Internetgeschichte, denn es war das erste veröffentlichte Video auf YouTube. Als Jawed Karim, Mitbegründer der Plattform, das Video mit dem Titel „Me at the zoo“ am 23. April 2005 hochlud, hätte noch niemand erahnen können, dass YouTube einmal zur größten Videoplattform der Welt werden würde. Heute werden dort mehr als eine Milliarde Stunden Videos pro Tag angesehen, pro Minute mehr als 500 Stunden Videomaterial hochgeladen. Damit hat YouTube die Art und Weise, wie wir Videos konsumieren – nicht nur in den jüngeren Generationen – grundlegend verändert.

[] Rekordgeschwindigkeit, die

Geschwindigkeit, die höher als jede bisher (in Bezug auf dieselbe Art der Fortbewegung, des Ablaufs) gemessene liegt

Durchschnittlich 8,03 Knoten (14,87 km/h), mit dieser Geschwindigkeit erreichte der 18 Tage zuvor in England abgelegte kleine Schaufelraddampfer Sirius am 22. April 1838 New York. Das erscheint uns heute nicht sonderlich schnell, war damals aber im Vergleich zu den Segelschiffen ein neuer Rekord in der Atlantiküberquerung, für den die Sirius quasi „posthum“ das erst Jahrzehnte später ins Leben gerufene berühmte Blaue Band erhielt. Der Rekord währte allerdings nur 4 Stunden, denn dann traf die fast doppelt so große und speziell für diese Strecke konzipierte Great Western (deren Konstrukteur Brunel auch schon bei der Eisenbahn auf innovative Größe gesetzt hatte) ein, die vier Tage später gestartet war und so auf 8,66 Knoten (16,04 km/h) kam. Ein neues Zeitalter hatte begonnen.

[] Hungerkatastrophe, die

Mangel an grundlegenden Nahrungsmitteln, der die Existenz eines Großteils der Bewohner eines Territoriums bedroht

Der Name klingt unscheinbar: Phytophthora infestans. Dabei ist der Algenpilz, der vorwiegend Nachtschattengewächse befällt, für eine der schlimmsten Hungerkatastrophen in Europa verantwortlich. In Irland, wo die Kartoffelernte ausfiel, kamen 1847 über eine Million Menschen ums Leben. Zwar waren die Folgen in Deutschland nicht ganz so schrecklich. Doch auch hier kam es zu massiven Teuerungen und Mangelernährung, die Aufstände und Plünderungen zur Folge hatten – in Berlin in den Tagen zwischen dem 21. und 23. April 1847. Unter dem verharmlosenden Ausdruck „Kartoffelrevolution“ gingen sie in die Geschichte ein. Ob diese Aktionen den Auftakt zur Revolution von 1848 bildeten, ist umstritten. Die Unfähigkeit der regierenden Fürstenhäuser, der Krise Herr zu werden, wurde jedoch offensichtlich.

[] Tulpe, die

Liliengewächs mit aufrechten, endständigen, kelchförmigen Blüten und langen, ungestielten Laubblättern, das als Zierpflanze in unterschiedlichen Farben gezüchtet und als Schnittblume zur Dekoration verwendet wird

In Gärten, Hinterhöfen, Parks und an der Supermarktkasse: Tulpen sind zurzeit vielerorts zu sehen und leuchten in den verschiedensten Farben. Die Frühlingsblume hat ihren Ursprung im Vorderen Orient – noch heute ist sie die Nationalblume der Türkei – und wurde im 16. Jahrhundert nach Europa eingeführt. Der Name „Tulpe“ leitet sich vom türkischen Wort „tülbend“ (‚Turban‘) ab. Und tatsächlich sind sich die Kopfbedeckung und die Blüte der Tulpe in ihrer Gestalt sehr ähnlich. Heute assoziieren wir die Blume besonders mit den Niederlanden, sie ist der Exportschlager des Landes schlechthin. Doch wo man heute für einen kleinen Tulpenstrauß gerade einmal 2 Euro zahlt, waren im 17. Jahrhundert einige Sorten so wertvoll, dass man für eine ihrer Zwiebeln auch ein ganzes Haus hätte kaufen können.

[] Lochkarte, die

besonders zur Programmierung von Rechenmaschinen, auch zur Steuerung anderer Maschinen (z. B. Webstühlen, Stickmaschinen) eingesetztes, kartenförmiges Speichermedium, auf dem Informationen durch maschinenlesbare Lochung codiert, eingestanzt sind

Programmierbarkeit, Automatisierung, Digitalisierung von Maschinen: Das sind Schlagwörter, die wir mit der Computer-Revolution in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts verbinden (unter Anerkennung theoretischer Vorarbeiten im 19. Jahrhundert wie von Ada Lovelace). Doch tatsächlich wies schon eine am heutigen Tag im Jahre 1805 in Frankreich vorgestellte und danach praktisch eingeführte Maschine diese Eigenschaften auf: Die Jacquard-Musterwebmaschine, benannt nach ihrem Erfinder Joseph-Marie Jacquard (1752–1834). Dieser hatte in jahrelanger Tüftelarbeit frühere Webstühle verbessert und durch den Einsatz von Lochkarten, an denen das zu erstellende Muster in Endlosschleife abgelesen wurde, revolutioniert. Trotz starken Widerstands der Zünfte, die (zu Recht) um Arbeitsplätze fürchteten, setzte sich das Modell schnell durch.

[] Sekt oder Selters, Mehrwortausdruck

entweder sehr gut oder sehr schlecht, entweder erfolgreich oder erfolglos; entweder die eine Option oder genau die gegenteilige

Das Selterswasser hat, als Kontrastprogramm zum Sekt, eine steile Karriere gemacht. Es ist Teil einer gängigen Redewendung im Deutschen. Vermutlich hat der gleiche Anlaut der beiden Wörter dafür gesorgt, dass sie als Paarformel zu einer festen Wendung wurden. Selters steht für die nüchterne, die wenig(er) feierwürdige von zwei Alternativen. Dabei kann Selterswasser sehr lecker sein und löscht den Durst zuverlässiger als sein leichtfertiger Bruder, der Sekt. Die Wendung wird jedoch auch in wörtlicher Bedeutung verwendet, auf Empfängen werden Sekt und Selters gereicht. Wie Sie unsere Textkorpora nach allen möglichen Varianten dieser und anderer Ausdrücke befragen können, erfahren Sie in unserem heutigen Blogbeitrag, Teil 6 unserer Serie „Nadeln im Heuhaufen“. Sie entscheiden, ob wir Ihnen hiermit Sekt oder Selters geboten haben.

[] überlebensgroß, Adj.

die reale, natürliche Größe übersteigend

Als heute vor 65 Jahren in Brüssel die „Expo 58“ ihre Tore öffnete, war die Stadt um ein Symbol reicher, das sich in kürzester Zeit zum Touristenmagneten mausern sollte – das Atomium. Dieser 2400 Tonnen schwere, ursprünglich als temporäres Kunstwerk geplante Koloss stellt die neun Atome der Elementarzelle von Eisen dar – 165 Milliarden Mal vergrößert! Beflügelt vom Zeitgeist wollten die Schöpfer dieses Bauwerks ein Zeichen für die friedliche Nutzung der Kernenergie setzen. Die Anti-Atomkraft-Bewegung hingegen sah darin die Ikone einer zum Scheitern verurteilten Technologie. Mittlerweile allerdings führen globale Herausforderungen zu einer (umstrittenen) energiepolitischen Renaissance der Energiegewinnung mittels Kernspaltung. Man mag zur Atomkraft stehen, wie man will – das Atomium ist und bleibt Brüssels überlebensgroßes Wahrzeichen.

[] Stimme, die

durch Schwingungen der Stimmbänder im Zusammenwirken mit Resonanzerscheinungen erzeugte Laute und Töne

Luft strömt aus unserer Lunge durch die Luftröhre und versetzt die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen in Schwingungen, wodurch Schallwellen entstehen, die wiederum durch die resonatorischen Eigenschaften des Vokaltrakts (= Raum oberhalb des Kehlkopfs) modifiziert werden. Das Ergebnis: Stimme. Wir nutzen sie, um Inhalte und Emotionen auszudrücken (Letzteres oft unfreiwillig) – oder als Musikinstrument. Diesem faszinierenden und hier sehr vereinfacht dargestellten Phänomen sollte man mehr Beachtung schenken, dachten sich die Initiatoren des Welttags der Stimme. Jedes Jahr am 16. April wird dieser weltweit mit Veranstaltungen begangen, die u. a. auf die Bedeutung der Stimme für unsere Lebensqualität und die Prävention von Stimmproblemen aufmerksam machen sollen.

[] Widerstandskämpferin, die

aktive Teilnehmerin am (meist organisierten) politischen oder bewaffneten Widerstand gegen eine als unterdrückerisch wahrgenommene Obrigkeit, besonders ein totalitäres Regime

Beim Widerstandskampf denkt man vielleicht zuerst an Guerilleros im Dschungel oder die Hitler-Attentäter, doch wohl die meisten „Kämpfer“ gegen unterdrückerische Regime sind unbewaffnet, ganz einfache Leute von der Straße, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten dem Unrecht widerstehen. Und sie sind auch nicht weniger gefährdet als Bewaffnete, wie die Geschichte der Niederländerin Corrie ten Boom, die heute vor 131 geboren wurde, zeigt: Nachdem die überzeugte Christin jahrelang Juden und Partisanen unterstützt, versteckt und weitergeschleust hatte, wurde sie 1944 aufgrund eines Denunzianten von den NS-Besatzern verhaftet. Ihr Vater und ihre Schwester kamen im KZ um, sie überlebte und setzte sich für Versöhnung und Vergebung ein. Yad Vashem ehrte sie als Gerechte unter den Völkern.

[] vom rechten Weg abkommen, Mehrwortausdruck

eine falsche Abzweigung nehmen, sich verirren

Am 14. April 1846 brach die „Donner Party“, eine Gruppe von Siedlerinnen und Siedlern rund um die Familie Donner, vom US-Bundesstaat Illinois auf nach Kalifornien, um dort ein neues Leben zu beginnen. Vier Monate sollte die Reise dauern, doch es kam immer wieder zu Verzögerungen und schließlich wurde ihnen eine vermeintliche Abkürzung zum Verhängnis. Sie verirrten sich im Schnee und waren gezwungen, in den Bergen der Sierra Nevada zu überwintern. Schneestürme, Kälte und zunehmender Nahrungsmangel machten ihnen zu schaffen. Als letzten Ausweg und Überlebensmaßnahme griffen sie schließlich zum Kannibalismus. Fast die Hälfte der ursprünglich 87 Mitglieder der Gruppe kam während des Trecks ums Leben.

[] Volksaufstand, der

(bewaffnete) Erhebung, Empörung weiter Teile der (einfachen) Bevölkerung gegen die bestehende Herrschaft

Lust auf ein bisschen Revolution? Dann können Sie heute als 1848er-Revolutionär oder -Revolutionärin am Konstanzer „Heckerzug“ teilnehmen. Das sogenannte „Reenactment“ feiert ein Ereignis, das heute vor 175 Jahren Geschichte schrieb. Am Initiator, dem radikalen Demokraten Friedrich Hecker, scheiden sich bis heute die Geister. Der Jurist hatte die auf Kompromiss bedachte Politik des Frankfurter Vorparlaments – wie wir heute wissen, mit guten Gründen – abgelehnt. Was jedoch als großer Volksaufstand geplant war, endete in einer Katastrophe. Der Zug, der anfangs aus gerade 50 Personen bestand, wuchs zwar auf mehrere Hundert an, scheiterte aber blutig. Und dennoch: Die erhobenen Forderungen wie Meinungsfreiheit oder Wegfall adeliger Standesprivilegien sind heute selbstverständlich.

[] jmdm., sich, etw. einen Bärendienst erweisen, Mehrwortausdruck

in guter Absicht zu jmds. Nutzen handeln, aber den beabsichtigten Nutzen verfehlen; jmdm. oder sich selbst trotz guter Absichten schaden

Manchmal möchte man eigentlich helfen, macht dadurch aber alles nur noch schlimmer. So ergeht es auch dem gutmeinenden Bären in Jean de La Fontaines Fabel „Der Bär und der Gartenliebhaber“ (auch: „Der Bär und der Gartenfreund“): Als er sieht, wie sein schlummernder Freund, der Gärtner, von einer ihm auf der Nase krabbelnden Fliege belästigt wird, will er sie vertreiben, indem er einen großen Stein nach ihr wirft. Unglücklicherweise tötet Meister Petz dabei aber auch seinen guten Freund. „Nichts bringt so viel Gefahr uns als ein dummer Freund / Weit besser ist ein kluger Feind“, warnt der Dichter am Ende der Geschichte. Und noch heute sprechen wir von einem Bärendienst, der erwiesen wird, wenn jemand zwar in guter Absicht handelt, damit aber nur noch mehr Schaden anrichtet.

[] neurologisch, Adj.

das Nervensystem bzw. das Gehirn, Rückenmark und die peripheren Nerven, deren Aufbau, Funktion und insbesondere Pathologie sowie deren Untersuchung, Behandlung betreffend

Bewegungsstörungen, Muskelstarre und Zittern sind Leitsymptome im Hauptstadium der neurologischen Erkrankung Morbus Parkinson. Ursache ist der Verlust von Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Die Krankheit gilt als nicht heilbar, doch hat die Parkinson-Forschung in den letzten Jahren große Fortschritte erzielen können. Verbesserte Diagnostik und Entdeckung neuer Biomarker bieten Hoffnung auf bessere Behandlungsmöglichkeiten. Auch künstliche Intelligenz wird zur Entwicklung personalisierter Therapien genutzt. Seit einigen Jahren stehen außerdem hochwirksame medikamentöse Therapien zur Verfügung, um Symptome zu lindern und den Abbau von Dopamin zu hemmen.

[] Urheberrechtsgesetz, das

Recht: Gesetz zum Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst, welches die verschiedenen Rechte des Schöpfers des Werkes (des Urhebers) regelt, wie etwa von dessen Veröffentlichung und Verwertung

Bis zum 15. Jahrhundert stellten Raubkopien, ob ihrer mühsamen Herstellung von Hand, kein großes Problem für Autoren und Künstler dar. Dies änderte sich jedoch mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg, der zwar einerseits die erschwingliche Massenproduktion von Büchern ermöglichte, andererseits aber auch den Raubdruck ankurbelte. Für den Schutz geistigen Eigentums setzten sich schließlich, nicht ganz uneigennützig, Mitglieder des britischen Buchhandels und Verlagswesens ein, die durch die aufkeimende Piraterie ihre Existenz bedroht sahen. Ihren Bestrebungen folgend trat am 10. April 1710 das „Statute of Anne“ – das erste moderne Urheberrechtsgesetz – in Kraft, das Autorinnen und Autoren das exklusive Druckrecht an ihren Werken einräumte.

[] Ostern, das

im März oder April von den Christen gefeiertes dreitägiges Fest, das an den Tod und die Auferstehung Jesu Christi laut dem Neuen Testament erinnert

Um die Etymologie des Wortes „Ostern“ wird nach wie vor gestritten: Die Bezeichnung ist tatsächlich nur im Deutschen und Englischen („Easter“) nachgewiesen, anderswo in Europa wird der Name für das christliche Fest vom aramäischen „pas’cha“ bzw. dem hebräischen „pesaḥ“ (Pessach) abgeleitet. Für diese Abweichung gibt es mehrere Deutungsmodelle: Jacob Grimm führte das Fest auf eine germanische Frühlingsgöttin *Ostara zurück, die aber philologisch auf tönernen Füßen steht; andere sehen in „Ostern“ einen Reflex des indogermanischen Worts für die Morgenröte, *h₂eu̯sos- (griech. ēṓs, lat. aurōra), der Tageszeit, zu der laut Neuem Testament das Grab Jesu leer aufgefunden wurde.

[] Babyklappe, die

bauliche Vorrichtung, die es einer verzweifelten Mutter, die ihr Kind nicht behalten kann oder will, ermöglicht, ein Neugeborenes auf eine Weise bei einer Institution abzugeben, die ihre Anonymität und die Gesundheit des Kindes sicherstellt

Mit der Einrichtung einer sogenannten Babyklappe in Hamburg-Altona wurde heute vor 23 Jahren ein ethisch und rechtlich nicht unumstrittenes Angebot für Mütter und Väter in Notsituationen etabliert, die mit der anonymen Kindesabgabe ihrem Kind ein besseres Leben ermöglichen möchten. Sollen „Babyfenster“, „Babynester“ oder gar „Lebenspforten“ einerseits Kindesaussetzungen und Kindstötungen zu verhindern helfen (was wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte), führen Gegner die Verletzung der Rechte des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft sowie auf Beziehung zu seinen Eltern an. Eine Alternative (in Deutschland und in Teilen der Schweiz) ist die sogenannte vertrauliche Geburt, bei der das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewährleistet ist.

[] Karfreitag, der

Freitag vor Ostersonntag, an dem der Kreuzigung Jesu Christi gedacht wird

Komposita verhalten sich oft wie Zeitkapseln, in denen manch untergegangenes Wort bis in die Gegenwart überdauert. Das gilt auch für Karfreitag. So bedeutete das Substantiv „kar“ im Mittelhochdeutschen ‚Trauer, Wehklage‘ und „karmen, karn“, das zugehörige Verb, ‚trauern, klagen‘. Man findet es noch in frühneuzeitlichen Zeitungstexten wie dem Bericht über die Belagerung Bonns 1588: Am „19. Septembris haben die …[Spanier] gewaltich in die Stadt geschossen … Und ist ein grois geschrei und karmen gewest.“ Im Englischen existiert das Wort weiterhin: „care“ meint hier allerdings ‚Sorge‘, bzw. ‚(für etw., jmdn.) sorgen‘. Ein Zusammenhang mit lat. „cārus“ (‚teuer, lieb‘) und „cāritās“ (‚Nächstenliebe‘) besteht übrigens nicht.

[] mehrsprachig, Adj.

in mehreren Sprachen (abgefasst)

Vor genau 80 Jahren wurde Antoine de Saint-Exupérys bekanntestes Werk, „Le Petit Prince“, erstmals veröffentlicht. Das Buch lässt uns nicht nur an den Abenteuern des kleinen Prinzen teilhaben, sondern führt uns auch vor Augen, wie wichtig Menschlichkeit, Freundschaft und Verantwortung gegenüber anderen und unserer Umwelt sind. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ – Mit dieser zeitlosen Botschaft ist es kein Wunder, dass sich das Kunstmärchen zu einem der meistübersetzten Klassiker der Weltliteratur entwickelt hat. Greifen Sie doch mal wieder zu einer der über 500 Übersetzungen und begeben Sie sich, wie Generationen von Lesern, auf eine literarische Reise durch das Universum.

[] Erstkontakt, der

erste Kontaktaufnahme, Begegnung zwischen Personen, (künftigen) Vertragspartnern, Völkern o. Ä.

Trekkies, denen wir neulich schon einen Artikel des Tages gewidmet haben, wissen, welches Jubiläum wir heute begehen. In genau 40 Jahren kommt es zum Erstkontakt der Menschheit mit einer außerirdischen Zivilisation. Richtig, in 40 Jahren, nicht vor (das hätten auch Nicht-Trekkies mitbekommen). Denn nach dem Szenario aus dem Film „Star Trek: Der erste Kontakt“ von 1996 landen am 5. April 2063 Vulkanier (mit ihrem Gruß „Lebe lang und erfolgreich“) in Nordamerika – wo sonst? – und begründen eine neue Epoche für die vom Dritten Weltkrieg zerrüttete Menschheit. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass es genau so kommen wird (und wir uns nicht sicher sein können, dass ein wirklicher Erstkontakt so vorteilhaft ablaufen wird), so wollen wir doch heute diese positive, völkervereinende Idee feiern.

[] Lückenfüller, der

etw., das (vorübergehend) dem Ausgleichen eines Mangels, dem Füllen einer Leere oder der Überbrückung einer Pause dient

Regelmäßig werden Wörter einer Sprache in eine andere übernommen, besonders wenn ihre Sprecherinnen und Sprecher miteinander in Kontakt stehen. Lücken im Wortschatz werden durch solche Entlehnungen geschlossen. Im Deutschen sind Anglizismen besonders frequent, aber auch Übernahmen aus vielen anderen Sprachen wie dem Französischen (Büro), Türkischen (Joghurt) oder Russischen (Steppe) nutzen wir ständig. Auch aus der Sprache der größten ethnischen Minderheit Europas, dem Romani, hat das Deutsche einige Wörter übernommen. Wie das Romani das Deutsche lexikalisch bereichert hat und umgekehrt, können Sie in unserem heutigen Blogartikel nachlesen.

[] Gummibärchen, das

Gummibonbon, das wie ein kleiner Bär aussieht

Es gibt Vegetarier und Veganer, die freuen sich, dass die meisten Gummibärchen Gelatine (Kollagen aus Rinder- oder Schweineknochen) enthalten, denn so werden sie nicht verführt, davon Unmengen zu naschen. Auch wenn sie nicht besonders gesund sind, so sind die Fruchtgummibonbons doch (für die meisten Menschen) besonders lecker. Ihren Siegeszug und die Tatsache, dass wir zu praktisch jedem süßen Weichbonbon, auch wenn es gar keinen Bären darstellt, „Bärchen“ sagen, verdanken sie Hans Riegel aus Bonn (Ha-Ri-Bo – spätestens jetzt wissen Sie auch, dass es sich bei dem Firmennamen um ein Akronym handelt). Am 3. April 1893 wurde er bei Bonn geboren, 1920 machte der gelernte Bonbonkocher sich dort selbständig und schuf den ersten Bären. Übrigens statt mit Gelatine noch vegan mit Gummi Arabicum.

[] Fotoshooting, das

Veranstaltung, bei der Fotos für einen bestimmten Zweck (z. B. eine Werbekampagne) gemacht werden

Obwohl die Sonne Leben spendet und uns täglich begleitet, vermeiden wir instinktiv den Blick auf sie. Wer diesen dennoch riskiert, kann erblinden, was eine direkte Beobachtung lange erschwerte. Es waren Galilei und Zeitgenossen, die auf die Idee verfielen, ein Teleskop zum Projizieren eines Sonnenabbilds zu nutzen. Als Louis Daguerre 1839 die nach ihm benannte Daguerreotypie vorstellte, sahen Hippolyte Fizeau und Léon Foucault darin 1845 die Gelegenheit, ein Foto der Sonne aufzunehmen. Mit damaliger Technik dauerte ein normaler „Schnappschuss“ fast eine halbe Minute. Ihnen reichte für ihr Sonnen-Fotoshooting bereits der Bruchteil einer Sekunde, um unseren Stern mit all seinen Flecken auf Platte zu bannen. Die beiden genialen Privatgelehrten gelten seither als Begründer der Astrofotografie.

[] Forschungsprojekt, das

befristetes Vorhaben im Bereich der Forschung

Heute ist ein besonderer Tag, denn das DWDS erhält Zuwachs durch eine weitere Sammlung mündlichen Sprachgebrauchs! Unsere beiden neuen Korpuslinguistik-Fachkräfte Mary Crown und Hans Geher haben in jahrelanger Kleinarbeit mit vielen Selbstversuchen eine Sammlung des sog. Promilledeutschen zusammengestellt, das, wir zitieren aus dem Projektantrag, „Beeinträchtigungen der Performanz von Sprechern unter dem Einfluss verschiedener Betäubungsmittel (besonders Alkohol)“ dokumentiert. Zentrales Thema wird das Spannungsfeld zwischen Ein- und Mehrwortausdrücken (promilledeutsch: „Flur?“, „Eishockey“, „Kanufahren“ = standarddeutsch: „Wie viel Uhr?“, „Alles OK“, „Kann noch fahren“) darstellen. Eine detaillierte Vorstellung dieses Projekts können Sie in unserem aktuellen Blogbeitrag nachlesen.

[] Sternstunde, die

Zeitpunkt, Zeitabschnitt, in dem eine besonders günstige Wendung in einer Angelegenheit erfolgt, sich etw. Entscheidendes, Vorwärtsweisendes ereignet

Es war tatsächlich eine Sternstunde in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus. Am 31. März 1848 zogen, begleitet von den Jubelrufen der Frankfurter Bevölkerung, 574 Abgeordnete in die Paulskirche ein. Ihr Auftrag: Vorbereitung zur Wahl einer deutschen Nationalversammlung. Die Aufgaben, denen sich die Parlamentarier in dieser demokratischen Findungsphase gegenübersahen, hätten kaum schwieriger sein können. Liberale, konservative und revolutionäre Konzepte prallten ebenso aufeinander wie unterschiedliche Vorstellungen über die Größe und Grenzen eines demokratischen Deutschlands. Dennoch wurde das Vorparlament seinen Aufgaben letztlich gerecht: Nur wenige Wochen später, am 18. Mai, trat das erste frei gewählte deutsche Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.

[] Märtyrerin, die

weibliche Person, die aufgrund des von ihr bekannten Glaubens Verfolgungen und meistens den Tod erleiden musste

Wenn man heute außerhalb des Kontexts der römischen Christenverfolgung oder der frühislamischen Geschichte hört, dass jemand zum Märtyrer bzw. zur Märtyrerin geworden ist, denkt man vielleicht an die übertragene (und teilweise fragwürdig übertriebene) Verwendung des Wortes. Doch leider ist es bis heute der Fall, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens Opfer von Gewalttätern oder totalitären Staaten werden. Ein Beispiel dafür ist die Wienerin Helene Kafka, die unter ihrem Ordensnamen Maria Restituta bekannt ist: Heute vor 80 Jahren wurde die Krankenschwester, die sich geweigert hatte, vom Gebot der christlichen Nächstenliebe abzuweichen, von den Nationalsozialisten ermordet. 1998 wurde sie seliggesprochen.

[] Blockbuster, der

Filmproduktion mit hohen Einspielergebnissen, hohen Zuschauerzahlen (im Kino, auf Streamingplattformen o. Ä.)

Es gab ihn, den Blockbuster des DDR-Kinos, aus den Studios der DEFA-Filmfabrik. Der Film „Die Legende von Paul und Paula“ füllte die Kassen der Kinos und trug zum Ruhm vieler Beteiligter bei: Da wären Regisseur Heiner Carow, Angelica Domröse als Paula, Winfried Glatzeder als Paul, die Puhdys mit dem, was wir heute „Soundtrack“ nennen, Szenenbildner Harry Leupold. Der schon vorher nicht unbekannte Ulrich Plenzdorf schrieb das Drehbuch dieser Legende mit einem traurigen Ende. Er verfasste im Anschluss auch das Buch zum Film, in dem der Stoff zu einer „Legende vom Glück ohne Ende“ fortgesponnen wurde. Und wenn sie nicht gestorben sind …

[] Amor spielen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, gelegentlich scherzhaft: versuchen, eine Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen anzubahnen

Am 28. März 1990 wird in Frankreich der Film „Cyrano de Bergerac“ uraufgeführt, der auf das etwa 100 Jahre ältere gleichnamige Theaterstück von Edmond Rostand zurückgeht. Cyrano, ein Degenfechter, Dichter und Adliger des 17. Jahrhunderts, ist verliebt in seine Cousine Roxane. Aus Angst, sie würde ihn wegen seines ungewöhnlichen Äußeren (namentlich seiner großen Nase) zurückweisen, gesteht er ihr seine Liebe nicht. Stattdessen hilft er seinem Rivalen Christian, sie mit poetischen Briefen für sich zu gewinnen, die Cyrano im Namen von Christian schreibt. Die Figur Cyrano de Bergerac ist zu einem Symbol für romantische Tapferkeit und die Macht der Sprache geworden.

[] Whisky, der

aus Getreidemaische durch Destillation gewonnenes und im Holzfass gereiftes alkoholisches Getränk

Heute ist der Internationale Whisk(e)y-Tag. Wir könnten auch den dritten Samstag im Mai feiern (Welt-Whisky-Tag), oder den 29. Juni (Tag des deutschen Whiskys), oder ein halbes Dutzend anderer Termine. Das Getränk ist offenbar sehr beliebt. Dabei gehört dieser Schnaps wie Koriander oder Lakritze zu den Nahrungsmitteln, an denen sich die Geister scheiden: Die einen schmecken da einfach nur Torf, die anderen (die natürlich auch wissen, was der Unterschied zwischen schottischem Whisky und irischem/amerikanischen Whiskey, Scotch und Bourbon, ist) sind entzückt über die zahlreichen Geschmacksnuancen, die sich besonders durch die jahrelange Lagerung in Eichenfässern ergeben.

[] Trekkie, der

Jargon: Fan, Anhänger der Science-Fiction-Serie »Star Trek«

Selbst diejenigen, die keine Trekkies sind, kennen den Vulkanier Commander Spock aus der Originalserie „Raumschiff Enterprise“ von 1966: logisch denkend, spitze Ohren und ein ikonischer Gruß „Live long and prosper“ (Lebe lang und erfolgreich), zu dem die Hand in einer spezifischen Weise erhoben wird, die es auch zum Emoji geschafft hat: 🖖 – Dieser vulkanische Gruß war im Übrigen eine Improvisation des Schauspielers, Leonard Nimoy (1931–2015), dessen heutiger Geburtstag seit 2017 als „Live long and prosper Day“ begangen wird. Er hatte als Kind eine entsprechende Handhaltung in der Synagoge beobachtet (heimlich, denn eigentlich durfte man nicht aufschauen), es handelt sich um die Segnung „birkat kohanim“.

[] Energiesparen, das

Verringerung des Verbrauchs von Öl, Gas, Kohle, Strom, Fernwärme o. Ä. durch ein wirtschaftlicheres Verhalten und technische Maßnahmen zur Steigerung der Nutzungseffizienz

London, Berlin und Los Angeles – Kornwestheim, Leinefelde-Worbis und Deidesheim: Weltweit sind es Tausende Städte und Gemeinden, die sich 2023 an der heutigen „Earth Hour“ beteiligen. Von 20:30 bis 21:30 Uhr werden dort für eine Stunde die örtlichen Monumente, Denkmäler, Rathäuser nicht mehr angeleuchtet. Die Aktion soll angesichts der Energiekrise und der globalen Erwärmung auf unseren immensen Energieverbrauch aufmerksam machen und zum Energiesparen aufrufen. Die erste Aktion fand am 31. März 2007 in Australien statt. Von 19:30 bis 20:30 Uhr lagen das berühmte Opera House und die Sydney Harbour Bridge im Finstern. Wer heute gerne im Dunkeln munkeln will, kann gerne mitmachen.

[] schlitzohrig, Adj.

listig, durchtrieben auf seinen Vorteil bedacht, geschickt seine Ziele verfolgend

Ideen muss man haben. 1972 wollte der chronisch klamme Bundesligist Eintracht Braunschweig mit einer innovativen Idee die Vereinskasse aufbessern: Das Signet eines bekannten Kräuterlikörproduzenten sollte die Leibchen ihrer Kicker zieren. Das lehnte der DFB entrüstet ab. Der Verein integrierte daraufhin das Markenlogo, einen Hirsch, kurzerhand in das Vereinswappen. Und so konnten die Braunschweiger am 24.3.1973 von den Verbandsbossen zähneknirschend geduldet erstmals in der Geschichte der Bundesliga mit Trikotwerbung auflaufen. Was den Sponsor seinerzeit erfreute, er ließ sich die Aktion gerade einmal 100.000 DM kosten, wäre heute undenkbar, ist doch Werbung für Alkoholika über 15 Vol.-% seit 2014 verboten. Prösterchen!

[] Abräumer, der

Film, der auf unterschiedlichen Filmfestspielen oder in unterschiedlichen Kategorien besonders viele Preise erhalten hat

Man kann darüber streiten, ob Jack auch auf der Tür hätte überleben können. Unbestreitbar ist hingegen, dass „Titanic“ zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten zählt. Er führte nicht nur zwölf Jahre lang die Liste der Filme mit den höchsten Einspielergebnissen an, sondern war heute vor 25 Jahren auch der große Gewinner der Oscarverleihung: 14 Mal nominiert, in elf Kategorien gewonnen. Damit hält er gemeinsam mit „Ben Hur“ und „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ den Trophäenrekord. Neben dem Preis für den besten Film erhielt Titanic u. a. auch einen Oscar für den besten Filmsong. Unabhängig vom persönlichen Musikgeschmack dürfte „My Heart Will Go On“ spätestens, wenn Céline Dion zum dritten Refrain ansetzt, auch bei den Hartgesottensten Gänsehaut verursachen.

[] Mimodrama, das

von Pantomimen aufgeführtes kleines Drama, dessen Handlung durch Gebärden, Mimik und Tanz erzählt wird

Marcel Marceau war ein Geschichtenerzähler. Er hatte die Fähigkeit, allein mit Händen und Füßen, Haltung und Mimik auszudrücken, was andere auch mit vielen Worten nicht vermögen. Mit diesem Talent wurde Marceau weltberühmt. Bekanntheit erlangte er vor allem als unbeholfener Clown, Monsieur Bip, mit weiß geschminktem Gesicht, gestreiftem Trikot und einer roten Blume am Hut. Mit „Schreien der Stille“, wie er seine pantomimischen Bilder beschrieb, stellte er die „tragische Komik des Daseins“ dar. Seine Kunst war inspiriert von den eigenen Erfahrungen – nicht zuletzt vom Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Heute wäre der Pantomime, der mit der Ausdruckskraft seines Körpers sein Publikum über ein halbes Jahrhundert in seinen Bann zog, 100 Jahre alt geworden.

[] Neologismus, der

lexikalische Einheit (Wort, Redewendung o. Ä.), die neu gebildet wurde und von der Sprachgemeinschaft eine gewisse Zeit lang als neu empfunden wird; neue Bedeutung eines bereits im Wortschatz vorhandenen Wortes

Wie stark unsere Sprache mit unseren Gedanken, aber auch mit Umwelt und Kultur zusammenhängt, können wir am ständigen Wandel des Wortschatzes beobachten. Tritt eine neue Sache auf den Plan, folgt ihr wenig später der entsprechende Neologismus (altgriechisch für ‚neues Wort, neue Rede‘). Die Neuschöpfungen der Corona-Pandemie sind dafür ein gutes Beispiel. Besonders Anglizismen („Lockdown“), Komposita („Hygienedemo“) oder Wörter aus der Fachsprache („Prävalenz“) halten regelmäßig Einzug in unseren allgemeinen Sprachgebrauch. Wer solche Neologismen prägt und warum manche von ihnen im Wörterbuch stehen und manche nicht, können Sie in unserem aktuellen Blogbeitrag nachlesen.

[] seines Glückes Schmied sein, Mehrwortausdruck

für sein Wohlergehen, für Erfolge im Leben selbst verantwortlich sein; das eigene Schicksal beeinflussen, steuern (können)

Alle Menschen wollen glücklich sein. Ein Stück weit können wir unsere Zufriedenheit, unser Wohlbefinden selbst beeinflussen. Dass sich auch die äußeren Umstände darauf auswirken, lässt sich aber nicht leugnen. Die UNO betrachtet sich daher ebenfalls als Glücksschmied. Sie ruft alle Mitgliedstaaten dazu auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Streben nach Glück erleichtern. In einer Resolution vom 28. Juni 2012 deklariert sie – die „Notwendigkeit eines inklusiveren, gerechteren und ausgewogeneren Konzepts für Wirtschaftswachstum, das die nachhaltige Entwicklung, die Armutsbeseitigung, das Glück und das Wohlbefinden aller Völker fördert“, anerkennend – den 20. März zum Internationalen Tag des Glücks.

[] jmdm. über die Hutschnur gehen, Mehrwortausdruck

das übliche, akzeptable Maß überschreiten und daher Ärger bei jmdm. erregen

Möchten wir unserem Ärger Luft machen, stellen wir gern idiomatisch die Reißfestigkeit, Wasserdichtigkeit o. Ä. von Textilien auf die Probe. Besonders beliebt ist dabei der Moment, da ein Gewebe einer gewaltigen Belastung unterzogen wird oder eben nicht mehr länger standhält. Nimmt etwa eine Sache überhand, platzt sie quasi aus allen Nähten. Eine kurz vor der Eskalation stehende Situation empfindet man als Zerreißprobe, fühlt sich gar auf den Schlips getreten. Mit steigender Intensität geht uns etwas über die Hutschnur, reißt der Geduldsfaden, platzt uns der Kragen, geht uns das Messer in der Tasche auf. Schließlich entledigen wir uns lästig gewordener Heimtextilien, indem wir das Handtuch werfen, das Tischtuch mit jemandem zerschneiden. Nunmehr aller emotionalen Last entledigt, lassen sich unbeschwert neue Bande knüpfen.

[] Märzgefallene, der oder die

im Zusammenhang mit der Märzrevolution von 1848 bei Kämpfen oder Demonstrationen umgekommener Mensch

Sie bildeten den traurigen Höhepunkt der Märzrevolution von 1848 – die erbitterten, mit erbarmungsloser Brutalität ausgefochtenen Barrikadenkämpfe auf den Straßen Berlins. Ein Trauma, das Beteiligte und Zeugen lebenslang verfolgte: „Ich höre das Donnern der Geschütze, das Krachen der Infanteriesalven, das Splittern der Bohlen, aus denen die Barrikade zusammengefügt ist.“ (August Brass, Journalist) Am Ende stand ein zweifelhafter Kompromiss: Das Militär wird zurückgezogen, die Barrikaden im Gegenzug abgebaut. Der endgültige Erfolg blieb den Revolutionären verwehrt, doch den bis zu 300 umgekommenen unter ihnen hat die Sprache ein Denkmal gesetzt: Die „Märzgefallenen“ haben bis heute ihren festen Platz im Wortschatz.

[] Sehnsucht, die

inniges, schmerzliches Verlangen, Herbeiwünschen

Gelbsucht, Wassersucht, Eifersucht: Verbindungen mit „-sucht“ verheißen selten Gutes. Denn Sucht – verwandt mit „siech“ – steht ursprünglich für Krankheit. Die „Sehnsucht“ aber, also das eigentlich krankhafte Sehnen, wurde schon früh in der galanten Poesie des Barock als schmerzliches Liebesverlangen aufgewertet: „So kan ich länger doch nicht schweigen / Mein hertze nimmt die sehnsucht ein / Es wil sich fast zum tode neigen / Und länger nicht mehr meine seyn.“ Seinen Charme hat sich das altertümliche Wort bis heute bewahrt, selbst im Englischen ist es unter der Bedeutung „wistful longing“ bekannt.

[] Programmpaket, das

Informations- und Telekommunikationstechnik: Menge von Computerprogrammen, die gemeinsam vertrieben und verwendet werden

Er war ein Hacker der ersten Stunde, und genau darum, weil er zunehmende Einschränkungen durch Software-Konzerne erfuhr, wurde er auch zu einem der eifrigsten Verfechter der sogenannten freien Software: Der US-Amerikaner Richard Stallman kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass die Nutzenden von Programmen ganz die (theoretische) Kontrolle über diese haben, inklusive der Einsicht in den Quellcode und der Möglichkeit, diesen zu verändern. Als freie Alternative zum proprietären Unix-System gründete Stallman so 1983 das GNU-Projekt, ohne dessen Programme heute kein Linux-System vollständig wäre. Heute wird der Pionier und – gerade in den letzten Jahren auch nicht unumstrittene – Aktivist der freien Software siebzig Jahre alt.

[] Jabot, das

am Halsausschnitt befestigte Krause aus gerüschter Spitze oder gefälteltem Batist

Ruth Bader Ginsburg zählt zu den großen Ikonen im Kampf für die geschlechtliche Gleichberechtigung, nicht zuletzt durch ihre Position als Richterin am Obersten Gerichtshof (Supreme Court) der Vereinigten Staaten. Die Position nahm sie von 1993 bis zu ihrem Tod 2020 ein und war damit die zweite Frau überhaupt in der langen Geschichte des Gerichts. Von Anfang ihrer Karriere an musste sie als Frau, Jüdin und Mutter Diskriminierungserfahrungen machen und setzte sich daher lebenslang für ihr oberstes Ideal ein: gleiches Recht vor dem Gesetz für alle. Heute vor 90 Jahren wurde die notorische, oft mit Jabot anzutreffende Juristin geboren.

[] Kreis, der

in gleicher Entfernung um einen Punkt laufende Linie, deren Punkte alle den gleichen Abstand vom Mittelpunkt haben, geschlossene ebene Kurve

Weil die internationale Datumsschreibweise 3/14 ihren ersten Ziffern 3,14 entspricht, gilt der heutige Tag als Pi-Tag. Die Zahl Pi, die das Verhältnis von Durchmesser zum Kreisumfang beschreibt und nicht durch einen Bruch natürlicher Zahlen darstellbar ist, fasziniert die Menschheit seit der Antike. Versuche, sie immer weiter auszurechnen, finden sich bei den Ägyptern ebenso wie bei Leibniz oder Gauß. Die unendliche Ziffernfolge hat auch zahlreiche Gedächtniskünstler auf den Plan gerufen: Der Rekord liegt bei unglaublichen 70 000 auswendig gelernten Nachkommastellen.

[] Ökumene, die

Bewegung der christlichen Kirchen und Konfessionen zur Einigung in Fragen des Glaubens und zum gemeinsamen Handeln

„Habemus papam“ hieß es vor genau zehn Jahren, am 13. März 2013. Nur geringe Chancen hatte man zuvor dem schon recht alten und gesundheitlich angeschlagenen Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien ausgerechnet, doch er erhielt die erforderliche Zweidrittelmehrheit im fünften Wahlgang. Als erster Südamerikaner und als erster Jesuit nahm Papst Franziskus auf dem Stuhl Petri Platz. Nicht selten von den konservativen Kräften der katholischen Kirche kritisiert, wird er von vielen anderen als Erneuerer gefeiert und ist besonders für seine Offenheit, Bescheidenheit und Solidarität sowie sein ökumenisches Engagement und den Einsatz für interreligiösen Dialog generell anerkannt.

[] Astronaut, der

Raumfahrer, besonders als Teilnehmer einer US-amerikanischen Weltraummission oder einer Mission anderer westlicher Länder

Nähme man die Berufswünsche von Kindern für bare Münze, würde die Welt vor Astronauten nur so wimmeln. In der Realität sind es jedoch nur wenige, die diesen anspruchsvollen Beruf ausüben dürfen. Ein Astronaut der ganz frühen Stunde ist Walter Schirra, der heute vor 100 Jahren geboren wurde. Er gehörte zu den „Mercury 7“, den sieben ausgewählten Astronauten des ersten bemannten Raumfahrtprogramms der USA. Doch damit nicht genug: Auch für die folgenden Programme „Gemini“ und „Apollo“ durfte er ans Steuer und ist damit der einzige Astronaut, der an jedem der ersten drei Raumfahrtprogramme der USA beteiligt war.

[] Bösewicht, der

besonders als Rolle des Antagonisten in Filmen, Theaterstücken usw.: böser, unmoralisch handelnder Mensch

Er ist der ewige Widersacher des Guten, kaum ein Hollywoodfilm kommt ohne ihn aus: den „Bösewicht“. Dabei haftet dem Ausdruck, blickt man auf das Grundwort „Wicht“, auch eine ironische bis spöttische Nebenbedeutung an, man denke an den „elenden“ oder den „armen Wicht“. Der „Bösewicht“ selbst ist schon seit dem Althochdeutschen belegt und bezeichnet seither allgemein den Verbrecher oder schlechten Menschen. Bei Luther stand er für den Teufel, bei ungehaltenen Erwachsenen auch für ungezogene Kinder. Im Gegensatz zum „Wicht“ hat es der böse Wicht auch auf eine zusätzliche Pluralform gebracht, wie wir seit Max und Moritz wissen: „‚Her damit!‘ Und in den Trichter / Schüttet er die Bösewichter.“

[] Außenseiter, der

außerhalb oder am Rande der Gesellschaft bzw. einer bestimmten Gruppe lebende Person; eine Person, die bzw. ein Unternehmen, ein Land o. Ä., das nicht Teil einer Gruppe, Verbundes ist und eigene Wege geht, eigene Ziele verfolgt

Die Außenseiter der Gesellschaft und die geistig Heimatlosen waren sein Lebensthema: Jakob Wassermann, der heute vor 150 Jahren geborene, zur Zeit der Weimarer Republik vielgelesene Erfolgsautor war eine moralische Instanz. Von seiner Empathie für die Schwachen, seinem tief empfundenen Humanismus zeugt auch der bis heute aufgelegte Roman „Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“. Der Sohn eines chronisch erfolglosen Geschäftsmannes und einer schöngeistigen Mutter, die ihrerseits nicht in die Zeit zu passen schienen, sah sich als Jude wachsenden Anfeindungen ausgesetzt. Die Verbrennung seiner Bücher 1933 bedeutete nicht nur die Vernichtung seiner bürgerlichen Existenz, sie zerstörte auch seinen Lebenstraum von einer Gesellschaft, die Rassismus und Spaltung überwindet.

[] Elo-Punkt, der

Schach: Wertungspunkt, den ein Schachspieler nach bestimmten Kriterien für sein Turnierspiel erhält

Man spricht manchmal davon, wie nahe beieinander Genie und Wahnsinn liegen, doch meist ist die Sache weniger dramatisch: Unbestreitbares Talent einer Person in einem Bereich heißt nicht, dass diese auch sonst ein lobenswerter Mensch sein muss. So auch bei Bobby Fischer, der heute vor 80 Jahren in Chicago geboren wurde: Hatte er erst einen unglaublichen Aufstieg in der Schachwelt hingelegt (Internationaler Meister 1957, Großmeister 1958, Weltmeister 1972), machte er seit Mitte der 1970er-Jahre durch exzentrische, xenophobe, misogyne und antisemitische Äußerungen nur noch negative Schlagzeilen, ehe er isoliert 2008 auf Island starb. Bisher unerreicht aber bleibt aber seine Elo-Zahl von 2895 Punkten.

[] Frauenbewegung, die

Bestrebung, (organisierter) Kampf einer größeren Anzahl von Frauen zur Durchsetzung ihrer Gleichberechtigung

In vielen Ländern der Welt ist der 8. März, der Frauentag, ein gesetzlicher Feiertag – seit 2019 auch in Berlin und seit diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern. Sein Ursprung liegt in der Frauenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Seit den 1970er-Jahren treten auch die Vereinten Nationen für die Idee eines Tages ein, an dem die Rechte und der Schutz von Mädchen und Frauen im Mittelpunkt stehen. In diesem Jahr trägt er das Motto „DigitALL: Innovation and technology for gender equality“. Es unterstreicht unter anderem, dass die Inklusion von Frauen sowie anderen marginalisierten Gruppen in digitalen und technologischen Bereichen kreativere Lösungen hervorbringt und das Potential für Innovationen steigert, die auch deren Bedürfnissen gerecht werden.

[] Asterisk, der

typografisches Zeichen bzw. Symbol in Form eines fünf- oder sechsstrahligen Symbols (*)

„Daß der Herr von V. ** Charlottens Aufenthalt ausgekundschafft, dero Auslieferung von dem regierenden Landes-Herrn durch unterthänigste Vorstellungen erhalten […]“. In diesem Ausschnitt eines Romans von Johann Gottfried Schnabel aus dem Jahre 1737 übernimmt der Asterisk die Rolle eines Auslassungszeichens, es ist ein Spiel mit dem vermeintlichen Geheimnis, das in vielen Romanen aus dieser Zeit gespielt wird. In seiner weiteren Karriere übernimmt dieses Symbol zahlreiche weitere Funktionen. Es wird unter anderem als Fußnotenzeichen, als Symbol für die Einbeziehung beliebiger Geschlechtsidentitäten (Gender-Sternchen) oder als sprachwissenschaftliche Markierung von erschlossenen, nicht belegten Wortformen sowie für nicht-nummerierte Fußnoten verwendet. Auch als Platzhaltersymbol für eine beliebige Zeichenfolge spielt er eine bedeutende Rolle. Sie lernen ihn in dieser Rolle kennen, wenn Sie die heutige Folge unserer Blogserie zur Abfragesprache des DWDS lesen – da wirkt er wahre Wunder.

[] Theaterleben, das

Lebenszeit oder längere Schaffensperiode, die eine Person (als Schauspieler, Regisseur o. Ä.) auf oder an der Bühne verbracht hat

„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! … Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd Durch die Kriege der Klassen …“ – Die Zeilen von Bertolt Brecht „an die Nachgeborenen“ könnten als Motto über ihrem Leben stehen – Therese Giehse, Kabarettistin und Schauspielerin, Interpretin der Stücke Brechts, aber auch u. a. der Gerhart Hauptmanns und Friedrich Dürrenmatts. Die Flucht vor dem Zugriff der Nationalsozialisten führte sie in die Schweiz, nach Belgien, in die Niederlande, nach Österreich, in die Tschechoslowakei, in die USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die heute vor 125 Jahren Geborene auf den Bühnen von München, Berlin, Salzburg und Wien. Die Bühne, das Theater war ihre wahre Heimat. 1975 starb sie, am Ende eines langen Theaterlebens. Wir, die Nachgeborenen, halten sie in ehrendem Angedenken.

[] Flügel, der

Musikinstrumentenbau: auf drei Beinen stehendes Klavier, dessen horizontal gespannte Saiten in einem waagerechten, aufklappbaren und an die Form eines Vogelflügels erinnernden Resonanzkörper gespannt sind

Nach dem frühen Tod seiner Eltern musste sich der junge Heinrich Steinweg allein durchschlagen. Nach einer Tischlerlehre heuerte er beim Militär an, doch seine eigentliche Leidenschaft galt dem Instrumentenbau. Noch im Feldlager baute er erste Zitherinstrumente, später fertigte er in seiner Waschküche den Prototypen eines „Fortepianos“ an – als Hochzeitsgeschenk für seine Frau. Infolge der Nachwirkungen der Deutschen Revolution emigrierte die Familie nach Amerika, wo er bald seinen Traum verwirklichen konnte. Aus Heinrich Steinweg wurde Henry Steinway und zusammen mit seinen Söhnen gründete er am 5.3.1853 eine Instrumentenwerkstatt. Die Qualität seiner Flügel sprach für sich und so wurde aus dem kleinen Familienbetrieb schnell das prestigeträchtige Luxusunternehmen Steinway & Sons.

[] Depression, die

Wirtschaft: Phase einer stark abgeschwächten (volks-, welt)‍wirtschaftlichen Konjunktur

Als Franklin Delano Roosevelt heute vor 90 Jahren seine erste Amtszeit als US-Präsident antrat, befand sich das Land nach dem Schwarzen Freitag von 1929 immer noch in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, der sog. „Great Depression“. Die Antwort des Demokraten auf die Verelendung weiter Bevölkerungskreise in dieser Weltwirtschaftskrise war der „New Deal“, eine Kombination aus Reformen der Sozialversicherung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Regulierungen. Auch wenn der ökonomische Nutzen der einzelnen Maßnahmen umstritten ist, ist die positive psychologische Wirkung doch unbestritten. Roosevelt wurde auch darum von der dankbaren Bevölkerung rekordmäßige (und heute nicht mehr mögliche) drei Mal wiedergewählt.

[] Biodiversität, die

Vielfalt der biologischen Arten, der genetischen Variation sowie der Ökosysteme

Heute vor 50 Jahren kam es zu einem seltenen Akt der Einigkeit. Nachdem in den vorangegangenen Jahren das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen des Handelns mit geschützten Tier- und Pflanzenarten gewachsen war, zogen 183 Länder an einem Strang und setzten mit ihrer Unterschrift des Washingtoner Artenschutzübereinkommens ein Zeichen für die Biodiversität. Anlässlich dieses historischen Ereignisses erklärten die Vereinten Nationen den 3. März zum Tag des Artenschutzes. Dieses Jahr stehen die Menschen und Organisationen im Mittelpunkt, die sich auf lokaler wie globaler Ebene für den Schutz und Erhalt wildlebender Arten einsetzen.

[] aus seinem Herzen keine Mördergrube machen, Mehrwortausdruck

aufrichtig und ehrlich seine (kritische) Meinung äußern, etw. offen sagen, aussprechen; kein Geheimnis aus etw. machen; sich nicht (aus taktischen Gründen) mit einer Äußerung zurückhalten

Wer weder Groll noch Zorn in sich „hineinfrisst“, macht bekanntlich aus seinem Herzen keine Mördergrube. Trotzdem bleibt die Frage, was eine „Mördergrube“ tatsächlich sein könnte. Im Sprichwort gräbt man eine Grube, wenn man jemanden hereinlegen will. Hat die Mördergrube also ein Totschläger ausgeschaufelt? Tatsächlich steht das Grundwort „Grube“ hier nicht für die Erdvertiefung, sondern für die zweite, untergegangene Lesart ‚Höhle‘, wovon auch die Bedeutung ‚Bergwerk‘ abgeleitet ist. Als Jesus in Matthäus 21,13 die Tische der Geldwechsler im Tempel mit den Worten umstößt: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus“, übersetzte Luther „spelunca latronum“ (= Höhle der Räuber) mit der „Mördergrube“, gemeint war im übertragenen Sinn ein unreiner, verrufener Ort.

[] Vestalin, die

Priesterin der römischen Göttin Vesta

Auf dem Forum Romanum brannte im Tempel der Göttin Vesta einst ein ewiges Feuer. Jedes Jahr wurde es am 1. März – dem Neujahrstag nach altrömischem Kalender – von den hochangesehenen vestalischen Priesterinnen in einem besonderen Ritual neu entzündet. Den Rest des Jahres galt es, das heilige Feuer zu hüten. Sollte die Flamme erlöschen, so glaubten die Römer, wäre das ein Zeichen bevorstehenden Unheils. Wenn dies geschah, musste die verantwortliche Vestalin für ihre Nachlässigkeit büßen, um die Götter zu besänftigen: Zur Bestrafung wurde sie durch den Pontifex maximus ausgepeitscht. Den Untergang des Römischen Reichs hat das offenbar nicht verhindert.

[] Chancengleichheit, die

gleiche Perspektive auf Ausbildung, Karriere und gesellschaftlich-soziale Entwicklung unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht o. Ä.

Im Wintersemester 2022/23 waren etwa 1,48 Millionen Studentinnen an deutschen Hochschulen eingeschrieben, damit machten sie 50,6 Prozent aller Studierenden aus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts betrug der Frauenanteil dagegen noch quasi null. Obwohl Frauen der Zugang zu universitärer Bildung offiziell verwehrt blieb, studierten sie trotzdem, wenn auch nur als „Hörerinnen“ hinter angelehnten Türen. Eine Vorreiterrolle in Sachen der Frauenbildung nahm das Großherzogtum Baden ein, das am 28. Februar 1900 als erstes Land des Deutschen Reichs per Erlass Frauen den vollen Zugang zu Universitätsstudien ermöglichte. Johanna Kappes war die erste Frau, die sich daraufhin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg zum Medizinstudium einschrieb.

[] Abfrage, die

das Sammeln von Informationen durch Fragen; das Prüfen von jmds. Kenntnissen durch Fragen

Vielen Schülerinnen und Schülern treibt allein der Gedanke daran den Schweiß auf die Stirn: die meist unangekündigte Abfrage von (nicht) vorhandenem Unterrichtswissen durch die nur scheinbar neugierige Lehrerin – das Ergebnis findet sich dann auf dem Zeugnis. Zum Glück gibt es aber auch andere Arten von Abfragen. So kann man in riesigen, heute überwiegend digitalen Datenbeständen per Abfrage, die gelegentlich auch Anfrage genannt wird, den Wissensdurst und die Neugier stillen. Wie das mit den Korpora des DWDS geht, zeigen wir Ihnen in einer Blogserie. In der heutigen Folge geht es um den Abfrageassistenten, der Sie bei dieser Arbeit unterstützt.

[] Jeans, die

legere Hose aus Denim, einem robusten, typischerweise aus Baumwolle in Köperbindung gefertigten Gewebe

Vom Tellerwäscher zum Millionär – der berühmte amerikanische Traum. Auch wenn ein solcher Aufstieg natürlich ein seltener Fall war, so war er im 19. Jahrhundert in den nach Westen expandierenden Vereinigten Staaten doch viel eher möglich als in Europa. Und so versuchten zahlreiche Einwanderer aus der Alten Welt ihr Glück in den USA, darunter auch der Franke Löb Strauss, der die Goldgräber in Kalifornien mit Kurzwaren und anderen Produkten versorgte. Als der Lette Jākobs Jufess eine Idee hatte, wie man strapazierfähigere Hosen für die Schürfer herstellen könnte, aber kein Kapital besaß, taten sich die beiden mosaischen Glaubensbrüder, die in der Neuen Welt Levi Strausss und Jacob Davis hießen, zusammen. Entstanden war die Jeans, die seitdem ein ungebrochener Verkaufsschlager ist.

[] Hypotaxe, die

Unterordnung eines Satzes unter einen anderen

Wenn es um die Besonderheiten des Deutschen geht, dann ist das ein oder andere Zitat aus Mark Twains großartigem Essay „The Awful German Language“ eigentlich Pflicht. Doch überraschenderweise hat er sich in seinem – so würde man heute sagen – Rant zwar über die zu langen Sätze und besonders die trennbaren Verben unserer Sprache ausgelassen, aber nicht über die Binnenstruktur, die solch lange Parenthesen erst möglich macht: den Schachtelsatz. Wie eine sprachliche Matroschka kann man im Deutschen Nebensatz in Nebensatz einbetten: So kann eine Struktur, die fachsprachlich Hypotaxe heißt und nur durch praktische Gesichtspunkte, wie sie z. B. die Verständlichkeit, weil man sich ja nicht alles merken kann, erfordert, eingeschränkt wird, entstehen. Das ist doch einen Ehrentag wert!

[] Kunstfreiheit, die

das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Freiheit der Kunst, insbesondere auf die Freiheit der künstlerischen Arbeit und die Freiheit, den Inhalt eines Kunstwerks einem Publikum zugänglich zu machen

Als der Rowohlt-Verlag 1981 Klaus Manns Roman „Mephisto“ in der Bundesrepublik herausbrachte, setzte er sich über ein Urteil des Bundesgerichtshofs hinweg, das am 24. Februar 1971 zum Verbot des Werkes geführt hatte. In einem jahrelangen Rechtsstreit war über Kunstfreiheit und Persönlichkeitsschutz Dritter verhandelt worden. Die Romanfigur Hendrik Höfgen, die sich um der Karriere willen mit dem Nationalsozialismus arrangiert, ist eine recht eindeutige (und treffende) Bloßstellung des Schauspielers und Regisseurs Gustaf Gründgens. Die späte Veröffentlichung berief sich auf einen Passus der Urteilsbegründung, in dem in Aussicht gestellt worden war, dass das persönliche Schutzbedürfnis des Verunglimpften dereinst schwinden würde. 1981 erschien der Roman über eine Figur, die für den Aufstieg zu allem bereit ist.

[] Artefakt, das

Archäologie: von Menschen (einer vergangenen Epoche) hergestelltes oder bearbeitetes Objekt als archäologischer Untersuchungsgegenstand

Die Geschichte der Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra liest sich wie ein Krimi. Gefunden wurde das bronzezeitliche Artefakt nicht etwa bei einer archäologischen Grabung, sondern durch zwei Raubgräber, die 1999 ein Waldstück mit einer Sonde nach Wertvollem durchforsteten. Ihre Fundstücke übergaben sie jedoch nicht, wie es das Schatzregal des Denkmalschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vorsieht, dem Land, sondern verkauften sie auf dem Schwarzmarkt und machten sich daher der Fundunterschlagung und Hehlerei strafbar. Nachdem Archäologen Wind von der Sache bekommen hatten, wurde die Polizei informiert und die Hehler konnten am 23.2.2002 bei einer fingierten Übergabe in einem Hotel in Basel festgenommen werden.

[] Aschermittwoch, der

Mittwoch nach dem Ende des Karnevals, an dem die Fastenzeit vor Ostern beginnt

Jedes Jahr am Aschermittwoch ist alles vorbei. Seit über 1500 Jahren! So lange ist es her, dass Papst Gregor der Große (um 540–604) den Beginn der vorösterlichen Fastenzeit – selbstverständlich unter Rückgriff auf die Bibel – auf einen Mittwoch verlegte. Von Aschermittwoch bis zum Vorabend vor Ostern sind es (Sonntage nicht mitgerechnet) 40 Tage, der Zeitraum, den Jesus fastend in der Wüste verbrachte. Bereits zu Gregors Zeit existierte der Brauch, bekennende Sünder zu Beginn der Fastenzeit als Zeichen der Buße mit Asche zu bestreuen. Heute wird in der katholischen und teilweise in der evangelischen Kirche jedem Kirchenbesucher ein Aschekreuz auf die Stirn gezeichnet. Bei der Asche handelt es sich um die verbrannten Überreste der Buchsbaumgestecke von Palmsonntag.

[] ohrenfällig, Adj.

auffällig für die Ohren, sehr deutlich hörbar

Wer Nina Simone hört, hört ihr unbestreitbares musikalisches Talent. Ihr Klavierspiel war virtuos, ihre Stimme elektrisierend. Sie war in der Lage, mit ihren beiden Händen und ihrem Gesang drei separate, aber sich ergänzende Tonfolgen zu realisieren. Scheinbar mühelos bewegte sie sich stilistisch zwischen Jazz, Soul, Blues, Gospel, Folk, R’n’B, Pop und Klassik. Wer Nina Simone hört, hört jedoch auch viel Schmerz und Wut. In einigen Liedern verarbeitete sie ihren Frust über die rassistische Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA. Mit Zeilen wie „All I want is equality for my sister, my brother, my people and me“ im Song „Mississippi Goddam“, einem ihrer bekanntesten Protestlieder, wurde sie zu einer wichtigen – sowie wuchtigen – Stimme der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre.

[] jubilieren, Verb

den Jahrestag einer Gründung oder der Geburt begehen

Der Kölner Karneval feiert sein 200-jähriges Jubiläum. Seit dem Rosenmontag 1823 (damals ein 10. Februar) sind die großen Paraden und Umzüge fester Bestandteil des Brauchtums der Stadt am Rhein. Ob in den Kneipen oder auf den Straßen – der Karneval verbindet Jung und Alt, Arm und Reich, Einheimische und Angereiste aus aller Welt. Das Jubiläum wird natürlich mit einem bunten Programm aus Sitzungen, Konzerten und Umzügen gefeiert. Und sicherlich wird so manches „Alaaf!“ durch die Straßen hallen. In unserem heutigen Blogbeitrag widmen wir uns zum Höhepunkt der fünften Jahreszeit übrigens den beiden wohl bekanntesten Karnevalsrufen „Alaaf“ und „Helau“, ihrer Herkunft und ihrer Verbreitung.

[] Hassverbrechen, das

aus Feindseligkeit oder Vorurteilen gegenüber Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung begangenes Verbrechen an einer oder mehreren Personen

Heute vor drei Jahren verbanden sich bei einem 43-Jährigen in tödlicher Weise eine paranoide Schizophrenie mit einem rechtsextremen, rassistischen Weltbild. Binnen nur zwölf Minuten erschoss der polizeibekannte Mann, ehe er seine Mutter und sich selbst umbrachte, mit legal besessenen Waffen neun Menschen, die ihm nicht „deutsch genug“ aussahen:
  • Kaloyan Velkov
  • Fatih Saraçoğlu
  • Sedat Gürbüz
  • Vili Viorel Păun
  • Gökhan Gültekin
  • Mercedes Kierpacz
  • Ferhat Unvar
  • Said Nesar Hashemi
  • Hamza Kurtović
Bis heute gibt es in Deutschland keine verpflichtende Kontrolle der psychischen Gesundheit für Waffenbesitzer.

[] Aberkennung, die

Recht: rechtsverbindlicher Entzug eines Status bzw. Rechts infolge der Verletzung obligatorischer, diesen Status bzw. dieses Recht konstituierender Voraussetzungen

„Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten“ – mit diesem Merkspruch haben viele zu Schulzeiten die Reihenfolge der Planeten unseres Sonnensystems gelernt. Doch 2006 ging ein Aufschrei durch die Reihen der Hobbyastronomen. Aufgrund eines Beschlusses der Internationalen Astronomischen Union wurde Pluto, dem ehemals neunten Planeten unseres Sonnensystems, sein Planetenstatus aberkannt! Ausgangspunkt dieses Beschlusses war eine Neudefinition des Begriffs „Planet“. Pluto fristet nun weiter als „Zwergplanet“ sein Dasein, was Fans jedoch nicht davon abhält, anlässlich des Datums seiner Entdeckung am 18. Februar 1930, jedes Jahr den Pluto-Tag zu begehen. Als neue Merkhilfe für die Reihenfolge der Planeten gilt nun: „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.“

[] Ghostwriter, der

Autor, der im Auftrag einer anderen Person (besonders eines Politikers oder einer anderen bekannten Persönlichkeit) gegen Bezahlung Texte oder Bücher schreibt und nicht als Autor genannt wird

Rund 350 Jahre nach dem Tod des großen Dramatikers Molière schwebt immer noch die Frage im Raum: War er tatsächlich Autor der ihm zugeschriebenen Stücke? Wohl kaum, so lautete lange der Vorwurf einiger Literaturwissenschaftler. Der Mann, der eine große Theatertruppe leitete, als Schauspieler dreimal täglich auf der Bühne stand, hätte schlicht zu wenig Zeit gehabt. Als Ghostwriter im Verdacht stand Dramatikerkollege Pierre Corneille, dessen Wortschatz den Dramen Molières auffällig glich. Ausgerechnet prosaische Rechenpower hat Molière zumindest teilweise rehabilitiert: Mit den Mitteln der Stilometrie konnten Linguisten für die Vers-Komödien stilistische Profile der Dramatiker erzeugen. Es zeigte sich, dass sich die Autoren doch deutlich voneinander unterschieden.

[] Weiberfastnacht, die

meist am Donnerstag vor Fastnacht besonders im Rheinland begangener Feiertag, an dem (verkleidete) Frauen symbolisch die Macht übernehmen und die Straßenumzüge des Karnevals beginnen

Während der Karnevalszeit steht bekanntlich alles kopf. Es ist gesellschaftlich akzeptiert, dass über die Stränge geschlagen wird. Man verspottet Machthaber und lehnt sich, zumindest symbolisch, gegen Obrigkeiten auf. Am heutigen Tag gilt das besonders für einen bestimmten Teil der Bevölkerung: Frauen. Zur sogenannten Weiberfastnacht haben sie das Sagen. Seit Jahrhunderten begehren sie an diesem Tag gegen die Männer auf, überlassen ihnen Haushalt und Kinder, stürmen und besetzen Rathäuser. Wer heute Krawatte trägt, muss damit rechnen, dass sie – analog der Herrschaft des Patriarchats – beschnitten wird. Frauen an der Macht: bis vor gar nicht allzu langer Zeit außerhalb der fünften Jahreszeit kaum vorstellbar und auch heute noch nicht überall selbstverständlich.

[] Dissidentin, die

weibliche Person, deren Ansicht von einer offiziellen (Lehr-)‍Meinung, einer politischen oder staatlichen Ideologie abweicht und die ihre Kritik öffentlich kundtut

Sie war eine streitbare Frau, vom Leben durch zahlreiche Widerstände gehärtet: Jelena Georgijewna Bonner. Als ihre Eltern im Rahmen der Stalinschen Säuberungen verhaftet (und hingerichtet bzw. verbannt) wurden, floh sie zur Großmutter. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie als Sanitäterin verwundet, später wurde sie Kinderärztin und Schriftstellerin. Seit 1972 mit dem Dissidenten und späteren Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow verheiratet, vertrat sie ihn auf internationalem Parkett und erlebte dadurch zahlreiche Repressionen in der UdSSR. Nach der Perestroika blieb sie ihren Idealen treu, gab z. B. ihren Sitz im russischen Menschenrechtsrat aus Protest gegen die Tschetschenien-Politik auf. Heute vor hundert Jahren ist sie in Mary (nun Turkmenistan) zur Welt gekommen.

[] jmdm. Avancen machen, Mehrwortausdruck

gehoben: bei jmdm. Annäherungsversuche machen; jmdm. sein Interesse an einer (sexuellen) Beziehung durch direkte oder indirekte Hinweise signalisieren

Ob mit Blumen, Pralinen oder Schmuck: Es gibt viele Möglichkeiten, der Person, die man begehrt, sein Interesse zu bekunden. Wir könnten an dieser Stelle etwas Kritisches über die Kommerzialisierung des Valentinstags schreiben. Oder wir schlagen einfach vor, einem geliebten Menschen am heutigen Tag zu zeigen, was er Ihnen bedeutet. Wenn wir ehrlich sind, freuen wir uns doch alle über eine wertschätzende Aufmerksamkeit. Diese kann aber auch aus ein paar lieben Worten bestehen. Dafür eignet sich natürlich ebenso jeder andere Kalendertag.

[] Sperenzchen, die

umgangssprachlich, abwertend: unnötige, verzögernde, behindernde Umstände, Schwierigkeiten

Jemand hält Sie durch albernes, kompliziertes Gehabe unnötig auf oder stört Sie dabei, eine Entscheidung zu treffen? Dann könnte Ihnen schon mal ein „Lass doch die Sperenzchen!“ herausrutschen. Das Wort „Sperenzchen“ bzw. „Sperenzien“ geht wahrscheinlich zurück auf mittellat. „sperantia“ ‚Hoffnung‘, soll aber auch mit ‚sich sperren‘ in Zusammenhang stehen. Was hofft Ihr Gegenüber also, mit seiner Störung zu erreichen? Und welche Hoffnung soll in Ihnen geweckt werden? Und apropos Hoffnung und sich sperren: Falls Sie für den morgigen Valentinstag ein Date mit jemandem geplant haben sollten: In unserem aktuellen Blogartikel zeigen wir Ihnen auf, mit welchen Sperenzchen Sie Ihr Gegenüber besser nicht plagen sollten.

[] Wiederholungswahl, die

erneute Wahl, wenn im Wahlprüfungsverfahren eine Wahl ganz oder teilweise für ungültig erklärt wurde

Knapp zweieinhalb Millionen wahlberechtigte Berlinerinnen und Berliner sind heute zur Wahl aufgerufen – wieder einmal. Dass es zu dieser für eine Demokratie äußerst peinlichen Wiederholungswahl kommen musste, „verdankt“ sich einer Anhäufung von Widrigkeiten, Pannen und Versäumnissen. Problematisch war von Anfang die zeitliche Enge: Neben der Wahl zum Bundestag, Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung sollten die Stimmberechtigten ihr Votum auch zu Volksentscheiden abgeben. Dem standen pandemiebedingt pro Wahllokal nur zwei Kabinen, zu wenige oder falsche Stimmzettel sowie schlecht ausgebildetes Personal gegenüber. Dass an diesem Tag zudem der Berlin-Marathon stattfand, der eine zügige Auslieferung an die (oftmals falsch ausgeschilderten) Wahlbüros erschwerte, war dann nur noch die Spitze des Eisbergs.

[] Notrufnummer, die

Telefonnummer, die man wählen muss, um in einem Notfall die Polizei, die Feuerwehr, den Notarzt, den Rettungsdienst o. Ä. zu rufen

Wer in der Schweiz oder in Österreich Zeuge eines Unfalls wird und über einen telefonischen Notruf den Rettungsdienst verständigt, wählt in der Regel die 114, in Deutschland die 112. Was aber vielen (insbesondere in Deutschland) noch immer nicht bewusst ist: Auch in vielen weiteren Ländern kann mit der Notrufnummer 112 Hilfe herbeigerufen werden. 1991 hatten Kommission und Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Einführung der europaweit gültigen Notrufnummer beschlossen und deren Umsetzung penibel überwacht. Doch als man 2008 den Bekanntheitsgrad dieser Nummer ermittelte, wussten in Deutschland gerade einmal 12 Prozent der Befragten Bescheid. Um diesem Missstand abzuhelfen, rief das Europäische Parlament 2009 den 11. Februar als „Europäischen Tag des Notrufs 112“ aus.

[] Dialektik, die

Methode der Erkenntnis, deren Wesen darin besteht, durch Aufdeckung der Widersprüche und deren Überwindung zur Auffindung der Wahrheit zu gelangen

Die Welt steckt voller Widersprüche. Diese sichtbar zu machen, hat sich das „epische“ oder „dialektische“ Theater zum Ziel gesetzt. Das Publikum soll sich nicht mit den Figuren identifizieren, nicht mitfühlen. Stattdessen wird eine Distanz zum Bühnengeschehen geschaffen, indem vor allem Verfremdungseffekte die Illusion von Realität durchbrechen. Auf diese Weise wird das Gezeigte nicht durch einen emotionalen Schleier, sondern nüchtern betrachtet. So will das epische Theater zur kritischen Reflexion des Gesehenen anregen. Mehr noch: Es will dazu animieren, aufgedeckte Missstände zu beseitigen. Bertolt Brecht war der Ansicht, dass es „nicht nur darauf ankommt, die Welt zu interpretieren, sondern sie zu verändern.“ Heute wäre er 125 Jahre alt geworden.

[] Liebesglück, das

Glück, das man empfindet, wenn man verliebt ist, das mit der Erfahrung von Verliebtheit und Liebe verbunden ist

Weder auf der Leinwand noch auf der Bühne kommt es allzu oft vor, dass ein Remake die Originalfassung übertrifft. Doch tatsächlich entpuppt sich eine der erfolgreichsten Operetten Franz Lehárs – „Das Land des Lächelns“ (Uraufführung 1929) – als gelungene Überarbeitung. Die Erstfassung unter dem Titel „Die gelbe Jacke“ hatte bereits am 9.2.1923 Premiere. Für die Neuauflage wurden u. a. mehrere Gesangsstücke und Tänze neu arrangiert, der Plot wurde gestrafft und umgeschrieben. Aus „Duft strömt aus deinem Haar“ wurde die weltberühmte Arie „Dein ist mein ganzes Herz“. Und obsiegt im Original noch die Liebe, verklingt das Finale im „Land des Lächelns“ im Abschiedsschmerz. Unvergessen bleibt der in beiden Fassungen enthaltene Titel „Immer nur lächeln“, kongenial dargeboten von Tenören wie Richard Tauber oder Joseph Schmidt.

[] Philanthrop, der

gehoben: jmd., dessen Denken und Handeln auf individuelle Wohltätigkeit und (finanzielle) Unterstützung des Gemeinwohls ausgerichtet ist

Die Pfadfinderbewegung verbreitete sich seit ihrer Gründung durch Robert Baden-Powell in England 1907 stetig, doch in Amerika gab es noch kein vergleichbares Pendant. Ändern sollte sich dies ausgerechnet durch einen Multimillionär und Unternehmer. Der Amerikaner William D. Boyce konnte in der Verlagswirtschaft ein beträchtliches Vermögen anhäufen. Nachdem er allerdings bald bemerkt hatte, dass Geld nicht alles ist, wandte er sich philantropischeren Unternehmungen zu, unternahm Expeditionen und reiste. Auf einer dieser Reisen traf er – der Legende nach – auf einen britischen Pfadfinder, der ihm im dichten Londoner Nebel den rechten Weg wies. Am 8.2.1910 gründete Boyce die „Boy Scouts of America“.

[] Zubringer, der

Verkehrsmittel, das Fahrgäste an einen bestimmten Ort bringt, von dem sie mit einem anderen Verkehrsmittel weiterbefördert werden

Wenn man am Berliner Hauptbahnhof einen Aufzug braucht, muss man viel Zeit mitbringen. Das ist aber nichts im Vergleich zu den Umständen, die ein Zugwechsel in Berlin um 1871 mit sich brachte. Da es in der schnell wachsenden Hauptstadt des neuen Deutschen Reiches acht miteinander nicht verbundene Kopfbahnhöfe gab, musste man sich zwischen ihnen per Kutsche bewegen, um umzusteigen, sofern man nicht die problembehaftete sog. Verbindungsbahn nutzen konnte. Als schnelle Verbindung der wichtigsten Bahnhöfe wurde daher ab 1872 die vierspurige Stadtbahn geplant und nach langer Bauzeit (man musste z. B. den alten Festungsgraben zuschütten, um Platz zu gewinnen) am 6. Februar 1882 in Betrieb genommen. Sie ist heute das Herzstück der Berliner S-Bahn.

[] Jamaikaner, der

Einwohner Jamaikas; jmd., der die jamaikanische Staatsbürgerschaft besitzt; jmd., der (ursprünglich) aus Jamaika stammt

Der 6. Februar 1945 sollte einen bedeutenden Einfluss auf die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts haben. An diesem Tag wurde Robert Nesta Marley, kurz Bob Marley, einer der bekanntesten Jamaikaner, geboren. Als Mitbegründer des Reggae und als Friedensaktivist prägte er seine und folgende Generationen. Marley war Anhänger der Rastafari-Bewegung und ein starker Befürworter des Panafrikanismus, er nutzte seine Musik, um gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung zu protestieren. Sein Lied „Get Up, Stand Up“ wurde zu einer Hymne der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Im Alter von nur 36 Jahren starb Bob Marley an Hautkrebs.

[] Baaldiener, der

Götzendiener, besonders für den Gott Baal

Heute vor exakt 2169 Jahren fiel Karthago, verteidigt vom Feldherren Hasdrubal, nach langer Belagerung durch den jüngeren Scipio Africanus. Die ursprünglich phönizische Kolonie, die lange Zeit mit Rom um die Vorherrschaft im westlichen Mittelmeerraum gerungen und es unter Hannibal an den Rand der Niederlage gebracht hatte, war 146 v. Chr. nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen. Doch bis zuletzt hatte sich dort das levantinische Kulturerbe erhalten. Dies zeigen die genannten Eigennamen, die nach typisch semitischem Muster gebildeten Hasdrubal (’zr-bʿl „meine Hilfe ist Baal“) und Hannibal (ḥn-bʿl „Baal ist gnädig“), theophore Namen mit dem phönizischen Hauptgott, den wir durch die ihm gegenüber natürlich nicht neutral eingestellte Bibel bis heute kennen (auch etwas entstellt im „Beelzebub“).

[] Versorgungslücke, die

Mangel, Defizit in der ärztlichen, pflegerischen Versorgung

„Versorgungslücken schließen“ ist das Motto des diesjährigen Weltkrebstages. Damit weisen die teilnehmenden Organisationen auf die Ungleichheit hin, die in der Krebsvorsorge und -behandlung weltweit herrscht. Sozioökonomischer Status, Wohnort, aber auch Diskriminierung sind einige der Einflussfaktoren, wegen denen Menschen oft nicht die benötigte Behandlung bekommen können. In Deutschland haben besonders Menschen, die auf dem Land leben, aber auch Einkommensschwache Nachteile, was die onkologische Versorgung betrifft. Zudem sind während der Corona-Pandemie Maßnahmen zur Prävention und Früherkennung weniger als zuvor genutzt worden. Auch diese Lücke muss geschlossen werden.

[] Ikone, die

[übertragen] (von der Allgemeinheit oder von einer bestimmten Anhängerschaft verehrte) Person oder Sache, die den Zeitgeist, bestimmte Werte, eine Kunstrichtung o. Ä. in herausragender Weise verkörpert

Wie unzählige andere weiße US-Teenager entdeckte auch Charles Hardin Holley in den frühen Nachkriegsjahren den Blues. Als Buddy Holly wurde er zu einem der prägendsten Musiker, zu einer Ikone des Rock’n’Roll. Seine Titel komponierte der bekennende Brillenträger mit dem unverwechselbaren Gesangsstil selbst, das Tonstudio verstand er als Experimentierfeld. Als einer der ersten Musiker trat er mit seiner Band in der späteren Standardformation des Rock auf – bestehend aus Lead- und Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug. Vertreter nachfolgender Musikergenerationen, u. a. die Beatles oder Bob Dylan, beriefen und berufen sich bis heute auf Buddy Holly als Inspirationsquelle. Am 3. Februar 1959 verunglückte der Musiker bei einem Flugzeugabsturz tödlich.

[] Annus horribilis, Mehrwortausdruck

(‚schreckliches Jahr‘) meist im Rückblick: Jahr, in dem (meist) mehrere furchtbare Vorkommnisse eintraten

Seuchen, Hungersnöte, Naturkatastrophen: Die Chronisten der römischen Antike und des europäischen Mittelalters hätten wohl reichlich Gelegenheit gehabt, von einem „Annus horribilis“ (‚schrecklichen Jahr‘) zu berichten. Und dennoch wurde die neulateinische Fügung „Annus horribilis“ erst im 20. Jahrhundert allgemein geläufig. Verantwortlich für den Popularitätsschub war keine Geringere als Queen Elizabeth II. 1992 hatten sich im englischen Königshaus die Skandälchen, Seitensprünge, peinlichen Buchveröffentlichungen, mit denen die Royals die Öffentlichkeit regelmäßig erfreuen, derart gehäuft, dass die Königin anlässlich ihres Thronjubiläums ein Jahrzehnt später dieses Jahr 1992 rückblickend als „Annus horribilis“ brandmarkte.

[] Raumfähre, die

bemanntes Raumschiff, das auf Himmelskörpern landen kann und oft für den wiederholten Einsatz geeignet ist

Heute vor 20 Jahren endete die 28. Mission der Raumfähre „Columbia“ in einer Tragödie. Bei der Rückkehr zur Erde zerbrach das Shuttle in ca. 61 Kilometern Höhe über Texas, alle sieben Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass es bereits beim Start rund zwei Wochen zuvor zu einer Beschädigung des Hitzeschutzes gekommen war. Die enormen Temperaturen während des Wiedereintritts beschädigten schließlich das Innere des Shuttles und führten zu seinem Absturz. Das Unglück führte zu einer Überprüfung der Raumfahrt-Sicherheitsstandards und einer mehrjährigen Pause im Spaceshuttle-Programm der NASA.

[] Telefonzelle, die

freistehende Kabine mit einem Telefon zur öffentlichen (zahlungspflichtigen) Benutzung

Früher gehörten sie zum Straßenbild und zur selbstverständlichen Infrastruktur: die Telefonhäuschen, auch Telefonzellen oder -kabinen genannt. Doch der Siegeszug der Mobiltelefone nach 1990 machte ihnen den Garaus. Schon massenhaft abgebaut, umgewidmet (z. B. zu Bücherboxen) oder durch wandlose Säulen ersetzt, gehen die fest installierten Telefone heute ganz außer Dienst. Vor einem Monat war schon die Ära des Telegramms zu Ende gegangen. Gut 3000 davon wurden am letzten Tag verschickt; wenn Sie also heute die Gelegenheit nutzen wollen, jemanden per amtsdeutsch „öffentlichen Münzfernsprecher“ anzurufen, dann machen Sie sich schnell auf die Suche nach einem der verbliebenen Exemplare. Münzen brauchen Sie aber nicht mitnehmen, die Bargeldfunktion ist schon letztes Jahr abgeschaltet worden.

[] sichere Bank, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: etw. (ein Projekt, Vorhaben o. Ä.) mit erwartbarem (wünschenswerten) Ausgang; etwas Verlässliches

„‚Nicht aus dem Knick kommen‘?! Sowas sagt doch niemand, es muss richtig heißen ‚Ich komm nicht aus dem Quark.‘!“ Solche oder ähnliche Dispute haben wohl schon in so manchen deutschsprachigen Haushalten und Arbeitsstätten stattgefunden. Bevor Sie selbst allzu lauthals mit einer sprachbezogenen Behauptung vorpreschen, empfehlen wir Ihnen, auf die sichere Bank zu setzen und einmal nachzuschlagen. In unserem Quark-Knick-Fall müssten Sie dann anerkennen, dass beide Ausdrücke ähnlich frequent, nur eben regional verschieden verteilt sind. Als verlässliche Nachschlagemöglichkeit könnten Ihnen unsere Korpora dienen, deren Vorzüge und Funktionen wir in einer kleinen Serie auf unserem Blog vorstellen.

[] Rhythmus, der

Gliederung der Sprachbewegung durch Wechsel und Abstufung der aufeinander bezogenen betonten und unbetonten Silben, Pausen, Tempostufen und Tonstufen, durch Intonation und Sprachmelodie

„Once upon a midnight dreary, while I pondered weak and weary“ – „Einst um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich“: Es hat schon eine gewisse innere Logik, dass ein Autor, der die Anfangsbuchstaben der Poesie im Nachnamen trägt, das Gedicht des Jahrhunderts verfasste: Am 29. Januar 1845 veröffentlichte Edgar Allan Poe „The Raven“ – die Ballade, deren effektvoll ausgemalte düstere Szenerie und hypnotischer Sprachrhythmus bis heute Illustratorinnen und Rezitatoren in ihren Bann schlägt. Nicht genug damit: Poe höchstselbst erläuterte in einem Essay den mit ingenieurhafter Präzision konstruierten Sprachbau, dessen unzählige End- und Binnenreime wie ein Brennglas auf das eine düstere Wort hin fokussieren: „nevermore“ – nimmermehr.

[] skandalumwittert, Adj.

den Ruf habend, Skandale zu verursachen; regelmäßig an Skandalen beteiligt

So offen wie keine vor ihr schrieb sie über die Sexualität junger Frauen. Sidonie-Gabrielle Claudine Colette, Autorin der von der katholischen Kirche indizierten „Claudine“-Romane, wollte sich nichts verbieten lassen. Sie sorgte in freizügigen Kostümen im Varieté tanzend für Furore und schockierte mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen die feine Pariser Gesellschaft. Die Skandalfrau der Belle Époque – später einfach Colette genannt – verfasste im Laufe ihres unkonventionellen Lebens zahlreiche Werke, betätigte sich als Journalistin und fand schließlich Anerkennung in den von Männern dominierten Schriftstellerkreisen Frankreichs. Nach ihrem Tod 1954 erhielt sie sogar als erste Frau ein feierliches Staatsbegräbnis. Heute wäre die Grande Dame der französischen Literatur 150 Jahre alt.

[] Backe, die

beidseitiger, zwischen Nase, Jochbein und Unterkiefer befindlicher Teil des Gesichts; Gesäßhälfte

Auch wenn ein übles Schimpfwort das menschliche Gesicht mit dem verlängerten Rücken gleichsetzt und auch wenn Wange und Po als rundliche Erhebungen äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen: „Backe“ ist nicht gleich „Backe“, etymologisch sind sie jedenfalls nicht verwandt. So ist das vermeintliche Femininum „Backe“ (= Wange) ursprünglich ein Maskulinum, nämlich „der Backen“, wie es noch in der ursprünglichen Form „Kinnbacken“ (aus ahdt. „kinibacko“) erhalten ist. Dagegen stellt „Backe“ in der Bedeutung ‚Gesäßhälfte‘ eine Ableitung zu ahdt. „bahho“ (= Rücken, Schinken, Speckseite) dar, das allerdings ebenfalls maskulin war.

[] blechen, Verb

salopp: Geld bezahlen

„Wer auf die lippen küßt, muß zwanzig thaler blechen“, heißt es in den vermischten Gedichten des schlesischen Dichters Daniel Stoppe aus dem Jahre 1735. Seine Preisliste fürs Knutschen liefert, ebenso unromantisch, einen der frühesten Belege für die Lesart „zahlen“ von „blechen“, die sich Anfang des 18. Jh. in der Studentensprache etablierte. Das Blech (von germ. *blek- ‚glänzen‘) bezeichnete ursprünglich vor allem dünne Scheiben sehr wertvollen Metalls, vor allem aus Gold- oder Kupfer. Ahd. „bleh“ ist daher auch die ‚geprägte kleinere Goldmünze‘.

[] Publikumsschwund, der

(allmählich) abnehmende Publikumszahlen (für eine Veranstaltung, Fernsehsendung o. Ä.)

Der Bandauftritt in einem Augsburger Tanzclub im Dezember 1963 war wohl der entscheidende Kick-off für die musikalische Karriere des damals 20-jährigen Gerhard Höllerich. Bald darauf wurde er von einem Musikproduzenten entdeckt und erhielt einen Solo-Plattenvertrag. Den großen Durchbruch erreichte Höllerich 1966 unter seinem Künstlernamen Roy Black mit dem Titel „Ganz in Weiß“. Mit seinem Image, Musikstil und den Rollen in flotten Kinokomödien und Musikfilmen traf er den Zeitgeist, doch bereits Mitte der 1970er Jahre erlebte Roy einen merklichen Karriereknick. Nichtsdestotrotz blieb er dem Showbusiness treu, spätestens in der Rolle eines Hotelbesitzers in der TV-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ ritt Roy noch einmal auf einer Welle des Erfolgs. Heute wäre der Unterhaltungskünstler 80 Jahre alt geworden.

[] des Wahnsinns fette Beute, Mehrwortausdruck

nicht bei klarem Verstand; verrückt, wahnsinnig

Gewaltherrscher leiden häufiger unter einer verzerrten Wahrnehmung, die sich zum kompletten Realitätsverlust steigern kann. Ein typisches Opfer dieses als Caesarenwahnsinn bezeichneten Geisteszustands war der römische Imperator Caligula, ermordet am 24. Januar 41 n. Chr. Rund 1880 Jahre später nutzte Ludwig Quidde dessen Biografie für eine der raffiniertesten Majestätsbeleidigungen in der Geschichte der Publizistik: In einer akkurat quellenbasierten Abhandlung (1884) schilderte Quidde den narzisstischen Despoten in seinem martialischen Auftreten, seinem Hang zu theatralischen Verkleidungen und größenwahnsinnigen Flottenprojekten. Gemeint war niemand anderes als der Deutsche Kaiser Wilhelm II., auf den jede Zuschreibung passte. Die kleine, vielfach belachte Schrift erlebte 30 Auflagen.

[] Stimmzettel, der

Formular für die Stimmabgabe bei einer Wahl, einem Bürgerentscheid, einem Bürgerbegehren o. Ä.

Am 23. Januar 1986 wurde es in Cleveland (Ohio) feierlich: Die Rock & Roll Hall of Fame nahm ihre ersten zehn Rocklegenden auf, darunter Elvis Presley, Chuck Berry und Ray Charles. Seither werden jährlich Musikschaffende nominiert, die seit wenigstens 25 Jahren „auf dem Markt“ sind. Über die Aufnahme in die Rock Hall entscheiden dann mehr als tausend Expertinnen und Experten via Stimmzettel und berücksichtigen dabei Kriterien wie handwerkliche Klasse, Innovation und Einfluss auf die Musikwelt – nicht mehr nur auf die des Rock. So hätten auch dieses Jahr neben Billy Idol und Iron Maiden Acts wie A Tribe Called Quest und George Michael eine Chance.

[] Hase, der

größeres wildlebendes Nagetier mit langen Ohren, Stummelschwanz und bräunlichem Fell, das sich von Pflanzen nährt, äußerst schnell ist und als furchtsam gilt

Frohes Neues! Wie bitte, sind wir damit nicht etwas spät dran? Nicht nach dem chinesischen Lunisolarkalender, dessen Neujahr auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende fällt. Jedem Jahr wird dabei eines der 12 Tierkreiszeichen zugeordnet, die wiederum einem der fünf Elemente zugeordnet werden, sodass sich ein 60-Jahres-Zyklus ergibt. In China ist das Neujahrs- oder auch Frühlingsfest der bedeutendste Feiertag, zu dem regelmäßig hunderte Millionen Menschen zu ihren Verwandten reisen. Die Feierlichkeiten dauern – je nach Resturlaub – bis zu zwei Wochen an. Nachdem wir gestern das Jahr des Wasser-Tigers ausgeläutet haben, beginnt heute das Jahr des Wasser-Hasen.

[] Sprachtod, der

Verlöschen des Gebrauchs einer Sprache durch Tod der Sprecher oder deren Wechsel in eine andere Sprache

Heute vor fünfzehn Jahren starb in Alaska Marie Smith Jones. Eigentlich hieß sie Udach' Kuqax*a'a'ch, in ihrer Erstsprache „Klang, der die Menschen von weit her ruft“. Mit ihr starb auch diese Sprache, dAXunhyuuga (Fremdbezeichnung „Eyak“), ein Idiom aus der weit verbreiteten Na-Dené-Sprachgruppe, aus, denn sie war die letzte ihrer Muttersprachler. Sprachentod vollzieht sich meist aber auf eine andere, schleichende Weise: Durch Wechsel in eine andere Sprache, die mehr Prestige hat, mehr Inhalte oder bessere Aufstiegschancen bietet – erst wird sie zur dominierenden Sprache unter Erwachsenen, dann wird sie auch Erstsprache der Kinder. Doch Eyak ist nicht ganz verschwunden – es wird wieder gelernt. Vielleicht gelingt ja einmal eine Wiederbelebung, wie im Fall des Neuhebräischen.

[] Kältebus, der

(ehrenamtliches) Hilfsangebot in Form eines (Klein-)‍Busses, der in der kalten Jahreszeit abends bzw. nachts durch eine Stadt fährt und obdachlose Menschen aufsucht, um diese unter anderem mit warmen Getränken und Schlafsäcken zu versorgen oder um sie bei Bedarf in Notunterkünfte zu bringen

Zwar werden die Winter immer wärmer, dennoch sacken die Temperaturen zwischen November und März vielerorts in Deutschland nachts regelmäßig unter die Nullgradgrenze – für Wohnungslose eine lebensgefährliche Situation. In vielen Städten gibt es Notübernachtungen, doch nicht jeder ist in der Lage, eine solche selbstständig zu erreichen. Vor 29 Jahren erlitt ein Mensch in Berlin in dieser Situation den Kältetod. Für die Berliner Stadtmission war dieses tragische Ereignis der Anlass, ihren ersten Kältebus auf den Weg zu bringen. Er sowie vergleichbare Gefährte in anderen Städten haben seither schon vielen Menschen in Not das Leben gerettet. Auch Sie können helfen, wenn Sie einer hilflosen obdachlosen Person begegnen, indem Sie mit deren Einverständnis den Kältebus rufen.

[] Nachwuchstalent, das

ein junger, zum Nachwuchs gehörender Mensch, der aufgrund einer besonderen Begabung als (künftiges) Talent in einem bestimmten Bereich gilt

Es ist ein Fest des klassischen und modernen Tanzes, der künstlerischen Ausdruckskraft des menschlichen Körpers. Doch der jährlich stattfindende Tanzwettbewerb Prix de Lausanne, der erstmals am 19. Januar 1973 stattfand, ist weit mehr als das. Er richtet sich nicht an professionelle Tänzerinnen, auch nicht an Absolventen der großen Ballettschulen, vielmehr an den Nachwuchs. Bewerben dürfen sich nur Tanzstudierende im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, die so Gelegenheit haben, in solistischen Choreografien ihr Können zu beweisen und auf weitere Förderung hoffen dürfen. Auch wenn am Ende Sieger gekürt werden, steht nicht der Wettbewerb im Mittelpunkt. Klatschen im Publikum ist verboten, und wenn die Leistung nicht stimmt, wird auch mal keine Goldmedaille vergeben.

[] Thesaurus, der

Sammlung (besonders als Wörterbuch) mit thematisch geordnetem Inhalt und möglichst umfassender Behandlung eines Themas

„Verwende das richtige Wort, nicht dessen Cousin zweiten Grades“, lautet eine der Regeln Mark Twains. Klingt simpel. Wer jedoch nicht das schriftstellerische Genie eines Mark Twain besitzt, kann sich bei der Suche nach dem richtigen Wort zum Beispiel mit einem linguistischen Thesaurus behelfen. Solche Thesauri sind als Sammlungen sinnverwandter Wörter wahre Fundgruben für uninspirierte Schreibende. In den USA wird dem Thesaurus sogar ein eigener Tag, der 18. Januar, gewidmet. Er fällt auf den Geburtstag des britischen Arztes und Lexikografen Peter Mark Roget. Sein 1852 erschienenes Werk „Thesaurus of English Words and Phrases“, besser bekannt als „Roget’s Thesaurus“, gilt als eines der bedeutendsten seiner Art.

[] Expedition, die

Forschungsreise (in unbekannte Gebiete)

Zu sehen gab es außer Eisbergen und -schollen wenig. Dennoch markiert der 17. Januar 1773 ein wichtiges Datum auf der zweiten Südseeexpedition (1772–1775) des Seefahrers und Entdeckers James Cook. Denn wie Cook seiner Mannschaft mitteilte, waren „sie das erste und einzige Schiff“, das den südlichen Polarkreis überquerte. Dass der bedeutende Kartograf auf diesem Abschnitt seiner Reise nichts vorfand, kann durchaus als Entdeckung gewertet werden, schließlich hatten andere an diesen Positionen hartnäckig einen geheimnisvollen Südkontinent postuliert. Die Mannschaft ihrerseits war über das viele Eis nicht unglücklich. Eis bedeutete kostbares Frischwasser und bot nicht zuletzt die Gelegenheit, endlich wieder Wäsche zu waschen.

[] Lexikografie, die

wissenschaftliche, kulturelle Praxis, die die Erstellung bzw. Zusammenstellung von Nachschlagewerken und digitalen Informationssystemen, vor allem von Wörterbüchern und Lexika, zum Gegenstand hat

Vor gut vier Jahren hat das Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache seine Arbeit aufgenommen. Tagtäglich arbeiten hier Kolleginnen und Kollegen aus der Lexikographie, der IT, der Korpus- und Computerlinguistik daran, die digitalen Wörterbücher (z. B. DWDS, Wortgeschichte digital) zu erweitern, Einträge zu redigieren und diese mit zahlreichen Sprachzeugnissen zu belegen. Heutzutage ist dabei die digitale Infrastruktur unerlässlich. Die eigentliche Revolution für die lexikografische Praxis brachte – noch zu Zeiten der Brüder Grimm – allerdings ein kleines, oft verkanntes Stück Papier: der Zettel. Mit diesem unscheinbaren Schriftmedium beginnt die moderne Lexikografie. Warum, erfahren Sie in unserem Blogartikel.

[] Inklusion, die

gleichberechtigte (und selbstbestimmte) Teilhabe aller (insbesondere von Menschen mit Behinderungen, von Einwanderern o. Ä.) am gesellschaftlichen Leben, am gemeinsamen Schulunterricht o. Ä. (durch Schaffung entsprechender institutioneller und alltagspraktischer Voraussetzungen)

Bereits während des Ersten Weltkriegs setzte sich Betty Hirsch, geboren am 15.01.1873 und im Jugendalter selbst an den Folgen eines Unfalls erblindet, als Lehrkraft und später Leiterin einer Blindenfachschule für die berufliche Wiedereingliederung blinder Kriegsversehrter ein. In ihrem Bestreben wirkte sie nicht nur auf Behörden und Betriebe ein, sehbeeinträchtigte und blinde Menschen einzustellen, auch forderte sie, Arbeitsplätze an deren besondere Bedürfnisse anzupassen. Von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben, kehrte Hirsch 1947 nach Deutschland zurück und setzte ihren Kampf fort. Heute sind verschiedene inklusive Einrichtungen nach ihr benannt, z. B. sonderpädagogische Schulen oder speziell ausgestattete Leseräume bzw. Blindenbibliotheken.

[] Direktübertragung, die

Rundfunk- oder Fernsehsendung, die unmittelbar (live) vom Ort der Aufnahme gesendet wird

Heute sind sie aus der Medienwelt nicht wegzudenken: Liveübertragungen, im Fernsehen mit dem Zeichen „live“ in einer Ecke markiert oder mittlerweile natürlich als Livestream im Internet. Waren es früher wichtige Sportereignisse oder sich überschlagende politische Ereignisse, die zeitgleich in die ganze Welt gesendet wurden, kann man heute z. B. auch diversen Vögeln beim Brüten oder einer Glühbirne beim Leuchten zuschauen. Die erste Liveübertragung eines Konzerts via Satellit fand genau heute vor 50 Jahren am 14. Januar 1973 statt, und auf der Bühne stand niemand Geringeres als der King Elvis Presley.

[] Kicker, der

Fußballspieler, Fußballer

Als Mutterland des Fußballs gilt bekanntlich England: 1863 legte die neu gegründete Football Association erstmals ein umfassendes Regelwerk vor. Schon ein Jahrzehnt später kämpften in Deutschland zwei Schülermannschaften nach britischen Regeln um die Lederkugel – und riefen alsbald Sprachpuristen auf den Plan. Der Gymnasiallehrer Konrad Koch, der das Spiel selbst eingeführt hatte, legte 1903 eine Übersetzungsliste vor: So wurde „Goal“ erst zu „Mal“ und später zu „Tor“ verdeutscht, „corner“ zu „Ecke“ usw. Das „Kicken“ (von engl. „to kick“) ließen sich die Spieler jedoch nicht verleiden. Weder mussten sich die Stuttgarter Kickers (gegr. 1899) noch die Zeitschrift „kicker“ (1920) umbenennen. Deren Gründer, der Schweizer Walther Bensemann, wurde übrigens heute vor 150 Jahren geboren.

[] Staatswappen, das

staatliches Hoheitszeichen

Dass es in der ganzen Welt kein vergleichbares nationales Wappenzeichen gebe, betonte bereits 1918 die Zeitung „Dnipro“ über den Trysub, eine Art Dreizack, der als Kleines Staatssymbol der Volksrepublik Ukraine von Wassyl Krytschewskyj entworfen worden war. Krytschewskyj, der nach gregorianischem Kalender am 12. Januar 1873 geboren wurde, war dazu persönlich vom ersten Präsidenten der Ukrainischen Volksrepublik Mychajlo Hruschewskyj beauftragt worden. Sein Entwurf basiert auf einem Symbol, das bereits im 10. Jahrhundert auf Münzen geprägt wurde und dessen Ursprünge wohl auf die Kiewer Rus verweisen. In der Sowjetunion verboten, von ultranationalistischen, rechtsextremen u. a. Bewegungen missbraucht, steht der Trysub heute symbolisch für den Freiheitswillen der ukrainischen Bevölkerung.

[] Groschenheft, das

veraltend, meist abwertend: Heft mit billigem, romanartigem Inhalt

Sie heißen Groschenhefte, Pulp(-Magazine), Bahnhofs- oder gar Schundliteratur: Schnell geschriebene, billige (sowohl in Bezug auf den Verkaufspreis als auch den Schreib- und Druckaufwand) Geschichten mit ansprechenden, nicht zu anspruchsvollen Sujets, die man vielleicht auf einer Zugfahrt liest und dann wegwirft. Die Namen der Verfasser merkt man sich nicht, oft sind es eh Pseudonyme, denn diese Art literarisches Machwerk ist nicht prestigeträchtig. Doch dieses Bild wird weder einzelnen Werken noch einzelnen Autoren gerecht, denn oft finden sich unter dem Flitter auch echte Goldstücke. So verfasste Jerome Bixby, der heute vor hundert Jahren in Kalifornien geboren wurde, neben Pulps auch anspruchsvolle Drehbücher, z. B. für Raumschiff Enterprise die legendäre Folge vom Spiegeluniversum oder für den Science-Fiction-Klassiker „Die phantastische Reise“.

[] Nudelvers, der

Teil einer Dichtung, bei der zwei Sprachen ineinander verwoben werden

Die Beherrschung von Deutsch und Latein war früher selbstverständlich für die bürokratische Elite in deutschen Landen, so auch im 17. und 18. Jahrhundert am Reichskammergericht in Wetzlar. Franz Callenbach, geboren am 10. Januar 1663, war dort zeitweise als Erzieher der katholischen Mitglieder des Gerichts angestellt. Über die schlimmen Zustände an diesem Gericht machte sich sogar späterhin Goethe lustig. Franz Callenbach veranlassten sie dazu, acht satirische Komödien auf diese Institution und ihre Mitglieder zu verfassen, die reißenden Absatz fanden (Leseprobe). Die Komödien waren in einer Mischung aus lateinischen und deutschen Passagen verfasst, was damals so üblich war, dass das Genre einen eigenen Namen hatte: makkaronische Dichtung oder Nudelvers. Wer mag bestreiten, dass auch unsere heutigen (Kammer-)Gerichte einen solchen Dichter verdient hätten?

[] zweideutig, Adj.

zwei Deutungen zulassend

Nicht nur die Sprachphilosophen der frühen Neuzeit wie Dalgarno, Wilkins und Leibniz träumten von einer (ein-)eindeutigen Sprache, auch heute wünscht man sich manchmal, unsere Idiome wären weniger reich an Zweideutigkeiten (z. B. wenn einem die Bahn wünscht, das Leben „in vollen Zügen“ zu genießen). Doch da übertragener und anderer uneigentlicher Gebrauch von Wörtern zu den Grundfunktionen menschlicher Sprache gehört, kommen wir nicht darum herum. Auch das Wort „zweideutig“ ist nicht eindeutig, denn es kann neben der oben genannten Bedeutung auch je nach Kontext als „hintersinnig“, „verdächtig“ oder „anzüglich“ verstanden werden. Ein Beispiel für eine Zweideutigkeit bei einem Wort, die sogar in ganz entgegengesetzte Richtungen geht, finden Sie in unserem heutigen Blogartikel.

[] Bildungsanspruch, der

Forderung an sich oder andere, ein gehobenes Bildungsniveau (oder einen bestimmten Kanon an Wissen) zu erwerben oder die Persönlichkeit (in einer bestimmten Richtung) zu entwickeln

Vor 50 Jahren eroberten Ernie, Bert und Co. die Herzen der Kinder in Deutschland. Am 8.1.1973 erschienen die komischen Puppen aus der Sesamstraße erstmals in einer deutschsprachigen Fassung auf den Bildschirmen der Bundesrepublik. Das neuartige Konzept: eine kunterbunte Mischung aus unterhaltsamen und lehrreichen Inhalten für Vorschulkinder. Seitens des Bayerischen Rundfunks vernahm man damals Worte wie „pädagogische Infamie“ und Bedenken wegen einer befürchteten kulturellen Überfremdung durch den US-amerikanischen Import, weshalb die Sesamstraße – Sie ahnen es – im Freistaat zunächst nicht ausgestrahlt wurde. Den Siegeszug der Sendung konnte dies nicht aufhalten. Fast 3000 Folgen sind seither produziert worden, in denen nicht nur Zahlen und Buchstaben, sondern auch Werte wie Toleranz vermittelt werden.

[] Übergepäck, das

Flugwesen: Gewicht eines oder mehrerer Gepäckstücke, welches das für den Transport (vor allem im Flugzeug) zulässige Höchstgewicht übersteigt (und für das eine Gebühr für die Beförderung erhoben wird)

1785 wusste man noch nichts von den Nöten heutiger Flugreisender, wenn der Koffer schwerer als erlaubt ist. 1783 waren in Frankreich mit dem Heißluft- und dem Gasballon die ersten funktionierenden Luftfahrzeuge überhaupt erst erfunden worden, und man musste die physikalischen Grundlagen und Zusammenhänge nach und nach in der Praxis entdecken. Davon musste sich auch der Ballonpionier Jean-Pierre Blanchard überzeugen, als er sich zusammen mit dem Amerikaner John Jeffries am 07.01.1785 an die erste Überquerung des Ärmelkanals machte. Der Gasballon verlor auf der knapp zweieinhalbstündigen Reise bedrohlich an Höhe, so dass die Fahrer allen Ballast abwerfen mussten und bei der Ankunft in Calais nur noch in Unterwäsche an den Seilen hingen. Dennoch wurden sie jubelnd empfangen.

[] Rollschuh, der

Sportgerät, das als Schuh gefertigt oder unter einem Straßenschuh angebracht wird und dessen (vier) Rollen eine beschleunigte Bewegung auf glattem Untergrund (im Freien oder in der Halle) ermöglichen

Spätestens als der Erfinder James L. Plimpton heute vor 160 Jahren einen mit vier Rollen ausgestatteten Rollschuh in den USA patentieren ließ, begann der weltweite Siegeszug dieses sportiven Fortbewegungsmittels. Bereits in den 1870er Jahren existierten erste Rollschuhbahnen auch in Deutschland. Der Rollsport hat Anhänger sowohl bei Freunden ästhetisch ansprechender Bewegung (Rollkunstlauf) als auch bei eher robusten Gemütern (Rollerderby) gefunden. Ein Trend der 1980er Jahre übrigens – die Roller- oder Rollschuh-Disco – ist in den Hipstermetropolen der Welt längst wieder angerollt: Höchste Zeit also, die eingestaubten Teile aus der Abstellkammer hervorzukramen und vergessene Moves aufzufrischen, um sich beim nächsten Rollschuhdate nicht zu blamieren!

[] Gift und Galle spucken, Mehrwortausdruck

wütend sein, heftig schimpfen; sich ausfallend, gehässig (über jmdn., etw.) äußern

In einer auch für alttestamentarische Verhältnisse beeindruckenden Beschreibung von Gottes Zorn (5. Mose) droht Moses dem Volk heftigste Strafen an: „Ir wein ist Trachengifft / Vnd wütiger Ottern gall“ (5. Mose 32,33) heißt es in der Lutherbibel von 1545 über die Weinreben. Im Sprachgebrauch hängen blieb die schöne Alliteration „Gift und Galle“ als degoutante Umschreibung für blinde, unbezähmbare Wut – dies allerdings in freier Verwendung: Man goss Gift und Galle in die Herzen, kochte Gift und Galle, schrieb Briefe voller usw. usw. Erst mit dem Märchen „Jorinde und Joringel“ der Brüder Grimm verengte sich offenbar der Sprachgebrauch: „Wie sie den Joringel sah, ward sie bös, sehr bös, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus …“ Seither spuckt und speit man Gift und Galle.

[] der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, Mehrwortausdruck

jmd. verfügt über ein Talent, eine Neigung oder eine bestimmte (positive, negative) Eigenschaft, die von einem Elternteil vererbt bzw. vorgelebt wurde

Als Isaac Newton heute vor 380 Jahren auf die Welt kam, war sein gleichnamiger Vater bereits gestorben. Wir wissen nicht, wie ähnlich er diesem war, beruflich entfernte sich der Brite jedenfalls stark von seinen Eltern, die Schafzüchter bzw. Gutsbesitzer waren. Nach anfänglich schwachen schulischen Leistungen steigerte sich Newton zusehends und wandte sich im Studium der Mathematik und Physik zu, wo er Großes leisten sollte: Er erfand (zeitgleich mit Leibniz) die Infinitesimalrechnung, erklärte die Brechung des Lichts und legte mit seiner Gravitationslehre die Grundlagen der modernen Mechanik. Dass seine Überlegungen zur Schwerkraft mit einem Apfel begannen, der ihm auf den Kopf gefallen sei (oder den er wenigstens beim Fall beobachtet habe), ist allerdings, wie so oft, eine zu schöne Geschichte, um wahr zu sein.

[] Spatium, das

leerer Zwischenraum zwischen Schriftzeichen oder Schriftzeilen

Drei große Innovationen zeichnen die Schriftkultur des Mittelalters aus: die Verbreitung des gebundenen Buches (Codex), die Einführung von Satzzeichen und – besonders charakteristisch – die Trennung von Wörtern durch den Zwischenraum. Hatte man in der Antike meist in bandwurmartigen Buchstabenprozessionen geschrieben, setzte man im Mittelalter die lesefreundlichen Spatien – und schuf damit ein vertracktes Rätsel: Wann ist ein Wort ein Wort? Was trivial klingt, ist für eine kompositionsfreudige Sprache wie das Deutsche äußerst problematisch und führt immer wieder zu heftigem Streit. Warum die Frage der Getrennt- und Zusammenschreibung so schwer zu regeln ist, erfahren Sie in unserem Blogartikel.

[] Fayence, die

Tonware, die mit einer meist weißen, undurchsichtigen, oft bemalten Zinnglasur überzogen ist

Der heute vor 200 Jahren geborene französische Keramikkünstler Théodore Deck entdeckte seine Leidenschaft für das Töpfern der Legende nach auf einer Reise durch die Schweiz. Eine Terrakottastatue faszinierte ihn derart, dass er direkt nach seiner Rückkehr seine Keramikausbildung begann. Als studierter Naturwissenschaftler hatten es ihm vor allem die komplexen chemischen Zusammenhänge rund um Glasuren angetan. Inspiriert von chinesischen und persischen Werken entwickelte er eine neue Art der Fayence. Bekannt wurde er insbesondere für ein von ihm entwickeltes tiefes Türkisblau, das als „bleu (de) Deck“ sogar Einzug in das Französische gefunden hat.

[] vorsätzlich, Adj.

aufgrund eines Vorsatzes bewusst und willentlich, absichtlich

Es ist ein eigentümliches Paradox: Die Gefängnisse sind voll von Leuten, die vorsätzlich ein Verbrechen verübt haben. Dagegen leeren sich die Ertüchtigungsinstitute, vulgo: Muckibuden, in denen Hochmotivierte, ihrem Neujahrs-Vorsatz folgend, vorsätzlich Speck ab- oder Muskeln antrainieren wollen, schnell wieder. So stöhnte schon der Sprachwissenschaftler Friedrich Hermann Reinwald im 18. Jh.: „Was nützt dir forschender Verstand … / Eroberst du nicht kühn die Felsenwand / Die Wollen und Vollbringen trennet?“ Beim Erklimmen dieser Felsenwand wünschen wir Ihnen für das neue Jahr viel Erfolg.

[] Realitätscheck, der

Test unter realen Bedingungen; Überprüfung in der Praxis

Nur selten haben wir Gelegenheit, die Projektionen von Schriftstellern in die Zukunft an dieser Zukunft selbst zu überprüfen. Die Älteren werden sich noch an das Jahr 1984 bzw. die Projektion von George Orwell in seinem gleichnamigen, 1949 erschienenen Roman erinnern. Alle anderen möchten wir auf das gerade zu Ende gehende Jahr verweisen. 1973 erschien der Film „Soylent Green“, nach einer Romanvorlage von Harry Harrison aus dem Jahre 1966, auf Deutsch „… Jahr 2022 … die überleben wollen“. Die in New York im fiktiven Jahr 2022 spielende Handlung dieses Films in Kürze: Die Menschheit ernährt sich u. a. von grünen Keksen, die, wie sich herausstellt, aus dem Fleisch frischer bzw. frisch gehaltener Menschenkadaver bestehen. Offensichtlich ist es, wie wir nun wissen, nicht so gekommen – andererseits …

[] Reisebild, das

(belletristische, journalistische o. Ä.) Schilderung einer Reise

Wen es heute beim Spaziergang durch eine winterliche Landschaft ins Brandenburgische verschlägt, ist womöglich auf literarischen Spuren unterwegs. Leben und Schaffen Theodor Fontanes, geboren am 30.12.1819, seines Zeichens Romancier, Theaterkritiker und Journalist, waren untrennbar verbunden mit dem Reisen, besonders dem Wandern. Nach einer durchwachsenen Kindheit in Swinemünde wechselte er über mehrere Zwischenstationen nach Berlin, verbrachte als preußischer Pressebeauftragter mehrere Aufenthalte in England. Als Kriegsberichterstatter u. a. in Frankreich geriet er wegen Spionageverdachts sogar zeitweise in Kriegsgefangenschaft. In seinem Opus magnum, den mehrere Bände umfassenden „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, widmete er sich der Landschaft, Geschichte und den Menschen seiner Heimat.

[] Bösewicht, der

(besonders als Rolle des Antagonisten in Filmen, Theaterstücken etc.) böser, unmoralisch handelnder Mensch

Das Leben des Schriftstellers, an den wir heute erinnern wollen, durchzieht das Motiv des Bösewichtes. William Thomas Gaddis wurde heute vor 100 Jahren, am 29. Dezember 1922, geboren. 1941 begann er ein Studium der Literatur an der Universität von Harvard, musste dieses aber drei Jahre später wegen schlechten Benehmens (eine Auseinandersetzung mit der Polizei) abbrechen. 1955 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Die Fälschung der Welt“, ein Stoff, zu dem ihn ein bekannter Kunstfälscher inspirierte. 1975 schließlich erschien „JR“. Die namensgebende Hauptfigur J.R. Ewing in der an das Buch angelehnten Fernsehserie „Dallas“ ist heute noch für viele der Inbegriff des (Film-)Bösewichts. Wir werden William Thomas Gaddis, der 1998 verstarb, dennoch in guter Erinnerung behalten.

[] Indigo, der oder das

tiefblauer Farbstoff

Heute vor 300 Jahren wurde mit Elizabeth Lucas, später verheiratet Pinckney, eine der tatkräftigsten Frauen des 18. Jahrhunderts in Amerika geboren. Schon in jungen Jahren oft auf sich allein gestellt, erwies sie sich nicht nur als geschickte Organisatorin, sondern ihr Erfindungsreichtum zeigte sich auch darin, dass sie verschiedene botanische Experimente durchführte. So gelang es ihr, den Indigo-Busch in South Carolina anzupflanzen und zum bedeutenden Exportgut zu machen. Ohne den (freilich durch Sklavenhand) daraus gewonnenen Farbstoff wären z. B. die berühmten Jeans undenkbar. Übrigens, die Herkunft der Indigopflanze aus Indien sieht man auch an ihrem Namen, der sich letztlich aus altgriechisch „indikós“ (indisch) herleitet.

[] pasteurisieren, Verb

(flüssige oder breiige Lebensmittel) durch schonendes, kurzzeitiges Erhitzen auf Temperaturen zwischen 72 °C und 100 °C haltbar machen

Es geschieht nicht oft, dass Verben von Personennamen abgeleitet werden. Doch der am 27. Dezember 1822 geborene französische Chemiker Louis Pasteur begegnet uns im Alltag ständig. Denn immer wenn wir zur Milchtüte, zur Saft- oder zur Tafelweinflasche greifen, dann ist der Inhalt, auch wenn es so nicht in der Beschreibung steht, meist „pasteurisiert“. Auch wenn Pasteur nicht der Erste war, der auf die Idee kam, Lebensmittel durch Erhitzen haltbarer zu machen, war er es doch, der das noch heute verwendete Verfahren der Pasteurisierung patentierte: Lebensmittel werden kurz erhitzt – so sehr, dass enthaltene Mikroorganismen größtenteils absterben, aber nicht so sehr, dass sich Konsistenz oder Geschmack negativ verändern. Zu Beginn waren vor allem die Weinbauern glücklich, die nun mehr Wein anstatt Essig verkaufen konnten.

[] jmdm. etw. in die Wiege legen, Mehrwortausdruck

jmdm. von Kindheit an eine besondere Bildung zuteilwerden lassen, bestimmte Fähigkeiten, Charaktereigenschaften, Tugenden o. Ä. anerziehen (bzw. durch das eigene Beispiel vorleben)

Die am 26. Dezember 1772 geborene Malerin Friederike Julie Lisiewska ist sicherlich weniger bekannt als die ungleich berühmteren Dorothea Therbusch oder Angelika Kauffmann. So befinden sich die meisten ihrer Gemälde in Privatbesitz. Ohnehin gehört die Genremalerei, auf die sie sich aus kommerziellen Gründen verlegte, heutzutage nicht zu den beliebtesten Sujets. Doch es gibt einiges, das sie mit ihren malenden Kolleginnen verbindet: Zum einen die künstlerische Qualität, die in ihrem lebensnahen Selbstporträt aufscheint. Zum anderen war auch bei ihr der familiäre Hintergrund die entscheidende Voraussetzung für eine eigenständige Karriere. Ebenso wie Therbusch und Kauffmann, wuchs sie gewissermaßen im väterlichen Atelier auf.

[] Basler Leckerli, Mehrwortausdruck

aus Basel stammendes, flaches und in rechteckige Stücke geschnittenes süßes Gebäck aus Weizenmehl, Honig, kandierten Früchten, Nüssen und verschiedenen Gewürzen mit Zuckerglasur, das besonders zu Weihnachten beliebt ist

Das Gewerbe der sog. Lebküchner (Lebkuchenbäcker) kam bereits im 15. Jahrhundert auf. Anfangs mussten sich dessen Vertreter bei der Lebkuchenherstellung mit wenigen einfachen Zutaten wie Roggenmehl, Honig und scharfem Gewürz bescheiden. In der Schweiz erlebte die Lebküchlerei dann ab dem 17. Jahrhundert einen allmählichen Aufschwung, die Verwendung des Begriffs „Leckerli“ in Basel wurde erstmals 1711 dokumentiert. Mittlerweile sind die Schweizer Leckerli in ihrer ganzen Vielfalt überregional beliebt und vielgerühmt. Als Alleinstellungsmerkmal der Basler Variante gelten die grob gehackten Zutaten: Mandeln, Haselnüsse, Zitrusfruchtschalen. Appenzeller, Berner, Zürcher und St. Galler Leckerli hingegen bestehen aus eher fein verarbeiteten Zutaten.

[] bei Adam und Eva anfangen, Mehrwortausdruck

mit einer Erläuterung, Schilderung (umständlich) ganz von vorn beginnen; mit einem Projekt, einer Tätigkeit völlig neu beginnen; sich einer Thematik von Grund auf neu annehmen; mit der Schöpfungsgeschichte beginnen

Bei Heiligabend, dem Tag vor dem Weihnachtsfest, das im Christentum Jesu Geburt feiert, denkt man vielleicht nicht als Erstes an Adam und Eva. Mit diesen beiden fing nach dem Alten Testament zwar alles, was die Menschheit betrifft, an – woher sich auch das Sprichwort für eine (zu) ausführliche Erklärung ergibt –, doch wäre dies aus Sicht des Neuen Testaments fast schon Schnee von gestern. Nichtsdestoweniger können wir heute mit Fug und Recht an das biblische erste Menschenpaar erinnern, denn der 24. Dezember ist dessen offizieller Gedenktag in der katholischen und evangelischen Kirche (nicht aber für andere Konfessionen). Um zu erklären, warum das so ist, müssten wir wohl bei Adam und Eva anfangen …

[] Rauschgold, das

sehr dünn ausgewalztes und flachgeschlagenes, gebeiztes Messingblech mit knittriger, glänzender Optik, die Blattgold ähnelt

Der Spruch „es ist nicht alles Gold, was glänzt“ lässt sich durchaus auch auf die Wortbildung beziehen: Nicht alle Wörter, die „-gold“ als Element haben, verweisen tatsächlich auch auf das Edelmetall. Man denke nur an Katzen-, Rot-, Muschel-, Musiv- und nicht zuletzt an das weihnachtliche Rauschgold. Aus diesem Goldimitat schufen geschäftstüchtige Nürnberger Ende des 18. Jh. den berühmten Rauschgoldengel mit dem typischen kunstvoll gefältelten Gewand. Im Export war der Weihnachtsartikel ausgesprochen erfolgreich. Ästheten wie Johann Caspar Lavater oder Freiherr von Knigge rümpften über diesen „vernürnbergerten“ hässlichen, altmodischen Tand allerdings die Nase. Seiner Beliebtheit konnte das wenig anhaben.

[] lebendes Fossil, Mehrwortausdruck

bis heute existierende, zugleich durch Fossilien nachgewiesene Tier- oder Pflanzenart, die lange erdgeschichtliche Zeiträume weitgehend unverändert überdauert hat; ein Exemplar einer solchen Art

Der Ausdruck „lebendes Fossil“ ist genau genommen eine Contradictio in Adjecto, ein durch das begleitende Adjektiv ausgelöster Widerspruch in sich. Schließlich kann ein lebloses Fossil nicht zugleich lebendig sein. Doch wie alles Rätselhafte beflügelt der Ausdruck unsere Phantasie, die so bezeichneten Lebewesen umgibt eine für uns geheimnisvolle Aura. Goethe war vom Ginkgo fasziniert, Kinder lieben „Urzeitkrebse“ und heute vor 84 Jahren entdeckte die südafrikanische Museumskuratorin Marjorie Courtenay-Latimer im Beifang eines Trawlers den bis dato nur aus Versteinerungen bekannten Quastenflosser. Seit Jahrmillionen hat sich dieser sein urtümliches Aussehen mit den charakteristischen beinartigen Flossen bewahrt – so, als wollte er ebenso wie seine Vorfahren mal eben an Land klettern.

[] Nordlicht, das

im Norden auftretendes Polarlicht, Aurora borealis

In den Genuss von Nordlichtern kommen wir, zumindest in unseren Breiten, nur bei besonders intensiven Sonnenstürmen. Ein solcher erreichte die Erde in der Nacht vom 20. Dezember 1806, wodurch Alexander von Humboldt in dieser Nacht in Berlin „Die vollständigste aller bisherigen Beobachtungen über den Einfluss des Nordlichts auf die Magnetnadel“ anstellen konnte. Begeistert von seinen Beobachtungen verfasste er direkt am nächsten Morgen noch „ehe er sich niederlegte“ einen Brief an seinen Kollegen, den Physiker Paul Ermann: „Gegen 10 Uhr bemerkten wir [...] einen Lichtbogen, der 2° 38′ Breite, und eine gelblich-rothe Farbe hatte. [...] Man erkannte durch das gelbe Licht des Bogens hindurch Sterne 6ter Größe.“

[] Märchen, das

auf Volksüberlieferungen beruhende, oft auch als literarisches Kunstwerk gestaltete, kurze Erzählung, in der von wunderbaren und phantastischen Begebenheiten berichtet wird

Wer heute vor 210 Jahren noch kurz vor knapp auf der Suche nach einem Geschenk gewesen wäre – wer weiß, vielleicht hätte ein findiger Buchhändler diesen frisch gedruckten Band hervorgezaubert: die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Natürlich waren Bücher damals viel zu teuer, um einfach so auf einem Gabentisch zu landen. Zum wirklichen Bestseller entwickelte sich ohnehin erst die verkürzte Ausgabe von 1825. Und auch wenn sich der ursprünglich wissenschaftliche Anspruch einer mündlichen „rein deutschen“ Erzähltradition – nun ja – selbst als Märchen entpuppte, so mauserten sich die Hausmärchen doch zu den bekanntesten Werken der Weltliteratur. Wenn es heißt: „Es war einmal …“, weiß ein jeder Bescheid.

[] Weckmann, der

Gebildbrot aus (gesüßtem) Hefeteig in Form eines Mannes

Dem Advent wird landläufig ein friedvoller und besinnlicher Charakter unterstellt, doch mancherorts stehen ganz und gar barbarische Sitten auf der Tagesordnung. Vor allem die Protagonisten der (Vor-)Weihnachtszeit – Nikolaus, Knecht Ruprecht, St. Martin –, aber auch Zivilpersonen müssen regelrecht um ihr Leben bangen. Ihr unabwendbares Schicksal: Enthauptung, Vierteilung und anschließende restlose Beseitigung. Die besorgte Leserschaft darf jedoch aufatmen, die Rede ist natürlich von Klausenmann, Krampus, Grittibänz und ihren (regionalen) Konsorten. Mehr über das natürliche Habitat dieser Teigmänner erfahren Sie im heute veröffentlichten Blogartikel.

[] Arbeitsmigration, die

Migration zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am Zielort

Im Dezember 2000 – zehn Jahre nach Ratifikation der „Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ zur Anwendung der allgemeinen Menschenrechte für migrantische Arbeitnehmer, Saison- und Gelegenheitsarbeiter – erklärten die Vereinten Nationen den 18.12. zum Internationalen Tag der Migranten. Das Phänomen der Migration in all ihren Facetten, die Schicksale und Erfahrungen von Migrantinnen und Migranten prägen unsere postmigrantische Gesellschaft. So leisten etwa nicht nur Hochqualifizierte und Fachkräfte, sondern auch viele geringqualifizierte Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund einen wertvollen Beitrag in jedem Einwanderungsland.

[] Schönheitswettbewerb, der

Wettbewerb, bei dem der nach Meinung einer Jury attraktivste Teilnehmer gewinnt

Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Gleichzeitig definiert sich jede Epoche und Gesellschaft auch über ihre Schönheitsideale. Heutzutage entscheiden Jurys darüber, welche menschlichen Wesen, männlich, weiblich oder divers, diesem Ideal nahekommen, meist bei Schönheitswettbewerben. John Abraham, bestbezahltes indisches Fotomodell, der heute seinen 50. Geburtstag feiert, kommt dem Ideal nahe, auch wenn er bei Manhunt International in Singapur 1999 nur einen enttäuschenden zweiten Platz belegte. Abraham schauspielerte in einem Bollywood-Film und lieh sein Gesicht einer Kampagne von PETA. Herzlichen Glückwunsch von unserer Seite!

[] Tannenzapfen, der

aus einer Spindel und darum herum angeordneten Schuppen bestehender holziger Blütenstand der Tanne

Der Mann und die Frau von der Straße, deren Biologiekenntnisse gefühlt seit dem Kambrium fossilieren, sie verwechseln den Zapfen der Tannen (Abies) oft mit den weiblichen verholzten Blütenständen der Fichte (Picea). Tatsächlich sind es aber Fichtenzapfen, die man auf dem Waldboden findet, deren Nachbildungen an Kuckucksuhren (oder Weihnachtsbäumen) hängen und die auf Etiketten einer badischen Biermarke prangen. Deshalb am Tag des Tannenzapfens zur Erinnerung: Der spindelförmige Blütenstand der Tanne steht aufrecht, zerfällt noch am Baum, während er seine Samen freisetzt. Dennoch: Da die Fichte gelegentlich unter ihrem Trivialnamen auch als „Rottanne“ bezeichnet wird, haben am Ende jeder und jede ein bisschen recht.

[] Tocharisch, das

in Westchina beheimateter, ausgestorbener Zweig des Indogermanischen bzw. Sprache dieses Zweiges

Als Wilhelm Schulze, der später Indogermanist werden und mit Emil Sieg und Wilhelm Siegling 1931 die erste umfassende „Tocharische Grammatik“ veröffentlichen sollte, am 15.12.1863 zur Welt kam, ahnte niemand in Ost und West etwas von der Existenz dieser Sprache (bzw. genauer Sprachen, denn es gibt zwei oder drei Ausprägungen), deren Texte Jahrhunderte in der Wüstenregion des Tarimbeckens in Westchina gelegen hatten. Umso größer war die Sensation, als die in einer Variante der indischen Brahmischrift geschriebene Sprache auf den von den deutschen Turfanexpeditionen gefundenen Blättern 1908 als indogermanisch, also mit dem Deutschen verwandt, erkannt wurde. Seitdem läuft die Erschließung dieses exotischen Sprachzweigs.

[] dem Affen Zucker geben, Mehrwortausdruck

einer Eigenheit, Marotte nachgeben; sich ausleben

Wer schon lange beabsichtigt, ohne Bedenken seinem innersten Drang zu folgen, hat heute die Möglichkeit, sich dabei auf den World Monkey Day zu berufen. Dieser geht ursprünglich zurück auf die Notiz eines Kunststudenten im Kalender seines Freundes, mit der im Jahr 2000 der 14.12. als Weltaffentag festgelegt wurde. In einem unglaublichen Affentempo gewann die Idee Anhänger jeglicher Couleur. Während die einen den Weltaffentag zum Anlass nehmen, ihren alltäglichen Trott kurzerhand in einen Affenzirkus zu verwandeln (und sich dabei zum Affen zu machen), organisieren andere Aktionen zum Schutz besonders gefährdeter Primaten oder nutzen diesen Tag für einen Besuch des Affenhauses im Zoo. Wem der Sinn nach anregender Lektüre steht, dem sei Kafkas „Bericht für eine Akademie“ empfohlen.

[] Kerzenlicht, das

von einer oder mehreren brennenden Kerzen ausgehendes Licht; Kerze, Teelicht o. Ä.; Flamme einer Kerze, eines Teelichts o. Ä.

Licht in die dunkle Jahreszeit bringen – diesen Vorsatz haben viele Adventsbräuche. Den, nach julianischem Kalender, dunkelsten Tag des Jahres erhellt das schwedische Luciafest. Die Feierlichkeiten beginnen bereits morgens in der Familie und enden abends in einem Festzug aus weiß gekleideten, Kerzen tragenden, Lucialieder singenden Mädchen (und Jungen). Sie werden von der Lichterkönigin Lucia angeführt, die einen Kerzenkranz auf dem Kopf trägt. Brandschutzbesorgte Menschen dürfen jedoch aufatmen, zur Vermeidung von Unfällen werden heute meist elektrische Kerzen verwendet.

[] Weihnachtsbäckerei, die

das Backen vor allem von Plätzchen und anderem Kleingebäck für die Weihnachtszeit

Egal ob Sie schon mitten in der Weihnachtsbäckerei stecken oder Sie die Backlust dieses Jahr nicht überkommen hat, Weihnachtsgebäck ist derzeit allgegenwärtig, sei es im Supermarkt, auf Weihnachtsmärkten oder als eingetütetes Präsent backfreudiger Bekannter. Falls Sie Süßes aber kaltlässt und Sie eher für die Sprache brennen, können Sie die Plätzchen, Kekse und Co. bzw. deren Bezeichnungen auch als linguistisches Rätsel auffassen, das Ihnen Rückschlüsse auf die Herkunft des Backenden erlaubt. Sachdienliche Hinweise dazu in unserem heute erschienenen Blogartikel.

[] Quantenmechanik, die

Theorie zur Beschreibung physikalischer Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten von mikroskopischen Systemen (z. B. Elementarteilchen, Atomen, Molekülen), die u. a. deren Eigenschaften sowohl als Teilchen wie auch als Welle berücksichtigt

​​Der Laser, das Elektronenmikroskop und moderne Verschlüsselungsmethoden haben eins gemein: Ohne die Errungenschaften der Quantenmechanik wären sie nicht möglich gewesen. Das im 20. Jh. aufkeimende Teilgebiet der Physik beschäftigt sich mit den kuriosen Gesetzmäßigkeiten der allerkleinsten Bausteine unseres Universums. Einer, der diese Disziplin von Anfang an geprägt hat, ist der heute vor 140 Jahren in Breslau geborene Max Born. „Für seine grundlegenden Forschungen in der Quantenmechanik, besonders für seine statistische Interpretation der Wellenfunktion“ erhielt Max Born 1954 den Nobelpreis für Physik. Die zugrunde liegende Arbeit war bereits 28 Jahre zuvor entstanden.

[] Christstollen, der

traditionell für die Advents- und Weihnachtszeit hergestellter, länglich-ovaler Hefekuchen von fester Beschaffenheit und aus gehaltvollem Teig, meist mit Rosinen, Mandeln, sowie Zitronat und Gewürzen wie Kardamom, Zimt o. Ä.

Der Stollen, die Stolle, der Striezel: Für viele ist das ohnehin an Genüssen reiche Weihnachtsfest ohne diesen gewichtigen und gehaltvollen, süßen Laib aus Hefeteig nicht denkbar. Ursprünglich aus dem Sächsisch-Thüringischen stammend und am Hofe Augusts des Starken begehrt, verleiht der Stollen als „Striezel“ einem der traditionsreichsten Weihnachtsmärkte überhaupt seinen Namen, dem Dresdner Striezelmarkt. Bis heute ist die Stollenbäckerei in der Region volkstümlich geblieben – und der „Dresdner Christstollen“ gehört im wiedervereinigten Deutschland zu den eifersüchtig bewachten, das Weihnachtsfest prägenden Marken.

[] Blütenkrone, die

Botanik: Kranz von meist auffälligen Blättern einer Blüte

Heute feiert eine Person aus Leipzig Geburtstag, der wir zahlreiche Beiträge zur Forschung verdanken. Am 09.12.1652 in der Messestadt geboren (und dort 1723 gestorben), war August Quirinus Bachmann, besser bekannt unter seinem latinisierten Namen Rivinus, auf vielen Wissensgebieten als Forscher und Leiter produktiv, weiterhin auch Arzt und (neulateinischer) Dichter. Bis heute gilt er als namhafter Botaniker, der Form und Farbe der Blütenkrone als Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Klassifikation nahm. Sein Wissensdurst war so groß, dass er durch die Erforschung der Sonnenflecken erblindete.

[] Kalter Krieg, der

Konflikt zwischen sozialistischen Staaten (Warschauer-Vertrags-Staaten, besonders der Sowjetunion) und nichtsozialistischen Staaten (neutrale und NATO-Staaten, besonders den USA) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Heute würde man einen Journalisten wie Gerhard Löwenthal als „streitbar“ bezeichnen. Auf jeden Fall war er das unumstrittene Gesicht des Kalten Krieges in den westlichen Medien, vor allem in dem von ihm von 1969 bis 1987 moderierten ZDF-Magazin. Das Neue Deutschland, das führende Presseorgan auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, bezeichnete ihn einst als „professionellen Brunnenvergifter“ (ND vom 14.02.1974). Ob der antisemitische Unterton dieser Sottise Absicht war, lässt sich heute nicht mehr klären. Gegenüber einem Menschen jüdischen Glaubens, der seine Großeltern in der Shoa verloren hatte, war dies auf jeden Fall eine Unverschämtheit und lässt noch einmal anklingen, wie man in Zeiten des Kalten Krieges miteinander umging. Heute vor hundert Jahren wurde Löwenthal in Berlin geboren.

[] Geschenk, das

freiwillige und uneigennützige, eine Gegenleistung ausschließende Übertragung des Eigentums einer Sache oder eines Rechts; Sache, die oft in ansprechender Verpackung jmdm. (meist ohne Erwartung einer Gegenleistung) überlassen wird

Wenn der „Schankwirt“ einer „Schenke“ seinen Gästen „einschenkt“, ist dies in aller Regel kein „Ge-schenk“. Sprachgeschichtlich allerdings folgt das eine aus dem anderen: Ursprünglich stand im Althochdeutsch „skenken“ für ‚zu trinken geben‘. Dieses Verb bezog sich aber im Hochmittelalter nicht nur auf das bloße Eingießen eines Getränks. Im höfischen Ritual war Darreichen des Weins ein ritueller Akt, aus dem sich nicht nur das Amt des „Mundschenks“, sondern eben auch die heute dominierende Bedeutung ‚etwas unentgeltlich als Gabe überlassen‘ entwickelte. Doch bleibt uns die alte (meist alkoholische) Lesart aber zumindest in den Präfixverben wie „aus-“ oder „einschenken“ und in den Ableitungen wie „Ausschank“ erhalten.

[] Nikolaustag, der

mit landschaftlich verschiedenen Volksbräuchen verbundener Gedenktag (6. Dezember) für die Gestalt des heiligen Nikolaus, der im Christentum vor allem als Überbringer von Geschenken für die Kinder gilt

Er ist der wohl bekannteste unbekannte Heilige überhaupt: Von Nikolaus von Myra weiß man im Grunde nur, dass er irgendwann im letzten Drittel des 3. Jhs. geboren wurde und als Bischof in Myra wirkte. Die fehlenden Fakten werden aber durch einen Strauß sympathischer Legenden aufgewogen, in denen Nikolaus Menschen aus höchster Not rettet oder anonym Geschenke verteilt (daher auch der Nikolausbrauch). So wurde er der Patron der Schüler und Schiffer, der Drescher und Diebe – ironischerweise auch der Juristen. Gestorben ist er angeblich an einem 6. Dezember, irgendwann um 350.

[] Christkind, das

die Person des Jesus von Nazareth aus der biblischen Geschichte als Neugeborenes (in der Krippe); bildliche oder figürliche Darstellung dieser Person; szenische Darstellung dieser Person, vor allem im Krippenspiel; vor allem in der Vorstellungswelt von Kindern: Wesen, das zu Weihnachten Geschenke bringt (dabei aber unsichtbar bleibt)

Heute Nacht werden viele Eltern klammheimlich mit Naschereien oder kleinen Geschenken befüllte Stiefel vor die Türen der Kinderzimmer stellen – stellvertretend für den Heiligen Nikolaus, versteht sich. Wäre es nach Martin Luther und dessen Anhängern gegangen, gäbe es diesen Brauch wohl nicht mehr. Heiligenverehrung lehnten die Protestanten ab. Der Advent sollte ganz im Zeichen Jesu stehen. Und wie könnte man Kinder besser auf diesen aufmerksam machen als mit Geschenken, die er, das Christkind, ihnen an seinem Geburtstag bringt? Wenn Sie mehr über die Konkurrenz (vor)weihnachtlicher Gabenbringer erfahren wollen, folgen Sie doch dem Link zu unserem heute veröffentlichten Blogbeitrag.

[] Julbock, der

in Skandinavien: Gestalt mit einem Ziegenbockkopf und anderen Attributen, oft Stroh und Fell, die früher Weihnachtsgeschenke brachte; Nachbildung dieser Gestalt als Strohfigur oder als Gebäck

In der nordischen Mythologie gilt die Ziege als Symbol der Fruchtbarkeit, der alljährlich zur Wintersonnenwende mit einem Opfer gehuldigt wurde. Kein Wunder, dass es in Skandinavien lange Zeit vor dem Weihnachtsmann ein Ziegenbock war, der die Geschenke brachte. Die schwedische Kleinstadt Gävle zollt dieser ursprünglichen Tradition seit 1966 auf ganz besondere Weise Tribut: Eine 13 Meter hohe Ziege aus Stroh ziert dort den weihnachtlichen Schlossplatz. Doch wie das ehemalige Ziegenopfer überlebt auch der „Gävler Julbock“ nur selten das Weihnachtsfest. Unverfrorene Feuerteufel sorgen meist dafür, dass dem Julbock ein vorzeitiges, loderndes Ende gesetzt wird.

[] Weihnachtslied, das

Lied, das in der Weihnachtszeit gespielt oder gesungen wird und dessen Text meist einen Bezug zu Weihnachten hat

„Syt willekomen, heirre kirst, / want du unser alre herre bis.“ (Nun sei willkommen, Herre Christ, der du unser aller Herr bist), das nach seiner fragmentarischen Erstüberlieferung so genannte Aachener Weihnachtslied gilt als das älteste in deutscher Sprache. Seine Entstehung wird auf das mittlere 14. Jh. datiert. In einer Erfurter Handschrift von 1390 ist es bereits vollständig enthalten. Aachener Chroniken berichten davon, dass dieses Lied während der Christmette, nach dem Vortrag der Weihnachtsgeschichte, ausschließlich von jenen besonders ehrenwerten Bürgern angestimmt wurde, die als Schöffen agierten.

[] Spekulatius, der

flaches, knuspriges, meist mit Zimt, Nelken und Kardamom gewürztes und mit weihnachtlichen Reliefmotiven versehenes Weihnachtsgebäck aus Mürbeteig

Auf den Adventstellern liegen sie wieder reichlich, die schmackhaft gewürzten Mürbeteigkekse. Etymologen allerdings haben an dem Dauergebäck schwer zu kauen. Denn ‚Spekulationen‘ zur Herkunft gibt es wohl so viele, wie es figürliche Ausformungen der Leckerei gibt. Das lateinische Kunstwort erinnert an „speculum“ (= Spiegel, Abbild) ebenso wie an den Beinamen von Nikolaus: „speculator“ (= er, der alles sieht), Sie wissen schon: „He sees you when you’re sleeping...“. Vielleicht geben auch die exotischen Gewürze einen Hinweis. In den Niederlanden mit ihrer langen Tradition an Gewürzgebäck nennt man sie „Speculaas“, wohl ein Kofferwort aus „specerijen“ (= Gewürze, Spezereien) und „Sinterklaas“ (= St. Nikolaus). Doch bevor Sie lange grübeln: Keks gefällig?

[] Adventskalender, der

etw., mit dem ab dem 1. Dezember die verbleibenden Tage bis Heiligabend abgezählt werden können (und das für jeden Tag eine Überraschung wie Bilder, Geschichten, Süßigkeiten bereithält)

Vor ca. 1990 Geborene kennen sie noch als sehr einheitliche und einfache – und dennoch nicht weniger glücklich machende – Pappschachteln, in denen jeden Morgen ein anderes Schokolädchen überraschte und den Kindern die unendliche lange Wartezeit auf Weihnachten erträglicher machte: Adventskalender. Auch wenn die um 1850 zuerst in protestantischen Kreisen aufgekommenen, zunächst selbst gebastelten Kalender schon kurz nach 1900 zur kommerziellen und nicht mehr durchgängig christlich geprägten Ware geworden waren, so gibt es erst seit rund 30 Jahren einen Trend zu neuen Abzählhilfen: für Erwachsene, Hunde und Katzen und für ganz andere Daten als Weihnachten – was auch immer man davon halten mag.

[] Code, der

Regel, Vorschrift für die Darstellung von Informationen mittels eines Zeichensystems bzw. für die (eindeutige) Zuordnung von Zeichen zweier Zeichensysteme

Wenn man eine E-Mail unverschlüsselt versendet, dann ist der Inhalt in etwa so geheim wie der einer Postkarte, die man verschickt. Diese oft nicht gewollte, aber bequeme Offenheit, mit der auch vertrauliche Informationen herausgeblasen werden, sollte man sich immer mal wieder in Erinnerung rufen, besonders am Tag der Computersicherheit. Die einfachste Art der Geheimhaltung ist ein Code, z. B. einer, bei dem ejf Cvditubcfo vn fjof Tufmmf wfstdipcfo xfsefo. Es gibt aber heute viel effektivere Wege der Verschlüsselung. Kompetenz im Umgang mit Medien und Informationen bedeutet eben auch, sie zu verwenden, um sich und vielleicht auch andere zu schützen.

[] Karton, der

steifes, dickes Papier; für den Transport und die Lagerung von etw. geeignetes Behältnis aus Pappe (das meist gefaltet wird)

Ein „Universum von Raumkörpern“ (Christoph Brockhaus) schuf der heute vor 100 Jahren geborene Erwin Heerich. Er wird zu den wichtigsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts gerechnet, wobei allerdings diese Bezeichnung bereits irreführend ist. Denn ausgehend von alltäglichen Gegenständen entwickelte er deren Nachbildungen zu immer abstrakteren, nur dem Maß unterworfenen und dadurch skalierbaren Skulpturen aus Karton. Einige seiner wichtigsten Arbeiten aus diesem Material sind im Museum Schloss Moyland zu bewundern.

[] Schullektüre, die

im Schulunterricht behandelte, meist schöngeistige (und in der Unterrichtssprache abgefasste) Literatur

Die Schachnovelle, das heute bekannteste Werk des Österreichers Stefan Zweig, das 1942 nach seinem Selbstmord im brasilianischen Exil erschien, dürfte eine perfekte Schullektüre darstellen, durch ihre hohe Erzählkunst, ihr Thema (individuelle Haltung im Nationalsozialismus) und auch ihre unterrichtsfreundliche Kürze. Dabei bietet Zweig, zu Lebzeiten einer der weltweit meistgelesenen deutschsprachigen Autoren, so viel mehr. Sein ebenfalls postum erschienenes Werk „Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“ dürfte z. B. eine der scharfsinnigsten und schonungslosesten Analysen der (Doppel-)Moral Mitteleuropas um 1900 bieten. Am 28.11.1881 war der Schriftsteller und fundamentale Pazifist in Wien zur Welt gekommen.

[] Nobelpreis, der

jährlich verliehener internationaler Preis für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Physik, Chemie, Medizin, Literatur oder für besondere Bemühungen um den Weltfrieden

In knapp zwei Wochen werden wieder, wie (fast) jedes Jahr seit 1901, die Nobelpreise in Oslo und Stockholm verliehen, am 10.12., dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. In seinem Testament vom 27.11.1895 hatte der u. a. durch das Dynamit reich gewordene Schwede einen jährlichen Preis in den objektivierbaren Kategorien Physik, Chemie und Medizin sowie – vermutlich angeregt durch die Freundschaft mit Bertha von Suttner – in Literatur und für Friedensbemühungen ausgelobt. Dass Letzteres auf einem schlechten Gewissen wegen des auf Sprengstoff basierenden Vermögens beruhe, ist oft kolportierte, aber unbewiesene Legende. Der Nobelpreis gilt bis heute als höchste erreichbare Auszeichnung in den genannten Gebieten.

[] die üblichen Verdächtigen, Mehrwortausdruck

Personen, deren erneute Beteiligung an etwas aufgrund wiederholter früherer Erfahrungen zu erwarten ist

„Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen“, befiehlt Polizeichef Louis Renault den herbeieilenden Polizisten am Flughafen von Casablanca, um so den Nachtclubbetreiber Richard „Rick“ Blaine zu decken. Rick hat gerade den deutschen Major Strasser erschossen, als dieser versuchte, die Flucht eines tschechoslowakischen Widerstandskämpfers und dessen Frau, Ricks (ehemaliger) Geliebter, zu verhindern. Die Wendung „die üblichen Verdächtigen“ wurde zum geflügelten Wort. Nur Wenige wissen wohl, dass es sich dabei um eines von mehreren berühmten Zitaten aus dem Film „Casablanca“ handelt. Heute vor 80 Jahren feierte der Film seine Premiere im New Yorker Hollywood Theatre. Es sollte „der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“ sein – schließlich avancierte der Film zum Klassiker.

[] Bettwurst, die

langes, rollenförmiges Kissen, das zum Ausfüllen des Spaltes zwischen den Betten eines Doppelbetts oder als Nackenrolle dient

Die erste Begegnung mit seiner Tante Luzi Kryn sollte ihn im Alter von 15 Jahren nachhaltig prägen – schrill, unangepasst und dabei stets authentisch, beeindruckte sie ihren Neffen Rosa von Praunheim derart, dass er beschloss, mit ihr Filme zu drehen. Und so kam es auch – 1970 stand sie in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm „Die Bettwurst“ zusammen mit Laienschauspieler Dietmar Kracht vor der Kamera und verhalf dem Nachwuchsregisseur zu einem aufsehenerregenden Karrierestart – der Streifen avancierte in kürzester Zeit zum Kultfilm. Heute feiert der Künstler und Filmemacher seinen 80. Geburtstag. Rosa von Praunheims jüngster Streich übrigens ist eine Musical-Inszenierung, angelehnt an die „Bettwurst“.

[] Stacheldraht, der

(als Hindernis auszulegender oder zu befestigender) dünner Strang aus meist mehreren zusammengedrehten Stahldrähten und eingearbeiteten, abstehenden Spitzen, Stacheln

Als der US-Amerikaner Joseph Farwall Glidden am 24.11.1874 das Patent für Stacheldraht erhielt, war seine Erfindung als Absperrung von landwirtschaftlichen Nutzflächen vorgesehen, die vor dem Eindringen von frei grasenden Rinderherden geschützt werden sollten. Gleichzeitig richtete sich der Einsatz von Anfang an auch gegen Menschen; die amerikanischen Ureinwohner etwa nannten die Erfindung „Teufelsschnur“. Für den militärischen Stellungsbau war der Stacheldraht bei Beginn des Ersten Weltkriegs bereits längst etabliert. Heute wird das scharfkantige, traditionell vierspitzige Drahtgeflecht ikonografisch auch als politisches Instrument mit Unterdrückung, Unfreiheit und Ausgrenzung assoziiert.

[] Teilhabe, die

das Beteiligtsein an etw., Teilnahme, Partizipation; aktive Teilnahme von Menschen am politischen, kulturellen und sozialen Leben

Unter den Vertriebenen, den heimatlosen Zwangsarbeitern, die nach Ende des 2. Weltkriegs in Auffanglagern lebten, waren sie die Ärmsten der Armen: geistig behinderte Kinder, oft versteckt, vernachlässigt. Ihre „Hilflosigkeit und Verlassenheit“ erschütterten den UNO-Beauftragten für Displaced Persons, den Niederländer Tom Mutters, so sehr, dass er in Marburg am 23. November 1958 gemeinsam mit Eltern und Fachleuten den Verein „Lebenshilfe für das behinderte Kind“ (heute nur: „Lebenshilfe“) gründete. Früh entstand dabei das Konzept der Inklusion: Hilfen und Förderung sollten eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.

[] Hausmusik, die

das (gesellige) Musizieren, das im nichtöffentlichen Raum bzw. im privaten Kreis (mit Freunden, Familienangehörigen, Nachbarn usw.) stattfindet

Andächtig lauscht die kleine Gesellschaft im Kaminzimmer der Tochter des Hauses, die Lieder aus dem neuesten Gesangsalbum vorträgt, am Flügel begleitet von ihrem Hauslehrer. Was im 18. und 19. Jahrhundert zum festen Bestandteil des gutbürgerlichen Kulturlebens gehörte, hat sich in etlichen Familien als Tradition erhalten; voll Hingabe wird da zu besonderen Anlässen gemeinschaftlich musiziert. Am heutigen Tag der Hausmusik wird jedoch keineswegs nur einer historischen Mode gedacht, denn zunehmend animiert deren intime Konzertatmosphäre auch professionelle Musikschaffende, mit „Wohnzimmerkonzerten“ (etwa per Livestream) auch ein größeres Publikum anzusprechen.

[] massenmedial, Adj.

Kommunikationsmittel betreffend, die einen hohen Verbreitungsgrad haben (wie Fernsehen, Rundfunk, Zeitung), von ihnen (den Massenmedien) ausgehend, zu ihnen gehörend

Am 17. Dezember 1996 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einer Resolution den 21. November zum Welttag des Fernsehens. Der UNO geht es aber natürlich nicht darum, den eskapistischen Unterhaltungswert des Fernsehens zu würdigen. Vielmehr werden alle Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen, „den Welttag des Fernsehens zu begehen, indem sie den weltweiten Austausch von Fernsehprogrammen fördern, die sich unter anderem schwerpunktmäßig mit Fragen wie Frieden, Sicherheit, wirtschaftliche und soziale Entwicklung und Förderung des Kulturaustauschs befassen.“ Wenngleich das (lineare) Fernsehen heute nicht mehr das Leitmedium ist, das es einst war, ist es weltweit nach wie vor ein einflussreiches Massenmedium.

[] Sabotage, die

Störung oder Behinderung des ordnungsgemäßen Ablaufs einer Tätigkeit, geplanter Maßnahmen oder der dazu notwendigen Mittel, die absichtlich erfolgt, um politischen, wirtschaftlichen, militärischen o. ä. Schaden zu verursachen

Russisch lautet es maskulin сабота́ж (sabotáž), italienisch spricht man von il sabotaggio. Den Gallizismus „le sabotage“ versteht man wohl fast überall. Tatsächlich ist sogar der Zeitpunkt bekannt, an dem die Weltöffentlichkeit den Ausdruck erstmals registrierte: Ein Generalstreik der französischen Eisenbahner legte vom 11. bis 18. Oktober 1910 den Bahnbetrieb komplett lahm. Und anders als beim italienischen Bummelstreik von 1904 zerstörten die Arbeiter unter dem Schlagwort „sabotage“ Signalanlagen und Weichen. Ob sich das Wort dabei auf „sabot“, den Holzschuh, bezog, mit dem Arbeiter Industriemaschinen „sabotiert“ haben sollen, oder auf „sabot“, den Hemmschuh, also die Wegfahrsperre, ist bis heute ungeklärt.

[] Lamm, das

junges Schaf (bis zum Alter von einem Jahr)

Die Romanverfilmung „Das Schweigen der Lämmer“ von 1991 bleibt sicher jeder Person, die sie gesehen hat, im Gedächtnis. Nicht zuerst wegen des mysteriösen Titels, sondern wegen der großartigen Inszenierung und den Hauptdarstellern: Gleichauf mit (Sir) Anthony Hopkins spielte die 29-jährige Jodie Foster, beide erhielten dafür den Oscar. Man könnte das für ein fantastisches Debüt halten, doch weit gefehlt: Foster, die übrigens auch mit Auszeichnung Literaturwissenschaft in Yale studiert hat, stand schon ab dem Alter von drei Jahren auf der Bühne, für ihre Nebenrolle in „Taxi Driver“ wurde sie gefeiert, für ihre Hauptrolle in „Angeklagt“ hatte sie schon 1989 den Oscar erhalten. Heute feiert das einstige Wunderkind seinen 60. Geburtstag.

[] Zoff, der

meist emotional ausgetragene, unbeherrscht geführte Auseinandersetzung, Konfrontation; heftiger Streit, Ärger

„… wenn er Zoff macht, hau ick ihm eene vor’n Nüschel, det er denkt, er is jejen ’n Schrank jeloofen!“. Diese markante berlinische Äußerung, zitiert 1957 in der Berliner Zeitung, markiert den Eintritt des konfliktfreudigen Wörtchens „Zoff“ in den Allgemeinwortschatz. Seither verzeichnen die Korpora – wie auch für die Ableitung „zoffen“ – einen erstaunlichen Frequenzanstieg. Dabei steht der hebräische Ursprung „sōf“ neutral für ‚Ende’. Noch heute heißt es im Jiddischen „Mach a sof“ für „komm zum Schluss“. Auch als es in der Form „Zof“ oder „Zoof“ ins Rotwelsche entlehnt wurde, hatte es zunächst die Lesart ‚Ende der polizeilichen Untersuchung‘. Offenbar kam es über die Wendung „mieser sof“ (= böses Ende) zur Bedeutungsverschlechterung.

[] Kunststoß, der

Billard: das Treffen zweier in einer vorher festgelegten Figur auf das Feld aufgelegter Kugeln mit dem Spielball

Ist es noch Sport oder ist es schon Kunst? Dies ist eine berechtigte Frage beim Billard mit seinen verschiedenen Varianten. Neben dem wohl hierzulande bekanntesten Kneipenspiel, dem Poolbillard, gibt es die Wettkampfsportart Karambolage. Eine Unterform davon ist das Billard Artistique, das früher Kunststoß genannt wurde. Mit drei Kugeln, die auf dem Feld sorgsam angeordnet werden, und einem Queue müssen bestimmte Folgen von Karambolagen vollführt werden. Als ein Meister dieses als Wettkampfsport betriebenen Faches galt Gert Tiedtke. Er wurde heute vor hundert Jahren in Duisburg geboren. Dass Billard ein langes Leben bescheren kann, hat er auch gezeigt. Er verstarb letztes Jahr im Alter von 98 Jahren.

[] aus den Fugen geraten, Mehrwortausdruck

von ursprünglich stabilen Systemen, Gesellschaftsordnungen, festgefügten Vorstellungen o. Ä.: in Auflösung, in Zerfall begriffen sein; scheitern; unkontrollierbar werden

Sein Hauptwerk zählt zu den herausragenden literarischen Werken des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Und doch scheint die Erzählung des heute vor 100 Jahren geborenen Nobelpreisträgers José Saramago viel besser in die Jetztzeit zu passen. Seine 1995 erschienene, an Kafka und Camus erinnernde Erzählung „Die Stadt der Blinden“ schildert den moralischen und ethischen Zerfall einer von einer geheimnisvollen Epidemie heimgesuchten Gesellschaft. Die Stadt, deren Einwohner nach und nach erblinden, erscheint dabei als Metapher für eine Menschheit, die ihren inneren Kompass verloren hat, die angesichts der Herausforderungen versagt. Eine herausfordernde Lektüre, die vielleicht wirklich dazu anregen kann, das Werk des portugiesischen Autors neu zu entdecken.

[] Neorealismus, der

in den nach dem 2. Weltkrieg entstandenen vor allem italienischen Filmen und literarischen Werken: Form der künstlerischen Darstellung mit starkem thematischem Bezug zur Alltagswirklichkeit

Phantasiegeschichten, Märchen à la Hollywood interessierten ihn nie. Der italienische Regisseur und Drehbuchautor Francesco Rosi verstand sich stets als Chronist seines Landes. Dabei waren es meist die wenig glamourösen Schattenwelten, besonders die der organisierten Kriminalität, die er in seinen Spielfilmen porträtierte. Sein wohl bedeutendstes Werk ist allerdings kein Mafiafilm. Es ist die Adaption von Carlo Levis Roman „Christus kam nur bis Eboli“. In der autobiografischen Erzählung des jüdischen Arztes, der während der Mussolini-Diktatur ins bitterarme Aliano verbannt wird, sich dort der Einwohner annimmt, spiegelt sich der filmische Stil Francesco Rosis: Das genaue Beobachten, das stets auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Realität war. Er wäre heute 100 Jahre alt geworden.

[] Locher, der

Gerät, das ein Blatt Papier o. Ä. mit zwei Löchern versieht

Hinter den Dingen, die wir auf unseren Schreibtischen tagtäglich benutzen, stecken viele kaum bekannte Namen und Geschichten – etwa die des Sauerländer Erfinders und Weltunternehmers Friedrich Soennecken (1848–1919). Bei seinen Innovationen scheint eins ins andere zu greifen: Zum nachfüllbaren Federhalter, den seine Firma vertrieb, erfand er die schreibfreundliche Gleichzugfeder mit runder Spitze – bis heute steckt sie an jedem Füller. Die dafür geeignete „Rundschrift“ entwickelte er gleich mit. Seine bekannteste Innovation aber ist der Locher: Am 14. November 1886 erhielt er das Patent 40065 für einen „Papier-Locher für Sammelmappen und Briefordner u. dergl.“ Das große Geschäft machte jedoch die Firma Leitz, die 1901 unter dem Namen „Phoenix“ den ersten „Handperforator“ herausbrachte.

[] Zungenbrecher, der

sehr schwer auszusprechender Satz, sehr schwer auszusprechendes Wort

Heute, am 2. Sonntag im November, wird der Internationale Tag der Zungenbrecher begangen. Warum, das können wir Ihnen beim besten Willen nicht sagen (neben dem komischen Effekt dienen Zungenbrecher immerhin der Sprecherausbildung), aber wir können Ihnen ein paar präsentieren. Standarddeutsche Klassiker wie „Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid“ (was übrigens sehr schön den typischen Aufbau illustriert) treten dabei zurück hinter dialektalen Schmankerln wie „S’Bsteck z’spat bstöit“ (das Besteck zu spät bestellt) und Fremdsprachlichem wie polnisch „W Szczebrzeszynie chrząszcz brzmi w trzcinie“ (In Szczebrzeszyn tönt ein Käfer auf einem Halm) oder diesem grandiosen Beispiel aus der kaukasischen Sprache Awarisch.

[] Werbeblock, der

mehrere, einander folgende Werbespots, die vor einem Kinofilm, zwischen Fernsehsendungen oder auch in – einen Film oder eine Sendung unterbrechenden – Werbepausen gezeigt werden

„Gunaaaamd!“ – praktisch seit Beginn der Ausstrahlung des Zweiten Deutschen Fernsehens 1963 dienen die sechs Mainzelmännchen Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen als so genannte Werbetrenner, die Programminhalte und Werbeblöcke voneinander absetzen. Erfunden wurden die inzwischen weit über ihre Ausgangsfunktion hinaus verbreiteten Kultfiguren, deren Name eine Mischung aus den Heinzelmännchen und dem Sender-Sitz Mainz darstellt, von dem Mitarbeiter Wolf Gerlach, der später auch für den WDR die gezeichneten Werbetrenner Ute, Schnute und Kasimir konzipierte. Heute vor zehn Jahren starb der multitalentierte Bühnenbildner, Filmarchitekt, Zeichner und Autor, sein letzter Wohnort Bad Zwischenahn widmete ihm ein Denkmal.

[] Karneval, der

im Zeitraum einiger Tage vor der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern bei den Christen gefeiertes Fest, bei dem Umzüge, Verkleidungen und Tanzveranstaltungen eine wichtige Rolle spielen

Fleisch, lebe wohl! Was klingt wie ein Aufruf zum Vegetarismus, ist die Übersetzung von mlat. „carne vale“ – einem volksetymologischen Herleitungsversuch des Wortes „Karneval“. Wenngleich die Herkunft nicht eindeutig geklärt ist, scheint die Wahrheit gar nicht so weit entfernt. Das italienische „carnevale“ lässt sich auf verschiedene im Mittellateinischen verbreitete Varianten wie „carnelevare“, „carnelevarium“ zurückführen, die den Zeitraum vor der Fastenzeit, manchmal auch diese selbst oder ihren Beginn, bezeichnen. Wörtlich bedeutet „Karneval“ die Fleischwegnahme aus lat. „carn-“ (= Fleisch) und „levāre“ (= wegnehmen). In der alten Kirche gab es auch eine vorweihnachtliche Fastenzeit, womit möglicherweise der Beginn der Karnevalssession am 11.11. zusammenhängt.

[] Urheberrechtsgesetz, das

Gesetz zum Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst, welches die verschiedenen Rechte des Schöpfers des Werkes (des Urhebers) regelt, wie etwa von dessen Veröffentlichung und Verwertung

Es sind erschütternde Szenen: Die harten, kaum überzeichneten Karikaturen über die Schattenseiten der englischen Stadtgesellschaft zeugen von Armut, Alkoholismus, Prostitution. Ihrem Schöpfer, dem Grafiker William Hogarth, bescherten sie Weltruhm. Seine herausragende Bedeutung verraten schon die Reaktionen in Deutschland. Lichtenberg war sich nicht zu schade, seinen Satiren erläuternde Übersetzungen beizufügen; der Hegelianer Rosenkranz besprach ihn in seiner „Ästhetik des Hässlichen“. Hogarth ist aber noch einer weiteren Innovation wegen bekannt: Weil seine Stiche des Öfteren „abgekupfert“ wurden, erwirkte er das britische Urheberrecht, das bis zum heutigen Tag „Hogarth Act“ heißt. Geboren wurde er vor 325 Jahren.

[] Nerd, der

verschrobener, eigenbrötlerischer Mensch, Sonderling, der häufig ein stark ausgeprägtes, sehr spezielles Interesse oder Fachwissen hat, aber oft sozial unbeholfen und kontaktarm ist

Am heutigen Tag der Erfinder sollen nicht die großen, berühmten Vertreter dieser Zunft im Mittelpunkt stehen, sondern die vielen unbekannten, verkannten oder auch vergessenen Genies mit ihren Erfindungen. Insbesondere wer zurückgezogen von der Welt vor sich hin friemelt und tüftelt, um die Menschheit schließlich mit Skurrilitäten wie einem „Bayerischen Bierkunst-Rad-Rasenmäher“, einer wasserdichten „Toilettensitzuhr“ o. Ä. zu beglücken, darf sich heute geehrt fühlen. Unterm Strich wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit die meisten Patente von Männern (über 93 Prozent) im Bereich Maschinenbau angemeldet, die aktivste Erfinderszene hat, gemessen an der Zahl der Patentanmeldungen, der Freistaat Bayern zu verzeichnen.

[] Herztransplantation, die

Transplantation des Herzens eines Verstorbenen in den Körper eines lebenden Menschen, dessen erkranktes Herz operativ entfernt wird

Es war ein Meilenstein in der Medizingeschichte: Am 3. Dezember 1967 führte ein 31-köpfiges Transplantationsteam unter der Leitung von Christiaan Barnard die weltweit erste erfolgreiche Herztransplantation am Menschen durch. In der fünfstündigen Operation wurde Louis Washkansky das Herz der nach einem Autounfall als hirntot erklärten Denise Darvall eingesetzt. Der Patient überlebte die Operation – wenn auch nur für 18 Tage. Denn die Medikamente, die eine Abstoßung des Herzens verhindern sollten, führten leider auch dazu, dass das Immunsystem des Patienten geschwächt wurde und er so einer Lungenentzündung erlag. Heute vor 100 Jahren wurde der Herzchirurg Barnard in Südafrika geboren.

[] Bauchgrimmen, das

Bauchschmerz; übertragen: Unbehagen angesichts einer für falsch oder unsicher gehaltenen Angelegenheit bzw. der eigenen Beteiligung daran

Das Wort „Bauchgrimmen“ scheint rätselhaft. Ist der Bestandteil „grimmen“ etwa eine obskure Ableitung von „Grimm“? Tatsächlich müsste es „Bauchkrimmen“ heißen. Doch das althochdeutsche Verb „krimman“ ist längst untergegangen und die Anlehnung an Grimm nur Volksetymologie. Weiter hilft uns ein Sprichwort aus dem Oberharz: „Hoineken wut du äten, sau musst du krimmen.“ (= Hühnchen willst du essen, so musst du kratzen.); „krimman“ bedeutete ursprünglich ‚mit Krallen packen, zerfleischen‘. Eine treffende Beschreibung für das Bauchweh. Und was hilft nun gegen das Krimmen? Fragen Sie Ihren Arzt oder das Deutsche Textarchiv: „Wider die Bauchgrimmen/ braucht man auch Gersten-Maltz in einer Pfannen über dem Feuer geröst/ heiß gemacht/ und in ein Säcklein gethan/ und warm übergelegt.“

[] Lebenswerk, das

schöpferische Leistung eines ganzen Lebens

Als am 6. November 1672 der Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz aus dem Leben schied, hinterließ er ein umfangreiches Werk, das ihn zum Begründer der protestantischen Kirchenmusik in Deutschland, ja, zum bedeutendsten deutschen Komponisten des Frühbarock machte. Nicht umsonst hieß es auf seiner Grabinschrift „seines Jahrhunderts hervorragendster Musiker“ – „saeculi sui musicus excellentissimus“. Fromm und fleißig, gemahnte Schütz seine Zuhörer daran, ihr Leben nicht unnütz zu verschwenden, sondern sich der „köstlichen Arbeit“ oder – wie es in der anlässlich seiner Bestattung verfassten, über 100-seitigen gleichnamigen Leichenpredigt hieß – „Einer gar frölichen arbeit/ welche bestehet in lauter loben und preisen“, zu widmen.

[] Konzil, das

katholische Religion: Versammlung aller katholischen Bischöfe als Träger der kirchlichen Lehr- und Regierungsgewalt unter Vorsitz des Papstes

Wir schreiben das Jahr 1414. Das Abendländische Schisma droht die kirchliche wie politische Ordnung Europas aus dem Gleichgewicht zu bringen. Drei konkurrierende Päpste aus Avignon, Rom und Pisa ringen um die Vormachtstellung. Der römisch-deutsche Kaiser Sigismund sah sich daher gezwungen, ein Konzil einzuberufen, um die innerkirchlichen Konflikte zu lösen. Die Wahl des Standorts fiel durch seine zentrale Lage auf den mittelalterlichen Bistumssitz und Handelsknotenpunkt Konstanz. Vom 5. November 1414 an war die Reichsstadt für vier Jahre Schauplatz der größten Versammlung des Mittelalters. Das Konstanzer Konzil kulminierte in der bislang einzigen Papstwahl auf deutschem Boden, die im Gegensatz zum restlichen Konzil, das im Münster tagte, im heute noch bestehenden Konzilgebäude stattfand.

[] Medienereignis, das

spektakuläres Ereignis, über das die Medien äußerst ausführlich (mit Features, Kommentaren, Reportagen, Interviews o. Ä.) über einen längeren Zeitraum hinweg berichten

1913 entdeckte der Ägyptologe Ludwig Borchardt in Amarna die Büste der Nofretete. Bis die Öffentlichkeit Notiz nahm, verging ein Jahrzehnt. Anders erging es Howard Carter mit seiner Entdeckung: 1922, heute vor 100 Jahren, stieß er im Tal der Könige auf ein noch unversehrtes Grab. Dieses Ereignis geriet zur Weltsensation. Aus aller Herren Länder strömten die Korrespondenten zur Ausgrabungsstelle. Nahezu in Echtzeit konnten ihre Leser in reich illustrierten Reportagen den Grabungsfortschritt verfolgen. Tutanchamun, ein historisch unbedeutender Pharao, wurde postum weltberühmt. Seine Totenmaske, die über 3000 Jahre niemand zu Gesicht bekommen hatte, wurde – millionenfach abgebildet und reproduziert – zur kulturellen Ikone.

[] reformieren, Verb

(durch eine Reform) neu gestalten und verbessern, modernisieren und veränderten Voraussetzungen anpassen

Als heute vor 170 Jahren in Kyōto Prinz Mutsuhito, postum Meiji genannt, als Sohn des 121. Tennō (Kaiser) geboren wurde, war Japan ein seit Jahrhunderten von der Außenwelt abgeschnittener Feudalstaat, in dem die Samurai-Fürsten (Shōgun) die eigentliche Macht ausübten. Doch nachdem amerikanische Kanonenbootpolitik 1854 eine wirtschaftliche Öffnung des Landes erzwungen hatte und zusammen mit Meijis Thronbesteigung 1867 die Macht der Samurai gebrochen wurde, änderte sich alles: In einem atemberaubenden Reformprozess (Schulpflicht, Kalenderreform, Berufsbeamtentum, Verfassung) verwandelte sich Japan in einen modernen Staat – und zeitweilig auch eine aggressive Großmacht.

[] bis über das Grab hinaus, Mehrwortausdruck

noch über den Tod, über das Lebensende (von jmdm.) hinaus

Der Tag der Toten (span. Día de Muertos) ist in Mexiko ein Grund zum Feiern. Schließlich besuchen die Seelen der Verstorbenen vorübergehend ihre Liebsten im Reich der Lebenden. Es werden Altäre mit Gaben für die Toten aufgestellt, die Straßen mit Studentenblumen und Papiergirlanden geschmückt, (dekorative sowie essbare) Totenschädel sind allgegenwärtig, man versammelt sich auf Friedhöfen, isst, trinkt, tanzt, verkleidet sich und schreibt humorvolle Gedichte. Die bunten, voller Symbolik steckenden Festivitäten, die ihren Höhepunkt am 2. November haben, erstrecken sich über mehrere Tage und unterscheiden sich je nach Region. Gemein ist ihnen jedoch eine fröhliche Stimmung: Man betrachtet den Tod als Übergang in eine andere Daseinsform und die Toten weiterhin als Teil der Gemeinschaft.

[] Veganer, der

jmd., der bei seiner Ernährung auf alle tierischen Produkte (wie Milch, Eier und Honig) verzichtet und auch die Verwendung anderer Erzeugnisse tierischen Ursprungs wie Wolle, Leder usw. ablehnt

In der Politik wie in sozialen Bewegungen ist das Prägen von aufmerksamkeitsheischenden Neologismen essenziell. Das beherzigte wohl auch Donald Watson – Veganer der ersten Stunde. Der hatte einen generellen Verzicht auf tierische Produkte gefordert, war damit aber bei der Vegetarian Society auf taube Ohren gestoßen. So gründete er 1944 eine eigene Zeitschrift, die „Vegan News“ – das Adjektiv „vegan“ war eine Verkürzung aus „veg(etari)an“. Ins Deutsche gelangte es erst Mitte der 1990er Jahre, nicht ohne eine bemerkenswerte Veränderung: Während es im Englischen [ˈviːɡən] lautet, ist es im Deutschen formal ein Latinismus, der ähnlich wie „simultan“, „profan“ nach der deutschen Laut-Buchstaben-Ordnung ausgesprochen und auf der letzten Silbe betont wird.

[] Architektin, die

weibliche Person (mit Hochschulausbildung), die beruflich Bauwerke entwirft

Für Architektur gibt es keinen Nobelpreis, aber eine in Bezug auf das Renommee vergleichbare Auszeichnung ist der Pritzker-Architektur-Preis. 2004 erhielt ihn als erste Frau überhaupt die aus dem Irak stammende Wahlbritin Zaha Hadid. Die schon in jungen Jahren Design-Talent beweisende Architektin musste lange mit Ablehnung kämpfen: Ihre kühnen Entwürfe gewannen Preise und Ausschreibungen, aber unwillige Bauherren oder widrige Umstände verhinderten ihre Umsetzung. Erst nach 1993 konnte sie ihre oft organisch ineinanderfließenden Formen in Bauwerken realisieren, z.B. dem phæno in Wolfsburg oder der Hungerburgbahn in Innsbruck. Hadid, gestorben 2016, wäre heute 72 Jahre alt geworden.

[] Kürbis, der

einjährige, rankenbildende Gemüsepflanze, die sich meist auf dem Boden ausbreitet und sehr große, kugelförmige, gelbe Früchte hervorbringt

Nahezu alle Kürbissorten, die weltweit auf dem Teller landen oder zu Halloween als gruselige Hohlköpfe wen auch immer erschrecken sollen, wurden ursprünglich im präkolumbianischen Amerika kultiviert. Zu uns fanden sie erst in der Neuzeit. Das Wort „Kürbis“ hingegen stammt nicht aus der Neuen Welt. Bereits an der Wortform lässt sich ablesen, dass es schon lange im deutschen Wortschatz beheimatet ist: Schon vor Jahrtausenden durch die Mühlen der Lautverschiebung gedreht, ist das ursprünglich entlehnte lateinische „cucurbita“ kaum noch zu erkennen. Gemeint war der Flaschenkürbis (Lagenaria siceraria) – der einzige Kürbis, der in Afrika und Europa vor Kolumbus bekannt war. Wie der Name sagt, hatte dieser auch einen praktischen Nutzen. Als Kalebasse dient er vielen bis heute der Erfrischung.

[] großer Wurf, Mehrwortausdruck

besonders bedeutendes, erfolgreiches (alles andere überragendes) Projekt, Werk, Konzept o. Ä.

1915 erfand der Berliner Oberturnwart Max Heiser eine Sportart, die für junge Frauen und Mädchen als Alternative zum Fußball gedacht war. Das Spiel, das er „Torball“ nannte, war einen Kombination aus Elementen verschiedener Sportarten wie Raffball und Hockey. Er erprobte es zunächst mit Arbeiterinnen der Berliner Siemens-Werke – sie sollten während des Ersten Weltkriegs für die harte Fabrikarbeit fit gemacht werden. Am 29.10.1917 wurde die Idee in einem Regelwerk fixiert. Das Spiel sollte von nun an offiziell „Handball“ heißen. Auch wenn sich die ursprüngliche Variante vom heutigen Handball stark unterscheidet (Körperkontakt und Prellen waren damals beispielsweise nicht gestattet), gilt dieser Tag als die Geburtsstunde der Sportart, die heute der zweitbeliebteste Mannschaftssport in Deutschland ist.

[] Krisenmanagement, das

der Umgang mit Problemen (und deren Lösung) in einer Krise, einem Konflikt oder einer Notsituation

Im Herbst 1962 waren alle Blicke nach Kuba gerichtet. Dort hatte die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen die Spannungen zwischen den USA und der UdSSR derart zugespitzt, dass eine direkte militärische Konfrontation der Atommächte drohte. Die USA verhängten eine Seeblockade und versetzten ihre Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft. In Verhandlungen gelang es schließlich, Nikita Chruschtschow mit Zurückhaltung, diplomatischer Weitsicht und sicherheitspolitischen Zugeständnissen zum Einlenken zu bewegen – am 28.10.1962 ordnete er den Abzug der Raketen an. Atomkoffer und heißer Draht sollten künftig zu unverzichtbaren Instrumenten des Krisenmanagements beider Supermächte werden.

[] Geigenvirtuose, der

Virtuose im Geigenspiel

„Vielleicht hätte Goethes Mephisto die Violine so gespielt.“ mutmaßte ein bedeutender Berliner Musikkritiker. Goethe konterte, Mephistopheles sei dafür eine zu negative Figur. Das Dämonische aber, das sich in Künstlern in der Tat oft positiv äußere, zeige sich in Niccolò Paganini in ganz besonderer Weise. Der genuesische Teufelsgeiger und Komponist hatte zu diesem Zeitpunkt mit seinem düsteren Äußeren, mit seiner ungewöhnlichen Spieltechnik und der daraus erwachsenden „verhexten“ Virtuosität bereits die Bühnen Europas im Sturm erobert. Am 27. Oktober 1782 kam er zur Welt.

[] Versandhaus, das

Unternehmen, das den Verkauf von Waren durch Versandhandel betreibt

Wenn man heute ein Produkt zu sich nach Hause bestellt, gibt es von A(mazon) bis Z(alando) unzählige größere und kleinere, universelle oder spezialisierte, ethisch handelnde und sonstige Online-Versandhändler. Doch was hat man in der Vor-Internet-Zeit gemacht, wenn man nicht ins Kaufhaus gehen konnte oder wollte? Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich noch gut an Sammelbestellungen, die Hausfrauen des Dorfes bei „Quelle“ machten, wo es alles Erdenkliche gab (zeitweise bis hin zu Haustieren), und hat auch selbst die Spielzeugseiten der dicken Kataloge genauestens studiert. Heute vor 95 Jahren wurde das Versandhaus in Fürth gegründet, Ende 2009 ging es in die Insolvenz und lebt seitdem nur noch als Namensmarke fort.

[] Pinsa, die

(ursprünglich stadtrömische) Variante der Pizza mit dickerem, reichhaltigerem Teig und oft erst nach dem Backen zugefügtem Belag meist ohne Tomatensoße

Was ist rund, wird in einer quadratischen Schachtel gebracht und in dreieckigen Stücken gegessen? Natürlich, die Pizza, weshalb wir ihr zum heutigen Welttag der Pizzabäcker gern die Reverenz erweisen. Das von dünkelhaften Gourmets als Armeleute- bzw. Resteessen bewertete italienische Teigrund mit den unterschiedlichsten Belägen gehört wohl weltweit zu den beliebtesten Gerichten. Es ist auch wandelbar, neben jedem noch so absurden Belag (Fischstäbchen …) findet sich z. B. die dicke amerikanische Pizza oder die zusammengeklappte Calzone. In Rom hat man sich eine rustikale Variante mit – zwecks besserer Vermarktung – dem neuen Namen „Pinsa“ ausgedacht, die sich zunehmend verbreitet. Hauptsache ist doch, dass es schmeckt.

[] schwarzer Freitag, Mehrwortausdruck

Tag eines massiven Kursverlustes an einer Börse, vor allem bezogen auf den 24. Oktober 1929 in New York

Mit geschichtlichen Datumsbezeichnungen ist das so eine Sache: So war der berüchtigte „Schwarze Freitag“, der hierzulande als Beginn der Weltwirtschaftskrise gilt, eigentlich ein Donnerstag, möglicherweise sogar ein Dienstag: An der New Yorker Börse hatte sich Ende der 1920er Jahre eine riesige, größtenteils auf Krediten basierende Spekulationsblase gebildet, die am 24. Oktober 1929 (ein Donnerstag) aus nichtigem Anlass platzte. Die Nachricht vom dramatischen Kursrutsch von 11 Milliarden Dollar erreichte am folgenden Freitag die europäischen Börsen. Doch die eigentlichen Panikverkäufe, die schließlich die Insolvenz zahlreicher Banken nach sich zogen, setzten erst am folgenden Dienstag ein, weshalb verschiedentlich auch vom „Black Tuesday“ die Rede ist.

[] Verbotsverfahren, das

behördliches, gerichtliches o. ä. Verfahren mit dem Ziel, ein Verbot (etwa einer radikalen politischen Gruppierung) zu erwirken

In den Zeiten der NS-Herrschaft in Deutschland wurde von Exil-Philosophen das Konzept der wehrhaften Demokratie entwickelt. Es wurde von den Gründerinnen und Gründern der Bundesrepublik wieder aufgegriffen im Konstrukt einer „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Diese kann auf legalem Weg nicht aufgehoben werden. So war es zwar nicht verboten, dass einer der Gründer der Sozialistischen Reichspartei, Otto Ernst Remer, die Bonner Republik als „amerikanisch erzwungene Scheißdemokratie“ bezeichnete, aber den Bestrebungen der Partei, jene FDGO abzuschaffen, schob das Bundesverfassungsgericht mit ihrem Verbot heute vor 60 Jahren einen Riegel vor. Nach dem Verbot der kommunistischen KPD 1956 geriet die Bonner Republik in ruhigeres Fahrwasser.

[] Dopingkontrolle, die

Überprüfung von (Blut-, Urin- o. Ä.)Proben eines Sportlers oder Sporttieres auf verbotene leistungssteigernde Maßnahmen

„Doping“ gehört zu den etwas betagteren Anglizismen im Deutschen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts diskutierten Tierärzte über Doping im Pferdesport und suchten im Speichel der Tiere nach verbotenen Substanzen. Die Zusammensetzung „Dopingkontrolle“ taucht allerdings deutlich später im Wortschatz auf. 1966 konstatierte „Die ZEIT“, dass vor allem die Radsportler zu leistungssteigernden Mitteln griffen. Wie zahnlos diese Kontrollen tatsächlich waren, zeigte sich immer wieder: 1967 brach Tom Simpson während der Tour de France am Mont Ventoux tot zusammen, im Blut eine mörderische Mischung aus Amphetaminen und Alkohol. 1999 erkämpfte Lance Armstrong den ersten seiner sieben Toursiege. Dass er systematisch gedopt hatte, konnte ihm erst 2012 nachgewiesen werden.

[] skandalisieren, Verb

etwas aufbauschen, zu einem Skandal hochstilisieren

Dass Künstler Skandale und Skandälchen nutzen, um die mediale Aufmerksamkeit für ihr neuestes Kunstwerk (und dessen Verkauf) auszunutzen, ist hinlänglich bekannt. Ein besonders lehrreiches Beispiel hierfür bietet die seit Jahrzehnten erfolgreiche Sängerin Madonna, die nicht nur ein Gespür für neue Trends, sondern auch die richtigen Themen für die bunte Presse hat. Als die damals schon als Sexsymbol und zugleich seriöse Sängerin etablierte Amerikanerin heute vor 30 Jahren zusammen mit ihrem neuen Album „Erotica“ den luxuriösen Bildband „SEX“ herausbrachte, sorgte dieser für weltweite Aufregung. Er verkaufte sich trotz (oder wegen) der expliziten Softpornografie zwar sehr gut, schädigte aber auf Jahre den künstlerischen und kommerziellen Erfolg Madonnas.

[] Welwitschia, die

in der Namib-Wüste endemische niedrige Pflanze, die ein einziges Paar Laubblätter hervorbringt und über tausend Jahre alt werden kann

„Dies ist ohne Frage die wunderbarste Pflanze, die je in dieses Land gebracht wurde, und eine der hässlichsten.“ sprach ein britischer Botaniker über die von ihm „Welwitschia“ genannte Pflanze, die ihm der österreichische Botaniker Friedrich Welwitsch aus der südafrikanischen Namib-Wüste geschickt hatte. Die Betroffene kann nicht wirklich empört sein, sie ist ja eine Pflanze – und was für eine! So besteht sie fast immer nur aus zwei Blättern, die aber sehr groß werden und zerfurchen können, kann die Form ihrer Wurzeln an die Feuchtigkeit der Umgebung anpassen und wird möglicherweise sogar 2000 Jahre alt. Welwitsch, der heute vor 150 Jahren starb, hatte übrigens den einheimischen Namen „Tomboa“ als Benennung vorgeschlagen.

[] Tourismus, der

Gesamtheit aller Angebote und Unternehmungen, die mit (organisierten) Reisen zum Kennenlernen fremder Orte und Länder sowie zur Erholung im Zusammenhang stehen

Wer historische Sehenswürdigkeiten, regionale Handwerkstraditionen und nicht zuletzt kulinarische Highlights entdecken möchte, kann sich auf Themen- bzw. Ferienstraßen auf Spurensuche begeben. Eine der ältesten und beliebtesten dieser touristisch erschlossenen Routen ist die Deutsche Weinstraße. Am 19.10.1935 wurde sie „eingeweiht“. Der Großteil der bundesdeutschen Ferienstraßen wurde hingegen bedeutend später, in den 1970er und dann in den 1990er Jahren, konzipiert und eröffnet. Doch auch wen es nach ferneren Horizonten gelüstet, findet jenseits der Landesgrenzen vielerlei Ferienstraßen, um per Auto, Rad oder zu Fuß Reiseerfahrungen zu sammeln. Bon voyage!

[] Radiosender, der

private oder öffentlich-rechtliche Anstalt, die Sendungen für den Radioempfang produziert und ausstrahlt

Heute vor 100 Jahren gründeten mehrere britische und amerikanische Elektrogerätehersteller in London ein gemeinsames Unternehmen zur Ausstrahlung eines Rundfunkprogramms im Vereinigten Königreich, um den Absatz ihrer Rundfunkempfangsgeräte zu steigern. Die „British Broadcasting Company“ wuchs rasant: Während es Ende 1922 noch 35.774 Empfangsgenehmigungen gab, waren es zwei Jahre später schon über eine Million. Nach zwei weiteren Jahren waren es 2,5 Millionen. Da das Geschäft dennoch nicht rentabel war (u. a. weil sich Kunden ihre Empfangsgeräte selber bauten), wurde die private Gesellschaft aufgelöst und auf Grundlage einer Royal Charter am 01.01.1927 in die nichtkommerzielle „British Broadcasting Corporation“ umgewandelt. So wurde die BBC zur ersten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt der Welt.

[] ein Herz und eine Seele, Mehrwortausdruck

einander sehr nahestehend, eng befreundet; sehr gut miteinander harmonierend

„Du dusselige Kuh“ – Angehörige der älteren Generation sehen hier einen kleinen, mittelalten Mann vor sich, der sich am Küchentisch die Zehennägel schneidet – Alfred Tetzlaff. Die angesprochene Gattin lässt diese und andere Nörgeleien fast immer klaglos über sich ergehen und erhebt sich als gute Seele der Familie (mit Tochter und Schwiegersohn) über den Giftzwerg, eine Karikatur des damaligen deutschen Spießers. Dank Wolfgang Menge, der die Serie nach einer britischen Vorlage (Till Death Us Do Part) für das deutsche Fernsehen adaptierte, konnte der Kleinbürger, in den Spiegel des Ekels Alfred blickend, über sich selber lachen. Die erste Folge wurde erstmals am 15. Januar 1973 ausgestrahlt. Ihr Schöpfer Wolfgang Menge verschied heute vor zehn Jahren.

[] Wörterbuch, das

(gedruckt, auf einem elektronischen Medium oder im Internet publiziertes) Nachschlagewerk mit nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählten und erläuterten Stichwörtern, meist mit Informationen zu ihrer Form, ihrer Bedeutung und ihrem Gebrauch

Lexikografen, Linguistinnen und Sprachliebhaber haben heute Grund zur überschwänglichen Freude, denn jedes Jahr am 16. Oktober wird (in den USA) der Tag des Wörterbuchs gefeiert. Anlass des inoffiziellen Feiertags ist der Geburtstag des amerikanischen Lexikografen, Rechtschreibreformators, Übersetzers und Autors Noah Webster. Nachdem er 1806 sein erstes Wörterbuch herausbrachte, verbrachte er die nächsten 20 Jahre damit, es stetig zu erweitern und zu verbessern. Mit dem 1828 erschienenen American Dictionary of the English Language ging er in die Annalen der Lexikografie ein, sein Name wurde zum Synonym für „Wörterbuch“. Aber wie feiert man diesen Ehrentag des Wörterbuchs denn nun am besten? Indem man es zum Beispiel zur Erweiterung des Wortschatzes benutzt! Hier ein paar Vorschläge

[] Handhygiene, die

das Reinhalten der Hände durch Waschen (oder Desinfizieren) zum Entfernen von Schmutz und Krankheitserregern

An skurrilen Gesundheitsratschlägen hat es in der Menschheitsgeschichte wohl nie gemangelt. So empfahl ein auf dem Lehrwerk „Regimen sanitatis Salernitanum“ beruhender Merkvers von 1559 das Händewaschen – mit einer seltsamen Begründung: Wasch dein händ / underlass es nicht / Du reinigst dich / und scherrpffst dein gsicht (= verbesserst deine Sehkraft). Hintergrund war ein missverstandener Talmudkommentar. Zwar wuschen sich Rabbiner vor dem Beten tatsächlich die Hände. Sie wollten so aber nur verhindern, dass die Augen mit Salz in Kontakt kamen, das sie zuvor zu sich genommen hatten.

[] selbst ist der Mann, Mehrwortausdruck

man kann etw. ohne fremde Hilfe schaffen; jeder sollte sich selbst zu helfen wissen

„Sind ja alles nur Bretter“, soll Walter Ulbricht auf einem Messerundgang über die Montagemöbel des Designers Rudolf Horn gesagt haben. Damit war die Geschichte eines am Bauhaus angelehnten Möbeldesigns in der DDR beendet. Ganz anders sah das ein schwedischer Möbelhersteller – IKEA. Das Prinzip der preisgünstigen Bretterkisten für die Selbstmontage daheim machte den Konzern berühmt und Ingvar Kamprad zu einem der reichsten Menschen der Welt. Zeitweise wurden die „Bretter“ – welche Ironie – im Auftrag des Möbelriesen in der DDR hergestellt. IKEA eröffnete am 14. November 1974 in München die erste Filiale in Deutschland. Heute sind Montagemöbel nicht mehr wegzudenken aus unserem Leben, sie stehen nicht nur in Heimwerkerhaushalten. Rudolf Horn hingegen ist weitgehend vergessen.

[] Überlebenskampf, der

Wettstreit, Ringen um die eigene Existenz, das Überleben in einer existenzbedrohenden Situation

Es ist der Alptraum eines jeden Menschen mit Aviophobie – doch für die 45 Insassen des Flugs 571 wurde er am 13. Oktober 1972 tragische Realität. Auf dem Weg von Uruguay nach Chile wähnten sich die Piloten bereits jenseits der Anden und setzten zum Landeanflug an. Da sie aufgrund starken Gegenwindes jedoch noch mitten im Hochgebirge waren, zerschellte die Maschine an einem Berghang und stürzte ab. 12 Menschen kamen direkt ums Leben, für die anderen begann ein 71 Tage andauernder Überlebenskampf im Eis. Schnell sahen sie sich mit einem Dilemma konfrontiert: sterben oder eines der größten gesellschaftlichen Tabus brechen. Alles andere als leichtfertig trafen sie die Entscheidung, ihre im Eis konservierten verstorbenen Mitinsassen zu essen. 16 der 45 Verunglückten überlebten und konnten schließlich gerettet werden.

[] auf dem Holzweg, Mehrwortausdruck

einem grundlegenden Irrtum (besonders, was Ansichten, Vorstellungen o. Ä. betrifft) unterliegend, der weitere falsche Schlussfolgerungen nach sich zieht

Christoph Kolumbus ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch Holzwege irgendwohin führen können. In seinem Fall waren es die europäischen Kartografen, die ihn mit ihren zeittypischen Konglomeraten aus antiker Überlieferung, erstaunlich exakten Positionsbestimmungen, obskuren Reiseberichten und puren Spekulationen in die Irre führten. Gemeinsam war ihnen, dass sie in ihren Werken zwar die Kugelgestalt der Erde veranschaulichten, jedoch Ptolemäus folgend ihren Umfang viel zu gering ansetzten – sodass sich Kolumbus, als er heute vor 530 Jahren auf San Salvador landete, bereits in Japan wähnte. Auch dieses „Wissen“ fußte auf Mutmaßung. Der deutsche Kartograf Henricus Martellus hatte die Insel nach dem Reisebericht Marco Polos auf seiner Weltkarte eingetragen.

[] Modernisierungsschub, der

plötzlich eintretender großer Fortschritt in der Modernisierung

Heute vor 60 Jahren bot sich im Vatikanstaat ein denkwürdiger Anblick: Rund 2500 sog. Konzilsväter – Kardinäle, Bischöfe, Ordensobere, Theologen – zogen unter Führung von Papst Johannes XXIII. in den Petersdom ein, um das Zweite Vatikanische Konzil zu eröffnen. Nachdem das Erste 1870 u. a. die Unfehlbarkeit des Papstes festgesetzt hatte, sollte das II. Vatikanum – noch mit Latein als Arbeitssprache – theologische und praktische Antworten auf die Herausforderungen der Moderne finden. 1965 schloss es mit weitreichenden Reformen zur Liturgie und zum Selbstbild des Katholizismus im Staat, und auch mit ersten unkonkreten, aber anerkennenden Gesten in Richtung anderer (abrahamitischer) Religionen und der Frauen, die sich erstmals öffentliches Gehör verschafft hatten.

[] Pressefreiheit, die

Grundrecht der Presse und anderer Medien, Informationen zu beschaffen und zu verbreiten sowie jegliche Meinung frei zu äußern

Heute vor 60 Jahren erschien im Magazin „Spiegel“ ein Artikel über für die junge Bundeswehr wenig schmeichelhafte Ergebnisse eines Manövers. Manche, zuvorderst Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, witterten hierbei Landesverrat und ließen bald darauf die Räume der Zeitschrift durchsuchen und Herausgeber, Redakteur und „Whistleblower“ teils in Nacht-und-Nebel-Aktionen verhaften. Die weite Ablehnung dieses Aktes staatlicher Willkür gegen die freie Presse hätte den Bundeskanzler Konrad Adenauer beinahe sein Amt gekostet. Langfristig wurde die Pressefreiheit durch die sog. Spiegel-Affäre sogar gestärkt. Im Jahr 2022 befindet sich Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit übrigens weltweit auf dem 16. Platz (2021: 13). Es ist also noch Luft nach oben.

[] Zuckerbäcker, der

Person, die beruflich Feingebäck und anderes süßes Backwerk herstellt

Heute vor 225 Jahren wurde Philippe Suchard in Boudry in der Schweiz geboren. Bei seinem Bruder Frédéric erlernte er das Handwerk der Zuckerbäckerei, wie man damals zum Beruf des Konditors sagte. Er konnte nach einem Intermezzo als Handlungsreisender in den USA Wissen und Fertigkeiten in seiner eigenen Konfiserie und Chocolaterie in Neuenburg nutzen. 1884 gestorben, erlebte er noch den märchenhaften Aufstieg seines Geschäftes zum größten Schokoladenhersteller der Welt. Bekannt ist der Name „Suchard“ in Deutschland vor allem als Marke für Kakaopulver, ein Rohstoff seiner Konditorenarbeit. Nebenbei leitete er noch ein Asphaltbergwerk im Kanton Neuenburg als dessen Direktor. Beides schlecht für die Zähne.

[] Oktopus, der

jedes Mitglied einer taxonomisch noch nicht abschließend definierten Gattung aus der Familie der Echten Kraken

Gibt es ein Lebewesen, dessen Genom komplexer ist als das des Menschen? Gibt es! Es ist der Kraken, ein Wesen aus der Klasse der Kopffüßer. Das zeigte jüngst eine Analyse einer internationalen Gruppe von Genetikern. Zudem verfügen diese Tiere über neun Gehirne und drei Herzen. Da kann man schon neidisch werden. Immerhin: Es reicht dafür, ohne Werkzeuge eine Flasche Bier zu öffnen, wie Dressurexperimente im Zoo von Basel zeigen. Kraken sind es allemal wert, ihnen – wie 2007 auf Initiative des Octopus News Magazine geschehen – einen Welttag zu widmen. Auch, um auf ihre Gefährdung in ihrem natürlichen Habitat hinzuweisen. Unsere Welt wäre etwas weniger intelligent ohne sie.

[] Morgenmuffel, der

jmd., der morgens nach dem Aufstehen meist keine besonders gute Laune hat, mürrisch und wortkarg ist

Das Internet ist voller Hymnen auf die Frühaufsteher, die frühen Vögel, die den Wurm schon verspeist haben, ehe der späte Vogel schlechtgelaunt aus dem Nest fällt. Dabei weiß man heute: Langschläfer mit mühevollem Start in den Tag haben einfach einen anderen Biorhythmus. Sie sind dadurch nicht weniger produktiv und können sogar so berühmt werden wie etwa Simone de Beauvoir, die, so heißt es, nie vor 10 Uhr morgens in den Tag startete. Wenn Sie Frühaufsteherin sein sollten, denken Sie daran. Millionen Menschen kennen die französische Schriftstellerin – wie viele Menschen kennen Sie? Feiern Sie also heute – aber bitte nicht zu früh am Morgen! – mit uns den bundesweiten Tag des Morgenmuffels.

[] Paradeiser, der

österreichisch: Tomate

Das Wort „Paradeiser“ hat sicher schon so manchen in Österreich speisenden Deutschen verdutzt. Bevor die ursprünglich aus dem aztekischen Náhuatl stammende Bezeichnung „Tomate“ (aztek. „tomatl“) ins Deutsche übernommen wurde, gab man der apfelförmigen Frucht verschiedene Namen: Goldapfel, Lieb(es)apfel oder auch Paradiesapfel bzw. Paradeisapfel. Die lautgesetzlich regelhafte Form „Paradeis“ wurde zwar durch Anlehnung ans Lateinische durch „Paradies“ verdrängt, bleibt im Österreichischen aber bis heute in der Bezeichnung für die (Frucht der) Pflanze erhalten. Obwohl „Tomate“ inzwischen ebenfalls in ganz Österreich verbreitet ist, ist „Paradeiser“ besonders im Osten des Landes noch gebräuchlich.

[] Pils, das

Bier, das nach Pilsener Brauart hergestellt wird

„Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung“ – dieser Platon zugeschriebene Spruch passt auf das Getränk, das heute gewürdigt werden soll. Nachdem mehrere Fässer des wohl fürchterlichen Gesöffs damaliger Brauart aus Protest öffentlich auf dem Rathausplatz in Pilsen ausgeschüttet wurden, holte sich der damalige Braumeister des „Bürgerlichen Brauhauses“ Martin Stelzer Hilfe von dem erfahrenen Braumeister Josef Groll aus Bayern. Groll änderte die Rezeptur; das neue Bier war stärker gehopft und wurde dadurch bitterer. Heute vor 180 Jahren, am 5. Oktober 1842, braute Groll den ersten Sud. Das Bier neuer Pilsener Brauart (zunächst hieß es „nach Bayerischer Brauart“) wurde ein Welterfolg, vor allem nachdem es mit dem Aufkommen von Kältemaschinen im 19. Jahrhundert möglich war, Bier flächendeckend zu produzieren.

[] Zeitsprung, der

plötzlicher, meist gedanklicher oder erzählerischer Übergang zwischen zeitlich weit auseinander liegenden Zeiträumen

Man stelle sich das einmal vor: Auf den heutigen Dienstag, den 4. Oktober, folgt Mittwoch, der 15. Oktober. Die zehn Tage dazwischen? Weg, verschwunden: Geburtstage, die nicht gefeiert werden, Termine, die einfach wegfallen. Doch heute vor 440 Jahren geschah genau das. Und dieser ‚Tagedieb‘ war sogar ein Papst: Gregor XIII. Um den aus dem Takt geratenen Julianischen Kalender wieder in Übereinstimmung mit dem astronomischen Kalender zu bringen, ordnete er den Kalendersprung an. Bis heute gilt: In allen Jahren, deren Jahreszahl durch 100 teilbar ist, und die geteilt durch 400 keine ganze Zahl ergibt, fällt der Schalttag (29. Februar) aus. Die Formel ist so präzise, dass erst in über 3000 Jahren eine Abweichung von einem Tag zu erwarten ist.

[] von Pontius zu Pilatus laufen, Mehrwortausdruck

(erfolglos) viele Wege zurücklegen, (erfolglos) zahlreiche Behördengänge o. Ä. unternehmen, um ein Ziel zu erreichen, Geld zu sammeln, Hilfe zu erhalten

Diese Wendung ist zugegeben inhaltlich sinnlos, denn laut Lukasevangelium wurde Jesus vom römischen Präfekten Pontius Pilatus zu Herodes und von dort wieder zurückgeschickt, ehe er zum Kreuzestod verurteilt wurde, doch der Volksmund bevorzugte wohl die Alliteration. In der Forschung wurde lange diskutiert, ob jener römische Beamte überhaupt eine echte historische Person war – zu schlecht die außerbiblische Quellenlage, zu unwahrscheinlich der Titel „Präfekt“. Dann 1961 die Sensation: Es sind nur wenige Schriftzeichen, die noch auf einem Steinblock aus Caesarea zu lesen sind: [… PO]NTIVS · PİLATVS / [PRAEF]ECTUS · IVDAE[A]E […]. Diesen Ausschnitt der Bauinschrift verstehen Sie nun sicher auch ohne Lateinkenntnisse.

[] Sammelsurium, das

Nebeneinander von mehreren Dingen, geistigen Inhalten o. Ä., die nicht zusammengehören, keine Ordnung erkennen lassen

Der kreative und zugleich respektlose Umgang Jugendlicher mit Sprachregeln ist kein modernes, oft aber ein kurzlebiges Phänomen. Die Halbstarken des 17. und 18. Jahrhunderts waren Studenten. Reflexe ihrer Sprachschöpfungen bereichern unseren Wortschatz allerdings bis heute. So belebten die Kommilitonen mittelalterliche Ausdrücke wie „Brandbrief“ oder „Denkzettel“ mit scherzhaften Bedeutungen zu neuem Leben. Beliebt war auch, Wörter des nativen Wortschatzes mit Fremdwortaffixen zu versehen: aus dem „Schwäch-ling“ wurde der „Schwach-mat(ikus)“, aus dem „Lappen“ die „Lapp-alie“ (nach „Personalie“). Und aus dem nicht gerade beliebten niederdeutschen Eintopfgericht aus sauer eingelegten Speiseresten „Sammelsur“ (zu nd. „sur“ = sauer) das „Sammelsurium“.

[] Barista, der oder die

(ausgebildete) Person, die in einer (Kaffee-)‍Bar, einem Café o. Ä. für die Zubereitung von Kaffeegetränken zuständig ist

Sie kochen nicht einfach nur Kaffee. Gut ausgebildete Baristas sind Kaffeeexperten, die von den Eigenschaften unterschiedlicher Kaffeesorten über verschiedene Mahlmethoden bis hin zur perfekten Temperatur über umfassende Kenntnisse in der Kaffeezubereitung verfügen. Mit Milch zubereitete Spezialitäten kredenzen sie oft liebevoll verziert mit filigraner „Latte Art“. Das Wort „barista“ gelangte aus dem Italienischen, wo es allgemein einen Barmann oder eine Barfrau bezeichnet, wohl über das Englische mit leichter Bedeutungsverschiebung zu uns. Fester Bestandteil des deutschen Wortschatzes ist „Barista“ ungefähr seit Anfang der 2000er. Zur selben Zeit hielt übrigens eine große amerikanische Kaffeehauskette, die ihre Servicemitarbeiter so nennt, Einzug in Deutschland.

[] Butterbrot, das

mit Butter bestrichene und meist zusätzlich mit Käse, Wurst, Marmelade o. Ä. belegte oder bestrichene (zusammengeklappte) Scheibe Brot

Deutsche, die sich totstellen, kann man auffliegen lassen, indem man schlicht „Im Ausland gibt es einfach kein gutes …“ ruft und schaut, wer „Brot!“ ergänzt. So zumindest besagt ein Witz. Die Deutschen lieben und schätzen ihre Brotkultur, aber alles wäre natürlich nichts ohne einen Belag. Das glaubte wohl die Agrarmarketing-Organisation CMA ausnutzen zu können und rief 1999 als Marketing-Gag den „Tag des Deutschen Butterbrots“ ins Leben, den wir heute vollmundig begehen. Am besten mit einer Stulle. Oder einer Bemme. Oder einer Schnitte. Wie auch immer Sie Ihr Wurst-, Käse-, Eier-, Fett-, Schinken-, Honigbrot nennen – guten Appetit!

[] Anchorman, der

Sprecher, der durch eine Nachrichtensendung oder die Berichterstattung zu einem bestimmten Ereignis führt und einzelne Beiträge anmoderiert

Er trug den Beinamen „Mr. Tagesschau“ und war wohl der erste Anchorman im deutschen Fernsehen, schon bevor es dieses Wort in der deutschen Sprache überhaupt gab (erstmals ist das Wort 1969 in den Korpora des DWDS belegt). Die Rede ist von Karl-Heinz Köpcke, der am 29. September 1922, heute vor hundert Jahren, in Hamburg geboren wurde. Vom 2. März 1959 bis zum 10. September 1987 moderierte er die „Tagesschau“, die bekannteste Nachrichtensendung in Deutschland. Er prägte ein Bild von dieser Sendung, aber auch von sich selbst als Inbegriff der Seriosität, dass es zu Protesten von irritierten Zuschauern kam, als der stets Glattrasierte nach seinem Sommerurlaub 1974 mit einem Schnauzbart in die Sendung kam. Bei ihm hätte es sicher eines nicht gegeben: Fake News.

[] Zwickel, der

keilförmiges oder rautenförmiges Stück Stoff, das zur Stabilisierung, zu hygienischen Zwecken sowie zur Erhöhung des Tragekomforts in Kleidungsstücke eingesetzt wird

Als Anfang der 1930er Jahre die Unart des allzu freizügigen Badens gänzlich ohne oder „in anstößiger Badekleidung“ zusehends um sich griff, sahen sich konservative Kreise gezwungen, behördlich dagegen vorzugehen. Am 28. September 1932 wurde eine auch als „Zwickelerlass“ bekannt gewordene Polizeiverordnung erlassen. Unter Androhung von Zwangsgeldern von bis zu 150 Reichsmark war u. a. die besonders pikante, stoffumschmeichelte Schrittregion der Badebekleidung zum Schutz vor unzüchtigen (Ein-)Blicken mit einem Zwickel zu versehen. Die Urheber ernteten Spott und Häme in der Presse, die sich mit „verzwickten“ Wortkapriolen in bisweilen hochamüsante Kommentare verstieg. Knapp zehn Jahre später wurde die Zwickelregelung dann wieder aufgehoben. Und heute – wen juckt’s?

[] Hieroglyphe, die

gewöhnlich bildhaftes, aus einem Piktogramm entstandenes Schriftzeichen für verschiedene Trägermedien, mit überwiegend logografischer, aber auch lautabbildender Funktion

Als Jean-François Champollion, Autodidakt und leidenschaftlicher Fan des alten Ägypten, am 27.09.1822 in der Pariser Akademie einen Vortrag über das Wesen und eine erste Entzifferung der bisher unverständlichen ägyptischen Hieroglyphen hielt, waren die anwesenden Herren nicht überzeugt, griffen den schon mit 20 Jahren zum Professor Ernannten gar scharf an. Doch wie schon bei früheren Anfeindungen ließ Champollion sich nicht entmutigen, veröffentlichte seine Ergebnisse – und behielt in allem Wesentlichen Recht, wie sich in der Folgezeit zeigte. Der jung gestorbene Franzose hat uns so einen zentralen Zugang in eine alte und über Jahrtausende andauernde Hochkultur ermöglicht.

[] die Gelegenheit beim Schopf packen, Mehrwortausdruck

eine Möglichkeit, Chance zum richtigen Zeitpunkt erkennen und entschlossen nutzen

Wer rennt Ihnen denn da entgegen? Ein Mann mit griechischer Nase und einer großen, hüpfenden Locke am Pony. Wenn Sie ihn beim Vorbeieilen anhalten wollen, greifen Sie ins Leere, denn sein Hinterkopf ist rasiert – er entwischt Ihnen. Mit diesem treffenden Bild besang ein Dichter des Hellenismus seinen (jungen, in der klassischen Zeit noch unbekannten) Gott Kairos (Καιρός), den personifizierten rechten Augenblick. Wenn man die günstige Gelegenheit nicht sofort geistesgegenwärtig ergreift, solange sie noch nicht vorbei ist, dann hat man das Nachsehen. Man muss – und genau vom Bild des Kairos stammt diese noch heute gebrauchte Redewendung – die Gelegenheit eben beim Schopfe packen.

[] Zahnseide, die

dünner, meist gewachster Faden, mit dem man Zahnbeläge und Speisereste zwischen den Zähnen entfernen kann

Das Fädeln zum Reinigen der Zahnzwischenräume ist älter, als man meinen sollte. Im Widukind-Museum zu Enger kann man die Gebeine eines mittelalterlichen Kriegers bestaunen, der bis ins hohe Alter über ein vergleichsweise vollständiges Gebiss verfügte. Er nutzte wohl dünne Schnüre oder Gräser, um schädliche Plaques zu entfernen. Dagegen ist Zahnseide, wie wir sie kennen, wesentlich jünger. Erfunden wurde sie in den USA. 1898 erhielt die Firma Johnson & Johnson das Patent für den gewachsten Seidenfaden, der heute dabei hilft, Karies oder Zahnsteinbildung an schwer zugänglichen Stellen zu verhindern. Unser Recke aus Enger war bei seiner Zahnpflege allerdings etwas übereifrig. Der Zahnstein war zwar deutlich reduziert, die Zahnhälse waren dafür praktisch durchgeschmirgelt.

[] wie Pilze aus dem Boden schießen, Mehrwortausdruck

während einer kurzen Zeitspanne in großer Menge entstehen; plötzlich zahlreich in Erscheinung treten und sich ausbreiten

Heute ist der Tag des Pilzes! Nun gut, zumindest in Europa. Andernorts feiert man diese Lebewesen, die – wie wir wohl inzwischen alle wissen – keine Pflanzen sind, sondern ein eigenes Reich neben Tieren und Pflanzen bilden, an anderen Tagen. Das ist auch nicht verkehrt; es passt gewissermaßen zu dem unglaublichen Reichtum, den die Pilze bieten, was Farbe, Form und Vorkommen angeht, von winzigen Hefen bis hin zum größten Lebewesen der Welt. Der Mensch nutzt Pilze seit Urzeiten direkt als Nahrungsmittel (z. B. haben gerade Pfifferlinge Saison!), zur Veredelung (Käse) oder auch als Halluzinogene. Zugleich sind Giftpilze, Hausschwamm oder Schimmel als Schadensquellen gefürchtet.

[] Herbstblues, der

durch Erscheinungen vor allem des Spätherbstes wie kürzer werdende Tage, düstergrauer Himmel und Nebel verursachte niedergedrückte oder melancholische Stimmung

Wer im Sommer unter der Hitze gelitten hat, jubiliert: Heute ist die zweite Tag-und-Nacht-Gleiche (für Angeber: Äquinoktium) des Jahres, ab morgen sind die Tage bis zur nächsten im März kürzer als die Nächte: Der Herbst ist da. Auch die Wärme- und Sonnenfreunde, die es bisher nicht wahrhaben wollten, müssen das zugeben. Dass sie darum nun vermehrt Trübsal blasen, ist verständlich (wobei es oft mehr der Gedanke an nasskalte, dunkle Tage ist als der tatsächliche jetzige Zustand des Wetters). Doch wenn man sich dem „goldenen Herbst“ mit seiner Farbenpracht und der großen kulinarischen Palette (Pfifferlinge! Trauben!) öffnet, dann kann man die Zeit sicher ebenso genießen wie in der Badesaison.

[] Krempel, der

salopp, abwertend: Kram, Plunder, Zeug

Bettina von Arnim klagte einmal über ihre Garderobe: „… mir war aber alles zu weit und zu lang, als ob ich es auf dem Krempelmarkt erkauft hätte“. „Krempel“ war nie besonders hoch geachtet, wertlos aber nicht: In Zeiten, in denen Gegenstände des täglichen Bedarfs, ganz besonders Textilien, aufwendig in Handarbeit hergestellt wurden, dafür viel haltbarer waren als heute, hatten Gebrauchtwaren für die Bevölkerung eine extrem wichtige Bedeutung. Das Wort „Krempel“ (älter: „Grämpel“) steht in Zusammenhang mit der untergegangenen Berufsbezeichnung „Grämpler“ (= jmd., der mit gebrauchten Textilien, Kleinwaren u. Ä. handelt), die wiederum auf „grempen“ (= Kleinhandel betreiben) zurückgeht. Womöglich liegt das altprovenzalische „c(r)omprare“ (= kaufen, bezahlen) zugrunde.

[] Dank, der

Gefühl und Ausdruck der Anerkennung und moralischen Verpflichtung für ein Geschenk, eine Gefälligkeit, Wohltat, die man von jmdm. empfangen hat

Danke, danke, danke – faleminderit – շնորհակալություն – gracias – kiitos – გდმადლობთ – धन्यवाद – どうも – អរគុណ – хвала – ขอบคุณ – cпасибі – teşekkürler – dziękujemy – obrigado – ευχαριστoύμε – merci – dankon. Sie ahnen es vielleicht bereits: Wir möchten uns am heutigen Welttag der Dankbarkeit, der seit 1977 begangen wird, bei allen treuen Leserinnen und Lesern dieser Kolumne bedanken – herzlichst! Zu verdanken haben wir diesen Tag übrigens der Meditationsgruppe der Vereinten Nationen.

[] Zweisprachigkeit, die

das Nebeneinander von zwei Sprachen in einem bestimmten Gebiet oder Bereich

Es können die besten Nachbarn unterschiedlicher Muttersprachen nicht in Frieden leben, wenn es den nationalistischen Scharfmachern nicht gefällt. Dies zeigte sich im österreichischen Kärnten. Nachdem slowenische Minderheit und deutschsprachige Mehrheit über Jahrhunderte friedlich zusammengelebt hatten, gab es nach dem Ersten und um den Zweiten Weltkrieg immer wieder Versuche der Gebietsannexion, Assimilierung oder Aussiedlung. Im Nachkriegsösterreich gelang wieder ein gutnachbarschaftliches Zusammenleben mit allen dazugehörigen Rechten für die Minderheit – mit einer Ausnahme: Die Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder ab dem 20.09.1972 erhitzte über Jahrzehnte die Gemüter; der über eine Provinzposse hinausgehende Streit konnte erst 2011 beigelegt werden.

[] alt wie Methusalem, Mehrwortausdruck

sehr alt, uralt

Methusalem schaffte es laut biblischer Erzählung auf 969 Jahre. So lange hat wohl tatsächlich noch kein Mensch gelebt. Wir alle aber werden im Durchschnitt immer älter. In Japan wird man besonders alt. Seit immerhin 75 Jahren gibt es deshalb den 敬老の日 (Keirō no Hi), den „Ehret-das-Alter-Tag“. Dieser Tag, jedes Jahr am 3. Montag im September, ist ein offizieller Feiertag in ganz Japan und verschafft allen Japanerinnen und Japanern ein langes Wochenende. Der Anlass wird aber durch vielgestaltige Würdigungen der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger durchaus ernst genommen. Die japanische Regierung spendiert allen Hundertjährigen des Jahres einen Silberbecher – eine schöne Geste, die den Staatshaushalt aber zunehmend belastet. 2021 waren über 43 000 Becher fällig!

[] Friedhof, der

(eingefriedeter) Begräbnisplatz

Der Außenbezirk einer jeden Kirche war im Mittelalter mehr als nur Begräbnisplatz. Er bot im Rahmen des Kirchenasyls ebenfalls Schutz vor Verfolgung und war zur eindeutigen Markierung meist von Mauern oder Zäunen eingehegt. Entsprechend nannte man ihn ursprünglich „frîthof“, zu „frîten“ (= hegen, schonen). Als sich im Zuge der Diphthongierung î zu ei wandelte, hätte sich eigentlich die Form „Freithof“ durchsetzen müssen. Vereinzelt findet man sie auch, etwa bei Abraham a Santa Clara: „ihr Hofleut/ ihr prangt heut zu Hof / morgen vielleicht auf dem Freithof“. Stattdessen wurde das Wort – sei es in Bezug auf die ewige Ruhe oder auf die besondere Rechtsfunktion – volksetymologisch an „Friede“ angeglichen.

[] aufräumen, Verb

etw. Unordentliches wieder in Ordnung bringen

Droht ein populistischer Hetzer mal wieder damit, gründlich mit XY „aufzuräumen“, denken wir eher an eine zynisch gemeinte übertragene Verwendung des Wortes. Tatsächlich aber ist „aufräumen“, verstanden als ‚wegschaffen’, ‚beseitigen‘, ja sogar ‚vernichten‘, die ältere, ursprünglichere Lesart. So warnten bis ins 17. Jh. insbesondere Prediger gerne und oft vor Gottes Aufräumaktionen: „so gewaltig kan Gott die Feinde vnnd Gottlosen straffen / dempffen [bezwingen] vnd auffreumen“. Doch auch wenn so manch gestresster Messi in seinen Saustall am liebsten die Sintflut loslassen würde – spätestens seit Luther erscheint aufräumen auch ganz zivil im Sinne von ‚Ordnung schaffen‘. Und wem das gelingt, der ist mit etwas Glück sicher auch bald aufgeräumter Stimmung.

[] Geheimagent, der

Person, die als Agent, Spion für einen staatlichen Geheimdienst tätig ist

Heute vor hundert Jahren kam der britische Regisseur Guy Hamilton zur Welt. Dass er bis zum Zweiten Weltkrieg in Frankreich aufgewachsen war, hinderte ihn nicht daran, in den 1960ern ikonisch britische Filme zu machen: Neben dem Monumentalstreifen „Luftschlacht um England“ wurde er besonders für seine vier Regiearbeiten um James Bond, den berühmten Agenten 007, bekannt: Hatte er den ersten Film („Dr. No“) noch abgelehnt, drehte er mit „Goldfinger“ die wohl beste Folge der Reihe und zeichnete auch für den letzten Auftritt von Sean Connery und die ersten beiden Bond-Filme mit Roger Moore verantwortlich. Der 2016 verstorbene Regisseur war damit stilprägend für die Erfolgsserie um den Geheimagenten im Auftrag Ihrer Majestät.

[] Reiseliteratur, die

literarische Gattung, deren Werke reale oder fiktive Reiseerlebnisse schildern, häufig mit Blick auf die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort

„Für uns, die wir Island nicht kannten, schien ein so spurloses Verschwinden unfaßbar. Wir wußten nichts von den unbetretbaren Ufern des fraglichen Sees ...“ – Der pommerschen Adeligen Ina von Grumbkow war der Verlobte, der Geologe Walther von Knebel abhandengekommen: Er hatte sich 1907 zu einer Forschungsreise nach Island aufgemacht und war, ob vom Vulkansee Öskjuvatn verschluckt oder von Elfen entführt, nicht zurückgekehrt. Von Grumbkow machte sich gemeinsam mit von Knebels Assistenten Hans Reck auf die beschwerliche Reise ins Innere Islands. Den Verschollenen fanden sie nicht, wohl aber zueinander. Zurückgekehrt heiratete das Paar und Ina von Grumbkow veröffentlichte einen Reisebericht, der die wilhelminische Leserschaft in die raue Schönheit der isländischen Landschaft entführte. Heute vor 150 Jahren wurde die Islandreisende geboren.

[] Guru, der

(als Verkörperung eines göttlichen Wesens verehrter) religiöser Lehrer im Hinduismus, Sikhismus und tantrischen Buddhismus

Als Franz Bopp 1816 sein Werk „Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache“ vorlegte, war dies der Beginn der modernen Sprachwissenschaft in Europa (die altindischen Grammatiker betrieben schon 2500 Jahre früher methodische Studien). Sanskrit war nicht nur Ausgangspunkt der historisch-vergleichenden Sprachforschung, sondern auch einiger Lehnwörter: Neben dem Karma („Tun“) und dem Yoga („Anschirren“) ist besonders der Guru bekannt. Dieser Lehrer ist ein „Schwergewicht“, er ist nämlich Substantivierung von guru- „schwer“, das mit gleichbedeutend griechisch barýs und lateinisch gravis verwandt ist – wie wir dank Bopp wissen. Am 14. September 1791 wurde er in Mainz geboren.

[] Programmierer, der

Person, die den Quellcode für Computerprogramme schreibt

#include AdT;

date day="2022-09-13";
int dayofyear=256;
int year=2022;
string event="Tag des Programmierers";
string greeting="Hello world!";
string endofmessage="marmosets";

print "@greeting\n";
print "Heute, an Tag @dayofyear des Jahres @year, am @day, begehen wir den @event.\n";
print "Warum auch immer.\n";
print "@endofmessage.\n\n";

[] Radioaktivität, die

Eigenschaft von (nicht stabilen) Atomkernen, zu zerfallen und dabei ionisierende Strahlung auszusenden; die durch diesen Prozess entstehende Strahlung

Wenn Mediziner per Szintigraphie die Schilddrüse untersuchen, wenn Neurologen mit bildgebenden Verfahren Stoffwechselvorgänge im Gehirn sichtbar machen – stets kommen radioaktive Isotope zum Einsatz. Forscher, Mediziner und Patienten profitieren damit von einer revolutionären Entdeckung: 1934 gelang Irène Joliot-Curie, die heute vor 125 Jahren geboren wurde, gemeinsam mit ihrem Mann Frédéric die Erzeugung künstlicher Radioaktivität. Sie bestrahlten eine Aluminiumfolie mit Alphateilchen und erkannten, dass dabei unter anderem das radioaktive Isotop Phosphor-30 entstand. Für ihre Entdeckung erhielt das Ehepaar schon ein Jahr später den Nobelpreis für Chemie – in der Familie Curie war es damit Nobelpreis Nummer drei.

[] Kaventsmann, der

schnelle, vom übrigen Seegang abweichende Monsterwelle

Induktion schlägt Deduktion. In diesem Fall mehr als 25 Meter über dem Meeresspiegel durchs Fenster: Am 11. September 1995 wird der Luxusliner „RMS Queen Elizabeth 2“ von einer „Kaventsmann“ genannten Monsterwelle getroffen (nach anderen Angaben von den sog. „Drei Schwestern“) und schwer beschädigt. Hochseewellen über 15 Metern Höhe hatten bis dahin als physikalisch unmöglich gegolten, zahlreiche Berichte über sie (sogar drei verschiedene Typen davon) als Seemannsgarn. Doch nach jenem Vorfall und der beginnenden Überwachung von Wellenbewegungen durch Radar, das Höhen von über 30 Metern bestätigte, erkannte die Wissenschaft die Riesenwellen als echtes Phänomen an und begann mit ihrer Erforschung, die bis heute Neues zu Tage fördert.

[] nicht von dieser Welt sein, Mehrwortausdruck

außergewöhnlich, übernatürlich, unwirklich sein

Als die Zuschauer am 10.09.1991 erstmals im deutschen Fernsehen diesen idyllisch anmutenden Vorspann sahen, rechneten sie wohl nicht mit dem, was sie in Twin Peaks erwarten würde. Was wie eine gewöhnliche Krimiserie beginnt, entpuppt sich als Mischung aus Horror, Fantasy und Seifenoper, gespickt mit eigenwilligem Humor und skurrilen Charakteren. Die Geschichte um den Mord an Laura Palmer wird mit jeder Folge surrealer. Nur ein paar der sonderbarsten Elemente: eine mystische Parallelwelt, in der alles rückwärts läuft; eine Frau, die als Medium eines Holzklotzes fungiert; ein außerweltliches Wesen namens Bob, das von Menschen Besitz ergreift, währenddessen entsetzliche Verbrechen begeht und sich dann am Schmerz der Opfer labt. Es klingt befremdlich. Es ist verwirrend. Aber es ist bahnbrechende TV-Kunst.

[] Deppenapostroph, der

abwertend, gelegentlich scherzhaft: Apostroph, der in Unkenntnis der geltenden Regeln falsch gesetzt wird

Verehrt, verhunzt, verhasst: Der (nicht: das) verdienstvolle Apostroph markiert als Wortzeichen bereits seit der Antike den Ausfall von Buchstaben, sorgt aber in der Moderne für erhebliche Verunsicherungen. Oft fängt es schon damit an, dass Textverarbeitungs-Apps anstelle des Hochkommas fälschlicherweise ein halbes Abführungszeichen setzen. Häme kommt dann auf, wenn unbedarfte Zeitgenossen schon einfache Genitiv- oder sogar Pluralendungen mit dem „Deppenapostroph“ schnöde vom Wortstamm trennen. Um auf derlei, keineswegs nur aufs (nicht: auf’s) Deutsche beschränkten Wildwuchs aufmerksam zu machen, haben Ortho- und Typografie-Enthusiasten für jeden 9. September den „Internationalen Tag des typografisch richtigen Apostrophs“ ausgerufen. Wie man’s/mans richtig setzt? Hier sind die Regeln.

[] Tacheles reden, Mehrwortausdruck

deutliche, kritische Worte wählen; klar seine Meinung sagen; ganz offen die Sachlage darstellen

Die aus dem Jiddischen stammende Wendung ist im Deutschen erst verhältnismäßig spät heimisch geworden. In literarischen Schilderungen des jüdischen Alltagslebens begegnet „Tacheles“ in der älteren Form „Tachlis“ oder „Tachles“ zunächst in der Bedeutung ‚Ziel Zweck‘, etwa bei Salomon Hermann Mosenthal: „Reb Tobiah, […] seht zu, daß Ihr das Kind in die Stadt bringt. Was hat sie hier für ein Tachlis?“. In der Verwendung „Kern der Sache, Geschäft“ deutete sich (hier bei Egon Erwin Kisch) aber schon die aktuelle Bedeutung an: „[…] reden wir von Tachles: Wieviel wollen Sie für den Winkel (= Liegenschaft)?“. In deutschen Textkorpora lässt sich die Wendung dann seit den 1970er Jahren in höherer Zahl nachweisen, sie gehört heute mit zu den populärsten Jiddismen im Deutschen.

[] Roboter, der

äußerlich einem Menschen nachgebildete, wie ein Mensch agierende Maschine

„1. Regel: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit (wissentlich) zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. 2. Regel: Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. 3. Regel: Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.“ Als der russisch-amerikanische Biochemiker und Science-Fiction-Autor Issac Asimov diese Regeln veröffentlichte (in Deutschland erschienen sie vor 70 Jahren in der Kurzgeschichtensammlung „Ich, der Robot“), galten sie noch für eine fiktive Welt in ferner Zukunft. Wie lange sie noch fiktiv bleiben wird, muss sich zeigen …

[] Putsch, der

plötzlicher und gewaltsamer Staatsstreich, besonders zur Bewahrung oder Wiederherstellung der bisherigen Ordnung

Ob nun als englisch „the putsch“, französisch „le putsch“ oder polnisch „pucz“. In der Bedeutung ‚Staatsstreich‘ ist das lautmalerische Substantiv in (fast) ganz Europa geläufig. Nicht ganz so bekannt ist, dass es aus dem Schweizerdeutschen stammt und ursprünglich ‚Knall, Stoß‘ meinte. Den Anstoß für die Bedeutungsveränderung gab der sogenannte „Züriputsch“. 1839 hatte der Kanton Zürich eine umstrittene liberale Verfassung eingeführt. Das ländliche Prekariat, der Klerus, konservative Bürger sahen sich um Privilegien und Rechte betrogen. Sie rebellierten: 2000 Protestierende versammelten sich am 6. September 1839 in der Hauptstadt, um die Regierung zu stürzen: Das Ereignis, bei dem 15 Menschen zu Tode kamen, fand starken Widerhall in der deutschen Presselandschaft.

[] was lange währt, wird endlich gut, Mehrwortausdruck

(oft ironisch) wenn das Gelingen eines Vorhabens lange auf sich warten lässt, ist die Freude umso größer, wenn es endlich gelingt

Wer damals, am 5. September 2006, mit dabei war beim ersten Spatenstich auf der Großbaustelle für den später so genannten „Flughafen Berlin Brandenburg (BER) Willy Brandt“, möchte heute vermutlich nicht mehr gerne mit diesem Vorhaben in Verbindung gebracht werden. Damals wurde als Eröffnungstermin das Jahr 2011 genannt, gedauert hat es dann bis zum 28. April 2020, dass der Flughafen endlich für den Betrieb freigegeben wurde. Wer sich einmal gründlich über Berliner Verhältnisse beim Umgang mit großen Bauvorhaben informieren oder sich einfach nur mal gruseln möchte, dem sei das Buch „Black Box“ des Architekten Meinhard von Gerkan empfohlen – eines der vielen Opfer, die dieses Projekt gekostet hat.

[] Currywurst, die

gegrillte (und in Stücke geschnittene) Bratwurst, die mit einer würzigen Tomatensauce angerichtet und mit Currypulver bestreut serviert wird

Wer hat sie erfunden? Die Frage muss auch hier unbeantwortet bleiben, auch wenn es bereits eine Novelle von Uwe Timm zu diesem spannenden Thema gibt („Die Entdeckung der Currywurst“). Eine Position im Streit um die Ehren ihrer Erfindung nimmt die Berlinerin Herta Heuwer ein, die angeblich am 4. September 1949 bei Experimenten in ihrer Wurstbude eine geschnittene Bratwurst mit einer charakteristischen, scharfen Soße zusammenbrachte. Wer diesen millionenfach hergestellten und verkauften Leckerbissen auch immer erfand – für Altkanzler Schröder ist die Currywurst „einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion“. Wohl bekomms!

[] Chemiewaffe, die

chemische Substanz, die wegen ihrer toxischen Wirkung auf Menschen, Tiere oder Pflanzen als Massenvernichtungsmittel eingesetzt wird

Chemische Waffen gehören zu den schrecklichsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Nach dem Masseneinsatz von Chlor, Phosgen und Senfgas im Ersten Weltkrieg und der Entwicklung der noch wirksameren Nervengase danach standen sie in neuerer Zeit vor allem für gegen Zivilisten gerichteten Terror (auch Staatsterror). Doch es gelang eine Wende: Heute vor 30 Jahren unterzeichneten die ersten 39 Staaten in Genf die Chemiewaffenkonvention, die die Vernichtung dieser Kampfstoffe unter internationaler Aufsicht regelt. Inzwischen ist nur noch eine Handvoll Staaten übrig geblieben, die die Konvention nicht unterzeichnet oder ratifiziert hat.

[] im Dunkeln tappen, Mehrwortausdruck

im Ungewissen sein, (noch) nichts Genaues wissen; in einer aufzuklärenden Angelegenheit keinen Anhaltspunkt haben

Die Energiekrise macht deutlich: Straßenbeleuchtung ist ein kostbares Gut. Bis weit in die Neuzeit hinein blieb Licht auf die Welt der Privaträume beschränkt. Wer des Nachts unterwegs war, lief Gefahr, sich zu verlaufen oder unter die Räuber zu fallen. Aber auch die Polizei tappte bei ihren Versuchen, die nächtlich ausufernde Kriminalität einzudämmen, weitgehend im Dunkeln. Um Abhilfe zu schaffen, ordnete die Stadt Paris am 2. September 1667 die Beleuchtung der Gassen und Plätze an. Anfangs sorgten Funzeln aus Talg für ein eher trübes Licht, im späten 19. Jahrhundert machten Gas und Elektrizität die Nacht zum Tag. Bis heute hat Gas nicht ausgedient: Allein in Berlin brennen derzeit noch über 20.000 Gaslaternen. Einige davon sogar tagsüber!

[] Zebrastreifen, der

breite, weiße Streifen in gleichmäßigen Abständen auf der Fahrbahn, die einen Fußgängerübergang markieren

In Deutschland gibt es viele Vereine und Vereinigungen, bei denen man sich verwundert am Kopf kratzt – so was gibts? Zum Beispiel die deutsche Studiengesellschaft für Straßenmarkierungen. Diese macht seit 2009 einmal jährlich, am 1. September, auf ihr berechtigtes Anliegen, die Verbesserung der Verkehrssicherheit vor allem für Kinder und Senioren, aufmerksam. Der Anker dafür nennt sich „Tag des Zebrastreifens“. Vor 70 Jahren, im Jahr 1952, wurden in München die ersten fünf dieser Straßenmarkierungen angebracht, allerdings schon im Juli. Früher hießen die im Amtsdeutsch übrigens Dickstrichketten, heute schlicht Fußgängerüberweg.

[] Paparazzo, der

abwertend: Pressefotograf, der bekannte und berühmte Personen (meist heimlich und gegen deren Willen) in ihrer privaten Umgebung beobachtet und fotografiert

Am 31. August 1997 verunglückten Diana, Princess of Wales, ihr Lebensgefährte sowie ihr Fahrer bei einem Autounfall in Paris tödlich. Den Abend über waren sie von Paparazzi verfolgt worden und einige Zeit hielt sich das Gerücht, ein Blitzlichtfoto hätte den Fahrer geblendet und somit den Unfall verursacht. Dies wurde in mehreren Gerichtsverfahren widerlegt. Über das grenzüberschreitende Vorgehen von Paparazzi auf der Jagd nach spektakulären Bildern wird jedoch seither stärker öffentlich und juristisch debattiert. Vorbild für die Bezeichnung ‚Paparazzo‘ ist übrigens die gleichnamige Figur des penetranten Pressefotografen aus dem Film „La dolce vita“ (1960) von Federico Fellini.

[] Monster, das

furchterregendes, hässliches Fabelwesen, Ungeheuer von fantastischer, meist riesenhafter Gestalt; Lebewesen, das als furchterregend, grausam und hässlich gilt

Es mutet an wie ein Klischee und war 1816 doch real: ein nicht enden wollender Regen, tobende Gewitter und eingeschlossen in eine alte Villa fünf hochbegabte junge Menschen, die sich in Debatten über die Nachtseiten der Naturwissenschaft verlieren. In dieser düsteren Atmosphäre trug die 18-jährige Mary Godwin der Runde ihre literarische Vision eines „modernen Prometheus“ vor: Der Schweizer Viktor Frankenstein erweckt einen aus Leichenteilen zusammengestückelten Körper zum Leben. Doch er ist von der Hässlichkeit seiner Schöpfung abgestoßen, die Kreatur entwickelt sich daraufhin zum mörderischen Monster. Der 1818 veröffentlichte Briefroman wurde zur literarischen Sensation und zur Blaupause eines eigenen Genres. Die Schöpferin – wir kennen sie als Mary Shelley – wurde heute vor 225 Jahren geboren.

[] ich glaub, mein Hamster bohnert, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, veraltend, als Ausdruck positiver oder negativer Überraschung, des Erstaunens, der Empörung

Ein wahrer Quell der Kreativität sind diejenigen Redewendungen, in denen Tiere den ungewöhnlichsten und unmöglichsten Tätigkeiten nachgehen. Das Schwein pfeift, der Elch knutscht, der Hamster bohnert. Hier wird dem Erstaunen oder auch der Empörung über etwas Luft gemacht, das so nicht sein kann oder darf. Unser Kollege Ulf Hamster hat heute schon wieder Geburtstag – echt jetzt? Ich glaub, mein Hamster bohnert. Na dann: Herzlichen Glückwunsch und weiterhin Erfolg im beruflichen Leben und bei der Hausarbeit!

[] verballhornen, Verb

etw., besonders sprachliche Äußerungen, verbessern wollen und dabei aus Unvermögen oder wegen Missverständnisses verschlechtern

Die deutsche Sprache hat es nicht gut gemeint mit jenem Lübecker Drucker Johann Ballhorn dem Jüngeren (* um 1550). Heute steht sein Name für stümperhaftes „Verschlimmbessern“ – leider zu Unrecht: Zwei Juristen des Lübecker Rats hatten das alte Lübische Recht von 1243 „Vbersehen Corrigiret vnd aus alter Sechsischer Sprach in Hochteudsch gebracht“, jedoch nicht ohne sich eigenmächtig ein paar Freiheiten erlaubt zu haben. Da diese wichtige Ausgabe von 1586 anonym erschien, hieß es bald ironisch abwertend: „verbessert nach Ballhorn“. Denn der einzige Name auf dem Titelblatt war jener des unglückseligen Druckers.

[] Blutmond, der

Astronomie: totale Mondfinsternis, bei der der Mond dem menschlichen Auge in rötlicher Färbung erscheint

„Der Mond ist wie ein blutig Eisen!“ In Georg Büchners Drama „Woyzeck“ ersticht der gleichnamige Protagonist die Mutter seines Kindes unter dem aufgehenden Blutmond. Er ist getrieben von Eifersucht und Wahnsinn, Stimmen weisen ihn an, seine untreue Marie zu töten. Als Inspiration diente Büchner das Schicksal des einst real existierenden Soldaten Johann Christian Woyzeck. Am 27. August 1824 wurde dieser auf dem Leipziger Marktplatz vor großem Publikum enthauptet – verurteilt wegen des Mordes an seiner Geliebten Johanna Woost. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung in Leipzig.

[] Abenteuerreise, die

Touristik: organisierte Reise mit (geplanten oder ungeplanten) ungewöhnlichen, manchmal gefährlichen Erlebnissen

Da die ganze Welt bereist, erkundet und vermessen ist, gibt es heute kaum noch Abenteuer im eigentlichen Sinne, sondern wir verwenden den Ausdruck meist übertragen für etwas Reizendes, Aufregendes. Doch ursprünglich wohnt diesem lautlich merkwürdigem Wort auch nicht unbedingt das Element der Gefahr inne, wenn man einen Blick auf seine Herkunft wirft: Das mittelhochdeutsche „âventiure“ (Ereignis), Lieblingswort der Minnesänger, zeigt noch deutlich die volkslateinische Quelle „*adventūra“ (Geschehnis, wörtlich: „was herankommen wird“). Übrigens: „Abenteuer sind am Abend teuer“, sang Zarah Leander seinerzeit als wohl nicht ernst gemeinte Volksetymologie.

[] Tofu, der oder das

aus Sojabohnen gewonnenes käseähnliches geschmacksneutrales Nahrungsmittel

Beim Tofu scheiden sich die Geister: Bei vielen als fader Fleischersatz verpönt, wird er von anderen als vielfältiger Alleskönner geschätzt. Seinen Ursprung hat der Tofu allerdings nicht nur kulinarisch in China. Aus chin. dòufu (豆腐), wörtlich ‚Bohnenquark‘, gelangte das Wort über das Japanische ins Deutsche. Auch der Sojabohnenquark selbst verbreitete sich von China aus (wo Tofu bereits seit mind. 1000 Jahren bekannt ist) erst in Asien, bevor er spätestens seit Mitte der 1980er Jahre auch hierzulande in aller Munde war. Die Assoziation von Tofu mit vegetarischer oder veganer Ernährung existiert in Asien übrigens nicht.

[] Ohrstöpsel, der

kleiner Stopfen aus einem formbaren Material (meist Watte, Silikon o. Ä.), der in den äußeren Gehörgang gesteckt wird, um Ohr und Gehör vor Lärm zu schützen

Heute ist der Tag der seltsamen Musik. Einer, der davon besonders viel auf hohem Niveau produziert hat, ist der US-amerikanische Künstler Tom Waits. Seine ersten Alben erschienen in den 1970er Jahren, von Anfang an ist er geprägt von Blues-, Jazz- und Folk-Musik. Und bald gesellen sich kuriose Wunderlichkeiten hinzu: seine mal flüsternde, mal dröhnende Reibeisen-Stimme, Geschichten über düstere Gestalten oder auch Klangexperimente mit Megafon, Töpfen, Pfannen und krähenden Hähnen. Nach dem potenziellen ersten „Sound-Schreck“ lohnt es sich durchaus, die Ohrstöpsel wieder herauszunehmen und Tom Waits‘ eigenem kuriosen Musikgenre zu lauschen.

[] erinnern, Verb

etw., jmdn. im Gedächtnis, in der Erinnerung bewahrt haben; jmdm. etw. ins Gedächtnis zurückrufen, jmdn. mahnen, etw. nicht zu vergessen

Eine Biografie, die sich fast über ein Jahrhundert erstreckte – das Leben von Inge Deutschkron war geprägt von den einschneidenden Ereignissen des 20. Jhs.: „Mein Kind, ab heute bist du Jüdin“, informierte ihre Mutter sie 1933. Bisher hatte Religion im Leben der atheistischen Familie kaum eine Rolle gespielt, doch wie durch ein Wunder überlebte die Familie Deutschkron die Judenverfolgung. Ihre Lebensaufgabe sah Inge, die in den folgenden Jahrzehnten als Autorin und Journalistin tätig war, darin, „gegen das Vergessen“ anzukämpfen. Sie erinnerte daher nicht nur regelmäßig an die Gräueltaten des NS-Regimes, sondern insbesondere auch an den Mut der „stillen Helden“, denen sie und viele andere ihr (Über-)Leben zu verdanken hatten. Am 23.08.2022 wäre Inge Deutschkron 100 Jahre alt geworden.

[] Brandbrief, der

an die Allgemeinheit oder an eine (in der Verantwortung stehende) Person bzw. Gruppe gerichtetes Schreiben, in dem auf gravierende Missstände, eine bedrohliche Lage hingewiesen wird; allgemeiner: dringender Brief, der eine Bitte, Mahnung enthält

Wie behalf sich vor 200 Jahren ein „eifriger“ Student – nennen wir ihn frei nach Wilhelm Busch Hieronymus – der vom vielen Kneipen völlig abgebrannt, also ohne Kohle dastand? Er schrieb seinem alten Herrn einen „Brandbrief“, in dem er in rührselig dramatischen Worten auf seine Finanzmisere hinwies. Hieronymus und seine Kommilitonen reaktivierten damit einen veraltenden Ausdruck, der eigentlich für anderes stand: Brandbriefe waren Bescheinigungen bzw. Bettelbriefe, mit denen der Inhaber nachwies, dass er seine Habe durch Flammen verloren hatte. Auch Erpresserschreiben, in denen mit Feuersbrunst gedroht wurde, nannte man so. Und heute? Heute schreibt man Brandbriefe, weil ein Missstand unter den Nägeln brennt. So macht sich jedes Zeitalter seinen eigenen Reim auf den „Brandbrief“.

[] Helikoptergeld, das

Geld, das durch eine Zentralbank (unter Erhöhung der Geldmenge) zur Belebung des Wirtschaftslebens in Krisenzeiten ohne Zweckbindung und Rückzahlungspflicht an alle Bürger eines Staates verschenkt oder an Staatshaushalte ausgegeben wird

Der Helikopter, wie der Hubschrauber international genannt wird, ist eine faszinierende Maschine, deren internationalen Tag wir heute begehen. Das Fluggerät, das nach langen theoretischen Vorarbeiten und Versuchsträgern um 1940 die ersten Serienfertigungen erlebte, ist nicht nur sehr praktisch (z. B. in der Luftrettung), sondern hat auch die sprachliche Fantasie beflügelt: Bekannt sind besonders die „Helikoptereltern“, die wie Hubschrauber ihre Kinder überfürsorglich umkreisen. Doch auch das Bild der quasi blind aus Hubschraubern abgeworfenen Subventionen verbreitet sich in der Form „Helikoptergeld“ zunehmend.

[] Geocaching, das

eine Art der Schatzsuche, bei der die geografischen Koordinaten versteckter Gegenstände im Internet veröffentlicht und diese Schätze (von anderen Geocachern) mithilfe von GPS gesucht werden

Kurz nachdem im Jahr 2000 der erste Geocache in den USA versteckt wurde, erreichte das Fieber um die GPS-Schatzsuche auch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bei dem Schatz (Cache) handelt es sich klassischerweise um einen Behälter, in dem ein Logbuch und ein oder mehrere Tauschgegenstände enthalten sind. Versteckt werden kann er an den verschiedensten Orten – in alten Industriegebäude oder Katakomben, aber auch in Baumhöhlen oder – gut getarnt – mitten im urbanen Raum. Inzwischen soll es allein in Deutschland fast eine halbe Million solcher Verstecke geben. Seit 2011 wird immer am dritten Samstag im August der Internationale Geocaching-Tag begangen.

[] Brimborium, das

umgangssprachlich: unwesentliches Beiwerk, unnötiges Drum und Dran

Auch wenn Latein in der Neuzeit auf dem Rückzug war: In Gebetsformeln, pompösen Rechtssprüchen oder medizinischen Diagnosen war das antike Idiom im Alltag immer noch lebendig – und bot reichlich Material für (scherzhafte) Verballhornungen. Auch „Brimborium“ gehört in diese Gruppe. Es geht wohl auf „Breviarium“, das Brevier, Gebetbuch der katholischen Geistlichen, zurück. Im Französischen formte man den Ausdruck scherzhaft zu „brimborion“ (= Lappalie) um, ein Ausdruck, der Goethe so faszinierte, dass er ihn als „Brimborium“ in seinen „Faust“ übernahm, aber die Bedeutung in ihr Gegenteil verkehrte.

[] DIN A4, Mehrwortausdruck

genormtes Maß für Papier und papierähnliche Waren, das deren Länge (297 mm) und Breite (210 mm) festlegt

Kein Werk des „Deutschen Instituts für Normung“ ist so bekannt wie die Norm 476. Diese Vorgabe, die heute vor 100 Jahren festgelegt wurde, bestimmt unseren Alltag von Schule an („bitte ein Heft im DIN-A4-Format mitbringen“). Kein Ordner, kein Locher, kein Drucker, der ohne diese magische Formel bzw. deren Schwestern – von DIN A0 bis DIN A10 – auskäme. Etwas Magie steckt schon in der Festlegung dieser Formate: Das Blatt der Größe DIN A0 hat eine Fläche von einem Quadratmeter. Alle anderen Formate sind dadurch abgeleitet, dass die längere Seite des höheren DIN-Formates der kürzeren Seite des niederen Formates entspricht. Das Verhältnis von Länge zu Breite wiederum entspricht dem Verhältnis von 1 : √2 . Deshalb die krummen Zahlen für die Länge und Breite. Normieren kann so schön sein.

[] seine Pappenheimer kennen, Mehrwortausdruck

genau wissen, mit wem man es zu tun hat; sich bewusst sein, was man von bestimmten Menschen (besonders im negativen Sinne) zu erwarten hat

„Daran erkenn’ ich meine Pappenheimer.“: Mit diesem Satz im Drama „Wallensteins Tod“ machte Schiller das Kürassierregiment des Gottfried Heinrich zu Pappenheim (1594–1632) – berüchtigt für seine Grausamkeit wie für seine Loyalität – unsterblich. Doch anders als im Theaterstück, in dem Wallenstein die sprichwörtliche Treue der Elitetruppe würdigt, wird die Wendung heute abwertend verwendet. Was zur Bedeutungsverschlechterung führte, ist nicht ganz klar: So oblag in Nürnberg den sogenannten Pappenheimern die Reinigung der städtischen Kloake. Wahrscheinlicher ist aber der Einfluss von Wendungen wie „nicht von Pappe“ oder „ein/kein Pappenstiel“, in denen Pappe stets für etwas Wertloses steht.

[] Mumpitz, der

salopp: Unsinn, Blödsinn

Börsengeschäfte waren auch im 19. Jh. nur etwas für Eingeweihte. 1874 erläuterte ein Börsenmakler vor Gericht: Wenn er ein Papier zu einem ganz besonderen Preis anbiete „und [er] zwinke dabei stark mit den Augen“, sei eigentlich ein Scheingeschäft beabsichtigt. Im Börsenjargon war das ein sogenannter „Mumpitz“ (zur Kursmanipulation). In der Bedeutung „Unsinn, Blödsinn“ bürgerte sich die kapitalistische Sprachschöpfung bald außerhalb des Parketts ein. Möglicherweise ließen sich die Makler hier von „Mombotz“ (‚Schreckgespenst‘) oder „Butzenmummel“ und „Mummelputz“ (‚Popanz‘, ‚Vogelscheuche‘) inspirieren.

[] Metronom, das

Musik: früher mechanisches, heute meist elektronisches Gerät, das durch (akustische) Impulse ein konstantes Tempo vorgibt

Seit über 200 Jahren sorgt das Metronom dafür, dass der Musikant nicht aus dem Takt fällt und Orchester ihr Tempo gemäß den Vorgaben des Komponisten zügeln bzw. auf die Tube drücken müssen. Doch obwohl auf Partituren die Auszeichnung „MM“ auf den Erfinder Johann Nepomuk Mälzel verweist, ist der Regensburger Mechaniker, Musiker und Unterhaltungskünstler heute fast vergessen. Zu Lebzeiten war Mälzel dagegen ein A-Promi. Auf gutbesuchten Verkaufsveranstaltungen, die eher Tourneen durch Europa und Amerika glichen, unterhielt er das Publikum mit seinen von ihm konstruierten Musikautomaten, aber auch mit zugekauften Maschinen, wie dem berühmten Schachtürken. Heute vor 250 Jahren wurde das umtriebige Verkaufstalent geboren.

[] Eidechse, die

vierbeiniges, schlankes und flinkes Schuppenkriechtier, das in warmen, trockenen Regionen Eurasiens und in Afrika verbreitet ist

Heute begehen wir den Internationalen Tag der Eidechse (vielleicht mit einem Ausflug in die Natur, um die schönen Tiere zu Gesicht zu bekommen?). Der angehende Etymologe wird im Wort „Eidechse“ eine durch ein zu klärendes Element „Eid-“ determinierte „Echse“ sehen. Doch der Schein trügt: Der Oberbegriff wurde erst 1816 als Kunstwort von Oken aus dem Namen der flinken Tiere abgetrennt. Immerhin weist die althochdeutsche Form „egidehsa“ im Vorderglied womöglich das alte indogermanische Wort für die Schlange, *e/o(n)gʷʰi-, auf. Doch das Hinterglied bleibt dunkel. Offenbar sind die Eidechsen nicht nur im echten Leben, sondern auch in ihrem Namen uns gegenüber besonders scheu.

[] mit der linken Hand, Mehrwortausdruck

ohne Mühe, ohne Anstrengung

Was die Redewendung noch als mit erstaunlicher Leichtigkeit erbrachte Leistung würdigt, war lange Zeit für die Betroffenen ein Problem, wenn es ans Schreiben ging. Spätestens da hörte der Spaß auf, die Bewunderung wich der Stigmatisierung. Lange Zeit wurden linkshändig schreibende Kinder in der Schule regelrecht umerzogen zum Scheiben mit rechts. Daran erinnert der Internationale Tag der Linkshänder, den wir heute feiern, nach zögerlichen Anfängen in den siebziger Jahren nun schon regelmäßig seit 30 Jahren. In Japan wird aus diesem Anlass ein nationales Bowling-Turnier für Linkshänderinnen und Linkshänder ausgerichtet. Da wird wohl manchem der große Wurf mit der linken Hand gelingen, oder?

[] Quagga, das

(seit dem 19. Jahrhundert ausgerottete) südafrikanische Unterart des Steppenzebras mit rotbraunem Rumpf, weißen Beinen und weißem Schwanz sowie dunkel gestreiftem Fell an Kopf, Hals und oberem Rumpf

Noch vor wenigen hundert Jahren galoppierten wilde Quaggas en masse und allerorten durch die Weiten der südafrikanischen Landschaft – Landbau, Feinschmeckertum und Vergnügungsjagden führten im 19. Jh. plötzlich zu ihrer Ausrottung. Leider konnten auch Züchtungen das Überleben der Zebra-Form nicht sichern: Heute vor 139 Jahren verstarb das offiziell letzte lebende Tier im Amsterdamer Artis-Zoo. 23 Quaggas können heute weltweit als museale Präparate bestaunt werden, Tonaufnahmen aber gibt es keine. Immerhin: Ihr Name (ursprüngliche Aussprache [ˈkvaxa]) soll ihren Ruf lautmalerisch imitieren.

[] Gebirgsluft, die

Luft in höheren Gebirgslagen, deren Temperatur mit zunehmender Höhe abnimmt und daher oft als rein und klar wahrgenommen wird

Gebirge: Einst als Sitz der Götter und Geister gefürchtet, heute von gestressten Großstadtmenschen als Sehnsuchtsort aufgesucht, um bei Wander- oder Klettertouren in reiner Gebirgsluft Erholung zu finden. Die Japaner haben dabei Tradition und Moderne elegant verknüpft: Seit 2016 wird jedes Jahr am 11. August der „yama no hi“ – der Tag des Berges – als gesetzlicher Feiertag begangen. Er erinnert an die Berge als natürliches, kulturelles und spirituelles Erbe, das es zu bewahren gilt. Zugleich schließt wohl nicht ganz zufällig das buddhistische Obon-Fest (13.-16. August) an, an dem mit Opfergaben, schwimmenden Laternen und Tänzen der Verstorbenen gedacht wird.

[] klönen, Verb

meist D-Nord, gelegentlich D-Mittelwest, umgangssprachlich: ein ungezwungenes, angenehmes Gespräch führen

Wann haben Sie zuletzt so richtig schön geklönt? Falls Sie eine Antwort darauf haben, kommen Sie wahrscheinlich aus dem Norden Deutschlands. Das Verb „klönen“ verdanken wir ursprünglich dem Niederdeutschen (Platt). Das Niederdeutsche ist kein Dialekt, sondern als eigene Regionalsprache anerkannt und wird daher auch, gemeinsam mit den in Deutschland gesprochenen Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch, Sorbisch und Romanes, im Sinne der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen gefördert und geschützt. Eine wichtige Rolle beim Spracherhalt spielen dabei schriftliche Erzeugnisse der Sprache. Ein bekannter niederdeutscher Schriftsteller, Fritz Lau, hat heute seinen 150. Geburtstag.

[] sich verbreiten wie ein Lauffeuer, Mehrwortausdruck

sehr schnell weitererzählt und dadurch (allgemein, in der Öffentlichkeit) bekannt werden; rasch um sich greifen, sich rapide über einen weiteren Umkreis erstrecken

Redewendungen wie diese erscheinen uns transparent, weil wir die einzelnen Wörter zu kennen meinen. In unserem Fall steht das „Lauffeuer“ aber ursprünglich nicht für einen Brand, der sich in Windeseile ausbreitet. Der Ursprung liegt vielmehr im feuerwerksverliebten Barock – und natürlich im Militär: Um Raketen, Böller oder eben auch Minen in schneller Folge zünden zu können, streute man Schießpulver in langen Linien auf die Erde. Einmal entzündet bewegte sich die Flamme in hoher Geschwindigkeit zum Ort der Explosion. Spätestens im 18. Jh. wurde der Ausdruck wie z. B. bei Johann Heinrich Campe übertragen verwendet: „Wie ein Lauffeuer lief indeß das Gerücht von Robinsons Zurükkunft (…) durch die Stadt.“

[] die Katze aus dem Sack lassen, Mehrwortausdruck

eine bisher geheime (negative) Information preisgeben

Sie wurde symbolisch aufgeladen wie kaum ein anderes Tier: die Katze. Positiv im alten Ägypten, wo sie verehrt wurde. Negativ im europäischen Mittelalter. Unter christlichem Vorzeichen wurde sie, vor allem die im schwarzen Fell, als Ausgeburt des Antichristen angesehen und mit schwarzem Zauber in Verbindung gebracht. Noch heute klingt das Ambivalente in der Wahrnehmung dieser Wesen in einigen Redewendungen an: die Katze im Sack kaufen, die Katze aus dem Sack lassen. Kommt da was Erfreuliches oder etwas Unerfreuliches? Man weiß es noch nicht, fürchtet es gleichwohl. Man kann aber auch Katzen einfach nur süüüüüüüüß finden, vor allem heute, am Welttag der Katze.

[] Drehtür, die

aus mehreren, um eine Mittelachse drehbaren Flügeln bestehende Tür

Mindestens wer Kinder hat, weiß um die Faszination von Drehtüren, die – ob nun geschoben oder mit eigenem Motor – durch ihre beständige Rotation Personenflüsse ohne Pause, ohne Knarren und ohne Luftzug leiten können. Am 7. August 1888 erhielt der Erfinder Theophilus Van Kannel in seinem Heimatland USA ein Patent auf die Drehtür, die bald ihren Siegeszug antreten sollte – zwar nicht, wie eigentlich auch gedacht, in Privathäusern, dafür umso mehr in Geschäften, öffentlichen Gebäuden usw., so dass sie auch heute im Zeitalter elektrischer Schiebetüren aus dem Stadtbild nicht wegzudenken ist. Und wie wir alle wissen, kann nur Chuck Norris Drehtüren zuschlagen.

[] Blues, der

durch den typischen Einsatz sogenannter Blue Notes gekennzeichnete Musikrichtung von zumeist getragenem und melancholischem Charakter, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durch die Verschmelzung afrikanischer, europäischer und karibischer Elemente als Form afroamerikanischer Folklore in den USA entstanden ist

Am heutigen Tag des Blues ein kleiner Blick auf die Wortgeschichte: Der aus dem amerikanischen Englisch übernommene Ausdruck für die Musikrichtung entstand womöglich als Verkürzung der Wendung „blue devils“, womit man vor allem früher eine traurige, melancholische, depressive Stimmung (ursprünglich bösartige, Melancholie verursachende Dämonen) bezeichnete. Denkbar ist aber auch ein direkter Zusammenhang mit dem Adjektiv „blue“ (= traurig, melancholisch, depressiv). Man findet es z. B. in „to feel blue“ (= deprimiert sein) oder auch in „to look blue“ (= deprimiert wirken, aussehen). Wie es zur übertragenen Bedeutung von „blue“, eigentlich ja ‚blau‘, kam, bleibt ein Rätsel: Vermutlich spielt der Begriff auf die ungesunde bläulich-fahle Hautfarbe aufgrund von schlechter Blutzirkulation, Sauerstoffmangel o. Ä. an.

[] jmdm., etw. grünes Licht geben, Mehrwortausdruck

die Erlaubnis erteilen, etw. zu tun; zustimmen, sich einverstanden erklären

Sie gibt uns grünes Licht dazu, weiterzufahren oder weiterzugehen, seit mehr als hundert Jahren. Die erste elektrische Ampel wurde im US-amerikanischen Cleveland (Ohio) am 5. August 1914 in Betrieb genommen – ein Anlass, heute die Lichtzeichenanlage zu feiern, wie sie im Amtsdeutschen heißt. Das Wort Ampel bezeichnete vor dem Siegeszug dieser technischen Anlagen eine Hängelampe, deren Flämmchen durch Öl genährt wird. Und das bereits seit althochdeutschen Zeiten. Den Sprung von der Lampe (als hängendem Gefäß) zu unserer Lichtzeichenanlage kann man leichter nachvollziehen, wenn man sich vorstellt, dass die Verkehrsampel auch heute noch gelegentlich an einem Mast hängt

[] aus Daffke, Mehrwortausdruck

nur so, bloß zum Spaß; aus Trotz

Bei Nichtberlinerinnen und Nichtberlinern sorgte die Wendung „aus Daffke“ schon immer für fragende Gesichter. Für selbige textete der in den 1920er Jahren populäre Kabarettist Marcellus Schiffer eine ebenso elegante wie sprachhistorisch akkurate Übersetzung: „‚Aus Daffke‘ heißt auf deutsch ‚erst recht‘/ Man tut sehr viel was man nicht möcht' / Aus Daffke / Was man aus Trotz tut und aus Wut / Und was man aus Gemeinheit tut / Heißt 'Daffke'“. Tatsächlich steht hinter dem, was wir als Substantiv interpretieren, im Jiddischen das eher unscheinbare Adverb „dafke(s)“ (= erst recht), das auf hebräisch „davkā“ (= nur so, nicht anders) zurückgeht. Beeinflusst durch die Wendung „aus Trotz“ kam es wohl zum Wortartwechsel (Konversion).

[] schwurbeln, Verb

sich realitätsfern (oft esoterisch), rational nicht oder kaum nachvollziehbar äußern

Das Verb „schwurbeln“ (sowie „Schwurbler“, „Schwurbelei“) hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Verbreitung erfahren. Ursprünglich nur Nebenform des seltenen „schwirbeln“, das selbst eine alte Nebenform von „wirbeln“ ist, drückt es bildlich aus, dass sich jemand seltsam „verdreht“ äußert. Heute wird es besonders für Esoteriker und Verschwörungsgläubige gebraucht, die ihre Ansichten wortreich und faktenarm („Gedächtnis des Wassers“, „Chemtrails“, „Plandemie“), besonders in den sozialen Netzwerken verbreiten. Man kann das Ganze zwar als harmlose Spinnereien abtun, doch können auf dieser Grundlage auch Fehlglauben, Verunsicherung und Misstrauen wachsen.

[] wie aus dem Lehrbuch, Mehrwortausdruck

mustergültig, vorbildlich, beispielgebend

Am 2. August 216 v. Chr. traten bei Cannae in Apulien rund 80 000 römische Legionäre an, um die nur halb so starken karthagischen Fußtruppen des Hannibal zu überrollen. Doch der Karthager erwies sich als überlegener Taktiker: Er ließ sein Zentrum nachgeben und seine überlegene Reiterei die Römer im Rücken angreifen. Von allen Seiten umzingelt, konnte die römische Übermacht nicht mehr zur Entfaltung kommen und wurde nach und nach niedergemacht. Auch wenn Hannibal diesen vollständigen Sieg strategisch nicht ausnutzen konnte und den Krieg verlor, wird seine Taktik bis heute als Vorbild an den Militärakademien gelehrt und beeinflusste auch die moderne Kriegsführung.

[] Räuberpistole, die

umgangssprachlich: im Großen und Ganzen unwahre, in übertreibender Weise dargebotene bzw. ausgeschmückte Geschichte

Weil Otfried Preußler mit seinem Hauptwerk „Krabat“ nicht weiterkam, beschloss er, eine wahre Räuberpistole zu schreiben. Er erfand den Kaffeemühlen stehlenden, mit Pfefferpistole und sieben Messern bewehrten Räuber Hotzenplotz. Gemeinsam mit illustren Figuren wie Kasperl und Seppel, dem bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann, der Fee Amaryllis sowie dem schrulligen Wachtmeister Dimpfelmoser erfreut dieser bereits die dritte Kindergeneration. Am 1. August 1962 erschien die Erstausgabe des Kinderbuchklassikers „Räuber Hotzenplotz“. Spoiler: Am Ende gewinnen die Guten.

[] Hundstage, nur im Plural

Zeit vom 23. Juli bis 23. August, in die in Europa häufig die heißesten Tage fallen

Dieser Artikel wurde Ende Juni bei morgendlich angenehmen 20 Grad verfasst. Die Chancen stehen gut – selbst ohne die Klimaerwärmung –, dass es heute, am Tag seiner Veröffentlichung, knackig heiß ist. Denn seit gut einer Woche befinden wir uns in den Hundstagen, in denen man sich meist Abkühlung in Form von Eis, Pool oder Ventilator suchen muss, um nicht zu vergehen. Diese Tage heißen übrigens nicht so, weil man da schwitzt wie ein Hund – die Schweißdrüsen sind bei Hunden auf die Pfotenpolster beschränkt, stattdessen hecheln sie ja –, sie sind benannt nach Sirius, der im alten Rom um diese Zeit im Sternbild Orion aufging und schon damals „canīcula“, Hundsgestirn, genannt wurde.

[] ein Herz und eine Seele, Mehrwortausdruck

einander sehr nahestehend, eng befreundet; sehr gut miteinander harmonierend

Für alle, die dachten, es würde in diesem Artikel des Tages um eine deutsche Fernsehserie aus den 1970ern gehen, und die gleich an ihren Protagonisten Ekel Alfred und seine feindseligen Schimpfereien dachten: Wir müssen Sie enttäuschen; es geht heute um das komplette Gegenteil. Heute vor elf Jahren wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen der Internationale Tag der Freundschaft ins Leben gerufen. Dabei soll nicht nur die harmonische Verbundenheit zwischen Einzelpersonen gefeiert, sondern vor allem um die Versöhnung und Verständigung zwischen ganzen Völkern, Ländern und Kulturen gekämpft werden. Und was soll man sagen?! – Wir haben noch viel zu tun …

[] tigern, Adj.

irgendwohin, zu einem oft weiter entfernten Ziel gehen, marschieren; unruhig, nervös (wie ein Tiger in einem Käfig) hin- und herlaufen

Der Tiger – Auf die Menschen übte Panthera tigris schon immer eine große Faszination aus. Im Mittelhochdeutschen sprach man bewundernd vom „tigertier“. Auch heute verbinden wir mit dem Wort viele Nebenbedeutungen: Aufstrebende Länder bezeichnet man als „Tigerstaaten“. Wenn wir unruhig hin und her wandern, dann ‚panthern‘ wir (Rilke zum Trotz) nicht etwa, sondern „tigern“ durch die Gegend. Und als „getigert“ bezeichnen wir, wenn etwas dem charakteristischen Fellmuster des Gestreiften entspricht. Für den realen Tiger selbst erweist sich der Kontakt zur Menschheit dagegen als Katastrophe. Gerade einmal 4500 Exemplare leben noch in Freiheit. Grund genug heute am „Tag des Tigers“ an die bedrohte Art zu erinnern.

[] Ozeanographie, die

fachsprachlich: Wissenschaft bzw. Lehre von der physikalischen Beschaffenheit der Meere und den physikalischen Vorgängen in ihnen

Jacques Piccard, eigentlich gelernter Ökonom und Historiker, begann nach dem Studium seinem Vater Auguste beim Bau eines Tiefseetauchgeräts zu helfen und fand so seine eigentliche Bestimmung. Mit der „Trieste“ unternahm Jacques zusammen mit Don Walsh am 23. Januar 1960 einen Rekordtauchgang auf den Grund des Challengertiefs (10916 Meter) im Marianengraben. Dort lastete ein Druck von 170000 Tonnen auf der winzigen Trieste. Doch sie hielt stand: Piccard und Walsh tauchten nach achteinhalb Stunden wohlbehalten wieder auf – mit der Erkenntnis, dass auch in diesen tiefsten Tiefen Leben existiert (sie hatten aus ihrer Luke Meerestiere beobachtet). Heute vor 100 Jahren wurde Piccard geboren.

[] Schlafmütze, die

Person, die morgens gerne länger schläft; sichtlich übermüdete bzw. nicht ausgeschlafene Person

Ein kühles Bad im See, morgens um sieben, wer träumte nicht davon! Wer zu lange träumt, könnte in Finnland mit einem solchen, unfreiwilligen Bad „belohnt“ werden. An Unikeonpäivä, einer finnnischen Variante des Siebenschläfertages, werden Schlafmützen unsanft mit Wasser oder im Wasser geweckt. Angeblich möchte man damit verhindern, dass die Opfer den Rest des Jahres verpennen. In Naantali, einem Kurort im warmen Südwesten Finnlands, wird jedes Jahr eine nationale Berühmtheit, besonders solche mit Verdiensten um diesen Ort, durch diesen Brauch geehrt. Pruuust!

[] Griff ins Klo, Mehrwortausdruck

bildlich, salopp: Synonym zu Fehlgriff, Reinfall, Misserfolg, siehe auch Schuss in den Ofen

Treffen wir eine dumme Entscheidung oder misslingt uns etwas, sprechen wir von einem „Griff ins Klo“ – unangenehm genug. Nicht unangenehm, sondern vielmehr katastrophal ging es wohl am 26. Juli 1184 im Erfurter Marienstift zu. Im obersten Stockwerk der Dompropstei hatte sich eine große Gesellschaft, darunter Heinrich VI. mitsamt seinem Gefolge, zu einem Beratungsgespräch versammelt, als plötzlich der marode Boden unter Last der Menschen zusammenbrach. Die Opfer fielen zwei Stockwerke tief in die Toilettengrube, einige von ihnen ertranken in den Ausscheidungen, insgesamt starben 60 Menschen. Dieses mittelalterliche Unglück, der sogenannte Erfurter Latrinensturz, war wohl mehr als nur ein Griff ins Klo.

[] volle Pulle, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: mit voller Energie, Leistung, mit Höchstgeschwindigkeit; mit aller Kraft, ohne Limit, maximal

Das deutsche Bahnsystem wird oft dafür kritisiert, dass es im Mischbetrieb fährt, sich also Fern-, Regional- und Güterzüge die Gleise teilen, während z. B. in Frankreich oder Japan die schnellen Fernzüge oft exklusive Strecken haben, wo sie nicht von langsameren und verspäteten Zügen ausgebremst werden. Doch auch hierzulande gibt es solche dedizierten Schnellfahrstrecken. Die erste solche wurde heute vor 20 Jahren zwischen Köln und Frankfurt (Main) eröffnet und war auch die erste, auf der die ICEs mit 300 km/h richtig Gas geben durften – was allerdings nur der ICE 3 schafft, die anderen ICE-Generationen erreichen technisch nur 230 bis 280 km/h.

[] sein Steckenpferd reiten, Mehrwortausdruck

seine persönlichen Ziele verfolgen, sich nur einem bestimmten Thema widmen; seinem privaten Hobby nachgehen

In deutschen Kinderzimmern fristet das Steckenpferd ein karges Dasein, im Wortschatz ist es quicklebendig. Schuld daran ist ausgerechnet eine englische Publikation – der in der Sturm-und-Drang-Szene gefeierte Roman „Tristram Shandy“. Darin bezieht sich der Erzähler mit dem Ausdruck „hobby-horse“ nicht auf ein Spielzeugpferd, sondern im übertragenen Sinn auf die mit Leidenschaft betriebenen Kriegsspielchen, mit denen Onkel Toby sein Trauma bewältigt. Auch für die deutsche Entsprechung „Steckenpferd“ wurde binnen weniger Jahre die Bedeutung „Leidenschaft, Liebhaberei“ geläufig. „Ertrage jeden Schwachen und lass jedem sein Steckenpferd“, lautete etwa eine Maxime des Adolph Freiherrn von Knigge.

[] Wettergott, der

in einigen Kulturen als Beherrscher des Wetters verehrte Gottheit

In der vorchristlichen Zeit (und darüber hinaus) schienen viele Naturphänomene noch unerklärlich. Besonders beängstigende Wettererscheinungen schrieb man Göttern zu, huldigte ihnen und hoffte darauf, von Katastrophen verschont zu bleiben. Blitz und Donner kontrollierende Wettergötter existierten im Glauben verschiedenster Kulturen, so etwa der germanische Thor und der semitische Hadad. Heute verlassen wir uns auf die Erklärungen der Wissenschaften. Ein Meilenstein ist der 23. Juli 1851, als Kaiser Franz Joseph in Österreich die Errichtung des weltweit ersten staatlichen Wetterdienstes bewilligte, der noch heute als „Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG)“ existiert.

[] Schwa, das

in mittlerer Zungenstellung gesprochener Zentralvokal

Das Schwa ist meist nur Sprachwissenschaftlern ein Begriff, dabei ist es im Deutschen einer der häufigsten Vokale: Zum Beispiel ist jedes scheinbare „e“ in „befangenere“ tatsächlich kein „e“ oder „ä“, sondern der genau in der Mitte des sogenannten Vokalvierecks gesprochene Neutralvokal „ə“. Während er im Deutschen oder Englischen nur unbetont vorkommt, ist er in anderen Sprachen vollwertiger Vokal. Sein merkwürdiger Name stammt aus dem Hebräischen, dort ist das „šěwā’“ (sprich: schəwá) eigentlich nur ein Zeichen zur Lesehilfe, das aber einen solchen Vokal anzeigt und, als kleiner linguistischer Witz, in der ersten Silbe auch enthält.

[] Standseilbahn, die

dem Personen- oder Gütertransport dienende Seilbahn, deren fest miteinander verbundene Wagen durch ein oder mehrere Seile auf Schienen gezogen werden

Wo ein Berg, da auch der Drang, diesen zu besteigen. Um nach dem Anstieg aber nicht in den Seilen zu hängen, hat sich die Menschheit zum Glück Möglichkeiten ersonnen, diesen – nicht nur für Gipfelstürmer – bequemer zu gestalten. Eine Lösung, bei der man nicht in, sondern an den Seilen hängt, ist die Standseilbahn. Die erste Standseilbahn der Schweiz, die am Brienzersee im Kanton Bern gelegene Giessbachbahn, eröffnete am 21. Juli 1879. Vom Besitzer des Grandhotel Giessbach in Auftrag gegeben verband sie das am Berghang befindliche Hotel mit der 90 m tiefer gelegenen Schifflände. Bis heute transportiert sie zuverlässig Erholungssuchende auf das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Hotel.

[] Jazz, der

durch synkopenreiche Rhythmik und Improvisation gekennzeichnete Musikrichtung, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in den USA vorwiegend von afroamerikanischen Musikern geschaffen wurde

Heute vor 100 Jahren, am 20. Juli 1922, wurde Joachim-Ernst Berendt geboren. Er hat in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod im Februar 2000 in vielfältiger Weise die Entwicklungen des Jazz begleitet und gestaltet – ob als Musikredakteur beim SWR, Schallplattenproduzent (beim legendären MPS-Label im Schwarzwald), Organisator von Konzerten und Veranstaltungsreihen, gefragter Sprecher oder als rastloser Autor, der die Entwicklungen des Jazz immer wieder kritisch befragt und in neue Richtungen vorangetrieben hat. Er war national und international hoch geachtet. 1953 erschien erstmals sein „Jazzbuch“, das auch eine erstrangige Quelle für das Vokabular des Jazz in den 1950er Jahren darstellt.

[] Mafia, die

hierarchisch strukturierte, heute weltweit operierende Vereinigung, Gruppierung des organisierten Verbrechens in Sizilien; Cosa Nostra

Als am 19. Juli 1992 der auf die Bekämpfung der Mafia spezialisierte italienische Richter Paolo Borsellino von einer Autobombe getötet wurde, keine zwei Monate nach seinem Kollegen Giovanni Falcone, schien die Cosa Nostra wie schon mehrfach in den 1980ern wieder erfolgreich unbequeme Gegner losgeworden zu sein. Doch dieses Mal hatten sich die Mafiosi verschätzt. Ein Ruck ging durch ganz Italien, statt schwächer wurde die Jagd auf das organisierte Verbrechen und die Verfolgung korrupter Beamter und Politiker immer stärker. In den letzten 30 Jahren wurde so die jahrzehntelang unangefochtene Macht der Mafia entscheidend eingeschränkt.

[] schwarzer Humor, Mehrwortausdruck

Humor, bei welchem gemeinhin ernste Themen wie Krankheit, Verbrechen o. Ä. durch groteske Übertreibung oder verharmlosende Darstellung ins Lächerliche gezogen werden

„Taubenvergiften“ ist vielleicht sein bekanntestes Lied. Durch und durch vergiftet war auch seine Beziehung zum Staat Österreich, dem Land seiner Geburt: „… weil sich die Republik Österreich in den über vierzig Jahren, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, noch nie um mich geschert hat“, wies er offizielle Gratulationen zu seinem 75. Geburtstag schroff zurück. Als Verhörspezialist der US-Army verhörte er, ein emigrierter Jude, 1945 Julius Streicher und blickte damit Barbarei und Judenhass in die Augen. Was Wunder, dass da nur der schwarze Humor blieb. Den beherrschte er allerdings virtuos. Heute vor hundert Jahren wurde Georg Kreisler in Wien geboren.

[] merkeln, Verb

sich zu wichtigen, drängenden politischen Angelegenheiten nicht oder nur vage äußern und unangenehme Entscheidungen vermeiden oder hinauszögern

Jeder Lexikograph, der nach Neubildungen im Wortschatz fahndet, kennt das Phänomen: Substantive vermehren sich wie die Heuschrecken, Verben eher wie die Pandabären. Insofern ist es bemerkenswert, dass der typische Regierungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel Journalisten zur ‚Verbschöpfung‘ inspirierte: „merkeln“. Anfangs (um 2000) nur als dröges Wortspiel in Gebrauch – „das werd ich mir merkeln“ – nahm das Verb spätestens ab 2010 die neue spöttische Bedeutung an. Derartige Ableitungen von Eigennamen (Deonyme) sind gewöhnlich keine Dauergäste im Wortschatz . Ob sich „merkeln“ – immerhin seit über einem Jahrzehnt gut nachweisbar – auf Dauer etablieren wird, muss sich zeigen.

[] Tierwohl, das

gesunde Aufzucht und artgerechte Haltung zum Wohlbefinden von Nutztieren

Alle Jahre (oder Monate) wieder durchzieht ein Skandal um Fleischprodukte die Medien – man erinnere sich an Gammelfleisch im Döner, Pferd in der Lasagne oder, erst im letzten Monat, Separatorenfleisch in der Wurst. Und immer aufs Neue beteuern die Leute, dass sie eigentlich nur Fleisch vom Biobauern um die Ecke beziehen, um darauf im Supermarkt den Aufschnitt für 99 Cent zu wählen. Daher stellt sich die Frage, ob der heute vor 5 Jahren ins Leben gerufene „Tag des guten Fleisches in Deutschland“ (im Übrigen zunächst eine Werbeaktion) die Verbraucher für die Haltungsbedingungen sensibilisiert und so zu einem Umdenken beitragen kann. Den Tieren wäre es in jedem Fall zu gönnen.

[] Dammbruch, der

Kollaps eines Dammes

Wenn wir von einem Dammbruch sprechen, meinen wir das meist übertragen, um mit einem dramatischen sprachlichen Bild eine Grenzüberschreitung zu brandmarken. Nur in den seltensten Fällen müssen wir die wörtliche Bedeutung des Wortes bemühen – zum Glück, denn der Kollaps eines Dammes hat meist katastrophale Folgen. Ein solcher ereignete sich heute vor 40 Jahren, als im Rocky-Mountains-Nationalpark der Lawn-Lake-Staudamm, ein beinahe 80 Jahre alter Erdwall, nach interner Erosion nachgab und sich der Stausee in das darunterliegende Tal ergoss. Drei Camper kamen ums Leben, weitere Opfer blieben dank der Abgelegenheit des Ortes aus.

[] gang und gäbe, Mehrwortausdruck

üblich, gebräuchlich, alltäglich, konventionell; gewohnt, gängig

Konzentriert prüft der Kaufmann in Quentin Massys’ Gemälde „Der Geldwechsler und seine Frau“ (1514) die Geldstücke, prüft Größe, Gewicht und Feingehalt. Nur so kann er sichergehen, dass die Geldstücke auch wirklich „gang und gäbe“, also umlauffähig sind. Die Adjektive „gang“ (= gangbar) und „gäbe“ (= das, was gegeben werden darf) sind längst untergegangen. In der Paarformel blieben sie erhalten – auch deshalb, weil die Wendung früh eine übertragene Bedeutung annahm: So riet 1719 der „Wohlinformierte Poet“: „Die Wörter aus andern Sprachen muß man mäßig und nur diejenigen, so gänge und gebe sind, in Teutschen Versen anwenden.“

[] künstliche Intelligenz, Mehrwortausdruck

Gebiet der Informatik, das menschliche Denkstrukturen und Denkprozesse untersucht und versucht, diese in Computerprogrammen oder Maschinen nachzubilden

Schon im frühen 20. Jahrhundert sinniert Ulrich, Held in Musils „Mann ohne Eigenschaften“, darüber, dass man nun schon Rennpferde als „genial“ bezeichnet (Erster Teil, Kapitel 13). Was hätte er wohl zu genialen Maschinen gesagt? Seit Sommer 1956 wird über die Frage gestritten, ob Maschinen genial sein können oder immer dumme Rechenknechte bleiben, und wo und wie sie den menschlichen Genius überflügeln können. Eine Konferenz am Dartmouth College, New Hampshire, die damals – vor 66 Jahren – stattfand, gilt als Auftakt für diese Forschungsrichtung. Der Ausdruck „artificial intelligence“ wurde im Förderantrag zu diesem Event erstmals verwendet.

[] Zunge, die

muskulöses Organ am Boden der Mundhöhle, das beweglich ist und bei der Aufnahme, beim Schmecken und Schlucken der Nahrung sowie bei der Lautbildung beteiligt ist

Heute vor 60 Jahren wurde Musikgeschichte geschrieben: Sechs junge Musiker treten im Londoner Marquee Club vor etwa 100 Zuschauenden auf und spielen eine Handvoll Coversongs – ob von Buh-Rufen oder Jubel begleitet, das wissen sie heute nicht mehr so genau. Sie nennen sich „The Rollin‘ Stones“, wohl nach dem Vorbild eines Songs von Muddy Waters. Wenige Jahre später schon ist die Truppe eine der wichtigsten Rockbands überhaupt und füllt große Konzertstätten auch außerhalb Englands. Als ruppige Rebellen bekannt, bekommen sie Anfang der 70er-Jahre sogar ihr eigenes freches Logo: die rote Zunge, die noch heute Shirts, Handyhüllen und Unterhosen von Stones-Fans ziert.

[] Blechbüchse, die

umgangssprachlich, scherzhaft: Bezeichnung für ein Fahrzeug aus Metall wie Auto, Flugzeug, Rakete oder Boot

Am 11. Juli 1969 veröffentlichte der noch relativ unbekannte David Bowie ein Lied, das von der Raumfahrt des fiktiven Astronauten Major Tom erzählt. Wie praktisch, muss sich die BBC gedacht haben, als sie wenige Tage später die Übertragung der Mondlandung der Apollo 11 mit „Space Oddity“ unterlegte. Ob die Verantwortlichen das Stück wohl überhaupt ganz angehört hatten? Es endet nämlich damit, dass Major Tom seine Raumkapsel verlässt und verloren durchs All treibt. Bowie, der seine Inspiration für die melancholische Ballade aus dem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ bezog (und keine Mondlandungshymne schaffen wollte), fand die Musikwahl der BBC jedenfalls amüsant.

[] heiß, Adj.

von hoher Temperatur, sehr warm

In der nördlichen Hemisphäre ist der Juli im Mittel der heißeste Monat im Jahr. Besonders in den letzten Jahren sind vielerorts Hitzerekorde gebrochen worden. Und es werden weitere erwartet. Die höchste Temperatur weltweit wurde wohl schon vor über 100 Jahren gemessen. Am 10. Juli 1913 sollen es im kalifornischen Death Valley erstaunliche 56,7 °C im Schatten gewesen sein, wobei darüber gestritten wird, ob es sich eventuell um einen Messfehler gehandelt haben könnte. Unbestritten ist hingegen der Wert von 54,4 °C, der im Juli 2021 (ebenfalls Death Valley) gemessen wurde. Auch an diese Lufttemperatur kommt weltweit keine andere offizielle Messung heran – bisher.

[] überbrücken, Verb

etw. überspannen, über etw. hinweg führen; etw. Trennendes, ein Hindernis oder eine größere Distanz o. Ä. überwinden

Sie gilt als eines der großen und beeindrucken Kulturdenkmäler Europas: Die unter Kaiser Karl IV. errichtete Prager Steinbrücke überspannt mit ihren 16 Bögen die Moldau, verbindet die Prager Altstadt mit der Kleinseite. Zugleich scheint sie zusammen mit den barocken Heiligenfiguren, die sie säumen, und der mittelalterlichen Stadtsilhouette die Jahrhunderte zu überbrücken, erweckt die Prager Geschichte mit ihren Protagonisten von Wallenstein bis Kafka zum Leben. Der Überlieferung nach wurde der Grundstein der Karlsbrücke am 9. Juli 1357 gelegt.

[] Zebrastreifen, der

mit breiten, weißen Streifen markierter Fußgängerübergang

Das Beamtendeutsch hat für den mit dicken Streifen markierten Fußgängerübergang verschiedene Namen: In Deutschland „Fußgängerüberweg“ (früher gar „Dickstrichkette“), in der Schweiz „Fußgängerstreifen“, in Österreich „Schutzweg“. Der Volksmund nennt ihn seit jeher aus offensichtlichen Gründen „Zebrastreifen“. Heute vor 70 Jahren wurden die ersten Streifen in München auf den Boden gemalt, nachdem 1949 eine Konferenz der Vereinten Nationen den Grundstein zu einer international in dieser Form vereinheitlichten Markierung für die sichere Querung von Straßen gelegt hatte. Absoluten Vorrang auf Zebrastreifen hatten Fußgänger anfangs übrigens nicht.

[] Freibad, das

Bad mit Schwimmgelegenheiten und weiteren Anlagen im Freien

Mit dem mittlerweile bundesweiten „Tag des Freibades“ wollte der Förderverein Freibad Tannheim im Jahr 2019 auf die prekäre Situation von Freibädern aufmerksam machen. Aus der finanziellen Vorsorge der Kommunen entlassen, werden viele Freibäder heute von Vereinen getragen, viel ehrenamtliches Engagement ist dabei. Damals wusste man aber noch nicht, dass den Freibädern von ganz anderer Seite Gefahr drohte: Corona. Selbst im entspannten Sommer 2022 bleiben Freibäder zu: Es gibt nicht mehr genügend ausgebildete Bademeister. Da geht auch so manche Kommune (nicht mehr) baden.

[] busseln, Verb

jmdn. oder etw. (mit geschlossenen Lippen) küssen, z. B. zur Begrüßung oder als Zeichen von Zuneigung oder Verehrung

Am heutigen internationalen Tag des Kusses richten wir unseren Blick nach Österreich. Dort (und im angrenzenden Bayern) sagt man statt „küssen“ auch gern „busse(l)n“. Dabei handelt es sich um eine Ableitung des im Oberdeutschen um 1600 gebildeten, lautmalenden Substantivs „Buss“ ‚Kuss‘. Aber nicht nur im Bairisch-Österreichischen findet man eine solche Bildung. So gibt es verwandte Wörter z. B. auch im Litauischen („bučiuoti“ ‚küssen‘), Polnischen („buzia“ ‚Mund, Kuss‘) und Albanischen („buzë“ ‚Lippe, Mund‘). Durch den Sprachvergleich lässt sich somit eine immer wieder lautmalerisch erneuerte Wurzel „*bu(s)-“ ‚Kuss‘ rekonstruieren. Lippe bzw. Mund sind dann die „Küsser“.

[] klonen, Verb

in genetisch identischer Form vermehren

Dolly, das wohl berühmteste Schaf der Welt, wurde am 5. Juli 1996 in Schottland geboren. Wenig später schmückte es die Titelseiten vieler Zeitungen als erstes aus einer reifen Zelle geklontes Säugetier. Ausgangspunkt war das Erbmaterial einer adulten Euterzelle, eingesetzt in eine zuvor entkernte Eizelle. Nach 277 Versuchen gelang dieser sogenannte Kerntransfer. Dolly war die (fast) exakte Kopie eines bereits verstorbenen Schafs – ein Durchbruch in der Entwicklungsbiologie. Die Technik wird noch heute angewendet, etwa zur kommerziellen Tierzucht oder zu medizinischen Zwecken. Das Klonen von Menschen ist in der Praxis bisher nicht gelungen und wird im Großteil der Welt als ethisch nicht vertretbar eingestuft.

[] lossagen, Verb

sich von jmdm., etw. lossagen: seine (engen) Beziehungen zu etw., jmdm. für gelöst erklären

„Wir halten die nachfolgenden Wahrheiten für klar an sich …: daß alle Menschen gleich geboren; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind ...“ Inspiriert vom Geist der Aufklärung war die Unabhängigkeitserklärung, mit der sich die nordamerikanischen Kolonien am 4. Juli 1776 vom britischen Empire lossagten, eine Kampfansage an die Monarchien und den Untertanengeist des alten Europas. In den deutschen Fürstentümern allerdings verschliefen die Bürger das weltbewegende Ereignis schlicht und einfach. Übersetzungen waren schwer erhältlich oder wurden kaum beachtet. Erst im Zuge der 1848er Revolution wurde man sich der Bedeutung dieser Erklärung bewusst.

[] Ballon, der

metonymisch: Luftfahrzeug, das von einem mit heißer Luft oder Gas gefüllten Ballon getragen wird

Schneller, höher, weiter – das Leben des amerikanischen Unternehmers Steve Fossett war geprägt von Superlativen und einer nicht zu bändigenden Abenteuerlust. Mehr als 100 Rekorde stellte er im Laufe seines Lebens auf, zu Land, zu Wasser und zu Luft. Einer seiner luftgestützten Rekorde jährt sich heute zum zwanzigsten Mal. Am 19. Juni 2002 brach er nach fünf gescheiterten Versuchen von Australien zu einer Allein-Nonstop-Weltumrundung in einer Rozière, einer Kombination aus Gas- und Heißluftballon, auf. In den Morgenstunden des 3. Juli, knapp 30.000 km und zwei Wochen später, landete er gelassen und zufrieden wieder auf australischem Grund.

[] Maus, die

kleines (oft graues oder braunes) Säugetier mit dünnem, schwach behaartem Schwanz

Mit Mäusen stand er auf vertrautem Fuß, er wusste, was sie am Donnerstag denken, und an jedem anderen Tag: „Wir sitzen und plaudern / von tausend Sachen, / Sachen zum Schaudern, / Sachen zum Lachen. / Und was bekommt die Maus von mir? / Ein Stücklein Wurst, ein Schlücklein Bier.“ Das Sujet seiner Gedichte waren Tiere, vor allem kleine, und sein Publikum kleine Menschen. Seine Kinderbücher sind zu Recht preisgekrönt. Heute vor hundert Jahren wurde Josef Guggenmoos in Irsee im Ostallgäu geboren.

[] die Lacher auf seiner Seite haben, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: durch geistreiches, humorvolles, schlagfertiges Auftreten Gelächter, Beifall hervorrufen, Sympathien gewinnen

Am heutigen Internationalen Witzetag fragen wir uns, was eigentlich einen guten Witz ausmacht. Um die Lacher auf seiner Seite zu haben, braucht man zunächst eine gemeinsame Wissensgrundlage mit seinem Publikum – gemeinsames kulturelles oder sprachliches Wissen beispielsweise. Soll ein Witz dann wirklich zünden, ist vor allem eines essenziell: eine überraschende Pointe. Hier ein Versuch: Was ist weiß, cremig und kann fliegen? – Die Biene Mayo! Na ja, es mag nicht bei allen geklappt haben, schließlich sind Witze auch Geschmackssache. Und oft sind es eher die kleinen, komischen Situationen des Alltags, die uns am meisten überraschen und zum Lachen bringen.

[] Weltalter, das

gehoben: Zeitalter, Epoche, langer Zeitraum

Nicht nur in Film und Kunst, auch in der historischen Realität waren Tjoste, mit scharfen Waffen geführte Schaukämpfe zwischen gepanzerten Rittern, im Mittelalter ein beliebtes Ereignis für die herrschende Klasse. Am 30.06.1559 bereitete ein tragisches Unglück in Frankreich dieser Tradition ein jähes Ende und setzte einen symbolischen Schlussstrich unter die auslaufende Epoche: Der Splitter einer gebrochenen Lanze dringt dem erfolgreichen König Heinrich II. durch den Helm und verletzt ihn tödlich. Ironischerweise sollte mit dem Zweikampf ein Friedensvertrag begangen werden, stattdessen versinkt Frankreich in dynastischem Chaos, und Tjoste werden verboten.

[] Federstrich, der

Strich mit der Schreibfeder, Zeichenfeder

Die spitze Feder war sein Markenzeichen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne: Mit hauchfeinen Strichen, die Umrisslinien andeuteten oder sich je nach Sujet zum Gespinst auswachsen konnten, spießten die Karikaturen Paul Floras bürgerliche Großmannssucht, militaristische Ehrpusseligkeit und die Lächerlichkeit menschlicher Leidenschaften auf. Ein Kindheitserlebnis erschloss ihm eine heiter-morbide Phantasiewelt des Ewiggestrigen – das Leichenbegräbnis eines k. u. k. Kaiserjägergenerals: „Ich ... sah die Überreste von Alt-Österreich durch eine kahle Kastanienallee, von Raben umkrächzt, unter düsterem Himmel dem Friedhof entgegenwanken.“ Heute vor 100 Jahren wurde der Karikaturist und Grafiker in Tirol geboren.

[] Rasselbande, die

umgangssprachlich, scherzhaft: lärmende, übermütige, zu gemeinsamen Streichen aufgelegte Schar von Kindern

Im thüringischen Blankenburg wurde heute vor 182 Jahren der erste Kindergarten der Welt eröffnet. Sein Gründer Friedrich Fröbel wollte damit nicht einen weiteren Ort zur „Aufbewahrung“ der Kinder schaffen, während die Eltern tagsüber bei der Arbeit waren. Der Kindergarten sollte ein Ort sein, an dem die Kinder sich spielerisch entwickeln können und gehegt werden wie kleine Blumen in einem Garten. Dieses Konzept hat sich mit leichten Variationen weit über Deutschland hinaus verbreitet. Und so können wir sie vielerorts fröhlich toben und lärmen hören, die Rasselbanden dieser Welt.

[] Idolatrie, die

Religion: Verehrung göttlicher oder mit den Göttern verbundener Wesen in bildlichen Darstellungen (als Götzendienst)

Heute beschäftigen wir uns einmal nicht mit der Inhalts-, sondern der Ausdrucksseite des Stichworts: Idolatrie geht auf altgriechisch eídōlon „Abbild“ und latreía „Gottesdienst“ zurück. Aber da fehlt bei der Zusammensetzung doch was. Ebenso ist der „Zauberin“ im Vergleich zum „Zauberer“ eine Silbe abhanden gekommen. Und der „Ismus“ des Narziss ist nur bei Überkorrekten der „Narzissismus“. Dieses aus allen Sprachen und Zeiten bekannte Phänomen, dass man wie in diesen Fällen aus zwei ähnlichen oder gleichen Silben eine macht, hat natürlich einen wissenschaftlichen Namen: Haplologie. Man ist versucht, stattdessen „Haplogie“ zu sagen …

[] Berliner, der

Person, die in Berlin geboren und aufgewachsen ist; Person, die in Berlin wohnt

Das Sprechen fremder Sprachen ist voller Tücken: Amerikaner amüsieren sich, wenn Deutsche am Tee-aitch scheitern. Deutsche wiederum haben ihren Spaß, wenn bei Anglophonen statt eines Ich-Lauts nur ein Ick- oder Isch-Laut herauskommt. Wie ähnlich sich die Phoneminventare beider Sprachen trotz allem sind, zeigen zwei Sätze, die heute vor 59 Jahren fielen. US-Präsident John F. Kennedy ließ sich für seine berühmte, auf Englisch gehaltene Rede in Westberlin auch zwei deutsche Sentenzen in englischen Graphemen transkribieren. Zu lesen war: „Ish bin ein Bearleener“ und „lusd z nach Bearleen comen“. Verständnisprobleme gab es keine, die Worte gingen im Jubel unter.

[] Kunstmärchen, das

von einem bestimmten Autor erfundenes und gestaltetes Märchen (im Gegensatz zum überlieferten Volksmärchen)

„Nun sah Nathanael, wie ein paar blutige Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrten.“ Dass in der Epoche der Romantik neben Sehnsucht, Liebe und tiefer Melancholie auch das Unheimliche ein dominierendes Motiv war, wird an E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ deutlich. Manche ordnen sie in die Gattung des Kunstmärchens ein, von denen Hoffmann tatsächlich einige geschrieben hat. Im Gegensatz zum überlieferten Volksmärchen kommen darin Handlung und Figuren vielschichtiger daher, verschwimmen zuweilen die Grenzen von Gut und Böse und wir müssen uns nicht selten auf ein tragisches Ende gefasst machen. Hoffmann ist heute vor 200 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.

[] langer Atem, Mehrwortausdruck

große Ausdauer (bei einer Sache, einem Vorhaben o. Ä.); langfristiges, nachhaltiges Handeln

Nur selten gelingt es einem Künstler, einen so breiten Diskurs auszulösen“, stellt der Bundestagsabgeordnete Konrad Weiß in einer eher ungewöhnlichen Bundestagsdebatte fest. Abgestimmt wurde über eine Kunstaktion des Künstlerehepaars Christo und Jeanne-Claude. In der Tat war das Projekt Verhüllter Reichstag umstritten (292 Ja-Stimmen gegenüber 223 Nein-Stimmen), seine Realisierung, gelinde gesagt, langwierig. Am 24. Juni 1995 – nach über 20 Jahren Überzeugungsarbeit – war es dann so weit: Das Reichstagsgebäude wurde für 14 Tage mit einer Hülle aus Polypropylengewebe dem Blick der Öffentlichkeit entzogen und war doch so sichtbar wie nie.

[] Dame, die

Schach: Königin

Obwohl Schach seit jeher alle Menschen fasziniert, hielt sich lange Zeit die Ansicht, dass Schach eher „was für Männer“ sei. So lässt ein Beitrag aus der Schachspalte einer Leipziger Zeitung vom 8.2.1896 tief in das Geschlechterbild dieser Zeit blicken: „Dem scharfen und anhaltenden Nachdenken abhold, pflegt das schöne Geschlecht nur selten die Reize des Schach[s] zu begreifen und in dem edlen Spiel eine Erholung zu suchen.“ Doch es lag auch Veränderung in der Luft. Nur ein Jahr später fand ab dem 23.6.1897 in England das erste internationale Schachturnier für Damen statt. Überragende Siegerin des Turniers war die Engländerin Mary Rudge, die sich bereits in Schachkreisen einen Namen gemacht hatte. Zuletzt erfuhr das Spiel der Könige (und Damen!) u. a. im Lockdown und durch den Erfolg der Serie „Das Damengambit“ eine Renaissance.

[] Abolitionismus, der

Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien und Nordamerika im 18. und 19. Jahrhundert

Man weiß nur wenig über ihn, und doch steht seine Person für einen historischen Wendepunkt. Als vermutlich Achtjähriger wird er in Westafrika von Sklavenhändlern verschleppt, gerät an den Schotten Charles Stewart, der ihn 20 Jahre später, er heißt jetzt James Somerset, mit nach England nimmt. Dort kommt es 1771/72 nach einem Fluchtversuch zum Prozess gegen ihn. Mit Hilfe von Bürgern, die sich dem Abolitionismus verschrieben haben, klagt Somerset gegen seinen „Besitzer“ und erhält Recht. Der Zustand der Sklaverei sei so abscheulich, so der Richter, dass diese nur durch positives Recht eingeführt werden könne, und da ein solches Gesetz fehle, konstatierte er: „therefore the black must be discharged“.

[] Dackelblick, der

einen treuherzigen Eindruck machender oder machen wollender Blick

Wir neigen dazu, menschliche Gefühle in den Gesichtsausdruck von Tieren hineinzudeuten. Viele Katzen schauen grimmig und können nichts dafür. Viele Hunde, z. B. Dackel, haben das Kindchenschema drauf, der Ausdruck in ihren Augen ist einfach nur „süüüüüüß“. Ist das etwa ein Trick? Eine Studie in der Zeitschrift Plos One weist nach: So ist es wohl. Tiere, die den diesen Blick erzeugenden Mechanismus draufhaben, haben einen Überlebensvorteil – als Schoßhündchen. Heute, am Tag der Dackel, können Sie den Dackelblick vielleicht einmal selbst bei den Liebsten ausprobieren, wenn Sie ihn beherrschen.

[] filtern, Verb

(durch einen Filter gehen lassen und) bestimmte Feststoffe (Schadstoffe, unerwünschte Partikel o. Ä.) aus Flüssigkeiten oder Gasen zurückhalten oder aussondern

„Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem und mit Vertiefung versehenem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern“. Die trockene Beschreibung einer neuartigen Vorrichtung, eingereicht am 20. Juni 1908 beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin, bedeutete für Kaffeetrinker eine kleine Revolution. Denn Melitta Bentz hatte nach mehreren Versuchen mit einem Messingbecher und Löschpapier endlich eine Lösung für bequemen Kaffeegenuss gefunden – ohne Kaffeekrümel zwischen den Zähnen oder lästigen Kaffeegrund im Abfluss. Es war der Startschuss für eine bemerkenswerte und höchst erfolgreiche Unternehmerinnenkarriere im Kaiserreich.

[] Diabolo, das

Spielgerät, das aus einem sanduhrförmigen Körper aus Hartgummi o. Ä. besteht und das mithilfe einer an zwei Handgriffen befestigten Schnur jongliert wird

Der Teufel steckt beim Jonglieren im Detail. Und das nicht nur, weil einige Tricks eine geradezu millimetergenaue Präzision erfordern, die eigentlich nur durch einen Pakt mit dem Teufel zu erklären ist. Aber auch einige Jongliergeräte suggerieren eine Verbindung zur Unterwelt – man denke an den Devilstick oder das Diabolo. Letzteres geht allerdings wie auch der Teufel auf das griechische „διαβάλλειν“ (diabállein) ‚durcheinanderwerfen‘, ‚hinüberwerfen‘ zurück. Mehr Chaosstifter als Höllenfürst also. Dem Jongleur liegt dagegen lat. „ioculātor“ ‚Spaßmacher‘ zugrunde (vgl. auch „Jux“). Verbinden Sie doch also mal das Spaßige mit den Nützlichen und werfen ein paar Bälle (oder Socken, Orangen, …) durcheinander, denn das Jonglieren hat nachgewiesenermaßen eine positive Wirkung auf unsere kognitive Leistungsfähigkeit.

[] Sushi, das

aus der japanischen Küche stammendes Gericht aus gekochtem, mit Reisessig gesäuertem und erkaltetem Reis und weiteren Zutaten

Aus seltenen oder weiter entfernten Sprachen sind meist nur wenige Wörter in das Deutsche entlehnt worden. Oft beziehen sich diese auf Spezialitäten aus den Küchen der Länder, in denen diese Sprache gesprochen wird. Das ist auch beim Sushi (jap. 寿司 oder すし) der Fall. Dabei handelt es sich ursprünglich nicht um etwas Japanisches und auch nicht um ein Gericht. Zunächst wurde damit eine Konservierungsmethode für Fisch an den Ufern des Flusses Mekong bezeichnet. Erst im 18. Jahrhundert wurde daraus in Edo (heute: Tokio) der Name für ein Gericht. In vermutlich über 1000 Restaurants wird in Deutschland heute Sushi angeboten. Varianten, die ohne Fisch auskommen, nehmen dabei einen immer größeren Raum im reichhaltigen Angebot ein.

[] in flagranti, Mehrwortausdruck

bei der Tat; während der Ausführung einer verbotenen oder verwerflichen Handlung, sodass leugnen zwecklos ist

„Es ist nicht so, wie es aussieht!“ – „Der Tresor war schon offen“ – „Ich dachte, sie wäre du“: Wer auf frischer Tat ertappt wird, gerät in Erklärungsnot, entsprechend dämlich sind oft die Ausreden. Dem Geschädigten hingegen gaben die Rechtsordnungen lange Zeit (in stark abgeschwächter Form bis heute) weitreichende Selbsthilferechte an die Hand. Meist ging es dabei um Ehebruch. In der Antike durfte ein gehörnter Ehemann den Liebhaber (sofern niedrigeren Standes) dann umstandslos umbringen. In dieser Tradition hat sich ausgehend vom Codex Iustitianus auch die Formel des römischen Rechts: „in (crīmine) flagrānti“ (= während des heißen Verbrechens) bis heute im Sprachgebrauch erhalten.

[] abwarten und Tee trinken, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: geduldig sein und zunächst beobachten, wie sich eine Lage entwickelt

Der vom unvergleichlichen Patrick Stewart gespielte Jean-Luc Picard, Kapitän der Enterprise-D in der Serie „Star Trek – Das nächste Jahrhundert“, unterscheidet sich von seinem Haudrauf-Vorgänger James T. Kirk u. a. in seiner ruhigen, überlegten Art. Eine Tasse seines Lieblingsgetränks Earl Grey (heiß) braucht er besonders am 16. Juni 2370 (Sternzeit 47457,1), als Kinder seiner Crew (mit denen er eher wenig am Hut hat) ihm am „Captain-Picard-Tag“ ihre Kunstwerke präsentieren. Trekkies sagten sich vor einigen Jahren, dass man den fiktiven Feiertag auch im wahren Leben feiern kann, „Make it so!“, woran wir uns heute anschließen.

[] Roaminggebühr, die

Informations- und Telekommunikationstechnik: Gebühr, die ein Mobilfunkbetreiber für das Roaming erhebt

Die Urlaubssaison steht wieder ins Haus, und was auf der Packliste der meisten nicht fehlen dürfte, ist das Handy. Doch bei der Nutzung desselben schmolz das Urlaubsbudget bis vor einigen Jahren noch schneller als eine Kugel Eis in der Mittagssonne. Erst am 15. Juni 2017, heute vor fünf Jahren, wurden die Roaminggebühren in den 27 EU-Staaten (plus Liechtenstein, Norwegen und Island) endgültig abgeschafft, nachdem sie davor bereits Jahr für Jahr gesenkt wurden. Frei nach dem Motto „roam like at home“ kann seither ohne schlechtes Gewissen zum Inlandstarif telefoniert, gesimst und gesurft werden. Schauen Sie sich aber trotzdem ab und zu mal die Landschaft am Urlaubsort an!

[] frisches Blut, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: neue (zumeist junge) Kollegen, Mitglieder, Teilnehmer; Nachwuchskräfte in einem Unternehmen, einer Mannschaft o. Ä.

„Frisches Blut“ wird nicht nur in Form von neuen Mitgliedern in Teams oder Vereinen gebraucht, sondern auch im wörtlichen Sinne. Darauf will der heutige Weltblutspendetag aufmerksam machen. Um die Sicherheit der Spendenden als auch der Empfangenden zu gewährleisten, darf nicht jede Person spenden. Beschränkungen können Alter, Gewicht, Medikation, Erkrankungen, aber auch längere Auslandsaufenthalte sein. Eine noch recht junge Neuerung: In Bezug auf das sexuelle Risikoverhalten werden weniger Unterschiede zwischen den Geschlechtern gemacht als zuvor, jeder und jede wird zum tatsächlichen Verhalten befragt. Noch vor 2017 durften Männer, die Sex mit Männern haben, unter keinen Umständen spenden.

[] Irisch, das

in Irland beheimatete Sprache aus dem (insel)keltischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Das Irisch-Gälische, eine inselkeltische Sprache (nicht zu verwechseln mit dem irischen Englisch), ist offiziell erste Amtssprache der Republik Irland. Faktisch haben sich nur im äußersten Westen der Grünen Insel letzte Sprachgebiete gehalten, nachdem „Gaeilge“ im 19. Jh. durch die Politik der britischen Oberherren von einer Mehrheitssprache an den Rand des Aussterbens gebracht wurde. Doch Irland kämpft weiterhin für die Erhaltung und Wertschätzung seines Symbols der Selbstständigkeit: Am 13. Juni 2005 bewirkte es den Beschluss, Irisch zur vollberechtigten EU-Amtssprache zu machen, was ab 2007 in die Praxis umgesetzt wurde.

[] Olympiagelände, das

Gelände, auf dem sich die für die Austragung der Olympischen Spiele erforderlichen Gebäude und Anlagen befinden

„Der Krieg war zu Ende, und irgendetwas musste ich ja machen“. So beschreibt der Architekt Günter Behnisch den Beginn seines Wirkens. Er gab dem Sport ein sensationelles Dach, auf dem Münchner Olympiagelände, und der bundesdeutschen Demokratie einen würdigen Rahmen, mit dem Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn. Neue Räume für die Bildung und die Religion gestaltete er ebenso. Der Bundesrepublik der Nachkriegszeit gab er ein neues, frisches architektonisches Gesicht. Heute vor 100 Jahren wurde Günter Behnisch in Lockwitz bei Dresden geboren.

[] außerirdisch, Adj.

zu einem Bereich außerhalb des Planeten Erde gehörend, dort vorkommend; von außerhalb des Bereichs des Planeten Erde stammend

„E.T. nach Hause telefonieren“ (orig. „E.T. phone home“) ist der wohl berühmteste ungrammatische Satz der Filmgeschichte. In den US-amerikanischen Kinos wurde er zum ersten Mal am 11. Juni 1982 geäußert – von einem drolligen, liebenswerten Wesen aus dem All, das auf der Erde zurückgelassen wurde. Motive wie Freundschaft, Toleranz, Empathie, Abschied und Heimweh machen Steven Spielbergs Meisterwerk „E.T. – Der Außerirdische” zu einem Klassiker von zeitloser Universalität, der einem auch 40 Jahre später Tränen in die Augen treibt.

[] Enfant terrible, das

bildungssprachlich: jmd., der gegen die geltenden (gesellschaftlichen) Regeln verstößt und dadurch seine Umgebung oft schockiert oder in Verlegenheit bringt

Als „Bürgerschreck“ bezeichnete ihn Schauspielerin Hanna Schygulla einmal in einem Interview. Rainer Werner Fassbinder war Enfant terrible, Antityp – und zugleich bewundertes Allround-Genie der deutschen Film- und Theaterszene. Mit nur 37 Jahren ist der Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor am 10. Juni 1982 gestorben, im Blut ein ganzer Cocktail an Drogen. Doch war er in seiner kurzen Schaffenszeit unfassbar produktiv: Über 40 Filme und Fernsehserien voller Verzweiflung, Sehnsucht und kalter Grausamkeit hat er hinterlassen. Und auch wenn sein Werk – genau wie seine Person – das Publikum gespalten hat, erreichte Fassbinder doch sein großes Ziel: Einzigartigkeit.

[] Wahlrecht, das

Befugnis bzw. gesetzlich festgelegter Anspruch, als wahlberechtigte und als wählbare Person an der Wahl von Körperschaften oder Amtsträgern teilzunehmen

„You’re old enough to kill, but not for votin’“ – Der markante Vers im Protestsong „Eve of Destruction“ (1965) betraf nicht nur die USA: Auch in der Bundesrepublik erreichten junge Menschen mit 18 Jahren die Volljährigkeit, waren geschäftsfähig, konnten eine Familie gründen und Männer wurden zur Bundeswehr eingezogen. Von der Teilhabe an der politischen Willensbildung waren sie bis zum 21. Lebensjahr gleichwohl ausgeschlossen. Ein unhaltbarer Zustand, da waren sich erstaunlicherweise von links bis konservativ die Bundestagsabgeordneten einig: Und so wurde mit der „Änderung des Bundeswahlgesetzes“ heute vor 50 Jahren das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt. Es gab keine Gegenstimme.

[] Vermüllung, die

durch unsachgemäßes Wegwerfen von Abfall verursachte, zunehmende Verunstaltung, Verschmutzung, Belastung von etw.

Seit 2009 wird der heutige 8. Juni als Welttag der Ozeane begangen, in Andenken an den sog. „Erdgipfel“ der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro, der auf die Unabdingbarkeit sauberer Meere wie der gesamten natürlichen Umwelt für das Überleben der Menschheit hinwies. Trotz aller Versuche, die Bewusstheit und das Verantwortungsgefühl für den Schutz der Ozeane zu vermehren, wird deren Zustand nicht nur durch den Klimawandel, sondern durch die fortgesetzte Vermüllung von Jahr zu Jahr schlimmer, gewaltige Müllstrudel besonders aus Plastik strömen um den Globus. Es ist höchste Zeit für die Notbremse, wir alle können etwas tun.

[] Ehe, die

in Deutschland seit 2017: gesetzlich geschlossene dauerhafte, eine Lebensgemeinschaft bildende Verbindung von zwei volljährigen Menschen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts

1989 gilt in Deutschland als Jahr des Mauerfalls. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, dass im selben Jahr noch eine ganz andere Mauer fiel: Dänemark verabschiedete als erstes Land der Welt die „registreret partnerskab“, mit der Schwule und Lesben ihre Partnerschaft registrieren lassen konnten – ein entscheidender Schritt zur Ehe für alle: Seit dem 7. Juni, heute vor 10 Jahren dürfen gleichgeschlechtliche Paare dort auch ganz traditionell heiraten, die eingetragene Partnerschaft wurde abgeschafft. In Deutschland dauerte es etwas länger: Am 1. Oktober 2017 standen die ersten homosexuellen Paare vor den Standesbeamten.

[] unterirdisch, Adj.

unter der Erdoberfläche gelegen, verlaufend oder stattfindend

Der heutige „Internationale Tag der Höhlen und der unterirdischen Welten“ soll unsere Aufmerksamkeit auf die vom Tageslicht verborgenen Naturphänomene lenken. Karsterscheinungen und unterirdische Höhlensysteme sind Forschungsgegenstände der Speläologie, einem Fachbereich, dem sich weltweit nur wenige hauptberuflich verschrieben haben. Dabei gibt es dort im Verborgenen viele faszinierende Lebewesen zu entdecken: Insbesondere Fische, Insekten und Amphibien, die oft kaum pigmentiert sind und deren Augen sich zurückgebildet haben, leben dauerhaft in der Dunkelheit. Überdurchschnittlicher Geruchs- und Tastsinn, geringe Körpergröße oder ein herabgesetzter Stoffwechsel helfen ihnen dabei, unter diesen harschen Lebensbedingungen zu bestehen.

[] Aggregatzustand, der

Physik, Chemie: Zustandsform eines Stoffes

Die drei klassischen Aggregatzustände – fest, flüssig und gasförmig – kennt wohl jeder, nicht nur aus dem Alltag. Doch unter Extrembedingungen, die teils in der Natur und teils im Labor auftreten, sind noch weitere Zustandsformen möglich. Plasma, das z. B. in der Sonne, in Blitzen und im Nordlicht auftaucht, ist eine davon. Das Bose-Einstein-Kondensat, das Eric Allin Cornell, Wolfgang Ketterle und Carl Edwin Wieman am 05.06.1995 erstmals herstellten und dafür 2001 den Nobelpreis für Physik bekamen, ist ein anderer nicht-klassischer Aggregatzustand. Er entsteht, wenn Atome fast auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden. Sie verlieren dadurch nahezu ihre gesamte Energie, was dazu führt, dass alle Atome dieselben physikalischen Eigenschaften haben und sich wie ein einziges Superatom verhalten.

[] Droschke, die

leichtes, von Pferden gezogenes oder motorisiertes Gefährt, das Einzelpersonen (gegen Bezahlung) befördert

Es war eine kleine Sensation, als am 4. Juni 1928 die Droschke von Gustav Hartmann in Paris einfuhr, denn der Kutscher war in zwei Monaten die über 1000 km aus Berlin angereist. Die Werbeaktion für Pferde- und gegen Kraftfahrzeuge war zwar für Hartmann selbst erfolgreich – Hans Fallada setzte dem „Eisernen Gustav“ 1938 ein Roman-Denkmal –, dennoch sind Droschken schnell aus dem Straßenbild verschwunden. Mit ihnen verblasst auch ihr Name, und das ist bedauerlich: Ist doch „Droschke“, das über das Baltikum aus „drožki (дрожки)“ kam, dem Namen einer leichten Kutsche, eines der wenigen modernen russischen Lehnwörter im Deutschen.

[] Bergfex, der

umgangssprachlich, oft scherzhaft: Person, die gerne und oft klettert, in den Bergen wandert, sich gerne dort aufhält

Am 5. Mai 1810 schrieb Goethe ins Tagebuch: „Fexe werden im Salzburgischen mehr oder weniger imbecille [= schwachsinnige] Menschen genannt.“ Dementsprechend war der „Bergfex“ das alpine Gegenstück zum Dorftrottel. Eine Verunglimpfung, die wohl auch dem Umstand geschuldet war, dass das Hochgebirge bis über das 17. Jh. hinaus als zivilisationsferne, ja schreckliche Welt wahrgenommen wurde, in der zu leben keinem vernunftbegabten Menschen einfallen mochte. Mit beginnender Idealisierung der Bergwelten im 18. und dem im 19. Jh. einsetzenden Touristenansturm erfolgte eine Umwertung der Verbalinjurie. Dem tumben, unter Höhenangst leidenden Flachländer nötigten die schwindelerregenden Kletterkünste einheimischer Bergfexe nun Respekt ab.

[] Zauberwürfel, der

Ausdauer und Geschicklichkeit förderndes Spielzeug in Form eines Würfels, der aus verschiedenfarbigen kleineren Würfeln zusammengesetzt ist, die in drei sowohl horizontal als auch vertikal drehbaren Ebenen angeordnet sind

Klein und unschuldig kommt er daher – ein in Höhe, Breite und Tiefe jeweils in drei Ebenen unterteilter und beweglicher, sechsfarbiger Würfel – doch hat er viele schon auf eine harte Geduldsprobe gestellt: der Zauberwürfel. Erfunden wurde er von dem ungarischen Architektur- und Designprofessor Ernő Rubik, ursprünglich um das räumliche Denkvermögen seiner Studierenden zu verbessern. Seine Karriere als Spielzeug begann eher schleppend, als zu intellektuell und kompliziert für die Allgemeinheit wurde er eingeschätzt. Doch die Spielzeugindustrie sollte sich täuschen, die Nachfrage war enorm. Am 2. Juni 1980, sechs Jahre nach seiner Erfindung, kam der Zauberwürfel auf den deutschen Markt und das Würfelfieber konnte auch hierzulande um sich greifen.

[] Jogging, das

Dauerlauf in langsamem oder mäßigem Tempo als Konditionstraining

Jogging, so nennt man den Dauerlauf heute, geht auf das englische Verb „to jog“ zurück, was Wolfgang Pfeifer in seinem „Etymologischen Wörterbuch“ ganz treffend mit „sich ruckweise bewegen, hoppeln, holpern, mühsam gehen, rütteln“ ins Deutsche überträgt. Am heutigen „Tag des Laufens“ wollen wir all jenen fast sechs Millionen Deutschen einen sportlichen Gruß zurufen, die regelmäßig schnaufend und ächzend über Straßen und Felder, durch Wälder, Wiesen und Auen holpern. Ihr seid nicht allein!

[] Jieper, der

besonders D-Nord: plötzlich erwachende Gier, große Lust (auf etw., nach dem man süchtig ist)

Man raucht nicht – man pafft, qualmt, quarzt, schmaucht oder schmökt zu allen Zeiten und in allen Schichten. Doch immer mehr vor allem junge Menschen können ihren Jieper nach diesem Suchtmittel beherrschen oder sie verfallen ihm erst gar nicht. Bei ihnen ist, so das Bundesgesundheitsministerium, ein deutlicher Rückgang in der Raucherquote (von 27,5 % im Jahr 2001 auf 6,6 % 2018) zu beobachten. So können wir am heutigen Nichtrauchertag die erfreuliche Prognose wagen: In Zukunft wird weniger blauer Dunst unsere Köpfe vernebeln.

[] bilingual, Adj.

Sprachwissenschaft: zweisprachig, zwei Sprachen verwendend

Bon anniversaire! Am 30. Mai 1992 sendete der Kulturkanal ARTE zum ersten Mal in deutsche und französische Haushalte. Das in Europa Einzigartige an dem öffentlich-rechtlichen Kanal mit Sitz in Straßburg? Er sendet bilingual, also in beiden Sprachen. Ziel war und ist es, das französische und das deutsche Publikum an die Kultur des Nachbarn heranzuführen, aber auch den europäischen Zusammenhalt insgesamt zu fördern. Und aus dem bilingualen wird zunehmend ein multilingualer Ansatz, denn inzwischen untertitelt ARTE seine Programminhalte in vier weiteren Sprachen.

[] Keks, der

salopp: Kopf, Gehirn

Auch wenn Kekse heutzutage in aller Munde sind, gibt es das Wort selbst noch gar nicht so lange im Deutschen. Erst Ende des 19. Jh. entlehnte ein Hersteller des trockenen Kleingebäckstücks das Wort aus dem englischen „cake(s)“. Doch haben wir es hier mit demselben Keks wie in der Redewendung „jemandem auf den Keks gehen“ zu tun? Eher nicht. Einer Theorie zufolge prägte die Gaunersprache das Wort Keks, angelehnt an das hebräische גַּג gag („Dach“), das später eine Bedeutungsübertragung zu „Kopf, Verstand“ durchmachte. Einer anderen Theorie zufolge entstammt es der Jugendsprache, die in der Redewendung „jmdm. auf den Geist gehen“ den Geist scherzeshalber durch beliebige Wörter ersetzte (vgl. „jmdm. auf den Zeiger, Wecker gehen“).

[] Brettspiel, das

Spiel, bei dem meist mehrere Personen ein Spielbrett oder einen Spielplan und dazu Spielfiguren, Spielkarten o. Ä. verwenden

Nicht umsonst verbringen Kinder so viel Zeit mit dem Spielen; so können sie sich mit allen Sinnen die Welt erschließen, ihre Gesetzmäßigkeiten verstehen lernen, Grenzen austesten. Auch für Erwachsene noch interessant ist zum Beispiel die Welt der Brettspiele. Wer einmal eingetaucht ist, wird neben Klassikern wie Halma und Monopoly Erstaunliches finden: Bretter, die sich je nach Kampagne immer neu zusammensetzen lassen, 12-seitige Würfel, gruselige Miniaturen zum Bemalen und Anleitungen, die über 100 Seiten lang sind. Das Doofe daran ist, dass man nachher alles wieder zusammenpacken muss. Können wir bitte morgen aufräumen? Heute ist doch Weltspieltag!

[] Bürgerrecht, das

Grundrecht, das allen Staatsbürgern durch die Verfassung garantiert wird

Was macht man, wenn die Obrigkeit Demonstrationen und andere Formen der Insubordination verbietet und unterdrückt? Man feiert stattdessen ein Fest. Desgleichen taten Bürger vor dem Hambacher Schloss. Das Fest begann heute vor 190 Jahren und dauerte 6 Tage. Man forderte Bürgerrechte und schwenkte die revolutionäre Fahne in Schwarz-Rot-Gold, die Presse war durch zahlreiche Blätter und ihre Korrespondenten vertreten. So konnte dieses „Fest“, eine politische Manifestation einer aufstrebenden Schicht, eine Wirkung entfalten, die uns auch heute vielleicht mit etwas Wehmut an diese Zeit des demokratischen Aufbruchs denken lässt.

[] Ätti, der

regional, familiär: Vati, Papa

Am heutigen Feiertag Himmelfahrt (Schweiz/Liechtenstein: Auffahrt) erinnern die Christen an die Rückkehr Jesu in den Himmel, 39 Tage nach der Auferstehung am Ostersonntag. Für viele ist der Feiertag aber zum weltlichen „Vatertag“ geworden, für uns ein Anlass, auf die vielen Koseformen für den Vater hinzuweisen. Denn außer dem „Papa“, der letztlich aus dem Französischen stammt (bisweilen noch „Papá“ ausgesprochen), findet sich gerade im Osten „Vati“, wie „Papi“ mit verniedlichendem -i, oder in der Schweiz „Ätti“, aus dem Lallwort „atta“ (so auch im Gotischen und Hethitischen). Im Sudetenland fand sich gar „Tati“, nach Tschechisch „táta“ oder Mittelhochdeutsch „tate“.

[] Thriller, der

Roman oder Film, der beim Leser oder Zuschauer über den gesamten Handlungsverlauf Spannung und Nervenkitzel hervorruft

Was man in Buch oder Fernsehen Spannendes über Spionage konsumieren kann, verblasst bisweilen gegenüber wahren Agentengeschichten. Eine der spektakulärsten fand heute vor 109 Jahren ihr Ende: Der österreichisch-ungarische Oberst Alfred Redl, eine der wichtigsten Personen des Evidenzbüros, wurde in den Selbstmord gedrängt, nachdem durch bloßen Zufall aufgedeckt worden war, dass er seit Jahren höchste militärische Geheimnisse v. a. an Russland verkauft hatte, um seinen extravaganten Lebensstil zu finanzieren. Bis heute streiten Historiker darüber, welche Bedeutung Redls Verrat für das Desaster der k. k. Armee zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte.

[] Ainu, das

auf Hokkaido, Sachalin und den Kurilen beheimatete, zu keiner bekannten Sprachfamilie gehörende Sprache mit nur noch sehr wenigen Sprechern

Das im Norden Japans gesprochene Ainu gehört zu den Sprachen, die innerhalb kurzer Zeit in der Moderne an den Rand des Aussterbens gebracht wurden. Denn als Hokkaido 1869 Japan einverleibt wurde, begann eine hundertjährige aggressive Assimilationspolitik gegen das gleichnamigen Volk der Ainu. Es blieben nur wenige Dutzend meist Ältere, die dieses mit keiner anderen Sprache sicher verwandte Idiom noch beherrschen. Am 26.04.2019 verabschiedete das japanische Parlament erstmals ein Gesetz, das die Ainu als Ureinwohner Japans anerkennt und die Regierung zum Erhalt ihrer Kultur verpflichtet. Ob dieses Umdenken aber noch rechtzeitig kommt, wird die Zukunft zeigen.

[] Grundgesetz, das

die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, die durch einen Grundrechtekatalog und die wichtigsten Rechtsnormen zur Staatsorganisation die Beziehung zwischen Bürger und Staat sowie die politische Ausrichtung und den Aufbau des Staates grundlegend bestimmt; grundlegende Gesetzmäßigkeit, fundamentaler Zusammenhang in der Natur oder Gesellschaft

Provisorien halten bekanntlich länger: Am 23. Mai 1949 verkündete der Parlamentarische Rat das „Grundgesetz“ für die Bundesrepublik. Gedacht war es als Übergangslösung für eine noch zu erarbeitende Verfassung nach einer Wiedervereinigung Deutschlands. Der Begriff „Grundgesetz“ war zwar einerseits gut gewählt, veranschaulicht er doch, dass es die grundlegenden Normen für alle weiteren Gesetze und nicht zuletzt die Grundrechte umfasst. Andererseits steht der Begriff eben auch für Dauerhaftes. Man denke an die ewigen Grundgesetze der Physik oder das „Kölsche Grundgesetz“ mit seinen ewigen ‚Weisheiten‘, z. B. § 1 „Et es wie et es“.

[] Gothic, der, das oder die

Szene oder Genreform, deren Mitglieder ein gemeinsames Interesse an eher schwermütigen Themenkomplexen wie Tod, Vergänglichkeit, Mystik oder Psychopathologie teilen und deren typisches Erscheinungsbild vor allem durch die Farbe Schwarz geprägt ist

Sie mögen es düster, tragen Schwarz, hören Bauhaus. Diese klischeehafte Beschreibung mag wohl auf die meisten Anhänger der Gothic-Szene zutreffen, wird ihrer Diversität aber nicht gerecht. Jedes Jahr am 22. Mai, am „World Goth Day“, feiern Gothics sich selbst – für das Gemeinschaftsgefühl, mehr Sichtbarkeit und Toleranz. An diesem Tag soll sich alles um die ausgefallene Ästhetik, die meist schwermütige, aber dennoch facettenreiche Musik und die finstere, mystische oder romantische Kunst und Literatur ihrer Subkultur drehen. Weltweit finden dazu verschiedene Veranstaltungen statt, auch bei Sonnenschein.

[] Akademie, die

Vereinigung, Gesellschaft (von Gelehrten) zur Förderung der Forschung und Vertiefung wissenschaftlicher oder künstlerischer Studien

Die Geschichte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften reicht zurück bis ins Jahr 1700. Damals wurde sie als Kurfürstlich Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften gegründet, mit Gottfried Wilhelm Leibniz als ihrem ersten Präsidenten. Nicht nur große Persönlichkeiten wie die Brüder Grimm und Humboldt, Lise Meitner und Albert Einstein, sondern auch die wechselhafte deutsche Geschichte prägen die Akademie über die Jahrhunderte. So, wie wir sie heute kennen, existiert sie seit 1992. Dazu unterzeichneten vor genau 30 Jahren die Länder Berlin und Brandenburg den Staatsvertrag zu ihrer Neukonstituierung als „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wis­senschaften)“.

[] Schwänzeltanz, der

Zoologie: tanzartige Bewegung der Honigbiene, mit der sie Informationen über Richtung, Entfernung und Ergiebigkeit von in größerer Distanz zum Bienenstock befindlichen Nahrungsquellen übermittelt

Der Drang und die Notwendigkeit für Kommunikation ist im Tierreich allgegenwärtig. Für den Menschen ist das Mittel der Wahl für gewöhnlich die Sprache, seien es nun gesprochene, Gebärden- oder Pfeifsprachen. Bienen nutzen ein anderes Medium zur Informationsübertragung: Mithilfe des Schwänzeltanzes (und anderen Tänzen) teilen vom Ausschwärmen zurückgekehrte Bienen ihren Kolleginnen im Stock mit, wo Nahrungsquellen zu finden sind. Der Tanz enthält präzise Informationen zu Entfernung und Richtung der Futterquelle. Am heutigen Weltbienentag gedenken wir nicht nur dieser einzigartigen Kommunikationsform, sondern auch der Rolle, die die Bienen als Bestäuberinnen für die Biodiversität der Erde haben.

[] Luftpostbrief, der

mit dem Flugzeug beförderter Brief

Die Anfänge technologischer Durchbrüche sind oft wenig spektakulär: Heute vor 110 Jahren startete in Heidelberg eine Rumpler-Taube gen Mannheim. Im Gepäck transportierte der federleichte Flieger einen kleinen Postsack. Fast zeitgleich hoben mit gleichem Auftrag ein Jeannine-Eindecker und ein Wright-Doppeldecker ab. Das Ganze war Teil einer PR-Aktion der Deutschen Reichspost, die extra für diesen Tag Luftpostkarten mit eigener Briefmarke herausgebracht hatte. Die Aktion war allerdings so erfolgreich, dass die schwachbrüstigen Flugzeuge nur eine kleine Ladung befördern konnten. Der Löwenanteil der vermeintlichen Luftpostsendungen musste per Bahn transportiert werden.

[] die Latte hoch legen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: an jmdn., etw. hohe Maßstäbe legen (um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder eine bestimmte Erwartung zu erfüllen); hohe Ansprüche, Anforderungen stellen, denen man nur schwer genügen kann

Alle wollten sie hoch hinaus, doch der kalifornische Sportler George Horine legte die Latte höher als alle, die vor ihm kamen. Am 18.05.1912 überquerte er als Erster die Zwei-Meter-Marke im Hochsprung. Dies gelang ihm vor allem durch eine ihm eigene Technik, den Western Roll, die sich durch einen niedrigeren Körperschwerpunkt auszeichnete und zu deutlich besseren Ergebnissen als die bisher verwendeten Hock- oder Schersprünge führte. Der Western Roll hielt sich bis in die 1950er-Jahre, als er zunächst vom Tauchwälzer und dann vom Fosbury Flop abgelöst wurde. Horines Weltrekord hielt ganze zwei Jahre; sonderlich viel Ruhm wurde ihm allerdings nie zuteil, möglicherweise auch deshalb, weil sein Weltrekord im angloamerikanischen Maßsystem nur unrunde 6 Fuß 7 Zoll betrug.

[] Eierschecke, die

aus Sachsen stammender Kuchen (meist aus Rührteig oder Hefeteig) mit einer dicken Schicht gelben Schaums aus Ei, Butter, Zucker und Vanillepudding und oft einer zweiten, weißen Schicht aus Quark, Ei, Zucker und Milch

Man nehme: Butter, Quark, Pudding, Mehl, Zucker – und sagenhafte sechs bis acht Eier. Nicht umsonst nennt man sie „Eierschecke“, ein käsekuchenähnliches Backwerk, das vor allem im sächsischen und thüringischen Raum verbreitet ist. „Schecke“ leitet sich wohl von einem mittelalterlichen Leibrock für Herren ab, der durch einen Taillengürtel optisch dreigeteilt war. Auch die (Dresdner) Eierschecke hat diese Dreiteilung: einen Mürbeteigboden, eine Quarkcremeschicht und eine Masse aus Vanillepudding, Ei, Butter und Zucker. Es gibt aber zig Variationen des Kuchens, die nicht nur wohlschmeckend, sondern auch Gegenstand regionalen Gerangels sind. Über Leidenschaften kann man eben herrlich streiten.

[] Elektrische, die

Straßenbahn, die von elektrischem Strom angetrieben (und nicht von Pferden gezogen) wird

Eigentlich sollte sie als Hochbahn in der Berliner Friedrichstraße verkehren, die erste „elektrische Eisenbahn“, wie ihr Erfinder Werner von Siemens sie nannte. Doch Anwohner klagten erfolgreich dagegen. Sie führten die Gefahren herabtropfenden Schmieröls und herabstürzender Wagen sowie das durch die Verdunkelung der Straße entstehende Ungemach ins Feld. So nahm die erste „Elektrische“ schließlich in Groß-Lichterfelde ihren Probebetrieb auf, heute vor 141 Jahren. Am 14. Februar 1930 wurde der Betrieb eingestellt.

[] Technikmuseum, das

öffentliche Sammlung von Schaustücken, die die Geschichte oder besondere Aspekte der Technik repräsentieren

Museen können mit den verschiedensten Exponaten aufwarten, von immateriell bis riesengroß, und ebenso vielfältig sind die Gebäude, die sie beherbergen. In nur seltenen Fällen ist aber das Gebäudeensemble und Gelände selbst auch gleichzeitig so ein passendes Sammlungsobjekt wie im Fall des Deutschen Technikmuseums Berlin. Diese Institution, die dutzende ältere, teils kriegsgeschädigte Sammlungen zu allen Bereichen der Technologie vereint, wurde 1983 auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs eröffnet und umfasst neben einem Neubau u. a. alte Lokschuppen, das Beamtenhaus, die Ladestraße. Gegründet wurde sie heute vor 40 Jahren als „Museum für Verkehr und Technik“.

[] Wandervogel, der

Vogel, der im jahreszeitlichen Rhythmus zwischen Winterquartier und Brutgebiet hin- und herwechselt

Was haben Wanderfreunde und Zugvögel gemeinsam? Beide nehmen für die Suche nach optimalen Bedingungen bisweilen bis zu mehreren tausend Kilometern Weg auf sich. Außerdem besteht für beide heute Grund zur Freude, denn es wird nicht nur der Tag des Wanderns, sondern auch der Weltzugvogeltag begangen. Letzterer widmet sich in diesem Jahr dem Problem der nächtlichen Lichtverschmutzung, die bei Zugvögeln zu Orientierungsschwierigkeiten führt. Auch wenn nicht vollständig geklärt ist, wie die Vögel im Detail navigieren, ist man sich doch einig, dass sie neben dem Erdmagnetfeld und der Sonne auch die Sterne zur Orientierung nutzen. Das Motto des diesjährigen Weltzugvogeltags lautet daher: „Dimmen Sie nachts das Licht für Vögel!“

[] Cocktail, der

(eisgekühltes) Mischgetränk, das in der Regel eine oder mehrere Spirituosen und meist weitere Zutaten wie z. B. Fruchtsäfte enthält, oft mit Früchten garniert

Die englische Leidenschaft für das Pferderennen hat den internationalen Wortschatz um so einige Ausdrücke bereichert, man denke nur an „Jockey“ oder „Doping“. Aber auch der „Cocktail“ soll über ein paar semantische Ecken auf den Pferdesport zurückgehen: Rennpferden mit einem Makel im Stammbaum wurde zum Zeichen ihrer nicht ganz so edlen, gemischtrassigen Herkunft der Schweif gestutzt, der nun an die Schwanzfedern eines Hahns erinnerte. Das „cock-tailed horse“ wurde zum festen Begriff und der Ausdruck „cocktail“ um 1800, anfangs wohl eher abwertend (im Sinne von ‚verwässerter Drink‘), auf das alkoholische Mischgetränk übertragen.

[] Pflegezeit, die

Gesundheitswesen in Deutschland: (befristete) Zeitdauer, während der Arbeitnehmer eine Freistellung von der Arbeit beantragen können, um pflegebedürftige Angehörige in ihrer häuslichen Umgebung zu betreuen

Am heutigen Internationalen Tag der Pflegenden würdigen wir den Einsatz der Menschen, die sich um die 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland kümmern – auch wenn klar ist, dass es mit Lob und Klatschen nicht getan ist. Neben dem Pflegepersonal in Krankenhäusern, Heimen und im mobilen Dienst sind auch viele Privatpersonen im Pflegeeinsatz. Für die verbesserte „Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“ gibt es seit 2008 das Pflegezeitgesetz. Wer nahe Angehörige zu Hause pflegt, kann sich bis zu sechs Monate ganz oder zum Teil von der Arbeit freistellen lassen. Zum Ausgleich kann für diese Zeit ein zinsloses staatliches Darlehen beantragt werden.

[] uralt, Adj.

sehr alt

Heute vor 130 Jahren gründete Hugo Asbach in Rüdesheim seine Weinbrennerei, um deutschen Cognac („Weinbrand“) auf den Markt zu bringen. 1905 ließ er sich die Marke „Asbach uralt“ als Warenzeichen eintragen. Da ahnte er sicher nicht, was die Sprachgemeinschaft aus dieser Wortmarke machen würde. Der Ausdruck „Asbach uralt“ wurde zum nicht allzu schmeichelhaften Prädikat für altbekannte Ideen, Witze, Nachrichten usw. Und das Zitat ließ sich sogar weiter verkürzen. Heutzutage ist etwas gelegentlich nur „Asbach“. Sicher nicht im Sinne des unfreiwilligen Namensgebers.

[] Kalendergeschichte, die

Literaturwissenschaft: Form didaktischer, unterhaltender Kurzprosa, die ursprünglich auf die Rückseite von Kalenderblättern gedruckt wurde und sich später zu einem eigenen literarischen Genre entwickelte

Zu den ersten Drucken, mit denen Johannes Gutenberg die Medienwelt revolutionierte, zählte auch eine ausgesprochen erfolgreiche Textsorte: Kalender. Als Volkskalender erreichten sie nahezu alle Schichten und dienten der Bevölkerung mit ihren Anekdoten und Schwänken nicht zuletzt auch der Unterhaltung. Ein Meister, der diese Kalendergeschichten zu literarischen Höhen führte, wurde am 10. Mai 1760 in Basel geboren. Es ist der auch als alemannischer Mundartdichter bekannte Johann Peter Hebel. Eine seiner Schöpfungen kennen Sie bestimmt: „Kannitverstan“, die Geschichte jenes Tuttlinger Handwerksburschen, der in Amsterdam grandios am Niederländischen scheitert.

[] Emanzipationsbewegung, die

politische, gesellschaftliche o. ä. Bewegung, die die Emanzipation einer gesellschaftlichen Gruppe zum Ziel hat

Dass Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Gleichberechtigung trotz aller Widrigkeiten am Ende triumphieren, konnte kaum ein Mensch so gut symbolisieren wie Nelson Mandela. Der Freiheitskämpfer, der im Westen noch in den 1980ern als „Terrorist“ bezeichnet wurde, saß wegen seines Engagements gegen das südafrikanische Apartheidregime 27 Jahre in Haft (bis 1990). Nach dem Wahlsieg seines African National Congress in den ersten freien Wahlen 1993 wurde er heute vor 29 Jahren zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes gewählt und setzte danach seine Autorität für die Versöhnung zwischen den verfeindeten Gruppen ein.

[] Hotel Mama, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft, besonders in Bezug auf junge Erwachsene: das Elternhaus als Unterkunft mit vielen Annehmlichkeiten, insbesondere der Abnahme der Hausarbeit (traditionell vor allem durch die Mutter)

Wer den Eintritt ins Erwachsenenalter schon länger hinter sich hat und noch bei den Eltern wohnt, bekommt schnell den Stempel des unselbstständigen Nesthockers aufgedrückt, der sich im „Hotel Mama“ vollumfänglich bedienen lässt. Interessant ist, dass letzterer Ausdruck von recht konventionellen Rollenmustern ausgeht (was für eine Rolle spielt Papa eigentlich in diesem Hotel?), obwohl er wahrscheinlich erst seit den 90ern in Gebrauch ist. Und ebenso interessant ist, wie viele gute Gründe es in der Praxis gibt, länger bei den Eltern zu wohnen – ob es der schwierige Wohnungsmarkt ist, Heimatverbundenheit oder eine Hilfsbedürftigkeit der Eltern. Heute ist es für diejenigen, die mit Muttern unter einem Dach wohnen, jedenfalls viel einfacher, ihr das Frühstück ans Bett zu bringen, sie zu drücken und ihr alles Liebe zum Muttertag zu wünschen.

[] Fünfliber, der

umgangssprachlich: Münze im Wert von fünf Franken

Schweizurlauber kennen es: das umgangssprachlich „Fünfliber“ genannte 5-Franken-Stück. Der auf das französische „livre“ (Pfund) zurückgehende Begriff spiegelt auch die numismatische Geschichte der Schweiz wider. Denn dort herrschte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein regelrechtes Münzchaos. Jedem Kanton oder gar jeder Stadt mit Münzrecht stand es frei, eigene Münzen in den verschiedensten Währungen und Nominalwerten zu prägen. Zusätzlich zirkulierten im Handel auch noch ausländische Währungen. Diesem Chaos wurde am 7.5.1850 Einhalt geboten. Das eidgenössische Münzgesetz sprach das alleinige Münzprägerecht dem Bund zu und führte den „Franken“ als Währung ein. Damit war dann auch die Frage geklärt, ob man sich mit dem neuen Münzsystem lieber am süddeutschen Gulden oder dem französischen Franc orientieren sollte.

[] Goldgräberfieber, das

mit Besessenheit betriebene Suche nach Gold (in einem Gebiet, in dem Gold gefunden wird)

Das 19. Jahrhundert war in den USA eine Zeit des Goldrauschs. Während dieser Periode verließen etliche Menschen ihre Heimat, um in vielversprechenden Gegenden nach Edelmetall zu suchen, so auch im heutigen Bundesstaat Colorado. In Schwung kam der „Colorado Gold Rush“, nachdem am 6.5.1859 ein gewisser John H. Gregory dort auf eine der ersten großen Goldadern gestoßen war. In den folgenden Monaten pilgerten tausende Goldsucher zur Fundstelle, um auch ihr Glück zu versuchen. Der Rausch brachte große Veränderung für die Region. Zehntausende Weiße siedelten sich an, Städte wie Denver und Boulder wurden gegründet, die Industrie boomte. Jedoch wurde großen Teilen der indigenen Bevölkerung durch die Vereinnahmung ihrer Gebiete die Lebensgrundlage entzogen.

[] Maifeiertag, der

einer der Feiertage, die in den Mai fallen, z. B. Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag

Der Monat Mai ist überaus reich an Feiertagen. Wenn man von „dem“ Maifeiertag hört, dann denkt man hierzulande meist an den Tag der Arbeit vom vergangenen Sonntag, danach folgen Christi Himmelfahrt oder die Pfingstfeiertage. Über dem Großen Teich ist das anders: Ähnlich wie die Iren in den USA ihren Saint Patrick’s Day begehen, feiern die Mexikaner dort – interessanterweise aber kaum in Mexiko selbst – heute den „Cinco de Mayo“ (schlicht und einfach: 5. Mai). An diesem Tag vor heuer genau 160 Jahren besiegten die mexikanischen Republikaner bei Puebla eine überlegene Expeditionsarmee der Franzosen, die ihnen eine fremde Regierung aufzwingen wollten.

[] Brandbekämpfung, die

das Löschen oder Ersticken von gefährlichen Bränden

Dass die Feuerwehr ausgerechnet zum heutigen Datum international gefeiert wird, hat seinen Grund. Der 4. Mai gilt als Todestag des heiligen Florian von Lorch. Selbst im Funkverkehr findet der Name des spätantiken Märtyrers als Rufname der Feuerwehr Verwendung (z. B. „Florian 21/1 ruft Florian 40/1!“). Aber wie kam Florian zu seiner „Anstellung“? Wenn Heilige zu Schutzpatronen werden, hat dies meist mit ihrem Lebenswandel oder Tod zu tun. Bei Florian ist dies allerdings unklar. Überliefert ist nur eine Tätigkeit als hochrangiger römischer Beamter, der seines christlichen Bekenntnisses wegen wohl um 304 mit einem Mühlstein um den Hals ertränkt wurde. Gleichwohl ist er auf bildlichen Darstellungen häufig als Legionär mit einem Wasserkübel als „Feuerlöschgerät“ zu sehen.

[] Spam, der, das oder die

Gesamtheit der vom Empfänger weder erbetenen noch erwünschten E-Mails; einzelne E-Mail, die versandt wird, obwohl deren Erhalt vom Empfänger weder erbeten wurde noch erwünscht ist

Sie sind ein Fluch der modernen Informationsgesellschaft und vergällen den Blick ins E-Mail-Postfach: Spammails. Doch die erste dokumentierte Spammail nahm einen bescheidenen Anfang. Gary Thuerk, Mitarbeiter der Marketingabteilung einer Computerfirma, wollte nur ein neues Produkt seiner Firma bewerben und schickte daher am 3.5.1978 eine E-Mail an gerade einmal 600 Adressaten (die damals jedoch rund ein Viertel aller Internet- bzw. Arpanetuser ausmachten). Da er allerdings seine eigene E-Mail-Adresse als Absender angegeben hatte, traf ihn der Sturm der Entrüstung postwendend. Doch die Aktion brachte ihm nicht nur Ärger: Nach eigenen Angaben führte sie zu einem Umsatzplus von ca. 12 Millionen Dollar.

[] Überfischung, die

übermäßige Verminderung des Fischbestandes von Gewässern durch extensiven Fischfang mit der Folge, dass nicht ausreichend Fisch nachwachsen kann

Die Bezeichnung „Thunfisch“ ist eine Entlehnung aus dem gleichbedeutenden lat. t(h)unnus, thynnus, das wiederum auf das altgriechische thýnnos (θύννος) zurückgeht; thýnō (θύνω) bedeutet „ich eile“ oder „ich rase“. Aufgrund ihrer Größe und ihrer Geschwindigkeit haben Thunfische nur wenige Fressfeinde. Nichts davon aber hilft gegen die Schleppnetze der Fischer, denn der Fisch ist, da fettreich und schmackhaft, ein bei den Menschen begehrtes Nahrungsmittel. So könnte diese Fischart bald auch ein Opfer der Überfischung werden. Vor dieser Gefahr möchte der 2017 ins Leben gerufene „Welttag des Thunfischs“ am 2. Mai warnen und die Weltgemeinschaft zu einer nachhaltigeren Form des Fischfangs auffordern. Sonst ist „der Schnelle“ unter den Fischen bald verschwunden.

[] prokrastinieren, Verb

etw. (als unangenehm Empfundenes) aufschieben, hinausschieben, sich mit etw. Zeit lassen

Text folgt …

[] Findelkind, das

in hilfloser Lage aufgefundenes, meist ausgesetztes Kind

Ein Findelkind, der verlorene Erbprinz von Baden oder schlicht ein Betrüger – um das Phänomen Kaspar Hauser ranken sich bis heute Gerüchte und Verschwörungstheorien. Auf die Bildfläche trat er 1828 in Nürnberg als etwa 16-jähriger (laut einem Brief, den er bei sich trug, wurde er am 30.4.1812 geboren), verstörter und geistig scheinbar zurückgebliebener Junge. Trotz beschränktem Wortschatz konnte man ihm entlocken, dass er zeit seines Lebens in einem dunklen Raum bei Wasser und Brot gefangen gehalten worden sei. Seine Herkunft blieb jedoch ungeklärt und seine Grabinschrift resümiert treffend: „Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod 1833.“

[] aus der Reihe tanzen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sich nicht an vereinbarte Regeln, Konventionen o. Ä. halten; die vorgegebene Ordnung, Reihenfolge o. Ä. nicht einhalten; auffallen

Wer ab und zu mal einen Rappel kriegt, in seiner Bude die Musik aufdreht und wild umhertanzt, hat dabei (fast) alle Freiheiten. Bei den meisten offiziellen Tanzformen wie Bühnen-, Schau- und Gesellschaftstanz müssen jedoch bestimmte Regeln eingehalten werden: Sich im Takt zu bewegen, an Schrittfolgen zu halten und möglichst den anderen nicht auf die Füße zu treten gehört dazu. Und beim mittelalterlichen „Reihen“, später auch „Reigen“ genannt, hätte ein Verlassen des Kreises oder der Kette die Tanzunternehmung der Gruppe wohl erheblich gestört. Wer heutzutage im übertragenen Sinne aus der Reihe tanzt, fällt ebenfalls durch unkonventionelles oder regelwidriges Verhalten auf – aber tatsächlich nicht immer negativ.

[] Fisimatenten, nur im Plural

umgangssprachlich, abwertend: von jmdm. ausgehende unnötige, störende, behindernde Schwierigkeiten oder Umständlichkeiten; törichter Unfug

Wenn man zum ersten Mal im Leben von jemandem hört, man solle keine „Fisimatenten“ machen, dann ist das zwar überhaupt nicht freundlich – das exotische, faszinierende Wort aber dürfte sich ins Gedächtnis einprägen und die Frage nach der Herkunft aufkommen lassen. Hartnäckigst hält sich die urbane Legende, der Ausdruck sei eine Verballhornung von „visitez ma tente“ (besuchen Sie mein Zelt), womit napoleonische Besatzungssoldaten in Berlin und anderswo Damen angesprochen hätten. Tatsächlich ist der Ausdruck mehr als 200 Jahre älter und wahrscheinlich eine spöttische Verwendung von „*visae patentes (litterae)“ (ordnungsgemäß geprüfte Patente).

[] Revolution, die

die bestehende politische und soziale Ordnung grundlegend verändernder, oft gewaltsamer Umsturz oder Umwälzungsprozess

Anders als in der Geschichte von David und Goliath muss sich im echten Leben auch die sympathischste Streitmacht meist einem Gegner geschlagen geben, wenn dieser überlegen ist. So geschah dies auch am 27.04.1848, als die aus Frankreich kommende „Deutsche Demokratische Legion“ im Gefecht bei Dossenbach in Südbaden württembergischen Truppen unterlag. Innerhalb einer Woche waren so alle drei motivierten, aber schlecht ausgerüsteten und unerfahrenen Züge der Republikaner von der Reaktion besiegt worden und die erste Phase der Badischen Revolution zu Ende. Im Mai 1849 sollte sie endgültig scheitern.

[] Super-GAU, der

umgangssprachlich: nicht mehr beherrschbarer Störfall in einem Kernkraftwerk, der zur Kontamination der Umwelt führt

Als russische Invasionstruppen am 24. Februar das Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks bei Čornobyl' (Tschernobyl) besetzten, kamen bei vielen Erinnerungen an ein einschneidendes Ereignis der 1980er hoch: In der Nacht vom 26. April 1986 ereignete sich bei einer grundlegende Sicherheitsbestimmungen verletzenden Simulation eines Stromausfalls eine Kernschmelze mit Explosion, die hochradioaktives Material in die Atmosphäre brachte, mit Auswirkungen bis nach Westeuropa. Obwohl die Kernkraftwerke in Deutschland schon rein baulich in keinem „größten anzunehmenden Unfall“ dieser Art enden können, führte die Katastrophe letztlich zum deutschen Ausstieg aus der Kernenergie.

[] watscheln, Verb

umgangssprachlich: sich mit nachgezogenen, plumpen Füßen schwerfällig und nach der Seite schwankend fortbewegen

Adrett gekleidet, doch ein tollpatschiger Gang: Am heutigen Weltpinguintag soll darauf aufmerksam gemacht werden, wie der Klimawandel und die Vermüllung der Meere den Lebensraum der watschelnden Frackträger zunehmend gefährdet. Das Datum des Aktionstags geht vermeintlich darauf zurück, dass Forscher der McMurdo-Station in der Antarktis jedes Jahr auf den Tag genau am 25. April beobachten konnten, wie Adéliepinguine auf ihrer Insel an Land gingen. Sie passierten die Forschungsstation auf dem Weg von ihren Brutstätten auf dem antarktischen Festland ins nördlich gelegene Packeis, wo sie dank der besseren Jagdmöglichkeiten die Wintermonate verbrachten.

[] Versuchskaninchen, das

umgangssprachlich, abwertend: jmd., mit dem man etw. erprobt

Der Tierversuch ist nach wie vor eine Standardmethode in der Erforschung von Arzneimitteln und Chemikalien. An das damit verbundene Tierleid erinnert der heutige Internationale Tag des Versuchstiers. Im Jahr 2020 sind bundesweit rund 1,9 Mio. Tiere für Versuche verwendet und davon ein Drittel getötet worden. Besonders oft herhalten müssen kleine Nager: 2020 sind 70,6 Prozent der Versuchstiere Mäuse gewesen, 3,7 Prozent Kaninchen. Warum es dann ausgerechnet das Versuchskaninchen und nicht die Versuchsmaus oder -ratte als Metapher in den deutschen Wortschatz geschafft hat (erste Belege finden sich schon vor 1900), darüber können wir nur spekulieren. Vielleicht kann man sich mit dem flauschigen Kaninchen besser identifizieren?

[] aufmüpfig, Adj.

umgangssprachlich, leicht scherzhaft: mit Trotz, Widerspruch oder Widerstand reagierend, gegen etw. aufbegehrend

Während die Abspaltung der Südstaaten 1861 einen blutigen Bürgerkrieg auslöste, sorgte eine Sezession in Florida vor genau 40 Jahren für positive Gefühle und Folgen: Im sich hinziehenden Streit um eine den Tourismus behindernde Polizei-Kontrollstelle erklärte sich die Inselkette Key West am 23.04.1982 als „Conch Republic“ für unabhängig, erklärte den USA den Krieg und kapitulierte umgehend mit der Bitte um eine Milliarde Dollar Wiederaufbauhilfe. Der PR-Stunt war erfolgreich, die Kontrollstelle wurde aufgegeben. Als augenzwinkernde Folklore existiert die „Fechterschneckenrepublik“ übrigens bis heute.

[] der blaue Planet, Mehrwortausdruck

der Planet Erde

„Ich sehe die Erde! Ich sehe die Wolken, es ist bewundernswert, was für eine Schönheit!“ So schwärmte Kosmonaut Juri Gagarin, der als erster Mensch die Erde vom All aus betrachten durfte. Und seitdem das von Apollo 17 aufgenommene Foto die Erdkugel sogar in Vollansicht zeigt, weiß jeder: Unser Planet strahlt in tiefem Blau. Verantwortlich dafür ist das Wasser der Ozeane und die Atmosphäre, aus denen das gebrochene und gestreute Sonnenlicht bläulich zurückstrahlt. Geahnt hatte dies schon der französische Dichter Paul Éluard, der 1929 als poetisch surrealistisches Vexierspiel dichtete: „la terre est bleue comme une orange“ – Die Erde ist blau wie eine Orange.

[] Spielkonsole, die

elektronisches Gerät für Computerspiele, das mobil benutzt oder an den Fernseher angeschlossen wird

Kennen Sie das: Töne, Düfte, Fotos, aber auch alte Spielsachen, die Erinnerungen an „die gute alte Zeit“ wecken? Für einige Menschen dürfte der Gameboy, der heute vor 33 Jahren erstmals verkauft wurde, solche Anflüge der Nostalgie auslösen. Seither hat es viele weitere Generationen des Gameboys und anderer tragbarer Konsolen gegeben: kleiner, leichter, bunter, fortschrittlicher. Doch an dem klobigen Ur-Gameboy von 1989 mit dem grünlichen Display hängen die Herzen. Manche Eltern dürften die in Dauerschleife gespielten 8-Bit-Sounds halb in den Wahnsinn getrieben haben, während ihre Kinder sich stundenlang am selben Level von „Super Mario Land“ versuchten. Was für eine schöne Zeit das doch damals war!

[] Chinesisch, das

jede der in China beheimateten sinitischen Sprachen der sinotibetischen Sprachfamilie, besonders das auf dem Mandarin basierende Hochchinesisch; Standardchinesisch

Um kulturelle Diversität und Mehrsprachigkeit in den Fokus zu rücken, riefen die Vereinten Nationen 2010 für jede ihrer sechs Amtssprachen einen Weltsprachentag ins Leben, so auch den heutigen internationalen Tag der chinesischen Sprache. Und das Chinesische hat auch im Deutschen Spuren hinterlassen. Neben Kulturimporten wie Kungfu, Tai-Chi, Qigong und Feng Shui wurde unser Wortschatz vor allem kulinarisch bereichert: Tofu, Dim Sum, Litschi und Tee entstammen alle dem Hochchinesischen oder einer der anderen chinesischen Sprachen. Umgekehrt haben im 20. Jhd. vorwiegend deutsche Begriffe aus Wissenschaft, Technik und Medizin Einzug in das (Hoch-)Chinesische gefunden.

[] Schnaufer, der

tiefer, kräftiger und deutlich hörbarer Atemzug

Wenig weiß man von John J. McDermott, aber eines ist sicher: Er gewann am 19. April 1897, heute vor 125 Jahren, den ersten Boston-Marathon. Dieser Marathon ist das älteste nichtolympische Event seiner Art. Den letzten Schnaufer auf dieser Strecke machte McDermott nach 2 Stunden und 55 Minuten, mit Blut und Blasen an den Füßen, wie die Chronik zu berichten weiß. Wann McDermott den letzten Schnaufer in seinem Leben tat, ist wie vieles andere über ihn nicht bekannt. Nur eines ist mit Sicherheit überliefert: Es war tatsächlich eine Lungenkrankheit, die ihn zu diesem allerletzten Atemzug zwang.

[] Waschsalon, der

Laden mit Waschmaschinen und elektrischen Wäschetrocknern, die Kunden gegen Bezahlung benutzen können, um ihre Wäsche selbst zu waschen und zu trocknen

Heute vor 88 Jahren ist angeblich im texanischen Fort Worth (oder in Chicago) der erste Waschsalon eröffnet worden – ein Segen für die Leute, die bis dahin viel Zeit und Kraft darauf verwendet hatten, ihre Wäsche von Hand zu waschen. Eine eigene Waschmaschine konnte sich damals kaum jemand leisten. Und da das öffentliche Waschen eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, wurde der Waschsalon auch zu einem Ort der Begegnung, des Austauschs und des Innehaltens. Einige Betreiber banden die Wartezeiten geschickt in ihre Geschäftskonzepte ein. So können Sie auch heute noch in manchen Salons einen Kaffee trinken, an der Bar sitzen oder sogar eine Kunstausstellung bewundern, während Sie auf Ihre maschinenreine XXL-Kuscheldecke warten.

[] nicht alle Eier in einen Korb legen, Mehrwortausdruck

Vermögen in mehrere Geldanlagen investieren, breiter streuen (um so Risiken zu minimieren)

Manche Katastrophen sind vorhersehbar. Wo immer in einer Wilhelm-Busch-Bildergeschichte ein Korb voller Eier herumsteht, kann sich der Leser „ausmalen“ was folgt: eine große Sauerei mit jeder Menge Rührei. Was seit über hundert Jahren für Lacher sorgt, gilt bei Börsianern als metaphorisches Beispiel für einen Totalverlust, meist gefolgt von der Mahnung, seine Investments doch besser zu diversifizieren, also seine „Eier“ niemals nur in einen Korb zu legen. Vielleicht lässt sich dies ja auch auf die familiäre Ostereiersuche umwidmen: Verteilt auf viele Verstecke, haben die Sprösslinge mehr Spaß an der Suche nach Schokohase & Co. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein frohes Osterfest.

[] Ostersamstag, der

Religion: Samstag nach Ostern

Vielleicht werden Sie unserer Definition widersprechen: Ostersamstag (bzw. -sonnabend) ist doch heute, der Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag! Umgangssprachlich heißt es zwar tatsächlich so, aber aus Sicht der Kirche, die eine komplexe, ausführliche Einteilung für die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten hat, ist heute der Karsamstag, und der Ostersamstag eben erst in einer Woche, als erster Samstag nach dem Hochfest, vor dem Weißen Sonntag als erstem Oktavtag. Besonders bei Verabredungen mit theologisch bewanderten Menschen ist es daher angeraten, beim „Ostersamstag“ nochmal das kalendarische Datum hinzuzusetzen.

[] auf dem falschen Dampfer sein, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sich irren, auf einem Irrweg befinden; einer Fehleinschätzung unterliegen

Auf dem sprichwörtlichen falschen Dampfer sitzen wir alle von Zeit zu Zeit. Die kleinen alltäglichen Irrtümer und Fehleinschätzungen gehören zum Leben dazu. Eine der großen und auf tragische Art berühmtesten Fehleinschätzungen der neueren Geschichte hängt mit dem heutigen Jahrestag zusammen. Heute vor 110 Jahren versank der Luxusdampfer „Titanic“ nach dem nächtlichen Zusammenprall mit einem Eisberg im Atlantik. Er riss etwa 1500 Menschen in den Tod, nur rund 700 konnten gerettet werden. Zuvor wurde die Titanic von der Öffentlichkeit noch als unsinkbares Schiff gefeiert und verklärt. Dass sich diese Annahme als Irrtum herausstellte, erschütterte das Vertrauen in den technischen Fortschritt nachhaltig.

[] Maultasche, die

Kochkunst: den italienischen Ravioli ähnelnde, aber deutlich größere Nudelteigtasche, die mit gehacktem Fleisch, Kräutern, Gemüse und anderen Zutaten gefüllt wird und als Suppeneinlage oder mit Beilagen wie Salat, Kartoffelsalat o. Ä. gegessen wird; regionale Spezialität in Schwaben

Obwohl in der Karwoche kein Fleisch gegessen werden durfte, wollte ein Mönch des Maulbronner Klosters vor über 500 Jahren nicht darauf verzichten. Daher versteckte er es vor den Augen Gottes kleingehackt und mit anderen Zutaten vermengt in einer Hülle aus Nudelteig. Er wollte den Herrgott also, salopp ausgedrückt, bescheißen. Ob diese Erzählung über die Entstehung der Maultasche der Wahrheit entspricht, ist nicht geklärt. Dennoch kommen an Gründonnerstag bei vielen Schwaben traditionell die im Schwäbischen auch als „Herrgottsbscheißerle“ bekannten Teigtaschen auf den Tisch – vorzugsweise selbstgemacht.

[] Verstoß, der

Übertretung, Verletzung eines Gesetzes, einer Vorschrift, Bestimmung oder Regel, Vergehen, Fehler

Verstöße gegen Grammatik werden meist mit Hohn und Spott geahndet, manchmal aber auch geadelt, so 1844: Nachdem ein in seiner Ehre gekränkter Bürgermeister geglaubt hatte, König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ermorden zu müssen (er schoss aber daneben), dichtete ein kreativer Flugblattschreiber: „Der verruchte Uebelthäter, Hochverräther, Attentäter“. Er wendete dabei die Wortbildungsregel für das einheimische Substantiv „Tat“ (wird zu „Täter“) schlitzohrig auf das nach französischem Vorbild gebildete Fremdwort „Attentat“ an. Im Französischen existiert das Wort „l'attentat“ weiterhin, den „Attentäter“ dagegen gibt es nur im Deutschen.

[] Kernwaffenverzicht, der

freiwillige Abschaffung, Reduktion oder Nicht-Anschaffung nuklearer Sprengkörper

Nicht erst seit Hiroshima und Nagasaki hatte wissenschaftlicher Fortschritt sehr reale soziale und politische Auswirkungen. Als Bundeskanzler Konrad Adenauer daher am 5.4.1957 verkündete, die Bundeswehr nuklear bewaffnen zu wollen, regte sich erstmals öffentlicher Protest von Seiten der Wissenschaft. Die Göttinger Achtzehn – eine Gruppe der führenden Atomphysiker des Landes – stellten sich in der am 12.4.1957 veröffentlichten Göttinger Erklärung vehement gegen die nukleare Politik der BRD. Politisch hatten sie damit zunächst keinen Erfolg, doch das hervorgerufene Medienecho führte letztlich zur Gründung der Anti-Atom- und Friedensbewegung.

[] tote Hose, Mehrwortausdruck

langweilige Person, Langweiler, Versager

Der Punk ist in die Jahre gekommen und manch einer der Protagonisten zu Ruhm und Reichtum. Das passt so gar nicht zu einer Richtung, die Lustlosigkeit, „null Bock“ und Versagen als Lebenshaltung zu kultivieren wusste. Eine der frühen, prägenden Gestalten der deutschen Punk-Szene war Campino, Frontmann und Sänger der Gruppe „Die Toten Hosen“ aus Düsseldorf. Die Band gab heute vor vierzig Jahren im Bremer „Schlachthof“ ihr Debüt-Konzert, damals irrtümlich als „Die Toten Hasen“ angekündigt (steckte Joseph Beuys hinter diesem Fehler?). Schon 2001 reichte die eingespielte Kohle, um in einer aufsehenerregenden Aktion den lokalen Fußballverein Fortuna Düsseldorf vor der Insolvenz zu retten.

[] Sicherheitsnadel, die

gebogene Nadel mit einem die Spitze verdeckenden Verschluss, mit der man etw. feststecken, zusammenstecken kann

Niemand erfüllt das Klischee des mittellosen Erfinders besser als der Amerikaner Walter Hunt. Trotz unzähliger Patente konnte er nie Kapital aus seinen Erfindungen schlagen. Ein Erfinder mit Leib und Seele eben und kein Geschäftsmann. So wurde auch seine berühmteste Erfindung, die am 10.4.1849 patentierte Sicherheitsnadel, eher aus einer finanziellen Not heraus geboren. Da er einem Musterzeichner, den er für frühere Patente engagiert hatte, noch 15 Dollar schuldete, verkaufte er die Rechte an der Sicherheitsnadel prompt nach ihrer Patentierung an dessen Firma – für 400 Dollar. Kein kluger Schachzug, denn die Sicherheitsnadel erwirtschaftete dem Unternehmen Gewinne in Millionenhöhe.

[] pikiert, part. Adj.

gekränkt, leicht beleidigt

Aus alt mach neu – Recycling beschränkt sich nicht auf die Welt der Dinge, auch Wörter können bisweilen neu belebt werden. Unabhängig davon, ob Sie sich „pikiert“ fühlen, einen „Piks“ bekommen oder im Skat mit „Pik“ stechen: alle diese ‚spitzigen‘ Begriffe gehen zurück auf „Pike“ (Spieß) bzw. „pikieren“ (stechen), die wiederum aus französisch „piquer“ oder „pique“ übernommen wurden. (Weiteres hier.) Da die Pike als Kriegswaffe im 18. Jh. außer Gebrauch kam, wurde das Wort frei für zivilere Lesarten. Die Entlehnung aus dem Französischen hatte jedoch Folgen. Während der „Pieps“ orthografisch folgerichtig mit „ie“ geschrieben wird, muss der kleine „Piks“ (so auch „piken“) bis heute ohne auskommen.

[] Romani, das

Sprachwissenschaft: Sprache der Roma, die zur indoarischen Unterfamilie des Indogermanischen gehört und in unterschiedlichen Dialekten vorkommt

Heute ist der internationale Tag der Roma, von deren Namen sich die Sammelbezeichnung „Romani“ für die von bis zu sechs Millionen Menschen gesprochenen Varietäten dieser größten ethnischen Minderheit Europas ableitet. Die Sprache hat aber nichts mit dem Rumänischen zu tun, sondern basiert vielmehr auf indoarischen Dialekten, die mit ihren Sprechern vor vielen Jahrhunderten über Vorderasien nach Europa kamen. Wie eine Schatzkiste (für Linguisten) hat die Sprache dabei Lehnwörter aus dem Persischen, Armenischen, Mittelgriechischen und vielen anderen Kontaktsprachen aufgesammelt, aber auch andere Sprachen bereichert, Deutsch z. B. um „Zaster“ und „Kaff“.

[] Biber, der

in Europa und Nordamerika heimische Gattung relativ großer Nagetiere mit braunem Fell, kräftigen Zähnen und plattem Schwanz, die am und im Wasser (in Biberburgen) lebt und sich pflanzlich ernährt

Heute ist der internationale Tag des Bibers. Mit dem Datum wird nicht nur das größte Nagetier Nordamerikas und Europas, sondern gerade auch die am 07.04.1894 geborene US-amerikanische Forscherin Dorothy Richards geehrt, die sich für den Schutz der Biber eingesetzt hat. Denn durch Jagd waren die Bestände einst extrem zurückgegangen. Begehrt waren besonders das Fell, das sog. Bibergeil und nicht zuletzt das Fleisch, das Katholiken auch freitags essen durften. Heute ist der fleißige Dammbauer in Europa geschützt und wieder häufiger anzutreffen, nicht immer zur Freude der Land- und Forstwirte. Man wird sich arrangieren.

[] Ballgefühl, das

Ballsport: Fähigkeit eines Spielers, mittels gut koordinierter Körperbewegungen den Ball beim Spielen kontrollieren zu können

Tischtennis ist nicht nur ein faszinierender Sport, sondern auch ein bewährtes Mittel zur Deeskalation diplomatischer Spannungen. Ein kleiner Blick in die Geschichte: Die Annäherung Chinas an die USA verlief in den 1950er- und 60er-Jahren eher schleppend. Doch dann freundeten sich 1971 während der Tischtennisweltmeisterschaft in Nagoya der Amerikaner Glenn Cowan und der Chinese Zhuang Zedong an. Was mit einer Einladung der amerikanischen Spieler zu Freundschaftsspielen nach China begann, kulminierte im Treffen hochrangiger Politiker, die die Lage entschärfen konnten. Diese als Ping-Pong-Diplomatie in die Geschichte eingegangenen Ereignisse nahm die „International Table Tennis Federation“ 2015 zum Anlass, den heute begangenen Welttischtennistag ins Leben zu rufen.

[] Skulptur, die

körperhaftes, dreidimensionales Bildwerk, das durch Meißeln, Schnitzen, Hauen aus Materialien wie Holz, Marmor, Bronze o. Ä. geschaffen wurde

Heute vor 300 Jahren sichtete ein Matrose einer Flotte der Niederländischen Westindienkompanie Land. Da man gerade Ostern feierte, nannte man das neu entdeckte Eiland folgerichtig „Osterinsel“ – und kam aus dem Staunen nicht heraus, wie der mitreisende Carl Friedrich Behrens in seinem Bericht (1735) beschrieb. Riesige Steinskulpturen zierten die eher karge Insel: „Diese Götzen-Bilder waren alle aus Steinen gehauen, und der Form nach, wie ein Mensch, mit langen Ohren (...) doch alles nach der Kunst gemacht, worüber wir uns nicht wenig verwunderten.“ Bis heute ist diese Bewunderung für die polynesischen Siedler, denen es gelang, dem Fels die tonnenschweren Kunstwerke abzutrotzen, geblieben.

[] Nato, die

militärisch-politisches Bündnis von europäischen und nordamerikanischen Staaten mit dem Ziel der Gewährleistung der eigenen Sicherheit und weltweiter politischer Stabilität

An kaum einer Organisation dürften sich die Geister so scheiden wie am Verteidigungsbündnis North Atlantic Treaty Organization (NATO). Im Kalten Krieg, dessen erste Krisen Anlass für die Gründung waren, galt sie den einen als Garant für Sicherheit vor dem Ostblock, den anderen als imperialistische Bedrohung. Nach 1990 wird sie von den einen als überholt und aggressiv angesehen, von den anderen als wichtiges Element der weltweiten Sicherheitsarchitektur. Am 4. April 1949 wurde der Nordatlantikpakt zur gegenseitigen militärischen Unterstützung von den USA, Kanada und 10 Ländern Westeuropas unterschrieben, heute zählt er 30 Mitglieder.

[] Arschkarte, die

Sport: rote Karte für den Platzverweis in Mannschaftssportarten, besonders im Fußball

Auch in der Fußball-Bundesliga war die Phase der ungesühnten Revanchefouls, der Beleidigungen, der Blutgrätschen und des Trikotziehens abrupt zu Ende, als der Bochumer Schiedsrichter Wilfried Hilker am 3. April 1971 zum ersten Mal in die Gesäßtasche griff und die rote Karte zückte. Die wurde vorher schon international und in unteren Ligen eingesetzt. Es ist eine hübsche, aber nicht sicher belegbare Geschichte, dass auch die Bezeichnung „Arschkarte“ sich ursprünglich auf die Gesäßtasche des Schiedsrichters bezog. Belegbare und verlässliche Informationen zum Wortschatz des Fußballs bieten wir Ihnen übrigens mit unserem Fußballglossar.

[] Prinzessin auf der Erbse, Mehrwortausdruck

abwertend, gelegentlich scherzhaft: (meist weibliche) übermäßig empfindliche, sensible Person

Es ist heutzutage kein Kompliment, wenn einen jemand als Prinzessin auf der Erbse bezeichnet. Eher bedeutet es: Du bist ja eine Mimose! Sei nicht so empfindlich! Der Ausdruck stammt aus dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen, der heute vor 217 Jahren geboren wurde. Im Märchen sucht der heiratswillige Prinz nach seiner Traumfrau – „eine wirkliche Prinzessin“ soll es sein. Schließlich findet und erkennt er sie, und zwar daran, dass sie eine winzige Erbse durch 20 Matratzen und 20 Federbetten hindurch erspüren kann. Ihre große Empfindsamkeit macht sie zur wirklichen Prinzessin. Vielleicht kennen Sie ja auch eine Prinzessin auf der Erbse mit so einer ungewöhnlichen Fähigkeit …

[] Spaßbremse, die

abwertend, scherzhaft: Person oder Institution, die durch Verweis auf problematische Aspekte, Humorlosigkeit oder übertriebenen Ernst anderen die Freude an einer Sache schmälert

Der Bierschnegel ist wieder da! Die gebietsweise als ausgestorben geltende Nacktschneckenart wurde (schon im April 2017) in einer Hamburger Brauerei wiederentdeckt: Das hopfensaftliebende Weichtier hält sich mit Vorliebe in feuchten Wirtshauskellern auf, ist dort wegen zunehmender Hygiene aber immer seltener anzutreffen. April, April? Tja, leider müssen wir Sie enttäuschen: Den bierseligen Bierschnegel (Limacus flavus) gibt es tatsächlich. Ja, ernsthaft! Angesichts grassierender Falschnachrichten haben wir uns entschlossen, am 1. April mal auf die Scherzbremse zu treten. Schließlich kann man auch ohne Fake News Spaß haben.

[] Backup, das oder der

das Schützen von elektronisch gespeicherten Daten durch Kopieren zur Vorbeugung vor eventuellem Verlust

Wenn der stets zu Scherzen aufgelegte Kollege am 1. April aus einem Txt ll Vkl lscht oder wenn eine Schadsoftware ganze Festplatten verschlüsselt, dann ist man der Systemadministratorin dankbar, die rechtzeitig für eine Sicherungskopie gesorgt hat und die die Daten daraus wiederherstellen kann. Um das Bewusstsein für solche nicht seltenen Vorfälle und Missgeschicke zu stärken, hat der IT-Experte Ismail Jadun den „World Backup Day“ ins Leben gerufen. Dies soll keine Werbung sein für entsprechende Werkzeuge und Dienstleistungen, denn im Homeoffice sind vielleicht Sie selbst dafür verantwortlich, dass die Früchte ihrer Arbeit am Ende nicht verloren

[] Fluglärm, der

Lärm von Flugzeugen, Hubschraubern o. Ä. (besonders beim Starten und Landen)

Für einen erholsamen Schlaf in der Nacht und konzentriertes Arbeiten am Tag ist eins unerlässlich: Ruhe. Davon können insbesondere die ein Lied singen, die im Einzugsbereich eines Flughafens leben. Mit dem aufkommenden zivilen Luftverkehr seit Ende der 1950er-Jahre und der Ausdehnung der Städte in Richtung der Flughäfen sahen sich daher mehr und mehr Leute einer erhöhten Lärmbelästigung ausgesetzt. Justitia reagierte darauf mit dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm. Das am 30. März 1971 verabschiedete und 2007 novellierte Gesetz definiert verschiedene, mit verschiedenen (Bau-)Verboten und Auflagen versehene, Lärmschutzbereiche.

[] poppig, Adj.

den Pop, die 1960er und 1970er Jahre betreffend; Stil- und Gestaltungselemente der Pop-Art und Popmusik aufweisend; bunt, auffallend, modern

Beflügelt vom Erfolg ihres englischsprachigen Popsongs „She's My Kind of Girl“ in Japan beschlossen Björn Ulvaeus und Benny Andersson, weiterhin auf Popmusik zu setzen. Heute vor 50 Jahren nahmen sie daher mit ihren damaligen Lebensgefährtinnen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad die Single „People Need Love“ auf, die sie als „Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid“ veröffentlichten. Es sollte jedoch noch zwei Jahre dauern, bis dem schwedischen Quartett 1974 mit „Waterloo“ der internationale Durchbruch gelang. Für die dann unter dem Namen ABBA bekannte Band begann damit eine der erfolgreichsten Karrieren der Musikgeschichte.

[] Propaganda, die

veraltend: systematische Verbreitung eigener politischer, philosophischer und anderer Lehren, Ideen und Meinungen mit dem Ziel der Beeinflussung des öffentlichen Bewusstseins

Leider wieder aktuell: Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer. Totalitäre Regime setzen Propaganda (ein Ausdruck, der ursprünglich keinen negativen Beigeschmack hatte) aber auch schon im Frieden ein, um sich zu legitimieren und die Gesellschaft nach ihrer Ideologie zu formen. Eines der bekanntesten Einzelbeispiele hierfür ist der inszenierte Dokumentarfilm „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl über den Reichsparteitag der NSDAP 1934, der am 28.03.1935 uraufgeführt wurde. Inhaltlich völlig indiskutabel, ist der künstlerische Wert des Werks nicht zu leugnen, so dass seine Einflüsse noch lange erkennbar waren.

[] Zugangsbeschränkung, die

Beschränkung der Erlaubnis, an einem Ausbildungsgang teilzunehmen, auf eine bestimmte Zahl ausgewählter Personen, meist durch Auswahl der Kandidaten mit den besten Noten

Geplant war er ausdrücklich als „zeitlich begrenzte Notmaßnahme“, doch er erweist sich als erstaunlich langlebig – der Numerus clausus: Am 27. März 1968 präsentierte die Westdeutsche Rektorenkonferenz einen Maßnahmenkatalog, der angesichts der wenigen Studienplätze die Zahl der Bewerber begrenzen sollte (deshalb auch lat. numerus clausus = ‚beschränkte Anzahl‘). Bei den Studenten stieß dies in der aufgeheizten Stimmung des Jahres 1968 auf wenig Gegenliebe. Im Grunde aber bedeutete der NC eine Vereinheitlichung, da bis dahin jede Fakultät ihre Plätze nach eigenen Kriterien vergeben hatte, was bundesweit einen wirren Flickenteppich an Regelungen zeitigte.

[] Indie, das oder der

Firma, die sich der massenhaften Kommerzialisierung widersetzt und unabhängig vom allgemeinen Zeitgeist unkonventionelle (künstlerische) Produkte für Personen mit einem besonderen Anspruch oder Geschmack vertreibt, besonders im Bereich Musik und Film

Seit 2013 wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz am heutigen Tag der „Independent Book Day“ begangen. Die Initiative eines kleinen Hamburger Verlags zielt darauf, die Aufmerksamkeit für die Produkte kleiner Verlage zu wecken, die ansonsten in der Masse der prominenteren Publikationen untergehen würden. Vielleicht können wir den diesjährigen Gedenktag dazu nutzen, einen Blick in die Programme der 26 ukrainischen Verlage zu werfen, die auch in diesen schwierigen Zeiten ihrem Geschäft nachgehen, die Bevölkerung mit unabhängigen Informationen und schöner Literatur zu versorgen. Vielleicht finden Sie ja eine Gelegenheit, die Arbeit dieser Verlage zu unterstützen. Oder Sie erwerben das Buch einer ukrainischen Autorin, das in einem Kleinverlag hierzulande erscheint. Dann gewinnen beide.

[] US-Dollar, der

nationale Währung der USA

Dass der mächtige US-Dollar etymologisch seine Heimat im beschaulichen Erzgebirge hat, merkt man ihm heute nicht mehr an. Tatsächlich aber prägten die böhmischen Grafen Schlick 1519 in Joachimsthal eine Silbermünze, die im Wert dem rheinischen Goldgulden entsprach: den Joachimst(h)aler. Ohne es beabsichtigt zu haben, schufen sie mit dem bald nur noch T(h)aler genannten Zahlungsmittel eine neue Währungseinheit, die sich schnell zur Leitwährung im Deutschen Reich entwickelte. Selbst in den Niederlanden, in Dänemark oder England akzeptierte man den „daler“. Wobei im Englischen ab 1600 die Schreibung zu „Dollar“ mutierte. Ein Wort, mit dem die nordamerikanischen Siedler zunächst den spanischen Peso, später ihre eigene Währung bezeichneten.

[] Durchblick, der

freie Sicht zwischen zwei Gegenständen oder durch einen transparenten Gegenstand hindurch

Vor der Einführung der Windschutzscheibe blies den frühen Autofahrern der Wind (und alles, was dieser so mit sich führte) noch ungehindert um die Nase. Trotz der schützenden Wirkung waren aber nicht alle begeistert von dieser Neuerung. Denn die eigentlich durchsichtige Scheibe wurde durch Staub- und Schmutzablagerungen schnell „undurchsichtig“; der Durchblick bei Regen nahezu unmöglich. Diesen „Übelstand“ beseitigte Heinrich von Preußen, begeisterter Automobilist und Bruder von Kaiser Wilhelm II., mit Erfindergeist. Am 24.03.1908 wurde ihm das Patent für „Aus einem nach Art eines Freiträgers ausladenden Abstreichlineal bestehenden Scheibenreiniger für die vordere Schutzscheibe eines Kraftfahrzeugs“ bewilligt. Zu Deutsch: ein manuell betriebener Scheibenwischer.

[] Stein des Anstoßes, Mehrwortausdruck

Ursache eines Ärgernisses, des Missfallens; Anlass für (wiederkehrende) Diskussionen, Auseinandersetzungen o. Ä.

Bekanntermaßen sind es am Ende Kleinigkeiten, die ein Fass endgültig zum Überlaufen bringen. In diesem historischen Fall war gewissermaßen ein alter Hut Stein des Anstoßes: Karl III., seit 1759 König von Spanien, wollte sein Reich mit Hilfe eines Ministers modernisieren. Da viele dieser Ambitionen Steuererhöhungen zur Folge hatten, wuchs der Unmut. Dass der Minister dann auch noch den traditionellen „sombrero rodondo“ (den breitkrempigen Hut) und die „carpa larga“ (den langen Umhang) bei Strafe verbot, löste am 23. März 1766 den „Madrider Hutaufstand“ aus. 50.000 erboste Bürger verprügelten Polizisten, demolierten Paläste und jagten den verhassten Minister ins Exil.

[] Kopf und Kragen riskieren, Mehrwortausdruck

sein Leben, seine Existenz gefährden; ein hohes Risiko eingehen, etw. Gefährliches tun

Wer „Kopf und Kragen“ riskierte, setzte damals wie heute sein Leben, seine Existenz aufs Spiel. Dass der „Kragen“ dabei nicht für das Kleidungsstück steht, sondern für den Hals, kann man an verwandten Wendungen (z. B. „einer Gans den Kragen umdrehen“) erkennen. Allerdings handelt es sich nicht um eine Bedeutungsübertragung vom Kleidungsstück auf den Körperteil – es ist genau umgekehrt. Im Mittelhochdeutschen meinte man mit „krage“ vielmehr: Hals, Kehle, Schlund und Nacken. So wie es noch in einer frommen Leichenpredigt im 16. Jh. zu hören war: „Die beste Kost jag durch den Kragn/ Mit Bier und Wein stets fül dein Magn“, was natürlich abschreckend gemeint war.

[] Vers, der

metrisch, rhythmisch gestaltetes, oft gereimtes sprachliches Gebilde in gebundener Rede, das meist eine Zeile in einem Gedicht, einer Strophe, in einem Drama oder Epos bildet

Der Hexameter gilt als der Griechen trefflichstes Versmaß.
Ein Pentameter drauf trifft auch den guten Geschmack.
Doch ein Binnenreim darf auch mal sein,
Und ein Limerick ist immer schick:
Ein trauriger Elch aus Finnland,
den hielt es nicht länger im Inland.
Er zog in die Welt,
doch das ward ihm vergällt.
Jetzt hängt sein Geweih an ’ner Pinnwand.

Ob Sie den heutigen Welttag der Poesie in deren höchsten Höhen oder tiefsten Tiefen verbringen, wir wünschen Ihnen damit den ungebrochenen Spaß, den diese Form der Sprache uns allen seit Urzeiten bereitet!

[] besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: es ist manchmal klüger, sich mit etwas Geringerem zufriedenzugeben, als schwer oder nicht Erreichbares zu erhoffen, anzustreben

Heute ist der Welttag des Sperlings, wie der Spatz auch genannt wird. Im oben zitierten Mehrwortausdruck ist der hellbraune Mini-Dinosaurier Stellvertreter für eine Sache, die zwar gering, aber besser als nichts (bzw. eine reine Wunschvorstellung) ist – bestimmt auch, weil er als genügsamer Kulturfolger fast überall in großen Mengen zu finden ist. Dieser Umstand hat ihm aber nicht nur Glück gebracht: die Sperlinge wurden zu Unrecht als Schädlinge verschrien, so dass ihnen sogar mehrfach der Krieg erklärt wurde – mit verhängnisvollen Folgen: Ohne die fleißigen Räuber kam es im Folgejahr stets zu Insektenplagen.

[] Gebärdensprache, die

aus körperlichen Zeichen, besonders Gestik und Mimik, bestehende menschliche Sprache mit definierter Grammatik und Lexik, die besonders von Schwerhörigen und Gehörlosen verwendet wird

Gehörlose hatten es früher noch schwerer – bis weit über die 1980er Jahre hinaus versuchte man sie mehr schlecht als recht an die lautsprachliche Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Einen großen Schritt stellte das 2002 verabschiedete Behindertengeichstellungsgesetz dar, das die Deutsche Gebärdensprache (DGS) erstmals als eigenständige Sprache anerkannte. Als wesentlicher Teil der Gehörlosenkultur und -geschichte hat die Deutsche Gebärdensprache nicht nur eine identitätsstiftende Wirkung, sondern sorgt auch für eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft. Heute vor einem Jahr wurde der DGS eine besondere Ehre zuteil: Sie wurde in das Immaterielle UNESCO-Kulturerbe in Deutschland aufgenommen.

[] den Seinen gibts der Herr im Schlaf, Mehrwortausdruck

scherzhaft: es gibt Menschen, die Erfolg haben, ohne sich dafür anstrengen zu müssen

Ob von Pädagogen, die sich über schlummernde Schüler mokieren, oder Neidhammeln, die über vermeintlich faule Menschen lästern – wenige Bibelsprüche wurden so lustvoll zweckentfremdet wie der berühmte Vers aus Psalm 127. Doch seine tatsächliche Intention bleibt rätselhaft. Als eines der 15 sogenannten Aufstiegslieder steht der Psalm für die Hinwendung zu Gott, ohne dessen Beistand alle Mühen vergeblich sind. Doch ist tatsächlich gemeint, dass Gott im Schlaf alles schenkt? Ein Psalmenkenner übersetzte ganz anders: „Ganz gewiss gibt er seinen Geliebten guten Schlaf.“ Ein solcher sei unseren Lesern am heutigen Weltschlaftag herzlich gegönnt.

[] Kleeblatt, das

meist aus drei, selten aus vier Teilen bestehendes Blatt des Klees; beliebtes Motiv in der Heraldik und als Marken- oder Firmenzeichen

Er brachte das komplizierte Problem der Dreieinigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist so elegant auf den Punkt wie kein Zweiter: der irische Missionar St. Patrick – so zumindest will es die Legende: Ein Druide machte sich einst auf einer Clanversammlung über die heilige Dreifaltigkeit lustig und zeichnete diese als dreiköpfiges Monster. Patrick präsentierte stattdessen ein Kleeblatt, gewann so den Disput und die Iren für das Christentum. Das Kleeblatt gilt seither nicht nur als inoffizielles Nationalsymbol Irlands, auch das englische „shamrock“ (= Kleeblatt) geht auf irisch „seamrog“ zurück und natürlich steht es heute am Sankt-Patricks-Tag im Mittelpunkt.

[] Breitensport, der

von Menschen aller Altersgruppen in der Freizeit zur Förderung der Gesundheit, der körperlichen Leistungsfähigkeit o. Ä. ausgeübte sportliche Betätigung

Sie führen Ihren Hund auf schmalem Waldweg aus. Von hinten nähert sich Ihnen jemand mit hartem Schritt und schnaufend wie eine Dampflokomotive. Kurz darauf zieht ein schwitzendes und Aerosol-sprühendes Wesen an Ihnen vorbei. Ärgern Sie sich nicht, sondern freuen Sie sich über dieses späte Produkt einer „Bewegung“ (im Sinn des Wortes), die der deutsche Sportbund am 16. März 1970 ins Leben rief. Es galt, der wirtschaftswunderlich verfetteten Bevölkerung der BRD die gesundheitsfördernde Wirkung des Breitensports wieder nahezubringen. Der Aktion wurde ein Motto gegeben, das aus heutiger Sicht vielleicht etwas infantil und anbiedernd wirken mag: Trimm Dich – durch Sport!

[] Pate, der

Oberhaupt einer im Stil einer Familie geführten Organisation, besonders einer Mafia-Organisation

Über die Mafia, den Inbegriff des organisierten Verbrechens, gibt es nicht nur zahlreiche, sondern auch zahlreiche richtig gute Filme. Primus inter Pares ist aber zweifelsohne ein Film, der heute vor fünfzig Jahren in den USA uraufgeführt wurde: „Der Pate“, gespickt mit Stars (wie Marlon Brando) oder solchen, die es werden sollten (wie Al Pacino), war ebenso ein kommerzieller wie künstlerischer Erfolg. Bis heute wird er in Hommagen und Parodien zitiert. Der auf dem Buch Mario Puzos beruhende Film Francis Ford Coppolas sah zwei Fortsetzungen (mit Vor- und späterer Geschichte) und prägte unsere Vorstellung von der Mafia wie kein zweiter.

[] Pi mal Daumen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft ungefähr, schätzungsweise; auf der Basis von Erfahrungs- oder näherungsweise ermittelten Zahlenwerten (grob geschätzt)

Nichts verspricht so viel Präzision, wie die bis dato 62,8 Billionen bekannten Nachkommastellen von Pi. Dem gegenüber steht in der Wendung „Pi mal Daumen“ eine denkbar ungenaue Größe. Aber ganz so unnütz ist der Daumen in Schätzfragen doch nicht, zumindest beim sogenannten Daumensprung: Bei dieser Faustregel zur Bestimmung der Distanz zu einem Objekt, peilt man ein Objekt zunächst mit einem Auge über den Daumen an. Man wechselt dann auf das andere Auge und der Daumen springt scheinbar nach rechts oder links. Aufgrund des Strahlensatzes und den Verhältnissen des menschlichen Körpers ergibt diese Distanz multipliziert mit 10 näherungsweise die Distanz zum Objekt.

[] Planetarium, das

System aus speziellen Projektoren, das den Sternenhimmel bzw. die Bewegung von Planeten, Sternen und anderen astronomischen Erscheinungen auf das Innere einer Kuppel projiziert

Sie zeigen uns die weiteste Ferne und vergegenwärtigen so, welch winziger Punkt im Kosmos die Erde ist: Planetarien. Am heutigen zweiten Märzsonntag werden sie weltweit mit einem internationalen Tag für ihre Forschungs- und Bildungsarbeit, die auch in den Zeiten computeranimierter Kosmos-Modelle weitergeht, geehrt. Doch es gibt heute noch ein weiteres astronomisches Ereignis zu feiern: Am 13.03.1781 wurde, völlig unerwartet, als erster nicht schon seit der Antike bekannter Planet Uranus entdeckt – von keinem Geringeren als Wilhelm Herschel, der ihn mit seinem selbst konstruierten Teleskop aufspürte.

[] Hyperlink, der

in der grafischen Darstellung auf einem Display oder einem Bildschirm meist optisch hervorgehobene, anklickbare Verknüpfung4 eines Textteiles oder grafischen Elementes mit einem anderen Text oder einer Mediendatei

Im Frühjahr 1945 publizierte der US-amerikanische Ingenieur Vannevar Bush in der Zeitschrift „Atlantic Monthly“ den Entwurf für eine universelle Wissensmaschine. Memex hieß dieser virtuelle Vorläufer des World Wide Web. Etwa 40 Jahre später griff der britische Physiker Tim Berners-Lee die Idee auf. Anders als Bush konnte er für die Realisierung seines Plans auf eine Schar miteinander vernetzter Rechner zurückgreifen. Die dort gespeicherten Dokumente sollten durch Hyperlinks leichter für die Forschung zugänglich gemacht werden. Am 12. März 1989 stellt er das Konzept an der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Genf vor. Heute ist die Wikipedia eine der reinsten Ausprägungen dieser Idee.

[] Kolumne, die

kurzer, stets von einem bestimmten Journalisten oder prominenten Autor verfasster und regelmäßig an einer bestimmten Stelle einer Zeitung oder Zeitschrift erscheinender Meinungsbeitrag

Kolumnen sind für viele Zeitungs- und Magazinleser ein wichtiger Grund, sich für dieses oder jenes Druckwerk (heutzutage natürlich auch in elektronischer Form) zu entscheiden, stehen sie doch für eine Kontinuität nicht nur in der Struktur der Ausgabe, sondern durch ihre namhaften Autoren auch in Thematik und Qualität. Als erster Zeitungskolumnist der Welt gilt der Brite John Hill, der ab dem 11. März 1751 für die „London Advertiser and Literary Gazette“ schrieb. Er war eigentlich Apotheker, aber auch tätig als Belletrist, bedeutender Botaniker und gar Mediziner, der als Erster den Zusammenhang von Tabakkonsum und Krebs beschrieb.

[] jmdm. Rede und Antwort stehen, Mehrwortausdruck

sich jmds. Fragen stellen und sie vollständig beantworten; die eigene Position, Meinung erläutern und verteidigen; Rechenschaft ablegen, sich rechtfertigen, verantworten

Ein altes Rechtssprichwort besagt: „Eines Mannes Rede sei keines Mannes Rede, man soll sie billig hören beede“ oder in vornehmem Juristenlatein: „audiatur et altera pars“ (auch der andere Teil soll gehört werden). Das Gericht als Ursprungsort dieser Wendungen verweist darauf, dass mit „Rede“ keine beliebige Äußerung gemeint war, sondern eben die Klage oder Anklage vor dem Kadi. Wohingegen man unter der „Antwort“ die Gegenrede oder Verteidigung verstand. Damit wird auch der ursprüngliche Sinn von „Rede und Antwort stehen“ durchsichtig. Heute wird die Wendung allgemein für „Rechenschaft ablegen“ verwendet, im Mittelalter bedeutete sie: „sich einem Prozess stellen“.

[] dritte Zähne, Mehrwortausdruck

meist herausnehmbare Zahnprothese

Bei einem Streifzug durch die Geschichte der Zahnheilkunde überkommt einen angesichts der schauerlichen Schicksale einiger Patienten unwillkürlich der Drang, sofort zu Zahnbürste und Zahnseide zu greifen. Lücken im Gebiss versuchte man wahlweise mit Zahnersatz aus Holz, Elfenbein, Knochen, Edelmetallen oder „freiwillig“ gespendeten Menschenzähnen zu füllen. Seit Ende des 18. Jh. läuteten Porzellangebisse einen Wandel in der Prothetik ein. In diese Phase fällt auch ein am 9. März 1822 in New York bewilligtes Patent zur verbesserten Konstruktion von Zahnersatz von Charles M. Graham. Ob dies das Leid der Zahnkranken mindern konnte, ist jedoch unklar, denn ein Brand im Patentamt vernichtete alle Dokumente außer einer Liste der in diesem Jahr bewilligten Patente.

[] per Anhalter, Mehrwortausdruck

als unentgeltlich in einem Personen- oder Lastkraftwagen mitgenommener Mitfahrer

Science-Fiction war lange meist in zwei Ausprägungen zu finden: Als von außen kommende Apokalypse wie in „Krieg der Welten“ oder als positiver Zukunftsentwurf wie in „Star Trek“. Was man auf BBC Radio 4 am 8. März 1978 aber zu hören bekam, war ganz anders: Mit der ersten Folge des Hörspiels „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ (dt. „Per Anhalter durch die Galaxis“) eröffnete der Autor Douglas Adams ein Universum voller Absurditäten und humorvoller Parodien auf allzu Menschliches, erzähltechnisch in einen fiktiven Reiseführer eingebettet. Die erfolgreiche Romanversion zeitigte mehrere Fortsetzungen.

[] Morgestraich, der

in der Schweizer, besonders der Basler Fasnacht: Karnevalsumzug am frühen Morgen mit lautstarker Trommelmusik durch meist nur von mitgeführten Laternen beleuchtete Straßen

Nach Aschermittwoch können Karnevalisten ihre Kostüme in der Regel für ein Jahr einmotten. Nicht so aber in einigen Ecken in der Schweiz, denn dort geht der Spaß erst am Montag darauf so richtig los. Vor allem die Basler Fasnacht wartet mit einem ganz besonderen Brauch auf: Um Punkt 4 Uhr morgens werden mit dem Morgestraich die „drey scheenschte Dääg“ (drei schönsten Tage) eingeleitet. In einer stockdunklen Stadt – dafür sorgen die Stadtwerke – setzen sich auf das Kommando „Morgestraich, vorwärts, marsch!“ die verschiedenen Fasnachtsgruppen in Bewegung. Das einzige Licht stammt dann von den riesigen, mit gesellschaftskritischen Sujets versehenen Laternen der „Cliquen“. Musikalisch untermalt wird das Spektakel von Piccoloflöten und Trommeln.

[] Tiefkühlpizza, die

vorgebackene und tiefgefrorene Pizza, die vom Käufer noch fertiggebacken werden muss

Fällt das Stichwort Tiefkühlkost, werden viele zunächst an Tiefkühlpizza denken. Ihren Anfang nahm die Technik des Schockgefrierens auf einer Forschungsreise des Biologen Clarence Birdseye nach Labrador. Dort wurde er Zeuge davon, wie der frisch gefangene Fisch der Einheimischen bei −45 °C sofort gefror und – im Gegensatz zu den ihm bekannten Konservierungsmethoden durch Kältetechnik – auch nach der Zubereitung noch frisch schmeckte. Birdseye erkannte, dass das A und O wohl das schnelle Gefrieren durch besonders tiefe Temperaturen sei. Er entwickelte daraufhin den Plattenfroster und bot am 6.3.1930 in ausgewählten Supermärkten in Springfield, Massachusetts erstmals seine Tiefkühlkost zum Verkauf an.

[] grüne Fee, Mehrwortausdruck

aus Wermut, Anis, Fenchel und weiteren Kräutern hergestelltes, stark alkoholisches Getränk (das meist mit Wasser verdünnt genossen wird)

In Paris galt es um 1860 als chic, sich zur grünen Stunde am frühen Abend im Café zu treffen und dort in Gemeinschaft, um einen Wasserspender herum sitzend, der grünen Fee, dem Absinth, zu huldigen. Noch heute, genauer: heute wieder, kann man, wenn man der Spur des Zuckerwassers in der grünen Flüssigkeit aufmerksam folgt, in Meditation geraten über die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen, die diese ursprünglich in der Medizin verwendeten Droge seit ihrem Aufkommen im 18. Jahrhundert hervorgerufen hat. Lange Zeit moralisch verteufelt und verboten, darf die grüne Fee nun überall in der westlichen Welt wieder an den Tisch gebeten werden – in den USA seit genau 15 Jahren wieder: am 5. März 2007 wurde dort das Verbot des Absinth-Konsums aufgehoben.

[] Schulgrammatik, die

für den Schulunterricht verfasste, didaktisch vereinfachte Beschreibung der Strukturen und Elemente einer Sprache; didaktische Grammatik

Heute wird in den USA der „National Grammar Day“ begangen. Das Stichwort „Grammatik“ dürfte je nach Bildungsbiografie unterschiedliche Assoziationen wecken: Während die einen schaudernd auf Deklinationstabellen des Lateinischen oder den Dschungel des französischen Konjunktivs zurückblicken, denken besonders Linguisten an den Zauber eines ineinandergreifenden komplexen Regelwerks, durch das Wörter erst in eine Ordnung kommen. In solch hohen Sphären schwebten die Initiatoren des Feiertags nicht, der „Society for the Promotion of Good Grammar“ geht es nur darum, dass die Menschen „ordentlich“ im Sinne der Schulgrammatik sprechen.

[] Suffragette, die

historisch: Vertreterin der Bewegung für die Rechte, besonders das Stimmrecht der Frau, in England und Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Die sogenannte Suffragettenparade (nach engl. suffrage = Wahl-, Stimmrecht) vom 3. März 1913 war wenig spektakulär. Sie wurde dennoch gleichermaßen zum Skandal und historischen Wendepunkt: Denn die 8000 Frauen, die mit Fahnen und Transparenten auf den Straßen Washingtons demonstrierten, wurden von einem gewalttätigen Mob angegriffen. Die Polizei sah tatenlos zu. Der Mehrheit allerdings wurde mit diesem Ereignis klar, dass die Zeit überreif war. Schon seit Mitte des 19. Jh. hatten sich Frauenverbände für die Gleichberechtigung engagiert. Erfolg hatten sie erst 1920, als der 19. Verfassungszusatz endgültig festlegte, dass niemandem wegen seines Geschlechts das Wahlrecht verweigert werden darf.

[] Kletterturm, der

schmale, hohe Anlage, an der das sportliche Klettern geübt werden kann

Das Publikum, das die Testvorführung von „King Kong“ zu sehen bekam, war so geschockt, dass einige der „echt“ wirkenden Stop-Motion-Animationen herausgeschnitten wurden. Bis heute gilt der Film auch wegen seiner genial in Szene gesetzten Miniaturmodelle als Meilenstein der Tricktechnik. An den Kinokassen spielte die Mutter aller Trashfilme nach seiner Premiere am 2. März 1933 Rekordsummen ein. Im kollektiven Gedächtnis blieb der Film aber auch, weil Kong für den Showdown das Empire State Building als Kletterturm „missbrauchte“ und der Blockbuster mit einer knackigen Schlusssentenz abschloss: „No, it wasn't the airplanes. It was beauty killed the beast“.

[] Nationalpark, der

meist ausgedehntes, staatlich ausgewiesenes und verwaltetes Schutzgebiet, das umfangreiche Naturräume mitsamt den vorkommenden Arten und Ökosystemen langfristig schützen (sowie für Zwecke der Forschung, Bildung, Besichtigung zur Verfügung stehen) soll

Europa hatte Burgen und Schlösser, die von seiner reichhaltigen Geschichte zeugten. Die noch jungen Vereinigten Staaten hatten nichts dergleichen. Dies änderte sich, als Präsident Ulysses S. Grant Wind von einer Expedition bekam, die Ferdinand Vandeveer Hayden, begleitet von 34 anderen Abenteurern, durch ein schwer zugängliches Gebiet der Rocky Mountains rund um den Fluss Yellowstone unternahm. Schwer beeindruckt von den Tagebucheinträgen, Fotos, Bildern und Karten, die Hayden mitbrachte, erließ der Präsident ein Gesetz, das das Yellowstone-Gebiet vor der zunehmenden Ausbeutung der Natur im Zuge der Industrialisierung schützen sollte. Die Unterzeichnung des Gesetzes am 1. März 1872 macht den Yellowstone-Nationalpark zum ältesten Nationalpark der Welt.

[] Nationalepos, das

(Helden-)‍Epos, das für eine Nation von besonderer Wichtigkeit ist

Das 19. Jahrhundert war die Zeit des Nationalismus und damit der Nationalepen. Während in Deutschland (Nibelungenlied) oder Indien (Mahābhārata und Rāmāyaṇa) bestehende Dichtungen zu solchen erklärt wurden, schufen andere ihre neu: So beschrieb Adam Mickiewicz 1834 in „Pan Tadeusz“ aktuelle polnische Ereignisse. 1835 erschien im damals russischen Finnland die Erstfassung des „Kalevala“, das hingegen auf alten Volksmythen beruhte und großen Einfluss auf die Herausbildung der finnischen Identität ausübte. Der 28.02., an dem Elias Lönnrot sein Vorwort unterzeichnete, wird in Finnland bis heute als Kalevala-Tag begangen.

[] von altem Schrot und Korn, Mehrwortausdruck

aufrichtig, rechtschaffen, anständig; pflichtbewusst, fleißig

Die große Inflation von 1923 liegt fast 100 Jahre zurück – ihr Schrecken hallt bis heute nach. Eine andere, historische Geldentwertung hat selbst noch nach 400 Jahren ihre Spuren im Wortschatz hinterlassen, und zwar in der Wendung „von altem Schrot und Korn“: Im 16. und 17. Jh. hofften chronisch klamme Landesherren, ihre Finanzmisere durch die Ausgabe von Münzen mit geringerem Edelmetallgehalt beheben zu können und stolperten, da der Geldwert damals dem Metallwert entsprach, in eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise. Als man den Irrtum schließlich einsah, wurden wieder Münzen nach „altem (auch: echtem) Schrot und Korn geprägt. „Schrot“ bezog sich dabei auf das Rau- bzw. Gesamtgewicht und „Korn“ auf den Feingehalt der Münze.

[] stilbildend, Adj.

einen neuen Stil (in der Kunst, Architektur, Musik, im Design o. Ä.) prägend, verbreitend

Die schauerliche Geschichte eines somnambulen Mörders in fantastisch-bizarren Bildern: Am 26. Februar 1920 sahen die Zuschauer im Berliner Marmorhaus etwas Bahnbrechendes – darüber war sich die Presse nach der Premiere des Stummfilms „Das Cabinet des Dr. Caligari“ einig. Mit verzerrten Perspektiven, starken Kontrasten, beunruhigenden Schattenspielen und grotesk anmutenden Protagonisten wurde eine albtraumhafte Atmosphäre geschaffen, die den filmischen Expressionismus begründen und damit die Filmgeschichte nachhaltig prägen sollte. Ob Horror- oder fantastischer Film, Film noir oder Psychothriller: Der Einfluss des Meisterwerks von Robert Wiene auf diese Genres ist unbestreitbar.

[] Solidarität, die

auf das Wissen um gemeinsame Interessen und Ziele oder das Zusammengehörigkeitsgefühl sich gründendes Zusammenhalten von Personen oder Personengruppen und ihr Eintreten füreinander sowie die darauf beruhende gegenseitige Unterstützung

Es herrscht Krieg in der Ukraine. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat den gestrigen Tag als Datum bezeichnet, das als schwarzer Tag in die Geschichte Europas und die gesamte zivilisierte Welt eingehe. In ihrer Rede fiel auch ein Begriff, der mit Sicherheit bald an Bedeutung gewinnen wird: Solidarität. Solidarität mit den Menschen, die Krieg und Zerstörung ausgesetzt sind.

[] Inklusion, die

Soziologie, Pädagogik: gleichberechtigte (und selbstbestimmte) Teilhabe aller (insbesondere von Menschen mit Behinderungen, von Einwanderern o. Ä.) am gesellschaftlichen Leben, am gemeinsamen Schulunterricht o. Ä. (durch Schaffung entsprechender institutioneller und alltagspraktischer Voraussetzungen)

Das von der UNO-Generalversammlung verabschiedete und am 24.2.2009 von Deutschland ratifizierte „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ konkretisierte erstmals die universellen Menschenrechte hinsichtlich der besonderen Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen. Ein wichtiger Teil davon: Zugang zu inklusiver Bildung. Doch genau an diesem Punkt entzündete sich Kritik – nicht an der Sache selbst, sondern an der deutschen Übersetzung. Während im englischen Original ein „inclusive education system“ gefordert wird, ist im Deutschen nur von einem „integrativen Bildungssystem“ die Rede (vgl. Integration). Betroffene und Vertreter veröffentlichten daraufhin eine „Schattenübersetzung“.

[] Christenverfolgung, die

juristische, gesellschaftliche oder persönliche Diskriminierung, Bedrohung, Bestrafung oder Vernichtung von Personen oder Gemeinschaften wegen deren christlichen Glaubens

Gegenüber fremden Kulten, Religionen und Gottheiten nahm das Römische Reich eine erstaunlich tolerante Haltung ein. Im Monotheismus des Christentums allerdings sahen viele Kaiser eine Bedrohung ihrer göttlichen Legitimationsbasis. Eine Gefahr, der sie durch Verbote, Verfolgungen und Hinrichtungen zu begegnen suchten. Der letzte Anlauf, die Ausbreitung endgültig zu stoppen, setzte mit dem Edikt ein, das Diokletian und seine Mitkaiser am 23. Februar 301 erließen. Trotz der folgenden zahllosen Gräueltaten erreichten die Imperatoren jedoch das genaue Gegenteil. Die Kirche ging gestärkt hervor und mit der sogenannten Mailänder Vereinbarung von 313 endeten die staatlichen Nachstellungen.

[] Schnapszahl, die

umgangssprachlich, scherzhaft: Zahl (besonders ein kalendarisches Datum), die aus mehreren aufeinanderfolgenden gleichen oder gespiegelten Ziffern(gruppen) besteht

Warum man die Abfolge gleicher Ziffern oder gespiegelter Ziffernfolgen genau „Schnapszahl“ nennt, ist nicht ganz klar: Doppeltes Sehen nach Alkoholgenuss? Trinkspiele? Jedenfalls bietet der heutige 22.02.2022 (lang) bzw. 22.2.22 (kurz) ein wirklich selten schönes Beispiel für diese besonders gut zu memorierenden Zahlen. Und da manche Leute ja Schwierigkeiten mit dem Merken von Daten haben, herrscht heute vermutlich Hochbetrieb in den Standesämtern, da viele Paare für sich einen Hochzeitstag mit einem so besonderen Datum ergattern wollen, das man nicht so leicht vergessen kann.

[] Artensterben, das

das Aussterben bzw. Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten (als natürlicher oder von Menschen verursachter bzw. beschleunigter Prozess)

Der Karolinasittich, Exemplar einer geselligen Papageienart, hockte gerne mit Artgenossen eng beieinander. „Ich habe Äste gesehen, die so dicht von ihnen bedeckt waren, wie es nur möglich war“, schrieb der Vogelkundler James Audubon 1827. Das machte es Jägern leicht, ganze Schwärme zu erlegen und das Tier Anfang des letzten Jahrhunderts als „Schädling“ erfolgreich auszurotten. Das letzte zahme Exemplar starb heute vor 103 Jahren in einem Zoo in Cincinnati. Einer von zahlreichen Beiträgen zum immer bedrohlicher werdenden, von Menschen verursachten Artensterben.

[] Vulkan, der

oft kegelförmige geologische Struktur (Berg, Hügel o. Ä.) mit einem Krater, Spalten oder Bruchstellen, durch den bzw. durch die in Zeiten vulkanischer Aktivität Magma sowie andere feste und gasförmige Stoffe aus dem Erdinneren an die Oberfläche treten

Bereits seit der Antike versuchen Wissenschaftler die furchteinflößenden, vermeintlich gottgegebenen Vulkane und ihre Ausbrüche zu studieren und zu verstehen. Die bis dato einzigartige Gelegenheit, den gesamten Lebenszyklus eines Vulkans zu beobachten, bot sich Vulkanologen in Mexiko ab dem 20.2.1943. Der Bauer Dionisio Pulido war gerade dabei, sein Maisfeld für den Frühling vorzubereiten, als sich mitten im Feld eine Spalte auftat, aus der schwefeliger Rauch austrat: die Geburtsstunde des Vulkans Paricutín. Nach einem Tag war der Schlackenkegel bereits 10 Meter hoch, nach einer Woche maß der Vulkan 100–150 m und neun Jahre später, nach dem letzten Ausbruch, sogar 424 m.

[] Paradigmenwechsel, der

Ablösung eines Paradigmas durch ein neues; Änderung der grundsätzlichen Denkrichtung

Sein Name steht für ein Weltbild und zugleich für eine radikale Wende im Denken: Nikolaus Kopernikus. Mit seinem Werk „De revolutionibus orbium coelestium“, erschienen 1543, im Jahr seines Todes, verbannte der am 19. Februar 1473 geborene Arzt, Mathematiker und Domherr die Erde aus dem Zentrum des Alls. Nur noch als fünfter Planet (von der Sphäre der Fixsterne aus gezählt) umkreiste sie das neue Zentrum, die Sonne. Kopernikus’ astronomisches Modell war allerdings abstrakt mathematisch konzipiert und war von eher geringer Aussagekraft. Denn er ging von idealen kreisförmigen Umlaufbahnen aus. Erst Johannes Kepler vollendete die kopernikanische Wende, indem er die elliptische Form der Planetenbahnen beschrieb.

[] eine Schraube locker haben, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: (anscheinend) nicht ganz bei Verstand sein, leicht verrückt sein

Die Sprache bedient sich oft der Metaphern für eine verloren gegangene Ordnung, um seltsame Personen zu beschreiben: Jemand ist „ver-rückt“ oder hat „eine Schraube locker“. Dass diese sprachlichen Bilder ihre Grundlage in der realen Welt haben, zeigt ein Ereignis vom 18.02.1976: Ein einzelner defekter Bolzen brachte einen kompletten Stahlrohrgittermast bei Magdeburg zum Einsturz. Der 350 Meter hohe „SL-3“ hatte zuvor seit 1968 zur Ausstrahlung von Radio Wolga, dem Rundfunksender für die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, gedient. Hier sorgte die lockere Schraube für mehr als nur Kopfschütteln: Der Mast wurde nie wieder aufgebaut.

[] jmdn., etw. auf den Hund bringen, Mehrwortausdruck

zugrunde richten; zerstören, ruinieren

Das Römische Reich ist lange perdu, seine Einflüsse sind dagegen bis heute präsent. Doch wer oder was für den Untergang verantwortlich ist, darüber streiten sich Gelehrte bis heute. Über 200 denkbare „Schuldige“ (Blei im Trinkwasser, Vulkanausbrüche, Steuerhinterzieher) wurden in der jahrhundertelangen Debatte schon ins Feld geführt. Eine Debatte, die auch mit seinem Namen verknüpft ist: Edward Gibbon. Der britische Historiker veröffentlichte heute vor 246 Jahren den ersten von 6 Bänden zur „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“. Besonders skandalös für seine Zeit: Der erklärte Anhänger der Aufklärung machte für den Niedergang Roms auch das Christentum verantwortlich.

[] Lebenspartnerschaft, die

juristisch der herkömmlichen Ehe ähnliche Beziehung zwischen zwei Partnern desselben Geschlechts

Seit fünf Jahren ist die Zivilehe für alle Zweierbeziehungen unabhängig vom Geschlecht geöffnet. Aus dieser Sicht ist das frühere „Lebenspartnerschaftsgesetz“ nurmehr eine Episode mit bürokratisch langem Namen, doch vor gut zwanzig Jahren war es eine Zeitenwende: Nach langem Kampf schwul-lesbischer Aktivisten um eine Form der rechtlichen Anerkennung ihrer Beziehungen wurde durch diese von Rot-Grün durchgesetzte Rechtsform erstmals eine offiziell weitgehend der Ehe gleichgestellte Gemeinschaft für Homosexuelle in Deutschland ermöglicht. Am 16.02.2001 unterzeichnete Bundespräsident Rau das Gesetz, bald darauf gab es die ersten Trauungen.

[] sich einen Namen machen, Mehrwortausdruck

bekannt werden; sich auf einem Gebiet, in einer Branche einen (guten) Ruf, Anerkennung verschaffen

Manchmal liegt ein gewisses Talent in der Familie. So auch bei den Brontës: Alle vier Geschwister wandten sich schon früh der Schriftstellerei zu. Da sie einen Großteil ihrer Kindheit in einem abgeschiedenen Pfarrhaus in West Yorkshire verbrachten, blieb ihnen nur die Flucht in Fantasiewelten. Auch wenn die frühen gemeinsamen Werke eher mäßigen Erfolg hatten, hörten Charlotte, Emily und Anne Brontë nicht auf zu schreiben. Und nachdem sich ihre Wege im frühen Erwachsenenalter trennten, machten sie sich in der Literaturszene mit ihren Solowerken einen Namen. Ihren Zeitgenossen waren sie allerdings nur als Currer, Ellis und Acton Bell bekannt, denn aus Angst, nicht ernst genommen zu werden, veröffentlichten sie zeitlebens unter männlichen Pseudonymen.

[] weitab vom Schuss, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sehr abgelegen, außerhalb vom Zentrum eines Geschehens

1977 wurde die Raumsonde Voyager 1 auf eine lange Reise geschickt. Missionsziele waren u. a. die Erforschung der äußeren Planeten und des daran anschließenden interstellaren Raumes. Nachdem der erste Teil der Mission erfüllt war und die Kamera der Sonde aus Energiespargründen abgeschaltet werden sollte, regte der Astronom Carl Sagan an, noch eine letzte Fotoserie aufzunehmen. Neben dem sechs Planeten abbildenden „Familienporträt“ erreichte aber vor allem ein Foto großes Aufsehen: Das Bild unserer Erde, aufgenommen am 14.2.1990 aus sechs Milliarden Kilometern Entfernung. Die Erde ist darauf kaum mehr als ein blasser blauer Punkt, weswegen das Bild als „Pale Blue Dot“ in die Geschichte einging.

[] Klarname, der

tatsächlicher Name einer Person, durch den sie identifiziert werden kann

Das Ändern des eigenen Namens hat, zum Beispiel als Künstler-Pseudonym, eine lange Tradition. Der neue Name kann der Verwirrung des Publikums dienen – man denke etwa an die vielen Pseudonyme von Kurt Tucholsky – oder auch dem eigenen Schutz vor Nachstellungen. In diese Richtung geht ein Urteil des Bundesgerichtshofs, dem zufolge Facebook die Verwendung von Pseudonymen zulassen muss, wenn der Klarname sicher hinterlegt ist. In den USA wird der Trend zum Pseudonym am 13. Februar mit dem „Ändere-deinen-Namen“-Tag gewürdigt.

[] Selektion, die

Biologie: (natürliche) evolutionäre Auslese bzw. das Überleben der am besten an das jeweilige Lebensumfeld angepassten Individuen als Grundlage der Weiterentwicklung von Arten und der Entwicklung der Lebensvielfalt

„Im Salon konkurriert es mit dem neuesten Roman und im Studierzimmer beunruhigt es gleicherweise Wissenschaftler, Ethiker und Theologen“, so ein anonymer Rezensent über Charles Darwins bahnbrechendes Werk. Denn dieser erklärte die biologische Vielfalt und – besonders verstörend – den Menschen selbst als Ergebnis eines langen, auf Selektion beruhenden Entwicklungsprozesses. Was wütende Gegner als „Wissenschaftsmärchen“ abtaten, veränderte unser Weltbild und öffnete ein Fenster in unsere evolutionäre Vergangenheit: Wie jedes Jahr am 12. Februar feiert die Wissenschaftsgemeinde den Geburtstag des Revolutionärs (wider Willen) als den „Darwin-Day“.

[] Wissenschaftszeitschrift, die

Zeitschrift, in der Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen bzw. die überwiegend wissenschaftliche Themen (für ein breiteres Publikum) präsentiert

​​Dass die dem Namen nach unteilbaren Atome regelrecht „zerplatzen“ können, war bis ins 20. Jh. undenkbar. Daher waren die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann auch am Ende ihres Lateins, als sie Uranatome mit Neutronen beschossen und Bariumatome vorfanden. Da Barium etwa halb so schwer wie Uran ist, musste es durch eine Kernspaltung entstanden sein. Hahn bat daher seine langjährige Kollegin, die Physikerin Lise Meitner, um Rat. Meitner deutete die Ergebnisse richtig und veröffentlichte zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch am 11.2.1939 die physikalische Erklärung der Kernspaltung in der Wissenschaftszeitschrift „Nature“. Der Nobelpreis für diese bahnbrechende Erkenntnis blieb ihr jedoch verwehrt.

[] jmdn. an der Nase herumführen, Mehrwortausdruck

jmdn. täuschen, irreführen, hereinlegen; jmdm. etw. vormachen

Sie war der Stolz der britischen Marine: Die 1906 in Dienst gestellte HMS Dreadnought („Fürchtenichts“) deklassierte alle bisherigen Linienschiffe und wurde Namensgeber für eine ganze Klasse von Großkampfschiffen. Klar, dass man am 07.02.1910 der Bitte einer Delegation abessinischer (äthiopischer) Adliger stattgab, das Schlachtschiff zu besichtigen. Doch die fünf mit militärischen Ehren empfangenen vermeintlichen Royals erwiesen sich als verkleidete Mitglieder der pazifistischen Künstlervereinigung Bloomsbury Group, darunter die junge Virginia Woolf. Die blamierte Marine strebte eine Bestrafung an, es fand sich aber kein Paragraf für den Streich.

[] Minimalismus, der

Stilrichtung und Formenrepertoire in bildender Kunst und Musik, die durch Reduktion und Konzentration auf klare, einfache Grundstrukturen und serielle Wiederholungen charakterisiert sind

„Da, da, da!“ (Trio, 9.2.1982)

[] Bildersturm, der

soziale Bewegung oder Aktion (besonders in der Reformationszeit), die mit der (systematischen) Zerstörung religiöser Bilder und Skulpturen die bildliche Darstellung von Göttern, Heiligen o. Ä. sowie die Bilderverehrung bekämpft

Er fühlt sich bestimmt einsam, der heilige Laurentius, der heute im Basler Museum steht. Denn die bunt gefasste, spätgotische Holzskulptur ist vermutlich das einzige hölzerne Bildwerk, das den Basler Bildersturm von 1529 überstanden hat. Es war ein Aufstand, der sich vom 8. zum 9. Februar während der Fastnachtsfeierlichkeiten spontan entwickelte: Über 200, meist junge Männer, verärgert über die zögerliche Einführung der Reformation, stürmten die Kirchen. Sie zerhackten, zerbrachen, zerschnitten und köpften, was sie an sakralem Bildwerk vorfanden und waren dabei so gründlich, dass am Ende nichts mehr zu retten war. Was an Holz übrigblieb, wurde auf dem Münsterplatz aufgeschichtet und öffentlich verbrannt.

[] an etw. Anstoß nehmen, Mehrwortausdruck

etw. beanstanden, missbilligen; empört auf etw. reagieren

Jahrelang hatte Gustave Flaubert unbeachtet von der Öffentlichkeit für die Schublade geschrieben, doch als er 1856 eines seiner Werke als Serie in „La Revue de Paris“ veröffentlichte, schlug dieses gleich heftig ein: „Madame Bovary“ moralisierte, lobte oder verteufelte nicht, sondern beschrieb mit neutralem Realismus die Geschichte einer Ehefrau, die an ihren Affären und Geheimnissen zerbricht. Während der Roman heute als Weltliteratur gilt, wurden Flaubert und die Zeitschrift von Moralisten vor Gericht gezerrt, wegen „Verherrlichung des Ehebruchs“. Der Freispruch am 07.02.1857 bedeutete gute Werbung für das Buch, das auch kommerziell erfolgreich wurde.

[] Runder Tisch, Mehrwortausdruck

Zusammenkunft von gleichberechtigten Gesprächspartnern bzw. Gesprächsparteien mit dem Ziel, sich zu einem (strittigen) Thema auszutauschen bzw. einen Konsens zu erzielen

Weder Kriegsrecht, noch Kampagnen noch Repressionen der kommunistischen Führung unter General Jaruzelski hatten etwas genutzt: Nach einem ganzen Jahrzehnt des Widerstands erreichte die polnische Opposition, die sich in der freien (und die meiste Zeit illegalen) Gewerkschaft Solidarność (Solidarität) mit ihrer „Galionsfigur“ Lech Wałęsa sammelte, Unerhörtes im Ostblock: Gespräche mit der Regierung auf gleicher Augenhöhe. Am „Runden Tisch“, zu dem man zuerst am 06.02.1989 zusammenkam, rang die Opposition den Machthabern nichts weniger als einen Systemwandel ab. Am 04.06.1989 fanden die ersten teilweise freien Wahlen statt.

[] Zeitzeichen, das

Zeitangabe durch Morsezeichen, besonders beim Rundfunk

Spätestens mit dem Aufkommen des internationalen Schienenverkehrs zum Ende des 19. Jh. wurde auch der Ruf nach einer einheitlichen Weltzeit laut. Für lange Zeit erfüllte die 1884 eingeführte „Greenwich Mean Time“ diese Funktion. Auf Anraten des Astronomen Sir Frank Watson Dyson sollte auch die britische Rundfunkanstalt BBC ihren Teil zur Verbreitung der Weltzeit beitragen. Die Idee: ein zu jeder vollen Stunde ausgestrahltes Tonsignal aus sechs Tönen, wobei der sechste Ton den Beginn der neuen Stunde markierte. Die Hörer konnten so ihre Uhren nach dem Signal stellen. Am 5.2.1924 wurde das erste Zeitzeichen ausgestrahlt.

[] Königreich, das

Staat mit einer monarchischen Regierungsform, an dessen Spitze ein König oder eine Königin steht

„Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für’n Pferd!“, legt Shakespeare dem englischen König Richard III. in seiner Beschreibung des Kampfes gegen Heinrich Tudor in dem Mund, nachdem sein Schlachtross getroffen war. Tatsächlich fand Richard 1485 in der Schlacht von Bosworth gegen seinen Rivalen den Tod – und die langen Rosenkriege ihr Ende. Aber die Episode mit dem Pferd ist wohl genauso Hinzudichtung wie zahlreiche andere Berichte, die Richard als grausamen Gewaltherrscher darstellen. Heute vor neun Jahren konnte überraschend die Wiederauffindung von Richards Gebeinen in Leicester bekannt gegeben werden.

[] Ärztin, die

Berufsbezeichnung: weibliche Person, die auf Grundlage einer medizinischen Approbation beruflich mit der Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten beschäftigt ist

Obwohl Frauen zu allen Zeiten in Heilberufen tätig waren, blieb der Beruf der akademisch ausgebildeten Ärztin ihnen über Jahrhunderte versperrt. Und wenn, dann waren es Frauen in besonders privilegierten Positionen wie die Arzttochter Dorothea von Erxleben (*1715), die auf Intervention Friedrichs des Großen in Medizin promovieren konnte und in Deutschland bis ins späte 19. Jh. die Ausnahme blieb. In Amerika erlangte Elizabeth Blackwell (1821–1910) als erste Frau 1849 den Universitätsabschluss in Medizin. An ihrem Geburtstag, dem 3. Februar, feiern die USA den „National Women Physicians Day“, an dem die Bedeutung weiblicher Ärzte im Gesundheitswesen hervorgehoben wird.

[] Bewusstseinsstrom, der

metonymisch, Literaturwissenschaft: Erzähltechnik, bei der die scheinbar ungeordnete Folge der Bewusstseinsinhalte einer oder mehrerer Figuren wiedergegeben wird

Auch die ganz großen Schriftsteller haderten gelegentlich mit ihrem eigenen Perfektionismus. Der irische Autor James Joyce schrieb bereits viele Jahre an seinem Monumentalwerk „Ulysses“, ein Ende war nicht in Sicht. Doch dann fasste er einen ehrgeizigen Plan: An seinem 40. Geburtstag, dem 2.2.1922, sollte das Werk erscheinen – der Plan ging auf. Die Handlung des Romans ist auf den ersten Blick unspektakulär, beschrieben wird der Alltag dreier Menschen an einem einzelnen Tag in Dublin. Doch der Teufel steckt im Detail. Nicht nur die äußeren Geschehnisse werden auf knapp 1000 Seiten minutiös geschildert, sondern auch die ungefilterten Gedankengänge der Protagonisten. Die Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms, mit seinen wilden Assoziationssprüngen und Missachtung von Grammatik und Satzbauregeln, brachte seine Leserschaft jedoch an ihre Grenzen.

[] Entschleunigung, die

gezielte Verlangsamung einer (sich bisher ständig beschleunigenden) Entwicklung, einer Tätigkeit o. Ä.

Otto Julius Bierbaum, Journalist, Satiriker, Schriftsteller – er starb heute vor 112 Jahren –, unternahm 1902 auf Einladung eines Verlages eine denkwürdige Autoreise: In einem roten Phaeton der Adlerwerke wurde er mit seiner Frau von einem Fahrer als erster motorisierter Italientourist über die Alpen kutschiert. Die Reise mit dem nicht eben üppig motorisierten Cabriolet (1 Zylinder, 8 PS) war zur Freude Bierbaums eine eher gemütliche Angelegenheit: „Reisen sage ich, nicht rasen. ... Wir wollen mit dem modernsten aller Fahrzeuge auf altmodische Weise reisen“. Nachlesen lässt sich die vergnügliche Fahrt übrigens in „Eine empfindsame Reise im Automobil“.

[] schwul, Adj.

von Männern: (sexuelle) Neigung zum eigenen Geschlecht empfindend (und selbstbewusst im Verhalten zeigend), homosexuell

Der heute vor 50 Jahren erstmals im Fernsehen ausgestrahlte Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von Rosa von Praunheim beleuchtete die schwule Subkultur der frühen 70er-Jahre und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Obwohl Paragraph 175 drei Jahre zuvor entschärft worden war, herrschte in weiten Teilen der Gesellschaft noch immer ein homophobes Klima. Zwar reagierten auch viele Schwule mit Empörung auf den Film, aber die abschließende Botschaft – „Raus aus den Toiletten, rein in die Straßen!“ – zeigte Wirkung. Von Praunheims Appell an die eigene Community, öffentlich zu sein und solidarisch mit anderen für eine bessere Zukunft zu kämpfen, führte zur Gründung zahlreicher Homosexuelleninitiativen und damit zum Beginn der modernen Lesben- und Schwulenbewegung im deutschsprachigen Raum.

[] Massenhysterie, die

in großen Menschenansammlungen oder in großen Bevölkerungsgruppen auftretende, durch einen äußeren Anlass hervorgerufene starke Erregung

Eine geradezu lachhaft harmlos anmutende Epidemie nahm am 30. Januar vor 60 Jahren in Tanganjika (heute zu Tansania gehörend) ihren Anfang. Es gab keine Todesfälle. Doch für die fast ausschließlich weiblichen und jungen Betroffenen dürfte sie wohl schmerzhaft gewesen sein. Es gab mehrere Wellen, die an verschiedenen Orten zu Schulschließungen führten. Dieses Ereignis ist unter dem Namen Tanganjika-Lachepidemie bekannt geworden. In Ermangelung anderer erkennbarer Ursachen wird dieses Phänomen heute als Massenhysterie eingestuft. Wenn Sie das zum Lachen reizt, dann tun Sie dies bitte nicht in Gesellschaft. Wir haben Sie gewarnt.

[] Verbrennungsmotor, der

Technik: Kraftmaschine, bei der durch Verbrennung eines Kraftstoff-Luft-Gemisches im Inneren eines Brennraums mechanische Antriebskraft erzeugt wird

Heute feiert das erste Auto im modernen Sinn seinen 136. Geburtstag: Am 29.01.1886 meldete der Ingenieur Carl Benz sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent an. Die offene, dreirädrige Motorkutsche mit ca. 0,75 PS markiert den Beginn des motorisierten Individualverkehrs. Gerade dieser ist nach Jahrzehnten kritikloser Bewunderung in (West-)Deutschland nun einem tiefgreifenden Wandel unterworfen, sodass sich die Frage stellt, ob zumindest im Land seines Erfinders das fossil betriebene Verbrennungsmotor-Kraftfahrzeug sein 150. Jubiläum feiern wird. Die Ironie der Geschichte: Benz hatte eigentlich zuerst an eine Art Bus gedacht, also eher an den ÖPNV.

[] umsatteln, Verb

umgangssprachlich: ein anderes Studium beginnen, einen anderen Beruf ergreifen

Augen auf bei der Berufswahl: Als Rechtsanwalt war Heinrich Spoerl, obwohl promoviert, eine glatte Fehlbesetzung: In unpassenden Momenten wurde er von „drolligen Einfällen“ geplagt, sodass sich einmal bei einem Plädoyer Richter, Beisitzer und Publikum vor Lachen bogen. Wie so viele abtrünnige Jünger der Justitia verlegte sich Spoerl daraufhin aufs Schreiben. Und ausgerechnet der Plot für ein abgelehntes Drehbuch brachte den Durchbruch. Die Romanfassung, besonders aber die Verfilmung der „Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann – ihre Premiere war heute vor 78 Jahren – sind bis heute Kult. Und wenn es wieder heißt, „Nur ein wönziger Schlock“, weiß jeder Bescheid.

[] Einbruch, der

unerlaubtes, oftmals gewaltsames Eindringen in eine Örtlichkeit (Wohnung, Gebäude, befriedetes Gelände o. ä.), meist mit dem Ziel, Gegenstände zu entwenden oder Informationen zu erlangen

Eigentlich verfügten sie über genau die Soft Skills, die in jeder Leistungsgesellschaft nachgefragt sind: Sie waren smart, innovativ, unerschrocken, durchsetzungsstark. Doch die Brüder Franz und Erich Sass, die in der Weimarer Republik zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten, waren leider auch notorisch kriminell. Das Knacken von Geldschränken war ihre Spezialität, wofür sie erstmals Schneidbrenner einsetzen. Ihr größter Coup war der Einbruch in den Tresorraum der Berliner Discontobank. Über einen Tunnel brachen sie am 27. Januar 1919 durch den Betonmantel und räumten 181 Schließfächer aus. Von der Beute von geschätzt zweieinhalb Millionen Reichsmark fehlt bis heute jede Spur.

[] Knall auf Fall, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, verstärkend: (sehr) plötzlich, (völlig) überraschend

An und für sich sollte es das nicht geben, dass angespülte Walkadaver unter dem Druck der inneren Fäulnisgase explodieren – das Gas sollte vielmehr langsam entweichen. Dennoch passierte genau das am 26.01.2004 auf Taiwan. Ein verendeter Pottwal platzte ausgerechnet beim Transport durch die Innenstadt von Tainan und besudelte Schaulustige und Häuser. Im lange als urbane Legende angesehenen, aber tatsächlich dokumentierten Fall, ebenfalls eines Pottwals in Oregon (USA), hatte man hingegen mit TNT nachgeholfen – mangels besserer (oder eher: guter) Ideen, den Kadaver zu beseitigen. Hier wie da kam zum Glück kein Mensch zu Schaden.

[] Lebensmittelmarke, die

Marke einer Lebensmittelkarte, die in Zeiten wirtschaftlicher Not mit Rationierung von Lebensmitteln zum Bezug einer bestimmten Menge von Lebensmitteln berechtigt; als Teil der staatlichen Unterstützung für Bedürftige ausgegebene Marke, die zum Bezug bestimmter Lebensmittel berechtigt

Als im August 1914 die Heere der europäischen Länder in den Ersten Weltkrieg zogen, glaubte man überall an einen kurzen (und natürlich siegreichen) Feldzug. Es kam anders, was besonders das nun von Importen abgeschnittene Deutschland traf. Schon ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, am 21.01.1915, musste Brot rationiert werden, andere Lebensmittel und Konsumgüter folgten. Die auf Bezugskarten zusammengefassten Lebensmittelmarken, durch die die Abgabe kontrolliert wurde, wurden für lange Zeit immer wieder zum ungeliebten wie notwendigen Alltagsbegleiter. Zuletzt konnten sie 1958 in der DDR abgeschafft werden.

[] Nugget, das oder der

Klumpen, Klümpchen natürlichen, unbearbeiteten Goldes

„Gold – Gold war die Losung (...) Gold! Kein anderes Gespräch, kein anderer Gedanke war möglich.“ Am 24. Januar 1848 stieß der Arbeiter James W. Marshall in Kalifornien auf das Edelmetall und trat damit den „gold rush“ los. Mitten unter den Glücksrittern: der Schriftsteller Friedrich Gerstäcker. Der Abenteurer versorgte seine Leser im biedermeierlichen Deutschland nicht nur mit spannenden Geschichten, sondern auch mit exotischen Wörtern wie „Claim“, „Digger“ und eben „Nugget“ – „ein mit dem Gold gefundenes Wort, das noch in keinem Wörterbuch steht“. Auf diesen Begriff stieß er allerdings nicht in Amerika, sondern in Australien, wo er erstmals aufkam.

[] Zuckerschlecken, das

umgangssprachlich: Situation oder Tätigkeit, die angenehm, vergnüglich, einfach oder leicht zu bewältigen ist

Bis zum frühen 19. Jh. war das Süßen von Tee und Kaffee wahrlich kein Zuckerschlecken. Zucker lag damals nur in der Form von teils meterhohen, steinharten Zuckerhüten vor, aus denen mit Zuckerhämmern und anderem Spezialwerkzeug handliche Stücke herausgebrochen wurden. Der Österreicher Jacob Christoph Rad – zu diesem Zeitpunkt Leiter einer Zuckerfabrik – sah Verbesserungspotenzial. Auf Anraten seiner Frau Juliana schritt er zur Tat und erfand innerhalb weniger Monate die Würfelzuckerpresse. Am 23. Januar 1843 erhielt er für seine Erfindung ein fünfjähriges Patent. Mangels ausreichender Werbung konnten sich die Zuckerl mit 1,2–1,5 cm Kantenlänge zunächst nur schleppend durchsetzen.

[] Kulturbanause, der

abwertend: Person, die kulturelle Werke, Leistungen oder Veranstaltungen nicht zu würdigen weiß

Als am 22. Januar 1934 Dmitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ in Leningrad uraufgeführt wurde, entwickelte sie sich bei Publikum und Kritik zu einem überwältigenden Erfolg. Das änderte sich zwei Jahre später schlagartig, als Stalin eine Aufführung besuchte und wortlos verließ. Am 28. Januar 1936 erschien ein vernichtender Verriss, wohl aus der Feder des Diktators selbst, in der Prawda. Für Schostakowitsch bedeutete dieser nicht nur einen Karriereknick, sondern auch Gefahr für Leib und Leben. Der Liquidierung gerade noch entgangen, musste der Komponist über viele Jahre bedeutungslose, aber der Führung gefällige Werke verfassen.

[] Kochsendung, die

im Fernsehen, Internet oder Radio übertragene Sendung, in der Themen rund um das Zubereiten von Speisen behandelt oder bestimmte Gerichte zubereitet werden

Wer Kochshows für eine neumodische Erscheinung hält, liegt damit falsch. Wem bei diesem Wort noch Clemens Wilmenrod einfällt, ist vermutlich auch schon etwas älter. Aber auch dieser deutsche Fernsehkoch ist nicht der Erfinder des Kochens vor der Kamera. Bereits am 21. Januar 1937, also heute vor 85 Jahren, ließ der Koch Marcel Boulestin ein größeres Publikum im Abendprogramm der BBC in seine Töpfe und Pfannen schauen. Auf dem Programm stand der erste Teil eines Fünf-Gänge-Menüs: ein Omelett. Bei dieser „Cook’s night out“ fiel die Wahl des Senders auf einen Franzosen, sicher nicht ohne Grund.

[] Basketball, der oder das

meist in der Halle betriebenes Ballspiel, bei dem zwei Mannschaften nach bestimmten Regeln versuchen, einen Ball mit der Hand in den jeweils gegnerischen, in 3,05 Meter Höhe angebrachten Korb zu befördern

Die rauen Winter Neuenglands stellten die hauptsächlich Freiluftsport betreibenden Studenten vor ein Problem. Der kanadische Pädagoge James Naismith wurde daher damit beauftragt, einen wintertauglichen Hallensport zu entwickeln. Er ließ kurzerhand an zwei gegenüberliegenden Emporen der Sporthalle in 3,05 m Höhe Pfirsichkörbe anbringen, die ihm der Hausmeister zur Verfügung stellte. Ziel war es, einen Ball in den gegnerischen Korb zu befördern. Die Regeln des neuen Spiels – die sich kaum von den heutigen Regeln unterscheiden – veröffentlichte er in der Schulzeitung. Das erste offizielle Basketballspiel fand dann am 20.01.1892 an der YMCA Training School in Massachusetts statt.

[] ein Schelm, wer Böses dabei denkt, Mehrwortausdruck

ironisch: Ausspruch (oft begleitet von einem Augenzwinkern), der darauf hinweisen soll, dass ein scheinbar unbedenklicher Vorgang oder Vorfall nicht grundlos stattgefunden hat

Eine Medaille bekommt man um den Hals, einen Orden an die Brust, eine Krone aufs Haupt – nur in England kann man sich ein Ehrenzeichen auch ans Knie binden: Gestiftet wurde der „Most Noble Order of the Garter“, der Hosenbandorden, am 19. Januar 1348 von König Edward III. Angeblich soll sich der galante Herrscher das verlorene Strumpfband seiner Geliebten, um selbige vor peinlicher Bloßstellung zu bewahren, mit den Worten „Honi soit qui mal y pense“, selbst ans Bein gebunden haben. Tatsächlich bekräftigte der Monarch mit diesem, auf das französische Ritterideal der Courtoisie anspielenden Akt auch seinen Anspruch auf den französischen Thron.

[] Aufputschmittel, das

stark anregendes Mittel; zur Leistungssteigerung eingenommene Substanz

Als der Chemiker Lazăr Edeleanu am 18.01.1887 im Rahmen seiner Doktorarbeit in Berlin erstmals alpha-Methylphenethylamin, später Amphetamin genannt, synthetisierte, war das, ebenso wie dessen Derivat Methamphetamin 1893, zunächst nichts weiter als eine fachgeschichtliche Fußnote – berühmt wurde der Rumäne später durch ein Entschwefelungsverfahren. Erst 40 Jahre später begann man, die physiologischen Wirkungen dieser Aufputschmittel zu verstehen und zu nutzen – erst als Mittel gegen Appetit und Müdigkeit (und zwar in rauen Mengen), danach zunehmend als verbotene Droge, bekannt bis heute als „Speed“.

[] geteilte Freude ist doppelte Freude, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: wer andere an der eigenen Freude, an glücklichen Erfahrungen teilhaben lässt, kann sie umso mehr genießen

Die Illusion der „Zersägten Jungfrau“ gibt es in unzähligen Variationen: mit Kreis- oder Kettensäge, mit Kasten oder ohne. Die erste öffentliche Vorführung des Tricks erfolgte am 17.1.1921 in London. Der unter seinem Bühnennamen bekannte P. T. Selbit begeisterte das der älteren Zaubertricks überdrüssige (Fach-)Publikum mit seiner Innovation. Erstmals kam auch eine weibliche Assistentin zum Einsatz, was bisher aufgrund der voluminösen Kleidermode dieser Zeit undenkbar war. Der Trick verbreitete sich daraufhin wie ein Lauffeuer in der ganzen Welt. Sehr zu Selbits Leidwesen, denn der amerikanische Zauberer Horace Goldin patentierte den Trick umgehend. Selbit selbst geriet in Vergessenheit.

[] Lauschangriff, der

die als Angriff verstandene Aktion, bei der jmd. heimlich belauscht, abgehört, ausspioniert wird; bewilligte, von Polizei oder Nachrichtendienst durchgeführte heimliche Überwachungsmaßnahme

Was im Juristendeutsch präzise, aber oft euphemistisch formuliert wird, bringt der Volksmund pointiert und dabei selten wertneutral auf den Punkt. So wurde der im Grundgesetz (in Art. 13) neu eingefügte Absatz 3 zur „akustischen Wohnraumüberwachung“, der heute vor 24 Jahren die Abstimmung im Bundestag passierte, in der Öffentlichkeit und im Parlament – sehr zum Ärger von Ministerium und Kriminalpolizei – nur noch unter dem Label „Großer Lauschangriff“ diskutiert. Tatsächlich erklärte das Bundesverfassungsgericht 2004 zahlreiche Ausführungsbestimmungen für verfassungswidrig. Die Korrekturen ließen die jährlich erteilten Genehmigungen auf eine Handvoll zusammenschrumpfen.

[] verschachern, Verb

abwertend: etw. unter Feilschen, auf unehrenhafte Weise verkaufen, um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen

Von Schiller in „Kabale und Liebe“ angeprangert, bis heute als beispielloser Akt der Unmenschlichkeit verdammt und dabei im feudalen Europa des 18. Jh. bitterer Alltag: König George III. hatte Geld, brauchte aber zur Bekämpfung der Rebellion in Amerika Soldaten. Die wiederum hatte sein Onkel, Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, in seinem durchmilitarisierten Kleinstaat zur Genüge. Dafür war er ständig klamm. Am 15. Januar 1776 „verlieh“ der Landgraf 12.000 Hessen für den Krieg in der Fremde. Die Einnahmen flossen unter anderem in den Bau von Schloss Wilhelmshöhe, allerdings auch in einen Fonds zur Versorgung der Invaliden und Hinterbliebenen.

[] Wimmelbild, das

meist gemaltes Bild mit einer Fülle von Details und oft gleichzeitig ablaufenden Geschehnissen, die sich erst bei konzentrierter Betrachtung erschließen

Ein Blick vom Riesenrad auf das geschäftige Treiben voll unendlicher Details auf dem Rummel – das war für den jungen Alfons „Ali“ Mitgutsch ein Schlüsselerlebnis. Ab 1968 veröffentlichte der Grafiker ganz auf Texte verzichtende Kinderbücher mit prallvollen Bildern, gespickt mit interessanten, oft augenzwinkernden, aber dennoch alltäglichen Szenen, die ihre Betrachter auf der ganzen Welt nicht nur amüsiert, sondern auch zum Ausdenken und Weiterspinnen von Geschichten inspiriert haben. Am 10. Januar starb der Vater der Wimmelbücher in seiner Geburtsstadt München.

[] Polemik, die

wissenschaftlicher Meinungsstreit, der meist publizistisch ausgetragen wird, literarische Fehde

Der Inhalt von Fachvorträgen bleibt meist auf den Kreis der Wissenschaftler beschränkt. Was aber der Assyriologe Friedrich Delitzsch am 13.01.1902 unter dem suggestiven Titel „Babel und Bibel“ zu sagen hatte, schlug große Wellen bis hin zu Kaiser Wilhelm II. Den immer weiter erschlossenen Quellen aus dem Zweistromland aus vorbiblischer Zeit sei zu entnehmen, dass die Religion des Alten Testaments nichts als ein Epigone der assyrisch-babylonischen Hochkultur sei. Theologen reagierten entsetzt, Antisemiten nutzten den „Babel-Bibel-Streit“ als Instrument für ihre politische Agenda. Die Polemiken liefen erst mit dem Weltkrieg aus.

[] Clan, der

häufig scherzhaft: (Groß-)‍Familie

Als der US-Sender ABC am 12.01.1981 die erste Folge von „Dynasty“ (in Deutschland: „Der Denver-Clan“) ausstrahlte, ging damit eine Seifenoper an den Start, die das Konkurrenzprodukt „Dallas“ von CBS übertreffen sollte: Mehr Budget, mehr Luxus, mehr Intrigen, mehr Wirrungen und Zufälle. Die dick aufgetragene Geschichte um die Konkurrenz zweier Familien aus dem Erdölgeschäft wurde zunächst zu einem gewaltigen Erfolg und machte u. a. Joan Collins zum Star, endete dennoch nach langjährigem Niedergang 1989 – zwei Jahre vor der Konkurrenz aus Texas.

[] Großschanze, die

Sprungschanze, bei der die Entfernung zwischen Schanzentisch und dem Ende des Landebereichs zwischen 110 und 184 Meter beträgt

Ob nun 22 Leute einem Ball hinterherlaufen oder Rennwagen stundenlang ohrenbetäubend im Kreis fahren: Sport weckt entweder keine oder eben sehr große Emotionen. Die weiten Flüge der Skispringer machen dagegen auf jedermann Eindruck. Als Höhepunkt der Skisprungsaison hat sich die Vierschanzentournee auf den Großschanzen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen (Deutschland), Innsbruck und Bischofshofen (Österreich) bald nach ihrem Beginn 1953 etabliert. Am 11.01.1953 wurde ihr erster Gesamtsieger, der legendäre Josef Bradl, gekürt.

[] jmdm. die Flötentöne beibringen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: bei jmdm. durch scharfen Tadel, Drohungen oder Gewalt ein bestimmtes, gewünschtes Verhalten erzwingen; (resolut) erzieherisch wirken, eingreifen

Kuriose Gedenk- und Festtage gibt es wie Sand am Meer, doch der seit 2007 jährlich am 10. Januar begangene Internationale Tag der Blockflöte weckt bei einigen unschöne Kindheitserinnerungen. Die eher schrillen Töne, die diesem „Einsteigerinstrument“ in der musikalischen Früherziehung entlockt werden, werden dem Potential der Blockflöte aber bei Weitem nicht gerecht. Die Vielseitigkeit zeigt sich schon an den Dimensionen der Blockflötenfamilie. Von der winzigen Garkleinblockflöte bis zur mehrere Meter großen Subkontrabassblockflöte lässt sich der Tonumfang eines ganzen Orchesters abdecken.

[] Touchscreen, der

Bildschirm (oft als Teil von Smartphones, Tablets o. Ä.), der durch Berühren mit den Fingern oder einem speziellen Stift bedient wird

Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten – was einem mit teils drohendem, teils scherzhaftem Unterton mitgeteilt wird, wenn man den empfindlichen Putti aus Porzellan zu nahe kommt – in der Nähe eines Smartphones ist das nicht nur gewollt, sondern notwendig. Was einst auf dem Schreibtisch mit der Maus gesteuert wurde, dazu verwenden wir heute unsere Finger – egal, wie grob und fettig diese sind, der Touchscreen nimmt es gelassen hin. Heute vor 14 Jahren, am 9. Januar 2007, stellte Steve Jobs in San Francisco das erste iPhone mit Touchscreen vor. Kann sich noch jemand an die Handys mit Kleinst-Tastatur und Pfeiltasten erinnern?

[] auf die Füße fallen, Mehrwortausdruck

zum Problem werden, schaden

Sein Tod zählt zu den skurrilen Fußnoten der Musikgeschichte: Der Ausnahmemusiker Jean-Baptiste Lully war aufgrund seines halbseidenen Lebenswandels bei König Ludwig XIV. in Ungnade gefallen und ließ nun, um dessen Gunst wiederzuerlangen, am 8. Januar 1687 in seinem Namen sein großes Te Deum erklingen – auf eigene Kosten. Der Preis war weitaus höher als gedacht: Während des Konzerts verletzte er sich mit dem schweren Taktstock einen Zeh – die eigentlich leichte Verletzung entzündete sich schwer und der sich verstärkende Wundbrand führte wenige Wochen später zu Lullys vorzeitigem Tod.

[] Schieflage, die

Lage, Orientierung oder Ausrichtung im dreidimensionalen Raum, die nicht parallel oder im Winkel von 90 Grad zu einer anderen Linie (besonders der Senkrechten und der Waagrechten) ist

Als die reiche Handelsstadt Pisa im 12. Jahrhundert ihren Domplatz (im Volksmund auch „Platz der Wunder“ genannt) mit marmornen Prachtgebäuden bebaute, konnte man nicht wissen, dass der architektonisch bahnbrechende Campanile (freistehende Glockenturm) an der Stelle einer verlandeten Bucht errichtet wurde. Die bald einsetzende Neigung führte zu langen Bauunterbrechungen und einer Höhe von schließlich nur 54 statt 100 Metern. Nachdem der durch dieses Unglück inzwischen weltberühmte Turm sich immer stärker neigte, musste er am 07.01.1990 für Besucher gesperrt und bis 2001 aufwändig wieder etwas aufgerichtet werden.

[] Heilige Drei Könige, Mehrwortausdruck

Sterndeuter oder Wahrsager, die laut der christlichen Weihnachtsgeschichte Jesus kurz nach seiner Geburt besucht und ihm als König der Juden gehuldigt haben

Die Anbetungsszene der Heiligen Drei Könige gehört zu den zentralen, liebevoll inszenierten Motiven der Weihnachtsgeschichte. Dabei schweigt sich das Matthäusevangelium über deren Zahl, Namen oder Hautfarbe aus. Beschrieben werden sie nur als Magier (später übersetzt als Sterndeuter oder Weise) aus dem Morgenland. Es waren die explizit erwähnten Gaben Weihrauch, Myrrhe und Gold, die die Phantasie der Gläubigen anregten: Aus dem hohen Wert der Geschenke glaubte man auf die königliche Herkunft, aus deren Anzahl auf drei Personen schließen zu können. Im 6. Jahrhundert erhielten die Weisen schließlich auch ihre Namen, zunächst Thaddadia, Melchior und Balytora.

[] Sankt-Nimmerleinstag, der

scherzhaft: nicht näher benannter, höchstwahrscheinlich nie eintretender Zeitpunkt

„Warten auf Godot“, der Titel des wohl bekanntesten Bühnenstücks des irisch-französischen Literaturnobelpreisträgers Samuel Beckett, ist zum scherzhaften geflügelten Wort für endloses Warten geworden. Dabei sollte man das Drama um zwei vergeblich wartende Landstreicher, das am 5. Januar 1953 in Paris uraufgeführt wurde, nicht als bloße Absurdität lesen, sondern als Allegorie einer Gesellschaft, die sich weigert angesichts von Unrecht Verantwortung zu übernehmen. Im französischen Original ist dies durch Anspielungen auf das Schicksal von Juden im von den Nazis besetzten Frankreich sogar noch deutlicher als in der deutschen Fassung.

[] Identitätsdiebstahl, der

betrügerische, missbräuchliche Nutzung der personenbezogenen Daten eines anderen Menschen (besonders im Internet)

Was Ian Fleming 1964 als persönliche Widmung in sein neuestes Buch schrieb, kam einer, wenn auch harmlosen, Selbstbezichtigung gleich: „Dem echten James Bond vom Dieb seiner Identität“. Fleming war in den 1950er Jahren über der Lektüre von Vogelbüchern auf den Autorennamen James Bond gestoßen, dessen schmuckloser und männlicher Klang ihm für seinen neuen Helden passend erschien. Der Ornithologe Bond begeisterte sich allerdings weniger für Martinis, sondern war kulinarisch interessiert: Jeden Vogel, den er beschrieb, soll er auch auf dem Teller gehabt haben. Am 4. Januar 1900 wurde der Vogelkundler geboren.

[] Blockchain, die

über ein Netzwerk verteilte, mehrfach identisch gespeicherte Datenbank, die dazu dient, geschäftliche o. ä. Transaktionen fälschungssicher zu erfassen, indem die Datensätze (Blöcke) der einzelnen Transaktionen mittels kryptografischer Prüfsummen verkettet sind

Gibt es in unserer säkularisierten Welt noch so etwas wie eine Schöpfung? Kann es wirklich, in dieser besten aller Welten, in der alles vorhanden und zuhanden ist, noch etwas gänzlich Neues geben? Ja, es kann. Und es begab sich am 3. Januar 2009, dass ein heute noch unbekanntes Wesen, das sich selber den Namen Satoshi Nakamoto gab, den Genesisblock schuf, den Block 0 der Blockchain, und ihm dem Wert von 50 Bitcoin zusprach. Es war die Geburt der Kryptowährung, der bis heute populärsten und wertvollsten Anwendung der Blockchain-Technologie. Und Sakamoto sprach: Es werde Geld, und es ward Geld.

[] Depperltest, der

mundartlich, spöttisch, D-Südost (Altbayern): Begutachtung einer Person, um festzustellen, ob sie dafür geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu fahren

Was dem Christen das Buch des Lebens ist, in dem alle Verfehlungen vermerkt sind, ist dem Autofahrer die Verkehrssünderkartei in Flensburg. Das Fahreignungsregister, das heute vor 64 Jahren seine Arbeit aufnahm (bis 2014 als „Verkehrszentralregister“), dokumentiert Verfehlungen in Form von Punkten – seit 2021 wird beispielsweise die Teilnahme an einem illegalen Autorennen mit drei Punkten angekreidet. Verkehrssündern droht am Ende zwar nicht das Fegefeuer, wohl aber mit 8 und mehr Punkten der Entzug der Fahrerlaubnis und im Anschluss die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), im Volksmund respektlos Idioten- oder weiter südlich Depperltest genannt.

[] den Hintern hochkriegen, Mehrwortausdruck

sich zu einer körperlichen Aktivität motivieren, antreiben, um etwas zu erreichen

Ein frohes neues Jahr! Silvester mag durch Corona schon zum zweiten Mal etwas weniger wild ausgefallen sein als üblich (in jedem Fall war es dank Böllerverbot ruhiger!), aber nach den vielen Süßigkeiten der Adventszeit und den für die meisten Leute freien Tagen zwischen den Jahren dürfte heute doch eine überdurchschnittliche Trägheit vorherrschen. Wir hindern Sie natürlich nicht am Ausruhen nach der kurzen Nacht, bitte denken Sie aber daran: Ein neues Jahr ist auch eine gute Gelegenheit, Dinge (endlich) in Angriff zu nehmen. Wir wünschen viel Energie und Erfolg dabei.

[] Schneeballschlacht, die

durch gegenseitiges Bewerfen mit Schneebällen (aus einer Deckung heraus) geführte spielerische Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Personen oder Gruppen

Was jeder Grundschüler weiß, haben jüngst Schweizer Wissenschaftler bewiesen: Die Aggregation (vulgo: das Zusammenpappen) von Schneekristallen funktioniert bei den für feuchten Schnee günstigen Temperaturen um null Grad am besten. Bei tieferen Kältegraden wird der Schnee mangels Feuchte pulvriger, der Zusammenhalt sinkt. Gleichwohl hatten die Menschen auch in kühleren Perioden, z. B. während der Kleinen Eiszeit (1300–1900), offenbar großen Spaß an Schneeballschlachten. So sehr, dass es der Stadtverwaltung von Amsterdam offenbar zu viel wurde. Am 31.12.1472 soll der Rat der Stadt das Werfen mit Schneebällen untersagt haben.

[] Datumsgrenze, die

im Pazifik zwischen Nord- und Südpol ungefähr dem 180. Längengrad folgende Linie, bei deren Überschreitung im Datum ein Unterschied von einem Tag auftritt

Was geschah am 30.12.2011 auf dem Inselstaat Samoa? Gar nichts, denn den Tag hat es nie gegeben. Durch Samoas Nähe zu der ungefähr entlang des 180. Längengrades verlaufenden Datumsgrenze entschied man sich aus wirtschaftlichen Gründen „die Seiten zu wechseln“. Handelskontakte in Neuseeland, Australien und Asien waren (zuungunsten des früheren Handelspartners Amerika) immer wichtiger geworden, doch da ein Freitag auf Samoa schon ein Samstag in Australasien war, ein Montag aber noch ein Sonntag, war der Handel nur an drei Tagen in der Woche möglich. Gegen den Sprung in die Zukunft entschied sich Amerikanisch-Samoa, das als Außengebiet der USA auf der östlichen Seite der Datumsgrenze verblieb.

[] Waschtag, der

Tag, an dem üblicherweise die Wäsche gewaschen wird

Sie haben in den letzten Tagen Wäsche gewaschen? Diese gar draußen aufgehängt? Das ist ganz schlecht, ja, es könnte für Ihre Nächsten lebensgefährlich werden. In einigen Gegenden Deutschlands fürchtet man großes Unglück, sollten sich Gott Odin und sein achtbeiniges Pferd Sleipnir auf der Wilden Jagd in einer Raunacht in der Wäscheleine verfangen. Das wäre eine unsanfte Landung für Odin und bedeutete, so geht die Sage, für den Übeltäter den Tod eines Verwandten.

[] Dichterling, der

abwertend: Verfasser schlechter Verse, Versemacher

Bei der Frage nach dem besten Dichter in englischer Sprache mag nicht jeder unumwunden mit William Shakespeare antworten, bei der Frage nach dem schlechtesten Verseschmied wird man aber fast nur einen Namen hören: William McGonagall (1825–1902). Der fragwürdige Ruf brachte dem Exzentriker zwar nicht die Anerkennung seiner Zeitgenossen, aber immerhin doch eine Art begrenzten Nachruhms. Sein wohl noch bestes Gedicht widmete er dem Einsturz der Brücke am Tay am 28.12.1879, das sich aus verständlichen Gründen hierzulande nicht gegen Fontanes geniale Bearbeitung des Stoffs durchsetzen konnte.

[] Raunacht, die

eine der zwölf Nächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag, in denen dem Volksglauben nach eine besondere Verbindung zur Geisterwelt herrscht und unter anderem Wohnungen und Ställe ausgeräuchert werden, um böse Geister zu vertreiben

Vielen Menschen, die noch die alten Bräuche (und die alte Rechtschreibung) kennen, wird eher die Schreibung „Rauhnächte“ bzw. die ältere Form „Rauchnächte“ geläufig sein. Aber was gab diesen gefürchteten, von Geistern, Hexen und Wiedergängern beherrschten Nächten eigentlich ihren Namen? Möglicherweise bezieht sich die Bezeichnung auf die rau(ch)en (= haarigen) Felle, mit denen die bösen Dämonen bekleidet waren, vielleicht aber auch auf den üppig gegen sie eingesetzten Weihrauch. Genaues weiß man leider nicht.

[] Stephanstag, der

Festtag zum Gedenken an den heiligen Stephanus (26. Dezember)

Heuer fällt der Zweite Weihnachtstag auf einen Sonntag und ist im Katholizismus daher das Fest der Heiligen Familie. In anderen Jahren wird heute aber eigentlich des Heiligen Stephanus gedacht, und das sogar ökumenisch in den ansonsten ja „heiligenscheuen“ lutherischen sowie in den orthodoxen Kirchen, denn Stephanus war der „Erzmärtyrer“ des jungen Christentums, der erste, der um das Jahr 40 wegen seines Glaubens an Jesus gesteinigt wurde. Mehrere Gebräuche in katholischen Gegenden, z. B. das „Stephanus-Steinigen“, bei dem man einen Stein in der Tasche mitführt, nehmen noch heute darauf Bezug.

[] Weihnachtsgans, die

im Ofen gebratene Gans, die meist mit Zutaten wie Äpfeln, Maronen, Backpflaumen und Zwiebeln gefüllt ist und mit Beilagen wie Rotkohl, Klößen sowie einer Bratensoße traditionell zum Weihnachtsfest serviert wird

Für viele gehört die sprichwörtliche Gans mit Rotkraut zu Weihnachten wie die Kugeln an den Christbaum. Wer aber in älteren Texten stöbert, stellt erstaunt fest, dass die klassische Weihnachtsgans so traditionell gar nicht ist, häufiger belegt ist sie erst seit Ende des 19. Jh. Tatsächlich fand der große Gänseschmaus früher an St. Martin statt. Denn Martini war im agrarisch geprägten Deutschland Zahltag: Knechte und Mägde erhielten ihren Lohn, fällige Abgaben an den Grundherrn mussten (oft in Form von Naturalien) geleistet werden. Das führte dazu, dass reichlich Geflügel am Markt war, das gegessen werden „wollte“. Aber wie schon Corvinus 1715 im Frauenzimmerlexikon schrieb: „Martini schmecken sie am besten … wiewohl sie auch zur andern Zeit nicht zu verwerffen, absonderlich wenn sie in der Küche recht zubereitet werden“.

[] früher war mehr Lametta, Mehrwortausdruck

in der (erinnerten) Vergangenheit war alles prachtvoller, beeindruckender, schöner

War früher wirklich mehr Lametta? Zeitlos komisch ist der Spruch, mit dem sich der quengelnde Opa Hoppenstedt alias Vicco von Bülow einen festen Platz im phraseologischen Wortschatz des Deutschen ergatterte, wohl auch deshalb, weil Loriots Figur in uns allen steckt. Psychologen sprechen hier vom „Reminiszenzhöcker“. Die Erfahrungen in der Zeit des Erwachsenwerdens werden in der persönlichen Entwicklung als besonders intensiv erlebt und in späteren Lebensjahren oft nostalgisch, verklärend erinnert. Im Kontrast dazu kann die Gegenwart bisweilen tatsächlich etwas blass aussehen. Ein bisschen Nostalgie schadet allerdings nicht: Menschen die sich öfter mal einen Blick zurück erlauben, gelten als ausgeglichener und zufriedener. In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Lesern ein hoffentlich schönes, zufriedenes Weihnachtsfest.

[] Rauschgold, das

sehr dünn ausgewalztes und flachgeschlagenes, gebeiztes Messingblech mit knittriger, glänzender Optik, die Blattgold ähnelt

Der Spruch „es ist nicht alles Gold, was glänzt“ lässt sich durchaus auch auf die Wortbildung beziehen: Nicht alle Wörter, die „-gold“ als Element haben, verweisen tatsächlich auch auf das Edelmetall. Man denke nur an Katzen-, Rot-, Muschel-, Musiv- und nicht zuletzt an das weihnachtliche Rauschgold. Aus diesem Goldimitat schufen geschäftstüchtige Nürnberger Ende des 18. Jh. den berühmten Rauschgoldengel mit dem typischen kunstvoll gefältelten Gewand. Im Export war der Weihnachtsartikel ausgesprochen erfolgreich. Ästheten wie Johann Caspar Lavater oder Freiherr von Knigge rümpften über diesen „vernürnbergerten“ hässlichen, altmodischen Tand allerdings die Nase. Seiner Beliebtheit konnte das wenig anhaben.

[] Fun Fact, der

Tatsache bzw. Sachverhalt meist belangloser Art, deren Erwähnung Überraschung, Heiterkeit o. Ä. bei der Zuhörerschaft, Zuschauerschaft oder Leserschaft auslöst

Wo wurde wohl der erste Bergsteigerverband der Welt gegründet? In der Schweiz? Österreich? Italien? Frankreich? Einer anderen Alpennation? Weit gefehlt, denn – Fun Fact! – der erste Verband seiner Art wurde am 22.12.1857 in London gegründet. Der „Alpine Club“ verstand sich als höchst exklusiver Gentlemen’s Club (Frauen wurden erst 1974 zugelassen) und verschrieb sich der Fortentwicklung des Alpinismus, in dessen goldenes Zeitalter die Gründung des Vereins fiel. Neben der Erstbesteigung verschiedener bedeutender Gipfel in den Westalpen standen in den Anfangstagen auch wissenschaftliche Untersuchungen im Hochgebirge auf der Tagesordnung.

[] harte Nuss, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: eine schwer zu bewältigende, oft unangenehme, komplizierte Aufgabe

Der gebürtige Brite und Redakteur Arthur Wynne wollte sich etwas ganz Besonderes für die Weihnachtsausgabe der „New York World“ ausdenken. Angelehnt an die bis in die Antike zurückgehenden magischen Quadrate ersann er ein diamantförmiges Denkspiel mit leeren Kästchen in die, gegebenen Hinweisen entsprechend, Wörter eingetragen werden sollten. Das „Wortkreuz“, das wenige Wochen später aufgrund eines typografischen Fehlers zum „Kreuzwort“ wurde, war das erste Kreuzworträtsel der Welt und erschien am 21.12.1913. Mit seinem Rätsel traf Wynne den Zeitgeist: die Absatzzahlen seiner Zeitung stiegen rasant an und weltweit brach ein regelrechtes Rätselfieber aus.

[] schneeweiß, Adj.

weiß wie Schnee, von besonders reinem Weiß

„Und bald … bekam sie ein Töchterlein, so weiß wie der Schnee, so roth wie das Blut, und so schwarz wie Ebenholz, und darum ward es das Sneewittchen genannt.“ Das Märchen von S(ch)neewittchen (ndt. Snee ‚Schnee‘, witt ‚weiß‘), das am 20. Dezember 1812 in der Erstausgabe* der Kinder- und Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm erschien, zieht Jung und Alt bis heute in seinen Bann. Damals fand sich neben dem Titel noch eine Übersetzung ins Hochdeutsche. Später verzichteten die Grimms auf den eingeklammerten Titel Schneeweißchen – vermutlich, um Verwechslungen zu vermeiden.

[] Porajmos, der

vom nationalsozialistischen Deutschen Reich in seinem Machtbereich begangener systematischer Völkermord an den Sinti und Roma

Während sich der hebräische Eigenbegriff „Schoah“ für den nazistischen Völkermord an den europäischen Juden in den letzten 35 Jahren allgemein verbreitet hat, ist das Romani-Wort „Por(r)ajmos“ (wörtlich „Verschlingen“) kaum bekannt. Ebenso stiefmütterlich wurde lange das Gedenken an die Tatsache behandelt, dass Hitlerdeutschland auch die Auslöschung aller so genannten „Zigeuner“ beschlossen und eine sechsstellige Menge Menschen umgebracht hatte. Erst 2012 wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin-Mitte eingeweiht. Der 19. Dezember gilt als Gedenktag an jenen Völkermord.

[] Filmfabrik, die

Ensemble von Studios, in denen Kino- und Fernsehfilme in großem Maßstab (industriell) produziert werden

„Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ ist zwar eindeutig eine Übertreibung Heraklits, doch auf die legendäre, noch heute existierende Ufa trifft genau das überraschenderweise zu: Als die „Universum-Film Aktiengesellschaft“ am 18.12.1917 als Zusammenschluss privater Filmproduzenten gegründet wurde, verfügte sie nicht nur über geheimes Startkapital des Kriegsministeriums, sondern sollte auch inhaltlich die Nachfolge des im Januar zur Bündelung filmpropagandistischer Maßnahmen gegründeten „Bild- und Filmamts“ antreten. Kaum ein Jahr später war der Krieg allerdings vorbei, die Ufa wurde 1921 privatisiert und zur deutschen Traumfabrik.

[] Kultserie, die

Folge filmischer Episoden (im Fernsehen, auf Streamingportalen o. Ä.), die von den Fans verehrt oder gefeiert wird

Wenn fünf gelbhäutige, vierfingrige Wesen und ein Sofa am Ende des Tages zusammenfinden, dann ist es für alle Anhänger der Kultserie „Die Simpsons“ fast eine religiöse Pflicht, den eigenen Feierabend auf der Couch vor dem Fernseher und vielleicht mit einem (Duff-)Bier einzuläuten. In mittlerweile über 700 Folgen in 33 Staffeln nehmen Matt Groening und seine Kollegen eine mittelmäßige amerikanische Mittelstandsfamile in einer durchschnittlichen Kleinstadt irgendwo in Amerika aufs Korn und lassen uns an ihrem manchmal gar nicht so mittelmäßigen Tun und Treiben teilhaben. Die Pilotfolge zu dieser weltweit erfolgreichsten Sitcom mit dem Titel „The Simpsons Christmas Special“ (deutscher Titel: Es weihnachtet schwer) wurde in den USA am 17. Dezember 1989 ausgestrahlt.

[] Klunker, der, die

umgangssprachlich, leicht abwertend: glitzernder, teurer Brillant, Diamant, Schmuckstein; besonders auffälliges (protziges) Schmuckstück

„Klunker“ gehört zu den wunderschönen lautmalerischen Wörtern, mit denen man hübsch despektierlich (vielleicht auch neidisch bewundernd?) über besonders auffällige oder teure Edelsteine, besonders Diamanten, lästern kann. Die leicht abwertende Tendenz verraten schon die typischen begleitenden Adjektive (Kollokationen): Wir kennen den fetten, teuren oder protzigen Klunker, von einem filigranen oder gar zierlichen Klunker hört man dagegen eher selten. Diese Lesart ist so dominant geworden, dass die ursprünglichen Bedeutungskonzepte (‚Gehänge, Troddel, Quaste; Kügelchen‘) in den Hintergrund getreten sind. Dafür, dass selbst schwere Klunker heutzutage nicht mehr unbedingt Löcher ins Portemonnaie reißen müssen, hat übrigens er gesorgt: Am 16. Dezember 1954 produzierte der Chemiker Tracy Hall mit Hilfe einer Hochdruckpresse erstmals synthetische Diamanten.

[] Ohrwurm, der

Musikstück mit einer eingängigen, einprägsamen Melodie, das einem Hörer für einen längeren Zeitraum in Erinnerung bleibt

Als Wham! (George Michael und Andrew Ridgeley) im Dezember 1984 ihre Gelegenheitskomposition „Last Christmas“ veröffentlichten, hätte sich wohl niemand träumen lassen, welchen Einfluss diese Verbindung aus Weihnachts- und Liebeslied (wahrlich keine Bereiche, in denen es an Konkurrenz mangelt) noch nach Jahrzehnten auf die Pop- und Alltagskultur ausübt – manche scherzen gar, es sei dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen. Dem ubiquitären Ohrwurm in der Vorweihnachtszeit zu entgehen, ist nicht einfach, weshalb genau dies für manche zum Sport geworden ist: Wer nicht bis zum 24.12. durchhält, landet in „Whamhalla“.

[] Christstollen, der

traditionell für die Advents- und Weihnachtszeit hergestellter, länglich-ovaler Hefekuchen von fester Beschaffenheit und aus gehaltvollem Teig, meist mit Rosinen, Mandeln, sowie Zitronat und Gewürzen wie Kardamom, Zimt o. Ä.

So gut mundet der Christstollen bei E.T.A. Hoffmann: „Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß nach Hause (...) mit verklärtem Blick einen Bissen des Butterstollen Restes nach dem andern auf die Lippe nehmend, als genöße er himmlisches Manna.“ Warum aber scheint Butter beim Stollen überhaupt einer Erwähnung wert? Der Stollen war nicht immer das leckere Backwerk, ursprünglich muss er bescheiden geschmeckt haben. War er doch eine Fastenspeise, für die nur Wasser, Mehl und (traniges) Öl zugelassen, Butter dagegen verboten war. Erst 1491 genehmigte Papst Innonzenz VIII. im sogenannten Butterbrief, „da das verwendete Rübsenoehl der Menschen Natur zuwider und ungesund“ sei, die Verwendung der begehrten Zutat. Weitere mundende Informationen finden Sie übrigens in unserem Blog.

[] Julklapp, der

Synonym zu Wichteln; weihnachtlicher Brauch, bei dem ein unbekannter Schenker (nach lautem Klopfen) ein Geschenk in einem Päckchen durch ein offenes Fenster ins Haus oder durch die Tür in ein Zimmer wirft

Viele sind derzeit mit der Suche nach einem passenden Wichtelgeschenk beschäftigt. Im Norden Deutschlands hat der Brauch des Wichtelns aber einen anderen Namen: „Julklapp“. Das Wort kommt aus dem Schwedischen und bezeichnet dort einfach nur ein Weihnachtsgeschenk. Das Wort, das sich aus ‚jul‘ ‚Weihnachten’ und klappa ‚klopfen‘ zusammensetzt, geht auf den Brauch zurück, dass Weihnachtsgeschenke nach lautem Klopfen einfach durchs Fenster oder die Tür geworfen wurden. Beiden Arten der Geschenkübergabe gemein ist, dass der Schenker normalerweise anonym bleibt. Falls Sie noch auf der Suche nach einem (Wichtel-)Geschenk sind und etwas selbstgemachtes verschenken wollen, werden Sie vielleicht hier fündig.

[] Luftkissenfahrzeug, das

meist Wasser- oder Amphibienfahrzeug, selten auch Landfahrzeug, das auf einer Schicht verdichteter Luft über Wasser oder Boden gleitet

„Mein Luftkissenfahrzeug ist voller Aale.“ Wann dieses weltweite „Problem“ erstmals auftrat, ist unbekannt, gehen erste Überlegungen, eine tragende Luftschicht zwischen Fahrzeug und Untergrund für eine reibungslose Fortbewegung zu nutzen, doch schon auf das 19. Jahrhundert und erste praktische Tests auf den Ersten Weltkrieg zurück. Bekannt ist aber, dass das erste Patent für einen wirklich praxistauglichen Entwurf am 12.12.1955 von dem Briten Christopher Cockerell angemeldet wurde. Er nannte ihn „Hover Craft“, ein Name, der sich in vielen Sprachen festgesetzt hat – allerdings nicht im Deutschen.

[] Impfpflicht, die

meist durch Androhung von Sanktionen durchgesetzte Anordnung, sich oder die Personen bzw. Tiere, für die man verantwortlich ist, impfen zu lassen

Ob Pocken- oder Coronaimpfung, die Falschbehauptungen der Impfgegner ähneln sich auf erstaunliche Weise: 1874 polemisierte ein gewisser Carl Roth gegen eine von der Reichsregierung geplante Impfpflicht und forderte, den „Impf-Hokuspokus mit allem Zubehör aus unserem Deutschen Reich hinaus[zu]werfen“. Pocken betrachtete er als harmlos (sofern keine Erkältungskrankheit hinzuträte), als deren Ursache vermutete er lediglich Angst und Panikmache. Roth verschwieg dabei, dass der nur wenige Jahre zurückliegenden Epidemie in Deutschland 175.000 Menschen zum Opfer gefallen waren. Und so wurde nach heftigen Reichstagsdebatten eine allgemeine Impfpflicht verabschiedet. Es sollte aber Jahrzehnte dauern, bis der Widerstand abflaute. Auch weil sich die Impfkampagne am Ende als erfolgreich erwies.

[] Fingerabdruck, der

übertragen: anhand bestimmter Merkmale erkennbare Beteiligung einer Person oder Personengruppe an einem Ereignis, einer Entwicklung

Der Physiker Klaus Hasselmann hat bereits 1993 auf den Klimawandel, konkret auf den Einfluss von CO₂-Emissionen auf die Erderwärmung hingewiesen. In einer aufsehenerregenden Arbeit konnte er mittels mathematischer Verfahren Phänomene des Klimawandels mit 95%iger Sicherheit dem Einfluss der Menschheit zuordnen, also zeigen, dass die Erderwärmung nicht mit natürlichen Klimaschwankungen modellierbar und damit erklärbar ist. Er fand in den Daten den menschlichen Fingerabdruck. Dafür wurde er mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Die Feier, die eigentlich heute in Stockholm hätte stattfinden sollen, fand coronabedingt bereits am 7. Dezember in den Heimatländern der Laureaten, für Klaus Hasselmann im Berliner Harnack-Haus, der Tagungsstätte der Max-Planck-Gesellschaft, statt.

[] Lingua franca, die

Verkehrssprache eines größeren mehrsprachigen Raums

In der sprachwissenschaftlichen Forschung ist die Wendung „English as a lingua franca (ELF)“ ein gebräuchlicher Ausdruck, bildungssprachlich nennt man so jede weit verbreitete Verkehrssprache. Ursprünglich war aber DIE Lingua franca eine ganz bestimmte Sprache, nämlich ein einfaches Pidgin, das seit dem Mittelalter im Mittelmeerraum gesprochen wurde und v. a. auf romanischen (damals „fränkisch“ genannten) Elementen basierte. Da sie nie als Muttersprache erworben wurde, ging sie im 19. Jahrhundert bis auf den Namen fast spurlos verloren, verdrängt von den Nationalsprachen.

[] Land der tausend Seen, Mehrwortausdruck

Finnland

Geboren wurde Jean Sibelius am 8. Dezember 1865 in eine Familie der schwedischen Minderheit seines Landes. Zeit seines Lebens war er ein unruhiger Geist, der immer wieder in den (musikalischen) Hauptstädten Europas auftauchte. Er war mehrfach in Berlin, wo er auch die ihm zur Verfügung gestellten Mittel für eine Reise nach Italien durchbrachte. Er studierte Medizin, war u. a. als Militärarzt tätig und fand doch die Zeit zum Komponieren. Zu einer nationalen Pressefeier 1899 steuerte er eine symphonische Dichtung bei, aus der später die Finlandia entstand. Noch heute gilt sie als heimliche Nationalhymne des Landes. Die Finnen ehren und lieben den 1957 verstorbenen Komponisten dafür.

[] Transformationsgrammatik, die

Grammatiktheorie, die die Regeln zur Umwandlung von Sätzen in andere mit gleichem semantischem Gehalt erforscht und über die verschiedenen möglichen Oberflächenstrukturen zu einer Tiefenstruktur vorzudringen sucht

„Colorless green ideas sleep furiously“ ist vielleicht sein bekanntester Satz. An diesem Beispiel zeigte er, dass ein Satz grammatisch korrekt („wohlgeformt“), aber ohne erschließbare Bedeutung sein kann. Er verwendete dieses Beispiel in seiner frühen Arbeit „Syntactic Structures“ (1957), mit der er die „generative Transformationsgrammatik“ begründete. Seitdem kennen Studierende der Linguistik die Begriffe Tiefenstruktur, Oberflächenstruktur und Transformation. Auch als „Zoon politikon“ trat er immer wieder für gesellschaftliche Transformationen ein. Am 7. Dezember 1928 wurde der herausragende Linguist und Intellektuelle Noam Chomsky geboren.

[] Klaubauf, der

Brauch, bei dem als Klaubaufe verkleidete Personen in den Tagen um den 6. Dezember durch die Straßen ziehen und versuchen, Passanten zu Boden zu werfen

Das teure, eben erworbene Porzellan mal kurz nach Hause tragen? In den Abendstunden um den 6. Dezember ist das – zumindest in bestimmten Regionen Österreichs – keine gute Idee. Denn darauf haben die „Klaubaufe“ (auch: „Kleibeife“) nur gewartet. Woher dieser in Teilen Ost- und Südtirols ebenso beliebte wie umstrittene Brauch des „Klaubauflaufens“ stammt, weiß keiner so genau. Interessant sind auch die Versuche, die Herkunft dieser eigentümlichen Ausdrücke zu erklären. Nähere Informationen finden Sie in unserem Blogartikel.

[] Lichterfest, das

Fest, bei dem Lichter das wichtigste Element sind

Gerade in der dunklen Jahreszeit sind Kerzen und andere Lichtquellen nicht nur praktisch, sondern auch psychologisch wichtig. Und wenn man Hell versus Dunkel als Symbole des Guten, der Wahrheit gegenüber dem Bösen, Falschen denkt, dann verwundert nicht, dass Lichterfeste auch religiös verankert sind. So wird im Hinduismus im Oktober oder November Diwali gefeiert. Näher liegt uns aber das im November oder Dezember gefeierte jüdische Lichterfest Chanukka, an dem ein Leuchter mit acht Lämpchen eine zentrale Rolle spielt und dessen achter und letzter Tag in diesem Jahr auf den heutigen Tag fällt.

[] Weihnachtsgeld, das

Geld, das zu Weihnachten zusätzlich zum Lohn oder Gehalt ausgezahlt wird

„Ja, Herr Gerichtshof, jeder Mensch muß doch een paar Jroschen Weihnachtsgeld haben“. Mit dieser treuherzigen Begründung, abgedruckt in der Weihnachtsausgabe des „Vorwärts“ von 1902, versuchte ein des Diebstahls Beschuldigter beim Berliner Landgericht einen kleinen weihnachtlichen Strafnachlass herauszukitzeln – natürlich erfolglos. Sprachgeschichtlich ist die Aussage jedoch interessant: Denn in diesem Zeitraum tritt der Ausdruck „Weihnachtsgeld“ im Geschriebenen zunehmend häufiger auf und beginnt, den bis dahin vor allem in Beamtenkreisen üblichen Ausdruck „Weihnachtsremuneration“ (zu lat. „remuneratio“ = Vergütung) abzulösen. In Deutschland ist das Wort nahezu vergessen, in Österreich ist es bis heute geläufig.

[] daddeln, Verb

am Spielautomaten spielen; auf der Spielkonsole, dem Computer, Smartphone o. Ä. spielen

Dank ihr konnte man wahlweise mit putzigen Drachen durch fremde Welten segeln, in Arenakämpfen und Höhlenlabyrinthen literweise Pixelblut vergießen oder in virtuellen Häuserschluchten reihenweise Autos zu Schrott fahren: Die Playstation 1 von Sony, deren Verkauf am 3. Dezember 1994 startete, setzte in jeder Hinsicht Maßstäbe: Sie war nicht nur jahrelang die meistverkaufte Spielekonsole. Die Ausgabe der Spiele auf CD-ROMs gab den Entwicklerstudios viele Freiheiten, sodass viele Spieler von stimmungsvollen Soundtracks und aufwendigen Filmsequenzen begleitet in flüssigen (noch etwas polygonhaften) 3D-Welten daddeln durften.

[] auf stur schalten, Mehrwortausdruck

unnachgiebig, starrsinnig, dickköpfig werden; hartnäckig bei seiner Meinung, seinem Standpunkt bleiben, auf seiner Position verharren

Grundgesetz, Artikel 12: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ Im frühmodernen partikularen Deutschland des Jahres 1717 herrschten andere Sitten, wie auch Johann Sebastian Bach erfahren musste. Als Herzog Ernst von Weimar ihn bei der Beförderung überging, ihm die Ration an Notenblättern kürzte und auch sonst die kalte Schulter zeigte, unterschrieb Bach kurzerhand einen Vertrag bei Fürst Leopold von Köthen. Für diese Insubordination und für seine Unnachgiebigkeit, die Urteilsbegründung spricht von „Halsstarrigkeit“, landete Bach im Gefängnis. Vier Wochen später, am 2. Dezember kam er auf die Fürsprache Augusts des Starken frei.

[] Fließband, das

Technik: mechanisch vorwärtsbewegtes Band, das bei arbeitsteiliger Fließfertigung oder Montage von Industrieprodukten die einzelnen Werkstücke nacheinander an die Arbeitsplätze der unterschiedlichen Arbeitsgänge befördert

Das „Modell T“ von Ford, auch bekannt als Blechliesel, war bereits bei seiner Markteinführung 1908 ein Hit. Doch Henry Ford gab sich damit nicht zufrieden. Inspiriert von den Fertigungsprozessen in Schlachthöfen präsentierte er am 1. Dezember 1913 das Ergebnis seiner Optimierungsbestrebungen: automatisch angetriebene Fließbänder. Infolgedessen reduzierte sich die Produktionszeit des Modells T von 12,5 Stunden auf 93 Minuten, der Preis wurde von 850 $ auf 370 $ gesenkt, was die Blechliesel plötzlich für jedermann erschwinglich machte. Auch wenn Ford das Fließband nicht erfunden hat – er war der erste, der es konsequent in der Automobilproduktion einsetzte.

[] Männergesundheit, die

Wohlbefinden, Abwesenheit von Krankheiten (besonders typischen Männerkrankheiten) bei Angehörigen des männlichen Geschlechts

Diese Sache hat einen Bart, obwohl sie noch gar nicht so alt ist. Seit 2003 geht es einer wachsenden, von Australien ausgehenden Bewegung namens „Movember“ darum, auf Probleme der körperlichen wie geistigen Männergesundheit hinzuweisen. Das Wort „Movember“ ist ein Kofferwort aus „Moustache“ (Schnurrbart) und „November“. Als sichtbares Zeichen ihrer Solidarität mit dem Anliegen dieser Initiative sollen Männer den ganzen November auf das Rasieren bestimmter Gesichtsregionen verzichten. Mehr dazu hier. Und ab morgen darf dann wieder der Rasierer ran.

[] Kurbel, die

rechtwinklig an einer Welle befestigter, meist mit einem Handgriff versehener, länglicher Körper, der als einarmiger Hebel wirkt und zum Erzeugen von Drehbewegungen dient

Wie bei vielen anderen seiner Patenten – man denke an die Glühbirne – gebührt Thomas Alva Edison auch beim sogenannten Phonographen nicht das Verdienst, ein solches Gerät als erster konzipiert oder gebaut zu haben. Vielmehr brachte er es zur Marktreife. So stellte er am 29.11.1877 diesen mit einer Handkurbel betriebenen Apparat vor, mit dem man Töne zuerst auf Stanniol-, später Wachswalzen aufzeichnen und wiedergeben konnte. Letztlich wurden der Phonograph und seine Abarten von dem zehn Jahre später erfundenen Grammophon, dessen Schallplatten robuster und leicht zu vervielfältigen waren, verdrängt.

[] Adventssonntag, der

einer der vier Sonntage im Advent

„... Und wenn die fünfte Kerze brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.“ Vier Adventssonntage erscheinen uns heute selbstverständlich. Der mittelalterliche Klerus nahm es trotz einer entsprechenden Entscheidung Papst Gregors aus dem 7. Jh. damit aber nicht allzu genau. Das musste zu seinem großen Ärger auch Kaiser Konrad II. feststellen, als er im Jahr 1038 erfuhr, dass ausgerechnet sein Onkel, der Straßburger Bischof Wilhelm Just, den ersten Advent bereits am 26. November beging, womit er bis Weihnachten auf fünf Adventssonntage kam. Konrad berief zur Klärung zwar eigens eine Synode ein. Eine endgültige Klarstellung erfolgte aber erst 1570 im Konzil zu Trient, über ein halbes Jahrtausend nach dem Straßburger Adventsstreit.

[] Algorithmus, der

Anweisung, Verfahren zur Lösung eines (mathematischen, informationstechnischen) Problems durch schrittweise Bearbeitung, Umformung von Zeichenreihen; Rechenverfahren nach einem bestimmten Schema

Als Ada Lovelace auf einem Ball den Mathematiker Charles Babbage traf, der sie einlud, die von ihm erfundene „Differenzmaschine“ anzusehen, war sie hellauf begeistert. Die Maschine konnte selbstständig addieren und subtrahieren, doch Ada war klar, dass die Möglichkeiten damit noch lange nicht erschöpft waren. Sie träumte davon, dass eine solche Maschine eines Tages sogar Musik abspielen könnte, und ersann so die Idee eines modernen Computers. 1845 legte sie den ersten Algorithmus zur maschinellen Berechnung der Bernoulli-Zahlen vor und wird daher von vielen als erste Computerprogrammiererin der Welt gefeiert. Am 27.11.1852 starb sie im Alter von 36 Jahren an Gebärmutterhalskrebs.

[] kunterbunt, Adjektiv

umgangssprachlich: sehr bunt

Die Geschichten um Pippi Langstrumpf sind aus den Kinderzimmern dieser Welt nicht wegzudenken. Doch eigentlich wollte Astrid Lindgren nie Schriftstellerin werden. Erst als ihre Tochter mit einer Lungenentzündung im Bett lag, begann sie ihr Geschichten von einem furchtlosen und bärenstarken Mädchen zu erzählen, das allein in der „Villa Kunterbunt“ hauste und allerhand Abenteuer erlebte. Ihre Tochter konnte davon nicht genug bekommen und dachte sich auch den Namen der Titelheldin aus. Die Geschichten wurden schließlich doch zu Papier gebracht, wenn auch erst drei Jahre später, als Lindgren selbst mit einem verknacksten Fuß das Bett hüten musste. Am 26.11.1945 erschien ihr erstes Buch.

[] nomen est omen, Mehrwortausdruck

bildungssprachlich: schon die Bezeichnung, der Name deuten auf etw. hin

Da der Dieselkraftstoff nach dem Erfinder des Dieselmotors, Rudolf Diesel, benannt ist, scheint es nur naheliegend, dass auch das Wort „Benzin“ nach dessen Zeitgenossen Carl Benz geprägt wurde. Schließlich war Benz kein Geringerer als der Erfinder des ersten funktionierenden Automobils mit Verbrennungsmotor. Doch der Schein trügt. Denn schon bevor Benz am 25.11.1844 als Karl Friedrich Michael Vaillant in Mühlburg (heute Karlsruhe) zur Welt kam, hatte man die heute als „Benzol“ bekannte Verbindung ebenfalls als „Benzin“ bezeichnet. Beide Wörter gehen auf den Namen des Benzoe zurück, das wiederum arabischen Ursprungs ist.

[] Überbleibsel, das

kleiner Rest, Überrest (von etw. Zerfallenem oder aus vergangener Zeit)

Des einen Leid, des anderen Freud: Vor rund 3,2 Millionen Jahren stürzte ein weiblicher Australopithecus afarensis (im heutigen Afar-Dreieck in Äthiopien) aus 13 bis 14 Metern von einem Baum und starb. Sedimente eines nahegelegenen Sees überdeckten den Körper. Ein großer Teil der Knochen überdauerte die Zeitläufte in der Erde, bis schließlich der Anthropologe Donald Johanson am 24. November 1974 das Skelett freilegte. Endgültig zum Star wurde das Fossil „Lucy“, als Wissenschaftler anhand von Kniegelenk und Becken herausfanden, dass die grazile Australopithecus-Dame uns ähnlicher war, als das schimpansengroße Gehirn vermuten ließ – sie ging bereits vollständig aufrecht.

[] Teilhabe, die

das Beteiligtsein an etw., Teilnahme, Partizipation; aktive Teilnahme von Menschen am politischen, kulturellen und sozialen Leben

Unter den Vertriebenen, den heimatlosen Zwangsarbeitern, die nach Ende des 2. Weltkriegs in Auffanglagern lebten, waren sie die Ärmsten der Armen: geistig behinderte Kinder, oft versteckt, vernachlässigt. Ihre „Hilflosigkeit und Verlassenheit“ erschütterten den UNO-Beauftragten für Displaced Persons, den Niederländer Tom Mutters, so sehr, dass er in Marburg am 23. November 1958 gemeinsam mit Eltern und Fachleuten den Verein „Lebenshilfe für das behinderte Kind“ (heute nur: „Lebenshilfe“) gründete. Früh entstand dabei das Konzept der Inklusion: Hilfen und Förderung sollten eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.

[] Sandmännchen, das

volkstümliche kleine Gestalt, die angeblich den Kindern Sand in die Augen streut, woraufhin sie einschlafen

Neben dem Wettlauf ins All prägte die 1950er- und 60er-Jahre noch ein Wettrennen ganz anderer Art. Fernsehsender aus Ost und West arbeiteten mit Hochdruck an einer Kindersendung, in deren Mittelpunkt die sagenumwobene Gestalt des Sandmanns stehen sollte. In einer Hauruck-Aktion schaffte es die DDR dem Westen ein Schnippchen zu schlagen. Die erste Folge „Unser Sandmännchen“ wurde am 22.11.1959 ausgestrahlt, zwei Wochen vor dem West-Pendant. Doch auch aus der Wiedervereinigung ging das Ost-Sandmännchen als Gewinner hervor. Nachdem das West-Sandmännchen bereits eingestellt worden war und dem Ost-Sandmännchen ein ähnliches Schicksal drohte, brach ein Sturm der Entrüstung los, der dazu führte, dass auch heute noch kein Kind ohne sandigen Abendgruß ins Bettchen muss.

[] sich in die Riemen legen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, übertragen: sich (körperlich) sehr anstrengen; eine Aufgabe, ein Vorhaben o. Ä. sehr engagiert ausführen, erledigen

Wenn sich jemand so richtig in die Riemen gelegt hat, dann Gérard d’Aboville. Heute vor 30 Jahren landete der Franzose mit seinem Ruderboot an der Westküste Amerikas. Hinter ihm lagen 134 Tage pullen mit Schichten von 10 bis 12 Stunden, in denen er ausgehend vom japanischen Chōshi den Pazifik überquerte. Eine Spazierfahrt war es nicht: Schwere Stürme und Kaventsmänner brachten das Boot mehrmals zum Kentern, oft war er wegen der Stürme tagelang in der Kajüte eingeschlossen. „Wenn ich gewusst hätte, was passiert, hätte ich es niemals versucht“, gab er später zu Protokoll. Heute ist Gérard d’Aboville Offizier der Ehrenlegion und sitzt im Pariser Stadtrat.

[] Liederzyklus, der

Zyklus thematisch zusammenhängender Kunstlieder

Nicht jede Oper wurde vom Künstler „Oper“ genannt (so sei Wagners Parsifal ein „Bühnenweihfestspiel“), und nicht jede Sinfonie auch „Sinfonie“. Den Fluch der Zahl 9 fürchtend – da für Beethoven und Bruckner die jeweils neunte Sinfonie auch die letzte war –, nannte Gustav Mahler sein auf die achte Sinfonie folgendes „Lied von der Erde“, das heute vor 110 Jahren in München uraufgeführt wurde, einfach „sinfonischer Liederzyklus“. Ironischerweise erlebte Mahler aber die Uraufführung der Sinfonie nicht mehr, auch seine (dann auch offiziell) Neunte und die unvollendete Zehnte erschienen erst postum.

[] nach Adam Riese, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, scherzhaft: mathematisch, rechnerisch; wenn die Rechenregeln korrekt befolgt wurden

Mathe ist langweilig? Mitnichten! Das dachte sich auch Mathematikprofessor Albrecht Beutelspacher, dessen „Mathematikum“ am 19.11.2002 in Gießen seine Pforten öffnete. Mathematik zum Anfassen, so die Devise des ersten mathematischen Mitmachmuseums der Welt. Seine Ursprünge hatte das Museum 1993 in Beutelspachers Seminaren, in denen er seine Studenten geometrische Modelle bauen und die zugrundeliegende Mathematik erklären ließ. Diese Modelle ernteten so viel Zuspruch, dass sie als Wanderausstellung sogar einmal um die Welt reisten, bevor Teile davon ihren permanenten Platz im Mathematikum fanden. Dort lässt sich die Mathematik mittlerweile an mehr als 170 Exponaten spielerisch begreifen.

[] Versöhnung, die

friedvolle Beilegung von Streitigkeiten oder Zerwürfnissen; entgegenkommende Verständigung mit Gegnern oder Feinden

Heute würde man die Einladung deutscher katholischer Bischöfe zu einer Jubiläumsfeier der Kirche in Polen nicht zur Kenntnis nehmen, doch 1965 war sie eine Sensation. Zwanzig Jahre lang war nach dem schrecklichen Wüten der Nazis in Polen an Versöhnung mit (West-)Deutschland nicht zu denken, die BRD war darüber hinaus offiziell Systemfeind. Seinerzeit war das Sendschreiben in Polen besonders wegen der geradezu unerhörten Wendung „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ hochgradig umstritten, heute ist klar, dass dies der erste Schritt für die – noch laufende – Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen war.

[] fei, Partikel

drückt die mit einer Äußerung verbundenen Gefühle des Sprechers aus

Das Deutsche ist besonders reich an den so genannten Abtönungspartikeln (z. B. „bloß“, „ja“, „doch“, „halt“), die die Haltung des Sprechers zur getätigten Aussage ausdrücken und die besonders für Lerner des Deutschen schwer zu fassen sind. Doch auch deutsche Muttersprachler können ins Schleudern geraten, wenn sie auf regionale Ausdrücke wie das berühmte „fei“ stoßen. Zu Unrecht wird es nur den Franken zugeschrieben, zu Unrecht wird es nur als „Verstärkung“ dargestellt, zu Unrecht wird es als Dialektform von „fein“ erklärt. Wie ist es also richtig? Da müssen Sie fei schon den ganzen Artikel lesen!

[] Fallrückzieher, der

Fußball: Spielzug, bei dem ein Spieler sich rückwärts fallen lässt und den Ball über den eigenen Körper hinter sich schießt (meist, um so ein Tor zu erzielen)

Kopfbälle werden im Fußball zunehmend kritisch gesehen, werden sie doch mit neurodegenerativen Prozessen in Verbindung gebracht. Wie wäre es stattdessen mit dieser Variante, die die luftige Ballannahme vom Kopf auf die Füße stellt? An einem 16. November schoss der deutsche Nationalspieler Klaus Fischer gegen die Schweiz das Tor des Jahrzehnts. Die viel zu hoch hereinkommende (per Kopfball nicht verwertbare) Flanke von Teamkollege Rüdiger Abramczik zimmerte Fischer mit chirurgischer Präzision per Fallrückzieher ins Toreck. Ein Lichtblick und willkommene Ablenkung für das deutsche Publikum in einem düsteren, von Terroranschlägen und Katastrophen überschatteten Jahr 1977.

[] Indizierung, die

Politik: Platzierung auf einem Index verbotener oder nur eingeschränkt (meist nur für Erwachsene) zugelassener Werke

Das Verbot „häretischer“ oder auf andere Weise mit der christlichen Lehre unvereinbarer Schriften hatte schon eine lange Tradition, als 1559 als Reaktion auf Buchdruck und Reformation der einheitliche Index librorum prohibitorum („Verzeichnis verbotener Bücher“) erschien. Werke aus dieser immer wieder überarbeiteten Liste zu lesen galt für Katholiken als Sünde. Das Zweite Vatikanische Konzil brachte in diesem Bereich eine Modernisierung, sodass die Indizierung ab 1965 stufenweise eingestellt wurde. Mit dem Erlass vom 15.11.1966 über die Aufhebung von Strafen für verbotene Bücher war der „Index“ endgültig Geschichte.

[] Gesundheitsministerin, die

in verschiedenen Staaten und (Bundes-)‍Ländern: Leiterin eines für Gesundheitsfragen zuständigen Ministeriums

Als heute vor 60 Jahren Dr. Elisabeth Schwarzhaupt Bundesgesundheitsministerin wurde, regte sich großer Widerstand, auch von Kanzler Konrad Adenauer. Warum? Sie war eine Frau. So erfolgte ihre Berufung überhaupt erst infolge eines Sit-ins ihrer CDU-Kolleginnen. Das für das „Fräulein Schwarzhaupt“ oder die „Frau Minister“ vielleicht noch am ehesten „angemessene“ Familienministerium wollte man ihr aber auch nicht anvertrauen, denn sie war unverheiratet. Als Notlösung schuf man das Ministerium für Gesundheitswesen, das man als nicht sonderlich wichtig ansah. Schwarzhaupt bewies jedoch das Gegenteil und leistete während ihrer Amtszeit wichtige Pionierarbeit. Sie setzte sich für Umwelt- und Gesundheitsschutz ein und ebnete den Weg für ihre vielen Nachfolgerinnen. Denn nach ihr gab es nie wieder ein Kabinett ohne Frauen.

[] Abenteuerfahrt, die

erlebnisreiche, meist mit einem Transportmittel absolvierte Reise (häufig in ein fremdes Land, eine unbekannte Umgebung)

Ob Gilgamesch-Epos, höfischer Ritterroman oder Herr der Ringe: die Heldenreise zählt mit zu den ältesten literarischen Gattungen. Ein Meister dieser Form war der heute vor 171 Jahren geborene Robert Lewis Stevenson, Autor des Welterfolgs „Die Schatzinsel“. Weniger bekannt ist, dass der an Tuberkulose Leidende mit 40 seine eigene Abenteuerfahrt antrat: Er reiste in die Südsee, um, wie ein Biograf behauptet, einen legendären vergrabenen Schatz zu suchen, den er auch gefunden haben soll. Sicher ist jedenfalls, dass er auf Samoa einen Schatz anderer Art fand, einen neuen Lebensmittelpunkt. Anders als die Helden im Epos ist er nie in seine Heimat zurückgekehrt.

[] Tanzverbot, das

Gesetz oder Verordnung, wonach an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten öffentliche Tanzveranstaltungen, Sportveranstaltungen o. Ä. untersagt werden, z. B. aus Rücksicht auf religiöse Feiertage

Ein Tanzverbot aus Infektionsschutzgründen haben wir unlängst hinter uns gelassen. Im oberbayerischen Wolfersdorf schrieb ein solches Verbot aus anderen Gründen Geschichte. Denn am 12.11.1780 hatten sich einige Burschen „erfrechet in der hiesigen Wirtstafern unanständig und ärgerlich zu tanzen und die Füße mit den der Weibsbilder ihrigen durcheinander zu schlingen. Diese Tanzart wird unter dem Bauernvolk das zwyfach Danzen genannt.“ Dieser Zwiefache war ob seiner vermeintlichen Frivolität verboten und so erhielten die Burschen eine Geldbuße von 240 Pfennig. Schlecht für sie, gut für (Musik-)Historiker, denn das Bagatelldelikt fand Einzug in ein Gerichtsprotokoll – die erste schriftliche Erwähnung des Zwiefachen überhaupt.

[] olle Kamelle, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, meist abwertend: altbekanntes Thema, immer wiederkehrendes Motiv

Auch wenn’s in der fünften Jahreszeit auf Rosenmontagszügen „Kamelle, Kamelle!“ schallt: Unter die 150 Tonnen Wurfmaterial, die so ein Rosenmontagszug unters Volk bringt, mischen sich Schokoriegel, Mäusespeck, Chipstüten, aber immer seltener die klassischen Karamellbonbons – und „olle Kamellen“ schon mal gar nicht. Die Wendung bezog sich im Norddeutschen ursprünglich auf „alte, nicht mehr duftende und damit wertlose Kamillen(blüten)“. („Dat sünd olle Kamellen – de rükt nich mehr.“) Der Mundartdichter Fritz Reuter titulierte mit „Olle Kamellen“ selbstironisch seine autobiografisch gefärbten Erzählungen, in denen er das Niederdeutsche zu literarischer Hochform führte.

[] Klick, der, das

Phonetik: Laut, der durch Schnalzen vor allem mit der Zunge gebildet wird

Miriam Makeba verschaffte dem Xhosa mit seinen charakteristischen Klicklauten in ihrem Hit Pata Pata 1967 erstmals weltweit Gehör. Die Südafrikanerin lebte zu dieser Zeit, vom Apartheidsregime aus ihrem Heimatland vertrieben, in den USA, wo sie später aber wegen einer Heirat mit einem Black-Panther-Aktivisten ebenfalls diskriminiert wurde. 1990 konnte sie endlich in ein freies Südafrika zurückkehren. Auch danach spielte sie noch auf Benefizkonzerten zugunsten Verfolgter. Heute vor dreizehn Jahren starb die auch „Mama Africa“ genannte Sängerin, direkt nachdem sie noch auf der Bühne gestanden hatte.

[] Gedenktag, der

Tag, an dem etw. (oft ein historisches Ereignis) öffentlich gewürdigt wird, sich die Öffentlichkeit an etw. erinnert

Der 9. November wird oft hochtrabend als „Schicksalstag der Deutschen“ tituliert. In der Wendung steckt viel hohles Pathos, aber eben auch historische Substanz: Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann die Republik aus. Gewissermaßen als Replik auf dieses verhasste Datum inszenierte Hitler 1923 in München den Putsch gegen die Demokratie und 15 Jahre später das Pogrom gegen die deutschen Juden, gegen ihre Geschäfte und Synagogen. Über ein halbes Jahrhundert später besiegelte der Fall der Mauer 1989 das Ende der SED-Herrschaft. Ein „Schicksalstag“ ist der 9. November sicher nicht, er wäre wohl aber ein würdiger Gedenktag, der wie kaum ein anderer die wechselvolle jüngere Demokratiegeschichte des Landes spiegelt.

[] Durchblick, der

Blick, Ausblick zwischen oder durch etw. hindurch

Eher zufällig entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen am 8. November 1895 in seinem Labor die später nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Aufgrund des ihm unbekannten Charakters dieser Strahlen nannte er sie zunächst X-Strahlen. Knapp zwei Monate später erschien schon seine erste Veröffentlichung zu diesen neuen Strahlen, wenige Tage zuvor war es ihm gelungen, ein Bild aufzunehmen, das die durchleuchtete, beringte Hand seiner Frau zeigte. Nicht nur für die medizinische Diagnostik war diese Entdeckung revolutionär, zumal Röntgen darauf verzichtete, das Verfahren zum Patent anzumelden. 1901 wurde er für seine Leistungen mit dem ersten Physik-Nobelpreis überhaupt geehrt.

[] unter jmds. Fuchtel stehen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sich unter jmds. strenger, unbegrenzter Kontrolle oder Gewaltherrschaft befinden; unter jmds. (oft weiblicher) Dominanz sein; jmdm. ausgeliefert sein

Die preußische Armee war nach Abschluss der großen Heeresreform 1814 eine andere, eine modernere Armee. Wirklich? Heinrich Heine hatte im „Wintermärchen“ bekanntlich seine Zweifel: „Sie stelzen noch immer so steif herum, / So kerzengrade geschniegelt / Als hätten sie verschluckt den Stock / Womit man sie einst geprügelt.“ Heines Pointe: Tatsächlich trügen sie jetzt die „Fuchtel“ in ihrem Innern. Die Fuchtel war ursprünglich die Bezeichnung für den Degen, mit dem man einerseits fuchtelte (also focht), den die Offiziere andererseits (vor der Reform) auch dazu nutzten, um mit der flachen Seite ihre Soldaten zu schlagen. Entsprechend bedeutet „unter der Fuchtel stehen“ also eigentlich ‚unter strenger militärischer Zucht stehen‘.

[] dem Tod von der Schippe springen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: eine tödliche Gefahr, Erkrankung lebend überstehen; knapp überleben

Obwohl der am 6. November 1814 geborene Adolphe Sax zum Klarinettisten ausgebildet wurde, folgte er der Familientradition und wurde ein besonders produktiver Instrumentenbauer. Das von ihm erfundene Saxofon hätte es jedoch beinahe nie gegeben. Böse Zungen behaupten gar, das Universum habe das Saxofon verhindern wollen, denn als Kind sprang Sax dem Tod mehr als nur einmal von der Schippe. Er stürzte eine Treppe hinab, er verschluckte eine Stecknadel, trank versehentlich Vitriol, ertrank fast in einem Fluss – um nur einige seiner Unfälle zu nennen. Anerkennung blieb ihm zeitlebens verwehrt – den Durchbruch schaffte das Saxofon leider erst Jahrzehnte nach seinem Tod.

[] Bretonisch, das

ursprünglich aus Großbritannien stammende, in Nordwestfrankreich gesprochene Sprache aus dem britannisch-keltischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Ganz Gallien ist vom Keltischen zum Lateinischen (bzw. Französischen) übergegangen. Ganz Gallien? Jein! Denn das in der nordwestfranzösischen Bretagne gesprochene Keltisch wurde erst im Frühmittelalter von Bevölkerungsgruppen, die vor den einströmenden Angelsachsen aus Großbritannien flohen, in die Heimat der unbeugsamen Gallier um Asterix getragen. Am 05.11.1499 erschien mit dem bretonisch-französisch-lateinischen „Catholicon“ des Priesters Jehan Lagadeuc das erste Wörterbuch dieser Minderheitensprache, deren Sprecherzahl sich im 20. Jahrhundert unter dem Druck des Französischen leider stark verringert hat.

[] Registrierkasse, die

(in Ladengeschäften, Gastronomiebetrieben o. Ä. genutztes) Gerät zur (automatischen) Erfassung, Berechnung und Anzeige des für Waren oder Dienstleistungen zu zahlenden Preises, das außerdem Belege erstellt sowie meist über ein Bargeldfach für Einnahmen und Wechselgeld verfügt

Fragt man nach einem Geräusch, das typischerweise mit Geld assoziiert wird, stehen die Chancen gut, dass das Klingeln einer Registrierkasse beim Öffnen der Geldschublade genannt wird. Tatsächlich hatte schon die am 04.11.1879 von James Ritty in Dayton (Ohio) zum Patent angemeldete weltweit erste komplexe Kasse eine Klingel genau dieser Art. Warum der Saloonbesitzer, der eigentlich kein Ingenieur war und seine Kassenfirma schon 1884 verkaufte – es gibt sie bis heute als Großunternehmen – einen solchen Apparat konstruierte, hatte profane Gründe: Er wollte die Diebstähle durch seine Angestellten verringern.

[] Organspendeausweis, der

Dokument, auf dem der Inhaber eine persönliche Erklärung abgibt, ob und in welcher Form er im Todesfall Organe, auch Organ- oder Gewebeteile, für eine Organtransplantation zur Verfügung stellt

Man kann ihn herunterladen und ausdrucken, als App auf seinem Handy installieren oder ganz klassisch aus einer Broschüre heraustrennen und ausfüllen: den Organspendeausweis. Und die Bereitschaft zur Organspende wächst, aber sie wird eben auch immer dringlicher. 2020 warteten über 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan, aber nur 3.000 post mortem gespendete Organe wurden verpflanzt. Anders als andere Länder, in denen eine Widerspruchslösung gilt, setzt Deutschland (bislang) auf Freiwilligkeit – einer langen Tradition folgend: Heute vor 50 Jahren stellte die Hamburger Gesundheitsbehörde den ersten Organspendeausweis in Deutschland aus.

[] Verunglimpfung, die

Herabwürdigung, Schmähung, Verleumdung

Die Legende war schon für Zeitgenossen schier unwiderstehlich: Hier der geniale, allen überlegene Mozart, dort der italienischstämmige, minderbegabte, aber gut vernetzte Neidhammel Antonio Salieri, welcher das jugendliche Genie durch Intrigen und andere finstere Machenschaften ins Grab bringt. Nichts davon ist wahr, dennoch lebt die Legende: Heute vor 42 Jahren hatte das Theaterstück „Amadeus“ des Briten Peter Shaffer Premiere, der das böse Gerücht in einen spannenden, später erfolgreich verfilmten Plot verwandelte. Ob auf die fiktionale Verunglimpfung dereinst eine ebenso erfolgreiche fiktionale Rehabilitierung folgen wird, darf bezweifelt werden.

[] Diwan, der

veraltend: niedriges, gepolstertes Ruhebett

Die Ghasele (Liebeslyrik) des großen Poeten Hafis wurden schon früh in einer Gedichtsammlung, einem sogenannten „dīwān“, gesammelt. Der Ausdruck kam über die Rezeption durch Goethe direkt aus dem Persischen ins Deutsche. Schon vorher war das Wort aber in seiner Bedeutung „Schreibzimmer“ ins Türkische und von dort als „(osmanischer) Staatsrat“ zu uns gekommen. Und da in offiziellen osmanischen Empfangszimmern gerne niedrige Sofas standen, nahm das Wort auf dem Umweg über das Französische noch diese dritte, schnell dominierende Lesart an. Drei Wege, drei völlig verschiedene Bedeutungen. Das ist fast schon poetisch.

[] Wumms haben, Mehrwortausdruck

Energie, Durchschlagskraft haben

Am heutigen Tag wurde 1929 in Neapel Carlo Pedersoli geboren. Sie kennen ihn nicht? Er war olympischer Schwimmer, Wasserballspieler, Musiker, Politiker und Gründer einer Fluglinie. Es klingelt immer noch nicht? Aber als Schauspieler kennt ihn in Deutschland jeder: Nach einigen ernsten Italowestern spielte er, meist mit seinem Kollegen Mario Girotti (alias Terence Hill), unter seinem Künstlernamen Bud Spencer (nach Budweiser-Bier und Spencer Tracy) in zahlreichen Komödien den mürrischen, aber gutherzigen Haudrauf mit richtig Wumms in den Fäusten. Das Duo wurde durch die kongeniale Synchronisation von Rainer Brandt in Deutschland zum Kult.

[] Massenhysterie, die

in großen Menschenansammlungen oder in großen Bevölkerungsgruppen auftretende, durch einen äußeren Anlass hervorgerufene starke Erregung

Der „Krieg der Welten“, das bekannteste Werk des Science-Fiction-Autors H.G. Wells von 1898, war eigentlich als bittere Satire auf die britische Kolonialpolitik konzipiert. Doch die spannende Geschichte von den empathielosen Marswesen, die sich mit überlegener Feuerkraft anschicken, die Menschheit auszulöschen, entfaltete am 30. November 1938 erneut ihre Wirkung. Der junge Orson Welles tarnte den Klassiker als vermeintlich echte, durch Einspielung von Musiktiteln und dramatischen O-Tönen äußerst glaubhaft wirkende Radioreportage. Dass das clever gemachte Hörspiel eine Massenhysterie auslöste, ist allerdings übertrieben.

[] unbeugsam, Adj.

sich keinem fremden Willen beugend, nicht zum Nachgeben zu zwingen

„Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein!“ Wer kennt sie nicht, die Geschichten um die unbeugsamen Gallier Asterix und Obelix und ihre Versuche, ihr Dorf vor Eindringlingen zu schützen. Aus der Feder von Autor René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo hatte „Asterix der Gallier“ am 29.10.1959 seinen allerersten Auftritt im französischen Comic-Magazin Pilote. Der Rest ist Geschichte. Weltweit knapp 400 Millionen verkaufte Exemplare. Übersetzungen in über 100 Sprachen und Dialekte. Auch an ihrem heutigen 62. Geburtstag (und beim mittlerweile 39. Album) scheint von Altersbeschwerden noch keine Spur.

[] Souveränität, die

Macht und Recht, frei nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ohne dabei das Recht anderer zu verletzen; Recht eines Volkes im Hinblick auf die ihm zustehende Staatsgewalt, Ausübung der Macht des Volkes innerhalb eines Staates

Nachdem der britische Seefahrer James Cook im Jahre 1769 neuseeländischen Boden betrat, folgte ein nicht-abreißender Strom an europäischen Händlern und Siedlern. Deren zucht- und zügelloses Gebaren war den einheimischen Māori ein Dorn im Auge, und so ersuchten sie schließlich die britische Regierung um Hilfe. Der Regierungsvertreter James Busby versammelte daraufhin am 28.10.1835 in Waitangi 31 Māori-Häuptlinge, die eine von ihm verfasste Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten. Mit diesem ersten schriftlichen Dokument des Landes wurden die „Vereinigten Stämme von Neuseeland“ zu einem unabhängigen Staat erklärt, dessen Hoheitsgewalt allein den Stammesoberhäuptern obliegt.

[] Aluhut, der

meist spöttisch, häufig bildlich: aus mehreren Lagen Aluminiumfolie geformte Kopfbedeckung, die angeblich die Gesundheit oder Gedanken ihres Trägers vor schädlichen Einflüssen schützen soll

Gedacht war sie ursprünglich nur als Abdichtung von Ballonnähten. Doch bald löste sie als Verpackungsmaterial besonders für Lebensmittel das gesundheitlich bedenkliche (aus Zinn) hergestellte Stanniolpapier ab. Dass einmal Alufolie zum Antennen-Hütchen geformt die Häupter von Verschwörungsideologen und Esoterikern vor vermeintlich schädlichen Strahlungen, Regierungseinflüsterungen oder Schlimmerem abschirmen sollte, hätte sich Heinrich Alfred Gautschi (1871-1955) wohl kaum träumen lassen. Am 27.10.1910 meldete der Schweizer Industrielle das Patent zur industriellen Massenproduktion von Alufolie an.

[] abknallen, Verb

salopp, abwertend: ein Lebewesen skrupellos niederschießen

Nervenaufreibende Showdowns zwischen Sheriffs und Gesetzlosen gehören zu den Standardsituationen in Westernfilmen, die nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben müssen. Eine filmreife Schießerei gab es allerdings heute vor 140 Jahren in – nomen est omen – Tombstone (Arizona), zwischen 4 Cowboys der Clanton/McLaury-Bande und 4 ebenfalls halbseidenen Marshalls um die Brüder Earp und Doc Holliday. Am O. K. Corral fielen, nachdem die Cowboys sich nicht gesetzeskonform entwaffnen lassen wollten, in nur 30 Sekunden 30 Schüsse. Die Bilanz: 3 Tote, 3 Verletzte. Eine offizielle Untersuchung des Vorfalls sprach Wyatt Earp und Holliday vom Mordvorwurf frei.

[] Betriebsnudel, die

umgangssprachlich, meist spöttisch, meist abwertend: (im Übermaß) nach außen gerichteter, kontaktfreudiger, geselliger, unterhaltsamer oder Unterhaltung suchender Mensch

Heute ist Weltnudeltag. Da dieser Thementag 1995 von der Pasta-Industrie mit durchsichtigem Motiv ausgerufen wurde, wollen wir hier nicht das Hartweizenprodukt feiern, sondern alle Menschen, die sich als Nudeln bezeichnen lassen wollen oder müssen. Bereits Andreas Schmeller kennt in seinem Bayerischem Wörterbuch von 1827 die Verwendung von „Nudel“ für eine Frau „wenn sie mit viel elastisch-weichem Fleische ausgestattet ist“. Heutige Nudeln, bekannt als Ulknudeln oder Betriebsnudeln, müssen aber weder weiblich noch dick sein. Angespielt wird meist auf einen besonders heiteren, extrovertierten oder betriebsamen Charakter. Eine Portion schwäbische oder italienische Nudeln wird eine solche Person aber sicher nicht ausschlagen.

[] Leseratte, die

umgangssprachlich, scherzhaft: jmd., der gern und viel liest

Die Abende werden länger und die gemütliche Jahreszeit beginnt. Leseratten kommen derzeit voll auf ihre Kosten. Etwas unglücklich könnten diese über die der Ratte zugeschriebenen Eigenschaften sein. Dessen ungeachtet ist sowohl die „Spezies“ als auch das Wort „Leseratte“ weit verbreitet. Entsprechende Bezeichnungen gibt es in vielen Einzelsprachen. Noch polyglotter ist nur der „Bücherwurm“. Man findet ihn im Englischen, Russischen, Hebräischen, Japanischen und selbst im Chinesischen. In den nordgermanischen Sprachen stellt man sich dagegen ein „Lesepferd“ vor. Ihnen allen ist der unstillbare Hunger nach Büchern gemein. Am heutigen Tag der Bibliotheken wird der Bibliophilen liebster Ort geehrt.

[] Ampel, die

der Verkehrsregelung dienende, mit mindestens zwei, meist drei (rot, gelb, grün) verschiedenfarbigen Lichtsignalen ausgestattete Anlage; Koalition aus SPD, FDP und Grünen

Ampel: Dieser volkstümliche Ausdruck für die amtlicherseits als „Lichtzeichenanlage“ bezeichnete Vorrichtung geht auf eine Bedeutungsübertragung aus den 1920er Jahren zurück, als der Verkehrsturm auf dem Potsdamer Platz erstmals Ordnung in das Berliner Verkehrschaos brachte. Ursprünglich hatte die Ampel (aus lat. „ampulla“ ‚kleines Fläschchen‘), aufgehängt als Ewiges Licht, ihren Ort in Synagogen und Kirchen. Später bezog man sich wie z. B. Rilke allgemein auf hängende Lichtquellen: „Verträumte Heiligenbilder dunkeln drin (…) Und blasse Ampeln schwanken her und hin.“ Die weltweit erste – mit Gas betriebene – Verkehrsampel nahm übrigens 1868 in London ihre Arbeit auf. Sie soll nach kurzer Zeit explodiert sein.

[] Pony, das

Pferd einer sehr kleinen Rasse von höchstens 148 cm Schulterhöhe und meist stämmigem Wuchs

Einen Brief quer durch die USA schicken – in nur 10 Tagen! Eine revolutionäre Entwicklung, dauerte der Postversand um 1850 doch ein bis zwei Monate. Möglich machte es der sogenannte Pony-Express. Am 3. April 1860 begann eine Stafette furchtloser junger Männer, Briefe entlang der mehr als 3000 km langen Strecke zwischen Kalifornien und Missouri zuzustellen – hoch zu Ross, den widrigen Wetterverhältnissen und feindlichen Überfällen trotzend. Allem Pioniergeist zum Trotz schienen die Gründer jedoch aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. Denn bereits 18 Monate später wurde der Pony-Express eingestellt. Zwei Tage, nachdem das erste transkontinentale Telegramm per Telegraf verschickt wurde.

[] Kabuff, das

umgangssprachlich: kleiner Raum meist ohne Fenster in einem Haus oder einer Wohnung, in dem Gegenstände aufbewahrt werden

Fast jeder hat doch diese eine Schublade, wo alles, was nirgendwo sonst unterkommt, zu finden ist. Viele Hausbesitzer haben sogar einen entsprechenden kleinen Raum - oft fensterlos und etwas muffig. Darum heißt er oft „Kabuff“. Woher kommt eigentlich diese merkwürdig klingende Wort? Nicht alles über seine Form- und Bedeutungsgeschichte ist klar, aber es scheint tatsächlich zu „Kombüse“ zu gehören: Die Rumpelkammer und die Schiffsküche, die auf mittelniederdeutsch „kabūs(e)“ (Bretterverschlag, kleine Hütte) zurückgeht, teilen also die Vorstellung des engen Raums. Mit der Zeit wurden andere Wörter eingekreuzt, so dass sie heute äußerlich nicht mehr viel gemein haben.

[] schmunzeln, Verb

stillvergnügt, heiter, belustigt, wohlgefällig (vor sich hin) lächeln

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum jemand „schmutzig lachen“ kann? Zwar vermag kaum ein Adjektiv diese Form des hämischen, gemeinen Lachens besser zu illustrieren, aber doch bleibt die bildhafte Vorstellung dahinter rätselhaft. Das Wort „schmunzeln“ ist hier der Schlüssel. Es handelt sich um eine Iterativbildung (eine Verbform, die auf eine dauerhafte, sich wiederholende Handlung hinweist) zum untergegangen Wort „schmunzen, schmutzen“ (lächeln). Tatsächlich gab es auch die tautologische Zusammensetzung „schmunzlachen“ bzw. „schmutzlachen“ die später volksetymologisch in dem bekannten Sinn umgedeutet wurde.

[] Sorbisch, das

in der Lausitz beheimatete Sprache aus dem westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Durch die Teilnahme des SSW an der Bundestagswahl hat unlängst die dänische Minderheit viel Beachtung bekommen. Es gibt aber noch eine zweite autochthone Minderheit in Deutschland: die Sorben in Brandenburg und Sachsen. Ihre Sprachen Niedersorbisch um Cottbus und Obersorbisch um Bautzen sind die letzten Überbleibsel des früher überall zwischen Elbe und Oder gesprochenen Slawisch. Da aber auch sie unter starkem Assimilationsdruck durch das Deutsche stehen, wurde heute vor 30 Jahren die Stiftung für das sorbische Volk zur „Sicherung und Entwicklung der sorbischen Sprache, Kultur und Traditionen“ ins Leben gerufen.

[] Albino, der

Tier ohne Pigmente in Haut, Haar und Augen, so dass es ganz hell ist

Die Geschichte des verhängnisvollen Kampfes von Kapitän Ahab gegen den weißen Pottwal Moby Dick, der ihm und seinem Schiff zum Verhängnis wird, gehört heute zu den bekanntesten Sujets der Weltliteratur. Dabei war dem heute vor 170 Jahren in London erschienenen Buch, in dem Herman Melville die wahre Geschichte des Albino-Wals „Mocha Dick“ verarbeitete, auf Jahrzehnte kein Erfolg beschieden: Die religionskritischen Überlegungen des Autors (besonders durch die Figur Queequegs) kamen besonders im frömmelnden Amerika des 19. Jahrhunderts schlecht an. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Roman wiederentdeckt.

[] Anstich, der

das Anstechen eines Bierfasses, Weinfasses, die Anzapfung

2G oder 3G plus Abstandspflicht? – Nein, „so a bissl Wiesn geht ned“, und damit fällt pandemiebedingt auch 2021 das Oktoberfest aus. Angefangen hatte alles am 17. Oktober 1810, als man anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig I. auf der Theresienwiese erstmals ein zünftiges Volksfest veranstaltete. Den ersten öffentlichen Fassanstich durch einen Politiker gab es dann 140 Jahre später durch den Münchener Oberbürgermeister Thomas Wimmer. Bis heute gilt er als schlechtester „Anstecher“. Benötigt hat er um die 19 Schläge. Stilbildend war allerdings sein über die Grenzen Bayerns sprichwörtlich gewordener Ausruf: „Ozapft is!“

[] Bergkraxler, der

mundartlich, umgangssprachlich, oft spöttisch: Person, die gerne in den Bergen wandert oder auf Berge klettert

Es war der krönende Abschluss eines ambitionierten Plans: Heute vor 35 Jahren stand Bergfex Reinhold Messner auf dem Gipfel des Lhotse. Der Nachbarberg des Mount Everest gehört mit seinen 8516 m zum exklusiven, vierzehn Mitglieder zählenden „Klub der 8000er“, die Messner als erster Mensch sämtlich bezwungen hat. Seine vielfach bewunderten Pioniertaten im Bergsteigen fanden viele, seiner Meinung nach allzu viele Nachahmer. Und so fühlt sich (Achttausender oder nicht) auch der eine oder andere Flachlandtiroler zum Bergkraxler berufen, der es vielleicht besser beim Wattwandern belassen hätte.

[] Verzug, der

Verzögerung, Rückstand in der Ausführung, Durchführung von etw., in der Erfüllung einer Verpflichtung

Ob Elbphilharmonie, BER oder Stuttgart 21 – große Bauprojekte wollen im Deutschland des 21. Jahrhunderts einfach nicht fristgerecht fertig werden. Aber lassen wir trotz Unkenrufen über das Ende der deutschen Ingenieurskunst doch einmal die Kirche im Dorf, oder besser gesagt den Dom in Köln: Letzterer brauchte um ein Vielfaches länger. Von der Grundsteinlegung 1248 dauerte es ganze 632 Jahre bis zur Fertigstellung, wobei die Arbeiten von 1528 bis 1823 ganz ruhten. 1842 endlich setzte man sich die Fertigstellung als „nationale Aufgabe“ zum Ziel, und am 15.10.1880 wurde das Wahrzeichen der Stadt dann feierlich übergeben.

[] Kuscheltier, das

Spielzeugtier aus Samt, Plüsch oder ähnlichem kuscheligen Stoff

Ein Teddy „von sehr geringem Verstand“, aber einem großen Herz für seine (plüsch-)tierischen und menschlichen Freunde, das ist Pu der Bär (engl. Winnie-the-Pooh), den der britische Autor Alan Alexander Milne zusammen mit dem menschlichen Hauptdarsteller, seinem Sohn Christopher Robin, in amüsanten, aber erzähltechnisch durchaus anspruchsvollen Geschichten verewigt hat. Am 14.10.1926 erschien das Kinderbuch in London und wurde auf Anhieb ein Erfolg. Ein Nachfolgeband und zahlreichen Übersetzungen und Adaptionen ließen nicht lange auf sich warten.

[] Hauskatze, die

domestizierte bzw. als Heimtier gehaltene (weibliche) Kleinkatze

Immer mal wieder und vor allem angesichts knapper Gemeindekassen wird der Ruf nach einer Katzensteuer laut. Hundebesitzer begrüßen sie aus Gründen der Gleichbehandlung, Vogelfreunde fordern sie, da die mehr als 15 Millionen Katzen in Deutschland über 50 Millionen tote Vögel und gar einige bedrohte Arten auf dem Gewissen hätten. Das vom Krieg gebeutelte Dresden ergriff am 13.10.1916 Maßnahmen gegen die „unerwünschten Mitesser“ und erhob fortan 5 Mark pro Jahr für die erste Katze, 10 Mark für die zweite und für jede weitere 15 Mark. Die Katzensteuer war jedoch von kurzer Dauer, da man unterschätzt hatte, welchen Beitrag die Katzen zur Schädlingsbekämpfung leisteten.

[] Ei des Kolumbus, Mehrwortausdruck

verblüffend einfache und effektive Lösung für ein (vermeintlich) kompliziertes Problem

Als Christoph Kolumbus am 12.10.1492 auf den heutigen Bahamas an Land ging, sorgte er für einiges an Furore. Nicht alle waren jedoch von seiner Entdeckung der Neuen Welt beeindruckt. Einer Legende zufolge soll Kolumbus nach seiner Rückkehr bei einem feierlichen Bankett vorgehalten worden sein, dass die Entdeckung Amerikas doch gar nichts Besonderes gewesen sei. Leicht gekränkt forderte Kolumbus die Gäste daraufhin auf, ein Ei so auf die Spitze zu stellen, dass es stehen blieb. Wie erwartet, gelang es niemandem. Die einfache Lösung für das scheinbar unlösbare Problem demonstrierte Kolumbus, indem er ein Ei nahm und es leicht auf den Tisch schlug.

[] 3G, das

Bezeichnung für die drei Merkmale als Voraussetzung, unter denen Personen im zweiten Jahr der Corona-Pandemie gewisse Freiheiten (z. B. Zutritt zu Großveranstaltungen o. Ä.) zustehen, sofern sie jeweils eines der drei Merkmale erfüllen

Um inmitten der laufenden SARS-CoV2-Pandemie die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten und einen weiteren Lockdown zu verhindern, wurde bundesweit die so genannte 3G-Regelung eingeführt: Wer gegen das Virus geimpft, von einer COVID-Erkrankung genesen oder frisch getestet ist, kann sich nun in den Innenräumen öffentlicher oder privater Einrichtungen (in Altersheimen, Krankenhäusern, Schwimmbädern usw.) aufhalten, sofern sich diese nicht auf die ersten beiden G beschränken. Da inzwischen jeder über zwölf Jahren ein Impfangebot erhalten hat, läuft die staatliche Kostenübernahme für die Bürgertests heute aus. Auch das ist Eigenverantwortung.

[] Kapitalverbrechen, das

schweres Verbrechen

Ursprünglich wurden nur mit der Todesstrafe geahndete Delikte wie Mord oder Hochverrat als „Kapitalverbrechen“ bezeichnet, obwohl es gar nicht um Kapital im finanziellen Sinn ging. Das liegt an zwei voneinander unabhängigen Entlehnungen ins Deutsche. Da es um Kopf und Kragen geht, steckt im Kapitalverbrechen lateinisch „capitālis“ in der Grundbedeutung „zum Kopf gehörig“, während „Kapital“ (über das Italienische) aus dessen mittelalterlicher Substantivierung „capitale“ im Sinne von „Wert“ stammt.

[] Lotto, das

Glücksspiel, bei dem mehrere Gewinnzahlen aus einer festgesetzten Zahlenreihe gezogen werden und der Gewinn eines Spielers abhängt von der Anzahl der von ihm gegen einen finanziellen Einsatz vorher richtig vorhergesagten Zahlen

Kaum zu glauben, aber die erste Lotterie war politisch: 1575 schrieb man in Genua die Namen von 90 Ratsherren auf Lose (ital. „il lotto“ ‚das Los‘), von denen schließlich 5 gezogen wurden. Ein cleverer Kaufmann entwickelte das Konzept zum Glücksspiel weiter und bald veranstaltete man in ganz Europa unter der Bezeichnung „Lotto di Genova“ Losziehungen als öffentliche Großevents. Traditionell waren es stets Waisenkinder, die den glücklichen Gewinnern Reichtum bescherten. Heute vor 66 Jahren fand im Hamburger Hotel Mau die erste Lotterie „6 aus 49“ der Bundesrepublik statt. Wieder war es ein Waisenkind, das als Lottofee auftrat.

[] Sondierungsgespräch, das

besonders vor offiziellen Koalitionsverhandlungen: (informelles) Gespräch, das dazu dient, die allgemeine Situation zu besprechen und inhaltliche Gemeinsamkeiten und mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten auszuloten

Die aktuellen Sondierungsgespräche sind eine schöne Gelegenheit, um an die interessanten Wörter „Sonde“ und „sondieren“ zu erinnern. Das Substantiv, man denke nur an die Mars- oder Magensonde, bezeichnet eher Gegenständliches, wobei ausgerechnet die ursprüngliche nautische Bedeutung ‚Senkblei zu Messung der Meerestiefe‘ (aus frz. „sonde“) nicht mehr geläufig ist. Das Verb wurde bereits früh übertragen verwendet: So listet schon Friedrich Gladov 1727 in seinem A-la-Mode-Lexicon auf: „auf den Zahn fühlen, wie man gesinnet, und was man im Schilde führet, (...) die Staats-Geheimnisse und Anschläge grosser Herren auskundschaften“. Das klingt vertraut.

[] menschenwürdig, Adj.

der Menschenwürde entsprechend, dem Menschen angemessen

Die Industrialisierung begann im 18. Jahrhundert, die Globalisierung verläuft in immer schnellerem Tempo, doch erst 2006 wurde ein weltweiter Dachverband der Gewerkschaften zur Vertretung der Arbeitnehmerrechte gegründet. Dabei ist der Kampf gegen Ausbeutung, sei es Kinder- oder Sklavenarbeit, Hungerlöhne, fehlende Arbeitssicherheit oder Umweltverschmutzung heute genauso aktuell wie im Manchesterkapitalismus. Zu Erinnerung daran, dass Arbeit nicht nur bloßes Überleben, sondern gutes Leben ermöglichen soll, wurde 2008 erstmals der auf den heutigen 7. Oktober fallende Welttag für menschenwürdige Arbeit begangen.

[] Herzschrittmacher, der

durch Batterien betriebenes Gerät, das bei schweren Störungen der Herztätigkeit die elektrischen Impulse zur periodischen Reizung der Herzmuskulatur liefert

Herzschrittmacher werden meist mit dem altersbedingt aus dem Takt geratenen Hohlmuskel assoziiert, sie können aber auch die durch einen Unfall beeinträchtigte Herztätigkeit regulieren. So erhielt am 6.10.1961 in Düsseldorf ein verunglückter 19-jähriger Motorradfahrer die erste Herzschrittmacher-Implantation in Deutschland – der Apparat war eine neue Erfindung, die nur drei Jahre vorher erstmals eingesetzt worden war. Dabei hatten selbst seine Erfinder nicht an den Erfolg dieser Technik geglaubt. Der Chirurg Heinz-Joachim Sykosch tat dies gegen den Willen seines Vorgesetzten und rettete so seinem Patienten das Leben.

[] Durchstecherei, die

Verrat, heimliche Weitergabe von vertraulichen Informationen, Interna, Geheimnissen (an die Öffentlichkeit, die Presse o. Ä.)

Das Verb „durchstechen“ hat viele Lesarten, zwei davon sind politisch interessant und haben in der Form „Durchstecherei“ einen eigenen Ausdruck erhalten. Während die eine Bedeutung ‚Betrug im Amt‘ eine schwere Straftat darstellt – sie geht auf eine heute untergegangene Bedeutung des Verbs (‚gemeinschaftlich schmuggeln, betrügen‘) zurück –, ist die zweite weitaus harmloser und wird gerade jetzt während der anstehenden Koalitionsverhandlungen aktuell: Das Durchsickernlassen von eigentlich vertraulichen Informationen. Und wenn wir ehrlich sind, dann freuen wir uns doch auch über diese kleinen Indiskretionen.

[] Kosmosrakete, die

Rakete, die Flügen ins Weltall dient

Der 4. Oktober ist in den Annalen der Raumfahrt besonders prall gefüllt. 1957 flog mit Sputnik 1 der erste künstliche Satellit überhaupt, 1959 startete Lunik 3, die erstmals Bilder von der Rückseite des Mondes zur Erde sandte, 1960 schwenkte mit Courier 1B der erste aktive Nachrichtensatellit in den Orbit ein und 2004 gewann das SpaceShipOne den Ansari-X-Prize, was als Beginn der privaten Raumfahrt gilt. Die Dominanz des Ostblocks in den Anfangstagen der Raumfahrt hat sich auch sprachlich niedergeschlagen: In der DDR erhielten alle möglichen Ausdrücke mit Bezug zum Weltraum das Erstglied „Kosmo(s)-“, so auch das heute „retro“ klingende Wort „Kosmosrakete“.

[] Moschee, die

islamisches Gotteshaus

Heute findet zum 25. Mal der Tag der offenen Moschee in Deutschland statt. Dies ist eine Gelegenheit für Nicht-Muslime, die Moscheen von über tausend Gemeinden zu besuchen und kennenzulernen – und ein Erfolgsmodell, das auch anderswo Nachahmer gefunden hat. Der Name für das muslimische Gebetshaus selbst lautet in fast jedem Land anders: Obwohl alle auf arabisch „masǧid“ (= Ort, wo man sich niederwirft) zurückgehen, haben viele sprachliche Zwischenstationen und volksetymologische Angleichungen zu bizarren Formen geführt. Vor dem französisiertem „Moschee“ (aus „la mosquée“) sagte man im Deutschen auch „meesgitt“ oder „Müschke“.

[] Kröte, die

dem Frosch ähnliches, plumpes Tier mit breitem Kopf, vorquellenden Augen und warziger, Giftstoffe absondernder Haut

Der Mensch ist nicht immer gerecht. Während dem glatthäutigen Frosch positive Eigenschaften zugeschrieben werden (Wetterfrosch, Froschkönig), bezeichnet seine warzige Verwandte, die Kröte, mal einen als dumm, widerwärtig, bösartig angesehenen Menschen, mal Geld (dies aber eher in kleinen Mengen). Und wer eine (dicke, fette) Kröte schlucken muss, macht etwas, was er nicht will (eine praktische Wendung für Koalitionsverhandlungen). Lediglich über Kinder gesagt ist eine Kröte nur zwinkernd, eigentlich liebevoll tadelnd gemeint. Was biologisch eine Kröte ist, darüber sind sich die Fachleute übrigens gar nicht einig.

[] Vegetarier, der

Person, die keine Produkte geschlachteter Tiere (Fleisch, Gelatine, o. Ä.) konsumiert

Leonardo da Vinci, René Descartes und Immanuel Kant hatten eines gemeinsam: Sie aßen nur Pflanzliches. Auch wenn die Idee der fleischlosen Ernährung weit älter ist, zur Breitenbewegung wurde der Vegetarismus erst Mitte des 19. Jahrhunderts in England. Was sich im Deutschen auch am Wort „Vegetarier“ ablesen lässt. Zu Anfang hieß es nämlich „Vegetarianer“ – an die englische Personalendung „-an“ in „vegetarian“ hängte man noch zusätzlich die eigene Endung „-er“ an. Um 1900 mutierten die Vegetarianer endgültig zu Vegetariern und diese feiern mit ihren Geschwistern im Geiste heute den Welt-Vegetarier-Tag.

[] Dragoman, der

(oft einheimischer) Übersetzer oder Dolmetscher

Heute ist der Internationale Tag des Übersetzens. Auch wenn Mehrsprachigkeit weltweit eigentlich ziemlich verbreitet ist, macht die schiere Anzahl verschiedener Sprachen es nötig, zwischen ihnen zu vermitteln – mündlich, schriftlich, neuerdings auch per Computer. Wie uralt dieser Job ist, zeigt ein wundervolles, heute fast vergessenes Wort: Der „Dragoman“, ein Dolmetscher, zugleich oft Fremdenführer im Nahen Osten. Das über das Arabische und viele Zwischenstationen nach Europa gekommene Wort ist womöglich das letzte Überbleibsel der altanatolischen Sprachen: Hethitisch „tarkummāe-“ bedeutet „übersetzen“.

[] Koalition, die

Zweckbündnis zur Erreichung bestimmter gemeinsamer Ziele; Zweckbündnis politischer Parteien o. Ä. mit dem Ziel, eine Mehrheit in einer Volksvertretung (oder einer anderen Vertretungskörperschaft) zu erreichen

Drei Farben: Sie bildeten am Ende des 18. Jahrhunderts das Alleinstellungsmerkmal des revolutionären Frankreichs und waren so Vorbild vieler Nationalflaggen. Drei Farben symbolisieren in gewisser Weise auch den revolutionären Umbruch, der mit dieser Wahl einhergeht: Erstmals seit 1961 wird die neue Bundesregierung wahrscheinlich aus einer Dreierkoalition hervorgehen: Entsprechend farbenfroh sind die (Flaggen-)Bezeichnungen: Deutschland-, Jamaika-, Kenia- und Ampel-Koalition. Wie auch immer der Koalitionspoker ausgehen wird: Politologen verweisen darauf, dass sich Deutschland damit nach Jahren der zweifarbigen Regierungsbildungen der europäischen Normalität angeglichen hat.

[] nach Schema F, Mehrwortausdruck

abwertend: standardmäßig, einfallslos; nach einem vorgegebenen Muster, ohne Besonderheiten zu berücksichtigen

Das „Hand-Lexicon“ der „A la Mode-Sprach“ von Friedrich Gladov von 1727 verdeutscht die noch junge Entlehnung „Schema“ als ‚Vorbild, Figur, Abbildung‘. Im Allgemeinwortschatz war sie kaum geläufig, dafür bei Bürokraten umso beliebter, die ihre Mustervorlagen so bezeichneten und diese mit den Buchstaben des Alphabets nummerierten. Ein solche Vorlage war auch der „Rapport nach Schema F“ der preußischen Armee, eine Vorlage für die tabellarische Auflistung von Truppenstärke und Ausrüstung, welche die Regimentskommandeure an den General einzureichen hatten und ähnlich wie das „0815“ zum Sinnbild bürokratisch-phantasieloser Gleichmacherei wurde.

[] Kater, der

umgangssprachlich: unangenehme Nachwehen eines Rausches, Katzenjammer

Gestern hatten wir die Wahlparty zur Bundestagswahl, heute herrscht Katerstimmung. Bei den einen wegen des (be)rauschenden Fests aus Anlass eines guten Ergebnisses, bei den anderen wegen des schlechten Abschneidens. Und dafür braucht man nicht einmal Alkohol, denn in seiner übertragenen Bedeutung bedeutet „Kater“, ganz ähnlich wie der sinnverwandte „Katzenjammer“ (die beide nichts mit Fellpfoten zu tun haben, sondern auf Katarrh zurückgehen) eine Niedergeschlagenheit, wie man sie aus Enttäuschung über eine Niederlage oder ein verpasstes Ziel empfindet.

[] Wahlparty, die

zwanglose Zusammenkunft, die eine Partei am Abend einer Wahl für ihre Kandidaten und Mitglieder organisiert

Dass die Parteien nach Schließung der Wahllokale Party machen und nicht etwa einen Aprés-Wahlkampf oder eine Urnen-Fete veranstalten, passt aus etymologischer Sicht gut. Denn „Party“ und „Partei“ gehören eng zusammen: Hervorgegangen aus französisch „partie“, bezeichnet „Partei“ im Deutschen allgemein gesprochen eine Interessengruppe. Dagegen stand das ebenfalls aus dieser Quelle entlehnte Wort „Partie“ ursprünglich für eine Gruppe, die sich zu einem gemeinsamen Vergnügen zusammengefunden hat (Jagdpartie), und später für die fröhliche Veranstaltung selbst („mit von der Partie sein“). Im Englischen fand ein ähnlicher Prozess statt, doch die Briten beließen es bei dem einem Wort: „party“.

[] Kannegießer, der

Stammtischpolitiker, politischer Schwätzer

Nächstes Jahr sind es 300 Jahre, dass die Komödie „Der politische Kannegießer“ des norwegisch-dänischen Dichters Ludvig Holberg Premiere feierte. Darin klopft ein Hamburger Zinngießer (seinerzeit wegen der Zinnkannenproduktion „Kannegießer“ genannt) jede Menge politischer Stammtischsprüche. Als er aber von einigen Bürgern vermeintlich zum Bürgermeister gemacht und mit realen Problemen konfrontiert wird, wird er ganz kleinlaut. Aus diesem Stück gingen die Ausdrücke „Kannegießer“, „Kannegießerei“ und „kannegießern“ in die deutsche Sprache ein. Heute sind sie fast vergessen, doch hohler Populismus bleibt leider aktuell.

[] bestricken, Verb

jmdn. bezaubern

Wenn geschickte Menschen ihre Lieben mit Selbstgestricktem bedenken, sind die Ergebnisse oft filigrane Kunstwerke. Sprachhistorisch steht am Anfang allerdings die hinterhältige (Fang-)Schlinge (ahd. „stric“). Entsprechend hatten die abgeleiteten Verben andere Bedeutungen: „stricken“ meinte ‚knoten, schlingen‘ und „bestricken“ gar ‚in Fesseln legen, fangen‘. Mit dem Aufkommen des Strickens im Mittelalter veränderten sich die Bedeutungen, doch im Verb „bestricken“ sind noch beide Lesarten präsent: scherzhaft, salopp im Sinne von ‚mit Gestricktem versorgen‘ und – anknüpfend an „fesseln“ in seiner metaphorischen Bedeutung – ‚faszinieren, bezaubern‘.

[] Paparazzo, der

abwertend: Pressefotograf, der bekannte und berühmte Personen (meist heimlich und gegen deren Willen) in ihrer privaten Umgebung beobachtet und fotografiert

Die frühe Fotografie war Paparazzo-unfreundlich. Sekundenlang mussten die Fotomodelle regungslos verharren: Pikante Schnappschüsse waren auf diese Weise kaum möglich. Das 1887 erfundene Blitzlichtpulver aus Magnesiumpulver führte zudem oft zu unerwünschten Knalleffekten. Abhilfe brachte die am 23. September 1930 patentierte Blitzlichtbirne: Johannes Ostermeier hatte entdeckt, dass sich Magnesium unter einer Sauerstoffatmosphäre durch einen elektrischen Impuls blitzartig entzündete. Fotoreporter konnten so auch nachts auf die Pirsch gehen. Aber auch der Wortschatz wurde um Neuzugänge wie z. B. „Blitzlichtgewitter“ bereichert.

[] Captcha, das oder der

automatisierter Test zur Sicherheitsabfrage bei der Nutzung von Webseiten, der verifizieren soll, dass es sich beim Nutzer um einen Menschen und nicht um einen Softwareroboter (Bot) handelt

„Sind Sie ein Roboter?“ Wenn heute nicht Ihr erster Tag im Internet ist, dann kennen Sie diese Frage zur Genüge. Und die wegen der immer geschickteren Bots immer komplizierter werdenden Aufgaben, die dann folgen, um sicher zu gehen, dass Sie ein Mensch sind. Immerhin ist ihr Name interessant, denn auf den ersten Blick mag „CAPTCHA“ wie eine gewöhnliche Abkürzung („vollautomatisierter öffentlicher Turing-Test zur Unterscheidung von Computern und Menschen“) klingen, tatsächlich ist es zugleich auch ein Homonym zu „to capture“ (fangen). Witz haben wir Menschen den Maschinen also noch voraus.

[] auf leisen Sohlen, Mehrwortausdruck

bezogen auf die Gehweise: geräuschlos, lautlos, unbemerkt von anderen; metonymisch: ohne Aufmerksamkeit zu erregen

„In a hole in the ground there lived a hobbit.“ Dieser berühmte Satz, den der von langweiligen Korrekturarbeiten genervte Philologieprofessor J. R. R. Tolkien auf ein leeres Blatt kritzelte, wuchs sich zu einem Kinderbuch aus. Doch das märchenhafte, am 21. September 1937 erschienene, eher unscheinbare Werk bildete nur die Ouvertüre zu einem gigantischen bis ins Kleinste ausgearbeiteten fantastischen Gesamtkunstwerk. Der geniale Kniff Tolkiens war wohl auch, dass er ausgerechnet seine Hobbits, diese unscheinbaren Spießer und Leisetreter in einer Welt, in der es von kraft- und magiestrotzenden Wesen nur so wimmelte, gegen das ultimative Böse antreten ließ.

[] Weltkindertag, der

zu verschiedenen Daten in den meisten Ländern der Welt begangener Feier- und Ehrentag für Belange und Rechte der Kinder

Gewöhnlich haben Welt-X-Tage ein festes Datum und sollen auf die teilweise absurdesten Dinge aufmerksam machen. Da ist es merkwürdig, dass ausgerechnet der Kindertag, der einer wirklich wichtigen Sache, nämlich der Rechte und Belange von Kindern, gedenkt, an keinem einheitlichen Datum gefeiert wird. So zählt für manche Länder der 20. November als internationaler Tag der Kinderrechte der Vereinten Nationen, für andere hingegen der 1. Juni als Kindertag. Im deutschsprachigen Raum ist es wiederum der heutige 20. September, der in Thüringen sogar Feiertag ist. Das freut dort sicher auch die Erwachsenen.

[] Netiquette, die

Internet: Regeln für gute und respektvolle Umgangsformen im Internet, besonders bei dem Versenden von Nachrichten und in den Internetforen, wonach Höflichkeit, Kürze und Klarheit in der Kommunikation beachtet werden sollten

Emoticons und Emojis sind aus der digitalen Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Das erste Emoticon wurde allerdings aus der Not heraus geboren. In Diskussionsforen der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh kam es immer wieder zu Streitigkeiten, da Ironie in Beiträgen regelmäßig nicht erkannt wurde. Am 19.9.1982 um 11:44 Uhr schlug der Informatiker Scott E. Fahlman daher vor, die Zeichenfolge :-) zu verwenden, um scherzhafte Bemerkungen zu kennzeichnen. Der stilisierte, auf der Seite liegende Smiley verbreitete sich daraufhin wie ein Lauffeuer. Laut den 1995 veröffentlichten „Netiquette Guidelines“ gehörte der (sparsame) Gebrauch der Smileys sogar zum guten Ton der E-Mail-Kommunikation.

[] Rosinenbomber, der

historisch, umgangssprachlich: in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg: Flugzeug, mit dem während der Berliner Blockade durch die UdSSR zwischen 1948 und 1949 die Bevölkerung West-Berlins von den Alliierten besonders mit Lebensmitteln, Hilfsmitteln u. Ä. versorgt wurde

Als die sowjetische Besatzungsmacht drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Land- und Wasserwege nach Westberlin blockierte, drohte der Zusammenbruch der Versorgung. Doch Hilfe ließ nicht lange auf sich warten und sie kam von oben. Alliierte Flugzeuge versorgten die abgeriegelte Zone über die Berliner Luftbrücke fast anderthalb Jahre teils im Minutentakt mit Lebensmitteln und Hilfsgütern. Darunter auch Päckchen mit Süßigkeiten und Rosinen, die den kriegsgeplagten Kindern eine Freude bereiten sollten und den „Rosinenbombern“ ihren Namen gaben. Am 18.9.1948 wurden mit 897 Flügen die meisten Flüge an einem Tag durchgeführt.

[] langer Atem, Mehrwortausdruck

große Ausdauer (bei einer Sache, einem Vorhaben o. Ä.)

„Welches Schweinderl hätten S’ denn gern?“ Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie diesen Satz kennen? Falls nicht, geben Sie weiter an jemanden, der vor 1980 geboren wurde. Denn bis 1989 saß halb Deutschland (oder mehr) vor dem Fernseher, wenn eine Folge von „Was bin ich?“ lief, in dem durch Fragen Berufe und die Namen von Prominenten geraten werden mussten und bei erfolglosen Fragen Fünfmarkstücke in ein Sparschwein geworfen wurden. 1955 (!) begonnen und bis zu seinem Tod moderiert hat die Sendung der Journalist Robert Lembke. Heute vor 98 Jahren kam er in München zur Welt.

[] über den Tellerrand blicken, Mehrwortausdruck

andere Erkenntnisse, Erfahrungen, Verfahren o. Ä. über den eigenen (beschränkten) Horizont hinaus miteinbeziehen

Er hat weit, sehr weit über den Tellerrand seiner Reichsgrafschaft Lippe hinausgeblickt: Der heute vor 370 Jahren in Lemgo geborene Arzt Engelbert Kaempfer bereiste den Fernen Osten und hinterließ ebenso faszinierende wie akkurate Beschreibungen zur Topografie, Geschichte und Botanik Japans. Obwohl er heute fast vergessen ist, haben vermutlich auch Sie indirekt mit ihm Bekanntschaft gemacht – jedenfalls, sofern Sie sich über die merkwürdige Schreibung „Ginkgo“ gewundert haben sollten. Sie geht auf einen kuriosen Umschriftfehler Kaempfers zurück: Was eigentlich „Ginkjo“ (heute: „Ginkyo/Ginkio“) hätte heißen sollen, wurde versehentlich zu „Ginkgo“.

[] googeln, Verb

einen Namen oder Begriff mit einer Suchmaschine im Internet suchen

Selbst die Nutzer, die die Seite google.com nur für ihre Internet-Recherchen nutzen, kommen kaum an Google vorbei, denn „googeln“ wurde zum Synonym für diese Tätigkeit schlechthin. Dabei fing der Gigant für Webdienste und Smartphones 1996 klein als reine Suchseite „Backrub“ an und dominierte erst viele Jahre später das Netz. Exakt heute vor vierundzwanzig Jahren bekam „Backrub“ den neuen Namen „Google“, ein Wortspiel mit der Zahl „Googol“, einem Kunstwort, das eine Eins mit hundert Nullen bezeichnet und damit gut die Menge an Informationen im WWW symbolisiert.

[] Tropenwald, der

Botanik: immergrüner Urwald und Ökosystem mit üppiger Vegetation in den regenreichen Gebieten der Tropen

Der große Naturforscher Alexander von Humboldt konnte auf seinen Forschungsreisen aus erster Hand erleben, welche Konsequenzen das menschliche Eingreifen auf bestehende Ökosysteme hat. Bereits zu Beginn des 19. Jh. beschrieb er außerdem, welchen positiven Einfluss die Wälder als Kohlenstoffspeicher auf unser Klima haben. Seinen Geburtstag nahm man daher seit 1989 zum Anlass, jährlich am 14. September den „Tag der Tropenwälder“ zu begehen. Der Aktionstag feiert einerseits den Tropenwald als Refugium einzigartiger Biodiversität und warnt andererseits vor den Auswirkungen, die eine Zerstörung dieser grünen Lunge unseres Planeten hätte.

[] Kartoffelfäule, die

Pilzkrankheit der Kartoffelknolle, bei der sie verfault

Nicht nur Viren und Bakterien, auch Pilze haben den Lauf der Weltgeschichte beeinflusst. Und bei „Phytophthora infestans“ war dies ganz sicher der Fall. 1845 vernichtete die sogenannte Kartoffel- oder Braunfäule nahezu die gesamte Ernte Irlands. Da die Knolle fast die alleinige Ernährungsgrundlage der Bevölkerung darstellte, waren die Folgen entsetzlich. Unter den gleichgültigen Augen der englischen Obrigkeit verhungerten über eine Million Iren, zwei Millionen wanderten in die Vereinigten Staaten aus, wo sie demografisch und kulturell deutliche Spuren hinterließen.

[] Triell, das

besonders Fernsehen: von drei Personen geführtes Wortgefecht, Streitgespräch von drei Kandidaten, Bewerbern für ein Amt

Da es zu dieser Bundestagswahl eine Kanzlerkandidatin und zwei Kandidaten gibt, treffen diese drei in insgesamt drei so genannten Fernsehtriellen aufeinander und liefern sich Schlagabtäusche, um beim Wahlvolk ihre Tauglichkeit für dieses hohe Amt unter Beweis zu stellen. Bislang kannte man das Triell nur als ein mathematisches Gedankenexperiment, bei dem drei Schützen aufeinandertreffen und sich duellieren. Bestimmt wird in diesem Gedankenspiel die Wahrscheinlichkeit für jeden Schützen, dabei das Leben zu lassen. Hoffen wir, dass die Munition bei den Triellen im Fernsehen ausschließlich aus guten Argumenten besteht.

[] Terroraktion, die

Terrormaßnahme oder Reihe zusammen durchgeführter Terrormaßnahmen

Zum 20. Mal jährt sich heute der idiomatisch gewordene „Elfte September“, englisch „9/11“, an dem 2001 Terroristen der islamistischen Organisation Al-Qaida in einer koordinierten Terroraktion vier Flugzeuge entführten und als Waffen für Selbstmordangriffe benutzten. Die Bilder des kollabierenden World Trade Centers in New York brannten sich ins kulturelle Gedächtnis ein, die geopolitischen Auswirkungen des folgenden sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ sind noch heute spürbar, wie der kürzliche Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan gezeigt hat.

[] Evakuierung, die

das vorübergehende Aussiedeln, Wegbringen von Menschen und Tieren aus einem bestimmten Gebiet, Gebäude, Fahrzeug o. Ä. (wegen einer drohenden Gefahr)

In seinem historischen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ beschreibt der österreichische Schriftsteller Franz Werfel, geboren am 10.09.1890 in Prag, die Evakuierung tausender Armenier per Schiff aus feindlicher Belagerung, wie sie sich im Jahr 1915 wirklich ereignet hatte, und schuf damit ein Werk der Hoffnung, das später unter jüdischen Widerstandskämpfern als Allegorie geschätzt war. 1940 wurde das gleiche Szenario auch für Werfel und seine Frau Alma Mahler Realität: Das nach Südfrankreich emigrierte Paar floh vor der Wehrmacht nach Portugal, von wo aus die rettende Überfahrt nach Amerika gelang.

[] in Hülle und Fülle, Mehrwortausdruck

in großer Menge, reichlich; im Überfluss

„Hülle und Fülle“ steht für den Überfluss schlechthin. Schaut man aber genauer hin, wollen die Bestandteile der Wendung nicht recht zusammenpassen. Was hat – abgesehen vom Reim – die „Hülle“ mit der „Fülle“ zu tun? Ein Phrasem wird im Gehirn (meist) als Ganzes abgespeichert. Und seine Bedeutung ist dabei so dominant, dass die Bedeutungen der Einzelwörter gewissermaßen überschrieben werden. Tatsächlich wurde die Wendung ursprünglich anders und eher negativ verwendet. Gemeint waren mit „Hülle“ ‚(nur) die Kleider, die man am Leibe trug‘ und mit „Fülle“ ‚(nur) ein gefüllter Magen‘, also gerade eben das Lebensnotwendige, mehr nicht.

[] Neue Welt, Mehrwortausdruck

die Kontinente Nord- und Südamerika (im Gegensatz zu Europa, Afrika und Asien, den Kontinenten der Alten Welt)

Antonín Dvořák, heute vor 180 Jahren in Böhmen geboren, ist der wohl bekannteste tschechische Komponist der Welt – trotz seines für viele schwer aussprechbaren Nachnamens. Aufbauend auf der Pionierarbeit Bedřich Smetanas führte der Autodidakt eine eigene tschechische musikalische Formensprache, in der sich Klassik, Romantik und Volkslied vereinen, zur Vollendung. Obwohl er erst mit Mitte 30 als Komponist auftrat, hinterließ er ein breites Œvre von sinfonischen Dichtungen, geistlicher Musik, Opern und Sinfonien – seine 9., in Amerika entstandene Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, ist dabei die berühmteste.

[] widerstandsfähig, Adj.

fähig, physischen oder psychischen Belastungen zu widerstehen

Wohl die Mehrzahl der Engländer, die bei ihrer Krönung geboren wurden, haben das Ende ihrer Regierungszeit nicht mehr erlebt. Fast ein halbes Jahrhundert dauerte das Zeitalter Königin Elisabeths I., während dessen sie sich gegenüber Verschwörungen, Mordkomplotten und Angriffen feindlicher Mächte zu behaupten wusste. Ihren schwersten Kampf, bei dessen negativem Ausgang die Weltgeschichte wohl eine andere Wendung genommen hätte, kämpfte sie jedoch für sich allein. 1563 erkrankte sie schwer an Pocken und überlebte mit knapper Not. Geboren wurde die resiliente Monarchin am 7. September 1533.

[] virtuos, Adj.

vollkommen in der Beherrschung einer bestimmten (künstlerischen) Technik, glänzend, meisterhaft

Ob „Radkäppchen und der böse Golf“ (erzählt mit Automarken), „Gehe hin und Meerrettich“ oder das „Hänge-Reh Gista“ (lebt im Kindischen Ozean) – wohl niemand geht mit dem Potenzial, das die deutsche Sprache für Wortwitze bietet, virtuoser um als der Kabarettist und Sänger Willy Astor. Heute feiert das Sprachtalent der anderen Art, das auch mehrere Alben mit selbst komponierter Gitarrenmusik veröffentlicht hat, seinen sechzigsten Geburtstag. Geboren wurde er – unüberhörbar – in München, für dessen FC Bayern er auch die Vereinshymne „Stern des Südens“ verfasst hat.

[] Stille, die

Zustand des Ungestörtseins, äußere, durch keinen Lärm gestörte Ruhe

Die Uraufführung des Stücks 4’33” des amerikanischen Komponisten John Cage löste am 29.8.1952 einen Skandal aus. Die einzige Anweisung in der Partitur lautete nämlich „tacet“, und so sah sich das Publikum mit 4 Minuten und 33 Sekunden vermeintlicher Stille konfrontiert. Laut Cage jedoch ein Missverständnis. Die Aufführung war voller zufälliger Geräusche: dem Pfeifen des Windes, dem Geprassel des Regens auf dem Dach und schließlich auch den Geräuschen des Publikums, als es empört den Saal verließ. Cage, der mit seinen experimentierfreudigen und vom Zufall geprägten Kompositionen das Genre der Neuen Musik nachhaltig prägte, wurde am 5.9.1912 geboren.

[] Generalpause, die

in einem Musikwerk mit mehreren Instrumenten (und Singstimmen) auftretende, meist als starke Zäsur wirkende Pause für alle beteiligten Stimmen

Gelobt – gefördert – gescholten – geachtet. Der am 4. September 1824 geborene Österreicher Anton Bruckner erlebte in seiner Zeit in Linz und später Wien Höhen und Tiefen. Nachdem der virtuose Orgelspieler bis zum Professor und Hoforganisten aufgestiegen war, sah er sich für seine Sinfonien, für die Generalpausen, also komplette Zäsuren im Spiel, charakteristisch sind, scharfer Kritik ausgesetzt. Zwar erlangte er später wieder Anerkennung, doch die eigentliche Bedeutung seines Werks, ohne das die Sinfonien Mahlers, Schostakowitschs oder Sibelius’ nicht denkbar gewesen wären, wurde erst lange nach seinem Tod erfasst.

[] Smörrebröd, das

Kochkunst: mit Butter bestrichene Brotscheibe, die mit unterschiedlichen Zutaten reichlich belegt ist; ursprünglich aus der dänischen Küche

Das bescheidene Butterbrot hat wohl so viele Namen wie Ausprägungen. „Butterbemme“, „Butterschnitte“, „Butterstulle“ sind nur einige der regionalen deutschen Varianten. Doch auch eine Variante unserer nördlichen Nachbarn hat Einzug in unser kulinarisches Vokabular gefunden. Das dänische Nationalgericht „Smörrebröd“ (zu dän. „smør“ ‘Butter’ und „brød“ ‘Brot’) ist bereits seit den späten 1950er-Jahren in aller Munde. Mit dem schlichten deutschen Butterbrot hat es jedoch seit dem Ende des 19. Jhd. nur noch wenig gemein. Geradezu kunstvoll präsentiert sich das Smörrebröd heute mit opulenten, zu geschmackvollen Türmen aufgeschichteten Belägen.

[] Brandkatastrophe, die

Brand, bei dem großer Schaden an Gebäuden, Gegenständen, landwirtschaftlichen Flächen usw. entsteht und viele Menschen schwer verletzt oder getötet werden

Es war nur ein einziges noch glimmendes Herdfeuer, das Thomas Farrinor, Eigentümer einer Bäckerei in der Londoner Puddinglane, in der Nacht zum 2. September 1666 zu löschen vergaß. Eine kleine, nichtige Nachlässigkeit – doch löste sie eine Brandkatastrophe ohnegleichen aus: Über 13.200 Häuser, 400 Straßenzüge und 87 Kirchen wurden Raub der Flammen. Das London, das König Karl II. in den folgenden Jahren errichten ließ, hatte nur noch wenig mit dem mittelalterlichen, engbesetzten Konglomerat aus Holzhäusern mit überhängenden Stockwerken zu tun: Nur noch Stein und Ziegel sollten als Baustoff erlaubt sein.

[] verewigen, Verb

sich, jmdn., etw. unvergesslich, unsterblich machen

Es sind meist die gebrochenen Persönlichkeiten, deren Leben in Kunstwerken ihren Niederschlag finden. Als eine solche kann sicher Zar Boris Godunow gelten, der im 16. Jh. ein Machtvakuum nutzte, um sich selbst auf den Thron zu hieven. Den Verdacht, den wahren Thronfolger Dimitri Iwanowitsch ermordet zu haben, ist er zwar nie losgeworden und zu allem Überdruss tauchte zum Ende seiner vom Pech verfolgten Regentschaft auch noch ein falscher Dimitri auf (worauf ihn der Schlag traf). Dafür haben keine Geringeren als Alexander Puschkin und Modest Mussorgski ihn in ihren Werken als Kunstfigur verewigt. Als der echte Boris am 1. September 1568 gekrönt wurde, konnte er von alldem natürlich nichts ahnen.

[] Salz in der Suppe, Mehrwortausdruck

wichtiger, charakteristischer Bestandteil einer Sache; etwas, das den eigentlichen Reiz einer Sache ausmacht, durch das eine Sache überhaupt erst interessant oder spannend wird

Salz: Der großen Bedeutung dessen, was man heute für ein paar Cent im Supermarkt kaufen kann, sind wir uns heute kaum noch bewusst. Doch lassen immerhin einige Wörter und Wendungen die einstige Bedeutung erahnen: Bei Plinius dem Älteren machte schon ein Körnchen Salz (cum grano salis) den entscheidenden Unterschied, ob ein Gegengift wirksam war. Das „Salär“ war ursprünglich die Entlohnung in Form von Salz. Bei Cicero stand attisches Salz (sal atticus) für einen besonders scharfsinnigen Witz. Und wenn wir vom „Salz in der Suppe“ reden, dann denken wir an etwas Reizvolles und manchmal auch an eine besondere Person, die unser Arbeitsleben bereichert hat.

[] Nobelpreisträger, der

Person oder Organisation, Institution, welcher ein Nobelpreis verliehen wurde

Seine „Untersuchungen über den Zerfall der Elemente und die Chemie der radioaktiven Stoffe“ brachten dem neuseeländischen Physiker Ernest Rutherford 1908 den Nobelpreis für Chemie ein. Der Allgemeinheit bekannt wurde er jedoch eher durch seine zweite Entdeckung: das Rutherfordsche Atommodell. Aus unzähligen Experimenten leitete Rutherford ab, dass in einem Atom, wie bei einem Planetensystem, negativ geladene Elektronen um einen positiven Kern kreisen. Für seine Beiträge zur Wissenschaft wurde das Element der Ordnungszahl 104 nach ihm benannt. Außerdem schmückt sein Konterfei bis heute den neuseeländischen 100-Dollar-Schein. Am 30.8.1871 wurde er geboren.

[] ingeniös, Adj.

gehoben: erfinderisch, geistreich, scharfsinnig

In der Linguistik bezeichnet man sie vornehm als Inflektive oder deverbale Interjektionen. In der knallbunten Welt der Sprechblasenliteratur liest man sie als: grübel!, stöhn!, ächz!, kreisch! Schöpferin der damals neuen Subklasse der Interjektionen war die promovierte Kunsthistorikerin Erika Fuchs. Als Chefredakteurin des Ehapa-Verlages entführte sie mit kreativem und anarchischem Übersetzungsmut ihre jungen und alten Leser in die Parallelwelt Entenhausen und brachte den Deutschen so die Welt der Comics näher. Heute vor 70 Jahren erschien vom Bildungsbürgertum kritisch beäugt das erste Micky-Maus-Heft.

[] verballhornen, Verb

etw., besonders sprachliche Äußerungen, verbessern wollen und dabei aus Unvermögen oder wegen Missverständnisses verschlechtern

Die deutsche Sprache hat es nicht gut gemeint mit jenem Lübecker Drucker Johann Ballhorn dem Jüngeren (* um 1550). Heute steht sein Name für stümperhaftes „Verschlimmbessern“ – leider zu Unrecht: Zwei Juristen des Lübecker Rats hatten das alte Lübische Recht von 1243 „Vbersehen Corrigiret vnd aus alter Sechsischer Sprach in Hochteudsch gebracht“, jedoch nicht ohne sich eigenmächtig ein paar Freiheiten erlaubt zu haben. Da diese wichtige Ausgabe von 1586 anonym erschien, hieß es bald ironisch abwertend: „verbessert nach Ballhorn“. Denn der einzige Name auf dem Titelblatt war jener des unglückseligen Druckers.

[] Ballon, der

Luftfahrzeug, das von einem mit heißer Luft oder Gas gefüllten Ballon getragen wird

Im Jahr 1783 kam es in Frankreich zum Technologie-Wettlauf um Schwebekörper: Während die Brüder Montgolfier auf den Heißluftballon setzten (allerdings irrtümlich dem Rauch die Auftriebskraft zuschrieben), konstruierte der Physiker J. A. C. Charles Ballons mit Wasserstofffüllung. Mit einem solchen schwebte er im Dezember desselben Jahres persönlich empor. Allerdings waren ihm seine Konkurrenten, die bereits im Oktober erfolgreich mit Passagieren abhoben, da schon zuvorgekommen. Der erste unbemannte Jungfernflug seines Wasserstoffballons am 27. August 1783 endete unglücklich: Erschrockene Dorfbewohner zerstörten das vermeintliche Teufelsgerät mit Mistgabeln.

[] Impfpflicht, die

meist durch Androhung von Sanktionen durchgesetzte Anordnung, sich oder die Personen bzw. Tiere, für die man verantwortlich ist, impfen zu lassen

Am 8. April 2021 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Mitgliedsstaaten unter bestimmten Umständen eine Pflicht zur Impfung gegen bestimmte Krankheiten einführen sowie Sanktionen gegen Pflichtverstöße verhängen dürfen. Eine Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit sei über ein Infektionsschutzgesetz zulässig – eine Entscheidung für einen guten Zweck: Verordnungen zur Impfung gegen Pocken führten immerhin zur Ausrottung des gefährlichen Virus. Bayern leistete in dieser Sache übrigens Pionierarbeit: Am 26. August 1807 führt es als weltweit erstes Land die Impfpflicht ein.

[] clever, Adj.

mit Intelligenz und Geschick handelnd, die eigenen Fähigkeiten taktisch schlau und gewandt einsetzend; von Intelligenz oder Kreativität zeugend

Im Firmenlogo der ersten US-amerikanischen Detektivagentur prangt (bis heute) das stets wachsame Auge, umrahmt wurde es lange Zeit vom markigen Slogan „We never sleep“ – Wir schlafen nie. Tatsächlich muss man sich Gründer Alan Pinkerton, einen aus Glasgow stammenden Sohn eines Polizisten, als ziemlich ausgeschlafenen Typen vorstellen. Er entwickelte, seiner Zeit voraus, innovative Fahndungsmethoden und konnte so zahlreichen Verbrechern, Zug- und Bankräubern (u. a. der Dalton-Bande) das Handwerk legen, im Amerikanischen Bürgerkrieg baute er mit viel Geschick ein wirksames Spionagenetz auf. Geboren wurde der berühmte Privatdetektiv am 25. August 1819.

[] an etw. zu knabbern haben, Mehrwortausdruck

etw. Belastendes verarbeiten müssen bzw. an dessen Folgen leiden; sich (zwangsläufig) mit Schwierigem auseinandersetzen (müssen)

Bisweilen klaffen bei Redensarten die wörtliche und die übertragene Lesart deutlich auseinander, weil bereits kleinste unterschiedliche Bedeutungsnuancen eines Wortes eine große Wirkung entfalten können: Wer im übertragenen Sinn „an etwas zu knabbern hat“, macht schwere Zeiten durch. Die eher negative, pessimistische Grundhaltung der Wendung verdankt sich „knabbern“ im Sinne von „geräuschvoll (an etwas sehr Hartem) nagen“, etwa wenn sich Mäuse an den Dielen zu schaffen machen. Wer im realen Leben „etwas zu knabbern hat“, sitzt dagegen meist gemütlich vor dem Fernseher und macht sich lust-, aber ebenfalls geräuschvoll an einer Tüte Chips oder mancherlei anderem Knabbergebäck zu schaffen.

[] Hansdampf in allen Gassen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, gelegentlich abwertend: Person, die überall dabei ist, sich auskennt, viele Kontakte hat; Tausendsassa, Universaltalent, Allrounder

Vor über 500 Jahren, damals hieß es noch „Hans in allen Gassen“, bezeichnete man mit der Wendung eher hyperaktiv veranlagte Personen. Bei Johannes Agricola, dem Freund Luthers und Verfasser der ersten gedruckten deutschsprachigen Sprichwortsammlung, fällt das Urteil über diesen Charaktertyp ausgesprochen negativ aus. Seine Symptombeschreibung – vor allem auf die junge Generation bezogen – wirkt eigentümlich vertraut: Motorische Unruhe („Vil auslauffens“), Konzentrationsschwäche („zurstrawte synne“), fehlendes Durchhaltevermögen („nemen vil fur / vnd fallen bald wider davon“).

[] auf Krawall gebürstet, Mehrwortausdruck

Streit suchend, auf Provokation aus

Das 19. Jahrhundert bescherte der deutschen Gemeinsprache so manche politische Vokabel, die längst vergessene lokale Ereignisse bis heute nachwirken lässt: So wie der „Putsch“ um 1840 aus Zürich kam, so haben Unruhen des Bürgertums und Proletariats in Hanau in der Folge der Französischen Revolution von 1830 den regionalen Ausdruck „Krawall“ ins Wörterbuch gehoben. Dessen Herkunft ist nicht ganz klar, vermutlich stammt es aber aus mittellateinisch „charavallium“, das eigentlich den lauten Lärm bei einer Hochzeitsfeier beschreibt (und selbst aus griechisch „karēbaría“ ‚Kopfschmerz‘ stammt).

[] Baby, das

Kosewort: Schätzchen, Liebling

„Nobody puts Baby in a corner“. Die legendäre Drohung, deutsch synchronisiert mit dem etwas flachbrüstigen Postulat „Mein Baby gehört zu mir“, hat sich in der Popkultur verewigt, in Songtexten, in Serientiteln, in Parodien. Ebenso die folgende Szene, in welcher der schnittige, aber mittellose Mambolehrer Johnny Castle (Patrick Swayze) seine Tanz- und Liebespartnerin Frances „Baby“ Houseman (Jennifer Grey) ihren bürgerlichen, aber letztendlich wohlmeinenden Eltern zu einer finalen (und fulminanten) Runde „Dirty Dancing“ entführt. Der Film gleichen Namens feierte am 21. August 1987 seine US-Premiere und entwickelte sich zu einem Kinoromanzenklassiker, der seinesgleichen sucht.

[] Tour de Force, Mehrwortausdruck

mit Anstrengung, auch Überforderung verbundene Handlung, Darbietung o. Ä.

Die Expedition, die heute vor 161 Jahren in Melbourne startete, sollte als die am besten ausgerüstete und doch als tragisch gescheiterte in die Geschichte Australiens eingehen. Insgesamt 29 Teilnehmer machten sich unter der Leitung von Robert O’Hara Burke und William John Wills auf, den Kontinent von Süden nach Norden zu durchqueren. Die Hitze, zu schwer bepackte Tiere, eine strapazierte Mannschaft und ein misstrauischer Expeditionsleiter (Burke) mit zweifelhaften Führungsqualitäten brachten den Erfolg der Tour bald ins Wanken: Zwar wurde Neuland erschlossen, ein Erfolg, jedoch starben sieben Teilnehmer, darunter, im Juni 1861, auch Burke und Wills.

[] fackeln, Verb

umgangssprachlich: zögern

Nicht nur in Familien können sich Mitglieder fremd werden. Auch in Wortfamilien kommt dergleichen vor. Wie das Verb „fackeln“ in seiner Bedeutung „zögern“ zum Substantiv „Fackel“ steht, wirkt heute rätselhaft, ist aber erklärbar. Die unruhige, unstete Flamme, mit der Fackeln brennen, begünstigte offenbar die übertragene Bedeutung, die der Lexikograf Adelung so umschrieb: „Sich ohne Noth hin und her bewegen, unnöthige Bewegungen vor einer Handlung machen; in welchem Verstande es im gemeinen Leben noch oft für zaudern gebraucht wird.“ Adelung selbst zog irrtümlicherweise eine Wortverwandtschaft in Zweifel. Zu disparat schienen ihm die Lesarten.

[] spurlos, Adj.

ohne ein Zeichen, eine erkennbare Spur zu hinterlassen

Der zweite englische Besiedlungsversuch Nordamerikas auf der Insel Roanoke vor North Carolina im Jahre 1587 verlief, wie der erste, kaum erfolgreich: Den 150 Männern, Frauen und Kindern gingen schnell die Ressourcen aus. Der Gouverneur John White segelte also, Nachschub versprechend, zurück in die Heimat. Als er nach drei Jahren (viel später als erwartet) zurückkehrte, fehlte von den Kolonisten jede Spur. Lediglich das in einen Baumstamm eingeritzte Wort „Croatoan“ ließ vermuten, dass die Europäer zu einem Indianerstamm im Süden geflohen waren. Croatoan mit blauen Augen berichteten später tatsächlich von Vorfahren, die „aus Büchern sprechen“, die also lesen konnten.

[] Lobby, die

Empfangsbereich, Vestibül in einem öffentlichen Gebäude; gelegentlich abwertend: eine Interessengruppe (Vertreter von Unternehmen, Verbänden oder anderen gesellschaftlichen Gruppen), die durch Beeinflussung von Politikern ihre Interessen auf politischer Ebene durchzusetzen beabsichtigt

„Lobby“ ist ein eigentümlicher Begriff: Bezogen auf die Räumlichkeit verbindet man mit ihm einen gemütlichen Aufenthaltsort, ist dagegen die Interessengruppe gemeint, hat er ein „Geschmäckle“. Verantwortlich dafür ist wohl die verwickelte Etymologie: Am Anfang steht das germanische Wort *laubjō, die Laube, das ins mittelalterliche Latein als „lobia“ (= Wandelgang) und dann als „Lobby“ ins Englische entlehnt wurde. Dort bezeichnete der Ausdruck u. a. die Vorhallen des Parlaments, in denen „Lobbyisten“ versuchten, Einfluss auf Abgeordnete zu nehmen.

[] mythologisieren, Vb.

etwas, jmdn. zu einem Mythos machen, erklären

„Ich singe tief aus dem Bauch heraus, aus den Schuhsohlen“ – zusammen mit Hüftschwung, Haartolle und honigsüßem Lächeln führte seine einzigartige Baritonstimme nicht nur zu einer Erfolgsgeschichte extraordinaire, sondern auch zu einer Mythologisierung, die dem heute vor 44 Jahren jung und unerwartet verstorbenen amerikanischen Sänger und Schauspieler Elvis Aaron Presley ein eigentümliches Nachleben bescherte: Ob voll der Treue oder ganz und gar ironisch gemeint, im Ausspruch „Elvis lebt“ entwickelte sich ein Kult um die mögliche Fiktion seines Todes mit mittlerweile eigenem Unterhaltungswert. Übrigens: Elvis wäre heute 86 Jahre alt.

[] Interpretation, die

Auslegung, Deutung, Erklärung; künstlerische Wiedergabe eines Werkes

Diese „3 Days of Peace & Music“, die am 15. August 1969 in der Kleinstadt Bethel, NY, ihren Anfang nahmen, gelten als Höhepunkt der Hippiebewegung und wurden unter dem Namen „Woodstock“ legendär. Stars wie Janis Joplin, Joan Baez, Ravi Shankar u. v. a. setzten vor geschätzt 400.000 Zuhörern ein musikalisches Zeichen gegen Krieg und Gewalt. So auch Jimi Hendrix, der unter anderem mit seiner legendären Interpretation der amerikanischen Nationalhymne Aufsehen erregte: Die unverkennbare Melodie begleitete er mit Gitarrengeräuschen, die Schüsse, explodierende Bomben und Schreie sterbender Soldaten imitierten – ein Protest gegen die Ereignisse in Vietnam.

[] Auge des Gesetzes, Mehrwortausdruck

ein Polizist; mehrere Angehörige der Polizei

Viele Redewendungen wie eben „Auge des Gesetzes“ verblüffen, forscht man nach, durch ihr hohes Alter. Fast mühelos scheinen die zugrundeliegenden Metaphern oder Metonymien kulturelle und sprachliche Grenzen zu überwinden, wohingegen sich die Bedeutungen bisweilen verändern. Heute steht der Ausdruck eher scherzhaft für die Polizei. Friedrich Schiller münzte ihn im „Lied von der Glocke“ auf den Nachtwächter. Erasmus von Rotterdam dagegen verweist in seinen „Adagia“ auf den griechischen Philosophen Chrysipp (✝ ca. 206 v. Chr.), der mit der Wendung die Justitia beschrieb, die mit starrem, geradeaus gerichtetem Blick ihr gerechtes Urteil fällt.

[] Mauer, die

steinernes Bauwerk in Form einer Wand; umgangssprachlich: als Grenzbefestigung von der DDR-Führung errichtetes und streng gesichertes Bauwerk aus Beton, das den Westteil Berlins umschloss

Sie war das sichtbarste Symbol des Kalten Krieges, Instrument zur ideologischen und machtpolitischen Abgrenzung der beiden Machtblöcke. Den Regierenden in Moskau und Ostberlin erschien sie als letztes Mittel, um die Massenflucht aus der noch jungen DDR zu stoppen. Für die Berliner bedeutete der Mauerbau in der Nacht zum 13. August 1961 einen brutalen Einschnitt, riss Familien auseinander, zerstörte Lebensläufe und kostete bis 1989 mindestens 140 Menschen das Leben. Doch die Lebensdauer des 155 km langen Bauwerks sollte mit gerade 28 Jahren weit kürzer sein, als ihre Schöpfer ahnen konnten.

[] Quagga, das

(seit dem 19. Jahrhundert ausgerottete) südafrikanische Unterart des Steppenzebras mit rotbraunem Rumpf, weißen Beinen und weißem Schwanz sowie dunkel gestreiftem Fell an Kopf, Hals und oberem Rumpf

Noch vor wenigen hundert Jahren galoppierten wilde Quaggas en masse und allerorten durch die Weiten der südafrikanischen Landschaft – Landbau, Feinschmeckertum und Vergnügungsjagden führten im 19. Jh. plötzlich zur ihrer Ausrottung. Leider konnten auch Züchtungen das Überleben der Zebra-Form nicht sichern: Heute vor 138 Jahren verstarb das offiziell letzte lebende Tier im Amsterdamer Artis-Zoo. 23 Quaggas können heute weltweit als museale Präparate bestaunt werden, Tonaufnahmen aber gibt es keine. Immerhin: Ihr Name (ursprüngliche Aussprache = „Qua/x/a“) soll ihren Ruf lautmalerisch imitieren.

[] großer Onkel, Mehrwortausdruck

große Zehe

Sollten Sie den Ausdruck „großer Onkel“ nicht kennen, denken Sie beim ersten Hören wahrscheinlich an Pippi Langstrumpf. Tatsächlich bezeichnet er (bisweilen auch in der Form „dicker Onkel“ oder schlicht „Onkel“) kein fiktives Pferd, sondern einen waschechten Körperteil: die große Zehe. Mit dem Bruder oder Schwager eines Elternteils hat das Wort dabei nichts zu tun, es ist nur volksetymologisch an diesen angepasst: Ursprung des Ausdrucks ist französisch „ongle“ = (Zehen-)Nagel. Übrigens: An der anderen Seite des Fußes sitzt unser „Kleinzeh“, die Glieder dazwischen haben (sieht man von scherzhaften Bezeichnungen wie Zeigezeh(e) oder Ringzeh(e) ab) eigentlich keine Namen.

[] Pfirsich, der

Frucht des Pfirsichbaums

Der Pfirsich hat einiges zu bieten, geschmacklich und etymologisch: Der systematische Anbau der pelzigen Sommerfrucht lässt sich erstmals 2000 v. Chr. in China nachweisen. Der Name „Pfirsich“ aber geht zunächst auf mhd. „pfërsich“ (von „phërsich“) zurück, das sich aus ahd. „phersih, phirsih, persih“ entwickelte. Dies wiederum lässt sich auf lat. „Persicus“ bzw. „mālum Persicum“ (also „Persischer Apfel“) bzw. seinen altgriechischen Vorgänger rückbeziehen. In der Tat Fachchinesisch, aber kein Chinesisch! Tatsächlich verrät der Pfirsich mit seinem Namen Interessantes: Er spiegelt uralte Handelswege wieder. Die Frucht gelangte über Persien nach Europa.

[] Zungenbrecher, der

umgangssprachlich, scherzhaft: sehr schwer auszusprechender Satz, sehr schwer auszusprechendes Wort

„Supercalifragilisticexpialigetisch!“ – Auf der ganzen Welt versuchten Kinder (meist erfolgreich) den unverständlichen, aus Fremdwortaffixen zusammengestückelten Zungenbrecher nachzusprechen. Das vergnügliche Nonsenswort ist untrennbar mit Mary Poppins verbunden, der Nanny, die im gleichnamigen Film von 1964 mit ihrer unverwechselbaren Art (nebst allerlei magischen Tricks) Gelassenheit und Humor in eine dysfunktionale Familie bringt. P. L. Travers, deren Kinderbücher die Vorlage für das Filmmusical bildeten, war mit der musiklastigen und ihrer Meinung nach zu süßlichen Disney-Verfilmung nur teilweise zufrieden. Geboren wurde die geniale Autorin am 9. August 1899.

[] Katzenvideo, das

im Internet abrufbarer, meist von Amateuren erstellter Film, der das Verhalten von Katzen zeigt und dabei oft in unterhaltsamer Weise tierische und menschliche Eigenarten karikiert

Was glauben Sie, wann entstand das erste Katzenvideo? 2005, kurz nach der Gründung eines prominenten Videoportals? Etwas später, mit dem Siegeszug des Meme-Formats? Oder ist das Katzenvideo ein Phänomen des letzten Jahrzehnts? Tatsächlich ganz und gar nicht, zum heutigen Weltkatzentag beglücken wir Sie mit etwas heiter-nutzlosem Partywissen: Das erste Katzenvideo produzierte der Erfinder Thomas Edison vor 127 Jahren! Zu sehen sind zwei im Boxring gegeneinander antretende Felidae, Stars in „Professor Henry Welton’s Cat Circus“ – heute filmt man glücklicherweise tierfreundlicher.

[] Figur, die

(künstlerische) Menschendarstellung, Tierdarstellung; Körperform

Sie ist eine Figur mit Figur, die „Venus von Willendorf“, eine wahre Göttin (so vermuten viele), die der Archäologe Josef Szombathy am 7. August 1908 plötzlich auf Händen trug. Bei Grabungen in Niederösterreich kam die rund 11 cm große Kalksteinplastik ans Tageslicht: Ausgesprochen voluminös ist sie, aufwendig frisiert (oder mit Putz geschmückt), ansonsten splitterfasernackt und 25.000-29.000 Jahre alt. Ein Eiszeitmensch muss sie während des mittleren Jungpaläolithikums, genauer während des Gravettiens, angefertigt haben. Interessanterweise aus ortsfremdem Material, man hatte für sie also gehandelt oder war weit gereist.

[] jmdm., etw. auf den Leim gehen, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: auf jmdn., etw. hereinfallen; (von jmdm.) durch eine List getäuscht werden

Die Methode ist menschliche Arglist in Reinkultur: Mistelbeeren wurden zerquetscht, der Saft entkernt und abgedampft. Mit dem so gewonnenen klebrigen Leim bestrich man Ruten oder Spindeln. Vögel, die sich arglos daraufsetzten, blieben haften. Diese heimtückische (und bis vor kurzem in Teilen Frankreichs noch halblegale) Methode des Vogelfangs steht heute meist nur noch bildlich fürs Täuschen und Getäuschtwerden: wenn man „jemanden leimt“ bzw. „jemandem auf den Leim geht“. Dass man jemandem auch auf den Leim „kriechen“ kann, liegt möglicherweise daran, dass der Klebstoff auch als Fliegenleim Verwendung fand.

[] falscher Fuffziger, Mehrwortausdruck

abwertend heuchlerische, unaufrichtige Person; Betrüger

Der „Tartuffe“ des Dramatikers Molière war ein Publikumserfolg, traf jedoch zu sehr ins Schwarze: Die titelgebende Figur, ein falscher Fuffziger, verführt ihren verblendeten Gastgeber mit religiöser Heuchelei dazu, sich der eigenen Familie zu entfremden – beinahe mit Erfolg. Die geistliche Elite Frankreichs reagierte empört auf die Komödie, schien ihr doch die Kritik an (machtpolitisch nützlichen) frommen Fassaden zu eindeutig. Erzbischof Péréfixe drohte sogar jedem, der das Stück ansah, las oder gar darin schauspielte, mit Exkommunikation. Eine am 5. August 1667 uraufgeführte zweite Fassung wurde verboten. Erst die viele Monate später fertiggestellte, heute bekannte dritte Fassung erhielt die Freigabe.

[] Hamburger

aus den USA stammendes Fastfood, bestehend aus einem gebratenen oder gegrillten Hacksteak aus Rindfleisch, das mit weiteren Zutaten wie Tomaten, Salat, sauren Gurken, Zwiebeln, Ketchup und Senf belegt ist und in einem weichen Weizenmehlbrötchen gegessen wird

Das Wort „Hamburger“ ist ein schönes Beispiel für das, was Linguisten als Rückentlehnung bezeichnen: Es waren aus oder über Hamburg ausgewanderte Deutsche, die in ihrer neuen Heimat USA das „Hamburger Rundstück“, ein in ein halbiertes Brötchen eingelegtes Bratenstück, als „Hamburger Steak“ einführten. Die landesweit beliebte, bald nur noch als „Hamburger“ bezeichnete Hacksteak-Semmel wurde im 19. Jh. zum Eckstein amerikanischer Fast-Food-Kultur und fand so schließlich (als Wort phonetisch und als Sache kulinarisch leicht verändert) ihren Weg zurück nach Deutschland: 1971 eröffnete der erste Burger-Bräter (mit dem „Mc“ im Namen) in Deutschland – allerdings in München, nicht in Hamburg.

[] Stecknadel, die

Nadel mit kleinem rundem Kopf zum Feststecken

Noch dem erwachsenen Jacob Grimm schien es, als läge die Zeit des Lesenlernens gerade eine Woche zurück, als sei alles Weitere dazwischen nur ein Traum gewesen. Die Intensität der Erinnerung hing vielleicht auch mit der eigentümlichen Lehrmethode seiner Tante Charlotte Grimm zusammen, die mit einer Stecknadel auf die Buchstaben zu zeigen pflegte. Die Fibel war am Ende „regelrecht zerstochen“. Die geliebte Muhme führte Jacob und Wilhelm in die Welt der Bücher ein und legte damit den ersten Keim für die außerordentliche Karriere der beiden. Am 3. August 1735 wurde sie in Hanau geboren.

[] Popstar, der

übertragen: prominente und populäre, meist für einen bestimmten Bereich besonders bedeutende Person von allgemeinem Interesse

Er war einer der ersten Popstars des 20. Jh.: Enrico Caruso, Operntenor extraordinaire, der mit seiner goldenen Stimme zu viel mehr Gold kam, als es die ärmlichen Verhältnisse seiner neapolitanischen Kindheit versprachen. In Italien begann seine Karriere, der internationale Durchbruch gelang ihm 30-jährig an der Metropolitan Opera in New York. Talent hatte er nicht nur als Tenor, sondern auch als Schelm: Seine Bühnenkollegen kämpften dann und wann mit zugenähten Kostümärmeln oder mit Wasser, das aus frisch aufgesetzten Hüten schwappte. Beliebt war er nichtsdestotrotz: Als er heute vor genau 100 Jahren starb, trauerte die ganze Welt.

[] Schwur, der

feierliche Beteuerung der Wahrheit; feierliche Bekräftigung eines Versprechens; Gelöbnis

„Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, / In keiner Not uns trennen und Gefahr“. Der legendäre, in Chroniken überlieferte, von Schiller in packende Verse gegossene Rütlischwur ist der Gründungsmythos der Schweiz. Der Wortlaut des Dokuments, das diese Eidgenossenschaft erstmals schriftlich beurkundet, liest sich dann doch etwas trockener: Darin schließen sich die Menschen der Talschaften von Schwyz, Uri und Unterwalden „im Hinblick auf Arglist und Gewalt der Zeit“ zum besseren Schutz (erneut) zusammen. Der 1. August (1291), auf den der Bundesbrief datiert, ist Schweizer Bundesfeiertag.

[] Aperitif, der

appetitanregendes, meist alkoholisches Getränk

Ob Anisschnaps, Rosé oder leichtes Bier: Das dem Abendessen vorausgehende, appetitanregende (meist alkoholische) Getränk mit Namen Aperitif ist im deutschsprachigen Raum mittlerweile durchaus „en vogue“, wenn auch noch nicht alltäglich. Doch das Wort lässt sich hier bereits für das 16. Jh. nachweisen. So bei Paracelsus, dem berühmten Alchimisten – auch bei ihm ist der Aperitif öffnend (lat. aperīre = öffnen), jedoch in weniger gemütlicher Form: Das Wort benennt ein Raum schaffendes, „Unreinigkeiten“ abführendes Heilmittel. Offenbar ein wirksames: Im 19. Jh. wird daraus immerhin die viel geliebte (zunächst französische) Trinktradition.

[] Spritztour, die

umgangssprachlich: kurze Reise, kleine Vergnügungsfahrt

Um dem grauen Universitätsalltag zu entkommen, unternahmen Studierende des 19. Jh. gern Ausfahrten ins Umland, für die sich bald der Ausdruck „Spritztour“ einbürgerte. Die Wortschöpfung knüpfte vermutlich an „spritzen“ in der älteren übertragenen Bedeutung ‚schnell flüchten‘ an und wurde bald in der Alltagssprache populär. Heute vor 50 Jahren fand übrigens eine besondere (außeruniversitäre) Spritztour statt: Apollo 15 hatte bei der Mondlandung ein Mondauto im Gepäck. Gemessen an irdischen Maßstäben erlaubte es den Astronauten bei einer Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h allerdings nur bescheidene Spritztouren in die nähere Umgebung.

[] Erzähler, der

jmd., der etw. in schriftlicher Form erzählt; Verfasser erzählender Dichtung

Das Island des 13. Jahrhunderts war geprägt von inneren Konflikten und blutigen Fehden zwischen den oligarchischen Stammeshäuptlingen der Insel. Die politische Instabilität machte sich der norwegische König Håkon IV. zunutze, spielte Häuptlinge taktisch gegeneinander aus und erlangte so mehr und mehr Macht, bis er Island schließlich in das norwegische Königreich eingliedern konnte. Detaillierte Schilderungen dieser ereignisreichen Zeit verdanken wir dem am 29. Juli 1214 geborenen Sturla Þórðarson, der als Geschichtsschreiber, Gesetzessprecher und Skalde am norwegischen Hof zu einem der einflussreichsten Männer Islands wurde.

[] citius, altius, fortius, Mehrwortausdruck

schneller, höher, stärker

Citius, altius, fortius = schneller, höher, stärker – das Motto der Olympischen Spiele seit 1924 (satzungsmäßig seit 1949). Es klingt antiker als es ist: Vorgeschlagen wurde es 1894 von Pierre de Coubertin, einem Mitbegründer des Internationalen Olympischen Komitees, der es von seinem Freund, dem Dominikanerpater und Pädagogen Henri Didon, auslieh. Jener hatte mit diesem lateinischen Ausdruck zuvor ein regionales Schulsportfest aufgepeppt. Das Komitee ließ sich überzeugen. Übrigens: Das Motto wurde jüngst philanthropisch erweitert: Citius, altius, fortius – communiter (Schneller, höher, stärker – gemeinsam) heißt es nun etwas weniger kämpferisch.

[] Ente, die

umgangssprachlich: Kosename Citroën 2CV

Lieb Kind hat viele Namen – dass einer der ersten „de lelijke eend“, das hässliche Entlein, sein sollte, tat ihm nicht ganz Unrecht, ein schöner Schwan ist nämlich nie aus ihm geworden. Dafür eine „tortoise“ (Schildkröte) bei den Briten, gleich zwei Pferde („deux chevaux“) bei den Franzosen, entsprechend „Döschwo“ bei den Schweizern und nicht zuletzt „el coche rana“ (das Froschgefährt) bei den Argentiniern. Die „Ente“ wurde zum konsumkritischen Studenten- und Kultwagen, schon weil man sie sich leisten konnte. Aber alles Gute hat ein Ende: Am 27. Juli 1990 lief im portugiesischen Mangualde der letzte Citroën 2CV vom Band.

[] Scharlatan, der

jemand, der Fähigkeiten auf einem bestimmten Gebiet vortäuscht, Schwindler

Manche Orte haben einfach Pech. Ein Scherz fällt vom Himmel, verbreitet sich – und schon ist die Reputation dahin. Bielefeld z. B. kann wahrlich ein Liedchen davon singen. Was die Einwohner des italienischen Städtchens Cerreto getan haben, wissen wir nicht, ihr Name (Cerretano) aber stand irgendwann recht unerquicklich für „Quacksalber, Marktschreier“. Gekreuzt mit „ciarlare“ (schwatzen) wurde daraus „ciarlatano“, das über französisch „charlatan“ unseren „Scharlatan“ ergab. Jener entwickelte sich im Lauf der Zeit zum wahrlich vertrauensunwürdigen Zeitgenossen. Die Cerretani scheinen es der Welt (und der Sprachgeschichte) nicht übel zu nehmen.

[] Leibchen, das

besonders früher: dem Korsett ähnliches, aber weniger steifes Unterwäschestück für Frauen (und Mädchen) mit stützender und formender Wirkung

Jahrhundertelang zwängten sich Frauen in eine Art Gefängnis aus Stoff. Beim Leibchen war der Name Programm: Die Bezeichnung ist wohl an das französische „corselet“ angelehnt, das wörtlich ‚kleiner Körper‘ bedeutet. Man kann froh sein, dass das Kleidungsstück in seiner alten Form inzwischen aus unserem Alltag verschwunden ist: Das Tragen von steifen Leibchen oder noch steiferen Korsetts führt zwar zur herbeigesehnten Wespentaille, durch die enge Schnürung leider aber auch zu allerhand Organschäden. Nach Monaten des Lockdowns und der Loungewear kann man nur hoffen, dass das unbequeme antike Leibchen nicht unerwartet wieder in Mode kommt.

[] Traum meiner schlaflosen Nächte, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: starker Wunsch, sehnliche Hoffnung

Dies war der Traum einer ziemlich schläfrigen Nacht, nämlich der vom 23. auf den 24. Juli 1895. Verschlafen und verträumt wurde sie von Sigmund Freud und dies ist es, was er in ihr erlebte: Irma, eine von ihm im realen Leben erfolglos analysierte Patientin, wurde im Traum von seinem Freund und (ihm gegenüber sehr kritischen) Kollegen Otto falsch behandelt. Der Traum-Sigmund erkannte Ottos Fehler, schuf also eine Realität, in der er seinen Ärger über die an seinen Methoden geäußerte Kritik jenem Freund als schwarzen Peter zuschieben konnte. In seiner Abhandlung „Die Traumdeutung“ interpretiert der Psychoanalytiker diesen Traum als Spiegel seiner Wunschvorstellung.

[] streitsüchtig, Adj.

abwertend: oft Streit mit anderen provozierend oder suchend und nicht bereit, Frieden zu halten

Heutzutage legen Streithansel mit Bagatellklagen ganze Amtsgerichte lahm. Früher konnte, wer dem Ritterstand angehörte, seinen Wahn zum Beruf machen, galt doch die Fehde mit Feuer und Schwert als anerkannte Möglichkeit, seinem „Recht“ Geltung zu verschaffen. Ein solcher „Musterknabe“ war sicherlich Götz von Berlichingen, den weder der Verlust seiner Hand noch Acht und Bann von seinen zahlreichen Streitigkeiten abhalten konnten. Goethe machte den konfliktfreudigen Adeligen als Helden seines bekannten Sturm-und-Drang-Dramas unsterblich. Der echte Berlichingen starb aber doch, am 23. Juli 1562 – erstaunlicherweise im Bett.

[] feixen, Vb.

salopp, abwertend: breit, grinsend lachen

Manche Wörter haben eine sehr abwegige Geschichte hinter sich, ganz sicher das Verb „feixen“, das wir heute mit aller Unschuld dann und wann im Alltag benutzen. Wieder einmal verdanken wir dieses schadenfrohe Wort der Studentensprache des 19. Jh.: „feixen“ ist eine Verbalableitung von „Feix“ (einfältiger Kerl, Stubenhocker), dies wiederum entstand unter Ergänzung einer zur Bildung von Personenbezeichnungen (vor allem auch in der Studentensprache) gar nicht seltenen Lautverbindung /ks/ aus einem älteren „Feits“ (Neuling), welches wiederum abgeleitet ist von „Feist“, einer verstaubten Bezeichnung für einen satten Furz. Nun denn …

[] Medienwirkungsforschung, die

Forschungszweig, der sich mit dem Einfluss der Medien auf den einzelnen Konsumenten oder die gesamte Gesellschaft befasst

Dass jemand „irgendwas mit Medien“ macht, ist mittlerweile eine bärtige Floskel. Allerdings – heute würde eine Persönlichkeit ihren 110. Geburtstag feiern, die das tatsächlich früh schon von sich behaupten konnte: Der Kanadier Marshall McLuhan begründete und prägte im 20. Jahrhundert die Medientheorie. Er wandte das Wissen aus dem klassischen Trivium auf die Moderne an, untersuchte als Pionier die Popkultur und schuf viele medientheoretische Grundlagenwerke. Ihm verdanken wir auch die geflügelten Begriffe „Globales Dorf“ und „Gutenberg-Galaxis“. Er hätte sicher am Zeitalter des Internets seine Freude gehabt.

[] Lavastrom, der

aus einem Vulkan oder Rissen in der Erdkruste heraustretende, geschmolzene, glühend heiße Gesteinsmasse (Lava), die sich fließend vom Austrittsort wegbewegt

Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche: Um ein Gefühl der Kontrolle gegenüber Naturkatastrophen zu erlangen, haben die Menschen seit jeher Zuflucht in der Religion gesucht, so auch in Island am 20. Juli 1783. Als der bereits 42 Tage andauernde Ausbruch des Laki-Kraters drohte, das Dörfchen Kirkjubæjarklaustur samt Kirche zu zerstören, schritt Pfarrer Jón Steingrímsson zur Tat, versammelte seine Gemeinde (wie er dachte, zum letzten Mal) in der Kirche und trotze den Naturgewalten mit seiner berühmt gewordenen „Feuerpredigt“. Offenbar mit Erfolg. Noch während seiner Predigt versiegte der Lavastrom und verschonte die Kirche.

[] Patriarchat, das

Gesellschaftsordnung, bei der der Mann eine bevorzugte Stellung in Staat und Familie innehat und bei der in Erbfolge und sozialer Stellung die männliche Linie ausschlaggebend ist

„Die Geschichte der Menschheit ist eine Folge von wiederholten Ungerechtigkeiten und Übergriffen vonseiten des Mannes gegenüber der Frau, mit der klaren Absicht, eine absolute Tyrannei über sie zu errichten“, so die „Declaration of Rights and Sentiment“, das Manifest einer der ersten Frauenrechtskonventionen in der Geschichte: der Seneca Falls Convention, die am 19. und 20. Juli 1848 im Staat New York stattfand. 300 Teilnehmende (nicht nur Frauen) debattierten über die Rolle der Frau und ihre Unmündigkeit in einer patriarchalisch dominierten Gesellschaft. Für viele gilt dieses Treffen als Beginn der Frauenrechtsbewegung in Amerika.

[] schwarzer Tag, Mehrwortausdruck

Unglückstag; Tag eines großen Verlusts, einer schlimmen Offenbarung, Enttäuschung, Niederlage o. Ä.; ein Tag, an dem alles misslingt

Wenn in kurzer Frist mal so richtig viel schiefläuft, haben wir einen „schwarzen Tag“. Was viele nicht wissen: Das geflügelte Wort verweist auf ein weit zurückliegendes historisches Ereignis. An diesem „dies ater“, wie die Römer ihn nannten – vielleicht am 18. Juli 387 v. Chr. – erlitt ein römisches Heer in der Schlacht an der Allia eine vernichtende Niederlage gegen die Kelten. Eine tröstliche Botschaft geht von dieser Katastrophe allerdings ebenfalls aus. Auch nach einem schwarzen Tag muss nicht aller Tage Abend sein. Ein paar hundert Jahre später drehten die Römer bekanntermaßen den Spieß um.

[] Zahn der Zeit, Mehrwortausdruck

die verändernde, zerstörende Wirkung der Zeit, wenn Alterung und Verfall an Mensch oder Material (ungehindert) voranschreiten

„I've got him!“ (Ich habe ihn!) rief die Archäologin und Paläoanthropologin Mary Leakey am 17. Juli 1959 ihrem erkrankt im Camp zurückgebliebenen Ehemann zu. Gerade hatte sie an einer Grabungsstelle in der tansanischen Olduvai-Schlucht ein Stück Knochen entdeckt, das sich später als Kieferstück mit zwei darin fixierten (auffällig großen) Zähnen herausstellen sollte. Weitere Fragmente fügten sich zum Schädel von „Zinj“, dem „Olduvai Hominid number 5“ (OH 5) zusammen: dem in Folge ersten wissenschaftlich beschriebenen Exemplar der Gattung Paranthropus boisei, die vor etwa zwei Millionen Jahren in Ostafrika (altarab. „Zinj“ = Ostafrika) vorkam.

[] Pomade, die

wohlriechende Fettsalbe für kosmetische Zwecke, besonders zur Haarpflege

Heutzutage gibt es für haarpflegebewusste Zeitgenossen zahlreiche Befestigungsalternativen, die klassische Pomade ist im 21. Jh. eher ein Nischenprodukt. Wer früher seiner Tolle Halt geben wollte, griff jedoch zu jener Fettsalbe mit dem französisch klingenden Namen. Tatsächlich geht die französische „pommade“ aber auf einen italienischen Vorgänger, auf die „pomata“, zurück, eine bereits um 1600 nachweisbare Mixtur aus tierischem Fett und Apfelessenz. Der letzten Zutat (ital. „pomo“ = Apfel), die der olfaktorischen Aufwertung diente, verdankt die Pomade ihren Namen. Vor allem in der Stummfilmzeit galt sie als ausgesprochen anziehend – nicht nur für Fruchtfliegen.

[] etw. aufs Brot geschmiert bekommen, Mehrwortausdruck

von jmdm. wiederholt an eine persönliche Schwäche, an ein Versagen erinnert werden; eine negative Rückmeldung erhalten; Vorwürfe, Vorhaltungen gemacht bekommen

Der Brühwürfel, die Kondensmilch, das Baguette: Viele der kleineren und größeren Innovationen, die bis heute unsere Ernährung prägen, fallen ins 19. Jh. So reichte auch der Chemiker Hippolyte Mège-Mouriès am 15. Juli 1869 ein Patent für einen neuartigen Butterersatz aus Milch, Wasser, Rinderfett und Kuheuter ein. „La margerine“, wie er diesen nannte, wurde zunächst französischen Soldaten aufs Brot geschmiert und sollte sie, wenn schon nicht bei Laune, so doch bei Kräften halten. Während Deutschland und Frankreich auf einen Krieg zusteuerten, überwand die Kunstbutter Grenzen, selbst der Name fand Eingang ins Deutsche.

[] MP3, die

Verfahren für die verlustbehaftete Komprimierung von Audiodaten, besonders Musik; Format für die Speicherung dieser Daten; Audiodatei mit durch MP3 komprimierten Daten

Vor der flächendeckenden Verbreitung von DSL war man für den Internetzugang meist auf langsame Modems angewiesen. Mit denen war der Transfer von Musik-CDs praktisch unmöglich. Das änderte sich (sehr zum Leid der Musikindustrie) durch Anwendung einer Komprimierungsmethode, die die für Menschen unhörbaren 85 % der Audiosignale herausfilterte und so die Dateien stark verkleinerte. Am 14.07.1995 wurde die (später als Bezeichnung verselbstständigte) Dateiendung mp3 für diesen Standard festgelegt. Auch wenn bald teils bessere und patentfreie Alternativen auf den Markt kamen, konnten sie die MP3 nie vom Thron stoßen.

[] zwischen Baum und Borke, Mehrwortausdruck

in einer verzwickten oder ausweglosen Lage bzw. einem unangenehm vagen Zwischenzustand gefangen; zwiegespalten, zerrieben zwischen widerstreitenden Interessen

Er lebte ein Leben in Widersprüchen: Aufgewachsen als Sohn eines illiteraten Tagelöhners wurde er zum einflussreichsten Naturdichter Großbritanniens. Er hasste Grammatik und Orthografie und konnte doch den Überlebenskampf eines Dachses in einem formvollendeten Gedicht verewigen. Er, der stets königstreu und konservativ blieb, musste miterleben, wie die ländliche Idylle zerbrach, Wälder gerodet, Gemeindeland aufgelöst und die Bewohner in die Armenhäuser getrieben wurden – Konflikte, an denen er am Ende seelisch zerbrach. Geboren wurde John Clare, „the Northamptonshire peasant poet“, am 13. Juli 1793.

[] alternativ, Adj.

im Gegensatz zu einer etablierten Norm, Technik oder Vorgehensweise stehend, handelnd; sich von den hergebrachten oder etablierten Gesellschafts- und Lebensentwürfen kritisch abgrenzend

„Ich möchte am See in der Stille wohnen, wo mir nur das Rauschen des Windes im Röhricht erklingt (...) Meine Freunde fragen mich, was ich dort treiben werde? Werde ich nicht genug damit zu tun haben, die Jahreszeiten zu beobachten?“ Fünf Jahre lebte Henry David Thoreau am kleinen Teich Walden. Das Leben im Rhythmus der Natur veränderte sein Leben, das Buch, das er darüber verfasste, die Welt. Mit seinen Ideen von naturnahem Leben und zivilem Ungehorsam gegen Krieg und Unterdrückung beeinflusste er die 68er ebenso wie Martin Luther King und Mahatma Gandhi. Geboren wurde er am 12. Juli 1817.

[] Finale, das

Musik: Schlusssatz einer mehrsätzigen Komposition; Sport: Endspiel bzw. abschließender Wettkampf um den Sieg in einer Meisterschaft, einem Pokalwettbewerb o. Ä.

„Wir mögen uns an Geschwister und Freunde anlehnen ..., so ist doch immer das Final[e], daß der Mensch auf sich zurückgewiesen wird“, sinnierte einst Geheimrat Goethe. „Finale“ verstand er hier übertragen im Sinne von „das Ende vom Lied“. In Form und Bedeutung aus dem Italienischen stammend, war (und ist) „Finale“ eigentlich ein Musik-Terminus und bezeichnet das (furiose und dramaturgisch effektvolle) Schlussstück großer Orchesterwerke. Das sportliche „Finale“ ist dagegen eine im 20. Jh. übernommene Lehnbedeutung aus dem Englischen. Eines haben die beiden „Finale“ in jedem Fall gemeinsam: Beide klingen hier und da mit „Pauken und Trompeten“ aus.

[] Kaleidoskop, das

zu Musterentwürfen und als Kinderspielzeug dienendes optisches Gerät, das aus einem Rohr besteht, in dem zwischen zwei Glasscheiben bunte Glasstückchen liegen, die sich beim Drehen des Rohres zu farbigen, durch Winkelspiegel vervielfachten Ornamenten und Figuren ordnen

Das Prinzip erfunden hat der Mann hinter dem Patent, der schottische Physiker Sir David Brewster, nicht, Effekte durch multiple Spiegelung waren bereits in der Antike bekannt, in einer solch komplexen Form hat es ein sie abbildendes Instrument aber noch nicht gegeben: Um ein „neues optisches Gerät namens ‚Kaleidoskop‘ zum Betrachten und Erschaffen schöner Formen und Muster, das allen bildenden Künsten zunutze sein wird“ sollte es im Patentbrief Nr. 4136 gehen. Tatsächlich neu war der Name: Brewster kombinierte griech. καλός (kalos), „schön“, εἶδος (eidos), „die Form“ und σκοπέω (skopeō), „sehen“, „betrachten“ zum Wort Kaleidsokop: „Das Betrachten schöner Formen.“

[] übersinnlich, Adj.

scheinbar über das sinnlich Erfahrbare hinausgehend, übernatürlich

Atemberaubende Landschaften, geheimnisvolle Gemäuer und Ruinen, Liebe, Verrat, Gewalt, Intrigen, scheinbar übersinnliche Ereignisse und … Leichen hinter schwarzen Vorhängen: Ann Radcliffe schuf in ihren Schauerromanen Welten, in denen Empfindsamkeit, Seelenterror und Läuterung miteinander konkurrieren. Ihre zunächst oft hilflosen Protagonistinnen erarbeiten sich durch das Erleben von Schrecken und Enttäuschung sowohl emotionale Unabhängigkeit als auch die Fähigkeit zum Widerstand gegen (patriarchalische) Gewalt und Unterdrückung. Viele betrachten Radcliffe daher als „Mutter“ eines literarischen Feminismus. Heute vor 257 Jahren kam sie zur Welt.

[] schwedische Gardinen, Mehrwortausdruck

Gitterstäbe einer Gefängniszelle, Gefängniszelle; Gefängnis

Als Königstochter wurde der heute vor 400 Jahren geborenen Leonora Christina Ulfeldt eine vielseitige Bildung zuteil, ebenso wie – neunjährig – die Verlobung mit dem späteren Reichskanzler Corfitz Ulfeldt. Die Ehe verlief erstaunlich glücklich und kinderreich, wurde aber auf die Probe gestellt, als Leonora ob der vermeintlichen Beteiligung an den politischen Intrigen ihres Mannes für 22 Jahre im „Blauen Turm“ hinter dänische schwedische Gardinen geriet. Zum Zeitvertreib begann sie, ihre Autobiografie zu schreiben: Jammers Minde – Erinnerung an das Elend – (über das entbehrungsreiche Kerkerleben) verschaffte ihr einen festen Platz im literarischen Gedächtnis Dänemarks.

[] Überzahl, die

sehr große Zahl

Heute vor 60 Jahren erschien im französischen Verlag Éditions Gallimard das Buch mit der wahrscheinlich längsten Lesezeit in der Geschichte der Literatur. Es vollständig zu rezipieren würde, so eine Schätzung, rund 95 Millionen Jahre dauern. Empirisch belegen lässt sich das wohl nicht. Das außergewöhnliche Werk des Dichters Raymond Queneau trägt den Titel „Cent Mille Milliards de Poèmes“ (Hunderttausend Milliarden Gedichte) und beinhaltet genau dies: 10 Sonette, deren einzelne (jeweils individuell umklappbare) Verse sich mit denen aller anderen 9 Sonette kombinieren lassen – zu 100.000.000.000.000 möglichen neuen Sonett-Varianten. 1984 wurde eine deutsche Nachdichtung veröffentlicht.

[] Luftikus, der

umgangssprachlich, scherzhaft: leichtsinniger Mensch

„Es ist bezeichnend für den (...) Betrieb des damaligen lateinischen Sprachstudiums, daß sich die Burschen eine Anzahl von Endsilben und Flexionen der alten Sprachen zu eigen machten. Ein toller (...) Geschmack hatte seinen Spaß daran, deutsche Wortstämme mit lateinischen und vereinzelt auch griechischen Flittern zu behängen“, so der Leipziger Literaturwissenschaftler Rudolf Wustmann über ein typisches Phänomen in der Studentensprache des 18. und 19. Jh., dessen Effekte noch heute im deutschen Wortschatz „herumflittern“: So im Falle „Luftikus“ (luftig + latinisierende Endung), ein Ausdruck, den wir wohl der Kreativität eines eben solchen verdanken.

[] Bikini, der

zweiteiliger knapper Badeanzug für Damen

Endlich erlauben Impfquote und niedrige Inzidenzzahlen in diesem Sommer ein vorsichtiges Verreisen, z. B. an einheimische Meeres- und Seenstrände, für deren Frequentierung ein Kleidungsstück eine besondere Rolle spielt: der Bikini. Auch etymologisch handelt es sich hierbei um ein bombastisches Ding, nicht wirklich im positiven Sinne: Der vom Modeschöpfer Louis Réard kreierte (und heute vor 75 Jahren in Paris vorgestellte) moderne Zweiteiler wurde nach dem Bikini-Atoll benannt, an dem kurz zuvor Atomwaffentests veranstaltet worden waren. Offenbar ging er für seine Schöpfung von einem ähnlich gewaltigen Effekt aus.

[] Whisky, der

aus Getreidemaische durch Destillation gewonnenes und im Holzfass gereiftes alkoholisches Getränk

Whisky ist vielen heilig, vor allem den Inselbewohnern, denen wir dieses aromatische Wässerchen verdanken. Seine Entstehungsgeschichte ist nicht geklärt, Etymologen vermuten in ihm aber auch eine gewisse Heiligkeit: Das Wort Whisky, ist eine Anglisierung und Verkürzung des älteren schottisch-gälischen „uisge beatha“ (Lebenswasser), wahrscheinlich dem kontinentalen „aqua vitae“ (für destillierten Alkohol) entlehnt. Jenes entstand in Klöstern und diente zunächst medizinischen Zwecken. Spätestens seit dem 15. Jh. aber ist ein „weltlicher Gebrauch“ nachweisbar. Sein heutiges, durch Reifung in Holzfässern generiertes, charakteristisches Aroma trägt er seit dem 18. Jh.

[] sonntäglich, Adj.

dem Sonntag entsprechend; jeden Sonntag wiederkehrend

Zwar ist Samstag, dennoch ist dieser Tag ausgesprochen sonntäglich. Warum? Heute vor 1700 Jahren wurde der Sonntag zum offiziellen, verpflichtenden Feier- und Ruhetag. Konstantin der Große entschied 321, dass „alle Richter und Einwohner der Städte, auch die Arbeiter aller Künste, (...) am ehrwürdigen ‚Tag der Sonne‘ ruhen“ sollen. Lediglich dringend notwendige landwirtschaftliche Tätigkeiten waren erlaubt. Differenziertere Regeln zur Sonntagsruhe entstanden im Laufe des Mittelalters: Zum Schutz des Seelenheils der Gläubigen rief die Kirche zur Teilnahme am Gottesdienst und zum gewissenhaften Verzicht auf Sonntagsfrevel (verhinderbare Arbeit) auf.

[] erkühnen, Vb.

gehoben: etw. Gefährliches kühn wagen

Sie brach alle Rekorde: 1922 flog sie höher als je eine Frau zuvor, überquerte 1928 als erste weibliche Person nonstop den Atlantik, brach 1932 mit einer Distanz von 3939 km den Langstreckenrekord für Frauen und erhielt als erste Frau einen Pilotenschein der Fédération Aéronautique Internationale (FAI). Kurz vor ihrem 40. Geburtstag brach Amelia Earhart auf, um als erster Mensch die Erde am Äquator zu umrunden. Am 2. Juli 1937 startete sie von Neuguinea aus zum letzten Abschnitt ihres bis dahin erfolgreichen Flugs. Das Ziel, als Zwischenstopp: die Howlandinsel im Pazifik. Dort sollte sie nie ankommen. Bis heute weiß man nicht, was genau ihr wo widerfahren ist.

[] Postleitzahl, die

nach einem einheitlichen System festgelegte, meist mehrstellige Zahl, die auf Postsendungen vor dem Bestimmungsort angegeben werden muss

5300 Bonn 1, 1000 Berlin 19 oder gar 6500 Mainz 500 (für das ZDF) ... In alten Zeiten schlug man sich mit vierstelligen Postleitzahlen plus Zusatznummer herum. Nach der Wiedervereinigung sogar mit doppelten PLZ: DDR und BRD nutzten sehr ähnliche Systeme, und damit trugen z. B. Stralsund und Kiel auf einmal die gleiche Nummer (2300). Sie wurden mit den Buchstaben O(st) und W(est), O-2300 und W-2300, notdürftig unterschieden. Die am 1. Juli 1993 eingeführten, noch heute gültigen fünfstelligen Postleitzahlen schufen endlich Abhilfe: Sie bestehen aus zwei Leitregion-Ziffern und drei Leitbereichs-Ziffern, sind so eindeutig zuordenbar und ermöglichten damals eine effizientere Automatisierung.

[] jmdm. ein Rätsel bleiben, Mehrwortausdruck

etw., jmd. bleibt jmdm. ein Rätsel, für jmdn. auf Dauer unbegreiflich, unverständlich, unerklärbar, nicht nachvollziehbar sein

Der 30. Juni 1908 (greg.), ein Tag rätselhafter Ereignisse: Gegen 7:15 Uhr nahm man im sibirischen Gouvernement Jenisseisk immense Explosionen wahr. Bäume bis in etwa 30 km Entfernung wurden entwurzelt, noch etwa 500 km entfernt war ein gleißender Feuerschein sichtbar und noch im 5000 km entfernten Potsdam wurde eine Druckwelle gemessen. Es dauerte fast 20 Jahre, bis sich eine erste Expedition zum Epizentrum des Ereignisses aufmachen konnte. Die Ergebnisse der Expedition waren jedoch nicht eindeutig. Auch folgende Wissenschaftlergenerationen haben die mysteriöse Tunguska-Explosion nicht zweifellos erklären können.

[] Menschenbildung, die

bildungssprachlich: Entfaltung und Prägung der geistig-seelischen Anlagen des Menschen durch umfassende Erziehung, Charakterformung und Bildung (nach humanistischen Idealen)

Pädagogisch wertvoll sollte das Kinderbuch „Robinson der Jüngere“ nach dem Willen seines Schöpfers Joachim Heinrich Campe werden. Es sollte „die in uns allen schlummernde physische und moralische Menschenkraft“ wecken, aber eben auch „unterhaltend und anziehend“ sein. Das eigentlich Charmante aber war: Campe bettete die Erzählung in einen Dialog ein, in dem zuhörende Kinder den vorlesenden Vater mit Fragen und Kommentaren löchern: Beide Parteien eignen sich die Geschichte gewissermaßen interaktiv an. Indem Campe in diesem frühen deutschen Kinderbuch eine nicht autoritäre Vorlesekultur feierte, erzog er nebenbei die Eltern gleich mit. Geboren wurde der Pädagoge und Aufklärer am 29. Juni 1746.

[] Urlaub, der

arbeitsfreie, dienstfreie Zeit (von Angestellten oder Beschäftigten), die der Erholung dient; Reise, Fahrt, die während eines Urlaubs unternommen wird

Die ersten Bundesländer haben den Sommerurlaub bereits eingeläutet. Doch was hat es mit dem Urlaub sprachgeschichtlich auf sich? Im Althochdeutschen wurde mit dem Wort „urloub“ zunächst allgemein eine Erlaubnis bezeichnet. Eine erste Bedeutungsverengung fand dann im Mittelhochdeutschen statt. Jemand, der bei einem Höherstehenden um „urloup“ bat, hoffte auf die Erlaubnis, fortgehen, z. B. kurzzeitig den Hof verlassen zu dürfen. Unbezahlt, versteht sich. Letzteres hat sich glücklicherweise für viele geändert. Jedoch: Aus aktuellem Anlass bleibt uns die Erlaubnis, alle Länder der Welt zu bereisen, noch eine Weile verwehrt – machen wir das Beste daraus.

[] Parodie, die

bildungssprachlich: komisch-satirische Nachahmung oder Umbildung eines (berühmten, bekannten) meist künstlerischen, oft literarischen Werkes oder des Stils eines (berühmten) Künstlers

„Airplane!“ lautet schlicht und einfach der Originaltitel der satirischen Komödie des Regietrios Jim Abrahams/David Zucker/Jerry Zucker, in dem 1980 die Flugzeug-Katastrophenfilme der vergangenen Jahrzehnte (wie „Airport“) mit albernem, derben und absurden, aber immer lustigem und zeitlosem Humor auf die Schippe genommen wurden. Die Persiflage, die heute vor einundvierzig Jahren Vorpremiere feierte, wurde ein großer Erfolg bei Kritik und Publikum, auch in Deutschland, trotz des hiesigen, an Körperverletzung grenzenden Verleihtitels „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“.

[] Zauberlehrling, der

jmd., der bei einem Magier die Kunst des Zauberns erlernt, Gehilfe eines Zauberers

Es ist zwar überhaupt nicht unüblich, aber in diesem Fall doch unglaublich: Am 26. Juni 1997 erschien im britischen Verlag Bloomsbury ein neues Kinderbuch mit einer Auflage von mickrigen 500 Exemplaren – davon gingen 300 direkt an Büchereien. Verfasst wurde das Buch über einen jungen Zauberlehrling von einer Person namens J.K. Rowling. Dass es sich dabei um eine Autorin (Femininum) handelte, wurde zunächst verschwiegen: Der Verleger hielt „Harry Potter und der Stein der Weisen“ für eine typische Jungsgeschichte – und Jungs, so seine Überzeugung, lesen lieber Bücher von männlichen Autoren. Tatsächlich, auch zu seinem Glück, strafte ihn die Wirklichkeit Lügen.

[] vertändeln, Verb

Ballsport: (wegen leichtfertigen, unbedachten und unentschlossenen Spiels) die Kontrolle über das Spielgerät verlieren bzw. einen begonnenen Spielzug nicht erfolgreich abschließen

Was Wort „Tand“ steht für etwas Wertloses, für leeres Geschwätz. Doch hat der Ausdruck auch eine spielerische Seite: So war der berühmte „Nürnberger Tand“, der „durch alle Land“ ging, in erster Linie Spielzeug. Entsprechend stand die Ableitung „tändeln“ seit dem 15. Jh. für ‚spielen, flirten, die Zeit totschlagen‘. Mit dem Präfix „ver-“ erhielt das Verb analog zu „vergeuden“ dann aber eine negative Konnotation, wenngleich (besonders im Fußball) ein Augenzwinkern blieb: Ein Stürmer, der im Strafraum selbstverliebt dribbelnd den Ball vertändelt, zahlt zwar nicht auf das Torkonto ein, sorgt aber immerhin für beste Unterhaltung.

[] fliegende Untertasse, Mehrwortausdruck

Science-Fiction, umgangssprachlich, gelegentlich scherzhaft: außerirdisches Raumschiff, das in der Vorstellung der Ufologie und der Science-Fiction Ähnlichkeit mit einem leicht gewölbten Teller aufweist

„Flying saucer“ bzw. „fliegende Untertasse“ ist ein uns allen vertrauter, höchst bildlicher, wenn auch nicht gerade raffinierter Ausdruck, der sich trotzdem sowohl im Englischen als auch im Deutschen, besonders aber in der Popkultur hat durchsetzen können. Entstanden ist er aufgrund eines Missverständnisses: Der amerikanische Geschäftsmann und Hobby-Pilot Kenneth Arnold beobachtete am 24. Juni 1947 nahe des Mount Rainier in Washington neun unidentifizierbare Flugobjekte, deren Flugverhalten er mit denen von Tellern verglich, wenn man sie über Wasser springen ließ. Die Presse legte ihm daraufhin, zu seinem Leidwesen, die „fliegenden Untertassen“ in den Mund.

[] Turnier, das

Veranstaltung, auf der in bestimmten Sportdisziplinen, Sportarten aus einer großen Teilnehmerzahl meist in mehreren einzelnen Wettkämpfen der Sieger ermittelt wird; ritterliches Kampfspiel im Mittelalter, in dem mit meist stumpfen Waffen zu Pferd nach festen Regeln die Kampftüchtigkeit erprobt wurde

turnieren und leisieren / mit schenkeln sambelieren / rehte und nâch ritterlîchem site / hie bankete er sich ofte mite.“ (≈ Turniere kämpfen, freihändig, das Pferd mit den Schenkeln antreibend, gekonnt nach Art der Ritter, so tummelte er sich oft und gern). Gottfrieds Tristan, Adonis und Tausendsassa, ist auch ein Meister des Turniers, eine Form des Wettkampfs, die wie ihr Name vom französischen Nachbarn stammt: Aus afrz. tornoi(i)er, torni(i)er „sich drehen“, dann auch „kämpfen“ wurde mhd. turnei oder turnoi für „Kampfspiel“, bei dem Mann und Ross in der Tat mutig umeinander kreisten. Heute benennt Turnier jede Art sportlicher Wettkämpfe, auch weniger abgedrehte.

[] Schlachtenbummler, der

Anhänger einer Sportmannschaft, der diese als Tourist zu einem auswärtigen Spiel begleitet hat

Fans, die mit ihrer Nationalmannschaft mitreisen (und im Gastland nicht immer angenehm auf sich aufmerksam machen), werden noch gelegentlich als „Schlachtenbummler“ bezeichnet. Ein Wort, das, wie sich im DWDS-Korpus belegen lässt, zunehmend seltener zu lesen ist. Man wird es nicht vermissen, denn es hat eine dunkle Seite. Seit Kriege im Spätabsolutismus fern der Metropolen ausgefochten wurden, fanden sich zunehmend Schaulustige, heute würde man sagen Gaffer, ein, die unmittelbar nach beendeten Kampfhandlungen über die Schlachtfelder wandelten – so auch im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Man nannte sie sarkastisch „Schlachtenbummler“.

[] Sonnenwende, die

Zeitpunkt im Verlauf eines Sonnenjahres, an dem die Sonne ihre höchste bzw. tiefste Mittagshöhe über dem Horizont erreicht

Am 21. Juni um 05:32 Uhr MESZ ereignet sich in diesem Jahr die Sommersonnenwende: der Moment, an dem zwischen dem Himmelsäquator, also dem in den Weltraum projizierten Erdäquator, und der Ekliptik, der scheinbaren Sonnenbahn auf der Himmelskugel (scheinbar, da sich eigentlich ja die Erde um die Sonne dreht) der größtmögliche Winkelabstand besteht. Die Sonne steht auf der Nordhalbkugel an ihrem Wendepunkt. Mit diesem Ereignis einher geht der längste Tag und die kürzeste Nacht im Jahr, es markiert zudem vielerorts den Beginn des kalendarischen Sommers. In manchen Kulturen wurden (und werden) Sonnenwenden religiös oder rituell begleitet.

[] toller Hecht, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, oft scherzhaft: Mann, der aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten, seines draufgängerischen Verhaltens und der von ihm erzielten Erfolge Bewunderung genießt

Auf den Leinwänden der 1930er und 1940er Jahre brillierte er als toller Hecht, schwang Lasso und Degen, nahm als König der Vagabunden von den Reichen und gab den Armen, kämpfte für Freiheit und Gerechtigkeit, eroberte Länder und Meere und stahl so mancher holden Maid ihr lichterloh entbranntes Herz. Auch Errol Flynns „echtes“ Leben begann abenteuerlich: Am 20. Juni 1909 in Tasmanien geboren, wurde er schon früh zum Hasardeur, verließ die Schule, verdingte sich als Gigolo, Goldgräber, Wilderer und Bootsmann, bis er als Mittzwanziger Hollywood eroberte. Dort verfiel er, immer noch Abenteurer, mit der Zeit so manchem schweren Laster.

[] Lückenbüßer, der

jmd., der für einen anderen eingesprungen ist, den man lieber genommen hätte

Wer ungewollt für jemanden einspringt, muss ausbaden, was die Nachlässigkeit anderer verschuldet hat. Den wunderschönen, diesen Umstand verbalisierenden Ausdruck „Lückenbüßer“ verdanken wir übrigens Luther. Der bezog sich in seiner Bibelübersetzung mit dem Wort allerdings auf den Wiederaufbau der Stadtmauern Jerusalems: „Da aber Saneballat und Tobia ... höreten, daß die Mauern zu Jerusalem zugemacht waren, und daß sie die Lücken angefangen hatten zu büßen, wurden sie sehr zornig.“ (Luther 1545, Nehemia 4,7 bzw. 4,1). Das Verb „büßen“ wird hier in seiner alten Bedeutung ‚füllen‘, ‚ausbessern‘ gebraucht. Der Lückenbüßer war also eher ein Lückenfüller.

[] in Schweiß gebadet, Mehrwortausdruck

nass geschwitzt

Bisher war es nur warm, seit gestern ist richtig Sommer. Wie das Duo 2raumwohnung singt: „36 Grad, und es wird noch heißer“. Zum Glück besitzen wir Millionen Schweißdrüsen, die uns über Verdunstung effizient abkühlen. Bei den Wörtern „Schweiß“ und „schwitzen“ allerdings wird es den Sprachhistorikern selbst an den kältesten Wintertagen warm ums Herz, denn diese alten Erbwörter auf Basis der urindogermanischen Wurzel „*su̯ei̯d-“ ‚in Schweiß ausbrechen‘ haben klare Entsprechungen in Ost (altindisch „svid-“ ‚schwitzen‘), in West (kymrisch „chwŷs“), Nord (lettisch „sviedri“) und Süd (altgriechisch „hidrṓs“) – alle ‚Schweiß‘.

[] harmonisieren, Verb

etw. miteinander in Einklang bringen, aufeinander abstimmen

„Thal“ oder „Tal“, „confisciren“ oder „konfiszieren“, „Litteratur“ oder „Literatur“? „Nicht zwei Lehrer derselben Schule und nicht zwei Korrektoren derselben Offizin waren in allen Stücken über die Rechtschreibung einig“ – Dieser Stoßseufzer Konrad Dudens beschreibt treffend die Lage der deutschen Rechtschreibung zum Ende des 19. Jh. Abhilfe schuf erst die II. Orthographische Konferenz, die heute vor 120 Jahren begann und nur drei Tage dauerte. Tatsächlich wäre die Verabschiedung des Regelwerks ohne die vorausschauenden und klugen Vorarbeiten von Duden und anderen, wie Rudolf von Raumer, nicht möglich gewesen.

[] Techtelmechtel, das

nicht ernsthafte Liebesbeziehung, Flirt, Liebelei

Als der Schwarze Tod im Frühjahr 1348 auch Florenz heimsucht, fliehen zehn Stadtbewohner gemeinsam auf ein Landgut, um dort der drohenden Gefahr zu entgehen. Zehn Tage bleiben sie, zehn Geschichten erzählen sie sich, und zwar Tag für Tag. Diesem fiktiven Arrangement entspringen die 100 legendären, teils sehr eindeutig zweideutigen Novellen des Dekameron: Sie handeln von Bauern und Königen, von Jungfrauen und Bösewichten, von Freundschaften, Geschäften, Intrigen … und Techtelmechteln. Giovanni Boccaccio, ihr Autor und Sammler, kam heute vor 708 Jahren zur Welt.

[] Faulpelz, der

umgangssprachlich träger, fauler Mensch

Menschen sind verschieden: Die einen lieben den Alltagstrubel, können gar nicht aktiv genug sein, die anderen wünschen sich stets die Füße hoch. Wahrscheinlich stecken in jedem von uns sowohl Macher als auch Faulpelz. Dies gilt jedoch nicht für fleißige Etymologen: Die haben den Faulpelz nämlich bereits für das 13. Jh. belegen können. Damals benannte man damit in der Schweiz interessanterweise keine in warme, weiche Felle gehüllten, gemütlich ruhenden Müßiggänger, sondern Menschen, die vor Trägheit bereits eine Schimmelschicht, einen Pelz angelegt haben. Wird man, dann und wann Faulpelz seiend, dieses Bild je wieder vergessen können?

[] Irrwisch, der

Irrlicht; lebhafter, unruhiger Mensch

Der Irrwisch gehört zu den etymologisch rätselhaften Fällen, beschreibt das Wort doch einerseits den „unruhigen, sprunghaften Menschen“, steht andererseits in seiner ursprünglichen Bedeutung auch für das „Irrlicht“. Was aber hat das „-wisch“ mit dem „-licht“ gemeinsam? Der Lexikograph Adelung vermutete, in Irrwisch habe „dieses Wort [Wisch] noch seine erste onomatopöietische[sic!] Bedeutung, von der leichten und zischenden Bewegung“. Tatsächlich war der „Wisch“ aber (zugrunde liegt möglicherweise germanisch *wiska) ein aus Stroh (oder biegsamen Ruten) gedrehtes Büschel, das als Flurzeichen und dann auch als Fackel Verwendung fand.

[] Augenweide, die

etwas oder jmd., bei dessen Anblick man Wohlgefallen, Freude, Vergnügen empfindet

Die Minne zwischen Kriemhild und Siegfried war bereits entbrannt, jedoch: So mancher Jüngling warf immer noch ein hoffnungsvolles Auge auf die edle Dame – und zwar ganz wörtlich: „si was da zougenweide / vil manigem rechen geborn“ (≈ Sie galt vielen Recken als unvergleichliche Augenweide). Glich die Geliebte im Nibelungenlied wohl einer blühenden Wiese, an der man sich nicht sattsehen konnte? Ja und nein: Tatsächlich steckt im mittelhochdeutschen „weide“ nicht nur der Ort, an dem sich Lebendiges labsalt, sondern auch die Labsal, die Speise selbst. Im Ausdruck „Augenweide“ (vergleichbar mit „Augenschmaus“) hat sich diese Bedeutung erhalten.

[] Goalie, der

besonders A, CH, gelegentlich D-Südost: vor dem Tor bzw. auf der Torlinie agierender Spieler, dessen Aufgabe es ist, das Spielgerät abzuwehren oder abzufangen; Synonym zu Torhüter, Torwart

Was den einen der Torwart ist, ist den anderen (besonders im deutschsprachigen Süden) der Goalie: Und für viele ist er der wichtigste Spieler auf dem Platz. Überraschenderweise war dieser jedoch nicht von Anfang an Teil der Mannschaft. Die englische Football Association führte erst 1871 die Spielposition des Torwarts ein. Damals noch frei nach dem Motto „der Erschöpfteste geht ins Tor“. Den hoch spezialisierten Anforderungen an den Mann (oder die Frau) im Goal wird das schon lange nicht mehr gerecht. Für das heutige zweite Spiel der Europameisterschaft wünschen wir den beiden antretenden Mannschaften, der Schweiz und Wales, viel Glück.

[] Anstoß, der

Fußball: Beginn eines Spieles; erster Stoß, Schuss durch einen Spieler

Heute Abend wird im römischen Stadio Olimpico die erste paneuropäische Fußball-Europameisterschaft in der Geschichte angepfiffen, ein Jahr später als geplant, aber immerhin vor 16.000 Zuschauern. Damit ist jeder vierte Platz im Stadion besetzt. Fans dürfen endlich wieder live mitfiebern, nach einem Jahr Pandemie eine fast utopische Vorstellung. Utopie steckt auch in der Idee des Paneuropäischen: Nicht ein einzelnes Land ist diesmal Gastgeber; die Ecken und Elfmeter werden vielmehr an elf verschiedenen Austragungsorten – zwischen Sevilla und Bukarest – geschossen. Die Botschaft: Europa hält zusammen. Im ersten Spiel treffen die Nationalmannschaften Italiens und der Türkei aufeinander.

[] Forschungseinrichtung, die

Institution, die sich der Untersuchung wissenschaftlicher Fragestellungen widmet

Der Name CERN wird in den Medien meist verknüpft mit dem 2008 in Betrieb gegangenen LHC („Large Hadron Collider“), dem mit über 26 km Umfang größten Teilchenbeschleuniger der Welt, an dem 2012 der sensationelle Nachweis des Higgs-Bosons gelang. Dabei blickt die „Europäische Organisation für Kernforschung“ („CERN“ = „Conseil européen pour la recherche nucléaire“, deren Gründungskomitee) mit 23 Mitgliedsstaaten und Sitz in der Schweiz auf eine lange Geschichte mit bahnbrechenden Erfolgen in der Grundlagenforschung zur Kernphysik zurück. Am heutigen Tag im Jahr 1955 wurde sie gegründet.

[] Bashing, das

abwertend: heftiger verbaler Angriff, herabwürdigende, unsachliche Kritik

Selten kam ein Herrscher im Urteil der Nachwelt so schlecht weg wie Kaiser Claudius Caesar Augustus Germanicus, den man heute vor allem unter seinem Beinamen Nero kennt. Als wahnhaftes, entartetes Monster, so beschrieben ihn missgünstige Historiker. Seine tatsächlich begangenen Untaten wie die Ermordung der Mutter schmückten sie phantasievoll aus oder dichteten wie im Fall der Brandstiftung Roms weitere hinzu. Auch wenn Nero im Lichte moderner Forschung etwas besser wegkommt, die historische Realität hinter dem Gestrüpp antiker Legenden und Halbwahrheiten lässt sich nur schwer rekonstruieren. Am 9. (oder 11.) Juni 68 erdolchte er sich mit Hilfe treuer Sklaven.

[] unvermutet, Adj.

unerwartet, plötzlich, nicht vorauszusehen

Dieses historisch zwar belegte, aber dennoch rätselhafte Ereignis traf Bischof Higbald von Lindisfarne und seine Brüder ganz und gar unvermutet. Indes – die etwa 100 Jahre später entstandene Angelsächsische Chronik beschreibt mehrere dunkle Omen, die die Schrecken des 8. Juni 793 bereits vorausdeuteten: Wirbelwinde, Feuerdrachen und eine Hungersnot kamen den wütenden Wikingern zuvor, die an jenem Sommertag auf der northumbrischen Insel an Land gingen, das Kloster plünderten, die Mönche verschleppten, versklavten oder töteten. Zwar war dieser Überfall auf Lindisfarne nicht wirklich der erste auf den britischen Inseln, dennoch markiert er den Beginn der Wikingerzeit.

[] Brezel, die

leichtes, weißes, oft süßes Gebäck, bei dem die beiden Enden einer dünnen Teigrolle so miteinander verschlungen sind, dass das Ganze an eine Acht erinnert

Kann ein kunstvoll geformtes, schmackhaftes Gebäck etwas mit brachialer Gewalt gemein haben? Nichts natürlich, außer die Wortherkunft. Während „brachial“ als „handgreiflich“ recht durchsichtig auf das lateinische Wort für „Arm“, „bracchium“, zurückgeht, hat die „Brezel“ einen verschlungenen Weg mit einigen Seitengassen (nämlich die oberdeutschen Nebenformen wie „Bretzel, Breze, Preze, Brezen“) hinter sich, die alle auf das gleiche Bild der verschränkten Arme zurückgehen. Am bekanntesten (und, mit Verlaub, leckersten) dürfte die dicke bayrische Laugenbrezn mit Salz sein.

[] rivalisieren, Vb.

mit jmdm., etw. um den Vorrang (auf einem bestimmten Gebiet, bei einer Person) kämpfen

Sie waren gleich alt, stammten beide aus Norditalien, hatten dort zeitgleich ihre Karrieren begonnen und in jungen Jahren erfolgreich kooperiert. Nun, etwa 1500 km von der Heimat entfernt, wurden sie zu „Rival Queens“ auf den Bühnen Londons. Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni, Sopranistinnen höchsten Rangs und auf einmal Parallel-Primadonnen, spalteten das Publikum: Fans der einen schmähten die andere. Am 6. Juni 1727 eskalierte die Situation: Bononcinis Astianatte musste abgebrochen werden, weil die Zuschauer das Stück geradezu „verzischten“. Entgegen der Legende wurden die Sängerinnen selbst aber nicht handgreiflich.

[] Zuckerbrot und Peitsche, Mehrwortausdruck

Wechsel aus Milde und Strenge; sowohl belohnende als auch bestrafende Maßnahmen, die ein bestimmtes Verhalten bewirken sollen

Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Für die Verwaltung seines Königreichs Sizilien benötigte der Staufer Friedrich II. hochgebildete Beamte – Personal, das im hochmittelalterlichen Europa dünn gesät war. So gründete er aus eigenem Antrieb und ohne päpstlichen Segen eine eigene staatliche Hochschule. Scholaren umgarnte er mit Vergünstigungen und verlockenden Karriereaussichten. Einen Haken hatte die Sache allerdings: Den Studenten war der Wechsel an eine andere Universität bei Strafe verboten. Am 5. Juni 1224 wurde (der Überlieferung nach) die Universität Neapel Federico II gegründet. Sie zählt heute zu den größten Hochschulen Italiens.

[] Impfung, die

Verabreichen oder Injizieren eines Impfstoffes, um Immunität gegen eine Krankheit zu erzeugen

Lady Mary Wortley Montagu (1689–1762) bewahrte im nördlichen Europa des 18. Jh. Unzählige vor den oft tödlichen oder entstellenden Pocken. Denn sie führte eine Methode ein, die sie im Mittelmeerraum kennengelernt hatte: In einen kleinen Hautschnitt wurde Lymphflüssigkeit eines Pockenkranken eingebracht, was eine Erkrankung mit deutlich milderem Verlauf auslöste. „To engraft“ (= aufpropfen) nannte Montagu das Verfahren, als Fachwort setzte sich das vornehmer klingende „inoculate“ (= (in)okulieren) durch. Beide Ausdrücke beziehen sich auf die Gehölzveredelung. Übersetzt ins Deutsche wurde daraus gleichbedeutend „impfen“.

[] Fahrrad fahren, Vb.

sich (im Straßenverkehr) mithilfe eines Fahrrads fortbewegen; Fahrrad fahren, um sich sportlich zu betätigen (auch als Ausdauersport auf stationären, multifunktionalen Geräten)

Im französischen „vélo“ hat er sich noch erhalten, der schnelle (lat. velox) Fuß (lat. pes), das „vélocipède“, verschaffte sich im Deutschen als „Veloziped“ zumindest kurzzeitig Raum. Die Bestrebungen des ausgehenden 19. Jh., Fremdwörter zu „verdeutschen“, führten aber schnell zur Findung sprachpuristischer Alternativen: Hermann Dunger brachte zunächst das „Reitrad“ hervor, durchsetzen konnte sich aber der Vorschlag des Deutschen Radfahrer-Bunds, dessen Mitglieder seit 1884 mit dem „Fahrrad“ die Welt erkunden. Die Schweizer blieben übrigens frankophil, sie fahren immer noch Velo. Heute ist Weltfahrradtag.

[] beschönigen, Vb.

etw. Negatives in einem besseren Licht erscheinen lassen

So viel Versöhnliches im Kriege sah man selten: Der Festungskommandant der niederländischen Stadt Breda übergibt – es ist der 2. Juni 1625 – mit demütiger Geste den Schlüssel der Stadt dem siegreichen spanischen Feldherrn Ambrosio Spínola. Der hat aus Respekt den Hut gezogen und legt dem Gegner tröstend die Hand auf die Schulter. In seinem berühmten Gemälde „Die Übergabe von Breda“ malt Diego Velázquez in propagandistischer Überhöhung das Bild eines vermeintlich zivilisierten, gezähmten, heroischen Krieges. Doch auch wenn Breda anders als Magdeburg der Zerstörung tatsächlich entging, mit der grausamen Realität des Dreißigjährigen Krieges hat die Darstellung wenig zu tun.

[] Videotext, der

Informationen (z. B. programmbezogene Mitteilungen, Nachrichten), die von Fernsehgeräten mit entsprechender Ausstattung auf Abruf auf dem Bildschirm dargestellt werden können

Nachrichten, Sportergebnisse, das Wetter von morgen – heute schaut man mal kurz im Internet nach. In uralten Zeiten (ante World Wide Web) konnte aber auch ein anderes Gerät jederzeit Auskunft geben: der Fernseher. Am 1. Juni 1980 begannen ARD und ZDF mit der bundesweiten Ausstrahlung des Videotextes. Systematisch auf die Seiten 100–899 verteilt, konnte jede Seite 25 Zeilen à 40 Zeichen in acht verschiedenen Farben darstellen. Der Videotext (oder auch Teletext) wurde zum unverwüstlichen Informationslieferanten: Trotz seines etwas archaisch anmutenden, pixeligen Charmes erfreut er sich heute immer noch großer Beliebtheit.

[] gigantisch, Adj.

riesenhaft, gewaltig

Titanen, Giganten, Olympier: Wenn es um Größe geht, muss oft die griechische Mythologie herhalten – im Fall der Titanic nicht ganz zu Unrecht. Das nebst seiner Schwester, der Olympic, zumindest für kurze Zeit größte Schiff der Welt war auch unübertroffen darin, was Investitionen in Sicherheit und modernen Komfort betraf. Der Stapellauf des gigantischen Dampfers, heute vor 110 Jahren, zog 100.000 Schaulustige an. Die vielen Superlative trugen sicherlich mit dazu bei, dass die Nachricht vom Untergang des als unsinkbar geltenden Schiffs ein internationales Echo fand, das bis heute nachhallt.

[] Mittel zum Zweck, Mehrwortausdruck

eine Sache oder Person, die (nur) als Werkzeug oder Methode gebraucht wird, um ein bestimmtes (eigennütziges) Ziel zu erreichen

Was am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen geschah, wurde als Mythos bald schon Mittel zum Zweck: Der pro-englische Bischof Pierre Cauchon ließ eine 19-jährige Frau öffentlich als Ketzerin verbrennen. Die Gerichtete: Jeanne d’Arc, Nationalheldin der Franzosen im Hundertjährigen Krieg. Als von Gott auserwählte, den fremden Besatzern mutig entgegentretende, patriotische und (stets betont) jungfräuliche Kriegerin wurde sie auch in den folgenden Jahrhunderten noch von vielen (teilweise oppositionellen) Parteien des politischen Spektrums instrumentalisiert. Seit 1920 ist sie eine Heilige und Schutzpatronin Frankreichs (sowie, man staune, der Telegrafie und des Rundfunks).

[] Pensum, das

in einer bestimmten Zeit zu erledigende Arbeit, Aufgabe; in einer bestimmten Zeit zu bewältigender Lehrstoff

Die Pendelwaage hat – man denke an Justitia – die Menschen zu allen Zeiten zum Denken angeregt. Entsprechend wurde das Wiegen sprachlich auch im übertragenen Sinn gebraucht: Im Lateinischen (wie im Deutschen) wurde aus „pendere“ (= (ab)wiegen) „pensare“ (= abwägen). Das darauf zurückgehende Substantiv „pensum“ bezogen die Römer zunächst auf die gewogene Rohwolle, die Sklaven zu verspinnen hatten, dann metonymisch auf das „Tagwerk, die Aufgabe“. In dieser Lesart führt ein barockes Wörterbuch das Wort schließlich ins Deutsche ein, definiert als „vorgegebene oder vorgenommene Lection oder ander Stück Arbeit, it. (= auch) was einem zu thun gebühret oder oblieget.“

[] mit vereinten Kräften, Mehrwortausdruck

in einer gemeinsamen (körperlichen, finanziellen, strategischen o. Ä.) Anstrengung; gemeinsam

Peter Benenson, The Observer, 28. Mai 1961: „Schlagen Sie an jedem beliebigen Tag die Zeitung auf: Sie werden einen Bericht über jemanden finden, der irgendwo in der Welt wegen seiner politischen Meinung oder seiner Religion inhaftiert, gefoltert oder hingerichtet wurde. (...) Leser fühlen lähmende Machtlosigkeit. Doch übersetzte man dieses Gefühl in vereintes Handeln, könnte sich etwas Großes bewegen.“ Diese vor 60 Jahren veröffentlichten Zeilen eines britischen Anwalts gelten als Gründungsmoment von Amnesty International. Tatsächlich hat sich Benensons Vision erfüllt: Heute kämpfen mehr als 10 Mio. Unterstützer weltweit für die Wahrung der Menschenrechte jedes Einzelnen.

[] Heidenrespekt, der

umgangssprachlich: sehr großer, meist mit Angst verbundener Respekt

Ausgerechnet beim Bau eines Hospizes stieß ein Arbeiter in Tournai am 27. Mai 1653 auf ein ganz besonderes Grab. Darin: reich verzierte Waffen, wertvoller Schmuck, antike Münzen und etwa 300 Bienen aus Gold. Ein Siegelring mit Inschrift ermöglichte es, das Grab eindeutig dem ersten historisch nachweisbaren Merowinger, König Childerich I. († um 482), zuzuordnen. Mehr als 300 Jahre nach dem Erstfund wurde bei weiteren Grabungen im Umfeld der Fundstelle ein erstaunliche 21 Tiere umfassendes Pferdeopfer entdeckt: Childerich war offenbar höchst respektiert und – der pagane Ritus legt es nahe – (noch) ein Heide. Sein Sohn ließ sich später taufen.

[] Silhouette, die

Umriss, äußere Grenzlinie; Umriss eines Gegenstandes, Körpers, der sich dunkel vom hellen Hintergrund abhebt; Schattenbild, Schattenriss

Das hätte sich der ob seiner Austeritätspolitik unbeliebte, nach wenigen Monaten entlassene französische Finanzminister Étienne de Silhouette (1709–1767) kaum träumen lassen: Sein verhasster Name wurde allgemein auf alles Nicht-zu-Ende-Gebrachte bezogen – darunter auch auf die nur Umrisse einer Person darstellenden Schattenbilder. Ausgerechnet diese, in der Freundschaftskultur des 19. Jahrhunderts hoch geschätzten Silhouetten entwickelten sich zur Kunstform. Silhouetteure, wie der am 26. Mai 1757 geborene Johann Friedrich Anthing, legten umfangreiche Sammlungen mit Schattenrissen bekannter Persönlichkeiten an.

[] Deadline, die

letzter (Ablieferungs-)‍Termin (für Zeitungsartikel); Redaktions-, Anzeigenschluss; äußerste Grenze, Linie, die (aus moralischen, wirtschaftlichen o. ä. Gründen) nicht überschritten werden darf

Heute, zum Towel Day, erinnern wir an Douglas Adams’ Philosophie der Deadline, mit der er seinen Fans und der Menschheit an sich ein wenig mehr Leichtigkeit des Seins verschaffte: „Ich liebe Deadlines“, sagte er, „ich mag das zischende Geräusch, das sie machen, wenn sie vorbeifliegen!“ Ursprünglich hatte die „dead line“ mit der Leichtigkeit des Seins nur wenig zu tun, ebenso mit Redaktionsschlüssen: Der Kommandant eines berüchtigten Gefängnisses in Georgia zog in den 1860er Jahren eine solche wahre „Todeslinie“ (im wörtlichen Sinne) um das von ihm bewachte Gebäude. Diese Deadline zu überschreiten hatte (existenzieller als bei einer heutigen) fatale Konsequenzen.

[] Pfingstmontag, der

Montag des Pfingstfestes, zweiter Pfingstfeiertag

Neben Weihnachten und Ostern ist Pfingsten eines der wichtigsten Feste des Christentums. Am Pfingstsonntag, dem 50. Tag nach der Auferstehung Jesu, feiern Gläubige die „Herabkunft des Heiligen Geistes“ – damit endet offiziell die Osterzeit. Was aber hat es mit dem Pfingstmontag auf sich? Tatsächlich ist der zweite Tag schlicht eine Verlängerung des Hochfestes, mit der seine Bedeutung für alle Christen untermauert wird. Er gilt entsprechend als „Tag der Ökumene“. Auch Nicht- und Andersgläubige haben etwas davon: Der Pfingstmontag ist ein durch das Grundgesetz geschützter „Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“.

[] Funke im Pulverfass, Mehrwortausdruck

Auslöser, der in einer angespannten Situation einen Konflikt, einen Krieg o. Ä. endgültig zum Ausbruch bringt; Ereignis, das vorhandene Unzufriedenheit in offenen Protest umschlagen lässt

Noch heute können Besucher des Prager Hradschins mit Schaudern das Fenster sehen, aus dem am 23. Mai 1618 die wütenden Vertreter der böhmischen Stände, welche sich „unangemeldet, gar keck und mit großer Importunität“ Zutritt verschafft hatten, zwei kaiserliche Statthalter nebst Sekretär in den 17 Meter tiefen Burggraben warfen. Zur großen Verblüffung aller Beteiligen überlebten die „Defenestrierten“. Die mit großer Wahrscheinlichkeit im Voraus geplante Aktion war eine demonstrative Kriegserklärung an den Kaiser in Wien – der berühmte Funke im Pulverfass, der die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges auslöste.

[] zwei Gesichter haben, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: zwei (völlig) verschiedene Erscheinungsbilder haben; zwei widersprüchliche Eigenschaften, Charakterzüge, Qualitäten aufweisen

Die zwei Gesichter des Arthur Conan Doyle faszinieren und irritieren Biographen bis heute: Einerseits erschuf er mit der Figur des Sherlock Holmes den Prototyp des kalten, nüchternen Denkers, der seine Fälle methodisch und mit trockener Logik löst. Andererseits hatte Doyle einen geradezu manischen Hang zum Okkulten: In Séancen versuchte er, Kontakt zu seinem verstorbenen Sohn aufzunehmen. Einem Geschwisterpaar, das mit dilettantisch manipulierten Fotografien die Existenz von Elfen beweisen wollten, verschaffte er eine landesweite Öffentlichkeit. Am 22. Mai 1859 wurde der Fan des Übersinnlichen in Edinburgh geboren.

[] Kupferstich, der

graphisches Blatt mit einem Abdruck von einer Kupferplatte, in die ein Bild oder eine Zeichnung eingeritzt ist

Am Tag nach dem gestern geschilderten Ereignis feierte Albrecht Dürer, der dieses so kunstvoll verewigt hatte, seinen 44. Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits erfolgreich selbstständig, betrieb eine Werkstatt in Nürnberg und widmete sich vorwiegend dem Kupferstich und dem Zeichnen von Vorlagen für Holzschnitte. Dürer hatte früh das Marktpotenzial dieser Techniken erkannt: Originalgrafiken ließen sich in großer Menge reproduzieren, preiswert, u. a. über den Buchhandel, absetzen und schnell weiträumig verbreiten. Seiner Hinwendung zu diesen Verfahren verdanken wir ihre technische Weiterentwicklung und ihre Manifestation als eigene Kunstform.

[] Imagination, die

Einbildung, (irrige) Vorstellung; (künstlerische) Einbildungskraft

Der schwergewichtige Vierbeiner, der am 20. Mai 1515 portugiesischen Boden betrat, war das erste in Europa sichtbare lebende Exemplar seiner Art seit mehr als 1000 Jahren. Als königliches Geschenk hatte es die erst kürzlich entdeckte Indien-Seeroute passiert und erregte nun auf dem ganzen Kontinent größtes Aufsehen. Der Nürnberger Albrecht Dürer sah seine Chance: Zwei Briefe und eine Skizze dienten ihm als Vorlage für einen der berühmtesten Holzschnitte der Geschichte. Sein „Rhinocerus“, mit „ein farb wie ein gespreckelte Schildtkrot“ und „von dicken Schalen vberlegt“ galt, trotz seiner imaginären Anatomie, jahrhundertelang als getreuliche Abbildung eines Panzernashorns.

[] hanebüchen, Adj.

salopp, abwertend: grob, unerhört

Die Hainbuche ist aus unseren Gartenanlagen, Parks und Vorgärten nicht wegzudenken: Akkurat zu geometrischen Formen gestutzt, formiert sie Hecken, Labyrinthe und Laubengänge. Sprachlich allerdings steht sie für das genaue Gegenteil: „hanebüchen“, ein Wort, das auf die ältere adjektivische Ableitung „hanbuchen“ (= aus Hainbuchenholz) zurückgeht. In früheren Zeiten dominierte die Hainbuche besonders in landwirtschaftlich intensiv genutzten Wäldern. Das häufige Abernten von Laub u. Ästen (Schneitelwirtschaft) bewirkte einen knorrigen, verwilderten, ungezähmt anmutenden Wuchs, der zur heutigen Bedeutung von „hanebüchen“ inspirierte.

[] Tölpel, der

abwertend: ungeschickter, unbeholfener, einfältiger Mensch

Was haben der Tölpel und der Bösewicht gemeinsam? Etymologisch einiges, beide haben ihren Ursprung nämlich in einer aus heutiger Sicht ganz und gar zweifelhaften sozialen Etikettierung, zumindest im europäischen Vergleich. Der deutsche Tölpel geht aus dem mittelhochdeutschen „törpel, dörpel“ bzw. „törper, dörper“ hervor, dem „auf dem Dorf lebenden, rohen, nicht höfisch gebildeten Menschen“, der über Umwege aus dem altfranz. („vilain“) zu uns kam (abgeleitet von mittellat. „villanus“ = „Bauer“). Jener zunächst ebenfalls schlicht „Rohe“ wurde mit der Zeit zum Schurken (frz., engl. „villain“, span. „villano“, port. „vilão“).

[] Hotspot, der

Geologie, Astronomie: besonders heißer Bereich des Erdmantels, an dem Magma aus dem Erdinneren aufsteigt und der sich deshalb häufig durch erhöhte vulkanische Aktivität auszeichnet

Dass Island ein vulkanischer Hotspot ist, zeigt sich gerade recht spektakulär in der seit März anhaltenden Eruption um das Fagradalsfjalls-Bergmassiv. Nicht immer sind es aber, wie hier, im Magma gelöste Gase, die zu einem Ausbruch führen: Am 17. Mai 1724 bahnte sich im Norden Islands eine Magmakammer den Weg zu einem Grundwasserreservoir. Das Zusammentreffen von Magma und Wasser verursachte eine spektakuläre phreatomagmatische Explosion, die einen Krater von 320 m Durchmesser hinterließ. Jener „Víti-Krater“, wörtlich Höllenkrater, erhielt seinen Namen, weil die Isländer damals glaubten, die Hölle öffne sich vor ihren Augen.

[] Schallplatte, die

runde Scheibe aus Kunststoff mit einer spiralförmigen Rille, die die akustische Aufzeichnung enthält

Ob „Walkman“, „Streaming“ oder „CD“, die Terminologie des Musikhörens ist englisch. Dass man hier so oft auf das angelsächsische Idiom zurückgreift, liegt daran, dass sich viele Entwicklungen und Erfindungen im englischsprachigen Raum ereigneten. Als der ebenso erfindungsreiche wie umtriebige Deutsche Emil Berliner 1887 ein – im Unterschied zum zehn Jahre zuvor patentierten Phonograph Edisons – massentaugliches Abspielgerät samt Tonträger vorstellte, geschah dies zwar auch in den USA, die Scheiben aus Hartgummi (später Schellack, noch später Vinyl) konnte er aber trotzdem in seiner Muttersprache treffend benennen: Schallplatte.

[] Madrigal, das

im 16. und 17. Jahrhundert: vier- oder mehrstimmiges weltliches Lied mit reichen tonmalerischen Klangeffekten

„L’oratione sia padrona del armonia e non serva.“ (Das Wort sei der Meister der Harmonie, nicht ihr Diener.) – Monteverdis berühmter Leitsatz markiert den Übergang von einer musikalischen Epoche zur nächsten: von der Renaissance, in der die Gleichwertigkeit aller Stimmen und die Harmonie im Mittelpunkt stehen, zum Barock, in dem man sich mehr und mehr dem Text, dem Affekt und seinem musikalischen Ausdruck zuwendet. Monteverdis neun Madrigalbücher machen diesen Wechsel (vom polyphonen zum monodischen Stil) so eindeutig erlebbar wie kaum eine andere Werksammlung. Am 15. Mai 1567 (sein Geburtsdatum ist nicht bekannt) wurde der Komponist in Cremona getauft.

[] Großkotz, der

salopp, abwertend: Prahler, Angeber

Die Selbstdarsteller und Angeber: Im (digitalen) Leben haben sie dann und wann Erfolg, der Wortschatz dagegen hält (und hielt) wenig Schmeichelhaftes bereit. Heute nennt man sie Poser, Wichtigtuer oder Profilneurotiker. Der alte Grimm kennt noch den Stiegelhüpfer, Fratzhans, Schwabbelhauer oder Eisenfresser. Wenige Bezeichnungen erscheinen allerdings so derbe wie „Großkotz“. Dabei ist die Anlehnung an das Sichübergeben nur volksetymologisch. Der Ursprung liegt in der jiddischen Bezeichnung „kozin“ für einen reichen Menschen. Nichtsdestotrotz steht auch im Jiddischen der „großkozen“ für den Großkotz.

[] dalli, Adverb

salopp: schnell

„Jetzt aber dalli!“ – Das Adverb „dalli“ steht besonders in der Reduplikation „dalli, dalli“ für die pure Ungeduld: „Spute dich gefälligst!“ Entlehnt wurde es aus dem polnischen „dalej“ (= vorwärts, weiter) und ist seit ungefähr 1800 im Deutschen geläufig. Dass man aus der eigentlich rüden Aufforderung auch Honig saugen konnte, bewies mit dem ihm eigenen Gespür für Sprache Hans Rosenthal. „Dalli Dalli“ brachte die Idee seiner Sendung, in der Prominentenpaare unter Zeitdruck Aufgaben lösen mussten, genial auf den Punkt. Heute vor 50 Jahren wurde sie erstmals ausgestrahlt.

[] adaptiv, Adj.

fähig, sich an Veränderungen der äußeren Bedingungen anzupassen; sich an Veränderungen anpassend

Man vermutete, dass das „grüne Land“ weit im Norden von vom Glauben abgefallenen Wikingern besiedelt war. Also stach der norwegische Pfarrer Hans Egede heute vor genau 300 Jahren in See, um dieses sagenhafte Grönland zu finden und zu missionieren. Tatsächlich begegneten ihm dort keine Nordmänner: Er traf Inuit, deren Sprache er lernte und für die er christliche Texte übersetzte – mit Talent zur Adaptation: Die Inuit buken nicht, also ließ er sie den Herrgott statt um „unser tägliches Brot“ um „unseren täglichen Seehund“ bitten. Kulturhistorisch eine nette Anekdote, jedoch: Viele Grönländer sehen in Egede heute vor allem einen Kolonialisten.

[] eine Schraube locker haben, Mehrwortausdruck

(anscheinend) nicht ganz bei Verstand sein, leicht verrückt sein; sich auffällig, eigenartig, nicht konform verhalten

Wer vor dem 11. Mai 1892 eine Schraube locker hatte, war nicht ganz verloren. Das an diesem Tag ausgestellte Patent des findigen Schweden Johan Petter Johansson machte es demjenigen von nun an aber viel leichter, jede beliebige lockere Schraube an beinahe jedem beliebigen Ort wieder zu fixieren – mit einem Werkzeug, das es in sich hatte: Der umgangssprachlich auch als „Engländer“ bezeichnete Schraubenschlüssel konnte mithilfe einer sogenannten Rändelschraube stufenlos verstellt und so für das Drehen aller vier-, sechs- oder achtkantigen Schraubenköpfe bzw. -muttern angepasst werden. Übrigens: Johansson war unermüdlich, mehr als 100 Patente gehen auf ihn zurück.

[] Spießbürger, der

abwertend: im Denken und Urteilen unselbstständiger, engstirniger, sich oft am Konventionellen orientierender Mensch, Spießer

Heute halten sich die Pflichten eines Stadtbürgers eher in Grenzen. In Mittelalter und früher Neuzeit war dies anders: Ob Brand- oder Feindbekämpfung – jeder musste mit anpacken: „EJner Bürgerschafft in jeder Festung/ gebühret zu vorderst ab/ daß sie sich mit guten Rüstungen/ Spiessen/ langen Rohrn (...) stättig gefaßt (= ausgerüstet) machen“, heißt es im Soldatenspiegel von 1605. Mit fortschreitender Militärtechnik hatte der Spieß allerdings ausgedient und bestenfalls repräsentative Bedeutung. Aus dem einstmals geachteten Spießbürger wurde der ob seiner Rückständigkeit und Biederkeit verachtete Kleinbürger, der Spießer eben.

[] Widerstand, der

das Sichentgegenstellen, Sichwidersetzen, die Gegenwehr; Widerstandsbewegung

„Sag nicht, es ist für's Vaterland!“ Sophie Scholl kann sich mit dem Gedanken an Krieg und die damit einhergehende Lebensgefahr, in die sich Mensch und Mensch tagtäglich bringen müssen, nicht abfinden. Ihr humanistisch geprägtes Weltbild, ihr Glaube an Freiheit, an Gerechtigkeit und den Wert jedes Einzelnen drängen sie ebenso in den Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime wie Berichte ihrer Soldatenfreunde von erschütternden, unfassbar unmenschlichen Kriegserlebnissen. Ihr eigener Krieg (gegen die NS-Diktatur) ist ein friedlicher. Ihre Waffen: Tinte, Papier und bemerkenswerte Zivilcourage. Heute vor genau 100 Jahren kam sie zur Welt.

[] Impfkampagne, die

zeitlich begrenzte, groß angelegte Aktion für die Impfung einer großen Zahl an Menschen oder Tieren

Im Augenblick nimmt das Impfen gegen COVID-19 immer mehr an Fahrt auf, doch viele Menschen sind noch skeptisch. Vielleicht hilft ein Blick in die Geschichte: Die Pocken sind heute nur noch den Älteren bekannt, dabei hatte das Virus die Menschheit über Jahrtausende gequält. Obwohl eine Impfung bereits seit 1766 (als erste überhaupt) bekannt war, dauerte es noch 200 Jahre, bis eine weltweite Impfpflicht eingeführt wurde. Die Kampagne war erfolgreich: 1975 trat der letzte Pockenfall außerhalb von Laboren auf, heute vor 41 Jahren konnten die Ausrottung der Pocken und somit das Ende der Impfungen ausgerufen werden.

[] Gleichheit, die

Zustand eines ausgewogenen Gleichgewichts, der Gerechtigkeit, des Gleichseins; (aufgrund bestimmter Maßnahmen oder Verhältnisse geschaffene) Übereinstimmung in der Lage von Personen oder der Beschaffenheit von etw.

„Mann, bist du fähig, gerecht zu sein? Eine Frau stellt dir diese Frage (...).“ Selbstbewusste erste Zeilen eines revolutionären Dokuments, das dem zum Manifest gewordenen Prinzip der „égalité“ (Gleichheit) mehr denn je zu entsprechen suchte und doch, so zumindest einige Historiker, über zwei Jahrhunderte kaum Beachtung fand. Olympe de Gouges „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ aus dem Jahre 1791 war eine Reaktion auf die zwei Jahre zuvor in Paris verabschiedete Menschenrechtserklärung, die ausschließlich dem „mündigen“ (entsprechend männlichen) Bürger galt. De Gouges hingegen propagierte die fundamentale rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau.

[] Hygiene, die

Wissenschaft bzw. Lehre von der Gesunderhaltung des Einzelnen und der Allgemeinheit, der Vorbeugung gegen Infektionen, andere Krankheiten und Gesundheitsschäden und der Schaffung eines der Gesundheit förderlichen Umfeldes

Was hält eine Bevölkerung gesund? Zwischen 1871 und 1881 betrug die statistische Lebenserwartung eines Neugeborenen in Deutschland nur 35,6 (Jungen) und 38,5 (Mädchen) Jahre. Seither wuchs das Bewusstsein dafür, wie sehr bessere Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Seuchenschutz und besonders die Aufklärung der Menschen zur Gesunderhaltung beitragen konnten. Sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung war die erste große Internationale Hygieneausstellung in Dresden. Sie öffnete am 6. Mai 1911 ihre Pforten, 5,2 Millionen Menschen besuchten die Ausstellung. Heute kann ein Neugeborenes im Schnitt 79 bzw. 83 Jahre alt werden.

[] weit vom Schuss, Mehrwortausdruck

weit entfernt von einem Brennpunkt, einer Gefahrenzone; sehr abgelegen, außerhalb vom Zentrum eines Geschehens

Nach St. Helena, der kleinen, 1850 km vor Angola gelegenen Atlantikinsel, verirren sich nur wenige Touristen. Und doch hat sie in der Weltgeschichte ihren festen Platz. War doch ihr berühmtester (wenn auch unfreiwilliger) Gast der gefürchtete, 1815 dorthin verbannte Napoleon Bonaparte. Hier, weitab vom Weltgeschehen, residierte der einstige Kaiser der Franzosen nur noch über einen Hofstaat en miniature – und verfiel, als er 1818 erfuhr, dass keine Chance auf Rückkehr bestand, in tiefe Depression. Napoleon starb am 5. Mai 1821 an Magenkrebs, möglicherweise auch an Langeweile. Dass er vergiftet worden sein soll, ist Legende.

[] Enzyklopädie, die

(gedrucktes, auf einem elektronischen Medium oder im Internet publiziertes) umfassendes Nachschlagewerk, in dem Begriffe aller (oder ausgewählter) Wissensgebiete in alphabetischer oder systematischer Ordnung dargestellt und erklärt werden

Als Friedrich Arnold Brockhaus 1796 mit zwei Partnern einen Importhandel für englische Manufakturwaren aufzog, hätte wohl niemand gedacht, dass sein Name einst fest mit dem Begriff Bildungsbürgertum verknüpft sein würde. Doch nachdem er 1805 auf das Verlagsgeschäft umgesattelt hatte (bei ihm erschien das Werk des damals noch unbekannten Schopenhauer), erwarb er 1808 die Rechte an einem noch unvollendeten „Conversationslexicon“, dessen Potential er erkannte und in der Folge nutzte. Geboren war die berühmte Brockhaus-Enzyklopädie. Brockhaus wurde am heutigen Tag im Jahr 1772 in Dortmund geboren.

[] der Rest ist Schweigen, Mehrwortausdruck

keine weiteren Informationen zu einem Thema; der weitere Tathergang bleibt unbekannt; über eine Niederlage, über Unangenehmes, Kompromittierendes wird nicht geredet

„He was not of an age, but for all time!“ (Er war kein Mensch seiner Zeit, sondern der Ewigkeit), so Ben Johnson im Vorwort zur First Folio, der ersten Gesamtausgabe der Dramen Shakespeares, die sechs Jahre nach dessen ungeklärtem Tod am 3. Mai 1616 (greg.) erschien. Tatsächlich lässt sich das Werk des Dichters wie kaum ein anderes aktualisieren: Die Kulissen seiner Stücke mögen historisch verortet sein, verhandelt wird aber stets das ewig Menschliche. Auch ewig Sprachliches ist auf Shakespeares Erfindergeist zurückzuführen: Mehr als 1700 im Englischen alltägliche Wörter und Wendungen werden ihm zugeschrieben. Einige haben es sogar ins Deutsche geschafft.

[] auf dem Kerbholz haben, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: eine, mehrere Straftaten begangen, etw. Unrechtes getan haben; einen, mehrere Einträge im Strafregister haben

Sein Name steht für die wohl erstaunlichste Resozialisierung des 19. Jahrhunderts. Als Karl May am 2. Mai 1874 nach vier Jahren Zuchthaus in die Freiheit entlassen wird, hat er eine langjährige Karriere als Kleinkrimineller und Hochstapler hinter sich. Er ist 32 Jahre alt und im wilhelminischen Deutschland ohne Chance auf ein geordnetes Leben. Und doch gelingt ihm mit viel Phantasie und einer ungeheuren Produktivität als Schriftsteller das Unmögliche. Kriminell wird er nie wieder. Die Vergangenheit holt ihn im Alter gleichwohl ein. Als die Öffentlichkeit von seinen „Jugendsünden“ erfährt, wird er als „geborener Verbrecher“ diffamiert.

[] Fehldruck, der

fehlerhafter Druck eines Buchs, einer Briefmarke, Banknote o. Ä. (als Rarität für Sammler von Bedeutung)

Es war ein folgenreicher „Zahlendreher“: Am 1. Mai, heute vor 170 Jahren, gab das Großherzogtum Baden erstmals Briefmarken heraus. Denkwürdig wurde das Ereignis aber wegen einer Panne: So war für Marken zu 9 Kreuzern rosafarbenes Papier vorgesehen. Ein Drucker las allerdings die 9 auf der Druckplatte als 6 und legte versehentlich die dafür vorgesehenen grünen Bogen ein. Einige der Fehldrucke gelangten in den Verkehr. Aus der grünen 9-Kreuzer-Marke (etwa im Wert von anderthalb Laib Brot) sollte die teuerste deutsche Briefmarke werden, die auf Auktionen zuletzt über 1,2 Millionen Euro erzielte.

[] Sandwich, das oder der

Zwischenmahlzeit aus typischerweise zwei mit Butter o. Ä. bestrichenen Scheiben (Kasten)‍weißbrot, die mit unterschiedlichen Zutaten wie Wurst, Käse, Ei, Salat o. Ä. belegt und zusammengeklappt werden

Eigentlich sah es nicht so aus, als wäre John Montagu, dem 4. Earl of Sandwich, ein ruhmreicher Abgang beschieden: Er war unbeliebt, galt als illoyal, spielsüchtig und der Korruption zugeneigt, was er im Rahmen seiner verschiedenen Ministerposten beharrlich unter Beweis stellte. Jedoch: Ein im wahrsten Sinne des Wortes legendärer Akt erhielt ihn und seinen Namen für immer der Nachwelt. Am Cribbage-Tisch soll er sich, vom Spielrausch besessen, über Tage hinweg von zwischen zwei Brotscheiben eingeklemmtem Rindfleisch ernährt haben. Die handliche Zwischenmahlzeit überzeugte, der Name Sandwich steht heute an jedem Kühlregal – und in jedem Wörterbuch.

[] warten, Vb.

an einem Ort, in einem Zustand, in einer Situation kürzere oder längere Zeit bleiben in der Annahme, im Hinblick darauf, dass etw. eintreten wird, was diese Situation ändert, beendet

Wenn von der ersten Jahrtausendwende an jemand auf der Warte wartend wartete, dann tat diese Person zwar drei verschiedene Dinge (auf einem Wehrturm stehen, mit einer Gefahr rechnen und ausharren), eigentlich aber war sie sprachlich gesehen nur mit einem beschäftigt: In ahd. „warten“ steckt nämlich ursprünglich das „Spähen“, das „Ausschauhalten“ und das „sich Sorgen“, die Warte wurde zu diesem Zweck errichtet. „Warten“ im Sinne von „ausharren“, erst seit etwa 1000 n. Chr. belegt, scheint daraus entstanden zu sein: Man richtete begehrende Blicke auf etwas, das man in Zukunft zu besitzen, zu erreichen hoffte – eine Geduldsprobe, die eine Bedeutungserweiterung auslöste. Heutzutage kann man regelmäßig gespannt auf diese Warte warten.

[] verschroben, Adj.

absonderlich, seltsam, schrullig, wunderlich

Lesen ist gefährlich. 1794 glaubte ein Theologe junge Leute vor der Lesesucht warnen zu müssen: „Wie mancher gute Kopf ist verloren, die schönen Anlagen verschroben ... der Werth des Jünglings ist dahin.“ Für Gemüts- oder Geisteszustände, die nicht mehr der Norm zu entsprechen scheinen, finden sich bildkräftige Partizipien. Wir sind „verstimmt“, „verstiegen“, „überspannt“. Woher aber kommt „verschroben“? Genau genommen wären wir eigentlich „verschraubt“. Doch im Niederdeutschen hat sich für das Verb „schrauben“ im Partizip die starke Flexionsform (mit entsprechendem Vokalwechsel) durchgesetzt, und diese wanderte im 18. Jh. in die hochdeutsche Literatursprache ein.

[] Nachruhm, der

Ruhm, den jmd., etw. bei der Nachwelt genießt

Anerkennung oder Bekanntheit erlangen manche Leute erst nach dem Tod. So auch Fernão de Magalhães, besser bekannt als Ferdinand Magellan. Der Portugiese in spanischen Diensten starb heute vor 500 Jahren beim Versuch der gewaltsamen Inbesitznahme der Philippinen. Seine Flotte war 1519 gestartet, um eine östliche Route zu den Gewürzinseln zu finden. Drei Jahre später erreichte sie – kläglich dezimiert – nach einer eigentlich unbeabsichtigten ersten historisch belegten Weltumseglung, den spanischen Heimathafen. Magellan – eher Geschäftsmann als Entdecker – gilt heute als ihr genialer Initiator. Bei seinen Zeitgenossen war er dagegen umstritten.

[] stoisch, Adj.

nicht aus der Ruhe zu bringen, beherrscht, ohne sichtliche Gefühlsreaktion; die Lehre der Stoa betreffend, auf ihr beruhend

Eine Pockenpandemie entvölkerte ganze Landstriche, Einfälle fremder Völker bedrohten das Reich: Die Regentschaft des römischen Kaisers Marc Aurel befand sich im ständigen Krisenmodus. Dem widrigen Schicksal wusste er einen nüchternen, von selbstloser Pflichterfüllung geprägten Regierungsstil entgegenzusetzen. Ein (später oft propagandistisch missbrauchtes) Ethos, der ihm in den Augen der Mit- und Nachwelt Respekt und Verehrung eintrug. Seine der Stoa verpflichteten „Selbstbetrachtungen“, die ihm als Richtschnur für sein Denken und Handeln dienten, zählen zur Weltliteratur. Der 26. April 121 ist sein Geburtstag.

[] Photosynthese, die

Aufbau organischer Verbindungen aus einfacheren Stoffen unter Mitwirkung von Licht

Bäume entziehen der Atmosphäre durch Photosynthese Kohlenstoffdioxid. Sie nutzen den Kohlenstoff zum Holzaufbau, geben den Sauerstoff aber wieder ab. Zersetzt sich das Holz nun oder wird es verbrannt, verbinden sich Kohlenstoff und Sauerstoff erneut zu CO₂. Wälder, vor allem große tropische, wirken also als wahre Kohlenstoffdioxid-Speicher und helfen als solche dabei, das Weltklima zu stabilisieren. Werden sie zerstört, bleibt weniger CO₂ gebunden. Die Folge: zunehmende Erderwärmung. Am heutigen Tag des Baumes, der seit 69 Jahren in Deutschland am 25. April begangen wird, soll an die Schutzwürdigkeit von Bäumen und Wäldern erinnert werden.

[] meistern, Vb.

etwas gut bewältigen, einer Sache Herr werden, etwas meisterhaft beherrschen

Der Meister meistert im Deutschen bereits seit dem frühen Mittelalter, die deutsche Betonung des ursprünglichen lateinischen Lehnworts „mágister“ (Vorsteher, Leiter, Lehrmeister, Lehrer) führte zum Verlust des inneren g, die Form „maistar“, „meistar“ entstand alternativ und wurde semantisch aufgefächert, bezeichnete nun u. a. auch den Baumeister und den Künstler. Interessanterweise lässt sich bereits um 1000 n. Chr. die feminine Form „Meisterin“ (ahd. meistarinna) nachweisen: Die Wortgeschichte gibt also preis, dass sich Frauen zumindest in einigen Bereichen schon im Mittelalter beruflich vorkämpfen konnten.

[] Revolution, die

grundlegende Veränderung, tiefgreifender Wandel bestehender Verhältnisse auf dem Gebiet der Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Kultur, Moral, des Denkens o. Ä., besonders durch Einführung von etwas Neuem

Die Erfindung des Buches ist ein Geschenk der Antike an die Menschheit: Die vermeintlich simple Idee, einen flexiblen Beschreibstoff zu falten, in Lagen miteinander zu verbinden und durch einen Einband zu schützen, war revolutionär. Nie zuvor gab es einen Informationsspeicher, der vergleichbar große Mengen an Daten vorhalten konnte, der (anders als die Schriftrolle) einen direkten Zugriff auf jede Informationseinheit bot und (anders als die Tontafel) leicht transportabel war. Das Buch hat die Religionen, die Wissenschaft, ja die Menschheitsgeschichte geprägt wie kein anderes Medium. Heute ist der Welttag des Buches.

[] Menschenkind, das

vertraulich: Mensch

Er gilt als einer der bedeutendsten englischen Romane überhaupt: „Tom Jones – Die Geschichte eines Findelkindes“ entstand (und spielt) im mittleren 18. Jh. und liest sich als humanistisch-humoristischer Kommentar auf Politik und Gesellschaft seiner Zeit. Im Zentrum steht die Titelfigur Tom Jones, ein freundlicher Wildfang, dessen nonkonforme Zeugung und Geburt einem nonkonformen, dennoch von Allzumenschlichem geprägten Lebensweg vorausgehen. Begleitet werden Protagonist und Leser von einem höchst präsenten Erzähler, dessen polemisch-ironische Zunge dem Roman seinen besonderen Reiz verleihen. Sein Autor, Henry Fielding, kam am 22. April 1707 zur Welt.

[] Wolfskind, das

Kind, das während seiner frühen Entwicklungsphase ohne Kontakt zu anderen Menschen aufwuchs, in der Wildnis von Wölfen und anderen Tieren aufgezogen wurde und deshalb ein von der Norm menschlichen Zusammenlebens abweichendes Sozialverhalten und kognitives Leistungsvermögen aufweist

Ihre Zeugung: erzwungen und stürmisch. Ihre Geburt: begleitet von Intrige, gefolgt von Aussetzung. Die fürstlichen Zwillinge hatten einen schweren Start. Jedoch: Rettung kam von unerwarteter Seite. Eine Wölfin erkannte die Not der hilflosen Säuglinge, adoptierte und nährte sie – so die Legende. Den Wolfskindern Romulus und Remus gelang später die Rache am intriganten Amulius. Zur Belohnung durften sie eine Stadt gründen, gerieten jedoch über die Namensgebung in Streit. Am Ende erschlug Romulus seinen Bruder und wurde zum Urvater der heutigen Hauptstadt Italiens. Ihr Gründungsdatum legten römische Gelehrte auf den 21. April 753 v. Chr. fest.

[] Traumziel, das

Ziel, das jmd. sich erträumt, wohin es jmdn. zieht, Sehnsuchtsort; sehnlichst angestrebtes, erwünschtes Ziel

Für den jungen in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsenen Franzosen René Caillié (*1799) war Lesen, besonders von Reiseberichten, weit mehr als Flucht aus trostlosen Lebensverhältnissen: Sein Sehnsuchtsort war Timbuktu, jene sagenumwobene Stadt in Mali, von der kein Europäer je lebend zurückgekehrt war. Dass Caillié dieses Ziel als Forschungsreisender unter größten Gefahren am Ende schließlich erreichte, zeugt von Entschlossenheit und unbedingter Hingabe. Timbuktu selbst war eine Enttäuschung. Die Stadt hatte, als René Caillié sie am 20. April 1828 erreichte, ihre goldenen Zeiten längst hinter sich.

[] Meeresleuchten, das

nächtliches Leuchten des Meerwassers, das durch Phosphoreszieren kleiner Lebewesen hervorgerufen wird

Es ist ein seltenes und seltsames Phänomen, das nächtliche Leuchten des Meeres: Blau und grün schimmert das Wasser auf Wellenkämmen, jeder Schritt, jeder geworfene Stein entfacht ein Feuerwerk, die sonst schwarze See scheint Saphire zu verschenken. Vor etwa 190 Jahren bewies der Humboldtfreund und Begründer der Mikrobiologie Christian Gottfried Ehrenberg, dass in Momenten wie diesen nicht das Wasser selbst leuchtet, sondern darin lebende Mikroorganismen, die bei Berührung abwehrende Lichtsignale aussenden. Ehrenbergs Nachkommen erforschen dieses faszinierende Phänomen noch in der Gegenwart. Er selbst feierte heute seinen 226. Geburtstag.

[] aufrecht, Adj.

hochgerichtet, gerade

Einer der bedeutendsten Dickschädel der Menschheitsgeschichte erblickte am 18. April 1947 (zum zweiten Mal) das Licht der Welt. Der Name des Individuums: Mrs. Ples. Ihr gelang es seither, mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten. Unter anderem deshalb, weil Frau Plesianthropus (die möglicherweise doch ein Mann war), bereits vor mehr als 2 Mio. Jahren verstorben ist. Ihr Schädel wird als der vollständigste je gefundene eines Australopithecus africanus bewertet. In der Nähe ausgegrabene Hüft- und Oberschenkelknochen, möglicherweise ihre, belegten das bis dahin Ungeglaubte: Ihre Art beherrschte, trotz des geringen Gehirnvolumens, bereits den aufrechten Gang.

[] Bazooka, die

tragbares Gerät zum Abschießen von Raketen kleinen Kalibers, das meist von zwei Personen bedient wird und hauptsächlich der Panzerabwehr dient; bildlich, übertrieben: (finanzpolitische) Maßnahme, die unter erheblichem Mitteleinsatz einen messbaren Effekt erzielen, eine (Finanz- oder Wirtschafts-)Krise abwenden soll

Ob „Papiertaschentuch“ oder „Lippenfettstift“ – im Alltag verwenden wir für diese Begriffe meist gewisse Markennamen, die sich als Gattungsnamen durchgesetzt haben. Einen ähnlich „durchschlagenden“ Erfolg hatte die 1942 in den USA eingeführte, leicht zu bedienende Panzerabwehrhandwaffe „Bazooka“, so benannt nach der äußeren Ähnlichkeit mit einem weit weniger bekannten Blechblasinstrument. In Deutschland kennt man sie als „Panzerfaust“ (übrigens ebenfalls ein Markenname). Seit der Finanzkrise trat eine friedlichere Bedeutung hinzu: Wenn heute Finanzminister die Bazooka auspacken, reißen sie schlimmstenfalls Löcher in die Staatshaushalte.

[] polyglott, Adjektiv

viele Sprachen sprechend

Sir Peter Ustinov war Weltbürger durch und durch: Der Brite russischer, französischer, deutscher, schweizerischer, italienischer und äthiopischer Herkunft beherrschte schon als Kind viele Sprachen. So wie er zwischen Idiomen wechseln konnte, so mühelos tauschte er im späteren Leben die Rollen: Als Hollywoodstar gab er den Nero, als Sonderbotschafter der UNESCO engagierte er sich für Kinder und kämpfte als Aphoristiker für die Komik. Auf die Frage, was für ihn die Hölle ausmache, meinte er: „italienische Pünktlichkeit, deutscher Humor und englischer Wein“. Heute vor 100 Jahren wurde das Multitalent geboren.

[] frivol, Adj.

Vernunft und Gewissen verletzend, leichtfertig; Sitte und Moral verletzend

„Ach, was muss man oft von bösen / Kindern hören oder lesen!“ Besonders oft von den beiden bösen Buben Max und Moritz, denn ihre Übeltaten füllen eins der meistverkauften und -übersetzten Kinderbücher aller Zeiten. An der satirischen Bildergeschichte schieden sich nach ihrer Veröffentlichung vor knapp 150 Jahren aber zunächst die Geister: Zwar schoss die Auflagenzahl bald in die Höhe, Pädagogen kritisierten die Geschichte jedoch als frivol und jugendgefährdend. Die steirische Schulbehörde verbot sogar noch um 1930 ihren Verkauf an Jugendliche unter 18 Jahren. Ihr Schöpfer Wilhelm Busch kam am 15. April 1832 zur Welt.

[] Jalousie, die

Schutz des Fensters, der aus schmalen, dünnen Holzbrettchen besteht, die an den Seiten durch Schnüre miteinander verbunden sind und dadurch verstellt, hochgezogen oder heruntergelassen werden können

Die Nonchalance, mit der Sprachpuristen bei ihren Fremdwortverdeutschungen über Bedeutungsdifferenzierungen hinweggehen, tritt selten so unverblümt zutage, wie bei dem, was Eduard Engel (1851–1938) in seinem „Entwelschungs“-Wörterbuch über die Jalousie schrieb: „Man hatte schon im 17. u. 18. J. Fensterläden in Deutschland (...); das Suchen nach genaueren Bezeichnungen ist müßig (...) Oder ist J[alousie] etwa ‚genauer‘ als Laden?“ Heute vor 209 Jahren reichte der Pariser Tischler Cochot das Patent für die Jalousie mit verstellbaren Lamellen ein. Und, ja: Die Bezeichnung ist tatsächlich präziser als „Laden“.

[] unerhört, Adj.

(abwertend) empörend, schändlich, unverschämt; noch nie dagewesen, einmalig in seiner Besonderheit; (übertrieben) ungeheuer, gewaltig, groß, unglaublich

Er gilt als Avantgardist. Sowohl das Hör- als auch das Musiziererlebnis seiner „Messe de Nostre Dame“ muss die Gläubigen seinerzeit zugleich schockiert und entzückt haben: Rhythmisch höchst komplex, vierstimmig, oft dissonant und als Zyklus komponiert war diese Messe – in allen Wortsinnen – unerhört. Die Kirche war nicht begeistert, Papst Johannes XXII. hatte Werke dieser Art (Ars Nova) in einer Bulle sogar verboten. Das Enfant terrible: Guillaume de Machaut, französischer Musiker, Dichter und Domherr in Reims. Er starb in ungewöhnlich hohem Alter am 13. April 1377, der Legende nach soll das Meisterwerk bei einer Totenmesse für ihn aufgeführt worden sein.

[] Seife, die

aus Alkalisalzen höherer Fettsäuren bestehender Stoff, der in fester, flüssiger oder pastenartiger Form besonders zur Körperpflege und für die Reinigung von Textilien verwendet wird

Die Seife ist momentan (hoffentlich) in aller Hände. Bei den Germanen allerdings ging es mit ihr um Haut und Haare: Plinius zufolge wurde Seife aus Talg, Asche und Pflanzensäften nämlich weniger zur Körperpflege als zum rituellen Rotfärben des Schopfes vor Kampfhandlungen eingesetzt. Ägypter und Sumerer nutzten Seife als Heilmittel auf Wunden. Erst die Römer entdeckten ihre reinigende Wirkung. Die Bezeichnung „sapo“ für jene Naturkosmetik haben sie aber (vermutlich) aus dem Norden mitgenommen: Das Wort gilt als lateinischer Germanismus. Seife in ihrer heutigen, wohlriechenden Form verdanken wir übrigens den Arabern des 7. Jh.

[] tote Hose, die

umgangssprachlich: Mangel an Aktivität, Abwechslung oder Unterhaltung; nichts (mehr) los

Am 11. April 1954 war tote Hose, weltweit. Naja, nicht ganz: Immerhin wird in Kassel eine Schmalspurbahn stillgelegt, ein amerikanischer Wrestler kommt zur Welt, am Broadway feiert ein Musical Premiere. Diese nennenswerten Ereignisse eingerechnet identifizierte das Computerprogramm „True Knowledge“ des Briten William Tunstall-Pedoe 2010 auf der Basis von 300 Fakten und mithilfe komplexer Algorithmen jenen 11. April als den langweiligsten Tag des 20. Jahrhunderts. Eisenbahnfans, Kampfsportenthusiasten und Freunde des schmissigen Bühnenhits sehen das sicher anders.

[] Geschwister, das

Kinder derselben Eltern; Geschwisterteil

Heute ist Tag der Geschwister. Auch wenn es immer mehr Leute gibt, die aufgrund von Ein-Kind-Familien diese Erfahrung nicht machen, so war es bis vor Kurzem so üblich wie prägend, mit anderen Kindern derselben Eltern zusammen aufzuwachsen. So spannend wie diese Erfahrung ist auch die Herkunft des Wortes: Die Kollektivbildung nach dem Muster „Berg → Gebirge“ (= Gesamtheit der Berge) bezeichnete ursprünglich nur die anderen Schwestern (es gab ja auch die „Gebrüder“), seit der Neuzeit aber alle Geschlechter.

[] scharwenzeln, Vb.

umgangssprachlich, abwertend: sich übereifrig, unterwürfig um jmdn. bemühen, liebedienern

Wären Wörter Puppen und wären Umdeutungen und volksetymologische Umgestaltungen Nadel und Faden, dann wäre wohl kaum eine Wortpuppe derart zusammengestückelt wie „scharwenzeln“ (auch: „scharwänzeln“, „scherwenzeln“). Denn: Darin steckt die Form der tschechische Bezeichnung für den Herzbuben (červenc), der (immerhin auch) tschechische Name „Wenzel“, die Bedeutung von deutsch „schwänzeln“ und landschaftlich lässt französisch „cher“ (lieb) seinen Gruß ausrichten. So wird aus dem harmlosen Spielen der Karten der abwertende Name für allzu dienstbeflissenes Umschmeicheln.

[] Färöisch, das

auf der Inselgruppe der Färöer beheimatete Sprache aus dem nordgermanischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Trotz ihrer nur etwa 50.000 Einwohner konnte sich bedingt durch die besondere geografische Situation der Färöer eine höchst diverse Dialektlandschaft entwickeln. Frühe Versuche, die Dialekte in einer gemeinsamen Schriftsprache zu vereinen, scheiterten. Erst die Bemühungen des Theologen und Philologen Venceslaus Ulricus Hammershaimbs konnten sowohl die Fachwelt als auch die Färinger überzeugen: Eine auf etymologischen Prinzipien beruhende und an das Altnordische angelehnte Schriftsprache sollte nicht nur für die Färinger, sondern auch für Sprecher verwandter Sprachen leichter verständlich sein. Der Sprachpionier verstarb am 8. April 1909.

[] blauer Brief, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: förmliches Schreiben, das eine Mahnung oder Information über drohende Maßnahmen enthält

Lump, Haderlump, Fötzel, Lappen: Die Eigenart des Deutschen, verachtete Charaktere mit der Bezeichnung für Stoffabfälle, also etwas vermeintlich Wertlosem, zu bezeichnen, mutet seltsam an. Denn eigentlich spielten Textilreste bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle, bildeten sie doch den begehrten Rohstoff für die Papierherstellung. Waren allerdings zu viel Militäruniformen unter den Lumpen, färbte sich das Papier blau. Diese wenig attraktive und daher billigere Variante fand daher besonders in Amtsstuben Verwendung und wurde oft in Form der sprichwörtlichen blauen Briefe verschickt.

[] vergöttern, Vb.

jemanden abgöttisch lieben, schwärmerisch verehren, bewundern

Ob diese Begegnung Fiktion ist oder Wirklichkeit, wird die Geschichte wohl nie preisgeben. Es spielt auch keine Rolle, denn die (literarische) Bedeutung eben jener Begegnung ist eine absolut reale: Am 6. April des Jahres 1327 traf der italienische Dichter Francesco Petrarca in der Kirche der heiligen Klara zu Avignon erstmals die junge Laura (möglicherweise Laura de Sade), die sich zum femininen Idealbild und zur Projektionsfigur eines der erfolg- und einflussreichsten Gedichtzyklen aller Zeiten entwickeln sollte. Petrarcas „Canzoniere“ beeinflusste zahlreiche Poeten (Ronsard, Shakespeare, Schlegel etc.) von der Renaissance bis zur Moderne.

[] Ei des Kolumbus, das

verblüffend einfache und effektive Lösung für ein (vermeintlich) kompliziertes Problem

Als Kolumbus 1493 auf die Vorhaltung, die Entdeckung Amerikas sei nichts Besonderes (jeder hätte ja die Idee haben können, nach Westen zu segeln), die Zuhörer aufforderte, ein Ei senkrecht auf den Tisch zu stellen, was natürlich keinem gelang, schlug er das Ei so heftig auf die Tischplatte, dass es unten zerbrach und stand. So überliefert es uns Girolamo Benzonis „Historia del Mondo Nouvo“ (1565). Möglicherweise hat dieser jedoch bei Giorgio Vasari „geklaut“, der Gleiches über Brunelleschi berichtet. Dieser wollte mit dem „Eierbeweis“ allerdings die Statik der von ihm geplanten Kuppel des Mailänder Doms demonstrieren.

[] Osterfeuer, das

ein offenes Feuer, das am Karsamstag, vorzugsweise in der Nacht, im Freien entzündet wird

In vielen deutschsprachigen Regionen ist es Brauch, in der Osternacht aus Reisig, Grüngut (und dem ein oder anderen Restweihnachtsbaum) ein Feuer zu entfachen. Vermeintlich heidnischen Ursprungs war das Osterfeuer der Kirche zunächst unbekannt, wurde im Jahr 751 als unchristlich geächtet und verboten, dann schließlich zum Symbol für Jesus als Licht der Welt umgedeutet. Eine besonders spektakuläre Form dieses Brauchtums findet sich u. a. in Ostwestfalen. Ein bis zu 300 kg schweres, mit Stroh gefülltes brennendes Osterrad wird einen Hang hinuntergerollt, die eingeschlagene Bahn als Jahresomen ausgedeutet.

[] Pessach, das

im März oder April von den Juden gefeiertes achttägiges Fest, das an den Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten erinnert

Christliche Feiertage fielen, anders als das Manna, nicht vom Himmel, und so beruht unser Ostern auf dem jüdischen Pessachfest. An acht Tagen wird hier die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei gefeiert. Das hebräische „pesaḥ“ (aramäisch „pasḥa“, daher griechisch „páscha“ und unser „Passa(h)“) bedeutet „Auslassen“, denn als zehnte und entscheidende Plage Gottes, die den Auszug aus Ägypten ermöglichen sollte, suchte der Engel des Todes das Land heim und nahm jeden Erstgeborenen mit sich – ausgelassen wurden nur die mit einem bestimmten Blutmal markierten Häuser der Israeliten.

[] Stille, die

Zustand des Ungestörtseins, äußere, durch keinen Lärm gestörte Ruhe

Der Karfreitag ist in Deutschland ein stiller Tag: In vielen Bundesländern müssen – in „normalen“ Jahren – alle Nachtvögel ihrem Tanzbein 24 Stunden lang Ruhe gönnen, sportliche Wettkämpfe sind untersagt und Musik darf nur aufgeführt werden, wenn sie zum Anlass passt. Auch Cineasten müssen auf zu Tollkühnes verzichten: Filme mit dem Freigabezusatz NF (nicht feiertagsfrei) dürfen nur im eigenen Wohnzimmer laufen. Wenigstens in dieser Hinsicht macht es uns die COVID-19-Pandemie etwas leichter: Partys, Wettkämpfe und Kinobesuche sind tabu, der Tag in der Tat vergleichsweise still. Wir hoffen, nicht mehr allzu lange.

[] Humor, der

gelassene Heiterkeit, die den Menschen befähigt, in schweren Situationen eigene und fremde Schwächen zu belächeln und den Mut zu bewahren

Beim Humor zeigt sich die Etymologie von ihrer bestgelaunten Seite: Das Wort ist nämlich eine dreifache Entlehnung. Ursprünglich abgeleitet von lat. „ūmor“ (Feuchtigkeit) bezeichnet es in der antiken und mittelalterlichen Medizin die vermeintlichen vier Grundsäfte des Körpers, die die vier Temperamente bestimmen. Entsprechend wurde „Humor“ im Deutschen im Sinne von „Laune, Stimmung“ verwendet, während das englische „humour“ zunehmend für eine „heitere literarische Gattung“ stand. Ab etwa 1730 wurde dies als Lehnbedeutung ins Deutsche übernommen – die Endbetonung des Wortes jedoch stammt von den Franzosen („humeur“).

[] auftürmen, Vb.

etw. turmartig aufbauen; wie ein Turm aufragen

„(Er) spricht die Fantasie an, er ist etwas Unerwartetes, etwas Fantastisches, das unserer Kleinheit schmeichelt“, so die erstaunte Presse über das bei seiner Eröffnung am 31. März 1889 höchste Gebäude der Welt. Das Lob kam unerwartet, bereits vor Baubeginn hatte das Projekt nämlich energische Proteste ausgelöst: Künstler sahen in ihm eine Verkennung des „französischen Geschmacks“, ein Mathematiker hatte schon den Einsturz des schlicht zu schweren Konstrukts vorausberechnet, die „wirklich tragische Straßenlaterne“ (Léon Bloy), der Eiffelturm, wurde jedoch bald zum alles andere als tragischen, zum vielgeliebten Wahrzeichen der Stadt Paris.

[] für einen Apfel und ein Ei, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich: sehr preiswert; für einen äußerst geringen (nicht angemessenen) Geldbetrag

Aus Sicht der russischen Regierung war es eigentlich ein gutes Geschäft: Die russische Kolonie Alaska war weit entfernt, ihre überjagten Tierbestände versprachen keinen Profit mehr, gegen die verfeindeten Engländer ließ sie sich nicht verteidigen und in der Staatskasse herrschte nach dem Krimkrieg Ebbe. Als der Außenminister der damals noch befreundeten Vereinigten Staaten, William H. Seward, den Ankauf vorschlug, zierte sich der Zar nicht lange. Am 30. März 1867 einigte man sich auf einen Preis von 7,2 Millionen Dollar. Knapp 5 Dollar pro Quadratkilometer – aus heutiger Sicht ein echtes Schnäppchen.

[] Stau, der

durch Absperrung bewirkter Stillstand und das Ansteigen von etw. Fließendem, Strömendem, besonders von Wasser

An den Niagarafällen, wahrscheinlich den bekanntesten Wasserfällen der Welt, fällt der Ontariosee 57 m in die Tiefe. Die „American Falls“ haben eine Kantenlänge von 260 m, die „Horseshoe Falls“, durch die die Grenze zwischen den USA und Kanada verläuft, sogar eine von 670 m. Tagsüber stürzen an diesen mindestens 2832 m³/s Wasser in die Tiefe, unfassbare Mengen. Dennoch schaffte es in der Nacht des 29. März 1848 eine Eisscholle auf dem Eriesee, die Wassermassen für 30 bis 40 Stunden aufzuhalten: Für fast zwei Tage waren die Niagarafälle trockengelegt, Wasserräder hielten an, mehrere Mühlen und Fabriken mussten kurzzeitig die Produktion stoppen.

[] erpressen, Vb.

jmdn. durch Drohungen oder Gewalt zwingen, etw. herauszugeben

Die Wikinger – sie waren ausgekochte Geschäftsleute, skrupellose Krieger, dabei polyglott und hochmodern. Für die Klöster und Städte in Küstennähe waren sie eine ständige Bedrohung. Mit ihren Drachenbooten konnten sie aber auch über die Flüsse tief ins Binnenland vorstoßen. In der Osternacht am 28. März 845 mussten dies die Pariser leidvoll erfahren, als der Wikingerführer Reginheri mit wohl einigen Dutzend Schiffen vor der Stadt erschien. König Karl dem Kahlen blieb nichts anderes übrig, als zu zahlen, wollte er Schlimmeres verhüten. Mit über 2,5 Tonnen Silber sollen die Wikinger abgezogen sein.

[] vermaledeit, Adj.

verflucht, verwünscht

Eigentlich hatten die Mönche der Abtei Charroux, so die Legende, die Kreuzreliquie, ein Geschenk Karls des Großen, schlicht vor den Normannen retten wollen, als sie sie dem Grafen Vulgrin I. zur Aufbewahrung in Angoulême übergaben. Nun erhob sein Sohn Alduin I. den Holzsplitter zum siegbringenden Symbol im Kampf gegen die gerade in Aquitanien wütenden Wikinger – und rückte ihn nicht mehr heraus. Eine fatale Entscheidung: Ihn befiel ein Krankheitsfluch, seine Gefolgsleute verwandelten sich in menschenfressende „Wölfe“. Erst die demütige Rückgabe beendete die Vermaledeiung. Am 27. März 916 verstarb er dann (vergleichsweise) friedlich.

[] in weiser Voraussicht, Mehrwortausdruck

in der vorausschauenden und umsichtigen Annahme, dass etwas in Zukunft erforderlich sein wird

Was mittelalterliche Städte von neuzeitlich angelegten Planquartieren unterscheidet, sind die verwinkelten, engen Gassen, die von ungeregeltem Wachstum zeugen. Doch es gibt ein bemerkenswertes Gegenbeispiel: die unter Kaiser Karl IV. angelegte Prager Neustadt. Deren Konzeption verrät erstaunliche Weitsicht. Grundstücke, Straßenführung, Marktplätze, selbst Preise – alles wurde im Vorhinein geplant und festgelegt. Glanzstücke waren die außergewöhnlich breiten Straßen und der Rossmarkt (heute Wenzelsplatz), mit seinen 60 x 750 m bis heute der größte Stadtplatz Europas. Am 26. März 1348 legte Karl den Grundstein.

[] Broterwerb, der

Arbeit, die nicht aus innerer Neigung, sondern wegen der Verdienstmöglichkeiten ausgeführt wird

Das ätherisch anmutende Jugendbildnis Friedrichs von Hardenberg, alias Novalis, verleitet zur Vermutung, er sei nicht von dieser Welt, seine irdische Tätigkeit nur ein Brotberuf gewesen. Das Gegenteil ist der Fall: Hardenberg war leidenschaftlicher Geologe mit solider naturwissenschaftlicher Ausbildung. Als Salinenassessor betrieb er die Erschließung von Braunkohlelagerstätten (Kohle wurde für die Salzgewinnung benötigt) und er war an der geologischen Exploration Kursachsens beteiligt. Sein früher Tod am 25. März 1801 setzte nicht nur der Karriere des Romantikers, sondern auch der des Montanwissenschaftlers ein vorschnelles Ende.

[] bahnbrechend, Adj.

epochemachend, umwälzend

Was haben Madame de Pompadour, Franz Kafka und Nelson Mandela gemeinsam? Sie alle erkrankten an Tuberkulose. Weltweit infizieren sich immer noch etwa 10 Millionen Menschen pro Jahr mit dieser vor allem über Aerosole übertragenen Infektionskrankheit. Eine Gefahr für Leib und Leben wurde sie im zunehmend dichter besiedelten Europa bereits vor mehreren hundert Jahren. Noch im 19. Jh. fiel ihr im Deutschen Reich ein Siebtel der Bevölkerung zum Opfer. Die Rettung kam am 24. März 1882: Robert Koch verkündet die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers – dieser wurde endlich erforsch- und bekämpfbar. 1905 erhielt Koch dafür den Nobelpreis für Medizin.

[] okay, Adverb

jawohl; es ist recht; verstanden

Dieser englische Zweisilber ist ein Wort der Superlative: Er ist nicht nur in so viele Sprachen auf der Welt gelangt wie kein anderer (nur wenige widerstehen ihm wie die Griechen mit ihrem εντάξει, dt.: in Ordnung), es existieren auch viele verschiedene Schreibweisen – OK, O.K., Ok, ok, o.k. – und zahlreiche Erklärungsversuche über seine Herkunft. Während viele davon urbane Legenden sind, ist eine inzwischen weitgehend anerkannt: Der „okaye“ Ursprung liegt in einer dem damaligen Zeitgeist entsprechend scherzhaft-inkorrekten Abkürzung für „all correct“, die mit der Boston Morning Post vom 23. März 1839 ihren Siegeszug begann.

[] resilient, Adj.

fähig, Belastungen und negativen Einflüssen zu widerstehen und sich von negativen Ereignissen wie schweren Erkrankungen, Katastrophen, Schicksalsschlägen o. Ä. wieder zu erholen

„O Haupt voll Blut und Wunden“, „Geh aus mein Herz und suche Freud“, „Nun ruhen alle Wälder“: Als einer der wenigen Barockdichter hat der am 22. März (greg.) 1607 geborene Paul Gerhardt über Volks- und Kirchenlieder Eingang ins kollektive Bewusstsein gefunden. Das Trauma des Dreißigjährigen Krieges versuchte er durch radikale Hinwendung zu tiefer Frömmigkeit und eine emotional gefärbte Naturerfahrung zu heilen. Tatsächlich schlug seine Poesie (obwohl er dies selbst nicht beabsichtigte) Brücken, ist sie doch bei Katholiken wie Protestanten gleichermaßen beliebt.

[] Namensgeber, der

Person, Lebewesen oder Sache, die der Benennung von jmdm. oder etw. zugrunde liegt

Wurde die Blockflöte von Olaf Block erfunden? Der Kontrabass von Arcangelo Contra? Das Marimbaphon von Rita Marimba? Natürlich nicht, die Vorstellung scheint albern, jedoch: Tatsächlich trägt ein sehr wohlklingendes Solo- und Orchesterinstrument – es ist noch keine 200 Jahre alt – den Namen seines Erfinders: Am 21. März 1846 meldete der Belgier Adolph Sax in Frankreich ein neues Holzblasinstrument zum Patent an. Das Saxofon, klanglich in etwa zwischen Klarinette und Oboe, erlebte erst nach dem Tod seines Schöpfers, mit dem Aufkommen des Jazz im 20. Jh., seinen Siegeszug. Zum Einsatz kam und kommt es aber in allen möglichen Musikstilen.

[] Deus ex Machina, der

bildungssprachlich: unerwarteter, im richtigen Moment auftauchender Helfer in einer Notlage; überraschende, unerwartete Lösung einer Schwierigkeit

Schon die alten Griechen wussten: Der Mensch kann sich aus so manchem Schlamassel befreien, aber manchmal wird es zu viel, dann kann ihn nur die Hand Gottes noch retten. Üblicherweise erschien nicht nur die Hand, sondern der ganze Gott, in unterschiedlicher Form und Gestalt, von einem Kran angehoben über den Köpfen der tragisch Gebeutelten und brachte Ordnung ins Chaos – zumindest auf der Bühne: der Deus ex Machina, ein antiker Special Effect. Heute kommt er kaum noch zum Einsatz, der Ausdruck selbst aber hat sich bildungssprachlich gehalten: Er bezeichnet Helfer in der Not, z. B. wunderbare Kollegen, die einem immer wieder aus der Patsche helfen.

[] Linde, die

Laubbaum mit weit ausladender Krone, herzförmigen Blättern und gelblichen, süß duftenden, nektarreichen Blüten, der ein hohes Alter erreichen kann und gern zur Anlage von Alleen angepflanzt wird

„Under der linden“ ereignete sich in der höfischen Literatur gar manch verbotene Liebe, so im berühmten Minnelied Walthers. Eneas und Dido schmusen erstmals (so die Illustration der Berliner Handschrift) unter einem Lindenbaum, Tristan und Isoldes „Minnegrotte“ wird von Linden flankiert. Im Gegensatz dazu sorgte im Nibelungenlied ein Lindenblatt für Siegfrieds Verwundbarkeit, unter einem Lindenbaum wird er von Hagen getötet. Die Tilia ist in mittelalterlichen Texten höchst präsent und höchst symbolträchtig: Mit ihren herzförmigen Blättern und ihrem betörenden Duft machte sie, ganz natürlich, auf sich aufmerksam, wurde Treffpunkt, Schauplatz und Hüterin großer Geheimnisse.

[] Daumenkino, das

kleiner Block aus Zetteln mit Bildern, die beim raschen Aufblättern (mithilfe des über die seitliche Kante des Blocks geführten Daumens) einen Bewegungsablauf (wie beim Zeichentrickfilm) ergeben

Heute vor 153 Jahren meldete der britische Drucker John Barnes Linnet das Patent für das Daumenkino an. Man sollte meinen, im Computerzeitalter habe sich das Prinzip überlebt. Tatsächlich aber hat die schnelle Abfolge von Bildern, die beim Betrachter die Illusion einer Bewegung erzeugt und den Figuren auf dem Papier Leben einzuhauchen scheint, wenig von ihrer Faszination eingebüßt. Was sich nicht zuletzt auch an ihren digitalen Nachfolgern, den animierten Gifs, zeigt. Natürlich gibt es auf YouTube zahlreiche Anleitungen, wie man sich – ganz analog – ein Daumenkino selbst herstellen kann.

[] Sehnsucht, die

inniges, schmerzliches Verlangen, Herbeiwünschen

Gelbsucht, Wassersucht, Eifersucht: Verbindungen mit „-sucht“ verheißen selten Gutes. Denn Sucht –verwandt mit „siech“ – steht ursprünglich für Krankheit. Die „Sehnsucht“ aber, also das eigentlich krankhafte Sehnen, wurde schon früh in der galanten Poesie des Barock als schmerzliches Liebesverlangen aufgewertet: „So kan ich länger doch nicht schweigen / Mein hertze nimmt die sehnsucht ein / Es wil sich fast zum tode neigen / Und länger nicht mehr meine seyn.“ Seinen Charme hat sich das altertümliche Wort bis heute bewahrt, selbst im Englischen ist es unter der Bedeutung „wistful longing“ bekannt.

[] Grundriss, der

kurzgefasstes Lehrbuch über ein bestimmtes Gebiet

Man könnte ihn einen Universalgelehrten der Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft nennen: Kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert fasste Karl Brugmann, der von 1887 bis zu seinem Tod 1919 in Leipzig wirkte, das in hundert Jahren moderner europäischer Linguistik gesammelte Wissen über die indogermanischen Sprachen zusammen. Sein „Grundriß der vergleichenden Grammatik“ ist allerdings kein kurzgefasstes Lehrbuch, sondern ein Referenzwerk, das schon aufgrund seiner stupenden Materialfülle bis heute genutzt wird. Am 16. März 1849 kam er in Wiesbaden zur Welt.

[] Tücke, die

boshafte Handlung, hinterhältiger Anschlag

Es sind meist die Sieger, die Geschichte schreiben: Er habe sich in Notwehr verteidigt. Eine andere Entschuldigung lautet, er habe Verwandte gerächt. Tatsächlich handelte der gotische Heerführer Theoderich aus purer Heimtücke: Nach langen, verlustreichen Kämpfen hatte er 493 mit seinem Gegner Odoaker, dem faktischen Herrscher Roms, Frieden geschlossen und den einstigen Kriegsgegner zum Bankett eingeladen. Und Odoaker, der dem Eid Theoderichs vertraute, lief ahnungslos in die Falle. Als er am 15. März den Lauretum-Palast in Ravenna betrat, wurde er von Theoderich eigenhändig mit dem Schwert ermordet.

[] huckepack, Adv.

jemanden, etw. auf dem Rücken tragen

Die Lorscher Chronik enthält eine eigentümliche Sage: Eginhard, ein junger Gelehrter, und Emma, Tochter Karls des Großen, verabschieden sich nach einem nächtlichen Liebesabenteuer. Damit der Bursche im frisch gefallenen Schnee keine Spuren hinterlässt, entschließt sich Emma, ihn kurzerhand huckepack über den Hof zu tragen. Die beiden werden entdeckt, doch Karl lässt Milde walten und erlaubt ihre Heirat. Historische Belege für diese Mär gibt es so zwar keine, immerhin aber ist Eginhard (Einhard) eine reale Persönlichkeit: Der Hofbiograf verfasste mit der Vita Karoli Magni eine der meistüberlieferten Schriften des Mittelalters. Heute ist sein Todestag.

[] Arbeitseifer, der

ernstes Bemühen, seine Arbeit die Erwartungen übertreffend zu verrichten

Das Hoheitszeichen der Bundeswehr, die Inneneinrichtung vieler Schlösser, Porzellanvasen, Denkmäler und nicht zuletzt die vielen das Stadtbild Berlins prägenden Gebäude (Neue Wache, Altes Museum, Friedrichswerdersche Kirche und viele andere): Es gibt nur wenige öffentliche Bereiche, in denen sich Karl Friedrich Schinkel nicht verewigt hat. Das Arbeitspensum des preußischen Architekten, Baumeisters, Malers und Designers erscheint uns heute unglaublich. Vor 240 Jahren wurde er geboren.

[] Schnelltest, der

Prüfverfahren, das einen geringen Zeitaufwand erfordert und meist schon nach kurzer Zeit ein Ergebnis liefert

Tests zur schnellen Diagnose sind keine moderne Erfindung: Wohl über zwei Jahrtausende war das Uringlas ständiger Begleiter des Arztes, der anhand von Farbe, Konsistenz und Geschmack des Körpersafts auf Krankheiten schloss. Mit dem Aufkommen präziserer und unkomplizierter Analysemethoden konnten schließlich auch Patienten selbst ihre Gesundheit im Blick behalten. Und mit der Bedrohung durch Aids kam der Gedanke auf, dass Selbsttests, die ein schnelles Ergebnis liefern, auch dabei helfen könnten, eine Epidemie einzudämmen. Seit Beginn dieser Woche sollen die Mini-Labore dazu beitragen, dem Corona-Virus die Stirn zu bieten.

[] Tsunami, der oder die

überwiegend durch Seebeben oder heftige Winde ausgelöste, sich mit hoher Geschwindigkeit ausbreitende Welle, die sich in Küstennähe zu einer hohen Flutwelle auftürmt und in küstennahen Landstreifen starke Zerstörungen verursachen kann

Am 11. März 2011 um 14.46 Uhr Ortszeit bebte die Erde. Nichts Ungewöhnliches in diesem Teil der Welt – man lebt und baut entsprechend. Auf die Gewalt der Ereignisse heute vor 10 Jahren war man aber doch nicht vorbereitet: 9,1 Mw auf der Momenten-Magnituden-Skala maß das Tōhoku-Erdbeben, es gilt als das stärkste in Japan je aufgezeichnete. Der folgende Tsunami überflutete über 500 km² Küste, führte zu katastrophalen Unfällen in mehreren Atomkraftwerken und sorgte für unermessliche menschliche Verluste. In Otsuchi wurde eine Telefonzelle zum Trostspender für Angehörige: Mit dem darin befindlichen „Kaze no Denwa“, dem Windtelefon, können diese mit den Verstorbenen kommunizieren.

[] lange Leitung, Mehrwortausdruck

umgangssprachlich, abwertend: Begriffsstutzigkeit, Langsamkeit beim Denken

„Eine Schraube locker haben“, „unterbelichtet sein“, „etw. nicht auf dem Schirm haben“: Wenn kognitive Defizite mehr oder (meistens) weniger einfühlsam thematisiert werden, bedient man sich häufig technischer Metaphern. Auch die „lange Leitung“ aus den Anfangstagen des Telefonnetzes gehört dazu, waren doch schwächelnde Signale, abbrechende Kontakte bei Ferngesprächen die Regel. Die erste Leitung, mit der der Siegeszug des Fernsprechers begann, war allerdings kurz: Heute vor 145 Jahren bestellte Alexander Graham Bell seinen Assistenten erstmalig per Telefon zu sich. Er befand sich in einem Nebenzimmer.

[] verhohnepiepeln, Verb

jmdn. oder etw. durch höhnische, provozierende Übertreibung verspotten, ins Lächerliche ziehen; jmdn. auf den Arm nehmen, veralbern

Manche Wörter sprechen einfach durch ihren Klang für sich. „Verhohnepi(e)peln“ ist so ein Ausdruck, in dem der Spott schon mitschwingt. Denn neben dem „ver-“, wie in allen Wörtern dieses Feldes (vgl. „veralbern“), und dem amüsanten „piepeln“ scheint auch der „Hohn“ schon eingeflochten zu sein. Tatsächlich liegt dem Wort aber eine volksetymologische Umdeutung aus dem frühneuhochdeutschen „hohlhippe(l)n“ zugrunde, das mit Spott erst einmal nichts zu tun hat: Denn eine „hohle Hippe“ ist eigentlich eine eingerollte, hohle Waffel, wie sie von fahrenden Händlern verkauft wurde. Wie diese „Hohlhipper“ letztendlich zu Lästerern wurden, ist leider unklar.

[] erfinderisch, Adj.

um eine geschickte Lösung nie verlegen, einfallsreich

Die Not macht erfinderisch: „Wenn sich niemand sonst anschickt, eine Geschirrspülmaschine zu entwickeln, dann tu ich's eben selbst!“, so der Legende nach die Amerikanerin Josephine Cochrane, deren erstes kommerziell erfolgreiches Gerät bereits Ende des 19. Jh. jeden Privathaushalt hätte revolutionieren können – hätte nur jeder Zugang zu fließendem Warmwasser gehabt. Hotel- und Restaurantbesitzer waren immerhin begeistert von diesem Kessel, in dem in Drahtkörben aufgeschichtetes Geschirr durch Drehung gleichmäßig mit Lauge benetzt und so vor teurem Malheur geschützt gereinigt werden konnte. Die Erfinderin kam am 8. März 1839 zur Welt.

[] balbieren, Vb.

veraltend: jmdn. rasieren, jmdm. den Bart scheren

Das altertümlich anmutende Wort „Barbier“ (aus dem altfranzösischen „barbier“) erfreut sich unter dem Einfluss der Hipster-Kultur wieder zunehmender Beliebtheit. Im früheren Sprachgebrauch existierten neben volkssprachlichen Bezeichnungen wie „Bartputzer“ oder „Bartscherer“ auch die Variante mit l: „Balbierer“. Doch während diese unterging, blieb das entsprechende Verb „balbieren“ in der Bedeutung „betrügen, übervorteilen“ erhalten, aktuell fast nur noch in der Wendung „über den Löffel balbieren“. Gemeint war ursprünglich, dass der Barbier dem Kunden einen Löffel in den Mund schob, um eingefallene Wangen für die Rasur zu straffen.

[] Vokuhila, die oder der

Frisur mit kurzgeschnittenen, mitunter anrasierten Haaren am vorderen Teil des Kopfs und deutlich längeren Haaren am Hinterkopf

Vo-rne ku-rz, hi-nten la-ng: Vo-ku-hi-la, die Hit-Frisur der 1980er, erlebt derzeit ein ungeplantes Comeback. Denn wer im Dezember mit einer bereits in die Wochen gekommenen Kurzhaarfrisur in den Winter-Lockdown schlitterte, zeigt sich jetzt gezwungenermaßen nostalgisch – naja, nicht ganz, aber fast. Ein Glück, die Rettung naht! Immerhin ist man mit dieser Frisur in bester Gesellschaft: Einst schmückten sich auch David Bowie, Rudi Völler, Nena u. v. a. mit ihr. Ob die Pandemie wohl auch den Varianten „Vokuhila-Oliba“ (+ Oberlippenbart) und „Vokuhila-Mischna“ (+ mit Schnauzbart) eine Renaissance bescherte?

[] Perücke, die

künstlicher Haarersatz, Kappe mit echtem oder künstlichem Haar, die über den Kopf gezogen wird

Zur Ehren des französischen Kriegsschiffs „Belle Poule“ erschien im Jahre 1778 eine aufsehenerregende Frisur auf einem Versailler Hofball: ein Turm aus Haar, in Wellen gelegt, auf vielerlei Weise geölt, gepudert und beduftet, darauf reitend das Modell der siegreichen Fregatte, gewissermaßen eine hölzerne Perücke. Ein Triumph, so jubelte die unbekannte Trägerin in einem Brief, sei diese Coiffure gewesen ... wenn ihr beim Aufputzen auch allerlei Tierchen, fliegende und rennende, entflohen waren. Immerhin, die Königin selbst ließ sich nach ihr erkundigen.

[] mit Haut und Haaren, Mehrwortausdruck

bezogen auf den Menschen mit seiner ganzen Persönlichkeit: vollkommen, gänzlich; mit allem, was dazugehört

Wenn man jemanden piesackt, peinliche Fragen stellt oder einen Denkzettel verpasst, bedient man sich unbewusst mittelalterlicher Rechtsformeln: „piesacken“ hieß nämlich: mit dem Ochsenziemer auspeitschen. Die „peinlichen Fragen“ erfolgten unter der Folter und der „Denkzettel“ war die öffentlich angeschlagene Vorladung vor Gericht. Gleiches gilt für die wegen ihrer Alliteration beliebten Wendung „mit Haut und Haar“. Was heute harmlos im Sinne von „ganz und gar“ verwendet wird, war ursprünglich eine entehrende Leibstrafe: Wer „an Haut und Haar(en) bestraft“ wurde, der wurde ausgepeitscht und kahlgeschoren.

[] Friseursalon, der

Laden, in dem ein Friseur oder eine Friseurin den Kunden die Haare schneidet, frisiert

Fast immer, wenn Haut und Haar im Mittelpunkt stehen, dominiert (man denke an Façonschnitt, Ombré-Färbung, Cremes) noch das gallische Idiom. Indes hat so manche Entlehnung im Deutschen ihr Eigenleben entwickelt: Was man hierzulande als Friseursalon kennt, ist in Frankreich der „salon de coiffure“. Denn eigentlich war der Friseur, abgeleitet von „friser“ (= kräuseln), zu barocken Zeiten der Künstler extraordinaire, der mit Stäben und Scheren feine Löckchen in Barockperücken drehte und den Damen die Haare kunstvoll toupierte, während der gemeine Barbier gesellschaftlich auf der gleichen Stufe mit Henkern und Abdeckern stand.

[] Kurzweil, die

Zeitvertreib, angenehme Unterhaltung, Scherz

Von Kollegen wie Anton Webern und Arnold Schönberg wurde sein Werk – wohl als zu kurzweilig – geringgeschätzt, die Öffentlichkeit allerdings war hingerissen – nicht nur in Deutschland, wo Kurt Weills Karriere begann, auch an Orten des Exils, an denen er nach Hitlers Machtergreifung lebte und komponierte. Und zu Recht, seine Musik scheint ein Spiegel wechselnder Welten zu sein. „Darum kann Deutschland Weill als Deutschen, Frankreich ihn als Franzosen, Amerika ihn als Amerikaner und ich ihn als Schwarzen ausgeben“, so der Dichter und Librettist Langston Hughes, mit dem Weill in den 1940ern am Broadway zusammenarbeitete. Heute vor 121 Jahren kam der Komponist zur Welt.

[] schweben, Vb.

sich ohne festen Halt frei in dem umgebenden Medium halten; von einer bestimmten Stelle herabhängen

Sie gilt nicht nur als Wahrzeichen der Stadt, sondern auch als Paradebeispiel für Pioniergeist und Ingenieurwesen: Die Wuppertaler Schwebebahn, deren erstes Teilstück heute vor 120 Jahren eröffnet wurde. Dabei war ihr Konzept mehr aus der Not geboren: Das enge Tal der Wupper, um das sich die damals noch unabhängigen Städte Vohwinkel, Elberfeld und Barmen schmiegten, bot keinen Platz für eine traditionelle Eisenbahn, Hochbahnen waren damals auch noch nicht erprobt. Das „einschienige Hängebahn-System“ löste das Problem, indem es einfach auf 10 von 13 Kilometern über dem Fluss selbst fuhr (und heute noch fährt).

[] Silberblick, der

scherzhaft: leicht schielender Blick

Heute erinnert die Bezeichnung Silberblick an die eher traurige Tradition, körperliche Gebrechen mit charakterlichen Defiziten gleichzusetzen. Dabei bezog sich „Silberblick“ ursprünglich auf das Ausschmelzen von Silber aus Bleiglanz, wie Heinrich Samter im 19. Jh. anschaulich beschrieb: „Das letzte sich bildende Häutchen [aus Bleioxid] ist schon so dünn, daß die Oberfläche in allen Regenbogenfarben schillert und beim Zerreißen das weiße Silber durchblicken läßt, welchen Augenblick man den ‚Silberblick‘ ... nennt.“ In der Poesie stand Silberblick daher auch für den Hoffnungsschimmer, den magischen Augenblick.

[] der Rote Planet, Mehrwortausdruck

der Planet Mars (Die Bezeichnung referiert auf die dominierende Oberflächenfarbe des Planeten.)

Der Rote Planet hat stets auch fiktionale Phantasien befördert. Anlass genug, einmal an den Pionier der deutschen Science Fiction, Kurd Laßwitz (1848–1910), zu erinnern. Anders als H.G. Wells zeichnete er in seinem Roman „Auf zwei Planeten“ die Kultur der „Martianer“ als utopischen Gegenentwurf zu der von Kriegen und Ungerechtigkeit gebeutelten irdischen Zivilisation. Laßwitz war Optimist: Als reale Vorlage für den Romanhelden und Wanderer zwischen den Welten wählte er den befreundeten Pazifisten Adolf Schmidt, den ebenfalls ein planetares Friedensprojekt umtrieb: Er war Pionier der Weltsprache Esperanto.

[] Reliquie, die

von einem Heiligen oder Religionsstifter erhaltenes Überbleibsel, besonders von seinem Körper, seiner Kleidung oder seinen Gebrauchsgegenständen

Mit dem Kreuz Christi, das Helena (†330), die Mutter Konstantins des Großen, in Jerusalem „fand“, fing alles an. Ob nun Brosamen vom letzten Abendmahl, die Gebeine der Heiligen Drei Könige, Stroh von der Krippe Jesu: Ein Strom von Reliquien (sich wunderbarerweise vermehrend) flutete das mittelalterliche Europa – für viele ein lohnendes Geschäft. Dabei hatte Kaiser Theodosius bereits 386 den Reliquienhandel streng untersagt. Ein Verbot, das kirchenrechtlich bis heute Bestand hat. Gehalten hat sich daran kaum jemand. Übrigens: Die Schädelkalotte eben jener (nun ebenfalls heiligen) Helena kann man in Trier bewundern.

[] fermentieren, Vb.

etwas durch Einwirkung, Zusatz von Enzymen, Bakterien, Hefen oder Pilzen chemisch umwandeln, wobei Gase, Säuren oder Alkohol entstehen, und auf diesem Wege Lebens- und Genussmittel veredeln, genießbar, haltbar machen

Im 16. Jh. nutzte man dieses Verfahren der Umwandlung nicht nur für die Zubereitung von Nahrungs- und Genussmitteln, Alchimisten fermentierten auch Steine. So will es zumindest die Überlieferung. Auf den Teller kamen derart behandelte Brocken jedoch nicht: Franciscus Epimetheus und Hieronymus Reusner, von ihnen stammt der Erstbeleg, lieferten vielmehr ein Rezept zur Herstellung des „Stein(s) der Weysen“. Mit ihm konnten angeblich Metalle veredelt und Krankheiten geheilt werden. Zwar ist das Fermentieren heute weniger zauberhaft, ein gutes Sauerkraut aber macht immer noch groß und stark.

[] Genese, die

Entstehung, Entwicklung

„Im Salon konkurriert es mit dem neuesten Roman und im Studierzimmer beunruhigt es gleicherweise Wissenschaftler, Ethiker und Theologen“, so ein anonymer Rezensent über Darwins Werk „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl“, in dem er die bahnbrechende Vermutung äußerte, die Geschichte des Menschen habe in Afrika ihren Ursprung genommen. Zudem seien unsere intellektuellen Fähigkeiten das Resultat eines langen, auf Selektion beruhenden Entwicklungsprozesses. Was wütende Gegner als „Wissenschaftsmärchen“ abtaten, wurde zum Bestseller. Heute vor 150 Jahren ist das Werk erschienen.

[] Stegreif, der

Improvisation

Wenn man improvisiert, muss man die Gelegenheit da ergreifen, wo man gerade steht. So etwa denken viele, wenn sie die Wendung „aus dem Stehgreif“ hören oder aussprechen. Doch tatsächlich ist diese stimmig klingende Herleitung – ebenso wie die (häufige) Schreibung mit -h- – schlicht falsch. Es ist der Steg-Reif, der „Steig-Ring“, der hier Pate stand: Denn wer könnte wohl mit mehr Spontaneität reagieren als ein Reiter, der mit den Füßen noch fest im Steigbügel (wie wir heute sagen) steht. Während die wörtliche Ursprungsbedeutung verschwunden ist, hat sich die übertragene Bedeutung inzwischen selbständig gemacht.

[] Poesie, die

Dichtung, besonders Dichtung in Versen

„Amerika hat zwei Zugnummern: die Wolkenkratzer und Edna St. Vincent Millays Poesie“, so der Brite Thomas Hardy. Wie Amanda Gorman vor einigen Wochen, betrat 120 Jahre zuvor eine blutjunge, höchst begabte Poetin die amerikanische Bühne. Mit ihrem mehr als 200 Verse langen, als Meisterwerk gefeierten Gedicht „Renascence“ erreichte sie zum Entsetzen sogar der Gewinner in einem Wettbewerb nur den vierten Platz. Der dadurch ausgelöste Skandal verschaffte der gerade 20-Jährigen immerhin weltweite Aufmerksamkeit. Gut 10 Jahre später überbot sie dies mit Wumms: Sie gewann als erste Frau den Pulitzer-Preis. Am 22. Februar 1892 kam sie zur Welt.

[] Friedensbewegung, die

soziale Bewegung, die vorrangig für das friedliche Zusammenleben der Menschen eintritt, sich gegen Krieg und militärische Auslandseinsätze als Mittel der Politik sowie gegen Aufrüstung und die Rüstungsindustrie richtet

Zwei Interpretationen lieferte uns sein Schöpfer, der Künstler und Pazifist Gerald Holtom, selbst. Eine technische: Die Linien des Emblems symbolisieren zwei Buchstaben aus dem Winkelalphabet, nämlich N (für „nuclear“ = nuklear) und D (für „disarmament“ = Abrüstung). Und eine bildliche: Sie repräsentieren einen trauernden, resignierten Menschen mit herabhängenden Armen. Im umgebenden Kreis stecke die ganze Welt. Die ganze Welt hat sein Peace-Zeichen, ursprünglich ein Protestsymbol gegen den drohenden atomaren Krieg, mittlerweile angenommen und für verschiedene Formen der Friedensbekundung eingesetzt.

[] Schelm, der

zu Scherz, Neckerei, lustigen und mutwilligen Streichen aufgelegter Mensch, Schalk, Spaßvogel

Der Bedeutungswandel mancher Wörter kann verblüffen: Heute steht der „Schelm“ für den harmlosen Spaßmacher, wird gar als Kosewort gebraucht. Doch bis in die Frühe Neuzeit hinein gibt es kaum eine verfemte Person, die nicht „Schelm“ geschimpft wurde: Das Wort bedeutete zunächst Kadaver, später – bezogen auf den Menschen – Aussätziger, Dieb, Verbrecher, Verräter, ja sogar Teufel. Bis in die Rechtsliteratur gelangte das Wort: Ein fahnenflüchtiger Söldner wurde einem Prozessformular des 17. Jh. zufolge als „Eydt vnd Ehrnvergessener/ ehrloser/ verzweiffelter Schelm/ Dieb vnd Bößwicht“ abgeurteilt.

[] Novum, das

etwas noch nicht Dagewesenes

„Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass in Deutschland eine Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf“, Marie Juchacz formulierte diese Worte nicht erstaunt oder dankbar, sondern kämpferisch, in der Tat als Gleiche. Gerade einmal zwei Monate zuvor, am 30. November 1918, waren 82 % der wahlberechtigten Frauen erstmals an deutsche Wahlurnen getreten. Immerhin 37 weibliche Abgeordnete, unter ihnen auch die Sozialreformerin und Frauenrechtlerin Juchacz, zogen infolgedessen in das Weimarer Parlament ein. Heute vor 102 Jahren hielt sie dort jene historische Rede.

[] ausbuhen

umgangssprachlich: durch Buhrufe sein Missfallen an jmdm., etw. bekunden

Die Interjektion „buh!“, die gleichermaßen zum (spaßhaften) Erschrecken wie zur Missfallenskundgebung eingesetzt werden kann, scheint es zumindest in letzterer Funktion noch nicht lange zu geben. In Europa wurde vielmehr gezischt, wie Ludwig Börne in seinen „Briefen“ anschaulich berichtet: Als an einem Pariser Theater ein Mime in der Rolle des britischen Napoleon-Bewachers Hudson Low auftrat, „wurde er ausgezischt mit einer Bosheit, mit einer Erbitterung, als wäre er der wahre Lowe und nicht ein armer unschuldiger Schauspieler“. In Deutschland wird spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts „vornehm“ ausgebuht, zischen gilt als verpönt.

[] Ketzer, der

Religion, abwertend: jmd., der einen von der katholischen Lehre abweichenden Glauben vertritt, Häretiker

Sein Denken war zu groß für seine Zeit. Der 1548 in Süditalien geborene Giordano Bruno verstieß so ziemlich gegen jede gängige Gewissheit: Dem christlichen Lehrsatz vom Weltenende mit Gottesgericht setzte er die Vorstellung von der Unendlichkeit des Alls (ohne Jüngstes Gericht) entgegen. Aristoteles lehnte er ab, für die Gelehrtenzünfte seiner Zeit hatte er nur Spott übrig. Auf der vergeblichen Suche nach einer geistigen Heimat reiste der intellektuell Unbehauste durch Europa und kehrte am Ende resigniert nach Venedig zurück, wo er verraten, nach Rom ausgeliefert und am 17. Februar 1600 als Ketzer verbrannt wurde

[] quick, Adjektiv

landschaftlich: munter, lebhaft, schnell

In so vielen Entlehnungen erscheint heute das englische Adjektiv „quick“, dass man bei einer Wendung wie „quicker Geist“ an einen Anglizismus denken mag. Doch es gab auch schon immer ein deutsches „quick“ mit der Bedeutung „munter, schnell“, das, wie sein Geschwisterwort „keck“, ursprünglich „lebendig“ bedeutete. Es ist noch in einigen Wörtern wie „Quecksilber“, „Quecke“ oder „erquicken“ versteckt, auch wenn Letzteres, wie „quick“ selbst, sich seit Langem immer geringerer Beliebtheit erfreut. Vielleicht kann ihm sein englischer Vetter ja neues Leben einhauchen?

[] Rosenmontag, der

Montag vor Fastnacht

Wirklich feiern können Karnevalisten dieses Jahr nur in kleinster familiärer Runde, uns soll das aber nicht davon abhalten, einer Kölner Legende die Ehre zu erweisen, die am heutigen Rosenmontag 120 Jahre alt geworden wäre. Zugegeben, der Name Jupp Schmitz (oder schlicht „Dä Schnäuzer“) wird außerhalb des Rheinlands nur wenigen etwas sagen. Kölner Freunde des „Fastelovend“ aber haben dem Sänger sogar ein Denkmal gesetzt. Denn mit seinen kölschen Nachkriegsliedern wie „Wer soll das bezahlen“ oder „Ich fahr mit meiner Lisa zum schiefen Turm von Pisa“ machte er ihnen mit viel Humor und Augenzwinkern ein Identifikationsangebot.

[] Minne, die

historisch: höfischer Ritterdienst für eine verehrte, meist verheiratete Frau im Mittelalter

Am Valentinstag von der Minne zu erzählen scheint kühn, denn die höfische Liebe ist, so die traditionelle Auffassung, eine unerfüllte. Das im Mittelalter allgegenwärtige, im 16. Jh. als anstößig abgetane und heute nur noch ironisch genutzte Wort Minne aber hat tatsächlich viel mehr zu bieten. Der „Lexer“ listet immerhin Belege für mehr als ein Dutzend verschiedener Lesarten, darunter die religiöse und die Elternliebe, die Freundschaft, das Wohlgefällige, Angenehme und natürlich auch die (ganz und gar erfüllte) sinnliche Liebe. Tatsächliche gibt es jene (gar nicht so selten) auch in der höfischen Literatur.

[] Romantik, die

(...) Strömung, die in der gesamten europäischen Literatur und Kunst besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschte, die das Volkstümliche und Nationale, aber auch das Gefühlsmäßige, Irrationale, Transzendente betonte

Viel hat er nicht hinterlassen: Das Wenige, was er bis zu seinem frühen Tod – er starb, keine 25 Jahre alt, am 13. Februar 1798 – zu Papier bringen konnte, hat sein Schulfreund Ludwig Tieck herausgegeben und ergänzt. Gleichwohl traf Wilhelm Heinrich Wackenroder mit seinen „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ den Nerv einer Generation. Denn hinter dem vermeintlich christlichen Erbauungstext standen kunsttheoretische Überlegungen, die Kunst und Naturerfahrung ins Religiöse erhoben. Das Werk gilt als Startschuss der Frühromantik.

[] Glücksritter, der

abwertend: jmd., der sich in seinem Handeln verantwortungslos auf sein Glück verlässt

„Stadt im Sturm erobert ... ob 6000 Mann darinnen todt geschlagen, die ganze Statt geblündert / ein gueten theil der Statt abgebrandt.“ Die knappe Autobiografie des Söldners Sebastian Schertlin präsentiert in ihrer Nüchternheit eine erschreckende Inventur des frühmodernen Krieges. Dabei war Schertlin alles andere als ein tumber Landsknecht. Vielmehr verkörperte der studierte Magister Artium einen neuartigen Typus des Kriegsunternehmers, der sich unter höchstem Risiko effektiv und rücksichtslos bereicherte. Worte des Bedauerns oder Mitleids sucht man vergebens. Geboren wurde der Glücksritter am 12. Februar 1496.

[] Besserwisser, der

jemand, der immer alles besser zu wissen glaubt

Besserwisser und Querköpfe, sie sind selten beliebt, doch manchmal darf man sie einfach nicht unterschätzen. So auch den Böhmer Josef Ressel, der als Marineforstintendant in Triest seinen frustrierten Vorgesetzten gern unaufgefordert Ratschläge erteilte – er hatte ein Händchen für Hammer und Zange, weniger für Diplomatie. Seine wahrlich weltbewegende Erfindung eines „einer Schraube ohne Ende gleichenden Rades, welches (...) zum Fortziehen der Schiffe (...) als Triebrad anwendbar sey“, erhielt daher am 11. Februar 1827 zwar ein Privilegium (Patent), Finanziers für diese erste anwendungsreife Schiffsschraube zu finden, das gelang ihm aber nicht.

[] Schnee, der

flockiger oder körniger fester Niederschlag aus Eiskristallen, der als dichte weiße Decke den Erdboden und alles, was darauf ist, verhüllt

Einer liebevoll gepflegten, leider falschen Legende zufolge verfügen die Inuit über 40 Wörter für Schnee. Nun: Abgesehen davon, dass es die eine Inuitsprache nicht gibt, gehören diese überdies zu den agglutinierenden Sprachen, die durch Anfügung (Affigierung) ganze Phrasen zu einem Ausdruck verdichten können. Aus wenigen Grundwörtern für Schnee können so unendlich viele Ausdrücke gebildet werden. Das Deutsche kommt mit dem Mittel der Komposition ebenfalls auf eine erkleckliche Anzahl: Schließlich gibt es unter anderem den Alt- oder Neuschnee, den Pulver-, Firn- oder Pappschnee oder besonders malerisch: den Blut- und den Büßerschnee.

[] Teufelswerk, das

angebliches Werk des Teufels

So wie derzeit in Mitteleuropa fiel auch in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1855 in der englischen Grafschaft Devon ungewöhnlich viel Schnee. Entsprechend bot sich Frühaufstehern ein ungewöhnlicher Anblick – in zweierlei Hinsicht: Auf 161 km Weglänge erspähten die „Devonen“ nämlich die Spuren eines Dämonen: gebrochen hufeisenförmige Fußabdrücke, die schnurgerade durch Gärten und Wälder, sogar über Dächer und durch Heuschober führten. Ob es sich wirklich um die Fußspuren des Teufels handelte? Wohl eher nicht. Jener wanderfreudige Beelzebub war wahrscheinlich nichts anderes als eine ziemlich unschuldige, ziemlich hungrige Waldmaus.

[] Melancholie, die

Schwermut, Trübsinn, Traurigkeit

Für die antike Medizin war Melancholie mehr als Schwermut, vielmehr eine Gemütskrankheit, vergleichbar mit dem, was wir heute als Depression bezeichnen. Robert Burton, ein um die Wende zum 17. Jahrhundert lebender englischer Gelehrter, litt unter dieser Melancholie – und er schrieb über sie: Über 1000 Autoritäten von Hippocrates bis Paracelsus konsultierte er, trug ihre Beschreibungen, Theorien, Therapievorschläge in seinem Mammutwerk: „Anatomy of Melancholy“ zusammen. Er gilt als einer der Ersten, die sich systematisch dem Thema Depression widmeten. Geboren wurde er am 8. Februar 1577.

[] die Lacher auf seiner Seite haben, Mehrwortausdruck

durch geistreiches, humorvolles, schlagfertiges Auftreten Gelächter, Beifall hervorrufen, Sympathien gewinnen

Sie sind typisch für seinen spitzzüngigen, farbenfrohen Stil: von der Handlung abgekoppelte, scheinbar willkürlich eingestreute Kommentare des Erzählers, die als satirische Seitenhiebe auf Mensch und Zeitalter fungieren. Mit ihnen hat der Viktorianer Charles Dickens, wenn er beispielsweise beiläufig erwähnt, dass sich das Gewissen „in den meisten Fällen (...) doch als ein durchaus elastisches, erstaunlich flexibles Objekt“ erweist, eben nicht nur die Gemüter, sondern auch die Lacher auf seiner Seite. Heute vor 209 Jahren kam der Autor zur Welt.

[] Charakterkopf, der

Kopf von ausgeprägter Form und mit ausdrucksvollen Gesichtszügen

Es ist einfach ansteckend, dem etwas feisten Herrn dabei zuzusehen, wie er mit weit aufgerissenem Mund zum Gähnen ansetzt. Und doch wird sich bei diesem kein Lüftchen regen. Denn der Mann ist aus Metall – eine meisterhafte Porträtbüste, geschaffen von Franz Xaver Messerschmidt, dem wohl merkwürdigsten Bildhauer des Rokokos. Der anfangs erfolgreiche Künstler lebte nach einer Intrige zurückgezogen und arbeitete ebenso verlacht wie bewundert fast nur noch an seinen Charakterköpfen, denen er die absonderlichsten Grimassen verlieh. Am 6. Februar 1736 wurde er geboren.

[] Börsencrash, der

deutlicher Kurseinbruch an einer Wertpapierbörse

Spekulationen mit Aktien, Rohstoffen oder Lebensmitteln sind keine Auswüchse des Neoliberalismus. Die erste spektakulär geplatzte Spekulationsblase findet sich um den Jahreswechsel 1636/37, als in den Niederlanden der Markt für die erst wenige Jahrzehnte zuvor eingeführten und schnell populär gewordenen Tulpen zusammenbrach: Nachdem einzelne „vielversprechende“ Tulpenzwiebeln den Gegenwert von Villen erreicht hatten, wollte am 5. Februar niemand mehr die überzogenen Preise bezahlen. Sie fielen um 95 %. Die Deutung der Marktmechanismen und der Psychologie hinter diesen Vorgängen beschäftigt die Ökonomen bis heute.

[] Wendepunkt, der

Punkt, an dem sich etw. in die entgegengesetzte Richtung wendet

Nach Kriegsende 1918 wurde das Undenkbare Realität: Revolutionsräte hatten die Macht ergriffen, der Kaiser hatte abgedankt und Reichskanzler Max von Baden ernannte einen Sozialdemokraten – Friedrich Ebert – zum Reichspräsidenten. Damit erreichte die Karriere des Gewerkschafters, der sich als konstruktiver Realpolitiker Anerkennung erworben hatte, ihren Höhepunkt. Die Kürze seiner Amtszeit, der Hass und die Häme, die ihm von der Linken und Rechten entgegenschlugen, waren auch symptomatisch für die prekäre Lage der jungen Republik. Geboren wurde Ebert am 4. Februar, ironischerweise im Jahr der Reichsgründung 1871.

[] Ingenium, das

höchste schöpferische Begabung, Genie; hochbegabter, genialer Mensch

Bereits 1820, im ersten Jahr seiner bemerkenswert produktiven Karriere als Musiker und Komponist, verfasste er knapp 60 Werke: Lieder, Sonaten, Stücke für Orgel und ein kleines dramatisches Stück. Etwa gleichzeitig begann er öffentlich aufzutreten, brillierte als Pianist, Altist und bald auch als Dirigent. Vier Jahre später entstand sein erstes großes Orchesterwerk, die Sinfonie Nr. 1 in c-Moll, deren Kreation ihn immerhin einen ganzen Monat lang umtrieb. Felix Mendelssohn Bartholdy, der heute vor 212 Jahren zur Welt kam, war, als er diese vollendete, gerade einmal zarte 15 Jahre alt.

[] Lügen haben kurze Beine, Mehrwortausdruck

sprichwörtlich: Unwahrheiten bleiben nicht lange unentdeckt

„Die lügen hat kurze füsze und kurze flügel“, heißt es in Johannes Riemers satirischer Schrift „Die Politische Colica“ (1680). Gleichwohl war es damals wie heute schwierig, einem Lügner auf die Spur zu kommen. Noch bis ins 12. Jh. hatte man daher auch das sogenannte „Gottesurteil“ für die Wahrheitsfindung bemüht – in Form (meist sowohl für Lügende als auch für Aufrichtige) fataler Wasser- oder Feuerproben. Im 13. Jh. setzte sich endgültig eine weltliche, faktenbasierte Gerichtsbarkeit durch. Neue Fakten schuf vor gut 85 Jahren dann der Amerikaner Leonarde Keeler: Er testete den ersten Lügendetektor.

[] Faszikel, der

Heft, Teil einer Fortsetzungsreihe, Lieferung

Die Erarbeitung eines umfangreichen Wörterbuchs kann manchmal etwas länger dauern als geplant. Als am 1. Februar 1884 die erste Lieferung (die Aufteilung in Faszikel sollte die Finanzierung sicherstellen) des später als „Oxford English Dictionary“ bekannt gewordenen größten englischen Wörterbuchs erschien, hoffte man noch, es in 10 Jahren abschließen zu können. Es wurden 44. Dies alles war nur möglich geworden, weil 1879, gut 20 fruchtlose Jahre nach Ausruf des Projekts, mit James Murray ein energischer Herausgeber berufen worden war, der das OED 36 Jahre leiten sollte. Gerade erscheint die 3. Auflage.

[] Doppelleben, das

jmd. führt ein Doppelleben: jmd. lebt in zwei Lebensstilen, die miteinander unvereinbar sind

1792 erschien – anonym – ein Traktat über das Todesurteil gegen eine Kindsmörderin. Hinterfragt wurden darin nicht nur Beweisführung und Todesstrafe, der Autor äußerte sich auch kritisch über den Halsrichter, dem er „Eiseskälte“ vorwarf, wo doch „vom Leben eines menschlichen Geschöpfes die Rede“ war. Das Kuriose: Richter und anonymer Autor waren ein und dieselbe Person – Theodor Gottlieb von Hippel, hochdekorierter preußischer Polizeidirektor, zugleich Verfasser zahlreicher sozialkritischer Schriften, in denen er sich unter anderem für die Gleichberechtigung der Frauen einsetzte. Am 31. Januar 1741 wurde er geboren.

[] Rettungsboot, das

auf die Seenot- und Wasserrettung spezialisiertes kleineres Wasserfahrzeug; kleineres Wasserfahrzeug, das an Bord größerer Schiffe mitgeführt und im Notfall zu Wasser gelassen wird, um Passagieren und Besatzung Schutz zu bieten und ihr Überleben zu sichern

Stabilität, Tempo, Reichweite und Unsinkbarkeit – vier notwendige Konstruktionseigenschaften, die Mensch und Vehikel gegen fast unermessliche Naturkräfte wappnen sollen. Für immerhin 705 Passagiere der RMS Titanic war es Glück im Unglück, dass ein englischer Schiffszimmermann mit dem sprechenden Namen Henry Greathead gut 120 Jahre zuvor, am 30. Januar 1790, auf dem Fluss Tyne einen Prototyp erfolgreich getestet hatte. Dieses „Original“ (tatsächlich der Taufname) war zwar nicht das erste je gebaute, aber immerhin das erste weitreichend eingesetzte (sogar exportierte) Rettungsboot in Europa.

[] latschen, Verb

salopp: (schleppend, nachlässig, ohne Haltung) gehen

Über die Herkunft des Verbs latschen wusste der Lexikograph Johann Christoph Adelung wenig zu berichten, naserümpfend rechnete er es den „niedrigen Sprecharten“ zu. Fasziniert hat ihn das Wort dennoch: „Es scheinet eine Onomatopöie (= Schallwort) zu seyn“, für die „Art des Ganges, da man aus Nachlässigkeit die Füße im Gehen nicht aufhebet, sondern mit denselben auf dem Boden hinstreicht.“ Tatsächlich ist das Wort, vielleicht auch wegen dieser Klangqualitäten, bis heute beliebt: Man denke an die Quadratlatschen, an den Lulatsch oder an lätschig. Und wenn es heißt „du siehst aus wie der Tod auf Latschen“, bleibt kein Auge trocken.

[] klotzen, Vb.

hart arbeiten, schuften; sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben, in großem Maßstab ans Werk gehen

Die meisten von uns haben schon im Kindesalter hart geklotzt: Häuser, Flugzeuge, Schiffe gebaut, Grundrisse entworfen, Städte geplant. Das Hilfsmittel der Wahl dafür: ein 1949 erstmals verkaufter stapelbarer, farbiger Kunststoffquader mit Noppen auf der Ober- und (zunächst) einem Hohlraum an der Unterseite. Dieser noch recht instabile „Klotz“ wurde etwa 10 Jahre später grundlegend perfektioniert. Kleine, festigende Röhrchen auf der Unterseite ermöglichten nun (und ermöglichen seither) kleinen Architekten gigantische Kreationen. LEGOs neuartiges Kupplungsprinzip wurde am 28. Januar 1958 zum Patent angemeldet.

[] Gelegenheit, die

günstiges Zusammentreffen von Umständen, durch die eine Möglichkeit, der geeignete Augenblick oder die Veranlassung für eine bestimmte Handlung gegeben ist, Chance

Eine „Gelegenheit“ kann ebenso kostbar wie unwiederbringlich sein. Das zeigen auch die typischen Kollokationen: Es gibt die ungeahnte, die seltene und natürlich auch die verpasste Gelegenheit. Eine doppelt verpasste Gelegenheit bot 1521 der Reichstag zu Worms, als Martin Luther gegen Zusicherung freien Geleits Kaiser Karl V. seine Thesen vortrug. Karl hatte sein Urteil bekanntermaßen bereits gefällt und vergab die Chance auf eine gütliche Einigung. Die Möglichkeit, Luther an Ort u. Stelle auszuschalten, nahm er aber eingedenk seiner Zusage nicht wahr. Am 27. Januar vor 500 Jahren wurde jener verhängnisvolle Reichstag eröffnet.

[] blechen, Verb

salopp: Geld bezahlen

„Wer auf die lippen küßt, muß zwanzig thaler blechen“, heißt es in den vermischten Gedichten des schlesischen Dichters Daniel Stoppe aus dem Jahre 1735. Seine Preisliste fürs Knutschen liefert, ebenso unromantisch, einen der frühesten Belege für die Lesart „zahlen“ von „blechen“, die sich Anfang des 18. Jh. in der Studentensprache etablierte. Das Blech (von germ. *blek- ‚glänzen‘) bezeichnete ursprünglich vor allem dünne Scheiben sehr wertvollen Metalls, vor allem aus Gold- oder Kupfer. Ahd. „bleh“ ist daher auch die ‚geprägte kleinere Goldmünze‘.

[] Waschsalon, der

Laden mit Waschmaschinen und elektrischen Wäschetrocknern, die Kunden gegen Bezahlung benutzen können, um ihre Wäsche selbst zu waschen und zu trocknen

Geschwächt von Syphilis starb heute vor 74 Jahren, kurz nach seinem 48. Geburtstag, Al Capone, einer der berühmtesten Gangster aller Zeiten. Nicht nur der natürliche Tod ist für den Boss der Unterwelt, der in der Zwischenkriegszeit mit Glücksspiel und Alkoholschmuggel Millionen machte, ungewöhnlich, sondern auch der Grund seiner Festnahme und Verurteilung 1931: nicht etwa Morde oder organisierte Kriminalität, sondern Steuerhinterziehung. Er hatte sein illegales Geld u. a. in Waschsalons investiert, um es zu legalisieren. Der Legende nach stammt daher auch der Ausdruck „Geldwäsche“.

[] heiter, Adjektiv

vergnüglich, erheiternd, froh stimmend

Seine Gedichte beginnen fast immer mit unbestimmtem Artikel und dem Substantiv „Mensch“. Sie sind das Markenzeichen Eugen Roths, der in heiter-melancholischen Versen Kalenderweisheiten und Redewendungen elegant gegen den Strich bürstete: Erzählungen vom Alltagsmenschen, der erkennen muss, dass auch Trübsal blasen gelernt sein will, während ein anderer voller Zorn bemerkt, „Dass keine Rose ohne Dorn. / Doch muss ihn noch viel mehr erbosen, / Dass sehr viel Dornen ohne Rosen.“ Der Poet, der, von der Kritik geschmäht, seinen festen Platz im deutschen Dichterhimmel innehat, wurde am 24. Januar 1895 geboren.

[] meerwärts, Adverb

vom Land in Richtung auf das Meer

Er wollte seinen Forschungsobjekten nicht auf dem Seziertisch oder am Aquarium begegnen, sondern als „Fisch unter Fischen“, amphibisch, in ihrem eigenen Lebensraum. Der heute vor 101 Jahren in Wien geborene Hans Hass, Dokumentarfilmer, Pionier der Unterwasserfotografie und in späteren Jahren engagierter Umweltschützer, baute 1938 eine erste wasserdichte Kameraummantelung und begann damit, die damals noch unbekannte, atemberaubende Unterwasserwelt zu erforschen und zu dokumentieren. Sein erster Film „Pirsch unter Wasser“ feierte 1942 in Berlin seine Premiere.

[] Schimpf, der

Beleidigung, Demütigung, Schmach

„... mit sô frömden sachen könder wol gemachen, daz ich sîner schimphe müeze lachen“, heißt es in einem der Frauenlieder, die in „Des Minnesangs Frühling“ dem Dichter Reinmar zugeordnet werden. Äußert das weibliche Ich hier dem Liebhaber gegenüber Schadenfreude? Interessanterweise nein! „Schimpf“ hat seit dem Mittelalter nämlich einen bemerkenswerten semantischen Wandel durchgemacht und nimmt erst im 16. Jh. fest die Bedeutung „Demütigung, Schmach“ an. Zuvor verbarg sich hinter dem „Schimpf“ vor allem der „Scherz“. Die Dame in Reinmars Lied träumt also, in positiver Erwartung, von einem Schelm im Bett, nicht von einem Beschämten.

[] Dystopie, die

Film, Kunst, Literatur: Darstellung einer möglichen, düsteren Zukunft, die nicht wünschenswert oder erstrebenswert ist

Eric Blair schrieb über das Elend der englischen Arbeitslosen, kämpfte in Spanien gegen den Faschismus und wäre fast Stalins Säuberungen zum Opfer gefallen. Am Ende seines Lebens verarbeitete er die bitteren Einsichten und erlittenen Entbehrungen in einem Roman, der zu den einflussreichsten der Literaturgeschichte zählt. Darin sezierte er hellsichtig die Mechanismen einer totalitären Diktatur. So wie man den Namen Thomas Morus mit der Utopie verbindet, so steht Blairs Pseudonym George Orwell für das Gegenmodell, sein Roman „1984“ wurde zum Inbegriff der Dystopie. Er starb am 21. Januar 1950.

[] Inauguration, die

gehoben: (feierliche) Einsetzung, Einführung in ein Amt

Feierliche Reden, Pauken, Trompeten, Musikinstrumente und eine „Salve aus Canonen und Mousqueten dabey“. So stellte sich der Barockautor Julius Bernhard von Rohr (1688–1742) eine zünftige Inauguration (hier: die festliche Einweihung eines Herrscherstandbilds) vor. Die sakrale Konnotation des Wortes kommt dabei nicht von ungefähr. Sie wurzelt in einer antiken vorchristlichen Zeremonie: Anlässlich wichtiger Staatsakte befragten Auguren aus dem Vogelflug die göttlichen Vorzeichen. Die heidnischen Auguren verschwanden aus der Geschichte, im Wort „Inauguration“ bleiben sie uns aber bis heute erhalten.

[] übertragen, Verb

etw. von einer Form in eine andere umwandeln; etw. übersetzen; etwas als Übertragung senden

„Der hat auch weniger Grips als ein Spatz Fleisch an der Kniescheibe.“ Das kann man von Rainer Brandt nicht behaupten. Der heute vor 85 Jahren geborene Schauspieler, Sprecher und Autor, u. a. die deutsche Stimme von Elvis Presley und Jean-Paul Belmondo, war zu einem Gutteil für den nachhaltigen Erfolg der Komödien mit Bud Spencer und Terence Hill, aber auch mit Louis de Funès und Pierre Richard sowie zahlreicher Serien (ganz besonders „Die 2“) verantwortlich. Sein innovatives und witzreiches „Schnodderdeutsch“ (“Euer Lordschuft!”, „Das Schwein trügt!“) schuf im Vergleich zu den Originalen eine ganz neue Atmosphäre.

[] Proklamation, die

öffentliche (amtliche) Verkündigung, (amtlicher) Aufruf in feierlicher Form

Am 18. Januar 1701 setzte sich Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, in Königsberg die Krone auf und erklärte sich zum König in Preußen. Bismarck hatte genau dieses Ereignis im Blick, als er 1871 den Akt der Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser auf den 18. Januar verlegte. Die festliche Kulisse des Spiegelsaals von Versailles und die Demütigung des besiegten Frankreichs täuschten darüber hinweg, dass es sich bei dem gegründeten Reich formal lediglich um ein Fürstenbündnis handelte, das mit dem ursprünglich ersehnten Verfassungsstaat wenig gemein hatte. Kein einziger Volksvertreter nahm an der Zeremonie teil.

[] Blitzableiter, der

eiserne Stange, die auf dem höchsten Punkt eines Gebäudes angebracht und durch eine Leitung mit der Erde verbunden ist, um Blitze aufzufangen und abzuleiten

Benjamin Franklin, Tausendsassa sondergleichen, beschrieb 1749 in einem Brief an einen Londoner Kollegen seine Beobachtung über die Entladung „elektrifizierter Wolken“ und schlug gleich zwei Experimente vor, um diese zu beweisen: Bei dem ersten sollte ein Drache in einer Gewitterwolke Elektrizität einfangen (bei Freunden des legendären Videospiels „Day of the Tentacle“ wird es nun blitzen), das zweite testete die Ableitbarkeit des „Wolkenfeuers“ über eine an einer Hütte befestigte, hoch aufragende Metallstange. Franklin wurde damit zum Erfinder des Blitzableiters. Heute vor 315 Jahren kam er zur Welt.

[] Auftraggeber, der

Person, Firma oder (öffentliche) Institution, die jmdm. den Auftrag für die Ausführung einer bestimmten Arbeit, Dienstleistung oder Warenlieferung erteilt

Reichsgraf von Walsegg, ein heute vor 258 Jahren geborener österreicher Adliger, war nicht nur reich, er war auch kultiviert. Regelmäßige private Konzerte und Theateraufführungen, bei denen sowohl er selbst als auch Schwester und Gattin brillierten, zeugten davon. Als Letztere erst 20-jährig verstarb, gab er bei einem verarmten jungen Wiener Komponisten mit Namen Mozart im Jahre 1791 ein Requiem in Auftrag, das er ihr zu Ehren (als seine eigene Komposition!) am 14. Dezember 1793 uraufführen lassen wollte. Was er nicht wusste: Mozarts Freunde hatten das Werk bereits Monate zuvor (gerade posthum) bei einem Benefizkonzert auf die Bühne gebracht.

[] entlarven, das wahre (schlechte) Wesen, den wahren (schlechten) Charakter von jmdm., etw. zu erkennen geben, enthüllen

Vermutlich heute vor 49 Jahren gab der Berliner Kabarettist Wolfgang Neuss ein kleines Zeitungsinserat auf, um für einen Kinofilm drei Tage später zu werben. Das klingt nicht erinnerungswürdig. Die Annonce hatte es aber in sich: Sie entlarvte vorzeitig den Mörder im Fernseh-Straßenfeger „Das Halstuch“, dessen letzter Teil mit der sehnsüchtig erwarteten Auflösung genau an diesem Abend laufen sollte. Das Wort „Spoiler“ gab es damals noch nicht, man wählte andere Injurien: Neuss wurde als Vaterlandsverräter diffamiert und erhielt sogar Morddrohungen. Er beteuerte bis an sein Lebensende, den Mörder lediglich erraten zu haben.

[] in der Zwickmühle sein, Mehrwortausdruck

in einer schwierigen oder ausweglosen Lage sein; vor eine Entscheidung gestellt sein, bei der alle Lösungen (gleichermaßen) ungünstig erscheinen

Nicht nur auf dem Mühlebrett, auch im wirklichen Leben ist eine Zwickmühle unangenehm. In einer solchen fand sich 1525 der französische König Franz I. nach der Schlacht von Pavia gegen die Habsburger wieder. Besessen von Ritteridealen hatte sich der Monarch persönlich ins Getümmel gestürzt und war prompt gefangen genommen worden. Der siegreiche Kaiser Karl V. zwang ihn am 14. Januar 1526 zum Frieden von Madrid. Franz fügte sich – wenn auch mit gekreuzten Fingern. Insgeheim hatte er sich notariell beglaubigen lassen, dass die unter Zwang gemachten Zusagen null und nichtig seien.

[] Fidibus, der

gefalteter Papierstreifen oder Holzspan, den man anzündet, um damit Feuer zu machen

„... bringt ihm was er haben muss: / Zeitung, Pfeife, Fidibus“. Mit diesen Versen hat Wilhelm Busch den (sprachlich) älteren Bruder des Grillanzünders unsterblich gemacht. Die Herkunft des amüsanten Latinismus ist allerdings nicht sicher: Studenten sollen im 17. Jh. die Anfangszeile „et ture et fidibus“ (= mit Weihrauch und Saitenspiel) einer Ode von Horaz scherzhaft als „mit Tabaksqualm und Pfeifenanzünder“ übersetzt haben. „Fidibus“ wäre demnach schlicht der Ablativ Plural zu „fidēs“ (Saitenspiel).

[] Impeachment, das

in den USA: (durch das Repräsentantenhaus) gegen einen hohen Staatsbeamten eingeleitetes Verfahren, das eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs mit dem Ziel der Amtsenthebung ermöglichen soll

Impeachment ist derzeit ein Begriff mit besonderer Schlagkraft. Nach den jüngsten Ausschreitungen am und im Washingtoner Kapitol droht dem noch amtierenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump – erstmals in der Geschichte der USA – ein zweites Amtsenthebungsverfahren. Sollten alle drei Prozessschritte (Untersuchung und Anklage, Verfahrenseinleitung durch Wahl im Repräsentantenhaus, Anhörung und Verurteilung im Senat) erfolgreich sein, wird er sofort seines Amtes enthoben und könnte (auch nach Ende seiner Regierungszeit) einige oder alle seine Privilegien (Pension bis zum Lebensende, Reisebudget etc.) verlieren.

[] Forschung, die

gründliche, systematische, wissenschaftliche Untersuchung

Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, benannt nach dem bekannten Quantenphysiker und ihrem Ehrenpräsidenten, wurde am 26. Februar 1948 gegründet. Und dennoch feiert sie genau heute eine Art Jubiläum – das einhundertzehnte. 1911 wurde nämlich auf Anregung des Theologen Adolf (von) Harnack die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften als Dachorganisation für Grundlagenforschungsinstitute gegründet. Die dort betriebene Spitzenforschung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg – nur unter neuem Namen – erfolgreich fortgeführt.

[] Jahrhundertwerk, das

etw., das von herausragender Bedeutung ist (und über mehrere Generationen andauern, wirken wird)

„Gaudeamus!“, stolz telegrafierte der Ostberliner Germanist Bernhard Beckmann seinem Göttinger Kollegen Hans Neumann das freudige Ereignis: Am 10. Januar 1961, 17 Uhr, hatte er die Druckerlaubnis für die letzte Lieferung des „Deutschen Wörterbuchs“ erteilt. Damit kam das einst von den Brüdern Grimm begonnene und am Ende von den Akademien der Wissenschaften in Ost-Berlin und Göttingen betreute Mammutprojekt zum (vorläufigen) Abschluss. Sechs bis sieben Bände und eine Bearbeitungszeit von 10 Jahren hatten die Grimms ursprünglich kalkuliert. Am Ende wurden es 16 Bände, die Arbeiten dauerten 123 Jahre.

[] Geschlechterrolle, die

von der Gesellschaft für Mann und Frau unterschiedlich festgelegtes Rollenverhalten

„On ne naît pas femme: on le devient“ (Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es), einer der meistzitierten Sätze aus Simone de Beauvoirs Augenöffner „Das andere Geschlecht“, in dem sie die Rolle der Frau in der Geschichte analysiert, den Unterschied zwischen Konzepten von biologischem und kulturellem Geschlecht etabliert und somit eine Grundlage für die in den 1960er und 1970er Jahren aufkommenden Gender Studies schuf. Das Werk wurde sowohl gefeiert als auch angefeindet, der Vatikan setzte es sogar auf die Liste verbotener Bücher. Heute vor 113 Jahren kam Simone de Beauvoir zur Welt.

[] selig, Adj.

von einem rauschhaften Glücksgefühl erfüllt, überglücklich, wunschlos glücklich; Religion: von allen Übeln des irdischen Lebens auf ewig frei und der himmlischen Wonnen teilhaftig

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum „Seele“ mit zwei, „selig“ aber nur mit einem e geschrieben wird? Wenn ja, geht es Ihnen wie vielen. Dass die beiden Begriffe etymologisch nicht verwandt sind, ist nämlich nicht offensichtlich. Tatsächlich stammt „selig“ von germanisch „*sēlī-“ („gut, gütig, glücklich“) ab (Altgermanisten werden sich an die damit verschwesterte, nur schwer übersetzbare „saelde“ erinnern). Für „Seele“ aber vermutet man u. a. eine Herkunft aus germ. „*saiw(a)lō“ („die vom See Herstammende“), da nach altem Glauben der Germanen die Seelen vor der Geburt und nach dem Tod im Wasser lebten.

[] im Adamskostüm, Mehrwortausdruck

nackt, unbekleidet

Am 7. Januar 1785 überquerten der französische Flugpionier Jean-Pierre Blanchard und der Arzt und „erste fliegende US-Amerikaner“ John Jeffries erstmals mit einem Gasballon den Ärmelkanal. Der Legende nach verlief die Fahrt von Dover nach Calais höchst abenteuerlich: Um einen drohenden Absturz zu vermeiden, mussten die beiden Pioniere allen Ballast aus der Gondel abwerfen und hoch in die Halteseile klettern. Nur noch mit ihren Unterhosen bekleidet erreichten sie, nach aufregenden zwei Stunden und 25 Minuten, das französische Ufer. Dort wurden sie, obwohl beinahe im Adamskostüm, mit Begeisterung empfangen.

[] Dreikönigskuchen, der

meist flacher Kuchen mit regional stark unterschiedlichen Zutaten, der am 6. Januar (Dreikönigstag) serviert wird und in den als Glücksbringer eine kleine Figur, Münze, getrocknete Bohne o. Ä. eingebacken ist

Pieter Brueghel (der Jüngere), Jacob Jordaens, ja selbst der preußische Soldatenkönig: Sie alle haben ihn gemalt: den Bohnenkönig. Jenen „Ultrakurzzeitmonarchen“, der am Dreikönigstag, wenn er eben das „Glück“ hatte, aus seinem Kuchenstück die eingebackene Bohne zu fischen, von einer Feierrunde zur allgemeinen Gaudi unter großem Hallo mit einer Papierkrone gekrönt wurde. Erhob er dann sein Glas, rief der frisch ernannte Hofstaat: „Der König trinkt!“. Der besonders in der Schweiz beliebte „Dreikönigskuchen“ geht auf diesen in der Frühen Neuzeit weit verbreiteten Brauch zurück.

[] verspielen, Vb.

etw. durch eigenes Verschulden verlieren

Auf dem berühmten Porträt Rogier van der Weydens begegnet er uns als junger, gutaussehender Mann. Auch sonst war er als Herrscher „vorzeigbar“: intelligent, durchsetzungsfähig, sprachgewandt. Doch Karl der Kühne, Herzog von Burgund, war eben auch prunksüchtig, brutal und krankhaft ehrgeizig. Er wollte hoch hinaus und verspielte in seinem unablässigen Ruhm- und Eroberungsdrang am Ende alles: Am 5. Januar 1477 verlor er vor Nancy Schlacht und Leben. Sein Tod besiegelte auch das Schicksal Burgunds, dessen sich nun die Habsburger bemächtigten.

[] Identitätsdiebstahl, der

betrügerische, missbräuchliche Nutzung der personenbezogenen Daten eines anderen Menschen (besonders im Internet)

Was Ian Fleming 1964 als persönliche Widmung in sein neuestes Buch schrieb, kam einer, wenn auch harmlosen, Selbstbezichtigung gleich: „Dem echten James Bond vom Dieb seiner Identität“. Fleming war in den 1950er Jahren über der Lektüre von Vogelbüchern auf den Autorennamen James Bond gestoßen, dessen schmuckloser und männlicher Klang ihm für seinen neuen Helden passend erschien. Der Ornithologe Bond begeisterte sich allerdings weniger für Martinis, sondern war kulinarisch interessiert: Jeden Vogel, den er beschrieb, soll er auch auf dem Teller gehabt haben. Am 4. Januar 1900 wurde der Vogelkundler geboren.

[] legendär

erstaunlich, unwahrscheinlich, unglaublich; zu einer Legende geworden

„R-E-S-P-E-C-T / Find out what it means to me“ – legendäre Zeilen aus einem legendären Song. Zwar stammen sie nicht aus Aretha Franklins Feder, ihre legendäre Performance aber machte „Respect“ zu einer Hymne der Civil-Rights-Bewegung. Die „Queen of Soul“ wurde nicht nur für ihren kraftvollen Mezzosopran verehrt, sie galt auch als musikalisch höchst intelligent, als Meisterin der Variation und der Interpretation. Nicht zuletzt dafür wurde sie am 3. Januar 1987, als erste Frau überhaupt, in die Rock and Roll Hall of Fame, die Ruhmeshalle der größten Musiker und Produzenten des Rock ’n’ Roll, aufgenommen.

[] trinkfest, Adj.

viel Alkohol vertragend, ohne betrunken zu werden

Der Morgen nach dem ersten Schlaf im neuen Jahr beginnt für diejenigen, die Silvester gut begossen haben (dieses Mal hoffentlich epidemiebewusst), meistens mit einem Kater. So mancher möchte da dem Alkohol vielleicht ganz abschwören, schließlich ist dies ja auch die Zeit für gute Vorsätze. Vielleicht genau deshalb wählte man 1914 in Schweden den 2. Januar für die Inkraftsetzung einer ganz besonderen Verordnung aus: Den Bürgern wurde der Kauf von Spirituosen auf zwölf Liter je Vierteljahr beschränkt. Das ist allerdings immerhin noch ca. eine Flasche Wodka pro Woche. Skål!

[] Neuanfang, der

erneute Durchführung eines Vorhabens, einer Tätigkeit o. Ä. von Anfang an, meist mit einem anderen als dem bisher verfolgten Plan und unter Aufgabe des bisher Erreichten

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“, schrieb Hermann Hesse 1941 nach langer Krankheit. Sein vielzitiertes Gedicht „Stufen“ ruft zum hoffnungsvollen, unermüdlichen Schreiten in die Zukunft auf, eine Zukunft, die uns immer wieder herausfordert, uns jedoch zugleich „Stuf’ um Stufe“ hebt. Nach einem Jahr 2020, randvoll mit teilweise harten Herausforderungen, blicken auch wir nun auf einen neuen Anfang, hoffen auf positive Veränderungen, auf Gesundheit und Gemeinschaft. Wir wünschen unseren Nutzern, vielleicht mehr denn je, ein frohes neues Jahr!

[] Schwein haben, Mehrwortausdruck

(großes) Glück haben

Schweine haben in ihrem Leben im Allgemeinen wenig Glück. Dass das gemeine Hausschwein aber neben Schornsteinfeger und Kleeblatt dennoch als Glückssymbol gilt, gehört zu den Eigentümlichkeiten der Sprach- und Kulturgeschichte. Möglicherweise liegt der Ursprung im Kartenspiel, denn noch heute wird im Schafskopf das Ass umgangssprachlich als „Sau“ bezeichnet. Vielleicht steht das Schwein aber auch für eine gewisse materielle Sicherheit. Eine Familie mit Schwein hatte selbst in magerer Zeit immerhin reichlich zu essen.

[] Stiftung, die

Vermögensmasse, die nach dem Willen desjenigen, der sie zur Verfügung gestellt hat, verwaltet und verwendet wird

88 Cent Jahres(kalt)miete für eine Wohnung – in einer deutschen Großstadt wohlgemerkt – und als Gegenleistung nichts weiter als ein Vaterunser, ein Avemaria und das Glaubensbekenntnis, täglich zu beten für das Seelenheil des Stifters. Die Augsburger Fuggerei ist eine Sozialsiedlung der besonderen Art. Im Jahre 1521 für 15000 Goldgulden von Jacob Fugger, einem der reichsten Männer seiner Zeit, gestiftet, soll sie Augsburger Bürgern und Handwerkern „die es notturftig sein“ eine bezahlbare Unterkunft sichern. Jacob selbst starb vier Jahre später am 30. Dezember 1525.

[] Raunacht, die

eine der zwölf Nächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag, in denen dem Volksglauben nach eine besondere Verbindung zur Geisterwelt herrscht und unter anderem Wohnungen und Ställe ausgeräuchert werden, um böse Geister zu vertreiben

Vielen Menschen, die noch die alten Bräuche (und die alte Rechtschreibung) kennen, wird eher die Schreibung „Rauhnächte“ bzw. die ältere Form „Rauchnächte“ geläufig sein. Aber was gab diesen gefürchteten, von Geistern, Hexen und Wiedergängern beherrschten Nächten eigentlich ihren Namen? Möglicherweise bezieht sich die Bezeichnung auf die rau(ch)en (= haarigen) Felle, mit denen die bösen Dämonen bekleidet waren, vielleicht aber auch auf den üppig gegen sie eingesetzten Weihrauch. Genaues weiß man leider nicht.

[] Kältebus, der

(ehrenamtliches) Hilfsangebot in Form eines (Klein-)‍Busses, der in der kalten Jahreszeit abends bzw. nachts durch eine Stadt fährt und obdachlose Menschen aufsucht, um diese unter anderem mit warmen Getränken und Schlafsäcken zu versorgen oder um sie bei Bedarf in Notunterkünfte zu bringen

Zwar werden die Winter immer wärmer, dennoch sacken die Temperaturen zwischen November und März vielerorts in Deutschland nachts regelmäßig unter die Nullgradgrenze – für Wohnungslose eine lebensgefährliche Situation. In vielen Städten gibt es Notübernachtungen, nicht jeder schafft es aber, eine solche selbstständig zu erreichen. Vor 26 Jahren erlitt ein Mensch in Berlin in dieser Situation den Kältetod. Für die Berliner Stadtmission war dieses tragische Ereignis der Anlass, ihren ersten Kältebus auf den Weg zu bringen. Er, und vergleichbare Gefährte in anderen Städten, haben seither schon vielen Menschen in Not das Leben gerettet.

[] zwischen den Jahren, Mehrwortausdruck

Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr

Der mysteriöse Ausdruck „zwischen den Jahren“ für die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr (bzw. dem Dreikönigstag) lässt sich nicht eindeutig historisch herleiten, aber einige einflussreiche Kalendertraditionen geben mögliche Erklärungen: Die Ägypter beispielsweise begrenzten ihr Jahr auf leichter durch 12 teilbare 360 Tage, zwischen zwei Jahren lag also eine Spanne von 5 Tagen. In vielen Teilen Europa begann bis zur gregorianischen Kalenderreform das Jahr am 6. Januar, es endete traditionell aber bereits an Weihnachten. Erst seit der Festlegung durch Papst Innozenz XII. 1691 ist der 31. Dezember offiziell der letzte Tag des Jahres.

[] Sodbrennen, das

brennendes, vom Magen in die Speiseröhre aufsteigendes Gefühl, das besonders durch überschüssige aufsteigende Magensäure hervorgerufen ist

„Mir brennt der Sod!“ Auch zu Goethes Zeiten (und früher) klagte man nach einem zu üppigen (Weihnachts-)Schmaus über den gastroösophagealen Reflux, vulgo Sodbrennen. Tatsächlich illustriert die volkssprachliche Bezeichnung das Leiden recht anschaulich: Das mit Sud verwandte „Sod“ bedeutet „das Siedende, (Auf-)Wallende“. Gegenmittel gab es selbstredend auch: Schon der Botaniker Leonhart Fuchs riet 1543 in seinem Kräuterbuch, dass die Samen der Zaunwicke „den Sodt und das sauer aufstoßen“ stillen. Barockautor Wolf Helmhard Hohberg gab 1682 den seltsamen Rat, Pfirsichkerne zu essen.

[] vorhersagen, Vb.

über Künftiges etw. aufgrund der Kenntnis von Zusammenhängen oder aufgrund einer Vermutung, Ahnung aussagen, etw. im Voraus ankündigen

Die Beschreibung eines 1682 gesichteten Kometen machte den Astronomen Edmond Halley hellhörig: Sie schien denen älterer aus den Jahren 1607 und 1531 erstaunlich ähnlich zu sein. Zwischen den Sichtungen lagen fast identische Zeitabstände. Sollte es sich hier etwa um ein und dasselbe Himmelsobjekt handeln? Gab es Kometenbahnen und waren diese berechenbar? Halley wagte eine Prognose und verkündete die Wiederkehr des Kometen für das Jahr 1758. Und tatsächlich, am 25. Dezember 1758 erschien jener geschweifte Körper, der daraufhin den Namen „Halleyscher Komet“ erhielt, erneut am Nachthimmel.

[] Weihnachtsgeschichte, die

im Neuen Testament: überlieferte Geschichte von der Geburt Christi

Die Frage, warum die Weihnacht ausgerechnet auf dem 24./25. Dezember liegt, bereitet nach wie vor Kopfzerbrechen, denn es gibt keine klaren biblischen oder historischen Hinweise. Wohl aber eine Vielzahl an Theorien, von denen sich besonders zwei durchgesetzt haben: Die erste (aus dem 3. Jh.) errechnet das Winterdatum aus dem theologisch bestimmten Zeugungsdatum Ende März + 9 Monate. Die zweite erklärt es mit seiner Nähe zu antiken und heidnischen Wintersonnenwendfesten. Ein Wiener Kirchenhistoriker vermutet nun, die Festlegung der Weihnacht auf den 24./25.12. sei eigentlich ein Coup der Bethlehemer Tourismusindustrie im 4. Jh. gewesen.

[] Heiligabend, der

Vortag des Weihnachtsfestes mit traditioneller Bescherung im Familien- oder Freundeskreis

Morgen ist Heiligabend, doch während die Feiernden besonders in protestantischen Gegenden diesen kulinarisch sehr einfach halten – der Klassiker sind Wiener Würstchen und Kartoffelsalat –, wird in anderen Regionen reichlich und festlich aufgetischt. In Polen gibt es wegen der Apostel traditionell gar zwölf Gerichte, darunter Borschtsch, Piroggen, süße Nudeln und Karpfen. Außerdem gibt es am Tisch immer ein Gedeck mehr als Personen mitessen. Heute erklärt man dies mit der Möglichkeit, dass ein Fremder um Herberge bittet, ursprünglich symbolisierte der leere Platz aber die Verstorbenen des vergangenen Jahres.

[] jauchzen, Vb.

jubeln, laut frohlocken, in laute Freude ausbrechen

Die „Sorteo de Navidad“, die spanische Weihnachtslotterie, gilt als die größte der Welt und ist fester Bestandteil der iberischen Wintersaison. Die Ziehung findet seit über 200 Jahren in Madrid statt, seit 1967 wird sie auch live im Fernsehen übertragen. Kaum ein Spanier nimmt nicht an dem Glücksspiel teil, aus gutem Grund: Immerhin eins von 100.000 Losen hat eine Chance, den „Gordo“ zu gewinnen, den mit mehreren Mio. Euro dotierten Hauptpreis. Am besten kauft man übrigens sein Los in Da Sort (auf Katalanisch „Glück“), denn, es mag Zufall sein oder nicht, die hier ausgestellten werden überdurchschnittlich oft zu Trümpfen.

[] Weihnachtsstern, der

der biblischen Überlieferung nach eine Himmelserscheinung, die drei Weisen aus dem Morgenland den Weg nach Bethlehem, dem Geburtsort Jesu Christi, anzeigte

Das Matthäusevangelium beschreibt, wie drei Weise aus dem Morgenland einen Stern aufgehen sahen, ihn als Zeichen des Königs der Juden interpretierten, ihm folgten und so die Geburtsstätte Jesu fanden. Jahrhundertelang hat man versucht, das wahre Himmelsphänomen, das ihnen den Weg wies, zu identifizieren. War es ein Komet, eine Supernova, zwei sich am Firmament berührende Planeten, eine komplexe Sternenkonstellation, gar ein Kugelblitz? Es gibt viele Erklärungsversuche, wissenschaftlich anerkannt ist keiner davon. Was aber bleibt, ist die symbolische Bedeutung für Christen: Der Stern bringt Licht in eine finstere Welt.

[] Troika, die

Dreigespann russischer Art, wobei das mittlere Pferd trabt und die beiden äußeren galoppieren

Das russische Märchen vom Väterchen Frost ist dem der Frau Holle ähnlich: Die gute, von der Stiefmutter verstoßene Schwester kommt warm bekleidet und beschenkt aus dem Winterwald zurück, die böse, unhöfliche Schwester, die sich Gleiches wünscht, wird von Väterchen Frost schwer bestraft. Der märchenhafte Zauberer mit dem Eiszepter wurde 1937 Hauptfigur des „Jolkafests“, des Tannenfests, das die christliche Weihnacht in Russland ersetzen sollte. Seither zieht Дед Мороз (Väterchen Frost) in der Neujahrsnacht mit seiner schönen Enkelin Снегурочка (Schneemädchen) auf einer Troika durch das Land und bringt den Kindern ihre Geschenke.

[] grüne Weihnachten, Mehrwortausdruck

schneefreie Landschaft an Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen

Zehn Jahre ist es her, dass ganz Deutschland an Weihnachten mit einer dichten, durchschnittlich 37 Zentimeter dicken Schneedecke überzogen war, womit nebenbei auch der Rekord von 1901 weit übertroffen wurde. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte, besonders seit den 1970er Jahren, sind grüne Weihnachten im Flachland allerdings zur Regel geworden – ein Trend, der sich seit der Jahrtausendwende verstärkt hat. Für Städte wie Hamburg oder Köln liegt die Wahrscheinlichkeit für milde Weihnachtsfeiertage inzwischen bei 80 %. Und dieses Jahr sieht es nicht viel anders aus: Atlantische Tiefs mit milder Luft werden wohl die Feiertage bestimmen.

[] Bescherung, die

Feier an Heiligabend, meist in der Familie oder im Freundeskreis, bei der Geschenke überreicht werden

Auch wenn für die Hindus die schönsten Tage des Jahres, das Diwali-Fest, mit dem die Rückkehr des Gottes Rama in seine Hauptstadt gefeiert wird, schon hinter uns liegen (2020 am 14.11.): Heiligabend ist auch in Indien landesweit ein Feiertag, der von den Christen mit einer feierlichen Mitternachtsmesse begangen wird. Sonst ist aber für uns einiges ungewohnt: Als Weihnachtsbäume müssen Bananenstauden und Mangobäume herhalten und am 1. Weihnachtsfeiertag gibt es eine besondere Bescherung: Dem Familienoberhaupt wird als Zeichen der Anerkennung eine Zitrone überreicht, und der Abend klingt Bollywood-like mit Curry-Gerichten und Tanz aus.

[] Jumper, der

gestricktes, gewirktes oder gehäkeltes, meist langärmliges und über den Kopf zu ziehendes Kleidungsstück für den Oberkörper

Kreischbunte weihnachtliche Motive in schrillen Farbkombinationen auf Jahresend-Pullovern: Was hierzulande (noch) als Geschmacksverirrung gilt, ist anderswo Kult. In den USA und in Großbritannien jedenfalls gehören die ausgesucht hässlichen Weihnachtsstricksachen zum Fest wie die Kugeln an den Christbaum. Und am dritten Freitag im Dezember wird in Büros, Schulen oder auf Partys feierlich der „Ugly Christmas Sweater Day“ begangen. Völlig ungeklärt bleibt dabei allerdings die Frage, ob nun ein Sweater (amerikanisches Englisch) immer auch ein Jumper (britisches Englisch) sein kann. Hierfür hüben wie drüben zwei gleiche Meinungen zu finden, dürfte schwierig sein.

[] Rentier, das

Synonym zu Ren: in den nördlichen Polarregionen lebender Wiederkäuer, Hirsch, dessen männliche und weibliche Vertreter ein Geweih tragen und deren breite Hufe die Fortbewegung auf Schnee und Eis gestatten

Wie kam das Rentier eigentlich vor den weihnachtlichen Schlitten? Ein legendärer Zusammenhang ist nicht bekannt – wahrscheinlich war es der Amerikaner Clement Clarke Moore, der es 1822 in seinem Gedicht „A Visit from St. Nicholas“ erstmals vor Santas Holzgefährt spannte. Und was für eine ausgezeichnete Wahl er damit getroffen hat! Das Rentier ist nämlich eine eierlegende Wollmilchsau: Es hält Temperaturen von bis zu -50 °C aus, es braucht keinen Nachtschlaf, kann auch in der Dämmerung gut sehen, auf bis zu 80 km/h beschleunigen – und es wohnt verkehrsgünstig, denn es teilt seinen Lebensraum, den eisigen Norden, mit seinem Arbeitgeber.

[] Dekoration, die

Ausschmückung, das Ausschmückende, Verzierung, Schmuck

Vielleicht sollten Weihnachtsmuffel als Schocktherapie kurzentschlossen einmal eine (aus Klima- und Gesundheitsgründen virtuelle) Reise nach Australien unternehmen: Dort prangen und blinken Santa Claus, Rudolph das Rentier und alle sonstigen weihnachtlichen Figuren – ebenso wie in unseren Breiten – an Hausfassaden und Laternenmasten. Jedoch ist sonst vieles anders auf der Südhalbkugel: Es herrscht nämlich Hochsommer, das Thermometer erklimmt schon einmal die 40 °C. Weiße Weihnacht gibt es im Süden daher nur am Sandstrand, in Badehose und mit Grillzange. Gewöhnungsbedürftig ist das aber sicherlich nur für Australiens Santa selbst – er muss nämlich auch dort im warmen Fellmantel durch den Kamin rutschen.

[] Weihnachtsgurke, die

aus Glas hergestellter Weihnachtsbaumschmuck in Form einer Gewürzgurke

Es ist Brauch in den USA, kurz vor der Bescherung ein täuschend echtes Gurkenimitat aus Glas im Weihnachtsbaum zu verstecken. Wer diese Weihnachtsgurke zuerst findet, darf das erste Päckchen öffnen oder bekommt sogar eins extra. Nicht nur mutet dieser Brauch bizarr an, seine Herkunft ist auch bis heute nicht eindeutig geklärt. Er sei mit deutschen Einwanderern in die USA gelangt, besagt eine mittlerweile widerlegte Theorie. Nach einer weiteren gedenkt man mit dem Brauch eines weihnachtlichen Akts der Güte: Ein pennsylvanischer Gefängniswärter soll an Heiligabend 1864 einen gefangenen Soldaten mit der Gabe einer Gewürzgurke vor dem Hungertod bewahrt haben.

[] Kerzenlicht, das

von einer oder mehreren brennenden Kerzen ausgehendes Licht; Kerze, Teelicht o. Ä.; Flamme einer Kerze, eines Teelichts o. Ä.

Licht in die dunkle Jahreszeit bringen – diesen Vorsatz haben viele Adventsbräuche. Den, nach julianischem Kalender, dunkelsten Tag des Jahres erhellt das schwedische Luciafest. Die Feierlichkeiten beginnen bereits morgens in der Familie und enden abends in einem Festzug aus weiß gekleideten, Kerzen tragenden, Lucialieder singenden Mädchen (und Jungen). Sie werden von der Lichterkönigin Lucia angeführt, die einen Kerzenkranz auf dem Kopf trägt. Brandschutzbesorgte Menschen dürfen jedoch aufatmen, zur Vermeidung von Unfällen werden heute meist elektrische Kerzen verwendet.

[] Weihnachtsmann, der

vor allem in der Vorstellungswelt von Kindern: Wesen, das zu Weihnachten Geschenke bringt

Welches Kind freut sich nicht auf den Weihnachtsmann? Isländische Kinder können sich auf gleich 13 Weihnachtsmänner freuen. Die Jólasveinar, die Weihnachtsgesellen, kommen Tag für Tag, einer nach dem anderen, vom 12. Dezember bis zum 24. Dezember aus den Bergen zu den Menschen. Doch Vorsicht ist geboten! Ihre Manieren haben die Weihnachtsgesellen wohl von ihrer Mutter, dem Trollweib Grýla, gelernt. In eher lausbübischer Natur vergreifen sie sich gerne an den Habseligkeiten unartiger Menschen, lecken ihnen die Töpfe aus, klauen Kerzen, spähen heimlich durch die Fenster oder knallen mit den Türen.

[] Christstollen, der

traditionell für die Advents- und Weihnachtszeit hergestellter, länglich-ovaler Hefekuchen von fester Beschaffenheit und aus gehaltvollem Teig, meist mit Rosinen, Mandeln, sowie Zitronat und Gewürzen wie Kardamon, Zimt o. Ä.

Der Stollen, die Stolle, der Striezel: Für viele ist das ohnehin an Genüssen reiche Weihnachtsfest ohne diesen gewichtigen und gehaltvollen, süßen Laib aus Hefeteig nicht denkbar. Ursprünglich aus dem Sächsisch-Thüringischen stammend und am Hofe Augusts des Starken begehrt, verleiht der Stollen als „Striezel“ einem der traditionsreichsten Weihnachtsmärkte überhaupt seinen Namen, dem Dresdner Striezelmarkt. Bis heute ist die Stollenbäckerei in der Region volkstümlich geblieben – und der „Dresdner Christstollen“ gehört im wiedervereinigten Deutschland zu den eifersüchtig bewachten, das Weihnachtsfest prägenden Marken.

[] Weihnachtsbaum, der

(manchmal künstlicher) Nadelbaum (meist Fichte, Tanne oder Kiefer), der zum Weihnachtsfest in Räumlichkeiten oder im Freien aufgestellt und mit Weihnachtsschmuck dekoriert wird

Die Tradition, immergrüne Bäume festlich zu schmücken, gab es schon vor Beginn unserer Zeit. Die Römer z. B. ehrten den Sonnengott Mithras auf diese Weise. Zugleich schützten im Norden Europas Tannenzweige vor bösen Geistern im Haus. Der Zusammenhang von geschmücktem Baum und Weihnacht ist aber erst seit dem frühen 16. Jh. in Deutschland belegt. In Goethes Werther erlebt der „aufgepuzte Baum mit Wachslichtern, Zukkerwerk und Aepfeln“ 1774 seinen ersten literarischen Niederschlag; ab dem frühen 19. Jh. eroberte das gezierte Grün zunächst Resteuropa, dann die ganze Welt.

[] Weihnachtspyramide, die

in der Weihnachtszeit aufgestelltes pyramidenförmiges Holzgestell mit Kerzen und einer Scheibe mit Figuren, die sich bei brennenden Kerzen dreht

Sind die Kerzen der Weihnachtspyramide angezündet, glänzen Kinderaugen. Durch die von den Kerzen erwärmte, aufsteigende Luft angetrieben, drehen sich auf einer, zwei, drei oder mehr Etagen des Gestells Figurenensembles, vor allem aus der biblischen Weihnachtsgeschichte oder dem Bergmannsleben. Vor allem Letzteres erinnert an die ursprünglich erzgebirgische Herkunft jener adventlichen Kunstwerke. Mittlerweile stehen (in normalen Jahren) mehr und mehr Pyramiden in wahrlich stattlicher Größe auch auf Weihnachtsmärkten – als Symbol der Sehnsucht nach einer von Hektik und Lärm bedrohten Besinnlichkeit.

[] Wunschzettel, der

Liste der Wünsche, die jmd. auf einen Zettel schreibt (besonders ein Kind für den Geburtstag oder für Weihnachten)

Den Weihnachtsmann gibt es nicht? Aber, aber: Mindestens neun Adressen hat er alleine in Deutschland – u. a. in Himmelpfort, Engelskirchen und St. Nikolaus. Wer seinen Wunschzettel an eine davon schickt, bekommt ziemlich sicher sogar eine Antwort. Im norwegischen Drøbak, gut 50 km südlich von Oslo, steht das Postamt des „Julenisse“ mitten auf dem Marktplatz, in den USA schicken Kinder ihre bunten Briefe an eine Adresse am North Kringle Place in Santa Claus. Nicht den Vogel, sondern das Rentier schießen die Kanadier ab: Ihre Briefe gehen direkt an Santas Heimatadresse am Nordpol – Postleitzahl H0H 0H0.

[] Spekulatius, der

flaches, knuspriges, meist mit Zimt, Nelken und Kardamom gewürztes und mit weihnachtlichen Reliefmotiven versehenes Weihnachtsgebäck aus Mürbeteig

Viele lieben die würzigen oft als Nikoläuse oder andere weihnachtliche Gestalten ausgeformten Spekulatius. So vielfältig wie diese sind auch die Erklärungsansätze für den Ursprung ihres Namens. Möglicherweise wurde die niederländische Bezeichnung „speculatie“ in Anlehnung an das lateinische „speculum“ (= Abbild, Spiegel) zu „speculatius“ umgemodelt. Andere Etymologen verweisen auf eine Tradition am Niederrhein, wo die Mürbeteigkekse am Nikolaustag verschenkt wurden. Damit könnte der ursprüngliche Nikolaus, also der Bischof von Myra, der Namenspate sein: Denn das griechische „epískopos“ (Bischof, eigentlich Aufseher) übersetzt sich ins Lateinische als „speculator“.

[] Nikolaus, der

volkstümliche Gestalt, die nach Nikolaus von Myra, einem Heiligen der katholischen und orthodoxen Kirche, benannt ist und Gutes tut; traditionelles, am 6. Dezember begangenes vorweihnachtliches Fest

Warum legt der Nikolaus eigentlich braven Kindern kleine Geschenke in ihre Stiefel? Dieser Brauch geht auf zwei verschiedene Geschichten zurück. Zum einen auf das biblische „Gleichnis von den anvertrauten Talenten“ (Mt 25,14–30): Es erzählt von der Belohnung der Braven und Fleißigen. Zum anderen auf die „Legende von der Mitgiftspende“, auf welcher der Bescherungsbrauch basiert: Damit drei Töchter eines verarmten Mannes der Prostitution entkommen konnten, hinterließ Nikolaus von Myra, noch nicht Bischof, aber wohlhabender Erbe, des Nachts drei Goldstücke in ihrem Haus und schenkte ihnen so ihre Unabhängigkeit.

[] Klausjagen, das

ein dem Samichlaus gewidmeter Umzug, der meist in der Nacht zum 6. Dezember in verschiedenen Orten der Schweiz, unter anderem in Küssnacht am Rigi oder in Hallwil, veranstaltet wird

Der Prozess der Zivilisation: Er hat auch vor Nikolausbräuchen nicht haltgemacht: So hat sich in der Schweiz das sogenannte Klausjagen von einem reichlich ungehobelten Brauch – in der Nacht zum 6. Dezember zogen junge Männer pöbelnd und schnorrend durch die Stadt – zu einem zivilisierten, phantasievollen Umzug gewandelt. Die Teilnehmer tragen nun große Mützen aus Karton, deren ausgestanzte, mit buntem Papier beklebte Motive, von innen beleuchtet werden (wie Kirchenfenster). Den Umzüglern auf dem Fuß folgt dann der Samichlaus (Nikolaus), der von mehreren Schmutzlis begleitet wird, die Nüsse, Krapfen und ähnliches Süßgebäck an die Umstehenden verteilen.

[] Julbock, der

in Skandinavien: Gestalt mit einem Ziegenbockkopf und anderen Attributen, oft Stroh und Fell, die früher Weihnachtsgeschenke brachte; Nachbildung dieser Gestalt als Strohfigur oder als Gebäck

In der nordischen Mythologie gilt die Ziege als Symbol der Fruchtbarkeit, der alljährlich zur Wintersonnenwende mit einem Opfer gehuldigt wurde. Kein Wunder, dass es in Skandinavien lange Zeit vor dem Weihnachtsmann ein Ziegenbock war, der die Geschenke brachte. Eine schwedische Kleinstadt zollt dieser ursprünglichen Tradition seit 1966 auf ganz besondere Weise Tribut: Eine 13 Meter hohe Ziege aus Stroh ziert dort den weihnachtlichen Schlossplatz. Doch wie das ehemalige Ziegenopfer überlebt auch der „Gävler Julbock“ nur selten das Weihnachtsfest. Unverfrorene Feuerteufel sorgen meist dafür, dass dem Julbock ein vorzeitiges, loderndes Ende gesetzt wird.

[] Weihnachtslied, das

Lied, das in der Weihnachtszeit gespielt oder gesungen wird und dessen Text meist einen Bezug zu Weihnachten hat

„Syt willekomen, heirre kirst, / want du unser alre herre bis.“ (Nun sei willkommen, Herre Christ, der du unser aller Herr bist), das nach seiner fragmentarischen Erstüberlieferung so genannte Aachener Weihnachtslied gilt als das älteste in deutscher Sprache. Seine Entstehung wird auf das mittlere 14. Jh. datiert. In einer Erfurter Handschrift von 1390 ist es bereits vollständig enthalten. Aachener Chroniken berichten davon, dass dieses Lied während der Christmette, nach dem Vortrag der Weihnachtsgeschichte, ausschließlich von jenen besonders ehrenwerten Bürgern angestimmt wurde, die als Schöffen agierten.

[] Mistelzweig, der

(abgeschnittener) Zweig einer auf Büschen und Bäumen wachsenden, immergrünen und beerentragenden Schmarotzerpflanze

In der Biologie ist sie ein parasitäres Gewächs, in der Mythologie Magie pur: die Mistel. Bei den Germanen meuchelte Odins Sohn Hödur seinen Bruder Balder (ungewollt) mit einem Mistelzweig. Der trojanische Held Aeneas gelangte mit einem solchen in die Unterwelt. Für die keltischen Druiden besaßen Misteln Zauberkräfte. Und im alten Rom erhoffte man sich von Mistelzweigen über dem Türsturz segenbringende Wirkung, woraus sich möglicherweise im Angelsächsischen der Brauch entwickelte, unter dem Mistelzweig Küsse zu tauschen – einen für jede gepflückte Beere. Essen sollte man diese jedoch keinesfalls, denn sie sind giftig.

[] Adventskalender, der

etw., mit dem ab dem 1. Dezember die verbleibenden Tage bis Heiligabend abgezählt werden können (und das für jeden Tag eine Überraschung wie Bilder, Geschichten, Süßigkeiten bereithält)

Dass der Adventskalender im Biedermeier erfunden wurde, ist kein Zufall. In einer Epoche, in der man die Kindheit als eigenen Lebensabschnitt entdeckte, wuchs auch die Bedeutung von Weihnachten als Kinderfest. Um die Vorfreude noch zu steigern, malten protestantische Eltern Kreidestriche für die verbleibenden Tage an die Türen. Katholische Kinder legten täglich Strohhälmchen in die Krippe. 1903 erschien der erste gedruckte Adventskalender. Da die Adventszeit aber einen Zeitraum von 22 bis 28 Tagen umfassen kann, erwies sich für die Verlage der 1. Dezember als Startpunkt als wesentlich praktischer. Schließlich waren diese Kalender auch im Folgejahr wieder gültig.

[] Fernrohr, das

langes, optisches Gerät, das Gegenstände der Ferne vor dem Auge vergrößert und nahe erscheinen lässt

Es war das Jahr 1609, als Galileo Galilei das erste Mal ein Fernrohr auf den Mond richtete. Bis dahin war man auf das bloße Auge angewiesen, und man hielt, Aristoteles folgend, den erdnahen Himmelskörper für eine ebene, ganz und gar glatte Sphäre. Der Blick durch die vergrößernde Linse eröffnete dem Astronom nun Unerwartetes: Er sah unzählige Unebenheiten, Berge, Krater, und er erkannte, dass die dunklen Partien auf dem Mond von der Erde leicht aufgehellt werden. Seine Beobachtungen, die alle bisherigen Vorstellungen zum Einsturz brachten, hielt er in mehreren, beeindruckend detaillierten Federzeichnungen fest.

[] Tatort, der

Ort, an dem die Straftat begangen wurde

Über eintausend Folgen, über hundert Ermittler und über 1500 (stets fachgerecht sezierte) Leichen. Der „Tatort“ ist nicht nur die älteste, sondern auch die meistgesehene Krimireihe des deutschen Fernsehens. Zum Erfolg beigetragen hat nicht nur das Grundkonzept, aktuelle Themen aufzugreifen, der „Tatort“ ist auch ein Stück gelebter Föderalismus. Schließlich trägt jede Sendeanstalt für ihren „Tatort“ (und ihr Ermittlerteam) die alleinige Verantwortung. So blieben die Folgen der Reihe unverwechselbar, doch stets erfrischend abwechslungsreich (Näheres erst nach der Obduktion!). Herzlichen Glückwunsch zum 50.!

[] Hominid, der

Angehöriger einer Ordnung der Primaten, die aus den Gattungen der Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen und Menschen besteht

Lange Zeit glaubten Anthropologen, die Entwicklung des Menschen hätte in Asien begonnen. Zwar vermutete Darwin bereits anderes, umstimmen konnte die Fachwelt aber erst eine Sendung, die der Anatom Raymond Dart am 28. November 1924 aus einem südafrikanischen Kalkstein­bruch erhielt: darin ein nahezu unbeschädigter versteinerter Kinderschädel, der eindeutig menschliche Merkmale aufwies – das älteste damals bekannte Fossil eines unserer Vorfahren. Dart stellte das als „Kind von Taung“ berühmt gewordene Fossil unter dem neuen Gattungsnamen Australopithecus Africanus der Öffentlichkeit vor.

[] Black Friday, der

letzter Freitag im Monat November, an dem es im Einzelhandel und Onlinehandel sehr viele Werbeaktionen gibt

Sind aus der Vogelperspektive Straßen und Wege plötzlich von Menschenmassen geschwärzt? Sind an diesem Freitag nach dem vierten Donnerstag im November die Geschäfte endlich wieder in den schwarzen Zahlen? Oder haben die Ladenbesitzer am Black Friday schwarze Hände vom Geldzählen? So ganz genau weiß keiner, wie der heutige Tag in den USA zu seinem düsteren Namen kam. Düster geht es an ihm jedoch ganz und gar nicht zu: Viele Amerikaner nehmen sich den Tag zwischen Thanksgiving und dem Wochenende frei und greifen Santa beim Besorgen erster Weihnachtsgeschenke unter die Arme.

[] Mikrokosmos, der

die kleine Welt des Menschen und seiner Umgebung als verkleinertes Abbild des Universums, besonders in der antiken und mittelalterlichen Philosophie

Er begann seine Laufbahn unspektakulär mit dem Lettering, also dem „Befüllen“ von Comic-Sprechblasen. Doch sein eigentliches Talent brach sich bald Bahn: Als Charles M. Schulz vor rund 70 Jahren erstmals seine Bildgeschichten rund um einen sympathischen, aber vom Pech verfolgten Jungen veröffentlichte, erlangten er und seine „Peanuts“ bald Weltruhm. Weil er seinen Mikrokosmos mit unverwechselbaren Charakteren belebte, die ihren Alltag mit beträchtlicher philosophischer Tiefe angehen, sind die Peanuts bis heute beliebt. Am 26. November 1922 wurde ihr genialer Schöpfer geboren.

[] tüfteln, Verb

eine komplizierte Aufgabe mit zäher Ausdauer, Sorgfalt und Genauigkeit zu lösen versuchen

Fässle, Käpsele, Diftla: Für besonders findige Personen hat das Schwäbische so einige Ausdrücke parat. Und Philipp Matthäus Hahn kann sicher als Prototyp des findigen schwäbischen Tüftlers schlechthin gelten. Der heute vor 281 Jahren geborene Hahn studierte zwar Theologie und arbeitete als Pastor, seine lebenslange Faszination aber galt auch der Mechanik: Er konstruierte Uhren, astronomische Geräte, Rechenmaschinen. Die von ihm erfundene Neigungswaage fand sich bis zur Massenproduktion der Digitalwaage in jedem Postamt.

[] Ragtime, der

afroamerikanischer, besonders in der Klaviermusik herausgebildeter Stil, der durch den Gegensatz von synkopierter Melodik und einem streng eingehaltenen, hämmernden Beat in der Bassstimme gekennzeichnet ist; Musik im Rhythmus des Ragtime

„Der ‚Maple Leaf Rag‘ wird mich zum König der Ragtime-Komponisten machen“, soll er prophezeit haben. Zu Recht: Die Notenausgabe dieses kniffligen, rhythmisch „zerrissenen“ (engl. „ragged“) Klavierstücks war bereits sechs Wochen nach ihrer Veröffentlichung 75 000 mal über die Ladentische gegangen. Scott Joplin, der schon als Jugendlicher kunstvoll klimpernd durch texanische und louisianische Kneipen getingelt war, gilt als stilprägend für diese Form. Sicher ist man sich nicht, manche Biografen aber haben den 24. November 1868 als seinen Geburtstag identifiziert.

[] aller Anfang ist schwer, Mehrwortausdruck

wer etw. beginnen, eine neue Aufgabe o. Ä. angehen will, muss oft erst Schwierigkeiten überwinden; die Schwierigkeiten sind meist zu Beginn einer neuen Tätigkeit am größten, später wird es leichter

Die Geburtsstunde der britischen Science-Fiction-Serie „Doctor Who“ stand unter keinem guten Stern. Überschattet vom Attentat auf John F. Kennedy am Tag zuvor, verzeichnete die erste Folge am 23. November 1963 eher magere Einschaltquoten. Ungewiss war die Zukunft der Serie auch, als der Hauptdarsteller erkrankte. Aus der Not wurde jedoch eine Tugend und dem titelgebenden Doktor, als Angehöriger der Alien-Spezies „Timelords“, die Fähigkeit zuteil, sich nach einer tödlichen Verletzung zu regenerieren. In immer wieder neuem Körper reist der Doktor – inzwischen in seiner 13. Inkarnation – nun schon seit 57 Jahren durch Raum und (unsere) Zeit.

[] Brite, der

Einwohner Großbritanniens; jmd., der die britische Staatsbürgerschaft besitzt; jmd., der (ursprünglich) aus Großbritannien stammt

Er sollte sich als „Fourth B“ zu den berühmten „Three Bs“ (Bach, Beethoven, Brahms) hinzugesellen, so der Wunsch seiner ehrgeizigen Mutter, die ihm bereits in Kindesjahren einen musikalischen Frühstart ermöglichte. Tatsächlich erfüllte Benjamin Britten ihren Traum – er wurde zu einem der bedeutendsten britischen Tonkünstler der Moderne, schrieb unzählige Solo-, Chor- und Orchesterwerke, unter anderem – passend zur Jahreszeit – festliche Kleinodien wie die Kantate „Saint Nicolas“ oder die weihnachtliche Liedreihe „A Ceremony of Carols“. Am 22. November 1913 kam der Brite zur Welt.

[] Streich, der

aus Übermut, Mutwillen begangene Handlung, durch die jmd. geneckt, hereingelegt wird, Possen, Schabernack

Der Schädel – 1913 in einer südenglischen Kiesgrube entdeckt – elektrisierte die Wissenschaft: Er besaß eine große Hirnkapazität, zugleich aber einen primitiven Unterkiefer. Passenderweise fand sich an gleicher Stelle ein einem Cricketschläger gleichendes Knochenwerkzeug. Der „Piltdown Man“, Urmensch, Missing Link (und britischer Ahnherr), war geboren. Dabei handelte es sich um einen nicht einmal ernst gemeinten Streich. Einem präparierten mittelalterlichen Schädel hatte man den Unterkiefer eines Orang-Utans mit angefeilten Zähnen beigefügt. Ein Schwindel, der erst 40 Jahre später, am 21. November 1953, aufflog.

[] Wegelagerer, der

historisch: jmd., der an Wegen, Landstraßen jmdm. auflauert, ihn überfällt und beraubt, Strauchdieb

Rheinhessischer Robin Hood, edler Freiheitskämpfer und Charmeur? Hinter der Legendengestalt des Schinderhannes verschwindet bisweilen der historische Johannes Bückler. Zur nationalistischen Verklärung trug bei, dass er im damals französisch verwalteten rechtsrheinischen Gebiet verhaftet und verurteilt wurde. Bei der Bevölkerung war er hingegen als Wegelagerer verhasst. Er zählte gerade einmal 21 Jahre, als er vor Gericht stand, doch konnten ihm über 200 Straftaten, darunter Viehdiebstähle, Raub und Morde nachgewiesen werden. Heute vor 217 Jahren wurde er in Mainz zum Tode verurteilt.

[] stilles Örtchen, das

scherzhaft, verhüllend: Toilette

Heute ist Welttoilettentag, ausgerufen erstmals 2013 von den Vereinten Nationen. Dieser Umstand mag ein wenig albern anmuten, ebenso wie die Existenz einer Welttoilettenorganisation, doch dient beides einem ernsten Zweck: Rund 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu akzeptablen sanitären Anlagen, mit katastrophalen Folgen für ihre Gesundheit und für die Umwelt. Der heutige Tag soll daher helfen, ein Bewusstsein für dieses Problem und besonders auch für alternative sanitäre Ansätze zu schaffen – überall in der Welt.

[] Butler, der

Diener in einem vornehmen Haushalt, besonders in England

Seine Manieren sind perfekt, sein enzyklopädisches Wissen unermesslich, seine Strategeme unfehlbar: Was James Bond für den britischen Geheimdienst ist, das ist Reginald Jeeves für die Welt der britischen Butler. In über 10 Romanen und 50 Kurzgeschichten des P. G. Woodhouse (und mehreren Fernsehadaptionen) geleitet er den verpeilten Aristokratenspross Bertram Wilberforce Wooster durch dessen gefährlichen Junggesellenalltag, bewahrt ihn vor Heiratskomplotten sinistrer Tanten ebenso wie vor unverzeihlichen Modesünden. Am 18. November 1916 hatte der Manservant in „Jeeves übernimmt das Ruder“ seinen ersten Auftritt.

[] Kranich, der

großer, hochbeiniger Stelzvogel mit langem, walzenförmigem Leib, langem Hals und spitzem, geradem Schnabel

Manche Vögel sind eher unscheinbar, der Kranich hingegen fällt mehrfach auf: Seine beeindruckende Körpergröße, sein bunter Kopf, sein lauter Ruf (noch gut erkennbar in seinem verwandten lateinischen Namen: „grus“) und die Schwärme, in denen er jahreszeitlich zwischen Nord und Süd daherzieht, haben von alters her die Dichter inspiriert. Aber auch einfache Leute waren vom langhalsigen Vogel fasziniert: Nach seinem Namen – bzw. einer älteren Form – benannten sie vom Aussehen her ähnliche Objekte wie Wasserhähne und Hebemaschinen: eben Kräne.

[] Grußkarte, die

Post-, Brief- oder Ansichtskarte in gedruckter oder elektronischer Form, auf der der Absender dem Empfänger (zu einem bestimmten Anlass) Grüße übermittelt

Es ist eine eigentümliche „Grußkarte“, die seit 46 Jahren in Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum rast: die „Arecibo-Botschaft“, benannt nach dem gleichnamigen Observatorium in Puerto Rico. Ausgesandt wurde sie 1974 als binär kodiertes, 1679 Bits umfassendes Radiosignal, bepackt mit mathematischen und chemischen Formeln und Informationen über die Menschheit in Richtung Kugelsternhaufen M13. Ob mögliche Außerirdische diese Nachricht tatsächlich verstehen können, steht allerdings in den Sternen. Ohnehin würde es bis dahin noch etwas dauern: M13 ist 25 000 Lichtjahre von uns entfernt.

[] Volkstrauertag, der

in Deutschland seit 1952: staatlicher, stiller Feiertag zum Gedenken an die Kriegsgefallenen und die Opfer von Gewaltherrschaft

Der Volkstrauertag spiegelt wie kaum ein anderer Gedenktag den Wandel deutscher Erinnerungskultur. Erstmals 1925 in der Weimarer Republik, auf Initiative des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge ins Leben gerufen, galt er den gefallenen deutschen Soldaten, sollte aber, zumindest nach den Worten des Reichstagspräsidenten Paul Löbe, auch für die Abkehr vom Hass stehen. Für Goebbels war er – umbenannt in Heldengedenktag – Teil der Kriegspropaganda. Seit 1952 erinnert er in der Bundesrepublik als stiller Gedenktag an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Die diesjährige Gedenkrede im Bundestag hält Prinz Charles.

[] Punk, der

jmd., der sich mit der Punkbewegung identifiziert bzw. deren typischem Erscheinungsbild entspricht

„Punk“ verbinden viele mit den 1980ern, mit nonkonformistischer Kultur und Frisur. Dabei ist der Begriff zumindest im englischsprachigen Raum keine Errungenschaft der Moderne – er ist eine Reaktion auf sie. Vom Erstbeleg an bis zum frühen 20. Jh. bezeichnete „punk“ zunächst Prostituierte, dann junge Homosexuelle, wurde später vor allem im amerikanischen Gefängnis-Slang adjektivisch für allerlei abwertende Hierarchisierungen genutzt und entwickelte daraus das Potenzial für seine kulturelle Emanzipation: Im späten 20. Jh. machte sich eine urbane Jugend, die sich dem Mainstream nicht mehr verpflichtet fühlte, das Wort „Punk“ zu eigen.

[] nett, Adj.

Gefallen, Sympathie erregend; freundlich, liebenswürdig

Heute, am World Kindness Day, werfen wir einen Blick auf eine zugleich freundliche und saubere Etymologie, das Adjektiv „nett“ kann nämlich auf eine wechselvolle Bedeutungsgeschichte zurückblicken: Aus lat. nitidus für „glänzend, hell, sauber“, entwickelte sich das frz. net für „rein, sauber, höflich“. Über flandrische Kaufleute gelangte es im Sinne von „netto“ im 15. Jh. nach Köln, von wo es sich im deutschen Raum ausbreitete. Erst im 17. Jh. etablierte es sich auch als Charakterisierung höflicher, zuvorkommender Menschen.

[] Sternschnuppe, die

kleiner, schwächerer Meteor

„Die Nacht vom 11. zum 12. November war kühl und ausnehmend schön“, erinnerte sich Alexander von Humboldt, eine perfekte Bühne für das atemberaubende Naturschauspiel, das sich vor seinen Augen entfaltete: „Tausende von Feuerkugeln und Sternschnuppen“ zogen über den Nachthimmel Venezuelas, manche schienen „wie durch Explosionen zu platzen“. Der spektakuläre Leonidenstrom von 1799 markiert einen Wendepunkt im Denken Humboldts, der nun nicht mehr von regionalen atmosphärischen Leuchterscheinungen als Ursache ausging, sondern den Ursprung in „Massen“ vermutete, die „im Weltraume (...) um die Sonne kreisen“.

[] schunkeln, Vb.

aus Vergnügen mit untergehakten Armen im Rhythmus der Musik, bei fröhlichem Gesang sich hin- und herwiegen

Fast überall auf der Welt wird am 11.11. der Gefallenen gedacht, denn genau heute vor 102 Jahren endete um 11 Uhr morgens der Erste Weltkrieg. Nicht so im Westen Deutschlands, hier begeht man an diesem Tag nämlich bereits seit Jahrhunderten einen völlig anderen Anlass: den Beginn des traditionellen Karnevals. Diesmal müssen sich rheinische Narren aber beugen – vor einem Eindringling, der keinen Spaß versteht: Die derzeitige COVID-19-Pandemie macht Polonaisen, Schunkelparaden und Bützchen (Küsschen) mit Königen, Clowns und Krokodilen zu einem bedrohlichen Risiko. Entsprechend gelten ausnahmsweise strenge Regeln.

[] Bildungsfernsehen, das

Kategorie von Fernsehprogrammen, Fernsehfilmen und Sendungen, die Zuschauenden aller Altersklassen fundierte allgemeinbildende und wissenschaftliche Inhalte vermitteln sollen

„I am a very nervous bird, I nearly laid an egg right here on Sesame Street“ (Ich bin ein schreckhafter Vogel, beinahe hätte ich ein Ei gelegt, mitten auf der Sesamstraße) – Big Bird (Bibo), das 2,50 m große, knallgelbe, ornithologisch kaum bestimmbare Federvieh, war der erste der viel geliebten Puppenprotagonisten, den Fans der „Sesamstraße“ bei der Erstausstrahlung am 10. November 1969 in den USA zu Gesicht bekamen. Seither hat er gemeinsam mit Frosch Kermit und Co. die Wohnzimmer der Welt erobert und Kinderköpfe nicht nur mit Zahlen und Buchstaben gefüttert, sondern auch Offenheit, Toleranz und Demokratie vermittelt.

[] Geschichtsschreibung, die

schriftliche Dokumentation, theoretische Systematisierung und Interpretation von historischen Ereignissen oder Entwicklungen

Bis in die Neuzeit galt in fast ganz Europa Latein als einzig wahre Wissenschaftssprache. Nur in Island verhielt es sich anders. Bereits Anfang des 12. Jahrhunderts verfasste ein Historiker namens Ari Þorgilsson das erste Geschichtswerk in seiner Landessprache. Die Íslendingabók, das Buch der Isländer, beginnt mit der Zeit der Landnahme (ca. 870) und endet mit Aris Gegenwart im Jahr 1118. Seine Bemühungen, korrekte Daten und herangezogene Quellen anzugeben, inspirierten seine Landsleute dazu, sich in den Isländersagas literarisch mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ari, der Gelehrte, starb am 9. November 1148.

[] Märchen, das

auf Volksüberlieferungen beruhende, oft auch als literarisches Kunstwerk gestaltete, kurze Erzählung, in der von wunderbaren und phantastischen Begebenheiten berichtet wird; salopp: unwahre, erfundene Geschichte, Lüge

Die Brüder Grimm stilisierten sie zur „ächt hessischen Bauersfrau“, vermarkteten sie als prototypische Märchenerzählerin, die im Kreise ihrer andächtig lauschenden Zuhörer alte, mündlich tradierte deutsche Volksmärchen wiedergibt. Über 40 Beiträge hat Dorothea Viehmann zu den Hausmärchen der Grimms beigesteuert. Tatsächlich aber war die Viehmännin keine einfache, unbelesene Frau aus dem Volk, vielmehr gebildete Tochter eines eingewanderten Hugenotten. Und ihre Geschichten wurzelten in der europäischen schriftlichen wie mündlichen Erzähltradition. Sogar mit Goethe war sie weitläufig verwandt. Heute vor 265 Jahren wurde sie geboren.

[] Demokratie, die

(politisches) Prinzip, das freie Willensbildung und die gleichberechtigte Mitbestimmung jedes Einzelnen einer Gemeinschaft an deren Gestaltung vorsieht; Regierungsform, in der (nominell bzw. im Idealfall) die Herrschaftsausübung (direkt durch Volksabstimmungen o. Ä. oder indirekt durch Wahlen) bei den formal gleichberechtigten Staatsbürgern liegt

Schlagwort, Motto, Prinzip: „Demokratie“ ist ein vielfältiges Wort, das in unzählige Sprachen gelangt ist und eine lange Bedeutungsentwicklung mitgemacht hat: In der ersten „Volksherrschaft“ – so die wörtliche Übersetzung – der Geschichte (im antiken Athen) waren nur rund zehn Prozent der Bevölkerung als Vollbürger demokratisch aktiv, also stimmberechtigt. Heute ist der Begriff weiter gefasst. Er schließt Gleichberechtigung, bürgerliche Freiheiten, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und staatlichen Friedenswillen ein. In der über 2000-jährigen Geschichte ist jedoch auch die Erkenntnis gewachsen, dass jedes demokratisch verfasste Staatswesen auf das Vertrauen seiner Bürger angewiesen ist.

[] Kartenhaus, das

aus Spielkarten errichtetes, hausähnliches Gebilde, das bereits bei einem geringen Luftzug oder bei geringer Erschütterung in sich zusammenfällt

Im 17. Jh. beschreibt Kaspar von Stieler das Bauen von Kartenhäusern noch als Kinderspiel. Bald schon hielten Dichter und Erbauungsschriftsteller selbiges ihren Lesern als Metapher für die Hinfälligkeit menschlichen Strebens vor Augen. Bis heute greifen Journalisten nur zu gerne zu diesem Vergleich, wenn das Gebäude eines (kriminellen) Bauherrn in sich zusammenfällt. Skurrilerweise gibt es derzeit aber auch einen Künstler, der Kartenhäuser baut, erstaunlich stabile obendrein. Am 6. November 1999 errichtete Bryan Berg in Berlin ein Kartenhaus mit 131 „Stockwerken“ und stellte damit einen Guinnessrekord auf.

[] verschwören, Vb.

sich (mit jmdm. gegen etw., jmdn.) verschwören: sich heimlich durch feierlichen Schwur (mit jmdm. gegen etw., jmdn.) zu gemeinsamem Vorgehen verbinden

Es fehlte nicht viel und am 5. November 1605 hätte das größte Attentat der englischen Geschichte stattgefunden. Ganze 1,2 Tonnen Schießpulver, gebunkert im Keller des House of Lords, sollten Westminster in die Luft jagen, König Jakob I., dessen Familie und das gesamte Parlament auslöschen. Doch die Clique um den Offizier Guy Fawkes, die auf diese Weise die Katholikenverfolgung beenden wollte, scheiterte durch Verrat. Bis heute erinnert jedes Jahr ein Feuerwerk an die Pulververschwörung, und das Gedicht „Remember, remember the fifth of November“ kennt in England jedes Kind.

[] Ananas, die

tropische Pflanze mit rosettenartig angeordneten Blättern und Blütenständen, die bei Entstehung der Frucht mit Teilen der Blüte und der Deckblätter zu großen zapfenförmigen Früchten verwachsen; gelbe bis orangefarbene Frucht der Ananas

Fremde Pluralmarkierungen setzen sich oft unbemerkt in der Sprache fest: Wir sprechen von der (oder dem) „Zucchini“, wo „Zucchino“ eigentlich korrekter wäre (verpönt jedoch: die „Zucchinis“). Ähnlich verhält es sich mit der „Ananas“. Als Kolumbus am 4. November 1493 Guadeloupe erreichte, wurden ihm Früchte präsentiert, die entfernt gigantischen Pinienzapfen glichen (deshalb auch englisch „Pineapple“). Die Bezeichnung der Indios lautete hingegen „nana“ oder „anana“ und wurde in viele europäischen Sprachen entlehnt. Allerdings schmuggelten die Portugiesen noch ein Plural-s ans Wortende: „Ananas“.

[] Electoral College, das

im Wahlsystem der Vereinigten Staaten von Amerika: aus 538 gewählten Repräsentanten der Bundesstaaten bestehendes Gremium, das alle vier Jahre den Präsidenten und Vizepräsidenten der USA wählt

In den USA wird der Präsident nicht direkt vom Volk gewählt. Zwar stimmen die Wähler für ihren Kandidaten, doch entsendet jeder Bundesstaat eine bestimmte Anzahl Repräsentanten in das Electoral College, die für den Kandidaten mit den meisten Stimmen in ihrem Staat votieren. Deshalb und aufgrund einer nicht ausgewogenen Verteilung nach Einwohnern kann es passieren, dass der Kandidat mit landesweit weniger Wählerstimmen am Ende doch siegt. So 2016, als Donald Trump 63 Mio. Stimmen erhielt, 2,8 Mio. weniger als Hillary Clinton – im Electoral College waren es dann jedoch 306 gegen 232 Stimmen. Es wird also auch diesmal spannend!

[] Lockdown, der

das Abriegeln; der Schutz eines Bereiches in einer Notfallsituation, zur Gefahrenabwehr; Maßnahme, mit der Personen in einer Gefahrensituation am Betreten oder Verlassen eines Bereichs (z. B. Schule, Altenheim, Geschäft) oder am Ausführen einer Tätigkeit gehindert werden; der bei großflächiger Anwendung dieser Maßnahmen hervorgerufene Zustand, in dem öffentliches Leben und Geschäftstätigkeit weitgehend zum Erliegen kommen

Von heute an gilt als Reaktion auf den alarmierende Anstieg der COVID-19-Fallzahlen ein Lockdown light: Konsequente Schutzmaßnahmen sollen den Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindern. Ein Hochschnellen der Fallzahlen erkennt man im Zusammenhang mit dem „Lockdown“ auch auf sprachlicher Ebene: So liefert z. B. das ZDL-Regionalkorpus (Anmeldung erforderlich) bei der Suche nach Belegstellen für diesen Begriff im Zeitraum von 1993 bis 2019 gerade einmal 14 Treffer, auf 2020 erweitert schießt die Zahl auf unglaubliche 6290 Treffer in die Höhe. Wir alle hoffen, dass 2021 auch diese Kurve wieder abflacht.

[] kündigen, Verb

dem Vertragspartner gegenüber ein Vertragsverhältnis, besonders ein Arbeitsrechtsverhältnis oder Dienstverhältnis, als beendet erklären

Die Welt, so klagte der Prediger Jakob Scheffrich im 17. Jh., ist ein ungastlicher Ort: „Sie kündiget vns die Herberge offt auff/ das wir von einem in den andern Orth ziehen müssen“. Interessant aus heutiger Perspektive: Scheffrich schreibt „aufkündigen“, nicht etwa „kündigen“. Denn jenes Verb wurde damals selten und wenn, dann im Sinne von „verkünden“, verwendet. Adelung nennt es um 1800 veraltet. Seither allerdings hat „kündigen“ die ursprüngliche Bedeutung von „aufkündigen“ übernommen. „Aufgekündigt“ werden heute weniger Miet- oder Arbeitsverträge als Freundschaften, Bündnisse usw.

[] Diesseits, das

das irdische Leben, die irdische Welt

Halloween 2020 wird in der Tat geisterhaft: Dieses Jahr, so der offizielle Rat, sollen Kinder auf „Trick or treat!“-Klingeltouren verzichten. Das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus ist einfach zu hoch. Die Tradition rund um „Süßes oder Saures!“ kommt ursprünglich aus Irland, wanderte über den Atlantik in die USA und setzt sich nun weltweit mehr und mehr gegen andere Traditionen durch (in Deutschland z. B. gegen das 10 Tage später stattfindende Martinssingen). In der Nacht vor Allerheiligen müssen die erwachten Geister der Seligen mit kleinen Gaben besänftigt werden – leider wirkt diese Taktik nicht gegen das Virus.

[] Oktober, der

zehnter Monat des Jahres

„Septem, octo, novem, decem“: Wenn man die lateinischen Zahlen von sieben bis zehn mit den Monatsnamen September bis Dezember vergleicht, erkennt man sofort den Zusammenhang – und wundert sich, dass z. B. im nun ausgehenden zehnten Monat unseres Jahres die Acht steckt. Viele wissen, dass dies auf die Verlegung des Jahresanfangs im römischen Mondkalender vom 1. März auf den 1. Januar zurückgeht. Viele glauben aber zu wissen, dass diese Initiative auf Cäsar zurückging. Tatsächlich fand jene Kalenderreform schon im 2. Jh. v. Chr. statt, Julius (wieder ein Monat!) verdanken wir aber die Monatslängen nach dem Sonnenjahr.

[] Testlauf, der

übertragen: Bewährungsprobe für ein geplantes Vorgehen, Projekt, Ereignis

Es war nicht der erste deutschsprachige Gottesdienst seit Beginn der Reformation, aber es war die erste deutsche Messe nach Luthers Konzept: Am 29. Oktober 1525 wurde sie in der Stadtkirche zu Wittenberg zelebriert, gewissermaßen als Testlauf. Was war neu? Luther stellte neue Lieder in deutscher Sprache vor, der Messablauf war gegenüber dem lateinischen Ritus verändert, einige aus reformatorischer Sicht zweifelhafte liturgische Elemente wurden sogar ganz entfernt. Offenbar überzeugte der Test zunächst: Weihnachten 1525 wurde die Deutsche Messe endgültig eingeführt, die Ordnung 1526 als Schrift herausgegeben.

[] heißer Draht, Mehrwortausdruck

Politik: eine direkte telefonische (oder schriftliche) Kommunikationsverbindung zweier oder mehrerer Staatsregierungen für den Austausch von Informationen in Krisensituationen

28. Oktober 1962: Der russische Regierungschef Nikita Chruschtschow informiert die US-Amerikaner darüber, dass er die in Kuba stationierten Nuklearraketen abziehen werde. Mit knapper Not ist der drohende Atomkrieg gestoppt. Das Außergewöhnliche: Dieses Einlenken verkündete Chruschtschow über Radio Moskau, nicht über diplomatische Kanäle. Diese hatten sich in der schnell eskalierenden Krise als zu träge erwiesen. Die Großmächte kamen überein, nun eine ständige Fernschreiberverbindung, den „Heißen Draht“, zu errichten. Tatsächlich hat dieser dazu beigetragen, Konflikte zumindest einzudämmen.

[] Herbststimmung, die

herbstliche Atmosphäre, verhalten melancholische Stimmungslage vor allem während der dritten Jahreszeit kurz vor dem Ende des jahreszeitlichen Zyklus (auf der Nordhalbkugel)

Erntedank und Allerheiligen, Lebensfreude und Totengedenken. Als Jahreszeit zeigt der Herbst ein widersprüchliches Gesicht und „Herbststimmung“ kann eine ganze Palette von Gefühlen umfassen. Vielleicht widmete Rainer Maria Rilke deshalb der dritten Jahreszeit in seinem „Buch der Bilder“ gleich drei Gedichte. In ihnen fing er diese Widersprüchlichkeit meisterhaft ein: im unruhig Wandernden, der sich jetzt kein Haus mehr baut, in der Erde, die – Herbstblättern gleich – wie aus den Sternen in die Einsamkeit fällt. Vielen sind sowohl die Verse als auch die darin beschriebenen Stimmungen eigentümlich vertraut.

[] Mond, der

besonders am Nachthimmel sichtbarer, das Sonnenlicht reflektierender, natürlicher Erdtrabant

Der natürliche Trabant der Erde nimmt kulturell wie wissenschaftlich eine ganz besondere Stellung ein. Denn der am (Nacht-)Himmel ab- und zunehmende, manchmal gänzlich verschwindende und bisweilen sogar die Sonne bedeckende Körper berührt und fasziniert die Menschheit seit Jahrtausenden. Sein Anblick inspirierte, über das Weltall nachzudenken und es zu erforschen: Auf keinen anderen Himmelskörper haben Astronauten bisher ihren Fuß gesetzt, und nicht ohne Grund stammen sowohl die Einteilung des Jahres in Monate als auch der Name „Monat“ vom Mond.

[] Grundlagenwerk, das

Handbuch, meist wissenschaftlichen Charakters, welches neue Erkenntnisse in einem Fachgebiet vermittelt und maßgebend ist für dessen weitere Erforschung

Bis heute ist er aktuell geblieben: Noch immer meistern Schulkinder die Klippen der deutschen Orthografie mit seiner Verlängerungsprobe (Pfer-d, weil Pfer-d-e, fä-ll-t, weil fa-ll-en), erlernen mit Begriffen wie Einzahl, Mehrzahl oder Zeitwort die Grammatik. Doch was der Barockgelehrte Justus Georg Schottelius 1663 mit seiner „Ausführlichen Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache“ vorgelegte, war kein Schulbuch, vielmehr ein monumentales Grundlagenwerk des Deutschen. Es umfasst Sprachgeschichte, Grammatik, Orthografie, Redensarten, Reimkunde und ein Wörterbuch. Er starb am 25. Oktober 1676.

[] innig, Adj.

tief empfunden, mit tiefem Gefühl

Es scheint das Ich, das Du, das Einjeder zu sein in den langen Figuren aus Holz oder Bronze, in den großen Händen, den fließenden Konturen, den ausdrucksstarken Gesichtern. Aus Ernst Barlachs Plastiken ist das Mythologisierende, das Heroische ganz und gar herausgemeißelt. Stattdessen erkennt man in den klaren Gestalten das pure Menschliche, erblickt Freude, Leid, Trauer, Sehnsucht. Den Nationalsozialisten war Barlachs Werk zu „undeutsch“, sie diffamierten es als „entartet“ und belegten den Künstler – ein Jahr vor seinem Tod am 24. Oktober 1938 – mit einem Ausstellungsverbot.

[] Kalebasse, die

aus den Früchten des Flaschenkürbisses oder des Kalebassenbaumes hergestelltes bauchiges Gefäß mit langem Hals

Unsere populären Kürbissorten wie Hokkaido, Butternut oder Jack O’Lantern stammen allesamt aus Amerika. Im europäischen Mittelalter war ein anderer Kürbis bedeutsam, geradezu heilig: der Flaschenkürbis. Denn der Vulgata (Jona 4,6–10) zufolge hatte Gott für den Propheten Jona über Nacht eine Kürbispflanze wachsen lassen, „die schatten gab vber sein Heubt“. Die Frucht der Wunderpflanze, die ausgehöhlte, mit Weihwasser gefüllte Kalebasse, gehörte zu den unverwechselbaren Attributen des frommen Pilgers. Tatsächlich aber lag im lateinischen Bibeltext ein Übersetzungsfehler vor: Gemeint war ursprünglich der Rizinusstrauch.

[] Halbgott in Weiß, Mehrwortausdruck

scherzhaft, übertrieben, gelegentlich ironisch: Arzt (im Arbeitskittel)

Das Stethoskop im Kittel, das Skalpell in der Hand, das Herz am rechten Fleck: Deutschlands beliebtester Halbgott in Weiß, Professor Brinkmann, rettete in den 1980ern vor Krankheit und Langeweile. Immerhin wurde seine Schwarzwaldklinik regelmäßig von bis zu 28 Millionen Menschen besucht – die Fernsehserie gehört nämlich, trotz ihrer Überdosis an Kitsch, zu den populärsten des letzten Jahrhunderts. Klausjürgen Wussow mimte den Chefarzt, Sascha Hehn seinen feschen Sohn und Kollegen, Gaby Dohm die Krankenschwester bzw. (spätere) Ärztin und Brinkmann-Gattin. Heute vor 35 Jahren wurde die erste Folge ausgestrahlt.

[] teuflisch, Adj.

(höchst) bösartig, niederträchtig, infam, boshaft; wie der Teufel, wie vom Teufel

Sonntag, 21. Oktober 1638, Widecombe, Dartmoor, Südengland: 300 Gläubige machen sich auf den Weg zum Gottesdienst. Um den Kirchhof St. Pancras tobt ein teuflisches Gewitter, im Gotteshaus jedoch wähnt man sich sicher. Plötzlich brüllt ein gewaltiger Donner auf, ein „Feuerball“ zerreißt das Dach, verletzt 60 Menschen, vier überleben die Katastrophe nicht. Das fatale Ereignis von Widecombe wird von vielen als seltener Kugelblitzeinschlag interpretiert, ein Phänomen, dessen Existenz nicht wirklich gesichert ist. Mancher Widecomber munkelt aber noch heute: Es war kein Blitz, es war der Teufel höchstpersönlich.

[] Grünspan, der

giftiger grüner Überzug auf Gegenständen aus Kupfer oder Messing, der durch die Einwirkung von Essigsäure und Luft entstanden ist, Patina

Anders als (hässlich anzuschauender) Rost verleiht eine Patina aus Grünspan Antiquitäten oder Imitationen derselben eine vornehme Aura des Alten. Auch im Mittelalter war das grünlich schimmernde Kupfersalz der Essigsäure begehrt, da es sich verhältnismäßig preiswert herstellen und als Farbpigment z. B. für Illuminationen verwenden ließ. Gehandelt wurde es unter dem Namen „Viride Hispanicum“, Spanisches Grün, womit auch das „-span“ im Grün-span erklärt wäre. Denn mit dem „Span“ hat das Wort nichts gemein.

[] entlarven, Vb.

das wahre (schlechte) Wesen, den wahren (schlechten) Charakter von jmdm., etw. zu erkennen geben, enthüllen

Die meisten kennen die Geschichten von Lemuel Gulliver, dem leichtgläubigen Seefahrer, der sich zwischen den winzigen, aber gigantisch unfriedlichen Liliputanern behaupten muss, aus ihrer Kindheit. Jonathan Swifts ursprünglich viel umfangreicherer vierteiliger Roman liest sich in der ungekürzten Fassung aber kaum wie eine fantastische Abenteuergeschichte: Vielmehr präsentiert er sich als entlarvende, bissige Gesellschaftssatire, die mit der korrupten europäischen Feudalgesellschaft und der durchdringenden Lasterhaftigkeit des Menschen abrechnet. Swift starb heute vor 275 Jahren.

[] Trendsetter, der

jmd., der (weil man ihn als maßgebend ansieht o. Ä.) etw. Bestimmtes allgemein in Mode bringt, der einen Trend auslöst

Er gilt als der bedeutendste deutsche Komponist des Frühbarock und als wahrer musikalischer Trendsetter. Von Haus aus eigentlich Organist, verfasste Heinrich Schütz vor allem geistliche Vokalmusik in deutscher Sprache – sie entstand für die Gottesdienste am Dresdner Hof, wo er von 1619 an bis ins hohe Alter als Kapellmeister wirkte. Zuvor unternahm er ausgedehnte Reisen nach Italien, wo er sich mit der Praxis des Generalbasses, der Madrigalform und der venezianischen Mehrchörigkeit vertraut machte. All dies etablierte er später auch in Deutschland. Heute vor 435 Jahren kam er zur Welt.

[] Appell, der

Aufruf (an die Öffentlichkeit)

„Politik im Groteskstil, (...) Halleluja und derwischmäßigem Wiederholen monotoner Schlagworte, bis alles Schaum vor dem Mund hat. Fanatismus wird Heilsprinzip, (...) Politik wird zum Massenopiat des Dritten Reichs (...).“ Heute vor genau 90 Jahren hielt Thomas Mann im Berliner Beethoven-Saal seine bedeutende „Deutsche Ansprache“, in der er angesichts des besorgniserregenden politischen Aufstiegs der NSDAP an die Vernunft seiner Landsleute appellierte. Zwar wurde die Rede durch Zwischenrufe einzelner SA-Leute gestört, der überwiegende Teil der Zuhörer reagierte jedoch mit begeistertem Applaus.

[] guter Ton, Mehrwortausdruck

Normen, Regeln für das in einer bestimmten sozialen Umgebung angemessene Verhalten; das diesen Normen, Regeln entsprechende Verhalten

Welches Besteck man in feiner Gesellschaft nutzt oder ob man beim Niesen „Gesundheit“ wünscht – die Antworten auf diese Fragen werden landläufig im „Knigge“ erwartet. Doch Adolph Freiherr Knigge verstand sein zweibändiges Werk „Über den Umgang mit Menschen“ als soziologische Abhandlung: Ihm ging es um einen taktvollen und höflichen Umgang „mit allen Klassen von Menschen“, auch mit Schurken, Trunkenbolden und Frauenzimmern … am Ende sogar mit sich selbst. Erst nach seinem Tod wurde das Werk vom Verlag schrittweise um Benimmregeln erweitert. Am 16. Oktober 1752 wurde der Freiherr geboren.

[] Anklage, die

Beantragung eines Strafverfahrens; Beschuldigung

Als Hauptmann Alfred Dreyfus, der als erster Jude im französischen Generalstab tätig war, am 15. Oktober 1894 bei seinem Vorgesetzten vorstellig wurde, ahnte er nicht, was vor ihm lag: Verhaftung, ein rechtswidriger Militärprozess und lebenslange Verbannung wegen Landesverrats. Der Fall führte zu einer schweren Krise in Frankreich, die beinahe in einen Staatsstreich mündete. Es sollte zwölf Jahre bis zur Rehabilitierung des unschuldigen Dreyfus dauern. Einen der Höhepunkte der Affäre setzte Émile Zola 1898 in einem offenen Brief an den Präsidenten mit dem Titel „J’accuse…!“, in welchem er, ebenfalls anklagend, Dreyfus vehement verteidigte.

[] Wohnmaschine, die

riesiger Wohnblock (in Plattenbauweise) mit normierten Wohnungen (und Einrichtungen des täglichen Bedarfs) zur Unterbringung vieler Menschen

Sie ist 138 Meter lang, 25 Meter breit und 56 Meter hoch, kombinierte bei ihrer Eröffnung am 14. Oktober 1952 auf 18 Etagen 337 Maisonettewohnungen, zahlreiche Geschäfte, eine Wäscherei, ein Hotel und eine Dachterrasse mit Kindergarten, Freilufttheater und Fernblick: Die „Cité radieuse“ in Marseille, die erste fertiggestellte Unité d’Habitation oder „Wohnmaschine“ des Architekten Le Corbusier. Er plante sie als „vertikale Stadt“, die schnell bezahlbaren und dennoch komfortablen Wohnraum bieten sollte. Insgesamt wurden fünf dieser Wohneinheiten fertiggestellt, eine, das „Corbusierhaus“, im Berliner Westend.

[] Gimmick, das

auffallende, attraktive Beigabe zu einem Produkt, einer Dienstleistung, die Aufmerksamkeit oder Kaufinteresse wecken soll (und meist unabhängig vom Produkt oder der Dienstleistung genutzt werden kann)

Wem das Glück der frühen Geburt zuteil wurde, der konnte sich in seiner Kindheit jeden zweiten Monat auf das Yps-Heft freuen, mit seinen charakteristischen Comics, Kleinanzeigen für Kinder und – zweifelsohne das Wichtigste – kleinen beigegebenen Abenteuern, den so genannten Gimmicks. Urzeitkrebse zur Aufzucht, ein Radio zum Selberbauen, eine Maschine für viereckige Eier und vieles mehr. Heute vor 45 Jahren kam die erste Nummer des regelmäßig erscheinenden Heftes heraus, vor zwanzig Jahren die letzte – spätere Exemplare richteten sich an nostalgische Erwachsene, die treuen Leser aus der Glanzzeit.

[] ergötzen, Vb.

gehoben: jmdn. amüsieren, jmdm. Vergnügen bereiten

„Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen, / Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen“, heißt es im „Faust I“. Hat Goethe hier etwa um des Reimes willen ein e anstelle des ö eingeschmuggelt? Nicht ganz: Zwar schrieb man zu seiner Zeit wesentlich häufiger „ergötzen“, aber die Form „ergetzen“ war neben „ergätzen“ durchaus noch geläufig. Der Grund für die volatile Orthografie des seltsamen Wortes lag darin, dass die genaue Herkunft, allen Erklärungsversuchen zum Trotz, lange ein ungelöstes Rätsel blieb. Klar war eigentlich nur, dass das Wort mit dem Götzen nichts zu tun hatte. Mittlerweile kennt man die Antwort.

[] Stimme, die

Meinungsäußerung, Willensbekundung; Willensäußerung des einzelnen bei einer Abstimmung, Wählerstimme

„My voice, our equal future“ (Meine Stimme, unsere gleichberechtigte Zukunft) ist das Motto des diesjährigen Welt-Mädchentags, den die UNICEF vor neun Jahren erstmals ausrief: Mädchen weltweit verschaffen sich Gehör und treten für die Wahrung ihrer Rechte ein – die Hoffnung: eine Zukunft in einer besseren Welt, in der Mädchen und junge Frauen nicht mehr nur an einem 11. Oktober gehört werden, sondern an jedem Tag; eine Welt, in der ihnen der gleiche Respekt, der gleiche Rechtsschutz, die gleiche Stimme und die gleiche Perspektive gewährt werden wie Jungen und jungen Männern.

[] Dackelblick, der

oft spöttisch: einen treuherzigen Eindruck machender oder machen wollender Blick

Ob „Hundefraß“, „hundeelend“ oder der sprichwörtliche „Dackelblick“. Canis lupus familiaris – so der wissenschaftliche Name – ist nicht nur ein treuer Begleiter des Menschen, der sich auf Sofas oder in Parks breitmacht. Er hat es sich auch in unseren Wortschatz gemütlich eingerichtet. Über hundert Komposita mit „Hund“ als Wortbestandteil und unzählige Redewendungen mit „unverzichtbaren“ Lebensweisheiten („Hunde, die bellen ...“) zeigen: Er ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Heute feiern die Freunde des Vierbeiners den Welthundetag.

[] Supernova, die

gewaltige Explosion, mit der ein massereicher Stern am Ende seines Lebenszyklus vernichtet wird, auf der Erde als kurzzeitiges, helles Aufleuchten sichtbar; der explodierende Stern selbst

„(...) ditz allein ⟨ist⟩ gewiß / das er eintweder vns Menschen gar nichts / oder aber solliche hohe wüchtige ding zubedeuten habe / die aller Menschen Sinn vnd vernunfft vbertreffen“, so Johannes Kepler über einen „newen Stern“, der am 9. Oktober 1604 erstmals in Italien beobachtet worden ist. Und in der Tat: Die etwa 20 000 Lichtjahre entfernte Supernova 1604, die kurzzeitig heller schien als der Jupiter und nach etwa einem Jahr wieder vom Himmel verschwand, brachte endgültig den damals etablierten Glauben an die aristotelische Kosmologie ins Wanken: Nach ihr galten sogenannte Fixsterne nämlich als unveränderlich.

[] Dauerwelle, die

durch feuchte Wärme oder chemische Substanzen künstlich hergestellte Wellung des Haares

Mit Locken ist es ein Kreuz: Wer gewelltes Haar hat, will es oft glätten, wer glattes Haar hat, sehnt sich nach Kräuselung. Für beides gibt es inzwischen technische Hilfsmittel. Eines davon verdanken wir dem aus Baden stammenden Londoner Frisör Karl Ludwig Nessler (alias Charles Nestle), der vor 114 Jahren – nach mehrjährigen, teils schmerzhaften Experimenten an seiner Gattin – seiner ehrenwerten Zunft das weltweit erste einsatztaugliche System für eine erfolgreiche Dauerondulation vorstellte. Angeblich sah es zunächst den Einsatz von Kuh-Urin vor.

[] Herbst, der

dritte der vier Jahreszeiten, Zeit der Ernte und des Welkens

Die dritte Jahreszeit gilt nicht umsonst als die bunteste: Blätter glänzen rot und golden, Getreide und Früchte sind reif für die Ernte, das kürzere Tageslicht mahnt zum „Carpe diem!“ Tatsächlich sind Jahreszeit und Redewendung auch etymologisch recht bunt: „Herbst“, englisch „harvest“ (Ernte) – beide aus germanisch „*harƀista-“ (Ernte, Erntezeit) – und lateinisch „carpere“ (pflücken) gehen auf eine gemeinsame Wurzel zurück, die nach Ausweis von hethitisch „karp-“ (aufheben, nehmen, pflücken) erst das Einsammeln, dann das Pflücken und Abschneiden von Früchten bedeutete.

[] Kaffeeklatsch, der

umgangssprachlich, scherzhaft: gemütliches Beisammensein eines kleinen Kreises mit Plauderei bei Kaffee und Kuchen

„Kaffeeklatsch“ ist ein international beliebtes Wort, in Amerika markiert es sogar einen sozialen Wandel. So war im 19. Jh. der in feineren Kreisen Amerikas gepflegte afternoon tea, zu dem man förmlich per Billet einlud, doch eine eher steife Angelegenheit. Der Kaffeeklatsch, der sich ab den 1870er Jahren ausbreitete, leitete da einen gewissen Sinneswandel ein. Denn schon die lautmalerische Eigenschaft des Wortes – eine Benimmbuch-Autorin sprach vom „admirably descriptive sound“ – machte sprachübergreifend spürbar, dass nicht soziale Etikette, sondern der hemmungslose Tratsch im Vordergrund stand.

[] außerordentlich, Adj.

über das Gewöhnliche hinausgehend, hervorstechend, bemerkenswert

Vor 26 Jahren rief die UNESCO den 5. Oktober zum Welttag der Lehrerin und des Lehrers aus, um auf die verantwortungsvolle Aufgabe dieses Berufsstands aufmerksam zu machen und sein Ansehen weltweit zu stärken. In diesem außerordentlichen Jahr steht der Welttag unter dem Motto: „Teachers: Leading in crisis, reimagining the future“ (etwa: Lehrende: Lotsen in der Krise, Zukunftsvisionäre). Tatsächlich haben COVID-19-Pandemie und Lockdown Lehrerinnen und Lehrer weltweit vor immense, bisher unbekannte Herausforderungen gestellt: Jenen begegneten sie mit Mut, Verstand, Kreativität und unglaublicher Resilienz.

[] Grausen, das

starkes Grauen vor etw. Entsetzlichem, unabwendbar Vernichtendem, Entsetzen über etw.

Die Geschichte ist der Albtraum jedes Spinnenphobikers: Ein Heer von haarigen Achtbeinern fällt über eine ländliche Gegend her. Jeder, den sie berühren, stirbt einen grauenvollen Tod. Soziale Konflikte tun ein Übriges, um die Gesellschaft an den Rand der Katastrophe zu bringen, aus der sie nur selbstloser Opfermut rettet. Ob man „Die schwarze Spinne“ nun als frommes Gleichnis, als Sozialstudie oder als Schauergeschichte liest: Mit ihrer raffinierten Rahmenerzählung ist die Novelle ein literarisches Kunstwerk, das lange unterschätzt wurde. Ihr Schöpfer, Jeremias Gotthelf, wurde am 4. Oktober 1797 geboren.

[] Einheit, die

die ein Ganzes bildende Verbundenheit, Unteilbarkeit, Ganzheit

Das Wort „Einheit“ taucht zuerst im 15. Jh. als eine der vielen Möglichkeiten auf, das lateinische „ūnitās“ zu übersetzen. Von Anfang an besitzt es annähernd die heutigen Hauptbedeutungen, „das Einssein“ (als Einheitlichkeit, geschlossenes Ganzes usw.) und „die Einzelgröße, das Element“ (z. B. in den Naturwissenschaften). Zunächst auf die theologisch-philosophische und mathematisch-technische Literatur beschränkt, orientiert sich seine Verwendung seit dem 18. Jh. stärker am Vorbild des französischen „unité“. Auf der heute dominierenden Bedeutung (wie oben nachzulesen) – sie ist seit etwa dem 17. Jh. zu erkennen – basiert auch der Begriff „Tag der Deutschen Einheit“.

[] Präsident, der

Vorsitzender einer (bedeutenden) staatlichen oder nichtstaatlichen Organisation, eines Vereins, einer Institution o. Ä.; Staatsoberhaupt einer Republik

Ursprünglich war der Präsident ausschließlich Leiter eines juristischen Gremiums. Heute sind seine Funktionen ins Vielfache gewachsen: vom Kopf des Verfassungsgerichts über den wichtiger staatlicher oder gesellschaftlicher Einrichtungen bis hin zum Staatsoberhaupt. Dabei weist die Bedeutung des zugrundeliegenden Verbs noch auf weitere wichtige Eigenschaften hin: „praesidēre“ steht auch für „(be)schützen“ und „decken“. Das Amt des Präsidenten war entsprechend von jeher ein zugleich ehrenwertes wie herausforderndes. Wir wünschen dem neuen Präsidenten der BBAW, Christoph Markschies, eine von Erfolgen gekrönte Amtszeit.

[] Stabwechsel, der

bildlich: Übergabe der Amtsgeschäfte durch den bisherigen Amtsinhaber

An der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften findet heute ein bedeutender Stabwechsel statt. Zwar nicht im sportlichen, in gewisser Weise aber doch im olympischen Sinne: Nach fünf Jahren höchst tätiger, höchst erfolgreicher Führung gibt unser nun ehemaliger Präsident, der Mathematiker Martin Grötschel, das Amt an seinen Nachfolger, den Theologen und Historiker Christoph Markschies, weiter. Wir bedanken uns bei Herrn Grötschel für seinen unermüdlichen und sehr erfolgreichen Einsatz für die digitale Lexikographie und blicken mit Spannung und Zuversicht auf eine erfolgreiche nächste Etappe.

[] Algorithmus, der

Anweisung, Verfahren zur Lösung eines (mathematischen, informationstechnischen) Problems durch schrittweise Bearbeitung, Umformung von Zeichenreihen; Rechenverfahren nach einem bestimmten Schema

Es gibt Probleme, die man lösen kann, es gibt Probleme, die man nicht lösen kann. Das gilt für Alltagsprobleme, es gilt für wissenschaftliche Probleme, es gilt für die großen Probleme des menschlichen Lebens. Für einen kleinen Teilbereich davon haben die Mathematiker im Lauf der Jahrhunderte automatische Verfahren – Algorithmen – entwickelt. Manche dieser Algorithmen kann man auch auf Alltagsprobleme anwenden, beispielsweise auf die optimale Gestaltung von Reiserouten oder von innerstädtischen Bus- und Bahnnetzen. Algorithmen für die großen Probleme des menschlichen Lebens hat man allerdings bisher noch nicht entdeckt.

[] Wahnbild, das

auf einem Irrglauben beruhende Vorstellung, Fantasie, Wunschbild, Wahnvorstellung

Für ihn war das Gefängnis ein Ort der Resozialisierung. Der verschuldete Edelmann hatte sich als Marinebeamter am Staatseigentum vergriffen und war 1597/1598 schließlich inhaftiert worden. Hier fand der fünfzigjährige Miguel de Cervantes Muße zum Schreiben. Was als kurze Satire geplant war, wuchs zu dickleibiger Weltliteratur heran: Seine Figur des Möchtegernritters Don Quijote, der im Wahn gegen Weinschläuche oder Windmühlen kämpft, ist in Literatur und bildender Kunst unzählige Male aufgegriffen worden, der Name ging sogar in unseren Wortschatz ein. Am 9. Oktober 1547 wurde sein Schöpfer geboren.

[] gemütlich, Adj.

bequem und behaglich

Das althochdeutsche Wort „muot“ war nie semantisch eindeutig. Es spricht von „Kraft des Denkens“, von „Seele“ und „Herz“, von einem „Gemütszustand“ oder „Gefühl“, aber auch von einer „Gesinnung“, „Absicht“ oder „Neigung“. Entsprechend sind z. B. mit „Zumutung“, „vermuten“ oder „Übermut“ Wortbildungen mit unterschiedlichsten Bedeutungsnuancen daraus hervorgegangen. Nach einer wird uns zu Herbstbeginn wieder verstärkt „zumute“ sein: der „Gemütlichkeit“. Seit dem 18. Jh. ist das Adjektiv „gemütlich“ populär geworden, erst als Gegensatz zu „verstandesmäßig“ mit der Bedeutung „was das Gemüt anspricht“, dann mehr und mehr im heutigen Sinne.

[] Winner-takes-all-Prinzip, das

Grundsatz des Wahlrechts in den USA, nach dem in den einzelnen Bundesstaaten die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen über die Nominierung der zur Wahl des US-Präsidenten autorisierten Wahlmänner und Wahlfrauen entscheidet

Am 3. November 2020 wählen US-Bürger/innen ihren neuen Präsidenten. Das indirekte Wahlsystem der USA allerdings gewährleistet nicht immer, dass der Wille der Majorität auch umgesetzt wird. Die Gründe dafür: das Electoral College, die Uneinheitlichkeit des Verhältnisses von Einwohner pro Wahlmann in den verschiedenen Bundesstaaten (während in Wyoming ein Wahlmann auf etwa 188 000 Einwohner kommt, ist es in Kalifornien einer pro rund 677 000) und das Winner-takes-all-Prinzip. In den letzten 200 Jahren erhielten dadurch vier nicht von der Wählermehrheit bestimmte Präsidenten trotzdem das Amt. Zuletzt Donald Trump 2016.

[] Segeltörn, der

Fahrt, Ausflug oder Reise mit einem Segelboot oder einer Segeljacht

Es ging nicht in 80, sondern in 1018 Tagen um die Welt, dennoch war Francis Drakes globaler Segeltörn zwischen 1577 und 1580 ein bemerkenswerter. Historisch: Er war einer der ersten erfolgreichen überhaupt. Wissenschaftlich: Unter anderem wurde die Beschaffenheit der Magellanstraße erkundet. Politisch: England war mit Spanien verfeindet und jenes beherrschte Teile des auf Drakes Route liegenden (und hier und da von jenem schwerst ausgeplünderten) Südamerika. Am 26. September 1580 erreichte der Seefahrer mit Schätzen beladen, aber um 100 Mann ärmer, endlich das heimatliche Plymouth.

[] Kompromiss, der oder das

Verständigung, die durch beiderseitiges Nachgeben in einer strittigen Angelegenheit erreicht wird, beiderseitige Übereinkunft

Der epochale Kompromiss, mit dem König Ferdinand I. und die deutschen Reichsfürsten am 25. September 1555 nach Unruhen und Konfessionskriegen Frieden schufen, ist gemeinhin als Augsburger Religionsfrieden bekannt. In dem außerordentlich komplexen Vertragswerk sicherten die Partner einander nicht nur Gewaltverzicht zu. Die Fürsten erhielten zudem das Recht, in ihren Territorien die Religion selbst zu bestimmen (Ius reformandi). Den Untertanen wurde im Gegenzug immerhin das Recht auf Emigration zugestanden (Ius emigrandi). Der Volksmund brachte dies kurz und knackig auf die Formel: „Wo ich leb, so ich bet“.

[] Isländisch, das

auf Island beheimatete Sprache aus dem nordgermanischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie

Island ist ein zu Recht beliebtes Reiseziel – die komplexe Sprache seiner rund 300 000 Einwohner erweckt jedoch bei Touristen, die auf den Hvannadalshnúkur oder nach Fljótsdalshérað wollen (oder auch nur Sigur Rós hören), großen Respekt. Dabei stellt sich das Isländische, das auf eine über tausendjährige Literaturgeschichte zurückblicken kann, als linguistische Schatztruhe heraus: In ihm konnten sich Formen erhalten, für die man sonst in altgermanische Sprachen blicken muss – nicht zuletzt ein Resultat der seit rund 200 Jahren vorherrschenden starken Tendenz zum sprachlichen Purismus.

[] Notruf, der

telefonischer Anruf, Funkspruch, Signalübermittlung o. Ä. zur Alarmierung der Polizei, Feuerwehr oder einer anderen Rettungsstelle in einer (mit Gefahr für Leib und Leben verbundenen) Notsituation; Telefonnummer, unter der ein Notruf entgegengenommen wird

Wie leider so oft: Es muss erst etwas passieren, damit etwas passiert. 1969 starb der achtjährige Björn Steiger nach einem Unfall, weil es kein effizientes, schnelles System der Notfallhilfe gab. Seine Eltern gründeten daher die Björn Steiger Stiftung, der wir ein zentrales, einheitliches und schnelles Vorgehen bei Notfällen ebenso verdanken wie die Notrufsäulen an Straßen in Zeiten der Prä-Mobilfunk-Ära. Eine der bekanntesten Errungenschaften ist die Einführung der für uns mittlerweile völlig selbstverständlichen Nummern 110 und 112 – heute vor 47 Jahren.

[] Emanzipation, die

Gleichstellung bzw. Erlangung eines Zustandes der (rechtlichen, politischen) Gleichstellung durch Befreiung von Abhängigkeiten

Im Römischen Reich waren mit der „emancipatio“ zwei Rechtsakte verbunden: 1. der Familienvater entließ den Sohn zur Gründung eines Hausstandes aus der väterlichen Gewalt, 2. ein Sklave wird freigelassen. Beide Handlungen entsprechen auch den Facetten des modernen Begriffs „Emanzipation“, der im 19. Jh. zum Motor des Fortschritts wurde – zum einen die Befreiung hin zur Gleichberechtigung (z. B. jüdische Emanzipation, Frauenemanzipation), zum anderen immer noch die Befreiung aus Knechtschaft: Am 22. September 1862 verkündete Abraham Lincoln mit der „Emancipation Proclamation“ die Abschaffung der Sklaverei.

[] Mobiltelefon, das

tragbares (und handliches), ortsunabhängig verwendbares Telefon, das über Funk mit einem Telefonnetz verbunden ist

Es wog nur 800 Gramm, war insgesamt ein Drittel Meter lang, konnte innerhalb von zehn Stunden voll aufladen und bot dann ganze 30 Minuten Sprechzeit. Zugegeben, tragbar mag es gewesen sein, aber handlich war es tatsächlich noch nicht, das erste kommerzielle Mobiltelefon mit Namen DynaTAC 8000X von Motorola. Damals ging es für knapp 4000 USD (dies entspricht heute knapp 10 000 USD) über den Ladentisch und wurde innerhalb eines Jahres weltweit immerhin 300 000 Mal verkauft. Am 21. September 1983 erhielt es von der Federal Communications Commission seine Zulassung.

[] Frucht, die

aus dem Samen und seiner Hülle bestehendes pflanzliches Produkt, besonders Obst, das vorzugsweise der menschlichen Ernährung dient

Sein Leben hat historische Zeitenwenden überdauert, die übliche Lebenserwartung seiner Generation hatte er längst übertroffen. Doch Jacob Grimm arbeitete, veröffentlichte weit bis ins hohe Alter und schrieb, wenn auch zunehmend verbittert, am Deutschen Wörterbuch. Missgünstige Kritiker und eine schwindende Leserschaft nagten an ihm: „… ich könnte schlafen gehen, ohne dass es viel bemerkt würde“. Den Artikel „Froteufel“ konnte er mit 78 noch vollenden, die angefangene „Frucht“ lag auf dem Schreibtisch, als er am 20. September 1863 starb, an einem Infekt, den er sich ausgerechnet auf einer Kur eingefangen hatte.

[] Caucus, der

in einigen US-Bundesstaaten während des Vorwahlkampfs: auf lokaler Ebene stattfindende Versammlung einer Partei, bei der die Teilnehmer über einen Präsidentschaftskandidaten abstimmen oder dessen Unterstützer als Delegierten auf den nationalen Parteitag entsenden

Wie gelangen Fremdwörter in die eigene Sprache? Mal bezeichnen sie ein neues Produkt („Computer“), mal ein neues Konzept („Avantgarde“), mal entspringen sie einer Mode („cool“, „chill“). Es gibt aber auch sogenannte „mots justes“, also Wörter, die eine spezielle Nuance ausdrücken – ohne in der Gebersprache entsprechend genau zu sein (wie „puzzle“: engl. = jede Art Rätsel, dt. = das Legespiel). Ein solcher Fall ist auch der Begriff „Caucus“, eigentlich schlicht für eine politische Beratung, der hierzulande seit Neuestem speziell für die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten in den USA verwendet wird.

[] Gerrymandering, das

in Wahlsystemen mit Mehrheitswahlrecht: Zuschnitt der Wahlkreise bzw. Bestimmung der Wahlbezirksgrenzen zugunsten einer politischen Partei oder Gruppierung (unter Berücksichtigung des zu erwartenden Stimmenverhältnisses)

So wie Charles Boycott hinter dem Wort „Boykott“ steht, so steht auch ein Gouverneur von Massachusetts, Elbridge Gerry, (unfreiwillig) für das berüchtigte Gerrymandering. Als 1812 in seinem Staat die Grenzen der Wahlkreise zugunsten seiner Partei neu gezogen wurden, glich manchen der Umriss eines Countys einem drachenartigen Wesen. Findige Journalisten prägten daraufhin das Kofferwort „gerry-mander“ aus „Salamander“ (das mythologische Geschöpf) und dem Namen „Gerry“. Jener hatte die Einteilung eigentlich abgelehnt, das entsprechende Gesetz trägt gleichwohl seine Unterschrift.

[] Feierbiest, das

oft scherzhaft: feierfreudige, zu Hedonismus, ausgelassener Stimmung, zügelloser Fröhlichkeit neigende Person

Das Wort Feierbiest ist erst vor 10 Jahren mit dem denkwürdigen Spruch „Ich bin ein Feierbiest“ ins Deutsche eingewandert; geprägt wurde es durch den niederländischen Fußballtrainer Louis van Gaal. In Zeiten von Corona haben es Feierbiester schwer: Durch Hygiene- und Abstandsregeln gestaltet sich jedwede Organisation von Feiern in öffentlichen Gebäuden zu einem enormen Problem. Umso schöner, dass die BBAW heute für ihren Ende des Monats scheidenden Wissenschaftsdirektor Wolf-Hagen Krauth eine würdige Abschiedsfeier im Leibnizsaal ausrichten kann. Das Team des DWDS dankt ihm ganz herzlich für seinen langjährigen unermüdlichen Einsatz.

[] Zeitungsente, die

falsche Meldung in einer Zeitung

„Umwerfende astronomische Entdeckungen: durch Sir John Herschel am Kap der Guten Hoffnung“ – so titelte Ende August 1835 die New York Sun. Der renommierte Wissenschaftler habe mithilfe eines völlig neuen Teleskops Unglaubliches entdeckt: blühendes, artenreiches Leben auf dem Mond. Von Büffeln und Ziegen sei der Erdtrabant bevölkert, von Einhörnern und höchst entwickelten, anmutigen, geradezu engelhaften Fledermausmenschen – die Sensation machte weltweit Furore und bescherte der Zeitung noch nie erreichte Verkaufszahlen – erst am 16. September desselben Jahres wurde die „große Mondente“ als amüsanter Schwindel aufgelöst.

[] Warnung, die

Hinweis auf etw. jmdm. Drohendes, auf Gefahr für jmdn.

Chroniken sind mehr als nur Anekdötchensammlungen. Auch nach Jahrhunderten können sie den Nachgeborenen als handfeste Warnung dienen: Als 1978 in Österreich eine heftige Diskussion um die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf ausbrach, geriet auch ein historisches Ereignis in den Blickpunkt. Am 15. September 1590 hatte im österreichischen Ried am Riederberg ein Beben der Stärke 6,0 auf der Richterskala Tod und Zerstörung verursacht. Gerade in Zwentendorf wurden die Kirchen „dermassen zerschmettert und zerlittert, das man nit darein darf“. Das Atomkraftwerk ging nie in Betrieb.

[] Indogermanisch, das

nicht direkt belegte, aber aus den Tochtersprachen rekonstruierbare Sprache, die vor mindestens 4.000 Jahren in einem nicht sicher bestimmbaren Gebiet, wahrscheinlich nördlich oder südlich des Kaukasus, gesprochen wurde; Urindogermanisch

Dass die Ähnlichkeiten zwischen Lateinisch, Altgriechisch, Gotisch und dem ins Bewusstsein der europäischen Forscher gerückten altindischen Sanskrit kaum Zufall sein können, war um 1800 bereits eine verbreitete Hypothese. Den ersten wissenschaftlichen Nachweis erbrachte aber 1816 der heute vor 229 Jahren in Mainz geborene Franz Bopp, aber nicht, indem er zufällige Wörter verglich, sondern indem er systematische Entsprechungen bei den Verbendungen aufzeigte. Die so nachgewiesene Sprachfamilie nannten andere „Indogermanisch“, Bopp bevorzugte „Indoeuropäisch“.

[] Faktotum, das

scherzhaft: jmd., der (als Hausangestellter) alle Arbeiten und Besorgungen erledigt und das Vertrauen genießt

Heute gilt „Faktotum“ als Spottausdruck, früher stand das Wort, wie schon die lateinische Herkunft vermuten lässt, in besserem Ruf. Das mittellateinische „fac totum!“ (mach alles!) gehört ähnlich wie „quod libet“ (was gefällt) oder „vade mecum!“ (geh mit mir!) zu einer Reihe ursprünglich satzwertiger Fügungen, die als „Quodlibet“, „Vademekum“ oder eben „Faktotum“ fester Bestandteil des europäischen Wortschatzes geworden sind. Auch Goethe pries seinen verstorbenen Bühnenbildner Mieding als unentbehrliches Faktotum, nach dessen Tod der Dichter „voll Verdruss / Im Fall der Not die Lichter [selber] putzen“, also löschen musste.

[] überwältigend, Adj.

außerordentlich eindrucksvoll, großartig, herrlich

Beinahe hätte sein Hund den fliehenden Hasen erwischt, doch dieser war in einem Erdloch verschwunden. Einem eigentümlichen Erdloch, an dessen Ende der junge Dordogner Marcel Ravidat einen Geheimgang zum nahegelegenen Gutshaus vermutete. Vier Tage später, am 12. September 1940, kehrte der Abenteuerlustige zurück, ließ sich in den Schacht hinab und erblickte Überwältigendes: riesige Auerochsen, Wildpferde, Hirsche, Steinböcke, sogar ein Einhorn. Ravidat hatte die hervorragend erhaltenen, atemberaubenden jungpaläolithischen Höhlenmalereien von Lascaux entdeckt – eine archäologische Sensation.

[] Tube, die

kleines, röhrenförmiges, schmiegsames Behältnis aus zusammendrückbarem Metall oder Kunststoff mit Schraubverschluss für dickflüssige Stoffe

Wie der Tube merkt man vielen ursprünglich englischen Wörtern ihre Herkunft nicht mehr an. So erhielt der amerikanische Maler John G. Rand am 11. September 1841 das Patent auf ein verschließbares Metallrohr zur luftdichten Aufbewahrung von Farbe. Und seine Erfindung, die nebenbei eine Revolution in der Freilichtmalerei auslöste, nannte er schlicht „tube“ (gesprochen: [tju:b]). Auch in Deutschland warben Farbenhersteller bald mit der praktischen „Zinntube“, in Wörterbüchern erscheint sie allerdings erst viel später. Und der „Duden“ von 1905 vermutete gar einen französischen Ursprung.

[] Handlungsreisende, die, der

Problem des Handlungsreisenden (= kombinatorisches Optimierungsproblem, das darin besteht, eine Rundreise durch eine endliche Anzahl von Orten so zu wählen, dass sie möglichst kurz ist und jeder Ort nur einmal besucht wird)

Das Problem des Handlungsreisenden ist nicht nur ein alltägliches, sondern auch ein sehr komplexes mathematisches: Wie lässt sich eine Rundreise mit mehreren Zwischenhalten so planen, dass jeder Ort genau einmal besucht wird und die Reise möglichst kurz ist? Der Mathematiker Martin Grötschel hat sich in seiner wissenschaftlichen Karriere dem Handlungsreisen auf allen Ebenen gestellt. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren entwickelte er ein Verfahren zur optimalen Berechnung von Reiserouten, seit 2015 ist er Präsident der BBAW und hat – nun selbst als Handlungsreisender – für die Wissenschaft ausgesprochen viel bewegt. Heute feiert er seinen Geburtstag, zu dem wir ihm herzlich gratulieren.

[] gelassen, Adj.

Unangenehmes und Freudiges ruhig und beherrscht aufnehmend

„Gelassen“ zu sein, steht bei Achtsamkeits-Gurus hoch im Kurs. Ob diese sich der eigentümlichen Herkunft des Wortes bewusst sind? „Gelassen“ war ursprünglich ein Partizip zum untergegangenen Verb „gelazen“ („entlassen, verlassen“). Die Mystiker verwendeten es reflexiv im Sinne von „sich Gott ergeben“. Und davon abgeleitet avancierten das Adjektiv und das Substantiv „Gelassenheit“ zu wichtigen Schlüsselbegriffen bei Meister Eckhart, die jedoch später „säkularisiert“ und zum Inbegriff einer beneidenswerten Gemütsverfassung von Menschen wurden, die auch in stressigen Zeiten stets die Ruhe bewahren.

[] Lesekompetenz, die

die Fähigkeit, einen Text zu lesen und seinen Inhalt zu verstehen

Nach wie vor kann, trotz internationaler Anstrengungen, etwa 10 Prozent der jungen Menschen und Erwachsenen weltweit nicht oder nur eingeschränkt lesen und schreiben: Insgesamt etwa 773 Millionen, leider immer noch zwei Drittel davon sind weiblich. In Deutschland sind immerhin 6,2 Prozent der Erwachsenen betroffen. Dabei sind Schreib- und Lesekompetenz Grundvoraussetzung für gesellschaftliche, berufliche und politische Teilhabe. Die UNESCO macht daher bereits seit Mitte der 1960er Jahre an jedem 8. September mit dem Welttag der Alphabetisierung auf diese noch zu meisternde Herausforderung aufmerksam.

[] Griesgram, der

griesgrämiger Mensch

Manchmal erfindet man das Rad eben zweimal, zumindest formal: So gab es schon im Mittelhochdeutschen die Wörter „grisgram“ und „grisgramig“, die uns heute sehr bekannt vorkommen. In ihrer Bedeutung, „zähneknirschen“ oder „zähneknirschend“, abgeleitet vom Verb „grisgram(m)en“, sind die Wortformen zunächst spurlos wieder verschwunden. Erst als das Verb unter dem Einfluss des Adjektivs „gram“ die Bedeutung „mürrisch sein“ angenommen hatte, wurden „Griesgram“ und „griesgrämig“ in der heutigen Lesart neuhochdeutsch noch einmal neu gebildet – das Verb „gramen“ aber verschwand wenig später.

[] Graffito, das

in Stein oder in eine Wand eingeritzte (historische) Inschrift oder figürliche Darstellung

„... um dem Wuste des Städgens, den Klagen, den Verlangen, der Unverbesserlichen Verworrenheit der Menschen auszuweichen“ begab sich Johann Wolfgang von Goethe im September 1780 nach Ilmenau, wo er in der Jagdaufseherhütte auf dem Kickelhahn die Nacht verbrachte, genauer die des 6. auf den 7. September. Die Ruhe „vom Wuste“ der Stadt muss ihm gut getan haben, denn sie inspirierte ihn zur Dichtung eines seiner bekanntesten Poeme, „Wandrers Nachtlied“. Er hinterließ es als Bleistiftgraffito an der Holzwand des infolge so getauften „Goethehäuschens“. Leider brannte „das Original“ 1870 ab.

[] phänomenal, Adj.

außergewöhnlich, erstaunlich

Niemand hatte mit dem phänomenalen Erfolg dieses Songs gerechnet. Schon gar nicht sein Schöpfer. Denn „Bohemian Rhapsody“ brach mit allen Standards: Überlänge, Tonartenwechsel, kein Refrain, Mäandern zwischen gegensätzlichen musikalischen Stilen. Unter Queen-Fans und Musikkundigen hob ein Exegese-Sturm an, der sich auch um die Bedeutung des mysteriösen, chaotischen, teilweise nihilistischen Liedtextes drehte. Freddy Mercury selbst hat sich diesbezüglich stets in Schweigen gehüllt – was der Song sagt, solle jeder für sich selbst entscheiden. Heute wäre der Sänger 74 Jahren alt geworden.

[] Keilschrift, die

Schriftsystem mit keilförmigen, meist in Tontafeln gedrückten Zeichen, das für die sumerische Sprache erfunden und von zahlreichen nahöstlichen Kulturen direkt oder als Vorbild für eigene Schriften verwendet wurde

Wetten können zu Herkulestaten motivieren, meist aber nicht für lange Zeit. Nur so ist zu erklären, dass der Göttinger Philologe Georg Friedrich Grotefend am 4. September 1802 erfüllte, was er zuvor kühn versprochen hatte – nach einer kombinatorischen Meisterleistung legte er einem kleinen Expertenkreis eine erste Teilentzifferung der altpersischen Keilschrift vor –, seine Ergebnisse veröffentlichte er aber erst Jahrzehnte später. So fällt das Verdienst um die vollständige Entzifferung Henry Rawlinson zu, ein Erfolg, der auch die Entschlüsselung der früheren, komplexeren Keilschriften ermöglichte.

[] hochschätzen, Vb.

jmdn., etw. sehr schätzen, achten

Lexikographie ist ein internationales Unterfangen – zwar beschreiben wir vom DWDS ausschließlich den deutschen Wortschatz, methodisch aber ist der Austausch mit Kollegen weltweit wissenschaftlich fruchtbar und von größter Bedeutung. Mit Bestürzung haben wir daher erfahren, dass unsere hochgeschätzte Kollegin Tanneke Schoonheim vom benachbarten Instituut voor de Nederlandse Taal, zu der wir sowohl menschlich als auch inhaltlich große Verbundenheit empfunden haben, am 25. August 2020 plötzlich und unerwartet verstorben ist. Wir sind dankbar, dass wir mit ihr zusammenarbeiten durften.

[] im Dunkeln tappen, Mehrwortartikel

im Ungewissen sein, (noch) nichts Genaues wissen; in einer aufzuklärenden Angelegenheit keinen Anhaltspunkt haben

Über lange Zeit war Licht im Dunkeln ein kostbares Gut, das auf die behagliche Welt der Privaträume beschränkt blieb. Und wer des Nachts unterwegs war, lief Gefahr, sich zu verlaufen oder unter die Räuber zu fallen. Aber auch die Polizei tappte bei ihren Versuchen, die nächtlich ausufernde Kriminalität einzudämmen, weitgehend im Dunkeln. Um Abhilfe zu schaffen, ordnete die Stadt Paris am 2. September 1667 die Beleuchtung der Gassen und Plätze an. Anfangs sorgten Funzeln aus Talg für ein eher trübes Licht, im späten 19. Jahrhundert machten Gas und Elektrizität die Nacht zum Tag.

[] gemein, Adj.

gemeinsam; allgemein; abwertend: niederträchtig und übelwollend den Mitmenschen gegenüber; veraltend: einfach, sich nicht über den Durchschnitt erhebend

Gemein, ein Adjektiv mit geradezu widersprüchlichen Bedeutungen, startete seine Reise mit durchaus positiver Konnotation: Das ahd. „gimeini“ übersetzt sich noch ausschließlich freundlich als „gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein“. Doch schon im Mittelhochdeutschen qualifiziert „gemein(e)“ etwas als „gewöhnlich, zur Masse gehörig, niedrig“. Was aber mehreren oder vielen „gemeinsam“ ist, kann nicht „wertvoll“ sein; „gemein“ wird, im 19. Jh. endlich auch „niederträchtig, unanständig“ (gemeiner Schuft). Im Erstglied von Komposita (Gemeinschaft, Gemeinwesen) konnte sich das Affirmative aber über die Jahrhunderte halten.

[] Ehrendoktor, der

Doktortitel, der ehrenhalber, ohne Prüfung, an verdiente Personen verliehen wird

Ihr Leben hätte Stoff für einen dramatischen Roman geboten: Erst wanderte die Britin nach Südafrika aus, wurde vom Vater verstoßen, erlebte das Scheitern ihrer Verlobung, verlor bei einem Schiffsunglück Hab und Gut, später aufgrund politischer Unbequemlichkeiten ihren Job, erlangte am Ende aber doch als erste Frau die Ehrendoktorwürde der Universität Kapstadt – Lucy Lloyd ließ sich nicht unterkriegen: Sie verfasste, erst gemeinsam mit ihrem Schwager, dann solitär, mehrere wissenschaftliche Arbeiten, in denen sie die mündliche Überlieferung der San-Völker ethnologisch dokumentierte. Sie starb heute vor 106 Jahren.

[] steinalt, Adj.

sehr alt; ungewöhnlich alt

Dem Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels sieht man heute eher bang entgegen. Ein deutlich höherer Meeresspiegel vor ca. 500 Millionen Jahren ermöglichte immerhin eine bedeutende Entdeckung in luftiger Höhe: Am 30. August 1909 stieß der Paläontologe Charles Walcott in den kanadischen Rocky Mountains auf Fossilien im Burgess-Schiefer. Die große Zahl hervorragend erhaltener Fossilien unterschiedlichster Organismen, die er dort entdeckte, bietet Forschern heute einen einzigartigen Einblick in das Ökosystem des Kambriums, das viele der Vorläufer unserer heutigen Tiergruppen hervorbrachte.

[] Impuls, der

innerer Drang, Trieb, plötzliche Eingebung

Es war ein für die Musikgeschichte bedeutsames Schlüsselerlebnis: Ein noch pubertierender Charlie Parker versuchte sich während einer Jam-Session im Reno Club, Kansas, an einer komplexen Improvisation, verlor dabei den Überblick über die Akkordfolge und scheiterte kläglich. Der wutschnaubende Schlagzeuger warf ihm daraufhin sein Becken vor die Füße. Anstatt seine Musikerkarriere nun an den Nagel zu hängen, machte sich der 15-Jährige erst recht an die Arbeit, übte und übte, nahm Unterricht in Harmonielehre und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Jazzer aller Zeiten. Heute vor 100 Jahren kam er zur Welt.

[] verballhornen, Vb.

etw., besonders sprachliche Äußerungen, verbessern wollen und dabei aus Unvermögen oder wegen Missverständnisses verschlechtern

Die deutsche Sprache hat es nicht gut gemeint mit jenem Lübecker Drucker Johann Ballhorn dem Jüngeren (* um 1550). Heute steht sein Name für stümperhaftes „Verschlimmbessern“ – leider zu Unrecht: Zwei Juristen des Lübecker Rats hatten das alte Lübische Recht von 1243 „Vbersehen Corrigiret vnd aus alter Sechsischer Sprach in Hochteudsch gebracht“, jedoch nicht ohne sich eigenmächtig ein paar Freiheiten erlaubt zu haben. Da diese wichtige Ausgabe von 1586 anonym erschien, hieß es bald ironisch abwertend: „verbessert nach Ballhorn“. Denn der einzige Name auf dem Titelblatt war jener des unglückseligen Druckers.

[] Synthese, die

Vereinigung mehrerer (selbstständiger) Elemente zu einem (höheren) Ganzen, einer Ganzheit

Georg Wilhelm Friedrich Hegel verstand die Synthese nicht als bloße Aufhebung von Gegensätzen, sondern als prozesshaftes Fortschreiten zu einer höheren Wahrheit. Doch worin sich das Ergebnis dieser Dialektik, das „Wahrwerden des einen Ganzen“, schließlich manifestiert, das haben viele seiner Rezipienten, ob Marx oder Sartre, meist im Widerspruch zu ihrem Vorbild beantwortet. Heute vor 250 Jahren wurde der Philosoph, dessen Nachdenken über Idee, Natur und Geist zu den einflussreichsten philosophischen Leistungen zählt und das die moderne Welt bis heute prägt, in Stuttgart geboren.

[] Wortschöpfer, der

jmd., der ein neues Wort, neue Wörter prägt

Übersetzungen bzw. Teilübersetzungen der Bibel ins Deutsche gab es bereits vor Luther, überliefert sind uns um die 70 Schriften, die älteste bereits aus dem 9. Jh. Ein ganzes halbes Jahrtausend vor alledem aber machte sich ein gotischer Theologe mit Namen Wulfila nicht nur an die erste Übersetzung biblischer Texte in eine germanische Sprache, er gab dem Gotischen zu diesem Zweck sogar eine eigene (auf dem Griechischen basierende) Schrift und neue Wörter. Sein „Atta Unsar“ (Vater Unser) aus dem prachtvollen Codex Argenteus wird immer noch rezitiert, wenn auch nur in Hörsälen. Die evangelische Kirche feiert heute Wulfilas Gedenktag.

[] Federlesen, das

umgangssprachlich: nicht viel Federlesens (mit jmdm., etw.) machen: nicht viele Umstände (mit jmdm., etw.) machen

Ein Leben für das Federvieh: Heute vor 20 Jahren starb Carl Barks. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen hatte der Autodidakt 1935 bei Disney angeheuert und sich während seiner Karriere vom Hilfszeichner zum Comicautor zum wahren Ent(h)usiasten entwickelt. Rund um die tollpatschige Ente Donald Duck schuf er die Parallelwelt Entenhausen (Duckburg), die er mit einem Panoptikum schräger Vögel bevölkerte: Fantastilliardär Dagobert Duck, Schnösel Gustav Gans, Erfinder Daniel Düsentrieb und viele weitere: Bis heute hauchen sie der Comicreihe Leben ein.

[] Schmaus, der

scherzhaft: leckere Mahlzeit, festliches Mahl

„So leben wir im Sauße / In volle[m] Fraß und Schmauße“, heißt es in Johann Beers Oper „Nero“ (1641). Wie kaum ein anderes Wort stand „Schmaus“ für die hemmungs- und reuelose Schlemmerei schlechthin. Das mit „schmuddelig“ (zu ndl. „smodderen“) verwandte, im 17. Jh. unter Studenten aufgekommene Wort war bis ins 19. Jh. außerordentlich populär: Ganze 46! Komposita, vom „Abend-“ über den „Leichen-“ bis zum „Weinschmaus“, listet das „Allgemeine Reimlexikon“ von 1826. In der heutigen, auf Blutfettwerte und Hüftumfang fixierten Gesellschaft geht die Beliebtheit des Wortes „Schmaus“ dagegen deutlich zurück.

[] Kraftmaschine, die

Maschine, die eine in der Natur vorkommende Energieform in eine für den Menschen brauchbare umwandelt

„En Dampfmaschin, wat is en Dampfmaschin?“ Dass der aufgeräumte Pauker Bömmel in der Feuerzangenbowle seine Eleven mit dieser Frage überhaupt hat malträtieren können, verdanken wir nicht zuletzt dem Neuruppiner Bauhandwerker Carl Friedrich Bückling, dem es gelang, die erste deutsche Dampfmaschine nach Watt’scher Bauart für den Bergbau zu konstruieren. Sie wurde am 23. August 1785, zugleich seinem 29. Geburtstag, auf dem König-Friedrich-Schacht im Südharz offiziell in Betrieb genommen und lief gleich so erfolgreich, dass ihr Erbauer dafür den preußischen Ehrenorden erhielt.

[] Zivilschutz, der

Gesamtheit aller Organisationen, Behörden o. Ä., die für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung während eines Krieges oder bei einer Katastrophe zuständig sind

Auch wenn sie nicht ganz so häufig zu sehen sind wie die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, so kennt doch jeder die typischen blauen Fahrzeuge mit dem Zahnrad als Markenzeichen, in denen das Technische Hilfswerk ausrückt. Während die Organisation faktisch vor allem dem Katastrophenschutz im In- und Ausland dient, war der Hauptbeweggrund für die Gründung des THW – heute vor genau siebzig Jahren – der nicht-militärische Schutz der Zivilbevölkerung. In welcher Einsatzart auch immer: Wir gratulieren und danken den über 80 000 (ganz überwiegend ehrenamtlich tätigen!) Mitarbeiter/innen.

[] aufschrecken, Vb.

übertragen: eine meist unangenehme, neue oder verdrängte Tatsache ins Bewusstsein bringen

„Die Dinge rausholen aus dem Licht, weg aus dem Licht (...) ins Dunkle, das war eigentlich immer mein Traum.“ Christoph Schlingensief, dem ehemaligen Messdiener aus dem Ruhrgebiet, war dabei nichts heilig. Er gilt als Ausnahmekünstler, Alleskönner, als Visionär und Bürgerschreck. Bei seinen sehr medienwirksamen Aktionen nutzte er auch den öffentlichen Raum als Bühne, verband Kunst und Politik, machte sich u.a. mit der Partei Chance 2000 oder dem Projekt „Ausländer raus! Schlingensiefs Container“ zum Sprachrohr der Abgehängten. Er starb heute vor 10 Jahren, kurz vor seinem 50. Geburtstag, an Lungenkrebs.

[] sagbar, Adj.

etw., das man sagen darf, das auszusprechen gestattet ist; etw., das man aussprechen kann, das ausdrückbar ist

„La très-chère était nue, et, connaissant mon coeur, / Elle n’avait gardé que ses bijoux sonores“ (Die Teuerste, ganz nackt war sie, kannte mich zu gut, / Ihren klimpernden Schmuck nämlich hatte sie anbehalten) – „Les Fleurs du Mal“, Charles Baudelaires 100 meisterhafte Gedichte, spielen mit den Grenzen des seinerzeit Sagbaren, thematisieren Liebe, Lust und Tod, das Düster-Urbane, Rausch und Melancholie – zu viel der Tabubrüche. Der Band erregte die Aufmerksamkeit eher unwillkommener Juroren: Am 20. August 1857 wurde Baudelaire wegen „Beleidigung der öffentlichen Moral“ zu einer Geldstrafe verurteilt.

[] Brimborium, das

umgangssprachlich: unwesentliches Beiwerk, unnötiges Drum und Dran

Auch wenn Latein in der Neuzeit auf dem Rückzug war: In gemurmelten Gebeten, pompösen Rechtsformeln oder medizinischen Diagnosen war das antike Idiom immer noch lebendig – und bot reichlich Material für (scherzhafte) Verballhornungen. Auch „Brimborium“ gehört in diese Gruppe. Es geht wohl auf „Breviarium“, das Brevier, Gebetbuch der katholischen Geistlichen, zurück. Im Französischen formte man den Ausdruck scherzhaft zu „brimborion“ (Lappalie) um, ein Ausdruck, der Goethe so faszinierte, dass er ihn als „Brimborium“ in seinen „Faust“ übernahm, aber die Bedeutung in ihr Gegenteil verkehrte.

[] Satellitenstaat, der

formal selbstständiger Staat, der von einem anderen Staat (meist von einer Großmacht) abhängig ist

Ein Modellstaat sollte es werden, als Satellitenstaat verschwand das Königreich Westphalen aus der Geschichte. Aus verschiedenen Fürstentümern schuf Napoleon per Dekret am 18. August 1807 dieses Retortengebilde und installierte seinen Bruder Jerôme als König. Auf der Habenseite konnte Westphalen tatsächlich ein modernes Rechtssystem vorweisen, negativ schlugen politische Abhängigkeit und hohe Kriegssteuern zu Buche. Aber Jerôme förderte auch Kunst und Kultur. Und im Staatsrat saß ein vielversprechender junger Mann, der das Salär für seine Editionsvorhaben gut gebrauchen konnte: Jacob Grimm.

[] Heurige, der

österreichisch: junger Wein der letzten Lese

Erblickte man zu Jahresende einen Kiefernzweig an einer österreichischen Privattür, hatte man guten Grund, dort anzuklopfen. Denn hinter einer solchen verkaufte man den „Heurigen“, so war es auch Ende des 18. Jh. schon üblich. Der Görzer Graf Delmetri beschloss, dies zu unterbinden: Nur seinen eigenen Jungwein wollte er zum Ausschank freigeben. Jener Beschluss löste einen Sturm der Entrüstung aus. Wütend wandten sich die Görzer an Kaiser Joseph II., der sich sofort auf ihre Seite schlug: Am 17. August 1784 erließ er eine Zirkularverordnung, die von nun an jedermann den Verkauf des Heurigen offiziell gestattete.

[] Mumpitz, der

salopp: Unsinn, Blödsinn

Börsengeschäfte waren auch im 19. Jh. nur etwas für Eingeweihte. 1874 erläuterte ein Börsenmakler vor Gericht: Wenn er ein Papier zu einem ganz besonderen Preis anbiete „und [er] zwinke dabei stark mit den Augen“, sei eigentlich ein Scheingeschäft beabsichtigt. Im Börsenjargon war das ein sogenannter „Mumpitz“ (zur Kursmanipulation). In der Bedeutung „Unsinn, Blödsinn“ bürgerte sich die kapitalistische Sprachschöpfung bald außerhalb des Parketts ein. Möglicherweise ließen sich die Makler hier von „Mombotz“ (‚Schreckgespenst‘) oder „Butzenmummel“ und Mummelputz (‚Popanz‘, ‚Vogelscheuche‘) inspirieren.

[] luziferisch, Adj.

wie der Teufel Luzifer, teuflisch

Am 15. August 1248 wurde der Grundstein des neuen Doms zu Köln gelegt, doch glaubt man der Legende, war in den Anfangstagen des Baus der Teufel los: Letzterer hatte es nämlich auf die Seele des Baumeisters Gerhard abgesehen. Er verführte den Erdenbürger dazu, diese in einer unwiderstehlichen Wette aufs Spiel zu setzen: Würde der Beelzebub den Bau innerhalb dreier Jahre für ihn abschließen können? Auf den letzten Drücker gelang es Gerhards Gattin, das luziferische Spiel zu torpedieren. Der Teufel verlor. Eine Revanche-Wette aber endete für Gerhard fatal: Diesmal verlor er – und kam auf mysteriöse Weise zu Tode.

[] unverfroren, Adj.

dreist und skrupellos

Am 14. August des Jahres 1040 starb König Duncan tatsächlich nicht am nächtlichen Messerstich, sondern wohl recht konventionell auf dem Schlachtfeld. Shakespeare hatte sich nicht nur in dieser Hinsicht große Freiheiten erlaubt. Der wahre Macbeth war, so Historiker, auch kein Tyrann, sondern ein Friede und Wohlstand wahrender Herrscher. Ein Kniff wurde dem Dramatiker aber besonders übel genommen: Unverfrorenerweise habe er im ersten Akt wahre Zaubersprüche verwendet, dadurch den Zorn der Hexen heraufbeschworen und entsprechend ein ganz schön verfluchtes Stück Weltliteratur geschaffen.

[] auseinanderklamüsern, Vb.

salopp: eine verwickelte Angelegenheit mühselig entwirren, etw. erklären

Bisweilen scheinen veraltete Wörter wegen ihres ansprechenden Klangs zu überdauern. Ein Beispiel ist sicher „auseinanderklamüsern“ mit seiner undurchsichtigen, gleichwohl assoziationsreichen Wortform „klamüsern“. Eigentlich lautete es ursprünglich „kalmäusern“ für ‚grübeln, intensiv studieren‘. „Wer viel kalmeusert, wird verführt“, heißt es etwa in einem Studentenlied. Abgeleitet ist es von „Kalmäuser“, einer Spottbezeichnung für einen Gelehrten oder Stubenhocker, die wiederum mit dem rotwelschen „Kammesierer“ (‚gelehrter Bettler‘ bzw. ‚Bettelstudent‘) verwandt ist.

[] schlängeln, Vb.

sich in einer Schlangenlinie gleitend fortbewegen; jmd. bewegt sich mit großer Wendigkeit, unter geschickter Umgehung aller Hindernisse in einer bestimmten Richtung (zu Fuß) fort, gelangt durch etw. hindurch

Sie habe sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Leben geschlängelt, so will es die Überlieferung: Sowohl Plutarch als auch Cassius Dio mutmaßen über suizidale Schmuggeloperationen. Die von Octavian besiegte Kleopatra habe sich eine Schlange liefern lassen, verborgen in Feigenkorb oder Blumenvase, und sich von dieser aus dem Leben beißen lassen. Jedoch: Als man die ägyptische Kaiserin leblos in ihren Gemächern fand, war kein solches Kriechtier auffindbar. Was sich also genau am 12. August des Jahres 30 v. Chr. in den königlichen Gemächern ereignete, bleibt ein Rätsel der Geschichte.

[] Sonnenfinsternis, die

teilweise oder völlige Verfinsterung der Sonne, die dann eintritt, wenn der Mond zwischen Sonne und Erde steht

Eine Sonnenfinsternis gehört zu den spektakulärsten Naturschauspielen. Doch gefährdet jeder direkte Blick die Retina der Augen. Zweifelhafte Tipps, wie man eine Eklipse „ohne verletzung deß Gesichts“ beobachten könne, gab es schon im 17. Jh. So riet der Mathematiker Daniel Schwenter: „man sticht in ein dick Papier mit einer Nadel viel Löchlein/ vnd sihet dadurch.“ Heute gibt es speziell beschichtete Brillen. Für die totale Sonnenfinsternis allerdings, die am 11. August 1999 quer durch Europa zog, erwiesen sich selbige meist als zwecklos. Eine dicke Wolkendecke verhinderte vielerorts den Anblick.

[] trudeln, Vb.

ein Flugzeug bewegt sich beim Absturz oder Kunstflug steil abwärts, wobei es sich um eine Achse dreht, die außerhalb seiner Längsachse liegt, geht sich drehend, ohne gesteuert zu werden, nieder

Er gilt als der erste Mensch im Gleitflug: Otto Lilienthal, ein Pionier und wahrer Visionär. Schon als Pennäler war er Vogelflugexperte, experimentierte mit selbstgebauten Flügeln. Sein „Derwitzer Apparat“, ein Gleiter aus Weidenholz und Leinwand, trug ihn im Jahre 1891 ganze 25 m weit über Land. Die beflügelnde Leidenschaft wurde ihm aber bereits fünf Jahre später zum Verhängnis: Eine thermische Ablösung brachte sein neuestes Fluggerät zum Trudeln. Er stürzte aus 15 m Höhe zu Boden und starb einen Tag später, am 10. August 1896, nur 48 Jahre jung an seinen Verletzungen.

[] spintisieren, Vb.

eigenartige, abwegige Gedanken haben, grübeln

Verschwörungsideologien sind kein neues Phänomen. Immer schon gab es „Berufene“, die sich ohne tieferes Wissen ihre eigenen Theorien zusammenreimten. Für sie prägte der streitbare Arzt Paracelsus zu Beginn des 16. Jhs. das schöne Wort „spintisieren“. Seinen Standeskollegen, die von der antiken Vier-Säfte-Lehre ausgehend wild über das Wesen von Krankheiten spekulierten, warf er vor, es beim „Spintisieren, Phantasieren, Humoralisieren und dergleichen“ zu belassen. Worauf sich die Wortschöpfung aber genau bezieht – auf „spinnen“, wie man heute glaubt, oder auf ital. „spinto“ (= getrieben) –, ist unklar.

[] Witz, der

geschickt, kunstvoll auf eine Überraschung hin formulierter Scherz, Spaß, der Fehler, Schwächen, Absonderlichkeiten von Menschen oder Sachverhalten anprangert, entlarvt, dem Gelächter preisgibt; Gabe, etw. lustig, treffend, schlagfertig und geistreich zu erzählen

„Der Weise ist ohne Humor undenkbar“, heißt es. Tatsächlich haben Witz und Wissen die gleiche Wurzel: Das althochdt. „wizzi“ (Wissen, Verstand), das altengl. „wit(t)“, das gotische „unwiti“ (Unwissenheit) und einige nordische Varianten gehören wie altindisch „vidyā́“ (Wissen, Weisheit, Gelehrsamkeit) zu der indoeuropäischen Wurzel *u̯eid- (erblicken, sehen). Franzosen und Briten brachten vor gut 300 Jahren den „geistreichen Einfall“ („esprit“, „wit“) ins Deutsche, die Wendung zum Scherzhaften war gemeistert. Seit Ende des 19. Jh. gibt es den Witz auch als (zugegeben mal mehr, mal weniger geistreiche) Anekdote.

[] taumeln, Vb.

sich schwankend, torkelnd in einer bestimmten Richtung vorwärtsbewegen

„Die Löcher sind die Hauptsache an einem Sieb“, heißt es in seinem Gedicht, das mit dem berühmten Versprechen einer Ofenkachel als Liebespfand beginnt. Joachim Ringelnatz’ Leben scheint dieses Postulat zu bestätigen: Er war mit Talenten gesegnet, aber wehrte sich gegen Geregeltes, er war kreativ und engagiert und taumelte doch immer wieder dem Scheitern entgegen. Sein lyrisches Werk aber mit seinem für ihn typischen grotesk-tiefgründigen Duktus scheint zwischen diesen Brüchen zu gedeihen – und ist heute vielgelesen und vielgeliebt. Am 7. August 1883 kam Ringelnatz zur Welt.

[] Penicillin, das

natürliches, insbesondere von Schimmelpilzen der Gattung Penicillium erzeugtes bzw. biosynthetisch oder teilsynthetisch hergestelltes Antibiotikum, das gegen bestimmte Bakterien (vor allem Staphylokokken und Streptokokken) wirkt

Ein (Un-)Glücksfall ermöglichte Alexander Fleming seine wichtigste Entdeckung: Eine vergessene Bakterienkultur wurde während seines Urlaubs von einem Schimmelpilz angegriffen und zerstört. Fleming, der als Kriegslazarettarzt ausgiebig über Infektionskrankheiten geforscht hatte, erkannte die lebensrettende Bedeutung. Für die Extraktion dieser bakterientötenden Substanz – dem Penicillin – wurde ihm 1945, zusammen mit Ernst Boris Chain und Howard Walter Florey, der Nobelpreis für Medizin verliehen. Am 6. August 1881 kam er zur Welt.

[] Ausreißer, der

jmd., besonders ein Kind, auch ein Tier, das weggelaufen ist

Der „Alte Fritz“ hatte es als junger Fritz nicht leicht, war er doch ein scheinbar weit vom Stamm gefallener Apfel: Sein überaus strenger Vater züchtigte ihn, kontrollierte jeden seiner Schritte und unterband seine aufblühenden musischen Neigungen – den heimlichen Lateinunterricht bestrafte er sogar mit Tritten und Schlägen. Gerade 18-jährig schmiedete der gebeutelte Kronprinz daher erste Fluchtpläne, am 5. August 1730 schritt er zur Tat. Sein Versuch, dem väterlichen Joch zu entkommen, blieb jedoch erfolglos: Friedrich wurde unter Arrest gestellt, sein bester Freund als Mitwisser enthauptet.

[] Siesta, die

Mittagsruhe, Mittagspause

Die Siesta (nach lat. „hora sexta“, gemeint ist die sechste Stunde nach Tagesanbruch), die Ruhe in der Zeit der größten Mittagshitze, ist, wie jeder Tourist weiß, in Spanien heilig. Insofern zählt es wohl zu den miesen militärischen Tricks, dass Prinz Georg von Hessen-Darmstadt als Befehlshaber einer niederländisch-britischen Flotte im Spanischen Erbfolgekrieg den Angriff auf Gibraltar (der Legende nach) auf genau diese Uhrzeit verlegte. (Tatsächlich dauerte die Eroberung mehrere Tage.) Die Folgen der fatalen Siesta beschäftigen Europa bis heute: Seit dem 4. August 1704 ist Gibraltar britisch.

[] schlüsselfertig, Adj.

zum Einzug fertig, bezugsfertig

Das Alte Museum in Berlin zählt zu den bedeutendsten Bauwerken des Klassizismus. Unverkennbar verweisen die monumentalen ionischen Säulen, die Rotunde im Stil des Pantheons auf die bekannten antiken Vorbilder. Zugleich aber lag dem von Schinkel geplanten und Friedrich Wilhelm III. initiierten Bau ein modernes Konzept zugrunde: Dem Humboldt’schen Bildungsideal folgend sollte Kunst nicht mehr in adeligen Privatsammlungen oder Kuriositätenkabinetten verstauben, sondern allen Bürgern zugänglich gemacht werden. Am 3. August 1830 wurde das Museum (das erste der Museumsinsel) seiner Bestimmung übergeben.

[] fabelhaft, Adj.

großartig, ausgezeichnet; überaus groß, umfangreich; veraltet: ins Reich der Fabel gehörend, erdichtet

Vielen ist Oswald von Wolkenstein vor allem als zwinkernder Lockenkopf bekannt, tatsächlich hat sein gesenktes Lid kühne Legenden inspiriert (heute weiß man, dass er an einer angeborenen Ptosis litt). Das Fabulieren um Leben und Werk des Dichters entspricht weit eher der Selbstinszenierung des Ichs in seinen als autobiografisch charakterisierten Liedern: Sie erzählen lyrisch meisterhaft vom Reisen in ferne Länder, von politischen Querelen und von wilden Minneabenteuern. Am 2. August 1445 jedoch sind Oswalds „herz, muet, sin, gedank (...) worden mat“, er verstarb immerhin 68-jährig in Südtirol.

[] Müßiggang, der

Untätigkeit, Nichtstun, Faulheit

„Die ihr die Niedern so verachtet, / Vornehme Müßiggänger! … Wißt, daß Euer Vorzug (= Wohlstand) … auf ihrem Fleiß gegründet ist”. So schimpfte einst Gellert. Müßiggänger haben damals wie heute keinen guten Ruf. Doch bezog sich der Ausdruck, wie das Zitat zeigt, ursprünglich nicht auf den Faulpelz. Verwandt ist „müßig“ mit „müssen“. Und das zugrundeliegende althochdeutsche muoʒan bedeutete nicht „gezwungen sein“, sondern „können, mögen dürfen“ (bzw. „über Besitz, Raum, Zeit Gelegenheit verfügen“). Ein Müßiggänger war also vor allem so begütert, dass er für seinen Lebensunterhalt nicht arbeiten musste.

[] Feierabend, der

Arbeitsschluss, Dienstschluss; Zeit zwischen Arbeitsschluss, Dienstschluss und Nachtruhe

Warum klingt der Feierabend so festlich? Im Englischen beginnt um fünfe schlicht die „home time“ (Heim-Zeit), für die Franzosen startet „la fin de la journée“ (das Tagesende). Was entfacht im Deutschen also das Wortbildungsfeuerwerk, über das sich Deutschlerner nicht genug wundern können? Tatsächlich steht „fîra“ im Althochdeutschen sowohl für das (religiöse) „Fest“ als auch für die „Ruhe“ (im Sinne einer religiös inspirierten Arbeitsunterbrechung). Daraus wurde über mittelhochdeutsch „vîre“, die „Feier“. Im 15. Jh. konnte sich die mittlerweile verlorene Lesart „Ruhe“ im Feierabend noch behaupten.

[] gründen, Vb.

die Grundlage von etw. schaffen, das Fundament von etw. legen

Man hatte schließlich den perfekten Ort für das Zentrum des neuen Kalifats gefunden: Er lag strategisch günstig nur wenige Kilometer von der alten Hauptstadt entfernt, er ermöglichte durch seine Nähe zum Tigris regen Handel und bot für das trockene Klima ungewöhnlich reiche Wasservorkommen – also gab der Abbasidenherrscher al-Mansur am 30. Juli 762 hier die Gründung Bagdads in Auftrag. Die „Stadt des Friedens“, so ihr ursprünglicher Name, erlebte schnell eine Blütezeit, die auch die Errichtung einer der frühesten Wissenschaftsakademien, des „Bayt al-Hikma“ (Haus der Weisheit) ermöglichte.

[] Zwietracht, die

gehoben: Uneinigkeit, Streit

Reformen gehen selten ohne Streit ab. Als 2006 auf der Konferenz der Internationalen Astronomischen Union der Planet Pluto zum Zwergplaneten (dwarf planet) degradiert wurde, war die Empörung groß. So groß, dass ein Astronomenteam, das im Jahr zuvor einen Himmelskörper ähnlicher Größe entdeckt hatte, diesen Eris – nach der griechischen Göttin der Zwietracht – taufte. Der massereichste Vertreter der neuen Klasse zieht fernab irdischen Unfriedens gemächlich seine elliptischen Bahnen. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt er 557,55 Jahre. Am 29. Juli 2005 wurde seine Entdeckung bekannt gegeben.

[] Nachruf, der

gesprochene oder geschriebene Würdigung, Gedenkrede für einen unlängst Verstorbenen

Bis zuletzt arbeitete er an seinem Lebenswerk, schickte in Briefform Ergänzungen und Korrekturen für sein mehr als 25 000 Wörter umfassendes, seit 40 Jahren betreutes, nun auch im DWDS digitalisiertes Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Es ist in seiner heutigen Gestalt nicht nur das umfangreichste, sondern auch das aktuellste etymologische Nachschlagewerk der deutschen Sprache. Wolfgang Pfeifer, ein Wissenschaftler durch und durch, ist am 9.7.2020 in seinem 98. Lebensjahr in Berlin verstorben. Ein Nachruf von Wolfgang Klein.

[] Boulevard, der

breite Straße, Ringstraße

„Boulevard“ erscheint uns als typischer Gallizimus wie „Chaussee“ oder „Haute Couture“, tatsächlich aber spielt es mit uns ein etymologisches Ringelreihen, handelt es sich doch um eine Rückentlehnung aus dem Deutschen: Zugrunde liegt das im Mittelhochdeutschen belegte „bolwerc“, das heute etwas angemessener „Bohl-Werk“ geschrieben werden müsste, denn es bezeichnete ein aus Bohlen und Erde errichtetes Schanzwerk sowie eine entsprechende Uferbefestigung. Über das Niederländische gelangte das Wort als Germanismus ins Französische und wurde später auf die ringförmig entlang der Festungsmauern verlaufenden Straßen übertragen.

[] Dachschaden, der

schadhafte Stelle an einem Dach; Beeinträchtigung, Verwirrung des Verstandes

Giacomo Casanova, venezianischer Frauenheld und Tunichtgut, entkam so mancher Bedrängnis: Dem Tod im Kindesalter durch schieren Lebenswillen, der Priesterweihe mit List (er täuschte auf der Kanzel eine Ohnmacht vor), der Armut durch Kreativität (er verdingte sich als Orchestergeiger und Claqueur) und den berüchtigten Bleikammern, dem Gefängnis des Dogenpalasts, in das er am 26. Juli 1755 aus ungeklärten Gründen eingekerkert wurde, mithilfe eines Dachschadens – im wahrsten Sinne des Wortes: Er durchbrach die legendären bleiernen Dachplatten und kletterte unbemerkt nach oben ins Freie.

[] Verlies, das

unterirdischer Kerker, besonders in mittelalterlichen Befestigungsanlagen

In einem mittelalterlichen Kerker kann man sich schon ganz schön verlassen und verloren fühlen. Für Etymologen aber ist er ein Ort der Freude: Denn gegen die Intuition ist man hier sprachgeschichtlich ausschließlich „verloren“, nicht „verlassen“. Der in früheren Zeiten regelmäßige, heute aber nur noch in einzelnen Beispielen (Wagnerianer kennen „kiesen“ zu „Kür“) sichtbare Zusammenhang zwischen r und s (und anderen Lautpaaren, z. B. h und g in „ziehen – zog“) beruht auf einem Lautphänomen, das man seit dem 19. Jahrhundert – auch nicht ganz intuitiv – grammatischen Wechsel nennt.

[] kuscheln, Vb.

sich mit dem Verlangen nach Geborgenheit in etw. schmiegen, an jmdn., etw. anschmiegen

Trotz der Einschränkungen, die ihre Kinderlähmung mit sich brachte, leistete Margarete Steiff Beachtliches: Ihr Talent als Schneiderin ermöglichte die Gründung eines Filzkonfektionswarengeschäfts, das bereits blühte, als es mit einem (noch alles andere als kuscheligen) Nadelkissen „versehentlich“ wahre Erfolgsgeschichte schrieb. Jener Filzelefant wurde nämlich – entgegen seiner Bestimmung – schnell als Spielzeug beliebt: So wurde gewissermaßen das erste Steiff-Tier geboren. Die Unternehmerin selbst wäre heute 173 Jahre alt geworden.

[] bürgernah, Adj.

auf die Probleme und Interessen der Bürger eingehend, diese berücksichtigend

Hornbrille, Nadelstreifenanzug, strenger Haarschnitt: Äußerlich schien Gustav Heinemann in seiner Amtszeit als Bundespräsident (1969-1974) aus der Zeit gefallen. Und doch verkörperte er eine offenere, modernere, liberalere Bundesrepublik. Schon als Justizminister hatte er manch alten Zopf (Strafbarkeit von Homosexualität u. Ehebruch) abgeschnitten. Während die Studentenproteste auf einen Höhepunkt zustrebten, verteidigte er die Notwendigkeit des Demonstrationsrechts und forderte gesellschaftliche und soziale Reformen ein. Er verstand sich als Bürgerpräsident. Am 23. Juli 1899 wurde er geboren.

[] Sternstunde, die

Zeitpunkt, Zeitabschnitt, in dem eine besonders günstige Wendung in einer Angelegenheit erfolgt, sich etw. Entscheidendes, Vorwärtsweisendes ereignet

Erst im März durch ein Weltraumteleskop der NASA entdeckt und schon ein „Star“: Der Komet C/2020 F3, besser bekannt als NEOWISE, ist derzeit mit bloßem Auge am Nachthimmel zu sehen. Und das, obwohl er nur 5 km groß ist. Durch die Hitze der Sonne verdampfen Teile des Kometen und bilden einen imposanten Schweif. Zu beobachten ist er am besten abends, tief am nordwestlichen Himmel. In der Nacht vom 22. auf den 23. Juli durchfliegt er seinen erdnächsten Punkt (103,5 Millionen Kilometer) – eine wahre Sternstunde für Hobbyastronomen, denn das nächste Mal besucht uns der Komet erst wieder in 6700 Jahren.

[] kleiner Mann, Mehrwortartikel

(gedachte) den gesellschaftlichen Durchschnitt verkörpernde Person, die über ein eher geringes Einkommen und wenig Einfluss verfügt

2008 sorgte das Werk eines 1947 verstorbenen deutschen Autors für Aufsehen: „Jeder stirbt für sich allein“, die Geschichte eines Arbeiterehepaars, das auf sich allein gestellt gegen den Nationalsozialismus kämpft, lag erstmals in englischer Übersetzung vor. Es erreichte auf Anhieb Bestsellerrang. Nie schenkte Hans Fallada den Großen seine Aufmerksamkeit, sein Interesse galt stets dem Durchschnittsmenschen, der die Folgen von Wirtschaftskrisen und politischen Unruhen ausbaden muss. Sein bekanntestes Werk: „Kleiner Mann, was nun“ wurde sogar sprichwörtlich. Am 21. Juli 1893 wurde er geboren.

[] Freundschaftsbeweis, der

Handlung oder Sache, die als Ausdruck gegenseitiger Freundschaft zu verstehen ist

Am 20. Juli des Jahres 802 bekam Kaiser Karl der Große großen Besuch – im wahrsten Sinne des Wortes. Ursprünglich stammte der üppige Reisende mit Namen Abul Abbas aus Indien, auf den Weg aber hatte er sich von Bagdad aus gemacht, als Geschenk des Kalifen Harun ar-Raschid. Kaiser Karl war begeistert, denn Abul Abbas war ein riesiger Elefant – ein nördlich der Alpen ungewöhnlicher und mehr als imposanter Anblick. Leider währten Stolz und Freude am neuen Haustier nicht lange: Nur wenige Jahre nach seiner Ankunft starb der Dickhäuter ganz unerwartet nach einer gefährlichen Rheinüberquerung.

[] Frauenpolitikerin, die

entsprechend der Bedeutung von Frauenpolitiker: jmd., der auf die Interessen von Frauen ausgerichtete Politik betreibt

Im Alter von nur 18 Jahren legte Elly Knapp ihr Lehrerexamen ab, dann begann sie, sich politisch für Demokratie und Frauenrechte zu engagieren. Während des Zweiten Weltkriegs erhielt sie Auftrittsverbot und wechselte in die Werbebranche, wo sie sich als Pionierin erwies: Sie gilt als Schöpferin des Werbejingles. Die sieben Jahre, die Elly (nun) Heuss-Knapp nach dem Krieg bis zu ihrem Tod am 19. Juli 1952 noch blieben, erwiesen sich als politische Blütezeit: Sie engagierte sich im sozialpolitischen Ausschuss für die Schulspeisung und gründete später als erste First Lady der BRD das Müttergenesungswerk.

[] Versöhnung, die

friedvolle Beilegung von Streitigkeiten oder Zerwürfnissen; entgegenkommende Verständigung mit Gegnern oder Feinden

Am 18. Juli feiern die Vereinten Nationen den Nelson-Mandela-Tag (er fällt mit dem Geburtstag des Nobelpreisträgers (18. Juli 1918) zusammen). Die UNO ehrt damit einen Mann, der sich fast sein ganzes Leben hindurch gegen Diskriminierung und für ein Ende des Apartheidregimes in Südafrika eingesetzt hat, zugleich aber als Staatschef die Versöhnung und den konstruktiven Dialog in den Mittelpunkt stellte. Er erinnert auch an einen Menschen, der sich nicht nur für die Würde anderer einsetzte, sondern sich während seiner 27 Jahre währenden Gefängnishaft die innere Würde bewahrte.

[] Löschzug, der

Einheit der Feuerwehr, die aus dem Fahrzeug der Einsatzleitung, mehreren Löschfahrzeugen sowie Gerätewagen und den Feuerwehrleuten besteht

So mancher Kalauer zieht über Chaos oder veraltete Ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehr her, dabei könnte das Bild kaum falscher sein: Wenn Ihnen ein Löschzug im Einsatz begegnet, ist dieser mit großer Wahrscheinlichkeit mit Ehrenamtlichen besetzt, denn in weniger als 5 % der deutschen Städte gibt es eine nur mit hauptamtlichen Mitarbeitern besetzte Berufsfeuerwehr. Die „FF“ tragen so in den deutschsprachigen Ländern und in Polen die Hauptlast des breiten Aufgabenspektrums der Feuerwehr. Am 17. Juli 1841 wurden die in Deutschland ersten Freiwilligen im Meißner Rathaus verpflichtet.

[] Serail, das

Palast eines Sultans

Eine Oper voller Zugnummern: Osmins Liebeslied, Konstanzes Schmerzgesang, das Duett auf Bacchus, Osmins hämische Richtplatzarie und sein legendärer finaler Wutgesang – die „Entführung aus dem Serail“, eine Oper über die Befreiung einer jungen Frau aus den Fängen eines Sultans, steht niemals still, durchgehend bleibt sie in höchstem Maße kurzweilig, schafft es aber trotzdem, sowohl emotionale Komplexität als auch Karikatureskes mit Sensibilität und Tiefgang zu vermitteln. Ein noch blutjunger (26-jähriger) Wolfgang Amadeus Mozart brachte sie am 16. Juli 1782 erstmals im Wiener Burgtheater auf die Bühne.

[] Schnappschuss, der

Momentaufnahme

Die Ära der Weltraumerkundung hatte mit der Mondlandung 1969 wohl einen Höhepunkt erreicht. Vier Jahre zuvor hatten es die Amerikaner jedoch bereits geschafft, auf Tuchfühlung mit einem anderen erdnahen Himmelskörper zu gehen: Neben zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen gelang der Raumsonde Mariner 4 am 15. Juli 1965 – nach einer 229-tägigen Reise – nicht nur das erste Foto vom Mars, sondern auch die erste Nahaufnahme eines fremden Planeten überhaupt. Spuren für Leben auf dem Erdnachbarn konnten leider weder damals noch später entdeckt werden. Die Suche geht aber weiter!

[] Grenzverschiebung, die

Änderung im Verlauf einer Grenze, z. B. zwischen zwei Staaten

Sie hat mehr persönliche, gesellschaftliche und intellektuelle Grenzen überwunden als die meisten Menschen ihrer Zeit: Sie studierte als Frau in Oxford, übersetzte arabische Literatur, bereiste als Archäologin, Geografin, Geheimagentin die Wüsten des Nahen Ostens, schloss ähnlich wie T. E. Lawrence Bekanntschaften mit den lokalen Machthabern, war Beraterin von König Faisal I. Gleichwohl ist das Erbe der Gertrude Bell nicht unproblematisch: Viele der konfliktträchtigen Grenzziehungen, aus denen der moderne Irak hervorging, gehen auf ihre Expertise zurück. Am 14. Juli 1868 wurde sie geboren.

[] Badewanne, die

großes, meist längliches Becken, in das sich mindestens eine Person hineinsetzen oder hineinlegen kann, und das, mit meist warmem Wasser befüllt, der Körperreinigung, der Entspannung oder medizinisch-therapeutischen Zwecken dient

„13. Juli 1793. Marie*anne Charlotte Corday an den Bürger Marat. Dass ich sehr unglücklich bin, reicht aus, ein Recht auf Ihr Wohlwollen zu haben.“ So der Brief, den der vom französischen Historienmaler Jacques-Louis David porträtierte, in der Badewanne an einer Stichverletzung sterbende Jean Paul Marat in Händen hält. Das Messer, mit dem jene Charlotte Corday den Jakobiner soeben erdolchte, liegt noch neben dem Zuber. Sie sah in ihm den Urheber aller Gewalt an den Girondisten. Den politisch motivierten Mord bezahlte sie später selbst mit dem Leben.

[] Ungemach, das

gehoben, gelegentlich ironisch: unangenehme, missliche Lage, Leid; negative Entwicklung, Unglück

Manche Wörter sind wie alter Trödel, der völlig aus der Zeit gefallen scheint, und doch ein unerwartetes Comeback erlebt. Auch das vornehme Wörtchen „Ungemach“ – in vielen Wörterbüchern bereits als „veraltet“ abgeschrieben – erfreut sich seit den 1990er Jahren erheblicher Beliebtheit. Faszinierend erscheint bei dem Wort auch auch, dass sich zu den verwandten Wörtern wie „Gemach“ oder „gemächlich“ keine semantische Brücke schlagen lässt. Tatsächlich bedeutete althochdeutsch „gimah“ aber ursprünglich ‚passend, bequem‘ und althochdeutsch „ungimah“ (damals noch Adjektiv) entsprechend ‚unbequem, unpassend‘.

[] abrunden, Vb.

etw. rund, glatt machen; übertragen: etw., sich vervollständigen, vervollkommnen

Sein Vater besaß ein Nudelrestaurant im japanischen Toba, der junge Mikimoto Kōkichi selbst wurde zunächst Gemüsehändler. Das Objekt seiner Träume aber war glänzend weiß, kugelrund, und wahrlich kostbar – er wollte erschaffen, was der Natur nur sehr selten gelang: die absolut perfekte Perle. Im Alter von 30 Jahren gründete er eine Zuchtfarm und begann zu experimentieren – zunächst leider ohne Erfolg. 15 Jahre sollte es dauern, bis er am 11. Juli 1893 einer Auster die erste Zuchtperle der Geschichte entlockte. Absolut rund war diese noch nicht, wenige Jahre später aber erfüllte sich auch dieser Jugendtraum.

[] fordern, Vb.

etw. von jmdm. verlangen

Martin Luthers Anschlag der „95 Thesen“ im Jahre 1517 in Wittenberg hat die Weltgeschichte umgewälzt. Sein Namensvetter Martin Luther King, die Ikone der Bewegung für die Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA, griff diese markante Symbolik daher ganz bewusst auf, als er am 10. Juli 1966 seine „48 Thesen“ in Chicago an die Rathaustür nagelte. Darin formulierte er konkrete Forderungen, die über die Gleichheit vor dem Gesetz eine echte Teilhabe der wirtschaftlich benachteiligten Schwarzen am Reichtum des Landes in den Fokus rückten – ein auch heute noch relevantes Thema.

[] Gregorianik, die

liturgischer Gesang meist in lateinischer Sprache, der (vor allem in der römisch-katholischen Kirche) in einer einzigen Stimmlage gesungen und nicht von Musikinstrumenten begleitet wird

Gregor der Große, einer der bedeutendsten Päpste der Geschichte, inspirierte – als topische Legendenfigur des armen Sünders – literarische Schwergewichte wie Hartmann von Aue oder, Jahrhunderte später, Thomas Mann zu narrativen Meisterleistungen. Während des Mittelalters wurde auch ihm eine ganz besondere Meisterleistung zugeschrieben: die „Erfindung“ des Gregorianischen Chorals. Mittlerweile ist sich die Forschung darüber einig, dass Gregor I. nicht der Schöpfer dieser liturgisch-musikalischen Tradition war. Als Namenspatron jedoch tat er ihr Gutes: Er verlieh ihr Autorität, Relevanz und Beständigkeit.

[] Fabel, die

kurze, lehrhafte Tiergeschichte, die sittliche Wahrheiten oder allgemein-menschliche Erfahrungen durch analoge Beispiele aus der Tierwelt veranschaulicht

„Ein Schmeichler lebt von dem, der auf ihn hört. / Die Lehre ist gewiss den Käse wert.“ In der Fabel des Franzosen Jean de La Fontaine, der heute vor 399 Jahren zur Welt kam, ergattert ein schlauer Fuchs mithilfe überschwänglicher Komplimente aus dem Schnabel eines eitlen Raben ein begehrtes Käsestück – der Gerissene wird gegenüber dem Eitlen belohnt. Etwa 100 Jahre später gibt Gotthold Ephraim Lessing dieser Geschichte eine aufklärerische Wendung: Der Käse ist vergiftet, der Rabe erleidet, wie bei La Fontaine, zwar die Marter der Demütigung, der falsche Fuchs aber stirbt an seiner List.

[] Immunabwehr, die

Abwehrmechanismus des Körpers, der im Rahmen des Immunsystems Krankheitserreger bekämpft

Im Rahmen der globalen Corona-Pandemie sind viele bisher im stillen Labor forschende Wissenschaftler zu öffentlichen Figuren geworden, da es auf sie jetzt mehr denn je ankommt: Experten und Expertinnen der Epidemiologie, Virologie und auch Immunologie. Letztere untersuchen, wie das körpereigene Abwehrsystem Krankheitserreger und andere Fremdkörper bekämpft. Sie liefern wichtige Erkenntnisse für den Kampf gegen SARS-CoV2 und zur Heilung der schon an COVID-19 Erkrankten. Die Fachorganisation dieser Wissenschaftler, die Deutsche Gesellschaft für Immunologie, wurde heute vor 53 Jahren in Marburg gegründet.

[] Einteiler, der

einteiliger Badeanzug

Bluse, Rock, Beinkleider: Für Frauen war der Badespaß im Wasser noch um 1900 mit erheblichen Einschränkungen verbunden. Für die am 6. Juli 1887 geborene Australierin Annette Kellerman dagegen bedeutete Schwimmen Befreiung und Lebensinhalt. Als Kind hatte sie der Wassersport vor einem Leben auf Krücken bewahrt, als Erwachsene gewann sie Meisterschaften, schwamm Marathondistanzen in Europas Flüssen, ging rund um den Globus auf Showtournee. Als sie in Amerika einen Prozess wegen unzüchtigen Verhaltens gegen sie gewann – sie trug stets einen eng anliegenden Einteiler –, waren die umständlichen Badekleider nicht nur für sie endgültig passé.

[] konstant, Adj.

unveränderlich, gleichbleibend

Bevor sein Labor von napoleonischen Truppen zerstört wurde, gelang dem französischen Chemiker Joseph Louis Proust ein bedeutender Nachweis: Die Elemente einer chemischen Verbindung liegen immer in festen Massenverhältnissen vor. Mit diesem „Gesetz der konstanten Proportionen“ verhalf er dem Naturforscher John Dalton dazu, das erste Atommodell der Neuzeit zu entwickeln. Dessen Kernaussage: Jeder Stoff besteht aus unteilbaren, kugelförmigen Teilchen – den Atomen – die sich je nach Element in ihrem Volumen und ihrer Masse unterscheiden. Am 5. Juli 1826 starb Proust im Alter von 71 Jahren.

[] foppen, Vb.

jmdn. necken, hänseln, zum Besten haben

Der Tenor Mirosław Lem und der Pianist Piotr Stianek präsentieren einem neugierigen und kulturbeflissenen Publikum ein Stück aus einer Oper des zeitgenössischen Komponisten Sewald Brewske. Darin geht es um einen Wolf und ein Lamm, die auf einer Wiese stehen. Es kommt zu einem Moment der Ekstase, der in einem emotionalen Aufschrei gipfelt: “Hurz!” ... Oper, Kontext und Musiker wurden erst im Nachhinein als Scharade entlarvt, Hape Kerkeling aber schrieb mit diesem Bildungsbürger-Streich, der am 4. Juli 1991 erstmals in einer ARD-Sendung ausgestrahlt worden ist, nachhaltig Fernsehgeschichte.

[] Mausoleum, das

monumentales, prunkvolles Grabmal

Formal war er nur ein Einheimischer, der als Statthalter des mächtigen Perserreichs die kleine Provinz Karien an der südwestanatolischen Küste regierte. Tatsächlich schaffte er es, durch geschicktes Manövrieren zwischen Zentralmacht, aufständischen Satrapen und Griechen eine weitgehend selbstständige Herrschaft zu erhalten und zu erweitern. Er verlegte die Hauptstadt nach Halikarnassos, wo sein nach ihm benanntes Grabmal zu einem der Sieben Weltwunder wurde und in dieser Rolle das einzige „überlebende“ Wort aus dem Karischen in alle Welt trug. Sein Name: mauśoλ, gr. Maússōllos.

[] Ostfränkisch, das

ostoberdeutsche Dialektgruppe, die sich in Unter-, Ober- und Südostfränkisch aufteilt; Alltagssprache im nördlichen Bayern und den angrenzenden Regionen in Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Sachsen

Manchmal ist Sprache Geschmackssache: Über Klang und Ausdruckskraft der einzelnen deutschen Dialekte gibt es sehr verschiedene Meinungen, in der Regel aber findet man seinen eigenen Dialekt ausnehmend schön. Das trifft wohl besonders auf die Franken zu, vielleicht auch, weil es ihnen an eigener Staatlichkeit fehlt. Ganz Unrecht haben sie nicht: In einem Wettbewerb der Deutschen Bahn 2013 wurde Fränkisch (korrekt: Ostfränkisch) zum schönsten deutschen Dialekt gewählt – und deren Startseite „sprach“ einen Tag lang Fränkisch. Wäre Corona nicht, feierte man heute in Bayern den „Tag der Franken“.

[] Schreibmaschine, die

Büromaschine, mit der durch das Niederdrücken von Tasten druckähnliche Schriftstücke und mehrere Durchschläge hergestellt werden

Ebenso wie binnen weniger Jahre das Gerät dem Computer weichen musste, so verschwand (sofern man sich nicht auf Vergangenes bezieht) auch die Bezeichnung „Schreibmaschine“ aus unserem aktiven Wortschatz – verdrängt durch die digitale Revolution. Dabei bedeutete ihr Auftreten seinerzeit ebenfalls eine Umwälzung der Arbeitswelt: Am 1. Juli 1874 kam in den USA mit der Remington No 1 die erste kommerziell erfolgreiche Schreibmaschine auf den Markt. Sie besaß bereits die Tastaturbelegung QWERTY (deutsch: QWERTZ), nach der wir auch heute noch auf unseren Computertastaturen tippen.

[] auslöschen, Vb.

etw. zum Verlöschen bringen, etw. zum Vergehen bringen, beseitigen, tilgen

Am 30. Juni 1520 starb der Aztekenherrscher Moctezuma II. – ob durch Steinwürfe seiner enttäuschten Untertanen oder hinterrücks von Spaniern erdolcht, ist unklar. Zu diesem Zeitpunkt war Moctezuma nach seiner Gefangennahme durch Hernán Cortez ohnehin nur eine bedeutungslose Figur, die sich den Wünschen der Konquistadoren fügen musste. Den Widerstand gegen die Eroberer führten längst andere. Gleichwohl markiert sein Tod die Auslöschung der indigenen Hochkultur: Das Reich wurde zur Kolonie, die Hauptstadt Tenochtitlán zerstört, aus den Überresten des Herrscherpalasts bauten die Eroberer eine christliche Kathedrale.

[] dürsten, Vb.

jmd. hat Durst, jmd. hat heftiges Verlangen, Begierde nach etw.

Im Dezember 1935 stürzte Antoine de Saint-Exupéry mit seinem Flugzeug 200 km vor Kairo ab. Er marschierte fünf Tage dürstend durch die Wüste, bis er endlich auf eine Karawane stieß, die sein Leben rettete. Jenes zutiefst existenzielle Erlebnis ging in die bekannteste seiner Erzählungen, „Der kleine Prinz“, ein, die seit ihrer Veröffentlichung knapp 10 Jahre später über 140 Mio. Mal verkauft und in mehr als 350 Sprachen und Dialekte übersetzt wurde. Sie verhandelt eindringlich und berührend Themen wie Freundschaft, Liebe und Kindheit. Die des Autors begann am 29. Juni 1900 in Lyon.

[] mächtig, Adj.

Macht besitzend, einflussreich; von beträchtlicher Größe, Ausdehnung, umfangreich

Wer dem Namen Heinrich VIII. von England begegnet, denkt wohl zunächst an die korpulente, in Samt und Seide gekleidete Persönlichkeit aus dem berühmten Holbein-Portrait, an einen König, dessen zahlreiche Ehen oft kopflos endeten, und an den Mann, der sich zur „Re-Formation“ seines eigenen Lebensentwurfs von Papst und Kirche löste. In der Rezeption der folgenden Jahrhunderte wurde er durchaus zu Recht vor allem als Mann der Willkür dargestellt. Heinrich war aber auch ein prototypischer Renaissance-Herrscher, der Bildung und Kultur schätzte. Am 28. Juni 1491 kam er zur Welt.

[] madig, Adj.

voller Maden, von Maden zerfressen; jmdn., etw. madig machen: jmdn., etw. schlechtmachen, verunglimpfen

Diese Maden haben (Film-)Geschichte geschrieben. Die Fleischseiten, die 1905 als Proviant an das russische Linienschiff Knjas Potjomkin Tawritscheski geliefert wurden, sie wimmelten von Fliegenlarven. Der daraus zubereitete reichlich unappetitliche Borschtsch löste am 27. Juni eine Meuterei aus, sieben Offiziere, darunter der Kapitän, kamen zu Tode. Obgleich historisch eher unbedeutend, verarbeitete Sergei Eisenstein die Ereignisse zu seinem propagandistischen Stummfilm „Panzerkreuzer Potemkin“, der zu Recht zu den besten Filmen aller Zeiten zählt. Natürlich spielten auch die Maden (in Großaufnahme) eine tragende Rolle.

[] Strichcode, der

Artikelkennzeichnung auf Warenverpackungen, Tickets o. Ä., die aus einer Reihe senkrechter, unterschiedlich breiter und in unterschiedlichen Abständen angeordneter schwarzer Striche besteht und mithilfe eines Scanners (2) erfasst und ausgewertet werden kann

Ein kleines Piepsen für die Registrierkasse, ein großer Schritt für den Einzelhandel: Am 26. Juni 1974 wurde in den USA das erste mit einem Strichcode (auch Barcode genannt) versehene Produkt – eine Packung Kaugummi – über einen optischen Scanner in die Kasse eingebucht. Vom Prinzip her schon 25 Jahre zuvor entwickelt und im Laufe der Zeit in vielen Formen und Varianten eingesetzt, bedeuteten die markanten dicken und dünnen Striche auf Verpackungen eine deutliche Rationalisierung und Beschleunigung der Warenwirtschaft, und zwar nicht erst beim Bezahlen an der Kasse.

[] Musketier, der

mit einer Muskete bewaffneter Soldat

„Einer für alle, alle für einen“, so der Pakt, den sich die drei Elite-Recken Athos, Porthos, Aramis und der junge d’Artagnan in Alexandre Dumas’ Roman „Die drei Musketiere“ schwören. Hinter der übermütigen Fiktion stehen historische Figuren, so z. B. Charles de Batz de Castelmore, genannt Comte d’Artagnan, der tatsächlich Mitglied der königlichen Garde war. Dumas erlaubte sich mit ihm aber zahlreiche narrative Freiheiten. Immerhin entsprechen sich erzählter und wahrer Tod: d’Artagnan starb (heute vor knapp 350 Jahren) bei der Belagerung von Maastricht, ausgerechnet durch einen Querschläger aus einer Muskete.

[] Knalleffekt, der

umgangssprachlich: überraschende, verblüffende, oft grobe Wirkung, Pointe

Was ist ein Zyniker? „Ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung Dinge sieht, wie sie sind, statt wie sie sein sollten.“ Dieser bittere Aphorismus steht zwar in „Des Teufels Wörterbuch“. Geschrieben hat ihn aber nicht der Höllenfürst, vielmehr der Journalist und Schriftsteller Ambrose Bierce. Dessen geniale Geschichte über einen zum Tode Verurteilten, der am Galgen seine Hinrichtung erwartet, die aber nur den kurzen Moment des Falls bis zum Genickbruch umfasst, gilt als Musterbeispiel für eine Horrorgeschichte mit eiskalt servierter Schluss-Pointe. Am 24. Juni 1842 wurde der „lachende Teufel“ geboren.

[] alt wie Methusalem, Mehrwortausdruck

sehr alt, uralt

Wer konnte im 21. Jh. schon von sich behaupten, Zeitgenosse von Charles Darwin gewesen zu sein? Diese Ehre gebührte nur einer: Harriet (über 100 Jahre fälschlicherweise für Harry gehalten) kam 1830 auf der Insel Santa Cruz zur Welt. Der Legende nach wurde die Galapagos-Riesenschildkröte 1835 von Darwin persönlich nach England gebracht. Da ihr das kalte Wetter nicht bekam, zog sie schließlich nach Australien, wo sie den Rest ihres Lebens hibiskusblütenschmausend erst im Botanischen Garten, dann im Australia Zoo nördlich von Brisbane verbrachte. Am 23. Juni 2006 starb sie im biblischen Alter von 176 Jahren.

[] brüderlich, Adj.

zwischen leiblich verwandten Brüdern (herrschend); in der Art eines guten Bruders; kameradschaftlich, einträchtig, solidarisch, demselben Ziel verbunden

Am 22. Juni 1829 stand eine Familienfeier im Zeichen einer ganz anderen Art des Social Distancing: „Morgen, theurer Bruder, ist dein Geburtstag, ich feiere ihn morgen am asiatischen Ural in den Kupfergruben von Gumischewsk. Ich bin ganz gerührt, indem ich diese Zeilen schreibe und wie gern wäre ich morgen bei Euch im Familienkreise.“ Der große Bildungspolitiker, Schriftsteller und Gelehrte Wilhelm von Humboldt musste also an seinem 62sten auf seinen stets forschungsreisenden Bruder Alexander verzichten. Ob die Feier trotzdem rauschend war?

[] Langspielplatte, die

Schallplatte mit langer Spieldauer

Eigentlich verdankt sich die Geburt der LP einem Mangel: Bis in die 1940er Jahre hinein hatten Grammophonnadeln zur Wiedergabe von Sprache oder Musik auf Schellack gekratzt. Doch als Produktion und Vertrieb jenes aus dem Brutsekret der Lackschildlaus gewonnenen Trägermaterials zusammenbrachen, griff man auf einen Kunststoff zurück, der sich im Rundfunk als Tonträger längst bewährt hatte: Polyvinylchlorid, kurz Vinyl. Am 21. Juni 1948 stellte Columbia Records die 30cm-Vinyl-Langspielplatte vor. Anstatt der bis dahin möglichen 4 Minuten bot sie bis zu 25 Minuten Spieldauer pro Seite.

[] Tausendsassa, der

umgangssprachlich, scherzhaft, abwertend: vielseitig begabter, geschickter, tüchtiger, aber oft auch leichtsinniger, unzuverlässiger Mensch, Draufgänger, Teufelskerl

Bei Mörike liest sich's noch ohne Doppel-s: „Sie sind ein Tausendsasa, lieber Mozart!“. Wer dem Ursprung des rätselhaften Substantivs nachspürt, gelangt ins Reich jener Interjektionen, die sich wie hüh!, put, put!, miez, miez! an Tiere richten, wobei „Sasa!“ – wir erkennen es noch in unserem „hop-sasa!“ – ursprünglich (meist) Jagdhunden galt: „Sasa! Gesindel, hier! Komm hier!“, heißt es etwa in Bürgers Ballade „Leonore“. Und auch die ursprünglich getrennt geschriebene Fügung „tausend sasa!“ war eigentlich ein Ausruf der Überraschung, bis sie sich (mit zusätzlichem s) zum heutigen Ausdruck wandelte.

[] Sage, die

ursprünglich auf mündlicher Überlieferung beruhende Erzählung von historischen oder mythologischen Ereignissen oder Naturvorgängen, die oft mit phantastischen, wunderbaren und übersinnlichen Elementen ausgeschmückt ist, jedoch im Gegensatz zum Märchen an tatsächliche Gegebenheiten anknüpft

Sagen und Märchen begleiten den Menschen schon seit Urzeiten, viel länger, als es schriftliche Überlieferung gibt. Anders als reale Personen und Institutionen sind sie nahezu unvergänglich, können sie doch immer wieder neu erzählt, aufgeführt oder gelesen werden. So wie die griechisch-römischen Sagen, die der heute vor 228 Jahren geborene Pfarrer und Schriftsteller Gustav Schwab in seinen „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ als gekürzte und geglättete Nacherzählungen veröffentlichte – und so für Generationen von Jugendlichen (und natürlich Erwachsenen) zugänglich machte.

[] Mitgeschöpf, das

Lebewesen, mit dem sich der Mensch verbunden fühlt durch einen gemeinsamen Daseinsgrund bzw. durch gemeinsame Existenz in einer Umwelt

Es war eine Geschichte, die den Pfarrer und Dichter Albert Knapp zugleich schockierte und aktiv werden ließ: Auf dem Dach einer benachbarten Kirche hatte sich ein Storchenpaar eingenistet. Eines Morgens fand ein Kollege das Männchen von Kugeln durchlöchert auf dem Kirchplatz vor – das harmlose Tier war grundlos, offenbar aus einer Laune heraus getötet worden. Tierquälereien dieser Art betrachtete Knapp als grausames Vergehen an der Schöpfung; und so gründete er am 17. Juni 1837 den ersten Tierschutzverein in Deutschland. Er starb fast auf den Tag genau 27 Jahre später, am 18. Juni 1864.

[] Monument, das

großes Denkmal

Es war zunächst nur eine Schnapsidee des Politikers und Nordstaatenfreundes Édouard René de Laboulaye im Jahr 1865: ein Denkmal als gemeinsames Werk der Vereinigten Staaten und Frankreich sollte entstehen. Tatsächlich wurde aus der Idee 20 Jahre später Wirklichkeit. Am 17. Juni 1885 lief die „Isère“ im New Yorker Hafen ein, an Bord ein im wahrsten Sinne des Wortes ansehnliches Geschenk: eine in Einzelteile zerlegte Kolossalstatue der Göttin Libertas – als Personifikation der Freiheit im Römischen Reich vor allem von ehemaligen Sklaven verehrt. Heute ist sie eines der berühmtesten Wahrzeichen der Welt.

[] Tracing-App, die

Anwendungsprogramm auf einem Smartphone, das es durch Austausch von Codes (über Kurzstrecken-Funktechnik) mit anderen Smartphones ermöglicht, im Falle einer Ansteckung die Personen zu informieren, die sich in der Nähe des Infizierten aufgehalten haben

Die COVID-19-Pandemie hat unseren Alltag verändert: Überall gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen, Menschen arbeiten vermehrt im Homeoffice, tragen in der Öffentlichkeit Mund-Nasen-Schutz ... und auch unser Wortschatz hat sich den schnell wachsenden Herausforderungen gestellt: Neue Wörter halten Einzug in die deutsche Sprache, oft spontane Bildungen oder Entlehnungen aus anderen Sprachen. Ein heute ganz besonders prominentes Beispiel für Neuzugänge dieser Art ist der Begriff „Tracing-App“ – wenn, was das Wort bezeichnet, hält, was es verspricht, können wir es schon bald wieder vergessen.

[] Warnbrief, der

Brief, der auf eine künftige Gefahr bzw. auf eine unerwünschte Entwicklung hinweist oder der eine Drohung enthält

Post für den Reformator: Mit seinen 95 Thesen hatte Martin Luther die Autorität von Papst und Kirche herausgefordert. Darauf antwortete Leo X. genau heute vor 500 Jahren mit seiner Bannandrohung „Exsurge Domini“: Von wilden Tieren ist dort in der pathetischen Einleitung die Rede, die den Weinberg des Herrn zerstörten. Weiter wurden alle Lehrsätze Luthers für häretisch erklärt, er selbst zum Widerruf binnen 60 Tagen aufgefordert. Luther antwortete mit seiner Schrift „Von der Freyheith eines Christenmenschen“. Und am 10. Dezember, nach Ablauf der Frist, warf er die päpstliche Bulle ins Feuer.

[] Durchblick, der

Umgangssprachlich: das Verstehen von Zusammenhängen; Überblick über etw.

Das „Rassenschranken-Problem“ werde, schrieb einst ein Soziologe dem schwarzen Intellektuellen und Bürgerrechtler W.E.B. Du Bois, „das allergrößte Problem künftiger Zeiten sein, hier und überall auf der Welt“. Du Bois, mit dem er im freundschaftlichen Austausch stand, hatte ihn auf die Lage der schwarzen Bevölkerung in den Südstaaten aufmerksam gemacht. Und als er sich auf seiner Amerikareise in New Orleans selbst ein Bild machte, war er abgestoßen von einem Rassismus, der „soziale Gleichstellung und sozialen Verkehr“ auf Dauer unterband. Der scharfsinnige Beobachter hieß Max Weber, er starb heute vor 100 Jahren.

[] selbstbewusst, Adj.

seiner selbst, seines eigenen Wertes und Könnens bewusst und entsprechend sicher auftretend

Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der sogenannten Irischen Renaissance, einer Bewegung, die sich das Ziel setzte, die kulturelle Identität und das Selbstbewusstsein des seit Jahrhunderten besetzten Landes wiederzufinden und zu stärken. William Butler Yeats verfolgte dieses Ziel als Aktivist, besonders aber als Literat, der nach dem ursprünglich Irischen suchte. 1923 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen, wie es hieß „für seine stets von hoher Eingebung getragenen Dichtungen, die in vollendeter Gestalt das Wesen seines Volkes zum Ausdruck bringen“. Heute vor 155 Jahren kam er nahe Dublin zur Welt.

[] zücken, Vb.

etw. aus etw., besonders aus seiner Tasche, herausnehmen, hervorholen und zum Gebrauch bereithalten

Ein neues Klappmesser wurde angeschafft, eines, mit dem ein Schweizer Soldat sowohl Mittag essen als auch sein Infanteriegewehr zerlegen können sollte. Entsprechend bot diese praktische Erfindung vier kombinierte Werkzeuge: Klinge, Dosenöffner, Schraubenzieher und Ahle. Am 12. Juni 1897 wurde sie unter dem Namen „Schweizer Offiziers- und Sportmesser“ offiziell als Handelsmarke geschützt. Mittlerweile steckt jener Tausendsassa nicht mehr nur in Schweizer Hosentaschen und wird in vielerlei Form produziert. Das größte Modell schaffte es mit sagenhaften 87 Werkzeugen sogar ins Guinness-Buch der Rekorde.

[] Rassismus, der

Theorie, Ideologie, allgemeine Vorstellung von der Höher- oder Geringerwertigkeit bestimmter Gruppen von Menschen aufgrund gewisser körperlich-biologischer oder ethnischer Merkmale

Am 11. Juni 1963 machten sich Vivian Malone und James Hood auf den Weg zur University of Alabama, um dort ihre Einschreibung abzuschließen. An der Pforte des Foster-Hörsaals aber versperrte ihnen Gouverneur George Wallace – von Pressekameras umzingelt – den Weg; er hatte seinen Wählern bei Amtsantritt versprochen, entschieden für „Rassentrennung jetzt und in Zukunft” einzustehen. Erst auf Befehl des Präsidenten J.F. Kennedy höchstpersönlich wich er widerwillig zur Seite und gewährte den beiden afroamerikanischen Studierenden den Zugang.

[] Notruf, der

telefonischer Anruf, Funkspruch, Signalübermittlung o. Ä. zur Alarmierung der Polizei, Feuerwehr oder einer anderen Rettungsstelle in einer (mit Gefahr für Leib und Leben verbundenen) Notsituation

Auch wer vom Morsealphabet sonst nichts weiß, kennt die charakteristische Abfolge · · · − − − · · · (3x kurz, 3x lang, 3x kurz), die für die Buchstaben S-O-S steht und heute für einen international verbreiteten Notruf-Code steht. Es handelt sich, entgegen einer urbanen Legende, aber nicht um eine Abkürzung für die Phrase „save our souls“, sondern um eine Art Alarmton in der Logik des Morsecodes: Die 1904 bei der deutschen Marine und 1908 international eingeführte Folge ist nämlich besonders gut zu hören. Am 10. Juni 1909 ertönte sie erstmals in einem Ernstfall.

[] Sorbisch, das

in der Lausitz beheimatete Sprache aus dem westslawischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie; aufgeteilt in die beiden Standardsprachen Niedersorbisch (Amtssprache in Teilen Brandenburgs um Cottbus) und Obersorbisch (Amtssprache in den östlichen Kreisen Sachsens)

Fast die Hälfte der heute gesprochenen Sprachen ist vom Aussterben bedroht, darunter auch das Sorbische, das insgesamt nur noch über 20.000 aktive Sprecher verfügt. Welch reicher kultureller Schatz hier verloren zu gehen droht, lässt das Werk des sorbischen Autors Jurij Brězan erahnen, das in der reichhaltigen Sagen- und Märchenwelt seiner sprachlichen Heimat wurzelt. Sein Roman um einen nobelpreisgekrönten Humangenetiker in „Krabat oder die Verwandlung der Welt“ ist eine faszinierende Parabel auf das Zusammenwirken von kultureller Identität und modernem Denken. Heute wäre er 104 Jahre alt geworden.

[] ozeanisch, Adjektiv

den Ozean betreffend

Über 70 Prozent der Erdoberfläche ist von Meeren bedeckt, die größten dieser Wasserflächen bilden die fünf Ozeane: Pazifik, Atlantik, Indischer Ozean, Nord- und Südpolarmeer, gigantische Ökosysteme, die durch anthropogenen Einfluss immer stärker in Gefahr geraten. Dabei liefern die Meere tierisches Eiweiß für mehr als eine Milliarde Menschen auf der Erde und sind somit die größte Nahrungsquelle weltweit. Seit 11 Jahren begehen die Vereinten Nationen am 8. Juni den „Welttag der Ozeane“, um Menschen dazu zu motivieren, den Schutz dieser Ökosysteme zu fordern und zu fördern.

[] Rechenkünstler, der

jmd., der verblüffend schnell und hervorragend (größere) Rechnungen (im Kopf) ausführen kann

Vielen bleibt die Welt der Algebra abstrakt und verschlossen, andere gehen im Geist in riesigen Zahlenräumen regelrecht spazieren. Ganz sicher gilt Letzteres für Gottfried Rückle, der einen ausgeprägt visuellen Zahlensinn besaß. Primzahlen bis 1000 kannte er schon als 12-Jähriger und sein auf mentalen „Streifzügen“ gesammeltes Wissen über Potenzen und Logarithmen erlaubte ihm Rechenoperationen im Kopf, über die man in einer Welt, die noch keine digitalen Hilfsmittel kannte, staunte. Folgerichtig trat der promovierte Mathematiker auch als Rechenkünstler in Varietés auf. Am 7. Juni 1879 wurde er geboren.

[] zeitlos, Adj.

nicht der Mode, dem Zeitgeist unterworfen

Er „fuhr auf Besuch für drei Wochen“ ins Sanatorium nach Davos, aber Hans Castorp blieb für ganze sieben Jahre. Zeit (und ihre Wahrnehmung) ist in der isolierten Welt des „Zauberberg“, von dem „keiner wieder zurückgekehrt ist“, ein zwar lineares, aber relatives Phänomen: Für den Protagonisten schleicht sie mal leer und bedeutungslos dahin, mal fliegt sie ereignisreich davon. Erzählerisch wird sie zuerst scheinbar unendlich gedehnt, dann verdichtet und gerafft, bis sie, wie der Roman, im Kugelhagel des Ersten Weltkriegs endet. Thomas Mann, der Schöpfer des Zauberberg, kam am 6. Juni 1875 zur Welt.

[] erzkonservativ, Adj.

oft abwertend: sehr, in hohem Maße konservativ, starr am Hergebrachten, an alten Traditionen festhaltend

Was haben der „Architekt“ und der „Erzhalunke“ gemeinsam? In beiden Wörtern geht das Präfix auf das griechische „archi-“ (= ‚Ober-‘‚ ‚Haupt-‘) zurück. Über lateinisch „arci-“ als „Erz-“ ins Deutsche entlehnt („Erzkanzler“), wurde es bald allgemeiner als verstärkender Zusatz verwendet, wie z. B. beim „Erzkonservativen“. Als Paradebeispiel eines solchen kann der heute vor 249 Jahren geborene Ernst August gelten, der ab 1837 als König von Hannover versuchte, demokratische Errungenschaften zurückzudrehen. Er war es auch, der die berühmten Göttinger Sieben (darunter Jacob u. Wilhelm Grimm) aus dem Land vertrieb.

[] Sketch, der

kurze Szene mit meist witziger Pointierung für Bühne, Kabarett, Funk oder Fernsehen

War es gestern oder vor 138 Jahren, dass der Humorist, Komiker und Stückeschreiber Karl Valentin in München zur Welt kam? Der „Wortzerklauberer“ startete als „Vereinskomiker“, wurde aber, zusammen mit seiner Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt, bald zu einer komischen Größe. Mit seinem Sprach-Anarchismus beeinflusste er Literaten wie Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky. Politisch hielt er sich zwar eher zurück, vor allem während der Nazizeit, aber: Den einen oder anderen Scherz konnte er sich nicht verkneifen: „Wie gut ist es doch, dass der Führer nicht Kräuter heißt, sonst müsste man ihn mit ‘Heil Kräuter’ grüßen.“

[] Willkür, die

Handeln nach ausschließlich subjektivem Ermessen und nach eigenen Interessen unter rücksichtsloser Anwendung der Macht und unter Missachtung der Rechte anderer

Das Wort „Willkür“ hat in seiner Geschichte einen interessanten Bedeutungs- und Konnotationswandel durchgemacht: Im Mhd. war es als Zusammensetzung aus „wille“ und „küre“ mit der Lesart ‘freie Wahl, Entscheidungswille’ meist wertneutral, oft sogar positiv konnotiert („wan er uns (...) geedelt mit der frîen willeküre“, Berth.Reg., Pred., 2, 35). Seit dem 18. Jh. setzt sich aber Schritt für Schritt der, wie es bei den Grimms heißt, „neue gebrauch, meist mit tadelndem sinn“ durch, erkennbar z. B. in Schillers Verschwörung des Bedemar: „Mit der Ehre, dem Leben, dem Vermögen des Volks können die Großen nach Willkür umspringen“.

[] Variation, die

melodische, harmonische oder rhythmische Umbildung, Abwandlung eines Themas

Viele verbinden mit seinem Namen vor allem „Pomp and Circumstance”, dabei ist Edward Elgar viel mehr als ein Komponist patriotischer Rührstücke. Während der Jahre 1899 bis 1920 schrieb er einige der bedeutendsten englischen Orchesterwerke der Spätromantik, darunter seine 14 Nimrod-Variationen und sein farbenreiches, tief melancholisches Cellokonzert in a-Moll, das seither vielen jungen Cellisten zum Durchbruch verhalf. Zwischen den Kriegen als zu altmodisch abgetan erlebt seine Musik seit den 1960ern ein wahres Revival. Der 2. Juni 1857 ist Elgars Geburtstag.

[] Pfingsten

sieben Wochen nach Ostern gelegenes, hohes christliches Fest, das die im Neuen Testament berichtete Ausgießung des Heiligen Geistes über die Jünger Jesu feiert

Pfingsten, das Fest, mit dem Christen die Entsendung des Heiligen Geistes an die Apostel oder auch die Gründung der Kirche selbst verbinden, hat einen sprechenden Namen: Das mhd. „phingesten“ ist ursprünglich ein zum Nominativ erstarrter Dativ Plural aus „vor, ze, an phingesten“, das wiederum auf griech. pentēkostḗ (hēméra), „der 50. Tag“, zurückgeht, da das Fest sieben Wochen nach Ostern liegt. Aufgrund des Wechsels von p zu pf dürfte das Wort vor oder während der Zweiten Lautverschiebung entlehnt worden sein, vermutlich vermittelt durch griechische Kaufleute oder die ostgermanisch-arianische Mission.

[] Tinnitus, der

besonders bei Erkrankungen des Innenohrs subjektiv wahrgenommenes Rauschen, Klingeln oder Pfeifen in den Ohren

Wie wir dank Douglas Adams wissen, ist die lauteste Rockband des Universums „Desaster Area“, der man am besten aus 37 Meilen Entfernung in einem Bunker lauscht. Leider stand unser Planet bislang nicht auf deren Tourenplan, daher bleibt der Rekord für das lauteste Rockkonzert der Erde jener vom 31. Mai 1976, als eine sechsundsiebzigtausend Watt starke Beschallungsanlage die Musik der Band „The Who“ auf unerhörte hundertzwanzig Dezibel brachte. Den Fans klingelten bestimmt die Ohren, manchen von ihnen vielleicht auch dauerhaft, wofür es auch einen entsprechenden medizinischen Fachausdruck gibt.

[] Kleinod, das

kostbares Schmuckstück; übertragen: Kostbarkeit

Wer ein solches Kleinod erbt, kann sich glücklich schätzen (und wäre wohl um einige Rubel reicher): In Anlehnung an den russisch-orthodoxen Brauch, zum Osterfest geschmückte Eier zu verschenken, schuf der Petersburger Juwelier Peter Carl Fabergé, geb. am 30. Mai 1846, in seiner Werkstatt die berühmten Fabergé-Eier, kostbare, fein ziselierte Kunstwerke. Attribute, die im Übrigen auch der ursprünglichen Bedeutung von „klein“ in „Klein-od“ entsprechen. Denn das Adjektiv bezog sich ursprünglich weniger auf die Größe als auf diese Eigenschaft kunstreich gearbeiteter Schmuckstücke.

[] bestätigen, Verb

etw. für richtig erklären; (sich bestätigen) sich bewahrheiten, sich als richtig erweisen

1915 stellte Albert Einstein an der Preußischen Akademie der Wissenschaften die Allgemeine Relativitätstheorie vor. Ihre Kernaussage: Jede Form von Energie, also auch Masse, krümmt Raum und Zeit. Experimentell bestätigt werden sollte dies während einer Sonnenfinsternis. Denn die Verdunklung der Sonne erlaubte es, das Sternenlicht, das der Theorie zufolge in unmittelbarer Sonnennähe durch deren Masse abgelenkt werden musste, zu messen. Sir Arthur Stanley Eddington gelang am 29. Mai 1919 auf der Insel Príncipe schließlich ein Foto, das eine messbare Verschiebung der Sterne zeigte und so Einsteins Theorie bestätigte.

[] wortmächtig, Adj.

in hohem Maße sprach- und wortgewandt

„The black woman's poet laureate“, die Dichterin der schwarzen Frau, Maya Angelou, starb heute vor sechs Jahren und hinterließ ein beeindruckendes Erbe: Sie war Poetin, Schriftstellerin, Journalistin, eine der wichtigsten Figuren in der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und seit 1982 auch – obwohl ohne universitären Abschluss – Professorin für American Studies. Sie wusste um die Macht der Worte, wusste sie zu nutzen und sie zu fürchten. „Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt“, heißt ihre erste Autobiografie. „Er singt von Freiheit“, ist ihre Antwort.

[] Superspreader, der

Person, die mit einem infektiösen Krankheitserreger infiziert ist und durch ihre überdurchschnittlich hohe Anzahl von Sozialkontakten erheblich zu dessen Verbreitung beiträgt

Die irischstämmige Frau, der der Arzt George A. Soper 1907 in New York erstmals begegnete, war gesund, auf der „Höhe ihrer körperlichen und geistigen Kräfte“. Was sie nicht wusste und was Soper erst in mühevoller Detektivarbeit erkannt hatte: Mary Mallon war, ohne jemals selbst daran erkrankt zu sein, mit Typhus infiziert und hatte über ihre Tätigkeit als Köchin nachweislich 53 Personen angesteckt. Bedauernd merkte Soper rückblickend an, dass die Forscher um Robert Koch, der heute vor 110 Jahren starb, längst entdeckt hatten, dass auch symptomfreie Personen als mögliche Überträger in Betracht kommen.

[] weltoffen, Adj.

für alle Welt offen, zugängig; für alles in der Welt aufgeschlossen und interessiert

„Chinesische“ Pavillons in den Gärten, „orientalische“ Mode in den Salons: Die Faszination für fremde Kulturen im Barock, sie war oft bestenfalls oberflächlich. Ihr Interesse dagegen hatte Tiefe: Lady Mary Wortley Montagu lernte als Frau des britischen Botschafters im Osmanischen Reich die Landessprache, schloss Freundschaften und gewann authentische Einblicke in das kulturelle Leben, die sie in ihren Briefen verarbeitete. Ihre Beobachtung der im Mittelmeerraum verbreiteten Immunisierungspraktik gegen die Pocken gehört zu ihren großen Verdiensten. Am 26. Mai 1689 kam die Poetin und Intellektuelle zur Welt.

[] Aerosol, das

gasförmiges Gemisch aus festen und flüssigen

Winzigste Speicheltröpfchen gelangen als sogenannte Aerosole in die Luft und können für eine gewisse Zeit in ihr schweben. Derzeit wird daran geforscht, welches Ansteckungspotential in ihnen steckt bzw. auf welchem Wege sie zu einer Ansteckung mit dem Coronavirus führen können. Im Fokus der Untersuchungen stehen u. a. Chorgesang und gemeinschaftlicher Sport in Innenräumen – beides „atmungsaktive“ Tätigkeiten. Bergen sie besondere Gefahren? Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Forschung hierzu belastbare Aussagen treffen kann.

[] lustwandeln, Verb

scherzhaft: mit innerem Wohlbehagen spazieren gehen

„Meuchelpuffer“ für Pistole, „Jungfernzwinger“ für Nonnenkloster: Mit seinen Wortschöpfungen wollte der Sprachpurist und Barockliterat Philipp von Zesen Fremdwörter aus dem Deutschen ausmerzen, so auch das bereits im Frühneuhochdeutschen belegte „spazieren“ aus italienisch „spaziare“. Erfolg hatte die Neubildung „lustwandeln“ durchaus – wenn auch nicht im Sinne des Erfinders: Die Sprachgemeinschaft nutzt das Wort als eher ironische Bedeutungsdifferenzierung, zur Bezeichnung einer lustbetonten Form des Spazierengehens. Und wann könnte man schöner lustwandeln als heute, am „Europäischen Tag der Parke“.

[] Quetschkommode, die

Ziehharmonika, Akkordeon

Ob nun Heimatluftkompressor, Schifferklavier oder Quetschkommode – im Deutschen haben sich so einige Bezeichnungen für dieses schnell griffbereite, leicht transportable und daher weit verbreitete Begleitinstrument etabliert – einige werden ausschließlich regional verwendet, einige klingen durchaus humoristisch, sogar despektierlich. Der eigentliche Name „Akkordeon“ (oder „Accordeon“), der auf die Spielbarkeit ganzer Akkorde mit einer Taste dieses Instruments referiert, erscheint erstmals im Patentbrief des Erfinders Cyrill Demian – jenes wurde ihm am 23. Mai 1829 in Wien offiziell erteilt.

[] Computerspiel, das

Spiel, das am Computer, an einer Spielekonsole oder auf dem Smartphone gespielt wird

Es war ein ungewöhnliches Computerspiel, das heute vor vierzig Jahren erstmals über die Bildschirme der Konsolen flimmerte: eine gefräßige, knallgelbe Tortengrafik, die sich mit schepperndem „Uaka-Uaka-Uaka“ unzählige Pixelpillen einverleibte und dabei geschickt durch ein Labyrinth gelenkt werden musste, ohne den niedlichen, glubschäugigen Gespenstern zu begegnen. Pac-Man, das lustige und zugleich nervenaufreibende Arcadespiel des japanischen Studios Namco, war nicht nur außerordentlich erfolgreich, es konnte erstmals völlig neue Zielgruppen für das noch junge Medium begeistern.

[] Vielfalt, die

Verschiedenartigkeit, Mannigfaltigkeit

„Culture Counts – Kultur zählt“, vor 19 Jahren rief die UNESCO den „Welttag für kulturelle Entwicklung“ ins Leben, der sich heute jährt. Er soll die Vielfalt und den Dialog zwischen den Kulturen in den Mittelpunkt rücken. Die COVID-19-Pandemie stellt das kulturelle Leben derzeit weltweit vor große Herausforderungen, überall aber finden Menschen Wege, sich diesen zu stellen: Indem sie auf neue, gefahrlose Weise gemeinsam singen und musizieren, indem sie Kultur zur Aufklärung nutzen (wie in Uganda, in Indien und Mexiko), indem sie Kunst imitieren oder ganz neu interpretieren.

[] Meter, der oder das

Maßeinheit der Länge, Basiseinheit im Internationalen Einheitensystem

Unser liebstes Längenmaß war lange Zeit – die Sprache verrät es – unser eigener Körper: So ist etwas „wenige Schritte“ oder ein „paar Fuß“ entfernt, eine Tür ist „eine Handbreit“ offen, eine Stoffbahn „zwei Ellen“ lang. Die Französische Revolution setzte dem ein Ende. Der Nationalkonvent beschloss 1793 eine völlig neue Maßeinheit: den zehnmillionsten Teil des halben vom Nordpol (selbstverständlich über Paris) zum Äquator führenden Meridianbogens – den Meter. Am 20. Mai 1875 wurde dieser Urmeter (mit kleinen Änderungen) von der Internationalen Meterkonvention endgültig als Maßeinheit übernommen.

[] Konservendose, die

Dose aus (innen kunststoffbeschichtetem) Blech oder Weißblech zur (luftdicht abgeschlossenen) Aufbewahrung von pasteurisierten oder sterilisierten Nahrungsmitteln

Als heute vor 175 Jahren die Schiffe von Sir John Franklin in See stachen, um die sog. Nordwestpassage zu finden, war man sich im fortschrittsliebenden viktorianischen England sicher, dass die Besatzung mit ihrer höchst modernen Ausrüstung sicher durch das Packeis des Nordpolarmeeres kommen werde. Drei Jahre später aber waren alle Expeditionsteilnehmer verstorben – möglicherweise unter anderem durch von Proviantkonserven ausgelöste Bleivergiftungen. Die Katastrophe bewirkte bei Arktisforschern ein Umdenken: Roald Amundsen z. B. adaptierte erfolgreich die Überlebenstechniken der dort lebenden Inuit.

[] Häresie, die

von der offiziellen Kirchenmeinung abweichende Lehre; bildungssprachlich: Ketzerei, verdammenswerte Meinung

Zeitgenossen bezeichneten ihn als „ersten Poeten“ und als „Geliebten der Musen“, mit seinen Stücken feierte er in London enorme Erfolge, wie kein anderer beeinflusste er die Literaten seiner Zeit, unter ihnen auch Shakespeare, mit dem er sich heute den Rang des bedeutendsten Poeten der englischen Renaissance teilt. Außerhalb der Theaterszene galt Christopher Marlowe jedoch als umstritten: Er sei ein Atheist, liebäugle mit den Katholiken, wurde gemutmaßt. Am 18. Mai 1593 erhielt er wegen des dringenden Verdachts auf Häresie eine Vorladung vor Gericht, wenige Tage später starb er unter dubiosen Umständen.

[] Grenzgänger, der

jmd., der zwischen mehreren Disziplinen, Bereichen o. Ä. hin- und herwechselt und sich nicht eindeutig zuordnen lässt

Nicht nur dem Renaissance-Schriftsteller Vasari, auch modernen Kunsthistorikern gilt der Florentiner Renaissance-Maler Sandro Botticelli als Wanderer zwischen den Welten: Widmete er sich zu Anfang seiner Karriere ausschließlich religiösen Themen, erschloss er sich inspiriert von humanistischen Gelehrten neue, an antiker Ästhetik geschulte, von der Kirche verpönte mythologische Bildwelten, als deren Höhepunkt das berühmte Gemälde „Die Geburt der Venus“ gilt. Nur um dann wieder die Sixtinische Kapelle mit den Szenen aus dem Leben Jesu zu schmücken. Heute vor 510 Jahren starb der faszinierende Grenzgänger.

[] Dornröschenschlaf, der

langer Schlaf der Märchengestalt Dornröschen; übertragen: lange Zeit der Ruhe, in der jmd., etw. unbeachtet bleibt

„On ne trouve plus de femelle, / Qui dormît si tranquillement.“ (Man findet heute kein Weibsbild mehr, das so geduldig zu ruhen vermag) – der Dichter und Hofbeamte Charles Perrault ließ es sich nicht nehmen, auch ein (scheinbar) so unschuldiges Märchen wie „Dornröschen“ mit einer zweifelhaften Moral abzurunden. „La Belle au bois dormant“ erschien 1697 in seinen berühmten „Feenmärchen für die Jugend“, einer Sammlung alter Volkserzählungen, von denen uns einige sehr bekannt vorkommen dürften. Perrault jedoch starb rund 80 Jahre vor der Geburt des namhaften Hessischen Brüderpaars, am 16. Mai 1703.

[] Sammelsurium, das

umgangssprachlich, abwertend: Mischmasch, Durcheinander

Er verfasste das erste Lexikon, das sich ausschließlich an Frauen richtete. Über den genauen Zweck des „Frauenzimmer-Lexikons“ war sich der Verfasser, der Leipziger Jurist Gottlieb Siegmund Corvinus, allerdings wohl selbst nicht so recht im Klaren: Er überließ es seinen Leserinnen, ob sie das Werk als „nützliches, galantes oder kuriöses“ Werk ansehen wollten. Ob Viten gelehrter Frauen oder Schminktipps, Kochrezepte oder Gesellschaftsspiele: Das bunte Sammelsurium gibt in jedem Fall spannende Einblicke in die Alltagswelt des frühen 18. Jhds. Heute vor 343 Jahren wurde Corvinus geboren.

[] zäh, Adj.

ausdauernd; widerstandsfähig, harten Lebensbedingungen, schweren Belastungen physisch gewachsen; beharrlich, hartnäckig

Man hätte John McDouall Stuart den Abenteurer wohl nicht direkt angesehen: Doch obschon klein und schmächtig von Statur, gehört er dennoch zu den großen Entdeckern Australiens. Mitte des 19. Jhs. wurden, befeuert durch den Hunger nach Land und Bodenschätzen, Handels- und Kommunikationsverbindungen Expeditionen quer durch den Kontinent finanziert. Viele endeten im Desaster. Ihm gelang, woran andere scheiterten: Am 14. Mai 1858 brach er zu seiner ersten Expedition auf. In mehreren Anläufen erreichte er nicht nur sein Ziel, er brachte seine Leute allesamt lebend zurück.

[] Wunder, das

ungewöhnliche, das übliche Maß weit übertreffende Sache, Person, etw., das Überraschung, Staunen hervorruft

Stevland Hardaway Morris kam heute vor 70 Jahren zur Welt. Viel zu früh, weshalb er an einer Retinopathie erkrankte. Das Augenleiden aber konnte den hochbegabten Jungen nicht bremsen: Mit fünf sang er im Knabenchor, mit neun spielte er Klavier, Mundharmonika und Schlagzeug, mit zwölf wurde er bei Motown als „Little Stevie Wonder“ unter Vertrag genommen und landete seinen ersten Hit. Seitdem ist er nicht mehr aufzuhalten. Heute gilt Stevie Wonder als einer der erfolgreichsten und vor allem einflussreichsten Soul-, Funk- und Popmusiker, Produzenten, Songwriter und Multiinstrumentalisten aller Zeiten.

[] Experiment, das

(wissenschaftlicher) Versuch

Er kam heute vor knapp 220 Jahren, am 12. Mai 1803, in Darmstadt zur Welt: Justus von Liebig, Sohn eines Drogisten, der in seines Vaters Werkstatt spielerisch das Fundament seiner späteren Berufung legte. Er wurde der bedeutendste Chemiker seiner Zeit, erfand die Mineraldüngung, begründete den Bereich der Agrochemie, verbesserte grundlegend verschiedene chemische Experiment-Verfahren, forschte an Säuren, entdeckte (zeitgleich mit zwei anderen) das Chloroform und entwickelte, zur Stärkung Kranker und Soldaten, ein Verfahren zur Herstellung von Fleischextrakt.

[] unterhaltsam, Adj.

angenehm die Zeit vertreibend, unterhaltend

Heute jährt sich zum dreihundertsten Mal die Geburt jenes Mannes, dessen Legende in denkwürdiger Weise von seinem tatsächlichen Leben abweicht: Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen führte nach einer durchaus ereignisreichen Militärkarriere ein ruhiges Leben als Gutsherr und geschätzter Privatmann, der seine Tischgesellschaft bestens mit phantasievoll übertriebenen Anekdoten zu unterhalten wusste. Seine Geschichten wurden allerdings gegen seinen Willen (und ohne Tantiemen) mit enormem Publikumserfolg veröffentlicht. Er selbst sah sich als „Lügenbaron“ der Lächerlichkeit preisgegeben.

[] Kandidatur, die

Nominierung für eine Wahl

Ein öffentliches Schulwesen, sexuelle Aufklärung, die Abschaffung von Kinderarbeit und Todesstrafe, Vegetarismus und freie Liebe – man denkt bei Konzepten dieser Art zunächst an die 1968er. Tatsächlich aber wurden sie bereits 100 Jahre zuvor propagiert – von einer in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Persönlichkeit: Victoria Woodhull, Frauenrechtlerin, Journalistin und Verlegerin, kurioserweise praktizierende Wahrsagerin und erste weibliche US-Präsidentschaftskandidatin in der Geschichte. Am 10. Mai 1872 wurde sie von der Equal Rights Party offiziell für die Wahl nominiert.

[] Gauner, der

abwertend: Mann, der auf betrügerische Art andere zu übervorteilen versucht; Betrüger, Schwindler, Dieb; Spitzbube

Er ging als einer der größten (und gefeiertsten) Halunken aller Zeiten in die Geschichte Englands ein: Thomas Blood, Abenteurer und Tunichtgut sondergleichen. Zwar misslangen ihm die meisten seiner Schandtaten (wie die Einnahme von Dublin Castle oder das Attentat auf den verhassten Herzog Ormond), sein kühnster und abstrusester Coup aber brachte ihm einen royalen Erfolg: Am 9. Mai 1671 machte er sich auf, die Kronjuwelen aus dem Tower of London zu stehlen. Auch dies misslang. König Karl II. aber war von Bloods Dreistigkeit derart beeindruckt, dass er ihn vollständig begnadigte.

[] dankbar, Adj.

von Dank erfüllt

„Das Gefühl der Dankbarkeit ist immerfort vorhanden.“ Für Victor Klemperer, der als Jude nur knapp der Deportation entkommen war, – wie für unzählige Weitere – bedeutete die bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 vor allem das Ende der ständigen Todesangst. Das Gefühl der Erleichterung zieht sich von nun an allen Widrigkeiten des Flüchtlingsdaseins zum Trotz durch seine Tagebuchnotizen – in ihnen hatte er seinen Alltag von 1933 bis 1945 festgehalten. Die Nachricht vom Kriegsende erreichte Klemperer allerdings erst am folgenden Tag. Im Ort war die Stromversorgung zusammengebrochen.

[] Exit-Strategie, die

Militär: Strategie für den geordneten Abzug eines Truppenkontingents aus dem Auslandseinsatz; Gesundheitswesen: Strategie zur (stufenweisen) Lockerung bzw. Rücknahme von Maßnahmen, die zur Eindämmung bzw. Bekämpfung von Krankheiten, Epidemien, Pandemien o. Ä. ergriffen worden sind

„Rückzug“ klingt nach Niederlage, Generäle sprechen lieber von „Exit-Strategie“. Die dahinter liegende Problemstellung, sich gezielt aus einer bedrohlichen Lage zurückzuziehen, ist allerdings nicht auf Militärisches beschränkt. Auch Wirtschaftslenker bedienen sich gerne dieses Wortes und in der aktuellen Pandemiediskussion ist ein weiteres Anwendungsfeld hinzugetreten. Doch was forsch als Exit-Strategie gefordert wird, gleicht eher einem langwierigen Balanceakt zwischen der sozial und wirtschaftlich erforderlichen Rücknahme des Lockdowns und dem weiter nötigen Eindämmen der Pandemie.

[] Ausnahmegenehmigung, die

(behördliche) Erlaubnis, von einem Ge- oder Verbot abweichen zu dürfen

Der große intellektuelle Hunger der jungen Quedlinburgerin Dorothea Christiane Erxleben wurde früh genährt: Sie erhielt Lateinunterricht und durchlief eine vom Vater – er war selbst ein Arzt – angeleitete medizinische Ausbildung. Ein Studium aber wurde ihr als Frau verwehrt. Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen: Mit einem Hilferuf an Friedrich den Großen selbst, der ihr tatsächlich eine Ausnahmegenehmigung erteilte, erkämpfte sie ihre Zulassung, legte am 6. Mai 1755 an der Universität Halle erfolgreich die Prüfung ab und erhielt als erste deutsche Frau die medizinische Doktorwürde.

[] Balkonien, Substantiv

der eigene Balkon bzw. die eigene Wohnung als Ort, an dem man unter Verzicht auf (weite) Reisen seinen Urlaub verbringt

Ob als biedermeierliches Refugium von der Welt (wie bei Spitzweg), ob als Präsentierteller bürgerlicher Repräsentationslust wie bei Manet oder gar als verbotener Zugang zur/zum Geliebten (wie in Romeo und Julia): Der Balkon hat seinen Platz in der Kulturgeschichte. Als Urlaubsort entdeckten ihn die Menschen erst spät – paradoxerweise mit dem Anrollen der großen Reisewelle in den 1960er Jahren. Seither ist Balkonien als nerven- und ressourcenschonende Form der Erholung eine feste Größe. Und in Pandemiezeiten wird der Balkon – etwa als halböffentliches Musikzimmer – weiteren kreativen Nutzungen zugeführt.

[] Wortspiel, das

geistreiche, oft witzige Verwendung von gleich oder ähnlich klingenden Wörtern in einem Satz, die oft sehr unterschiedliche Bedeutungen haben, spielerische Wiederholung von Wörtern in unterschiedlichen Zusammenhängen

Heute ist Star-Wars-Tag, ein Datum, an dem die zahlreichen Fans die – je nach Zählung drei bis neun, oder gar elf – Weltraum-Epen in noch höheren Ehren halten als ohnehin. Anders als bei vielen Welt-X-Tagen ist die Wahl des heutigen Datums nicht durch den Tag der Premiere, den Geburtstag von George Lucas oder die Schlacht von Yavin bedingt, sondern durch die phonetische Ähnlichkeit zwischen der Datumsangabe „May the fourth“ und dem legendären Ausspruch „May the force [be with you!]“ im Englischen. Die Macht des Wortwitzes ist stark „bei diesem da“.

[] Schnapszahl, die

umgangssprachlich, scherzhaft: Zahl, die aus zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden gleichen Ziffern, Zifferngruppen besteht

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, behauptete ein Schlagersänger, „333, bei Issos Keilerei“, lernte man früher und in der Apokalypse verweist 666 auf das geheimnisvolle Tier. Ob bei Schlagerenthusiasten, Geschichtsinteressierten oder Anhängern der Zahlenmystik: Schnapszahlen sind beliebt. Dabei gibt es das Wort erst seit dem 20. Jh., wohingegen „Schnaps“, das als „le schnaps“, „the schnapps“ oder „шнапс“ in viele Sprachen entlehnt wurde, immerhin seit dem 17. Jh. geläufig ist. Ob Schnapszahl davon herrührt, dass man alkoholisiert doppelt sieht oder in einem Additionsspiel beim Auftreten einer solchen eine Runde schmeißen muss, ist ungeklärt.

[] Poet, der

Dichter, besonders Lyriker

Dichter und Dandy, hochbegabt und narzisstisch: Alfred de Musset war in Frankreich bereits im Alter von 20 Jahren ein gefeierter literarischer Star. Allerdings mit zweifelhaftem Ruf. In Deutschland blieb er erstaunlicherweise relativ unbekannt. Immerhin schafft es sein dramatisches Werk dann und wann auf die Bühnen, so die romantischen Stücke „Lorenzaccio“ (1833/34) oder „Man spielt nicht mit der Liebe“ (1834). Seine Lyrik, die ob ihrer formalen Qualitäten durchaus mehr Beachtung verdient, schaffte es zumindest auf seinen Grabstein. Er starb am 2. Mai 1857 46-jährig an Alkohol und gebrochenem Herzen.

[] systemrelevant, Adj.

entscheidend für die Aufrechterhaltung, den Fortbestand eines bestimmten Systems

Gegen das „System“ zu rebellieren, gehörte in sich revolutionär gebenden Kreisen bisweilen zum guten Ton. Tatsächlich war „System“ bezogen auf gesellschaftliche oder staatliche Strukturen negativ konnotiert. Bis jetzt. Unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie lautet eines der meistgebrauchten Schlüsselwörter dieser Tage „systemrelevant“. In Krisenzeiten wächst die Wertschätzung für diejenigen, die das Herz-Kreislauf-System der Gesellschaft am Leben erhalten, die in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, in der Lebensmittelversorgung arbeiten und sich nicht in die Sicherheit eines Homeoffice zurückziehen können.

[] Hexeneinmaleins, das

Wort- und Zahlenrätsel mit mehrfachem Sinn; magisches Quadrat

„(...) Aus Fünf und Sechs, / So sagt die Hex’, / Mach’ Sieben und Acht, / So ist’s vollbracht: / Und Neun ist Eins, / Und Zehn ist keins. / Das ist das Hexen-Einmal-Eins!“ (Goethe, Faust I). Gebraut wird, noch nicht ganz zur Walpurgisnacht, ein Verjüngungstrank, dessen kontrafaktische Produktionsformel den gelehrten Protagonisten zutiefst verstört. Mephisto kommentiert mokant: „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, / Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ Die Nachwelt versuchte tatsächlich, das Gedachte in Goethes rätselhafter Erfindung zu entschlüsseln – mit zweifelhaftem Erfolg.

[] Sammelgebiet, das

Gebiet, auf dem jmd. sich als Sammler betätigt

Dinge zu sammeln ist ein beliebtes Hobby. Davon zeugen zahlreiche Wörter wie „Sammelalbum“, „Sammeleifer“, „Sammelfleiß“, „Sammelleidenschaft“ oder gar „Sammelwut“. Gesammelt werden kann buchstäblich alles, nicht nur Briefmarken, Kronkorken oder Postkarten. Und wahrscheinlich muss man auch einen Hang zum Sammeln haben, um Lexikograph zu werden – denn was ist ein Wörterbuch, wenn nicht ein wissenschaftlich fundiertes „Sammelsurium“ der Wörter einer Sprache? Manche mögen dieses „Sammelgebiet“ so sehr, dass sie über ihre Arbeit hinaus auch privat großartige Sammlungen anlegen.

[] monochrom, Adj.

einfarbig

Im Alter von 18 Jahren habe er, so die Legende, am Strand von Nizza liegend mit dem Finger den tiefblauen Himmel signiert – sein „erstes monochromes Gemälde“. Tatsächlich wurde die Farbe Blau, genauer Ultramarinblau, zu Yves Kleins Signatur – er ließ sie sogar unter der Bezeichnung International Klein Blue (I.K.B.) patentieren. Nach Jahren des Experimentierens gelang es ihm, diese Farbe ohne Verlust ihrer Strahlkraft auf riesige Leinwände zu ziehen und so makellose monochrome Flächen zu schaffen, die den Betrachter an sich ziehen und tief berühren. Heute vor 92 Jahren kam er zur Welt

[] Gesichtsmaske, die

flächig über Mund und Nase zu tragender, atmungsaktiver (teilweise mit Filtern versehener) Schutz zur Verhinderung des Einatmens von Schadstoffen oder Krankheitserregern bzw. zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheitserregern (etwa durch Speicheltröpfchen) bei eigener Infektion

Sie sind gerade in bzw. auf aller Munde: Die genannten Mund-Nasen-Schutze und Atemmasken sind wichtige Elemente in der Bekämpfung der aktuellen Coronavirus-Pandemie und bei der Behandlung der COVID-19-Patienten mit schwerem Verlauf. Doch geht hier nur eine von fünf Bedeutungen des Wortes Gesichtsmaske auf, denn dahinter verbergen sich noch: 2. ein Zubehör für Sportler, 3. eines für Verkleidete, 4. ein „Stoff“ für Schönheitsbewusste und 5. die farbigen Antlitze bestimmter Tiere. Das Wort ist so bunt wie manche der selbst genähten Mundschutze (Bedeutung 1), die man nun überall auf der Straße sieht.

[] außerirdisch, Adj.

zu einem Bereich außerhalb des Planeten Erde gehörend, dort vorkommend; von außerhalb des Bereichs des Planeten Erde stammend

Am 26. April 1803 ereignete sich in L’Aigle im Süden der Normandie gegen 13 Uhr etwas Unglaubliches: Es regnete Steine. Mehr als 3000 größere und kleinere Meteoritenbrocken wurden in den Feldern im Umkreis entdeckt, einige steckten 30 cm tief im Boden. Der junge Astronom Jean-Baptiste Biot untersuchte den Fall vor Ort und erstellte einen Bericht. Seine Entdeckungen und die folgende Analyse der Bruchstücke bestätigten, was die französische Akademie der Wissenschaften bis dahin noch nicht anerkannt hatte: Meteoriten – gewissermaßen steinerne Außerirdische – stammen aus dem Weltall.

[] Desinfektionsmittel, das

flüssige chemische Substanz, die (für Haut, Oberflächen, Instrumente, Wasser usw.) als Schutz vor einer Infektion mit Keimen verwendet wird

Antoni van Leeuwenhoek war wohl der erste Mensch, der 1683 mit seinem Mikroskop Bakterien erblickte. Und doch dauerte es lange, bis man den Zusammenhang zwischen unsichtbaren Keimen und Krankheiten erkannte. Es war Ignaz Semmelweis, der um 1840 erstmals Chlorkalk als Desinfektionsmittel für die Hände einsetzte – wirksam, aber hoch aggressiv. Auch wenn heute Substanzen wie Alkohol oder Aldehyde wesentlich haut- und oberflächenverträglicher sind, haben sie auf Dauer ebenfalls schädigende Wirkung auf Organismus und Umwelt. Deshalb bleibt zumindest im Alltag das Händewaschen mit Seife die wirksamste Form der Handhygiene.

[] Spiegelteleskop, das

Fernrohr, bei dem als Objektiv ein Hohlspiegel oder ein zusammengesetztes System von Spiegeln verwendet wird

Es ist 11,6 t schwer, 13,1 m lang und zumindest in Äquatornähe nachts mit dem bloßen Auge zu sehen: das Hubble-Weltraumteleskop. Heute vor genau 30 Jahren wurde es ins All geschickt und liefert seitdem (einige Kinderkrankheiten wurden schnell behoben) spektakuläre Aufnahmen von Planeten, Nebeln und Galaxien – Aufnahmen, die keinem Teleskop von der Erde aus gelingen könnten, da deren Auflösungsvermögen von Molekülen in der Atmosphäre beschränkt wird. Es brachte und bringt das Weltall zu uns auf die Erde und begeistert nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Hobby-Astronomen – und Star-Trek-Fans.

[] Lichtblick, der

Aussicht, auf die man sich freut, Hoffnungsschimmer

Zwischen all den bitterernsten Nachrichtenmeldungen rund um die COVID-19-Pandemie zeigen sich doch immer wieder auch Lichtblicke: Die Johns Hopkins University zählt mittlerweile bereits knapp 700.000 Genesene weltweit, Menschen helfen Menschen, auch klangvoll, wie das Orchester des Radio France oder das Global-Citizen-Projekt One World Together at Home. Menschen zeigen Humor in der Krise, z. B. indem sie kreativ berühmte Kunstwerke nachstellen. Und sie zeigen unglaubliches Durchhaltevermögen, indem sie, wo immer möglich, weiter arbeiten, weiter forschen, weiter heilen, weiter pflegen.

[] legitimieren, Vb.

⟨jmd. legitimiert jmdn.⟩ für legitim erklären

Eine Aschenputtel-Geschichte? Nicht ganz! Zwar stimmt das Setting: Aus dem armen Mädchen wurde die Gefährtin des Königs – der Weg dahin aber war weniger märchenhaft. Ihre außergewöhnliche Schönheit verschaffte der Pariser Kurtisane Jeanne Bécu die Aufmerksamkeit auch bedeutender Höflinge, die sich über sie als Mittlerin Einfluss bei Hofe erhofften. Es gelang: König Ludwig XV. ließ sich bezaubern, ihre Geburtsurkunde wurde „geadelt“, sie selbst mit einem Grafen verheiratet und am 22. April 1769 offiziell als Comtesse du Barry (inoffiziell als Mätresse des Königs) am Hof eingeführt.

[] Kindergarten, der

Tagesstätte für die Betreuung und vorschulische Erziehung der Kinder

Ob „abseiling“, „schadenfreude“, „kaffeeklatsch“ – es gibt durchaus Germanismen, die im Englischen heimisch geworden sind. Mit in diese Reihe gehört auch das in Amerika populäre „kindergarten“. Dass es das Wort in die Neue Welt geschafft hat, haben die Amerikaner der gescheiterten Revolution von 1848 in Deutschland zu verdanken. Denn es war die Frau eines ausgewanderten Revolutionärs, Margarethe Meyer-Schurz, die 1856 in Watertown, Wisconsin, den ersten Kindergarten gründete – nach dem Konzept Friedrich Fröbels, zu dessen Geburtstag die Amerikaner am 21. April den National Kindergarten Day feiern.

[] Spiegelung, die

das Zurückwerfen, Reflektieren bzw. Zurückgeworfenwerden, Reflektiertwerden von Lichtstrahlen (und dadurch das Entstehen eines Abbildes von etw., jmdm. oder störender Reflexe); übertragen: das getreue Darstellen, das getreue (künstlerische) Wiedergeben von jmdm. oder etw.

„Den zwanzigsten Tagh Aprilij sach man zu Stockholm solche Zeichen am Himmel von siben bis ann negen Whr Vormittagh (...)“ – Das Gemälde „Vädersolstavlan“ von 1636, dessen mittlerweile verschollene Urfassung 1535, im Jahr des beschriebenen Ereignisses, entstanden sein muss, enthält nicht nur die älteste bekannte Abbildung Stockholms in Farbe, sondern auch die wahrscheinlich älteste realistische Darstellung einer gar nicht so seltenen himmlischen Haloerscheinung, der „Nebensonne“. Sie entsteht, wenn sich das Sonnenlicht in atmosphärischen Eiskristallen bricht.

[] Wirkung, die

von einer Ursache, einem Verursacher ausgehende Beeinflussung, hervorgebrachte Folgen, erzieltes Ergebnis

Es schien nur eine verschwindend geringe Dosis, die der beim Pharmakonzern Sandoz angestellte Chemiker Albert Hofmann in seinem legendären Selbstversuch am frühen Abend des 19. April 1943 einnahm. Doch die Wirkung des ursprünglich als Kreislaufmittel geplanten Lysergsäurediäthylamid (kurz LSD) setzte 40 min später mit einem Horrortrip ein. Daraufhin tat Hofmann das, was man eigentlich lassen sollte: Er fuhr mit dem Fahrrad nach Hause – 10 km durch eine fremdartige, kaleidoskopartige Welt, in der sich alles aufzulösen schien. Seine berühmte Fahrradfahrt wird in der Popkultur als Bicycle-Day begangen.

[] Karriere, die

(schnelle, erfolgreiche) Laufbahn, berufliches Vorwärtskommen

Plötzlich Kurfürst: Es war ein gewaltiger Karrieresprung für Friedrich VI. (1371–1440), den (finanziell etwas klammen) Burggrafen von Nürnberg, Herr über das kleine Fürstentum Ansbach. Mit diplomatischem Geschick und windigen Winkelzügen hatte er König Sigismund von Ungarn auf den deutschen Thron verholfen. Der zeigte sich erkenntlich und belehnte ihn am 18. April 1417 in Konstanz offiziell sowohl mit der Mark Brandenburg als auch der erblichen Kurwürde. Als Kurfürst Friedrich I. zählte er nun zu den Vornehmsten und Mächtigsten im Reich. Das Ereignis selbst gilt heute als Geburtsstunde des späteren Brandenburg-Preußens.

[] Handhygiene, die

das Reinhalten der Hände durch Waschen (oder Desinfizieren) zum Entfernen von Schmutz und Krankheitserregern

An skurrilen Gesundheitsratschlägen hat es in der Menschheitsgeschichte wohl nie gemangelt. So empfahl ein auf dem Lehrwerk „Regimen sanitatis Salernitanum“ beruhender Merkvers von 1559 das Händewaschen – mit einer seltsamen Begründung: Wasch dein händ / underlass es nicht / Du reinigst dich / und scherrpffst dein gsicht (= verbesserst deine Sehkraft). Hintergrund war ein missverstandener Talmudkommentar. Zwar wuschen sich Rabbiner vor dem Beten tatsächlich die Hände. Sie wollten so aber nur verhindern, dass die Augen mit Salz in Kontakt kamen, das sie zuvor zu sich genommen hatten.

[] Melone, die

runder, steifer Herrenhut

Scheidung der Eltern, Armut, Alkoholtod des Vaters, Wahnsinn der Mutter, Ende der Schulkarriere mit 13 – Charles Spencer „Charlie“ Chaplin, geboren heute vor 131 Jahren, lernte von klein auf, was es bedeutet, ganz unten zu sein. Jedoch zerbrach er nicht an den widrigen Umständen, stattdessen arbeitete er sich hoch, eroberte erst die Theaterbühne, dann die Leinwand. Er wurde zum ersten Weltstar des Stummfilmkinos und brillierte in seiner Paraderolle des ewigen „Tramps“ mit dem charakteristischen Hut.

[] belegen, Vb.

etw. durch ein (schriftliches) Zeugnis beweisen

„A writer of dictionaries, a harmless drudge ...“ (ein Wörterbüchschreiber; ein harmloser Arbeitsesel ...): Diese Definition zum Stichwort „Lexicographer“ (Lexikograph) im „Dictionary of the English Language“ klingt wie ein netter Scherz. Und doch gibt sie den Entstehungsprozess des einflussreichen, am 15. April 1755 in London erschienenen Werkes treffend wieder. In neun Jahren hatte Samuel Johnson eigenhändig ganze 42 773 wichtige englische Begriffe zusammengetragen, sie mit Angaben zu Rechtschreibung, Aussprache und Bedeutung versehen und erstmals auch literarische Zitate als Belege ergänzt.

[] Menschlichkeit, die

der Würde des Menschen entsprechendes Denken und Handeln; Beachtung moralischer Normen, Mindestnormen im Verhalten anderen Menschen gegenüber

Ein Kreuzritter, der eine Jüdin aus den Flammen rettet; ein Mönch, der die Machenschaften seines fanatischen Patriarchen durchkreuzt; ein Sultan, der einen Juden als moralische Autorität respektiert: Lessings Ideendrama „Nathan der Weise“ ist ein Entwurf für eine bessere Welt, in der Menschlichkeit und Toleranz über Glaubenseifer und Fanatismus triumphieren. Als es am 14. April 1783 im Döbbelinschen Theater in Berlin uraufgeführt wurde, fiel es durch, heute gehört es zum Literaturkanon. Sein Anspruch an uns ist bis heute aktuell geblieben.

[] Ostern, das

ältestes christliches Fest, das die im Neuen Testament berichtete Auferstehung Christi feiert

Um die Etymologie des Wortes ‘Ostern’ wird nach wie vor gestritten: Diese Bezeichnung ist tatsächlich nur im Deutschen und Englischen (‘Easter’) nachgewiesen, anderswo in Europa wird der Name für das christliche Fest vom aramäischen ‘pas’cha’ bzw. dem hebräischen ‘Pessach’ abgeleitet. Für diese Abweichung gibt es mehrere Deutungsmodelle: Einige Linguisten weisen auf ein der germanischen Göttin Eostrae geweihtes vorchristliches Frühlingsfest hin, andere identifizieren in ‘Ostern’ ausschließlich eine Ableitung von ahd. ‘ā̌ustero’ (= Morgenröte), die Tageszeit, an der laut Neuem Testament das Grab Jesu leer aufgefunden wurde.

[] Neozoon, das

Zoologie: ursprünglich in einem bestimmten Gebiet nicht vorkommende Tierart, die meist durch Einfluss des Menschen in dieses Gebiet gelangt und dort ansässig wird

Wachset und mehret euch: Bisweilen scheint der Bibelspruch auch auf Tiere zu passen. Am 12. April 1934 setzte ein Oberförster am hessischen Edersee zwei nordamerikanische Waschbärpaare aus: Für Procyon lotor – unverwechselbar mit seiner Gaunermaske – war die Alte Welt offenbar ein echtes Paradies, der Bestand gedieh. Gegenwärtig räumt er als Kulturfolger des Menschen in Städten allerdings nicht nur Mülltonnen aus, sondern fällt auch als (Oster-)Eierdieb bisweilen unangenehm auf. Ob es sich beim Neozoon Waschbär um eine das ökologische Gleichgewicht störende „bioinvasive“ Art handelt, ist umstritten.

[] Passion, die

Religion: die Leidensgeschichte Christi von seiner Gefangennahme bis zum Kreuzestod und ihre künstlerische Darstellung

Er hatte sich verpflichtet, seine Kirchenmusik „nicht zu lang“ und „nicht opernhafftig“, sondern zur „Andacht aufmunternd“ zu gestalten. Und doch: zweieinhalb Stunden Aufführungsdauer, eine Besetzung mit Solisten, zwei Chören und zwei Orchestern – Johann Sebastian Bach nahm es bei der Matthäuspassion nicht so genau mit diesen Vorgaben. Er wechselte stattdessen zwischen Dialog- und Handlungsmomenten sowie Erzählpassagen, ergänzte introspektive Choräle und band so die Gläubigen direkt ins Passionsgeschehen ein. Am 11. April 1727 wurde das Werk als Teil der Karfreitagsmesse in der Leipziger Thomaskirche uraufgeführt.

[] Karfreitag, der

Freitag vor Ostern; Tag, an dem der Kreuzigung Christi gedacht wird

Komposita verhalten sich oft wie Zeitkapseln, in denen manch untergegangenes Wort die Zeitläufte überdauert. Das gilt auch für Kar-Freitag. So bedeutete das Substantiv „kar“ im Mittelhochdeutschen ‚Trauer, Wehklage‘ und „karmen“, das zugehörige Verb, ‚trauern, klagen‘. Man findet es noch in frühneuzeitlichen Zeitungstexten wie dem Bericht über die Belagerung Bonns 1588: Am „19. Septembris haben die …[Spanier] gewaltich in die Stadt geschossen … Und ist ein grois geschrei und karmen gewest.“ Im Englischen existiert das Wort weiterhin: „care“ meint hier allerdings ‚Sorge‘, bzw. ‚(für etw., jmdn.) sorgen‘.

[] Fernweh, das

starke Sehnsucht nach der Ferne

Dass das Wort „Fernweh“ zwar fest im deutschen Wortschatz verankert, aber nicht im Grimm’schen Wörterbuch zu finden ist, hat seinen Grund: Diesen prägnanten, nahezu unübersetzbaren Begriff kannten die Brüder Grimm höchstwahrscheinlich noch nicht. Er wird ihrem Zeitgenossen, dem Fürsten von Pückler-Muskau, als Wortneuschöpfung zugeschrieben. Von ihm soll die Aussage stammen, er habe stets eher an Fern- als an Heimweh gelitten. Etabliert hat sich das Wort zunächst nur im Sprachgebrauch der Eliten, der Aufstieg des Massentourismus im 20. Jhd. verhalf ihm aber zu einer steilen Karriere.

[] Epidemiologie, die

Wissenschaft von der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien, zeittypischen Massenerkrankungen und Zivilisationsschäden

Es war eine einfache Maßnahme, aber sie rettete Tausenden das Leben. 1854 entfernte der Arzt John Snow (1813–1858) in der Londoner Broadstreet den Schwengel einer Wasserpumpe. Snow hatte über einen längeren Zeitraum die Fälle von Cholera auf einem Stadtplan festgehalten und erkannt, dass nicht etwa – wie man damals glaubte – verseuchte Luft, sondern das Trinkwasser jenes Brunnes die Ursache der Erkrankungen sein musste. Infolge der Sperrung des Brunnens sank die Zahl der Choleratoten drastisch. Seine räumliche Analyse von Krankheitsfällen gilt heute als Pionierleistung der Epidemiologie.

[] Pandemie, die

sich weit ausbreitende, ganze Landstriche, Länder oder Kontinente erfassende Infektionskrankheit; Epidemie großen Ausmaßes

Als am 7. April 1949 die Weltgesundheitsorganisation WHO als Sonderorganisation der noch jungen Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, erklärte man die allgemeine Förderung der Gesundheit der Weltbevölkerung zu ihrem zentralen Ziel. Ihre seitdem bekanntesten Aktivitäten stehen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. So koordiniert die WHO nicht nur im Augenblick die Bemühungen der Eindämmung der Pandemie durch das Coronavirus, sondern hat in der Vergangenheit durch Kampagnen gegen Pocken, Kinderlähmung und Masern unzählige Leben gerettet.

[] Unabhängigkeitsstreben, das

Streben eines Volkes nach staatlicher, politischer, ökonomischer Unabhängigkeit

Schottland und England: Beide Nationen verbindet eine komplizierte Geschichte, die bisweilen an die On-off-Beziehung eines zerstrittenen Paares erinnert. Immerhin war die schottische Unabhängigkeitsbewegung aber auch stets für romantische Dichtungen gut – und für markige Sprüche: „Denn solange auch nur einhundert von uns am Leben bleiben, wird man uns niemals, zu welchen Bedingungen auch immer, unter englische Herrschaft zwingen.“ Das verkündeten 51 schottische Adelige, heute vor 700 Jahren, in der berühmten „Declaration of Arbroath“. Sie gilt als erste Unabhängigkeitserklärung eines Landes.

[] Naturkatastrophe, die

durch Naturgewalten hervorgerufene Katastrophe

Am 5. April 1815 begann mit einer gewaltigen Explosion, gefolgt von einer Serie weiterer Eruptionen, der Ausbruch des Vulkans Tambora. Die Naturkatastrophe verursachte millionenfaches menschliches Leid, hatte Missernten und Hungersnöte zur Folge. Sie hinterließ aber auch kulturelle und politische Spuren: Die Gründung von Sparkassen für die Landbevölkerung, ein Aufschwung in der Agrarwissenschaft sind direkte Antworten auf die Krise. Und nicht zuletzt sorgten die Aerosole in der Atmosphäre für spektakuläre Sonnenuntergänge, die wir noch heute auf den Bildern von William Turner bewundern können.

[] Triage, die

Auswahl durch Sichtung und Prüfung, Einteilung, Kategorisierung von Patienten nach der Dringlichkeit und dem voraussichtlichen Erfolg der Behandlung

Wenn uns das Wort „Triage“ geballt in Medien und Presse begegnet, ist das meist kein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass, weil irgendwo auf der Welt medizinische Ressourcen knapp werden, Patienten in Gruppen vor- und nachrangig zu Behandelnder eingeteilt werden müssen. Ein großes ethisches Problem sowohl für die verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte als auch für den Staat, der die entsprechenden Gesetze formuliert. Das Wort selbst, eine Substantivierung des Verbs „trier“ (sortieren, auslesen), wurde in den 1930ern vom französischen Sanitätsdienst geprägt.

[] Puzzle, das

Geduldsspiel, bei dem einzelne unregelmäßige Einzelteile zu einem Ganzen zusammengesetzt werden

Wer sich nicht gerade mit der Geschichte der Kartografie oder des Kupferstichs im England des 18. Jahrhunderts auskennt, dem wird der Name John Spilsbury vermutlich wenig sagen. Und doch ging eine Erfindung des Briten, der am 3. April 1769 starb, wahrscheinlich schon vielfach durch jedermanns Hände: Um Geografie wirklich „greifbar“ zu machen, zersägte Spilsbury, zum erneuten Zusammensetzen, eine auf einer Holzplatte aufgeklebte Weltkarte – damit war das „jigsaw puzzle“ geboren, das „Laubsägen“-Rätsel, das auch heute noch Jung und Alt zu stundenlanger Konzentration motiviert.

[] Heinzelmännchen, das

hilfreicher freundlicher Hausgeist in Gestalt eines Zwerges, der den Menschen heimlich ihre Arbeit erledigt

Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen betraten am 2. April 1963 erstmals die Bühnen der noch recht jungen Fernsehwelt, einen Tag nach Sendebeginn des ZDF, ihrer Heimat. Heimat in vielerlei Hinsicht: Nicht nur laufen, stolpern und springen die sechs winzigen Wesen nach wie vor als Werbetrenner täglich über die von Mainz aus bespielten Mattscheiben, auch ihren Namen verdanken sie der Sendestadt in Rheinland-Pfalz. Zuerst trugen nämlich die unermüdlichen Medienmacher, die wie Heinzelmännchen auf den Sendestart hinarbeiteten, diesen Spitznamen: die Mainzelmännchen.

[] Steinlaus, die

in ganz Deutschland verbreitete winzige Nagetiergattung, deren Unterarten sich von verschiedenen Sorten Gestein ernähren

Seit dem Einsetzen weltweiter Quarantänemaßnahmen nimmt sich die Natur wieder vermehrt ihren Raum. Vor allem in Großstädten kann dies gefährlich werden: Notgedrungen ausbleibende Fassadenschutzmaßnahmen führen vor allem an größeren Amtsgebäuden zu vermehrtem Steinlausbefall. Das vermutlich urgeschichtlich durch Meteoriteneinschlag eingeschleppte, in Fachkreisen „Petrophaga lorioti“ genannte Nagetier aus der Familie der Lapivora ernährt sich von verschiedenen Sorten Gestein und kann bei uneingeschränkter Vermehrung in kürzester Zeit Gebäudeeinstürze verursachen. Humor, so sagt man, sei auf Dauer das einzige Abwehrmittel.

[] Epizentrum, das

über dem Erdbebenherd liegendes Gebiet der Erdoberfläche; übertragen: Punkt, von dem etw. vorrangig ausgeht, an dem sich etw. sehr stark konzentriert

Das Wort Epizentrum erlebt gerade einen traurigen Aufstieg: nicht in seiner ursprünglichen, sondern in seiner übertragenen Bedeutung, konkret als Bezeichnung für die Regionen, von denen sich das Coronavirus derzeit massiv ausbreitet. Einige Seismologen und Geologen beanstanden zwar, dass dieser Wortgebrauch aus fachwissenschaftlicher Sicht inkorrekt ist. Dass sich eine Sprachgemeinschaft Fachausdrücke „aneignet“ und mit einer neuen Bedeutung versieht, ist allerdings eine Form des normalen Sprachwandels, der in bewegten Zeiten wie diesen schon mal Sprünge macht.

[] Nachtstück, das

Kunst: Gemälde, das eine nächtliche oder düstere Szene darstellt, in dem Licht und Schatten eine besondere Wirkung erzielen; Hell-Dunkel-Malerei

Nur selten lässt sich ein Knacks, ein dramatischer Bruch in einem Künstlerleben so klar datieren: 1792 erkrankte der bis dahin erfolgreiche spanische Hofmaler Francisco de Goya schwer und verlor mit Mitte vierzig sein Gehör. Er zog sich ins Private zurück und bemalte die Wände seines Hauses mit den „Schwarzen Gemälden“, düsteren albtraumhaften Visionen. In seinen Radierungen und Stichen beschäftigte er sich mit den Verheerungen des Krieges, den Schattenseiten der Gesellschaft und der menschlichen Seele. Heute vor 276 Jahren wurde die faszinierende Persönlichkeit geboren.

[] Autokino, das

Freiluftkino, in dem man mit dem Auto auf vorgesehenen Stellplätzen steht und von dort aus auf die Leinwand schaut

Die Idee des Autokinos ist ebenso genial wie verrückt – und entsprach ganz und gar den Bedürfnissen der Nachkriegs-Generation in den USA: ein Parkplatz ersetzte den Kinosaal, übliche weite Anfahrtswege spielten keine Rolle mehr, das eigene Auto bot Platz und (vor allem bei der Jugend sehr beliebte) Privatsphäre. Ein Autowarenhändler in Camden, New Jersey eröffnete vor knapp 90 Jahren das erste Autokino der Welt. Das dichter bewohnte, kriegsgebeutelte Europa zog erst später nach: Heute vor genau 60 Jahren flimmerte erstmals nördlich der Alpen, nahe Frankfurt, ein Film über eine Parkplatzleinwand.

[] Vogel, der

warmblütiges, eierlegendes, in der Regel flugfähiges Wirbeltier, dessen vordere Gliedmaßen als Flügel ausgebildet sind, dessen Körper mit Federn bedeckt ist und das einen Schnabel aus Horn hat

Alfred Hitchcocks Horrorfilm „Die Vögel“, der am 28. März 1963 in den US-amerikanischen Kinos anlief, zieht bis heute die Zuschauer in seinen Bann: Er gilt wegen des kühl kalkulierten Spannungsaufbaus seiner Handlung, die sich vom harmlosen Beginn zum düsteren Endzeitszenario steigert, wegen seiner gekonnten Mischung aus (seinerzeit) neuester Tricktechnik und bewährtem Illusionszauber, vor allem aber wegen der großen, niemals aufgelösten Frage, warum sich die Vögel in riesigen Schwärmen über die Bewohner eines malerischen Küstendorfes hermachen, als klassisches Meisterwerk des Horrorkinos.

[] Homeoffice, das

Arbeitsform, bei der ein Arbeitnehmer in der eigenen Wohnung (ausgestattet mit Computer und anderen Geräten) seine Arbeitsleistung erbringt; Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung bzw. im eigenen Haus, der mit Computer und anderen für mobiles Arbeiten notwendigen Geräten ausgestattet ist

Was haben die Wörter Discounter, Showmaster und Homeoffice gemeinsam? Sie klingen wie englische Originale, es handelt sich aber um sogenannte Scheinanglizismen. „Discounter“ ist von engl. „discount“ abgeleitet, der „Showmaster“ tatsächlich eine Wortschöpfung des Entertainers Rudi Carrell. Das „Homeoffice“ existiert im Britischen („Home Office“) durchaus, aber vorrangig in völlig anderer Bedeutung: als Bezeichnung für das Innenministerium. Im Deutschen nannte man in den 1990ern zunächst nur das heimische Arbeitszimmer „Home-Office“, erst später auch die Arbeitsform als solche.

[] Guillotine, die

Fallbeil

Als der u. a. um die Pockenimpfung verdiente Arzt und Politiker Joseph-Ignace Guillotin am 26. März 1814 in Paris starb, war der Name des Fallbeils, mit dem seit 1792 im post-monarchistischen Frankreich hingerichtet wurde, fest mit dem seinen verbunden. Dabei hatte er es weder im Prinzip erfunden noch die konkrete Umsetzung zu verantworten. Er hatte sich lediglich dafür eingesetzt, dass das effektive Gerät die bisherigen brutalen Hinrichtungsmethoden – ungeachtet der gesellschaftlichen Stellung des Delinquenten oder der Art des Verbrechens – ersetzte. Seine Familie musste später ihren Namen ändern.

[] Knollennase, die

unförmig dicke Nase, deren Form einer Knolle ähnelt

Asterix und Obelix, die beiden ungleichen gallischen Freunde mit ihren charakteristischen Knollennasen, begannen vor gut 60 Jahren ihren Siegeszug. Das Erfolgsrezept ihrer Schöpfer René Goscinny und Albert Uderzo: Man mische eine historisch erstaunlich informiert dargestellte, aber doch vor allem fantastische Lebenswirklichkeit mit anachronistischen, wunderbar beißenden Seitenhieben auf die moderne Gesellschaft und würze großzügig mit menschlichen Schwächen. Heute danken große und kleine Comicleser vor allem dem Zeichner Uderzo, der gestern im Alter von 92 Jahren nahe Paris verstarb.

[] Kartoffel, die

krautiges Nachtschattengewächs mit unpaarig gefiederten Blättern und weißen oder violetten Blüten, dessen an unterirdischen Sprossen sich bildende stärkereiche Knollen ein wichtiges Nahrungsmittel sind

Die Engländer nannten sie in Verwechslung mit der Süßkartoffel „patata“ (später „potato“), die Italiener bezeichneten sie nach dem Erdtrüffel „tartufolo“, was ins Deutsche über „Tartuffel“ als „Kartoffel“ integriert wurde. Verbreiteter waren hierzulande allerdings „Erdapfel“ oder „Grundbirne“. Obschon ausgesprochen nahrhaft, setzte sich der Anbau der Kartoffelpflanze nur zögerlich durch, vielfach mussten Bauern per Erlass überzeugt werden: So empfahl der Alte Fritz, heute vor 264 Jahren, die „Tartoffeln als ein sehr nützliches und sowohl für Menschen als Vieh auf sehr vielfache Weise dienliches Erd-Gewächse“.

[] Liaison, die

Liebesverhältnis, Verbindung

Als der Briefroman „Les Liaisons Dangereuses“ am 23. März 1782 (zunächst anonym) erscheint, erlebt er sofort einen rasanten Erfolg: Innerhalb kürzester Zeit sind die ersten 2000 Exemplare verkauft, eine zweite Auflage wird sofort gedruckt. Zwar gilt der Roman heute als Meisterwerk, ein Bestseller waren die „Gefährlichen Liebschaften“ jedoch zunächst aus ganz anderen Gründen: Es geht darin um Aufstieg und Ende einer schamlosen Intrigantin und eines hedonistischen Verführers, um Affären und nicht zuletzt um den Verfall des französischen Adels an der Schwelle zur Revolution.

[] Geisterspiel, das

Sport, Jargon: Mannschaftsspiel, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit, vor leeren Zuschauerrängen ausgetragen wird

Das Deutsche liebt offenbar Geister: Ob geisterbleich oder Geisterfürst – das Grimm’sche Wörterbuch listet über 150 entsprechende Komposita. Doch während nach früherem Verständnis Geisterschlösser mit Gespenstern oder Geisterschiffe mit den Seelen Verdammter bevölkert waren, wurde der Ausdruck später auch auf menschenleere Orte übertragen, etwa auf von der Besatzung aufgegebene, herrenlos treibende Schiffe. Und spätestens seit Sportgerichte als Strafe und heute Ordnungsämter als Schutzmaßnahme das Spiel vor leeren Rängen verfügen, gibt es das Geisterspiel. Im Englischen heißt es prosaischer „behind closed doors“.

[] Turteltaube, die

im nördlichen Afrika und in weiten Teilen Europas verbreitete kleine, schlanke, klangvoll gurrende Wildtaube mit zum Teil rötlichem und rostbraunem Gefieder und blaugrauem Rücken

„Denn siehe, der Winter ist vergangen, (...) der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande.“ (Hohelied 2.12) Die Streptopelia turtur, so ihr wissenschaftlicher Name, gilt wahrscheinlich wegen ihres sehnsuchtsvollen Gurrens, der starken Paarbindungen, die sie knüpft, und wegen jener (in dieser Verwendung ersten?) sinnbildlichen Erwähnung im biblischen Hohelied Salomos als Symbol für Frieden, Treue und unerschütterliche Liebe. In Deutschland gehört sie mittlerweile zu den bedrohten Arten – unter anderem deshalb wurde sie zum Vogel des Jahres 2020 gewählt.

[] Krimskrams, der

Kram, Plunder, wertloses Zeug

Krimskrams, Schnickschnack, Kuddelmuddel, Klimbim … Ein ganz bestimmtes Wortbildungsprinzip hat im Deutschen vor allem in der Umgangssprache Karriere gemacht: die Reduplikation. Silben, Wortteile oder Wörter werden, z. B. durch Vokalveränderung oder Reimung, variiert und wiederholt. Was als belanglose Wort- und Lautspielerei daherkommt, hat aber besonders in der gesprochenen Kommunikation durchaus eine Funktion: Reduplikationen können intensivieren, auffordernd wirken, einer Sache Aufmerksamkeit verschaffen (und das eine oder andere Lächeln provozieren).

[] türmen, Vb.

sich turmartig (übereinander) erheben, sich auftürmen, sich eilig entfernen, ausreißen

Ursprünglich war die „Sagrada Família“ vom spanischen Architekten Francisco de Paula del Villar als einfache dreischiffige Kirche geplant. Am 19. März 1882 wurde der Grundstein gelegt, doch bald ging das Projekt an einen seiner Schüler, den jungen Katalanen Antoni Gaudí. Dieser hatte ganz eigene Ideen, änderte die Baupläne und entwarf eine Kirche, wie es keine je gegeben hat: Eine grandiose Kathedrale im katalanischen Modernisme mit 18 Türmen, Schaufassaden, Licht- und Formspielen im Inneren: ein Meisterwerk, das jedoch erst 2026 – 144 Jahre nach Baubeginn – vollendet sein wird.

[] denkwürdig, Adj.

der Erinnerung wert, wichtig

Der 18. März ist für die deutsche Demokratiegeschichte gleich mit drei Ereignissen verbunden: 1793 rief der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent die Mainzer Republik aus und erklärte „allen Zusammenhang mit dem deutschen Kaiser und Reiche für aufgehoben“. 1848 kam es in Berlin zum Ausbruch der Barrikadenkämpfe, und noch im Dezember wurden in der Frankfurter Paulskirche die Grundrechte proklamiert. Und schließlich fanden 1990 nach dem Mauerfall die ersten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR statt. Heute erinnert der Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor an das historische Datum.

[] Generalstreik, der

Form des Arbeitskampfs, bei dem branchenübergreifend ein Großteil der Arbeitnehmer die Arbeit niederlegt, um das wirtschaftliche Leben eines Landes zum Erliegen zu bringen (oft zur Durchsetzung politischer Ziele)

Es war der größte Generalstreik der deutschen Geschichte und zugleich einer der erfolgreichsten. Am 13. März 1920 waren General von Lüttwitz und der ostpreußische Politiker Wolfgang Kapp an der Spitze einer Brigade Freikorpssoldaten unbehelligt ins Berliner Regierungsviertel eingedrungen. Ihr Ziel: der Sturz der jungen Weimarer Republik. Noch am selben Tag riefen Regierungsvertreter und Gewerkschaften zum Generalstreik auf und 12 Millionen Menschen legten die Arbeit nieder. Ob Gas-, Elektrizitätsversorgung, öffentlicher Nahverkehr – nichts ging mehr. Am 17. März gaben die Putschisten auf.

[] Exponentialfunktion, die

Funktion, in der die unabhängige Variable im Exponenten auftritt, in ihrer einfachsten Form f(x) = aˣ, typischerweise wird dabei die Entwicklung einer Messgröße über die Zeit abgebildet.

Manche wähnten sich ihr nach der Schule glücklich entronnen, doch derzeit ist sie allgegenwärtig: die Mathematik. Die Nachrichten wimmeln vor Balken, Diagrammen und Kurven – und eine macht gerade eine ungemütliche Karriere: die Exponentialfunktion. Ohne eingreifende Maßnahmen verläuft eine Pandemie, wie die durch das neuartige Coronavirus ausgelöste, gemäß dieser Funktion: Anfänglich geringe Infektionszahlen verdoppeln sich in festen Zeitabständen und steigen rasant an. Das Gesundheitssystem ist der großen Zahl Infizierter bald nicht mehr gewachsen. Der Appell an die Bevölkerung lautet daher, diese Entwicklung durch umsichtiges Verhalten zu verlangsamen.

[] Kleinverlag, der

Verlag mit meist geringer Wirtschaftskraft, der wenige Werke in geringer Auflagenzahl produziert

Über die Sinnhaftigkeit von Hamsterkäufen in deutschen Supermärkten lässt sich streiten, wovon man hingegen nie genug haben kann, sind Bücher. Die deutschsprachige Literaturszene ist genau dieser Ansicht: Nach Absage der Leipziger Buchmesse, die heute hätte enden sollen, rief sie den Hashtag #bücherhamstern ins Leben, unter dem Leseratten Büchertipps verbreiten können. So sollen vor allem kleine und unabhängige Verlage, die besonders von entsprechenden Umsatzausfällen betroffen sind, unterstützt werden. Im Falle einer bevorstehenden Quarantäne kann so jeder für seine Unterhaltung vorsorgen.

[] Hamsterkauf, der

(bei drohender oder befürchteter Verknappung oder Verteuerung bestimmter Waren des täglichen Bedarfs, besonders von Lebensmitteln, vorgenommener) Einkauf von (weit) über den unmittelbaren Bedarf hinausgehenden Mengen solcher Waren zur Schaffung eines Vorrats

Bis zu 90 kg Nahrung versteckt der Feldhamster in seinem Bau. Zwischen seinen Schneidezähnen und in seinen geräumigen Backentaschen trägt er beachtliche Mengen Samen und Pflanzenteile in seinen Unterschlupf. Sie sichern während der Frostmonate sein Überleben. Ein ähnliches Verhalten ist derzeit bei einer ganz anderen Spezies zu beobachten: Menschen strömen in Supermärkte und Drogerien, um sich mit Blick auf die aktuelle Corona-Pandemie auf eine mögliche Ausgangssperre vorzubereiten. Samen hamstern sie aber keine. Beliebte Hortgüter stattdessen: Dosenravioli und Toilettenpapier.

[] unbeachtet, Adj.

unscheinbar und von der Öffentlichkeit nicht beachtet, unbemerkt

Uranus, der siebte Planet in unserem Sonnensystem, ist wegen seiner im Vergleich zu Mars, Merkur und Co. geringen (scheinbaren) Helligkeit kaum mit bloßem Auge zu erkennen. Entsprechend wussten die Astronomen der Antike noch nichts von seiner Existenz und erste Fernrohrgucker hielten ihn für einen Fixstern. Dass der 14,5 Erdmassen schwere, fast 3 Milliarden km von der Sonne entfernte Eisriese tatsächlich ein Planet ist, entdeckte Wilhelm Herschel am 13. März 1781. Zwar hielt er Uranus im ersten Moment für einen Kometen, bald jedoch konnte er die Wissenschaft von seiner wahren Natur überzeugen.

[] Quarantäne, die

zeitweilige Absonderung und Beobachtung von Personen, Tieren, die im Verdacht stehen, dass sie Infektionskrankheiten einschleppen oder verbreiten könnten, Isolation

Die verheerende Pestepidemie im 14. Jh. hat ihre Spuren nicht nur im historischen Gedächtnis, sondern auch in den Sprachen Europas hinterlassen: Im verzweifelten Bemühen, die Seuche einzudämmen, verfügten Gesundheitskommissionen in Venedig und anderen Städten, dass sich Reisende, die aus Risikogebieten stammten, zunächst 30, später 40 Tage zur Beobachtung (auf Inseln oder Schiffen) abgesondert aufhalten mussten. Aus dem italienischen „quaranta giorni“ (40 Tage) entwickelte sich gesamteuropäisch das Wort Quarantäne (frz.: quarantaine, engl.: quarantine oder poln. kwarantanna).

[] a cappella, Adv.

ohne Begleitung

Heute feiert ein Musiker seinen 70. Geburtstag, den zugleich jeder und niemand kennt: Bobby McFerrin, ein hochbegabter Vokalkünstler, aber auch Komponist, Dirigent und Professor, dessen vielseitiges Talent in seinem Ohrwurm-Hit „Don’t worry, be happy“ nur minimal zur Geltung kommt. Immerhin praktiziert er auch da, was er wie kaum ein anderer kann: als Ein-Mann-Orchester die Bühne erobern. Oft jedoch wird spontan auch sein Publikum zum Instrument. Seine musikalische Früherziehung erhielt McFerrin übrigens als „blinder Passagier“ – unter dem Klavier des Gesang lehrenden Vaters.

[] entlegen, part. Adj.

abgelegen, weit entfernt von allem

Ihren heutigen Namen verdanken die pazifischen Galapagosinseln den charakteristischen Riesenschildkröten (spanisch galápago „Süßwasserschildkröte“). Als Spanier allerdings am 10. März 1535 eher zufällig auf die 13 großen und über 100 kleinen Eilande vulkanischen Ursprungs stießen, nannten sie sie zunächst Islas Encantadas, „verzauberte Inseln“, denn so weit draußen, 1000 Kilometer westlich von Ecuador, hatte niemand Land vermutet. Die Inseln beherbergen eine einmalige Tierwelt und stehen zum allergrößten Teil unter strengem Naturschutz.

[] Hanswurst, der

derb-komische Figur der deutschen Bühne um 1800

Sie steht für die Geburt des deutschen Schauspiels im 18. Jahrhundert schlechthin: Friederike Caroline Neuber (genannt Neuberin), ausgerissen mit 18, um Schauspielerin zu werden, wurde bald selbst Leiterin einer eigenen Theatertruppe. Den damals üblichen Stegreifkomödien mit derbem Witz und zotiger Sprache setzte sie gemeinsam mit Gottsched und später Lessing ein literarisches, bürgerliches Theater im Geist der Aufklärung entgegen. 1737 verbannte sie in einem symbolischen Akt die zentrale Figur im verhassten Possenspiel, den Hanswurst, von der Bühne. Der 9. März 1697 ist ihr Geburtstag.

[] Frauenbewegung, die

Bestrebung, (organisierter) Kampf einer größeren Anzahl von Frauen zur Durchsetzung ihrer Gleichberechtigung

In vielen Ländern der Welt ist der 8. März, der Frauentag, ein gesetzlicher Feiertag – seit 2019 auch in Berlin. Sein Ursprung liegt in der Frauenbewegung des frühen 20. Jhs. Seit den 1970er Jahren tritt auch die UN für die Idee eines Tages ein, an dem die Rechte und der Schutz von Mädchen und Frauen im Mittelpunkt stehen. Für 2020 trägt er das Motto „Ich bin die Generation Gleichstellung: Frauenrechte verwirklichen“ (I am Generation Equality: Realizing Women’s Rights), das an ein 25 Jahre altes UN-Ziel erinnert: Die Gleichstellung der Frau in allen Mitgliedsstaaten bis 2030 erwirken.

[] Versuchsballon, der

umgangssprachlich, übertragen: Handlung, Äußerung, durch die man die Stimmung, Meinung, Reaktion anderer erkunden, prüfen will

Ursprünglich war es nur ein raffinierter Stimmungstest mitten im Kalten Krieg. Mit dem „Klingenden Sonntagsrätsel“ wollte Hans Rosenthal, Unterhaltungschef des RIAS Berlin, herausfinden, wie viele Hörer der DDR dem als feindlich eingestuften West-Sender lauschten. Aus sechs launig präsentierten Musikstücken war ein Lösungswort zu erraten und einzuschicken. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen: Nach der Erstausstrahlung am 7. März 1965 ging waschkörbeweise Post ein, darunter Tausende Briefe aus dem Osten. Das „Sonntagsrätsel“ gibt es (im Deutschlandfunk Kultur) bis heute.

[] Synkope, die

Musik: rhythmische Verschiebung durch Bindung eines unbetonten Wertes an den folgenden betonten

Chicago ist nicht nur eine der weltweit stärksten Metropolregionen, sondern auch das musikalische Zentrum des Mittleren Westens, Ursprungsort des Chicago Jazz, Geburtsort vieler legendärer Klangkünstler (wie Nat King Cole oder Herbie Hancock) und Wirkungsort vieler der größten Jazzer aller Zeiten (Miles Davis, Ella Fitzgerald, Sonny Rollins u. v. m.). Zunächst aber startete die Stadt am Michigansee relativ klein (und noch „frei von Synkopen“): Bei ihrer Gründung im März 1837 lebten hier nur 6000 Menschen. Der Jazz kam erst mit der „Great Migration“ Anfang des 20. Jhs. aus dem Süden in die Stadt.

[] gewaltig, Adj.

mächtig, imponierend, riesig, sehr stark, sehr groß

Georg Friedrich Händel ist zweifelsohne einer der bedeutendsten Musiker der Geschichte. Sein gewaltiges Werk umfasst 42 Opern, 25 Oratorien und aberhundert weiterer Kompositionen. Dabei war er wohl ein Mann vieler Tonarten, dies lassen zumindest zahlreiche Anekdoten über ihn vermuten: So die über eine widerspenstige Sopranistin, die er vor Wut kopfüber aus dem Fenster hat hängen lassen, oder die über einen frechen Violinisten, den er mit einer Pauke bewarf. Zum Glück werden diese Geschichten heute, 335 Jahre nach seiner Geburt, vom Genie seiner Musik schallend übertönt.

[] verflüchtigen, Vb.

(sich verflüchtigen) umgangssprachlich, scherzhaft: heimlich, unbemerkt weggehen

Geboren am 4. März 1702, gehängt am 16. November 1724. Das kurze Leben des Jack Sheppard hätte anders verlaufen können. Fünf Jahre hatte er unbescholten als Lehrling gearbeitet, als er seine zweite, kaum zwei Jahre währende, dafür aber umso erstaunlichere Karriere als Kleinkrimineller begann. Er stahl, wurde gefasst, verurteilt und entkam doch immer wieder – feilte Gitterstäbe durch, seilte sich mit Bettlaken ab, öffnete Schlösser nach Belieben. Der Dieb avancierte zum Ausbrecherkönig und gefeierten Volkshelden. Als er hingerichtet wurde, sollen 200 000 Londoner auf den Beinen gewesen sein.

[] identifizieren, Vb.

etw., jmdn. erkennen, wiedererkennen, die Identität feststellen

Schubert, Nietzsche und Schopenhauer eint vor allem eines: Sie litten an Syphilis. Die sexuell übertragbare Krankheit, die Haut, Gelenke, Organe und schließlich das Gehirn ihrer bedauernswerten Opfer zerstört, hatte Ende des 15. Jhs. ihren verheerenden Seuchenzug angetreten. Erst am 3. März 1905 gelang Erich Hoffmann und Fritz Schaudinn an der Berliner Charité der Nachweis, dass ein schraubenzieherförmiges Bakterium (Treponema pallidum ssp. palladium) für das Leid verantwortlich war. Eine wirksame Therapie wurde viele Jahre später mit dem Penicillin möglich.

[] Klettermaxe, der

salopp, scherzhaft: lebhaftes Kind, das überall klettern will; Fassadenkletterer

Am 2. März 1933 wurde Kinogeschichte geschrieben: Mit „King Kong“ kam ein Abenteuer- bzw. Horrorfilm in die US-amerikanischen Kinos, der nicht nur das Genre und die Popkultur um ikonische Bilder bereicherte (unvergessen, wie King Kong auf dem Empire State Building gegen Flugzeuge kämpft), sondern auch im Hinblick auf den Einsatz von Filmmusik und Tricktechnik Maßstäbe setzte. In Deutschland war das aufwendig produzierte Drama erst Ende 1933 – nach einer Klage der Produktionsfirma – zu sehen, da die nationalsozialistischen Machthaber ihn als „Angriff auf die Nervenkraft“ verpönten.

[] Patentlösung, die

bestmögliche, glatte, für alle Gelegenheiten passende Lösung eines (schwierigen) Problems

Fabeln wirken zeitlos, weil Tiere als Protagonisten oft allgemeinmenschliche Schwächen widerspiegeln. Die Tiere in Manfred Kybers Märchen sind allerdings sehr modern: So lässt sich ein Krokodil beispielsweise sein Gebiss beim Wüstenpatent Komitee GmbH (Gesellschaft mit besonderer Hinterpfote) als Fleischhackmaschine patentieren – nur um dann zu verhungern, weil es stets die Urkunde in der Schnauze mit sich herumträgt. Während Kybers Märchen heute noch beliebt sind, ist er selbst, der sich für Anthroposophie und Tierschutz engagierte, eher unbekannt geblieben. Der 1. März 1880 ist sein Geburtstag.

[] Schalttag, der

Tag, der alle vier Jahre (als 29. Februar) zusätzlich zu den 365 Tagen eines normalen Jahres eingeschaltet wird, um so immer wieder die Differenz zwischen Kalenderjahr und Sonnenjahr auszugleichen

Wer an einem 29. Februar zur Welt gekommen ist, hat gleichzeitig ein bisschen Pech und ein bisschen Glück: Er kann seinen „wahren“ Geburtstag nur alle vier Jahre feiern, dafür ist das Datum ein echter Hingucker. Warum gibt es solche Schaltjahre überhaupt? Damit Kalenderjahr und tropisches Jahr dauerhaft übereinstimmen, wird jedem durch vier teilbaren Jahr ein Schalttag, ein 29. 2., hinzugefügt. Nur wenn das Jahr durch 100 (nicht aber durch 400) teilbar ist, dauert es die üblichen 365 Tage. Kompliziert, aber es funktioniert: Der Januar bleibt dadurch für immer im Winter, der Juli im Sommer.

[] Virus, das oder der

Biologie, Medizin: sehr kleines, aus Nukleinsäure als Träger der genetischen Information und einer umhüllenden Proteinkapsel bestehendes Element, das meist erst elektronenmikroskopisch sichtbar ist, über keinen eigenen Stoffwechsel verfügt, sich daher nur in lebenden Zellen vermehren kann und bei Lebewesen häufig Krankheiten erregt

Noch sucht die Forschung nach der Herkunft des neuen Coronavirus SARS-CoV-2, das Ende 2019 im chinesischen Wuhan entdeckt wurde und nun die Schlagzeilen beherrscht. Derzeit stehen sowohl das Malaiische Schuppentier als auch ein Vertreter der Hufeisennasen (aus der Ordnung der Fledertiere) als ursprünglicher Überträger im Verdacht. Forschung dieser Art kann die derzeitige Infektionswelle nicht mehr eindämmen, jedoch hilft sie dabei, vergleichbaren Epidemien in Zukunft besser vorzubeugen. Was wir alle für unsere Gesundheit tun können: Hände waschen, auf Hygiene achten, Nachrichten lesen.

[] einschmuggeln, Vb.

etw. Verbotenes heimlich (in ein Land) einführen

Heute vor 141 Jahren wurde als Ergebnis eines Laborunfalls ein weißes Pulver entdeckt. Dieser in Deutschland und fast ganz Europa bald verbotene Stoff war so begehrt, dass sich mafiöse Strukturen bildeten und er Anfang des 20. Jh. massenhaft aus der Schweiz eingeschmuggelt wurde – zum Teil in Heiligenfiguren. Um welche Droge ging es hier? Tatsächlich um keine – bei diesen wirtschaftskriminellen Machenschaften drehte sich alles um den leicht herstellbaren und dadurch preiswerten Süßstoff Saccharin, der eine Bedrohung für die heimische Zuckerrübenindustrie darstellte.

[] Marionette, die

an Fäden oder Drähten geführte Gliederpuppe, mit der im Puppentheater gespielt wird

Als Walter Oehmichen am 26. Februar 1948 sein nach dem Krieg wiederaufgebautes Marionettentheater als „Augsburger Puppenkiste“ eröffnete, hatte eben jene Box aus Holz sogar noch einen praktischen Zweck: Sie sollte den Marionetten als Bühne dienen und für den Transport sowohl der Puppen als auch des Bühnenbilds einsetzbar sein. Doch spätestens seit die Puppenspiele als phantasievolle Fernsehinszenierungen über die Bildschirme flimmern, ist das Behältnis viel mehr: ein echtes Markenzeichen.

[] schlagfertig, Adj.

jmd. ist schlagfertig = jmd. ist nie um eine treffende, oft witzige Antwort verlegen, weiß immer eine passende Antwort

Sprache ändert sich ständig. Bedeutete zum Beispiel „schlagfertig“ zunächst, wie die Bestandteile vermuten lassen, „bereit zum Losschlagen“, charakterisiert es heute viel friedfertigere Menschen, nämlich solche, die mit schnellem Witz und Wortgewandtheit beeindrucken. Im Falle von „schlagen“ haben sich in seiner Wortgeschichte Form und Inhalt recht stark aufgefächert: In „schlug“, „schlüge“, „Schläger“, „Schlacht“ und „Schlegel“ (letztlich gar „Geschlecht“) treffen wir in einer einzigen Wortsippe sowohl verschiedenste Bedeutungen als auch die Hälfte der im Deutschen genutzten Vokale an.

[] Demokratie, die

Regierungsform, in der (nominell bzw. im Idealfall) die Herrschaftsausübung (direkt durch Volksabstimmungen o. Ä. oder indirekt durch Wahlen) bei den formal gleichberechtigten Staatsbürgern liegt

Sonntag, 24. Februar 1793, 7:30 Uhr: In Mainz läuten die Glocken, jedoch nicht zum Gottesdienst, nicht zur Warnung. Vielmehr riefen sie – erstmals auf deutschem Boden – zu freien Wahlen für ein demokratisch verfasstes Parlament auf. Ein Wahlgang mit Schönheitsfehlern, kam er doch unter dem Druck Frankreichs zustande, dessen Revolutionstruppen Mainz besetzt hielten. Gleichwohl schickten auch 126 umliegende Gemeinden ihre Abgeordneten in den Konvent der Mainzer Republik. Preußische Truppen setzten dem demokratischen Frühling wenige Monate später ein gewaltsames Ende.

[] entlasten, Vb.

jmdm. einen Teil der Arbeit, Verantwortung abnehmen

Was heutzutage in vielen Haushalten täglich geschieht, fand noch bis ins letzte Jahrhundert hinein eher selten statt: das Wäschewaschen, ein sehr aufwendiger und strapaziöser Prozess. Wer es sich leisten konnte (und ausreichend Wäsche besaß), wusch daher nur einige Male im Jahr. Weniger solvente Leute schwitzten monatlich am Seifenzuber. Eine tatsächlich für den Haushalt taugliche Waschmaschine entwickelte und beschrieb der Theologe und Forscher Jacob Christian Schäffer bereits im Jahre 1766. Von ihr wurden immerhin um die 60 Stück hergestellt und verkauft.

[] durchwursteln, Vb.

sich mit unzulänglichen Mitteln durchhelfen

Der Legende nach war es der Fehlgriff eines Lehrlings – heute vor 163 Jahren –, der zum unaufhaltsamen Aufstieg der Weißwurst führte: Als dem Moser Sepp, Wirtsmetzger im Münchner Gasthaus „Zum Ewigen Licht“, bei der Herstellung bereits bestellter Bratwürste die Saitlinge ausgingen, schickte er seinen Schüler aus, um Nachschub zu besorgen. Unerfahren wie er war, brachte dieser aber zum Braten ungeeignete Schweinedärme. Der verzweifelte Wirt begab sich also auf ungewohntes Terrain: Er kochte die Würste, statt sie zu braten – und kreierte dabei die heute weltweit beliebte bayrische Spezialität.

[] Muttersprache, die

in der Kindheit meist im Kontakt mit den Eltern (und ohne besonderen Unterricht) erlernte Sprache

Egal, ob man sie Mutter-, Vater- oder Elternsprache oder trocken L1 nennt, jeder Mensch hat mindestens eine Erstsprache, die einen besonderen Platz in seiner Identität einnimmt. Die Muttersprache(n) nutzen zu dürfen ist verbrieftes Menschenrecht und nicht selten Ursache für Konflikte. Nicht von ungefähr war es die Erinnerung an die seinerzeit am 21. Februar 1952 blutig niedergeschlagenen Proteste gegen die Unterdrückung des Bengalischen im heutigen Bangladesch, die die UNESCO als Anlass nahm, seit dem Jahr 2000 jährlich den Internationalen Tag der Muttersprache zu begehen.

[] Krawatte, die

aus Stoff hergestelltes, etwa streifenförmiges, schmückendes Teil bes. der Herrenkleidung, das unter dem Hemdkragen um den Hals gelegt und vorne in der Weise zu einem Knoten gebunden wird, dass das breitere Ende länger herunterhängt

Manche Bräuche kehren immer wieder. Vor über 2000 Jahren feierten die alten Römer die Saturnalien mit heftigen Trinkgelagen, auf denen eine Art Karnevalsprinz (der Saturnalicus princeps) gewählt wurde, sich freie Bürger die Kappe der Sklaven aufsetzten und diese sogar zur Freude aller großzügig bedienten. Heute, zu Beginn der Straßenfastnacht, steht ebenfalls vieles Kopf: Närrinnen stürmen die Rathäuser, übernehmen die Regentschaft, machen sich über Krawattenträger her. Doch Vorsicht! Juristen kennen keinen Spaß: Wer das gute Stück ohne Einwilligung abschneidet, begeht Eigentumsverletzung.

[] Wetterprognose, die

oft auf einen längeren Zeitabschnitt bezogene Wettervoraussage

Im Winter 1854 tobte auf dem Schwarzen Meer nicht nur der Krimkrieg, sondern auch ein schwerer Sturm, der die Flotte der Franzosen komplett versenkte. Dieses Unglück brachte den Astronomen Urbain Le Verrier auf eine Idee: Er ließ sich per Telegramm Daten von Wetterstationen in ganz Europa zusenden, trug diese auf einer Karte ein und erkannte im Gesamtbild die Voraussagbarkeit von Windbewegungen. Man konnte also vor Stürmen warnen – am 19. Februar 1855 präsentierte er diese erstaunliche Erkenntnis in Form der ersten Prognose-Wetterkarte der wissenschaftlichen Öffentlichkeit.

[] Batterie, die

Stromquelle, deren erhöhte Leistung durch die Vereinigung mehrerer, gemeinsam wirkender Stromquellen erzielt wird

Wie kommt die Batterie zu ihrem Namen? Denn eigentlich, man denke an die Geschützbatterie (nach frz. „batterie“), ist der Ausdruck militärischen Ursprungs. Der Grund liegt im Bauprinzip der ersten Urbatterie, der Voltasäule. Für sie werden paarweise Kupfer- und Zinkscheiben, jeweils unterbrochen von einer Elektrolytschicht, aufeinandergesetzt. Ähnlich der erhöhten Kraft mehrerer Geschütze addiert sich auch die elektrische Spannung der in Reihe geschalteten Elemente – gleiches Prinzip, gleicher Name. Ihr Erfinder Alessandro Volta wurde heute vor 275 Jahren geboren.

[] Draisine, die

zweirädriges Fahrzeug, mit dem sich der darauf Sitzende, sich mit den Füßen abstoßend, fortbewegt (Vorläufer des Fahrrads)

Es war eine Verkehrsdiskussion, die seltsam vertraut vorkommt: 1817 beschwerten sich Bürger des Großherzogtums Baden über rücksichtslose Zeitgenossen, die auf neuartigen Gefährten die Gehwege unsicher machten. Die „Rüpel“ waren auf Laufrädern, den Draisinen, unterwegs, mit denen sie erstaunliche Geschwindigkeiten erreichten. Die Obrigkeit reagierte mit Verboten und würgte damit für 50 Jahre eine vielversprechende Entwicklung ab. Immerhin erhielt Freiherr von Drais am 12. Januar das badische und am 17. Februar 1818 sogar das französische Patent auf die Draisine.

[] Larifari, das

umgangssprachlich: Gerede, Geschwätz, Unsinn

Do, re, mi, fa, so, la, si, do – vermutlich aus dem 13. Jh. stammt dieses als Solmisation bezeichnete Verfahren der Benennung von Tonhöhen, die es vor allem Sängern gregorianischer Melodien erleichtern sollte, diese auswendig zu lernen. Die Silben wurden entsprechend der Melodietöne als sinnloser Text aneinandergereiht und gemeinsam mit der Tonfolge – quasi als Wort gewordene Notation – memoriert. Der deutsche Ausdruck „Larifari“, der daran anlehnend sinnloses Gerede benennt, ist eine schon im 18. Jh. gebräuchliche Bildung aus drei dieser Tonbezeichnungen: la, re und fa.

[] Regenwurm, der

im Boden lebender, Feuchtigkeit liebender Ringelwurm, dessen schlanker Körper deutlich in Segmente gegliedert ist

Heute ist der Internationale Tag des Regenwurms. Und kaum ein Tier hat eine solche Ehrung so verdient wie dieser unscheinbare Vertreter der Wenigborster. Regenwürmer, eigentlich eine ganze Familie mit hunderten Einzelarten, sind nämlich zentral für unser Ökosystem, da sie den Boden lockern, belüften und mit fruchtbarem Humus aus zersetztem Pflanzenmaterial anreichern. Die Würmer, von denen bis zu 2000 (!) Individuen auf einem Quadratmeter leben können, sind auch eine wertvolle Nahrungsquelle für Drosseln, Marder, Dachse, Froschlurche und vor allem Maulwürfe.

[] Valentinstag, der

als Tag der Liebenden geltender, in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen Bräuchen begangener Tag (14. Februar), der in Deutschland vor allem mit Blumengeschenken, kleinen Präsenten, Kartengrüßen o. Ä. verbunden ist

Der Ursprung der weltlichen Valentins-Bräuche ist kaum zu fassen: Einige vermuten ihn im römischen Fest der Lupercalien, andere führen ihn – als Verbindung von Heiligen-Gedenken (Valentin von Rom/von Terni) und romantischer Liebe – auf spätmittelalterliche höfische Traditionen zurück. Spätestens seit der Moderne sind das Schreiben von Liebesbriefen und das Überreichen kleiner Geschenke in der englischen, später auch in der angloamerikanischen Kultur als Valentins-Rituale fest etabliert. Nach Deutschland kamen diese erst in der Nachkriegszeit, als Mitbringsel dort stationierter US-Soldaten.

[] Radio, das

Medium für die drahtlose Verbreitung von Informationen, Nachrichten, Musik o. Ä. mithilfe elektromagnetischer Wellen; Rundfunk‍(sender)

Als der erste Hörfunksender in Deutschland 1923 seinen (zunächst kümmerlichen) Betrieb aufnahm, war sich Rundfunkdirektor Hans Bredow der Potenziale des neuen Mediums wohl bewusst: „Jedes Land wird durch Radio zu einem großen Hörsaal, in dem jeder – arm und reich, jung und alt – das hören kann, was ihm Freude macht oder Vorteil bringt.“ Eine Vision, die Wirklichkeit wurde: Heute lauschen 80 % der Deutschen täglich über drei Stunden Radio oder interessanten Sendungen als Podcast. An diese positiven Aspekte möchte auch die UNESCO erinnern, die an jedem 13. Februar den Weltradiotag begeht.

[] Engel, der

im Judentum, Christentum und Islam: von Gott erschaffenes Geistwesen, das in Menschengestalt und mit Flügeln versehen als Bote zwischen Gott und den Menschen wirkt; übertragen: schöner, gütiger, angenehmer, lieber Mensch

Die Boten Gottes, hebräisch „male'ach“, griechisch „angelos“, lateinisch „angelus“, woraus sich das deutsche Wort „Engel“ ableitet, sind nicht nur in religiösen Gottesreichs- und Jenseitsvorstellungen, sondern auch in der Kunst allgegenwärtig: in der Malerei z. B. als geflügelte Kleinkinder (Raffael, Bouguereau) oder als junge, elegante Gestalten im langen Talar (Rembrandt, Holbein), in der Literatur, vor allem der modernen, in durchaus ambivalenter Form, z. B. in Rilkes Duineser Elegien oder bei Walter Benjamin als „Engel der Geschichte“.

[] Rücktritt, der

das Zurücktreten, die Amtsniederlegung, besonders von Mitgliedern einer Regierung; das Rückgängigmachen eines Rechtsgeschäfts o. Ä. und der daraus folgenden Verpflichtungen

Erneut bestimmt dieses Wort die Schlagzeilen: der „Rücktritt“, ein Ausdruck, der es nicht nur politisch in sich hat. Auch auf der Ebene der Wortbildung erzeugt er Spannung. Denn hier treten zwei Kompositionsglieder gegeneinander in Konkurrenz: Dem „zurück“ im Verb „zurück-treten“ steht das im 16. Jh. aufkommende, kürzere „rück-“ im Substantiv „Rück-tritt“ gegenüber (gleiches gilt für Paare, wie z. B. „zurückfahren“ und „Rückfahrt“). Beide Formen konnten sich im Gegenwartsdeutschen durchsetzen, sind aber in jeweils einer Wortart dominant.

[] Agentenaustausch, der

wechselseitige Übergabe von Personen, die als Agenten oder Agentinnen der jeweiligen Gegenseite (beschuldigt und) festgenommen bzw. in Haft gehalten wurden

Weltberühmte Brücken können imposant sein wie die Golden-Gate-Bridge oder schön wie die Seufzerbrücke. Die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam ist weder das eine noch das andere, aber sie verkörpert ein Stück lebendiger Geschichte. Ursprünglich von Schinkel als Steinbrücke erbaut und nach ihrer Kriegszerstörung durch eine Stahlbrücke ersetzt, wurde sie im Kalten Krieg für eine sehr spezielle Art des Grenzverkehrs genutzt: den Agentenaustausch. Den Anfang machten am 10. Februar 1962 der sowjetische Spion Rudolf Iwanowitsch Abel und der abgeschossene U2-Pilot Francis Gary Powers.

[] Imperium, das

bildungssprachlich: riesiger Macht-, Herrschaftsbereich

9. Februar 1978: Das Kinospektakel „Krieg der Sterne“ läuft in Deutschland an und das mehrheitlich jugendliche Publikum erlebt eine überwältigende cineastische Achterbahnfahrt, in der Weltraumrebellen im aussichtslos scheinenden Kampf gegen ein dunkles Imperium durch eine wilde Handlung hetzen. Anders als in älteren Science-Fiction-Filmen mit ihrer funkelnden Disco-Ästhetik wirkte das von französischer Comic-Kunst inspirierte, von fremdartigen Wesen bevölkerte Universum mit seinen dreckigen Schauplätzen und betagten Raumschiffen verblüffend glaubwürdig. Bis heute hat das Weltraummärchen wenig von seiner Faszination verloren.

[] Erbse, die

artenreiche Gemüsepflanze aus der Familie der Schmetterlingsblütler mit paarigen, in Ranken auslaufenden Blättern, deren kugelförmige, in Schoten sitzende Samen als Nahrungsmittel verwendet werden

Tausende Erbsenpflanzen erblühten von 1856 bis 1863 im Klostergarten der Abtei in Brünn, doch nicht als Suppeneinlage, sondern als Versuchsobjekte: Der naturwissenschaftlich gebildete Abt Gregor Johann Mendel (1822–1884) stellte mit ihrer Hilfe dank sauberem Handwerk, methodischer Strenge und statistischer Betrachtung die noch heute gültigen Mendelschen Regeln über die Vererbung genetischer Merkmale auf. Am 8. Februar 1865 trug er seine Ergebnisse erstmals vor einem Publikum vor, den allgemeinen Durchbruch seiner Erkenntnisse erlebte er leider nicht mehr.

[] Grübchen, das

kleine Vertiefung in Wange, Kinn oder Ellbogen

„Als Schauspieler braucht man ganz schön viel Glück. Ich hatte solches Glück.“ Ein bescheidenes Statement, denn ohne harte Arbeit, kluges Networking, Mut und Durchhaltevermögen hätte es der Lumpensammlersohn mit dem berühmten Kinn-Grübchen weder an die Universität noch nach Hollywood geschafft. Mit 30 gab er dort sein Filmdebüt, zehn Jahre später brillierte er als Vincent Van Gogh und revoltierte 1960 als Sklave Spartacus gegen die Römer. Für sein legendäres Lebenswerk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Nun ist Kirk Douglas im Alter von 103 Jahren verstorben.

[] Ehe, die

gesetzlich geschlossene dauerhafte, eine Lebensgemeinschaft bildende Verbindung von zwei volljährigen Menschen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts

Das „Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstands und die Eheschließung“ vom 6. Februar 1875 war ein Eckstein bürgerlicher Gesetzgebung in Deutschland – ein Höhepunkt in der Jahrhunderte währenden Entflechtung von Staat und Kirche. War es zuvor der Pfarrer gewesen, der Ehen geschlossen, über Geburt, Heirat oder Tod Buch geführt hatte, so griff nun der Standesbeamte zur Feder und verehelichte Brautleute. Und es war der Staat, der Verheirateten eine Scheidung ermöglichte, die Kirche blieb außen vor, denn: „Eine geistliche Gerichtsbarkeit (…) findet [in Ehestreitigkeiten] nicht statt.“ (§ 76)

[] Lokomotive, die

fahrbare, an Schienen gebundene Kraftmaschine zum Ziehen von Personenwagen und Güterwagen

Es war das ambitionierteste Meisterwerk des Stummfilmstars Buster Keaton und zugleich die größte Enttäuschung: „Der General“, die Komödie um die gleichnamige Lokomotive, die im Amerikanischen Bürgerkrieg von feindlichen Agenten erbeutet und vom sympathisch-waghalsigen Helden zurückerobert wird. Dabei bot der Film eigentlich alles: groteske Slapstickszenen, wilde Verfolgungsjagden und die seinerzeit spektakulärste Szene – den Sturz einer echten Lok in den Abgrund. Beim Publikum stürzte der in Amerika erstmals am 5. Februar 1927 vorgeführte Streifen leider ebenfalls ab.

[] Vorbeugung, die

das vorausschauende Entgegenwirken, die rechtzeitige Vorsorge zur Verhütung von etw., besonders von Krankheiten, Prophylaxe

„I am and I will“ („Ich bin und ich werde“) ist das Motto zum heutigen Weltkrebstag, der jährlich am 4. Februar begangen wird und heute vor 20 Jahren von der Union for International Cancer Control (UICC) ausgerufen wurde. Dieses starke Bekenntnis steht für eine proaktive Haltung zu einer Krankheit, die zwangsläufig bei vielen Menschen Gefühle von Angst und Machtlosigkeit auslöst und mit der immer noch ein Stigma verbunden ist. Dabei kann, so Experten, der Einzelne viel dafür tun, dem Krebs die Stirn zu bieten: durch einen gesunden Lebensstil und durch regelmäßige Vorsorge.

[] Wiegenfest, das

gehoben: Geburtstag

Schon bei den Römern gab es so etwas wie Geburtstagsfeierlichkeiten, jedoch erhob man Stimme und Glas weniger zu Ehren des Individuums als zu Ehren schützender Geister. Halten konnten sich derartige Bräuche jedoch nicht: Judentum und frühes Christentum standen dem Feiern Einzelner außerhalb religiöser Rituale kritisch gegenüber (selbst der Geburt Christi wird erst seit dem 3./4. Jh. gedacht). Das Wiegenfest des weder göttlichen noch herrschenden Individuums etabliert sich erst in der Neuzeit und war bis ins 20. Jh. ein Privileg der Wohlhabenden. Allen Geburtstagskindern heute unsere besten Wünsche.

[] Naturgemälde, das

Werk der bildenden Kunst, der Musik o. Ä., das einen Ausschnitt der Natur, z. B. eine Landschaft, zum Gegenstand hat; umfassende Darstellung der Natur und ihrer Erscheinungen

1807 veröffentlichte Alexander von Humboldt seinen weltberühmten Kupferstich vom Chimborazo, eine elegante Verschmelzung aus wissenschaftlicher Tabelle und Illustration: Die idealisierende, anschauliche Darstellungstechnik ermöglichte es Humboldt, die Natur Südamerikas in ihrer Gesamtheit wiederzugeben, indem er die wechselweise aufeinander einwirkenden Größen (wie Höhe, Temperatur, Vegetationsart u. -dichte) in einen Bezug zum sinnlich Wahrnehmbaren setzte. Dieses moderne, ganzheitliche Naturverständnis findet seinen Ausdruck in einem Begriff, mit dem Humboldt nicht nur seine Zeichnung selbst, sondern einen zentralen Teil seiner Weltbeschreibung benannte: „Naturgemälde“. In diesem umfassenden Sinn ist „Naturgemälde“ auch Jahresthema und Gegenstand zahlreicher Veranstaltungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, wie die heute stattfindende „Matinee – Natur nach Humboldt“ im Berliner Botanischen Garten.

[] Unschärferelation, die

Physik: Beziehung zwischen zwei physikalischen Größen, die sich darin auswirkt, dass sich gleichzeitig immer nur eine von beiden Größen genau bestimmen lässt

Von starkem Heuschnupfen geplagt begab sich der Physiker Werner Heisenberg 1925 auf ärztliche Anweisung nach Helgoland, wo ihm – fernab störender Pollen – ein Durchbruch in der Formulierung der Quantenmechanik gelang, in deren Zentrum die nach ihm benannte Unschärferelation steht. Sie besagt, dass zwei physikalische Größen, z. B. Ort und Impuls eines Teilchens, nicht gleichzeitig bestimmt werden können. Für diese Pionierarbeit, die die Physik des 20. Jahrhunderts revolutionierte, wurde ihm 1932, mit nur 31 Jahren, der Nobelpreis für Physik verliehen. Werner Heisenberg starb heute vor 44 Jahren.

[] Brexit, der

das Ausscheiden Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft der Europäischen Union (EU)

Heute verlässt das Vereinigte Königreich offiziell die EU. Nachdem ursprünglich sein Beitritt zur Europäischen Staatengemeinschaft am 1. Januar 1973 in einem bindenden Referendum 1975 von 67 % der Wähler bestätigt wurde, genügten 2016 in einer nicht-bindenden Volksbefragung knapp 52 % der abgegebenen Stimmen, um den historischen Präzedenzfall eines EU-Austritts möglich zu machen.

[] Mädchenbildung, die

schulische Bildung von Mädchen und darauf gerichtete (besondere) Maßnahmen innerhalb des Bildungssystems

Am Vorabend des britischen Austritts aus der EU mag es angebracht sein, an eine Engländerin zu erinnern, die im Rahmen einer ganz anderen „Brexit“-Geschichte ihre Spuren in Deutschland hinterließ: Maria Ward (*1585), eine englische Adelige, hatte in der Heimat einen Frauenorden gegründet, musste aber, während der Katholikenverfolgung von Hinrichtung bedroht, das Land verlassen. Zuflucht fand sie schließlich in Bayern, wo sie die landesweit erste Bildungseinrichtung für Mädchen gründete. Zahlreiche Schulen tragen heute ihren Namen. Der 30. Januar 1645 ist ihr Todestag.

[] Kenotaph, das oder der

Scheingrab, Ehrenmal in Form eines leeren Grabmals

Vor elf Jahren blickten Archäologen erstmals in den steinernen Sarkophag im Magdeburger Dom, den man immer für ein Scheingrab gehalten hatte. Sie stießen wider Erwarten auf einen kleinen, u. a. mit Knochen und edlen Stoffen gefüllten Bleisarg, der, so die Inschrift, die Gebeine der Königin Edita, erste Gemahlin Ottos I., enthielt. Anthropologische Untersuchungen konnten dies bestätigten. Tatsächlich war jene Regentin südenglischen Ursprungs nach ihrem frühen Tod am 29. Januar 946 im Vorgängerbau des Doms beigesetzt worden. Dieser war aber im 13. Jh. komplett ausgebrannt.

[] Zukunft, die

Zeit, die kommen wird, Zeitraum nach dem gegenwärtigen Zeitpunkt

Neue Wörter in unserem Wortschatz zeigen wichtige technische und gesellschaftliche Trends auf, geben Aufschluss darüber, was die Menschen derzeit beschäftigt, was sie interessiert. Auch bei der Kür des Anglizismus des Jahres stehen solche „Trendsetter“ im Mittelpunkt. Ausgewählt wurde in diesem Jahr eine Wendung, die während der letzten Monate weltweit Karriere gemacht hat und wie kaum eine andere die Auseinandersetzung um eine lebenswerte Zukunft in einer intakten Umwelt widerspiegelt: „… for future“.

[] dramatisch, Adj.

(übertragen) spannend, konfliktreich, bewegt

Giuseppe Verdis Messa da Requiem gleicht mit ihren großen, erhabenen Melodien, den starken Rhythmen und dem ständigen Schwanken zwischen musikalischen Kontrasten eher einer Oper als einem geistlichen Werk. Vor allem im letzten Satz „Libera Me“, der alle Dramatik und Sensitivität des Gesamtwerks noch einmal konzentriert, zeigt sich dies ganz deutlich. Das “Verdi-Requiem” wurde zunächst zurückhaltend aufgenommen, gilt aber heute als eines der meistaufgeführten großen Chorwerke überhaupt. Erst ein Vierteljahrhundert nach der Uraufführung starb der Komponist selbst, am 27. Januar 1901.

[] trapsen, Vb.

(umgangssprachlich) schwer, mit einem lauten Geräusch auftreten

„Nachtigall, ick hör’ dir trapsen“, nicht nur Berlinern ist diese wunderbar überhebliche, Heimtücke vermutende Redewendung vertraut. Viele glauben, dass sie auf das Gedicht Frau Nachtigall aus einer der prominentesten Sammlungen deutscher Volkslieder („Des Knaben Wunderhorn“) zurückgeht und jenes frech verballhornt – eine nette Herleitung, die, egal ob Wahrheit oder Legende, zumindest die überaus glänzende Rezeptionsgeschichte jener von Clemens Brentano und Achim von Arnim (geb. heute vor 239 Jahren) herausgegebenen Liedersammlung widerspiegelt.

[] Canossagang, der

(gehoben) Gang zu jmdm., vor dem man sich demütigt

Der Canossagang Heinrichs IV., mit dem sich der im Investiturstreit exkommunizierte Salier vom Bann befreite und so Königskrone und Herrschaft rettete, wurde in der Geschichtsschreibung traditionell als nationale Demütigung begriffen. Dass der für Heinrich positive Ausgang das Resultat einer diplomatischen Meisterleistung war, wird dagegen meist vergessen. Im Zentrum stand Markgräfin Mathilde von Canossa, die als Verwandte Heinrichs und Vertraute Papst Gregors VII. für die Mittlerrolle geradezu prädestiniert war. Am 25. Januar 1077 trat Heinrich erstmals als barfüßiger Büßer vor die Burg Canossa.

[] Bierdose, die

für Bier verwendete Getränkedose

Auch wenn das erste bekannte annähernd dosenförmige Gefäß, das offenbar zur Lagerung einer bierähnlichen Flüssigkeit diente, sagenhafte 3400 Jahre alt ist, so ist die heute typische blecherne Aufbewahrung für den Gerstensaft doch deutlich jünger: Heute vor genau 85 Jahren ging in den USA die erste Bierdose (im Aussehen noch gänzlich einer Konserve gleichend) in den Handel, nachdem sie in den zwei Jahren zuvor kurz nach Aufhebung der Alkohol-Prohibition ausgiebig getestet worden war. In Deutschland musste man bis 1951 auf den beliebten Trunk in bruchsicherer Verpackung warten.

[] Schrei, der

von einem Menschen oder Tier ausgestoßener, unartikulierter, schriller Laut

Der Tod war häufiger Gast im Elternhaus des norwegischen Malers Edvard Munch – Mutter und Schwester starben jung. Eine Erfahrung, die er in seinem Bild „Tod im Krankenzimmer“ eindringlich verarbeitete. Auch sonst waren es die dunklen Gefühle wie Verzweiflung, Angst oder nackte Panik, denen Munch in seinen Werken, besonders aber in seinem berühmtesten Bild „Der Schrei“ nachspürte. Die Darstellung der schreienden Person, die sich in einen Hintergrund nervöser Pinselstriche einfügt, gilt manchem als Beginn des Expressionismus. Der Künstler selbst starb 80-jährig am 23. Januar 1944.

[] Charisma, das

besondere Ausstrahlung(skraft) eines Menschen

Ob Brontés Heathcliff, Dickens’ Steerforth oder Dumas’ Edmond Dantes, ob Batman, Severus Snape oder Dr. House, ein ganz bestimmter Typ Antiheld, der „Byronic Hero“, erobert seit dem frühen 19. Jh. – in vielen Variationen – die medialen Bühnen. Er ist begabt, intelligent, charismatisch, oft höchst egoistisch, ignoriert störende gesellschaftliche Dogmen und wird dadurch zum (dunklen) Außenseiter. Benannt ist der literarische Archetyp nach seinem Schöpfer, der sowohl seine Helden als auch sich selbst auf diese Weise inszenierte. Lord Byron kam am 22. Januar 1788 zur Welt.

[] Jogginghose, die

lange, für das (Lauf)‍training bestimmte Hose aus Baumwolle bzw. anderen Textilstoffen (als bequemes, lässig wirkendes Kleidungsstück häufig auch bei Freizeitaktivitäten, im Haus oder im Alltag getragen)

Die bauschig weite, lange Hose mit breitem Gummibund und/oder Schnürkordel ist ein in den 1970er Jahren zusammen mit der Jogging-Bewegung aufgekommenes modisches Relikt. Heute wird die Laufhose von den einen als legeres, gerne in der Öffentlichkeit getragenes Kleidungsstück geliebt, anderen gilt sie als Inbegriff der Nachlässigkeit. 2019 verweigerte eine Schule im Schwäbischen den Trägern von Jogginghosen sogar die Teilnahme am Unterricht. Ironischerweise fast genau 10 Jahre, nachdem Schüler in Österreich den 21. Januar als Internationalen Tag der Jogginghose ausgerufen hatten.

[] Fahrgeschäft, das

eine dem Vergnügen dienende Anlage, in der Personen durch eigene oder durch Motorkraft auf vorgegebenen Bahnen oder innerhalb bestimmter Abmessungen bewegt werden (z. B. Schiffsschaukel, Karussell, Riesenrad, Achterbahn, Autoscooter u. Ä.)

Oft ist es schwer, ein genaues Datum selbst für relativ moderne Erfindungen, wie z. B. die Achterbahn, zu bestimmen, da es meist irgendwelche Vorläufer gab. So vergnügte man sich schon im 17. Jh. in Russland auf künstlichen Rodel-Hügeln, weshalb die Achterbahn auf Französisch noch heute „Montagnes russes“ heißt. Das erste prototypische Fahrgeschäft jener Art, das Wagen auf Schienen für eine Hin- und Rückfahrt mit Gefälle hatte, ist jedoch eindeutig datierbar: Die „Gravity Pleasure Switch Back Railway“, 1884 eingeweiht, wurde heute vor 135 Jahren in den USA patentiert.

[] Bessemerbirne, die

großes birnenförmiges Gefäß zur Stahlherstellung nach dem Bessemerverfahren

Ihr Schlund spie Feuer, ihr Fauchen war die Begleitmusik der Industriellen Revolution, deren unersättlichen Hunger nach Stahl sie stillen konnte. Die Bessemerbirne, eine Erfindung des am 19. Januar 1813 geborenen Ingenieurs Henry Bessemer, ermöglichte ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Massenproduktion des begehrten Werkstoffs. Dabei wurde in den zylinderförmigen Körper von oben flüssiges Eisen gegossen. Durch von unten zugeleitete, oben als Flamme austretende Luft verbrannte der im Eisen enthaltenen Kohlenstoff, was die Temperatur auf die erforderliche Höhe trieb.

[] dick, Adj.

groß an Masse, Volumen; über die Maßen groß, gewichtig

Als Filmvorführer verdiente Oliver Hardy sein erstes Geld, doch die vielen Streifen, die er zeigte, ließen ihn von Größerem träumen. Sein Schauspieltalent blieb zunächst unerkannt, 1916 aber engagierte ihn die Vim Comedy Company für einige erfolgreiche Stumm-Kurzfilme, 10 Jahre später wurde er, gemeinsam mit seinem kleinen großen Co-Partner, dem Komiker Stan Laurel, als „Laurel and Hardy“ („Dick und Doof“) zu einem der ikonischsten Comedy-Duos der frühen Filmgeschichte. Am 18. Januar 1892 kam er in Georgia zur Welt.

[] Botanik, die

Teilgebiet der Biologie, das sich mit der Erforschung von Pflanzen, besonders ihrem Aufbau, Wachstum und Stoffwechsel befasst

Als Tübingen im Jahr 2001 seinen 500. Geburtstag (am 17. Januar) feierte, erglühte das halbe Städtchen in purpurrotem Glanz. Überall standen oder hingen Blumenkübel mit der bei Gartenfreunden so beliebten prächtig blühenden Fuchsie. So farbenfreudig ehrte man den Humanisten, Mediziner und Vater der Botanik, Leonhart Fuchs. Der Professor für Medizin und Rektor der Universität hatte sich in ganz Europa mit seinem „New Kreüterbuch“ einen Namen gemacht und gilt als der Begründer des botanischen Gartens. Dass die erst später entdeckte Blume nach ihm benannt worden sein soll, ist aber wohl Legende.

[] Prohibition, die

staatlich geltendes Verbot, alkoholische Getränke herzustellen, zu transportieren oder zu verkaufen (insbesondere in den Vereinigten Staaten von 1920 bis 1933)

Alkohol: Seit vorgeschichtlicher Zeit ein ständiger Begleiter des Menschen und in vielen Kulturen und Ländern die Volksdroge Nummer eins. Wohl ebenso alt sind die obrigkeitlichen Versuche, dieser Versuchung Herr zu werden. Mit diesem Ansinnen vor Augen ratifizierte heute vor 100 Jahren der US-Präsident Woodrow Wilson (als Verfassungszusatz) das Gesetz zur Prohibition. Doch trotz massivem Polizeieinsatz sank der Konsum nur vorübergehend. Statt dessen florierte das organisierte Verbrechen. 1933 musste das „noble Experiment“ schließlich beendet werden.

[] Schneeflocke, die

aus mehreren winzigen, zusammenhaftenden Eiskristallen bestehende Flocke

„Keine zwei Schneeflocken sind identisch.“ – er musste es wissen, immerhin fertigte der Amerikaner Wilson „Snowflake“ Bentley in seinem Leben mehr als 5000 Fotografien dieser winterlichen Kunstwerke an. Nicht nur dies, die erste Aufnahme, die er am 15. Januar 1885 einer Kombination aus Kamera und Mikroskop entlockte, galt lange Zeit als die erste Sichtbarmachung einer einzelnen Schneeflocke und ihrer Struktur überhaupt. Erst in jüngster Zeit wurde dies revidiert. Die Premiere gelang einem findigen Forscher und Juristen aus Deutschland bereits sechs Jahre früher.

[] verhängnisvoll, Adj.

unheilvoll, folgenschwer, sehr gefährlich

„Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.“ Dieses berühmte Vergil-Zitat markiert den Wendepunkt im Schicksal Trojas: Laokoons Warnung bleibt ungehört, die Gabe der Griechen, das Trojanische Pferd, wird angenommen, die „Geschichte“ nimmt ihren Lauf. Viele Jahrhunderte später, am 14. Januar 1506, stößt der Römer Felice de Fredis in seinem Weinberg auf Marmor: Dem Boden entlockt wird eine mehrteilige Figur, welche Athenes Bestrafung für Laokoon, den tödlichen Schlangenbiss, auf eindringliche Weise nacherzählt. Heute ist sie in den Vatikanischen Museen zu bewundern.

[] Stillleben, das

bildliche Darstellung unbewegter Gegenstände oder toter Tiere in künstlerischer Anordnung

In den Blumen- und Früchte-Stillleben der frühen Neuzeit symbolisierten Insekten als gefräßige Plagegeister meist Tod und Vergänglichkeit. Die 1647 geborene Maria Sibylla Merian sah als eine der ersten genauer hin: Ihre Aquarelle, die besonders den Lebenszyklus heimischer und tropischer Schmetterlinge abbildeten, stehen mit ihrer Synthese aus wissenschaftlicher Akribie und grafischer Ästhetik für das Staunen über das Wunder der Natur. Als Merian am 13. Januar 1717 starb, bemühte sich kein Geringerer als Peter der Große um ihren Nachlass – viele ihrer Werke hängen daher heute in St. Petersburg.

[] Ablenkungsmanöver, das

Versuch, die Aufmerksamkeit von einem unbedingt erfolgreich abzuschließenden Vorhaben oder einem geheim zu haltenden Sachverhalt abzuziehen

Die Anziehungskraft der Kriminalgeschichten Agatha Christies, davon zeugen nicht zuletzt die aktuellen TV- und Kinoadaptionen, ist bis heute ungebrochen – was neben dem beschaulich englischen Ambiente und den sympathischen Ermittlern wie Hercule Poirot und Miss Marple auch daran liegt, dass sich Detektiv(in) und Leser, bis der Mörder gefunden ist, stets durch einen raffiniert angelegten Irrgarten falscher Fährten und Ablenkungsmanöver durcharbeiten müssen. In ihren Krimis ist Mord an der Tagesordnung, sie selbst starb heute vor 44 Jahren friedlich im hohen Alter.

[] Stuntfrau, die

Frau, die in besonders gefährlichen oder hohes akrobatisches Können erfordernden Filmszenen als Ersatz für eine Schauspielerin eingesetzt wird

Ihren Bachelor absolvierte Betty Miles in Sprechkunde, sie gewann Preise im Debattieren, doch ihren ersten Karriereweg verdankt sie einer „Ausbildung“, die schon viel früher begann: Bereits im Kindesalter hatte sie auf der väterlichen Farm im Reiten brilliert; eine Fähigkeit, die letztendlich zu ihrem Durchbruch in Hollywood beitrug – als Darstellerin in Western und als Stuntfrau. In vielen Cowboy-Streifen der frühen 1940er, wie „Ridin' the Cherokee Trail“ und „The Return of Daniel Boone“, saß sie fest im Sattel. Heute vor 110 Jahren kam sie in Santa Monica, Kalifornien zur Welt.

[] Untergrund, der

unter der Erdoberfläche liegende Bodenschicht

London war Mitte des 19. Jahrhunderts bereits eine pulsierende, vom Verkehr geplagte Metropole. Besonders der Durchgangsverkehr von Reisenden, die per Kutsche zwischen den um die Innenstadt liegenden Kopfbahnhöfen wechseln mussten, führte regelmäßig zum Verkehrskollaps. Da eine Verbindung der Stationen durch oberirdische Trassen nicht möglich war, entschied man sich für den entgegengesetzten Weg: Am 10. Januar 1863 wurde die Metropolitan Railway zwischen den Stationen Paddington im Westen und Farringdon im Osten der City eröffnet: die erste U-Bahn-Linie der Welt.

[] Tarnung, die

Sache, die der Verhüllung oder Verschleierung dient (besonders bei ... dem Verwenden einer falschen Identität)

Als Journalist war Kurt Tucholsky so produktiv, dass er seine Urheberschaft tarnte, damit nicht auffiel, wie viele Texte der „Weltbühne“ tatsächlich von ihm stammten. So schrieben fünf fiktive Redakteure – Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger, Kaspar Hauser – für das Blatt, beackerten vom Kommentar bis zur Satire unterschiedliche Felder. Damit vermied Tucholsky es auch, in Schubladen gesteckt zu werden: „denn wer glaubt in Deutschland einem politischen Schriftsteller Humor? dem Satiriker Ernst? (...) dem Städteschilderer lustige Verse?“ Am 9. Januar 1890 wurde der Publizist in Berlin geboren.

[] Taktstock, der

dünner, kurzer Stab, mit dem der Dirigent den Takt angibt

Sein Tod zählt zu den skurrilen Fußnoten der Musikgeschichte: Der Ausnahmemusiker Jean-Baptiste Lully war aufgrund seines halbseidenen Lebenswandels bei König Ludwig XIV. in Ungnade gefallen und ließ nun, um dessen Gunst wiederzuerlangen, am 8. Januar 1687 in seinem Namen sein großes Te Deum erklingen – auf eigene Kosten. Der Preis war weitaus höher als gedacht: Während des Konzerts verletzte er sich mit dem schweren Taktstock einen Zeh – die eigentlich leichte Verletzung entzündete sich schwer und der sich verstärkende Wundbrand führte wenige Wochen später zu Lullys vorzeitigem Ende.

[] Elektrotechnik, die

Physik, Technik: Ingenieurwissenschaft, die sich mit der technischen Anwendung der Elektrizitätslehre hinsichtlich der Gewinnung, Übertragung und Umformung elektrischer Energie sowie der Entwicklung und Nutzung von elektrischen Geräten und elektronischen Bauelementen befasst

Nikola Tesla, der serbisch-amerikanische Elektroingenieur und Physiker (* 1856), war eine der prägenden Gestalten in der Pionierzeit der Energietechnik im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der ebenso geniale wie exzentrische Erfinder erkannte früh die Vorteile des Wechselstroms in Energienetzen und setzte sich gemeinsam mit dem Unternehmer Westinghouse im sogenannten Stromkrieg gegen Edison durch, der den Gleichstrom favorisiert hatte. In seinen Visionen war Tesla seiner Zeit voraus, in der Geschäftswelt fand er sich dagegen eher schlecht zurecht. Er starb 1943, vermutlich am 7. Januar, verarmt in einem New Yorker Hotel.

[] Dreikönigstag, der

volkstümliche Bezeichnung für den katholischen Feiertag Epiphanie (6. Januar), an dem der Sichtbarwerdung Jesu als Gottheit unter anderem durch die Anbetung der drei, später zu Königen umgedeuteten Weisen gedacht wird

Der 6. Januar ist in Deutschland der Dreikönigstag, an dem den Μάγοι ἀπὸ ἀνατολῶν (griechisch, Mágoi apὸ anatolôn), den Magiern von Osten gedacht wird, die in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums dem Stern folgen, um dem gerade geborenen Christus kostbare Gaben zu bringen. Die „Weisen aus dem Morgenland“ sind in der Tat mysteriöse Figuren: Anzahl, genaue Herkunft, Namen und Alter sind nicht überliefert. Das königliche Trio Kaspar, Melchior und Balthasar, als welches noch heute die Sternsinger durch die Straßen ziehen, etablierte sich erst im 6. Jahrhundert.

[] Galgenhumor, der

Humor, bitteres Lachen bei misslichen Lebensumständen

„Vom Strick, der eine Elle lang ist / wird bald mein Hals erfahren, was mein Hintern wiegt.“ Scheinbar letzte Verse aus der Todeszelle – komponiert von einem Freigeist und Kriminellen, der der Nachwelt als einer der bedeutendsten französischen Dichter des Spätmittelalters in Erinnerung geblieben ist: François Villon. Am 5. Januar 1463 hob der oberste Gerichtshof in Paris sein Todesurteil auf, wegen seines schlechten Lebenswandels aber wurde er für 10 Jahre aus der Stadt verbannt. Dem Strick ist er zwar entronnen, dennoch scheint ein Spottgedicht vom Folgetag sein letztes Lebenszeichen zu sein.

[] Phänomen, das

seltenes, außergewöhnliches Vorkommnis; ungewöhnlicher, überragender Mensch

Leider waren dem jungen Giovanni Battista Pergolesi, der früh an Tuberkulose starb, nur sechs Lebensjahre vergönnt, in denen er sich als Komponist beweisen konnte. 30 bedeutende Werke schuf er, darunter 10 abendfüllende Opern und das meisterhafte „Stabat Mater“; in sich schon eine phänomenale Leistung – sein verklärender Nachruhm potenzierte seine Schöpferkraft aber noch um einiges: Postum wurden Pergolesi ganze 148 Werke zugeschrieben – eine Marketing-Masche seitens seiner Editoren, die die Mode schnell erkannten. Heute wäre der Italiener 310 Jahre alt geworden.

[] Rechtschreibung, die

nach bestimmten Regeln festgelegte Schreibung der Wörter, Orthographie

Für die Entwicklung der modernen deutschen Rechtschreibung war Konrad Duden wegweisend; sein Name ist zum Begriff geworden. Er hatte schon im neugegründeten Deutschen Reich mit seinen ab 1880 erscheinenden Wörterbüchern zu einem zunehmend einheitlichen und modernen Schreibgebrauch beigetragen, und als 1901 auf der II. Orthographischen Konferenz endlich auch offiziell ein verbindliches Regelwerk verabschiedet wurde, war wiederum er es, der die eher pauschal gehaltenen Normen in seinem „Orthographischen Wörterbuch“ und im sogenannten „Buchdruckerduden“ umsetzte. Geboren wurde Konrad Duden am 3. Januar 1829 in Lackhausen bei Wesel.

[] Kater, der

umgangssprachlich: unangenehme Nachwehen eines Rausches, Katzenjammer

Da sich selbst Tiere berauschen, dürften der Alkoholkonsum und dessen unangenehme Folgen die Menschheit schon seit ihren Anfängen begleiten. Zu den eher harmlosen Folgen des Suffs, wie sie sehr viele Menschen alle Jahre wieder zum Januarbeginn verspüren, gehören Kopfschmerzen und körperliche Beeinträchtigungen. Diese bezeichnen wir umgangssprachlich als Kater, und obwohl man ja vorher einen „Affen“ gehabt haben muss, hat diese Bezeichnung nichts mit dem Tier zu tun, sondern ist eine – (wieder einmal) studentische – Verballhornung von „Katarrh“.

[] vorsätzlich, Adj.

aufgrund eines Vorsatzes bewusst und willentlich, absichtlich

Es ist ein eigentümliches Paradox: Die Gefängnisse sind voll von Leuten, die vorsätzlich ein Verbrechen verübt haben. Dagegen leeren sich die Ertüchtigungsinstitute, vulgo: Muckibuden, in denen Hochmotivierte, ihrem Neujahrs-Vorsatz folgend, vorsätzlich Speck ab- oder Muskeln antrainieren wollen, schnell wieder. So stöhnte schon der Sprachwissenschaftler Friedrich Hermann Reinwald im 18. Jh.: „Was nützt dir forschender Verstand … / Eroberst du nicht kühn die Felsenwand / Die Wollen und Vollbringen trennet?“ Beim Erklimmen dieser Felsenwand wünschen wir Ihnen für das neue Jahr viel Erfolg.

[] Glückspfennig, der

Pfennig, der angeblich Glück bringen soll

Zu Silvester sind glückverheißende Symbole wie Kleeblatt oder Glücksschwein en vogue. Sogar der Glückspfennig hält sich trotz Währungsumstellung hartnäckig (ob als Anhänger, als Tattoo-Bild usw.). Für den „Glückscent“ will sich dagegen – so scheint es – niemand so richtig erwärmen. Abhilfe könnte aus Slowenien kommen: Hier wird kleinen Kindern bei der Taufe ein Ein-Cent-Stück geschenkt (auf der Rückseite ist ein Storch abgebildet), was übrigens dem eigentlichen Ursprung des Glückspfennigs nahekommt. Früher schenkte man Täuflingen eine Münze, die sie als Glücksbringer vor Bösem bewahren sollte.

[] verzetteln

fachsprachlich etw. (für eine Kartei) auf einzelne Zettel schreiben

Was haben die Brüder Grimm und Theodor Fontane gemeinsam? Es ist die große Leidenschaft für den Zettelkasten. Die Grimms sammelten auf kleinen Zetteln Wortbelege – Puzzleteilchen für ihr Mammutprojekt „Deutsches Wörterbuch“. Für Fontane war der Zettelkasten ein Spiegel der Gesellschaft und des Weltgeschehens: Er sammelte, klebte, exzerpierte und verzettelte private und geschäftliche Annoncen, von der „Universal-Heil und Fußpflaster“-Reklame bis zur Schiffsunglücksmeldung auf dem Eriesee: Material, aus dem er seine Romane und Balladen spann. Heute vor 200 Jahren wurde der große Literat und Sammler geboren.

[] exkommunizieren, Vb.

jmdn. aus der Kirchengemeinschaft ausschließen

Mit seiner Ernennung zum Erzbischof von Canterbury kühlte das zunächst freundschaftliche Verhältnis zwischen Thomas Becket und Heinrich II., König von England, ab. Das Streitthema: Kirchenrecht vs. Herrschaftsrecht. Als Heinrich auch noch die Krönung des Thronfolgers in die Hände einfacher Bischöfe gab, ließ Thomas diese kurzerhand exkommunizieren. Der legendäre Ausruf Heinrichs „Will no one rid me of this turbulent priest?“ wurde als Todesurteil interpretiert: Am 29. Dezember 1170 drangen drei Ritter in die Kathedrale von Canterbury ein und ermordeten den Kirchenmann noch am Altar.

[] super-, Affix

<drückt eine Verstärkung des Grundwortes aus> überaus; extrem; das gewöhnliche, bisher höchste Maß überschreitend

Er schuf ein Universum der Super-lative: Stan Lee, der schon als 17-Jähriger im späteren Marvel-Verlag als Comiczeichner und -redakteur anheuerte, gilt als (Mit-)Schöpfer einer Großfamilie aus Comic-Superhelden mit Superkräften, zu denen Spiderman, Hulk, Thor, Dr. Strange, die X-Men und viele andere gehören. Zum bis heute andauernden Erfolg trug wohl auch bei, dass er in der Avengers-Serie die Protagonisten (nicht ohne unterhaltsamen „Familien“-Knatsch) miteinander interagieren ließ und dass er seine Figuren immer auch mit kleineren und größeren Schwächen versah. Der 28. Dezember 1922 ist sein Geburtstag.

[] Ellipse, die

geschlossene, ebene Kurve, bei der die Entfernungen sämtlicher Punkte von den beiden Brennpunkten stets eine konstante Summe haben, Kegelschnitt

Er war Mitbegründer der modernen Naturwissenschaft, zugleich war sein Werk tief in das religiöse Weltbild seiner Zeit eingebunden: Johannes Kepler, kaiserlicher Mathematiker und Schüler des Astronomen Tycho Brahe, etablierte einerseits Teleskope als nötiges Beobachtungsinstrument und zweifelte nicht an der wissenschaftlichen Richtigkeit des heliozentrischen Weltbilds, dem er endgültig zum Durchbruch verhalf. Andererseits schrieb er Horoskope und postulierte die Ellipsen, in denen die Planeten nach seinen Gesetzen um die Sonne kreisen, als göttliche Idee. Am 27. Dezember 1571 kam er in Weil der Stadt zur Welt.

[] Parodie, die

Verwendung von Teilen einer eigenen oder fremden Komposition für eine andere Komposition, Vertauschung von geistlichen u. weltlichen Texten u. Kompositionen

Noch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts rümpfte mancher Kritiker die Nase vor der nicht vollständig originären Schöpfung des Weihnachtsoratoriums. Der Grund: Johann Sebastian Bach nutzte Passagen aus anderen seiner Werke, leicht abgewandelt oder mit anderem Text versehen – ein im Barock vollkommen übliches kompositorisches Verfahren. Nur mit dem seit dem 18. Jh. herrschenden Geniegedanken ließ sich das schwer vereinen. All dem zum Trotz: Heute ist das „WO“ eines der meistgespielten Bach’schen Werke. Am 26. Dezember 1734 wurde die zweite Kantate uraufgeführt.

[] Weihnachtsengel, der

Religion: Engel, der nach dem Lukasevangelium die Geburt Jesu verkündet; Engel aus buntem Papier, Stroh o. Ä., besonders als Schmuck des Weihnachtsbaums

Seine Worte zählen dieser Tage wohl mit zu den meistzitierten Bibelstellen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“. Dabei hat der Weihnachtsengel, der den verängstigten Hirten diese frohe Botschaft übermittelt, nur im Lukasevangelium (2,10) seinen bekannten und reichlich pompösen, von himmlischen Heerscharen begleiteten Auftritt. Die anderen Evangelien nennen ihn nicht. Aus dem Tableau der populären Weihnachtsfiguren ist er – ob als Rauschgoldengel, Baumschmuck oder als buchbarer Weihnachtsmannersatz – gleichwohl nicht wegzudenken.

[] bescheren, Vb.

jmdm. etw. schenken; jmdm. etw. am Weihnachtsabend schenken, besonders in der Familie

Etymologie beschert uns bisweilen überraschende Wege: Das schöne engl. Wort „to share“ ‚teilen‘ hatte ehemals im althochdeutschen „skerian“ (mittelhochdeutsch: „schern“) seine Entsprechung. Doch das Wort ging unter, überdauerte aber mit dem Präfix „be-“ und erhielt dabei eine neue Bedeutung: Wem etwas „be-schert“ wurde, der erhielt von Gott eine besondere Gabe zugeteilt. Seit dem 16. Jh. sind diese besonderen Gaben eher irdisch und man findet sie schön verpackt unter dem Weihnachtsbaum – unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr.

[] Sammlerleidenschaft, die

Leidenschaft, Begeisterung, mit der jmd. etw. (Kunstwerke, Briefmarken, Münzen o. Ä.) sammelt

Was macht man, wenn man als reiche Erbin in den wilden 20ern volljährig wird? Peggy Guggenheim jedenfalls ging nach Paris, wo sie das Partyleben und ihre Leidenschaft für die moderne Kunst und die Schöpfer hinter den Werken entdeckte. Sie begann damit, Bilder zu sammeln. Was damals vielfach abgelehnt, von den Nazis später als entartet geächtet wurde, war tatsächlich ein wahrer Schatz. Heute ist dieser in den Guggenheim-Museen in New York, Venedig und Bilbao zu bewundern. Vor genau 40 Jahren starb die große Mäzenin im Alter von 81 Jahren.

[] rezent, Adj.

im gegenwärtigen Zeitabschnitt der Erdgeschichte lebend, vorkommend, entstehend

Bis ins frühe 20. Jh. war man davon überzeugt, dass der Quastenflosser das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit vor 65 Mio. Jahren nicht überlebt hatte. Als die Kuratorin des südafrikanischen East London Museum Marjorie Courtenay-Latimer am 22. Dezember 1938 aber einen großen, interessant aussehenden Fisch für ihre Sammlung in Augenschein nahm, wurde diese Überzeugung positiv erschüttert: Das Tier wurde eindeutig als rezenter Vertreter der ausgestorbenen Gattung identifiziert. Ein seltenes Glück: Erst 15 Jahre später wurde bei den Komoren in Ostafrika ein zweites Exemplar entdeckt.

[] Päckchen, das

kleines Paket mit einem bestimmten Höchstgewicht (meist zwei Kilogramm) und einer bestimmten Maximalgröße, das durch einen Paketdienst befördert wird

Frühe Bescherung: Am 21. Dezember 1919 wurde seine Einführung von der Deutschen Reichspost angekündigt: Das Päckchen sollte als kleiner (und vor allem billigerer) Bruder des Pakets ab dem 1. Januar 1920 das Portfolio des Staatsunternehmens erweitern. Schnell wurde es ein beliebtes Mittel für kleinere Sendungen, das im Verlauf der Geschichte verschiedene Beförderungsarten, Größen und Tarife erlebte und seit 1929 als „petit paquet“ auch von der Weltpost anerkannt ist. Aus dem heutigen Zeitalter des Internetversands ist es nicht mehr wegzudenken.

[] nuklear, Adj.

den Atomkern betreffend; auf Kernenergie beruhend, die Kernenergie betreffend

Am 20. Dezember 1951 leuchteten im amerikanischen Idaho vier Glühlampen auf – auf den ersten Blick kein herausragendes Ereignis, immerhin war die Erfindung schon mehr als 100 Jahre alt. Revolutionär war aber, was sie zum Leuchten brachte: Zum ersten Mal in der Geschichte wurde elektrischer Strom aus Kernenergie erzeugt. Am ersten Tag nur eine winzige Menge, gerade genug für die vier Lampen, ab dem nächsten Tag aber konnte sich der Reaktor schon selbst mit Strom versorgen. Heute fließt Atomenergie weltweit durch die Stromnetze, jedoch wird mehr und mehr an nachhaltigeren Alternativen gearbeitet.

[] Triebwagen, der

Schienenfahrzeug mit eigenem Antrieb; Eisenbahnwagen mit eingebautem Elektromotor oder Dieselmotor, Führerstand und großer Nutzfläche zur Beförderung von Personen oder Gütern

Eisenbahnverrückte kennen ihn als „DR 877“, die staunende Öffentlichkeit lernte ihn als „Fliegender Hamburger“ kennen. Mit ihm begann – und das erschloss sich dem Zeitzeugen schon auf den ersten Blick – eine neue Ära. Es war kein monströses Dampfkraftwerk nötig, das als Lokomotive den Zug bewegte. Sein Antriebsaggregat (zunächst ein Dieselmotor) war in den Zug selbst integriert, aus dem Waggon wurde somit ein eleganter, stromlinienförmiger Triebwagen. Am 19. Dezember 1932 absolvierte DR 877 seine erste Probefahrt. Für die Strecke von Berlin bis Hamburg benötigte er 140 Minuten.

[] Komposition, die

der nach bestimmten Formgesetzen erfolgte Aufbau, die Gestaltung eines Kunstwerkes

Die Mutter Sängerin, der Vater Musiklehrer: keine Frage, dass auch der hochmusikalische Sohn das Metier der Eltern ergreifen sollte. Doch Paul Klee widersetzte sich und wurde als Maler, Kunsttheoretiker und Bauhauslehrer zu einem der ganz Großen der Moderne. Und doch war die Musik nie weit weg. Sein untrüglicher Sinn für Komposition, für das Zusammenspiel von Farben und Formen und Linien verleihen seinen abstrakten Bildern eine faszinierende Harmonie. Und so zählt er beim Publikum heute zu einem der beliebtesten Künstler. Am 18. Dezember, vor genau 140 Jahren, wurde er geboren.

[] übersetzen, Vb.

einen Text schriftlich oder mündlich in eine andere Sprache übertragen; etw. umgestalten, übertragen

Als Frau unter Männern in der Gelehrtenwelt des frühen 18. Jh. erlebte die Mathematikerin, Physikerin und Philosophin Émilie du Châtelet die Ungleichheit der (vor allem intellektuellen) Karrieremöglichkeiten am eigenen Leibe. Entsprechend sprach sie sich offen für gleiche Menschenrechte aus. Die Anerkennung der Nachwelt erlangte sie vor allem durch ihre bemerkenswerte Publikationsleistung: Sie fertigte die erste Übersetzung von Newtons „Principia“ ins Französische an – diese gilt heute noch als Standard. Am 17. Dezember 1706 kam sie in Paris zur Welt.

[] Sinfonie, die

großes, meist aus vier Sätzen bestehendes Musikwerk für Orchester, dessen erster Satz gewöhnlich Sonatenform hat

1892 wurde erstmals das Nordlicht fotografiert, eine berühmte Cola-Company gegründet und ein weltberühmter tschechischer Komponist zum Direktor des National Conservatory of Music of America berufen. Antonín Dvořák folgte dem Ruf, er blieb aber nur für drei Jahre – sehr fruchtbare Jahre, denn in dieser Zeit komponierte er unter anderem, inspiriert vom musikalischen Erbe des Kontinents, seine 9. Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, die heute eine der meistgespielten weltweit ist und sogar Neil Armstrong auf den Mond begleitet hat. Am 16. Dezember 1893 wurde sie in New York uraufgeführt.

[] Marshallplan, der

Wiederaufbauhilfe der USA für einige, vor allem westeuropäische Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg

Unter den Trägern des Friedensnobelpreises gibt es nicht viele Militärs. Er hat ihn sich gleichwohl verdient: George C. Marshall, hoch dekorierter Fünf-Sterne-General der amerikanischen Streitkräfte, initiierte nach dem 2. Weltkrieg den nach ihm benannten Marshallplan, der als Wiederaufbauhilfe den Hunger im zerstörten Nachkriegseuropa beenden und der Wirtschaft auf die Beine helfen sollte. Empfänger war auch die Bundesrepublik Deutschland. Sie trat heute vor 70 Jahren dem Plan bei. Die Ostblockstaaten hatten eine Teilnahme abgelehnt.

[] Aderlass, der

Medizin: Entnahme einer größeren Menge von Blut

Was im 18. Jh. noch als Therapie galt, würde heute als schwere Körperverletzung mit Todesfolge geahndet – eine solche Heilmethode wurde auch dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Washington, zuteil. Als er 1799 an einer schweren Kehlkopfentzündung erkrankte, griffen seine Ärzte zu den damaligen Mitteln der Wahl: Abführmittel und Aderlass (insgesamt wohl die Hälfte seines Blutes), eine Rosskur, die heute vor 220 Jahren zum Exitus des prominenten Patienten führte. Dessen zeitlebens geäußerte Befürchtung, lebendig begraben zu werden, erwies sich als unbegründet – die Ärzte hatten ganze Arbeit geleistet.

[] Meistertitel, der

durch eine entsprechende Ausbildung und Prüfung erworbener Titel in einem bestimmten Handwerk

1810, in der Zeit der preußischen Reformen, wurden nicht nur die Zünfte abgeschafft. Auf dem Müllhaufen der Geschichte landete auch der mittelalterliche Berufsstand des Meisters. Ungeklärt blieb allerdings die Frage nach der Qualitätssicherung. Und so führte der Deutsche Reichstag 1897 den Meistertitel für die Handwerksberufe mitsamt einer Ausbildungsregelung wieder ein. Unumstritten war er gleichwohl nicht. Und so löste man 2004 den Meisterzwang für 53 Berufe – eine Entscheidung, die aktuell erneut auf dem Prüfstand steht.

[] anstößig, Adj.

Ärgernis erregend, unschicklich

Fünf Jahre schrieb Gustave Flaubert an seinem Roman um Emma Bovary, die ambitiöse junge Landarztgattin, die ob ihres eintönigen Alltags in Apathie versinkt, Affären beginnt, die Familie in den finanziellen Ruin treibt und sich am Ende mit Arsen vergiftet. Gleich nach der Veröffentlichung wurde der Roman wegen „fehlender Moral und Sittenlosigkeit“ von der Zensurbehörde angegangen – zum Glück erfolglos. Erfolg wurde stattdessen dem Autor zuteil: Die erste gedruckte Ausgabe von „Madame Bovary“ war schnell ein großer Verkaufsschlager. Heute vor 198 Jahren kam Flaubert zur Welt.

[] Humbug, der

Unsinn; Schwindel, Aufschneiderei

Für den spröden Geizhals und Misanthropen Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte war all das Brimborium um den winterlichen Festtag schlichter „humbug“ (ausgesprochen: hʌmbʌg). Dieser britische Slangausdruck, der sich auch hierzulande großer Beliebtheit erfreut, ist – das zeigt unsere vom Englischen abweichende Aussprache – schon seit dem 19. Jh. im Deutschen geläufig. Er findet sich bei Droste-Hülshoff und Fontane ebenso wie bei Karl Marx oder im Wörterbuch von Daniel Sanders. Der genaue Ursprung des lautmalerischen Ausdrucks ist leider unbekannt.

[] Schicksal, das

Gesamtheit dessen, was dem Menschen unabhängig von seinem Willen (durch naturgegebene Umstände, durch den Ablauf der Ereignisse) widerfährt und sein Leben entscheidend beeinflusst, Lebensweg

Nelly Sachs gilt als eine der wenigen, die es geschafft haben, „das jüdische Schicksal in Worte zu fassen“, so die Kritiker der Nachkriegszeit. Mit ihrer herben, sehr direkten und doch einfühlsamen Sprache erfasste sie das Unsagbare wie keine andere. Sie selbst entkam dem Holocaust nur knapp: Ihre Deportationspapiere waren schon unterschrieben, als sie mit ihrer Mutter 1940 die Flucht nach Schweden ergriff. Für ihr umfangreiches lyrisches und dramatisches Werk erhielt sie später zahlreiche Anerkennungen, unter anderem am 10. Dezember 1966, ihrem 75. Geburtstag, den Literaturnobelpreis.

[] Basketball, der

meist in der Halle betriebenes Ballspiel, bei dem zwei Mannschaften nach bestimmten Regeln versuchen, einen Ball mit der Hand in den jeweils gegnerischen, in 3,05 Meter Höhe angebrachten Korb zu befördern

Dieser sehr schnelle, unberechenbare und höchst erfolgreiche Sport ist noch gar nicht so alt: Im Dezember 1891 erhielt der kanadische Arzt James Naismith vom Direktor für Leibeserziehung an einer Schule in Massachusetts den Auftrag, einen neuen Hallensport zu erfinden – mit möglichst wenig Körperkontakt, man wollte Prügeleien vermeiden. An beiden Enden der Sporthalle ließ Naismith Pfirsichkörbe anbringen, er setzte 13 Regeln fest und das erste Match konnte noch im gleichen Monat beginnen. Es endete 1:0, der Student William Chase legte den ersten Korb in der Geschichte des Basketballs.

[] Aberwitz, der

Unsinn, Unsinnigkeit, Irrsinn

„If ye break faith with us who die / We shall not sleep“ („Brecht Ihr uns Sterbenden den Bund / So werden nie wir schlafen“) – Worte der Verzweiflung aus dem Munde eines lyrischen Ichs, das für eine ganze Generation junger Soldaten am Anfang eines langen, aberwitzigen Kriegs steht. Der kanadische Arzt und Lieutenant Colonel John McCrae bettete diese Verse 1915, ein Jahr nach Beginn des Ersten Weltkriegs und einen Tag nach dem Tod eines befreundeten Kameraden, in sein berühmtes Gedicht „In Flanders Fields“ ein. Es wurde am 8. Dezember desselben Jahres erstmals veröffentlicht.

[] beschaulich, Adj.

in Betrachtungen versunken, nach innen gekehrt, geruhsam

Zu den humoristischen Kleinodien, mit denen Loriot den Weihnachtsrummel aufs Korn nahm, gehört natürlich das Gedicht „Advent“: Was nach Reimform, Versmaß und einigen Motiven (Tannenwipfel, Häschen mit Schnuppernasen) wie ein beschauliches Weihnachtspoem daherkommt, gehört inhaltlich eher dem Genre der Splatter-Lyrik an, ermordet und zerlegt doch die Försterin ihren Gatten, weil der ihr bei „des Heimes Pflege“ im Wege steht. Veröffentlicht wurde es erstmals am 7. Dezember 1969, rief (wie zu erwarten) Proteste hervor und gehört heute gleichwohl zum Kanon weihnachtlicher Gemütlichkeit.

[] Nikolaustag, der

mit landschaftlich verschiedenen Volksbräuchen verbundener Gedenktag (6. Dezember) für die Gestalt des heiligen Nikolaus, der im Christentum vor allem als Überbringer von Geschenken für die Kinder gilt

Er ist der wohl bekannteste unbekannte Heilige überhaupt: Von Nikolaus von Myra weiß man im Grunde nur, dass er irgendwann im letzten Drittel des 3. Jhs. geboren wurde und als Bischof in Myra wirkte. Die fehlenden Fakten werden aber durch einen Strauß sympathischer Legenden aufgewogen, in denen Nikolaus Menschen aus höchster Not rettet oder anonym Geschenke verteilt (daher auch der Nikolausbrauch). So wurde er der Patron der Schüler und Schiffer, der Drescher und Diebe – ironischerweise auch der Juristen. Gestorben ist er angeblich an einem 6. Dezember, irgendwann um 350.

[] Erbsensuppe, die

Suppe aus getrockneten (seltener frischen oder tiefgekühlten) Erbsen, die typischerweise mit Suppengemüse, Kartoffeln, Gemüsebrühe, Bauchspeck und Würstchen gekocht (und in einigen Varianten püriert) werden

„Pea soup“ nannten die Londoner das Phänomen: Wenn der Smog nicht richtig abzog, lag er als dicke Brühe in den Straßen. Am 5. Dezember 1952 aber wurde die „Erbsensuppe“ zur ernsten Gefahr. Der Nachkriegswohlstand hatte für noch nie dagewesene Abgasmengen gesorgt. Der Smog sammelte sich nun, aufgrund einer Inversionswetterlage, unter einem Deckel aus Warmluft. Wer zu Fuß unterwegs war, konnte die Hand vor Augen nicht mehr sehen – und atmete pures Gift, vier Tage lang. Die Bilanz: viele tausend Kranke und Tote. Wenige Jahre später wurde ein längst überfälliger Clean-Air-Act verabschiedet.

[] Symbolismus, der

von Frankreich ausgehende und sich über Europa ausbreitende Kunstrichtung im 19. und 20. Jahrhundert, deren Vertreter den künstlerischen Inhalt ihrer Werke in Symbolen wiederzugeben suchten

In seinen Gedichten läuft hier ein Blick unruhig wie ein Hund voraus, schließt sich dort der Vorhang einer Pupille vor der Außenwelt, wird eine Gestorbene zur Wurzel, bleibt im Fortschreiten das Gehör wie ein Geruch zurück … Die eindringliche Bildsprache in der Lyrik Rainer Maria Rilkes lebt von der Beschreibung des Vereinzelten, von Synästhesien, vom Symbol, in dem sich Erlebtes und darin aufgefächerte Empfindungswelten widerspiegeln. Das „Dinggedicht“, in dem genau dieser poetische Prozess kulminiert, gilt als seine Schöpfung. Am 4. Dezember 1875 kam der Dichter in Prag zur Welt.

[] Impression, die

Eindruck, Sinneswahrnehmung, Empfindung

Neben seinem malerischen Genie zeichnete den Impressionisten Pierre-Auguste Renoir (* 1841) eine ungeheure Schaffenskraft aus. Über 6000 Werke hinterließ er der Nachwelt. Kaum jemand verstand es wie er, in seinen Gemälden Licht- und Schattenspiel ebenso einzufangen wie die ausgelassene Stimmung und pralle Lebensfreude der Pariser Society. Doch mit fortschreitendem Alter musste er Bild für Bild einem streikenden Körper abtrotzen: Eine rheumatoide Entzündung der Gelenke beeinträchtigte ihn so schwer, dass er sich schließlich den Pinsel an die Hand binden lassen musste. Heute vor 100 Jahren starb der große Maler.

[] handeln, Vb.

tätig, aktiv sein, vorgehen

„TiempoDeActuar“ bzw. „TimeForAction“ ist das Motto der UN-Klimakonferenz, die von heute an bis zum 13. Dezember 2019 in Madrid stattfinden wird. Es geht um konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, dessen Ziel die Begrenzung der immer stärker werdenden Erderwärmung auf unter 2 °C ist. Ein zentrales Thema wird der geregelte Welthandel mit Verschmutzungsrechten sein. Bis zu 30 000 Besucher werden erwartet: natürlich die Delegierten, aber auch Wissenschaftler, Ökonomen, Journalisten und interessierte Beobachter.

[] Adventszeit, die

Zeit des Advents zur Einstimmung und Vorbereitung auf das Weihnachtsfest

Die vierwöchige Adventszeit, wie wir sie heute kennen, geht auf eine Entscheidung Papst Gregors I. im 7. Jh. zurück. Er legte die Zahl der Sonntage vor Weihnachten auf Vier fest. Der Grund: Seinerzeit glaubte man, die Zeit zwischen Sündenfall und Geburt Christi betrüge 4000 Jahre, jeder Sonntag dieses „tempus adventūs Domini“, der „Zeit der Ankunft des Herrn“, sollte also tausend dieser Jahre repräsentieren. Die Adventszeit ist für Christen und Nichtchristen heute auch eine Zeit geliebter Bräuche: Adventskalender, Adventskränze, Weihnachtsmärkte (und der ein oder andere Glühwein) dürfen nicht fehlen.

[] wahrsagen, Vb.

auf Grundlage wissenschaftlich nicht aussagekräftiger, laut Aberglauben aber bedeutungsvoller Zeichen und Vorgänge Vorhersagen über zukünftige Ereignisse machen

In der Nacht auf den 30. November, der Andreasnacht, walten prophetische Kräfte, zumindest nach altem Volksglauben: Besondere Rituale und Zeichen sollen jungen Mädchen offenbaren, ob und wen sie im folgenden Jahr ehelichen werden. Denn der Heilige Andreas ist unter anderem Schutzpatron der Liebenden: „Heiliger Andreas, ich bitt' dich, Bettstatt, ich tritt dich, lass mir erscheinen den Herzallerliebsten mein!“ Wer nach diesem Gebet z. B. in den Spiegel oder ins Feuer blickt, sieht mit etwas Glück den Gatten in spe.

[] Dynastie, die

Herrschergeschlecht; Herrscherhaus

Gunst des Schicksals, Ehrgeiz und kluge Strategie verhalfen einer ebenso bemerkenswerten wie umstrittenen Frau an die Macht. Ihr Glück: Als einzige Frau des kaiserlichen Harems gebar die Cixi dem chinesischen Kaiser Xianfeng (1831–1861) einen männlichen Thronerben. Danach überließ sie nichts mehr dem Zufall. Kurz nach dem Ableben des Herrschers übernahm sie für ihren unmündigen Sohn die Regierungsgeschäfte und behielt bis zu ihrem Tod (1908) in einer für China schweren Zeit die Zügel in der Hand. Den Niedergang der Herrscherdynastie konnte sie jedoch nicht aufhalten. Am 29. November 1835 wurde sie geboren.

[] tropfen, Vb.

in Tropfen herabfallen; einzelne Tropfen von sich geben

Regen prasselt, Sandkörner rieseln, Trommeln wirbeln, aber für die Geschwindigkeit, mit der sich hier etwas bewegt, gibt es eigentlich keine Worte: In einem Experiment der australischen Universität Queensland wurde Pech in einen Trichter gefüllt, das seither in ein Glas darunter tropft. 1927 startete der Versuch – 1938 fiel der erste Tropfen. Weitere folgten in Abständen von neun bis zwölf Jahren, ohne dass jemand Augenzeuge gewesen wäre. Seit den 1990er Jahren sollte daher eine Webcam „aufpassen“. Aber als sich am 28. November 2000 endlich ein Tropfen löste, versagte auch sie. Erst 2014, beim nächsten Tropfen, hatte man Erfolg.

[] Revolutionär, der

jmd., der an einer Revolution beteiligt ist, auf eine Revolution hinarbeitet; jmd., der auf einem Gebiet als Neuerer auftritt

Als er 1794 kaum vierzigjährig in Paris starb, war er in seiner deutschen Heimat als Anhänger der Französischen Revolution geächtet, sein Werk wurde vergessen. Dabei hatte Alexander von Humboldt ihn als großes Vorbild gepriesen, hatten seine fesselnden Reiseberichte über die Cook-Expedition in England und Deutschland gleichermaßen Aufsehen erregt. Bis heute wirken seine Beschreibungen der indigenen Völker Polynesiens (aber auch des Niederrheins) erstaunlich hellsichtig. Am 27. November 1754 wurde der Ethnologe, Weltreisende und Naturwissenschaftler Georg Forster geboren.

[] unbekümmert, Adj.

von keinerlei Sorgen bedrückt, unbeschwert, sorglos

„Im Herbst werde ich zehn Jahre alt und dann hat man wohl seine besten Tage hinter sich“, konstatierte einst die berühmte Sachensucherin, die von Plutimikation nicht viel hält, ihre Gäste aus dem Limonadenbaum bewirtet und in der Tat in neuneinhalb Jahren schon einiges erlebt hat: Pippi Langstrumpf entsprang zunächst der Phantasie einer Mutter als Heilmittel gegen eine Lungenentzündung, eroberte aber schon bald die ganze Welt: Am 26. November 1945 wurden Astrid Lindgrens Geschichten um das selbstbewusste, willens- und muskelstarke Mädchen erstmals veröffentlicht.

[] Relativitätstheorie, die

von Einstein begründete physikalische Theorie über die Struktur von Raum und Zeit, nach der die Masse der Energie proportional und von der Geschwindigkeit abhängig ist und nach der die Lichtgeschwindigkeit die oberste Grenzgeschwindigkeit darstellt

Nachdem Albert Einstein in seinem Genie-Jahr 1905 mit seiner später „Spezielle“ genannten Relativitätstheorie bewiesen hatte, dass Raum und Zeit nicht absolut, sondern vom Ort und von der Bewegung des Betrachters abhängig sind, baute er sie in den folgenden zehn Jahren zu einer umfassenden Beschreibung des Aufbaus des Universums aus, die auch die Gravitation mit einbezog und unser Verständnis des Kosmos revolutionierte. Am 25. November 1915 stellte er seine nun „Allgemeine Relativitätstheorie“ in der Preußischen Akademie der Wissenschaften, heute die BBAW, vor.

[] spektakulär, Adj.

Aufsehen erregend

Als der Paläanthropologe Donald Johanson am 24. November 1974 einige Knochen vom äthiopischen Boden auflas, war die Aufregung noch nicht beonders groß. Erst die darauf folgende Ausgrabung deckte auf, welch spektakulären Fund er und sein Team mit AL 288-1 eigentlich gemacht hatten: eine Australopithecus-afarensis-Dame, die wohl rund 25 Jahre auf, aber sagenhafte 3,2 Millionen Jahre unter der Erde verbracht hatte. Begleitet vom Beatles-Song „Lucy in the Sky With Diamonds“ feierte das Team am Abend die bedeutende Entdeckung – und gab der kleinen großen Dame den Namen, unter dem sie heute jeder kennt: „Lucy“.

[] Klipper, der

historisch: Schnellsegler, der den Handel zwischen Ostasien und England vermittelt

Mit ihnen rückte die Welt enger zusammen: Ab den 1830er Jahren prägten die eleganten, schnellen Klipper die Handelsschifffahrt. Ihr steiler, spitz zulaufender Bug durchschnitt (engl. to clip, „schneiden“) die Wellen. Der schlanke Rumpf und eine riesige Segelfläche – hart an der Grenze des Möglichen – machten sie zu effizienten Rennern, die sich auf den Atlantik- und Pazifikrouten regelrechte Wettfahrten lieferten. Die Klipper sind von den Weltmeeren verschwunden. Überdauert hat einzig die Cutty Sark, die für immer in Greenwich „festgemacht“ hat. Am 23. November 1869 lief sie vom Stapel.

[] realistisch, Adj.

von der Wirklichkeit ausgehend, sachlich, nüchtern

Er sei einer der wenigen „für erwachsene Leute geschriebenen“ englischen Romane, so Virginia Woolf über das wichtigste literarische Werk der viktorianischen Zeit: „Middlemarch“ handelt von der gleichnamigen fiktiven Kleinstadt zu Beginn der Industrialisierung und zeichnet ein realistisches, psychologisch einfühlsames Bild der ländlichen Gesellschaft im 19. Jh. Dabei werden große Themen verhandelt: die Rolle der Frau, Ehe, Religion, Politik und Reform. Die Autorin Mary Ann Evans, bekannt unter dem Namen George Eliot, kam heute vor 200 Jahren zur Welt.

[] Bodenschatz, der

abbauwürdiger Vorrat in der Erdkruste

Wörter wie „Zink“, „Quarz“, „Kobalt“ oder „Nickel“ finden sich heute in vielen Sprachen. Tatsächlich sind es Germanismen aus dem Fachjargon des deutschen Bergbaus, war dieser doch bis in die frühe Neuzeit technologisch führend. Ihre Verbreitung aber haben sie vor allem ihm zu verdanken: Georg Agricola (*1494), Arzt, Humanist, Universalgelehrter. Er fasste in mehreren Grundlagenwerken das Wissen über Minerale, Erze und Bergbautechnik zusammen. Doch allen Verdiensten zum Trotz: Als er am 21. November 1555 starb, verweigerte ihm die Heimatstadt Chemnitz – er war Katholik – das Begräbnis in ihren Mauern.

[] Vogelschau, die

perspektivische Schau einer Landschaft, eines Gegenstandes von oben

Wenn Selma Lagerlöf etwas hasste, dann Langeweile: Und so ist es wohl kein Zufall, dass das fantasievollste Schulbuch der Literaturgeschichte von ihr stammt. 1909 vom Kultusministerium dazu beauftragt, schrieb die ausgebildete Lehrerin ein etwas anderes Geografiebuch: Der für seine Boshaftigkeit zum Däumling verzauberten Nils Holgersson erkundet Schweden auf dem Rücken der Gänse. Er lernt Land und Leute kennen, lauscht ihren Sagen und wandelt sich nebenbei zu einem besseren Menschen. Das Buch wurde zum Welterfolg der gefeierten Autorin. Der 20. November 1858 ist ihr Geburtstag.

[] Hoffnung, die

zuversichtliche Erwartung, dass etw. geschehen wird, zuversichtliche Annahme

Die Nationalsozialisten verbrannten ihre Bücher, nach kurzer Gestapo-Haft floh sie erst nach Paris, dann nach Marseille, dann nach Mexiko. Dass es das neue Regime auf Anna Seghers abgesehen hatte, war kein Wunder, immerhin verkörperte die Literatin das ideologische Feindbild in aller Klarheit: Sie war Jüdin und Kommunistin. Einer ihrer wichtigsten Romane, „Das siebte Kreuz“, entstand daher im Exil. Er handelt von einem KZ-Häftling, dem nur stete Hoffnung und die Freundschaft Gleichgesinnter zur erfolgreichen Flucht verhelfen. Heute wäre die Autorin 119 Jahre alt geworden.

[] Bekennergeist, der

unbedingte Bereitschaft, öffentlich für seine (religiöse) Überzeugung einzutreten

Die Geschichte der Göttinger Sieben handelt vom persönlichen Mut einiger weniger, doch auch von bürgerlich-demokratischer Solidarität. König Ernst August von Hannover hatte 1837, kaum an die Macht gekommen, die Verfassung des Landes suspendiert. Sieben Göttinger Professoren (u. a. Jacob u. Wilhelm Grimm) protestierten am 18. November in einer schriftlichen Eingabe. Der Text gelangte nur kurz in die Hände eines Studenten – wenige Tage später war ganz Deutschland im Bilde. Als die sieben entlassen wurden, erhob sich ein gewaltiger Proteststurm, eine Welle der Unterstützung folgte.

[] schwanken, Vb.

nicht fest, nicht stabil sein, sich ständig verändern, zögern, sich nicht entschließen können, unschlüssig, unsicher sein

„Die Löcher sind die Hauptsache an einem Sieb“, heißt es in seinem Gedicht, das mit dem berühmten Versprechen einer Ofenkachel als Liebespfand beginnt. Joachim Ringelnatz' Leben scheint dieses Postulat zu bestätigen: Er irrte umher, wehrte sich gegen Geregeltes, war mit Talenten gesegnet, lief dem Scheitern jedoch wiederholt entgegen. Sein lyrisches Werk aber mit seinem für ihn typischen grotesk-tiefgründigen, weltweisen Duktus scheint zwischen diesen Brüchen zu gedeihen – und ist heute vielgelesen und vielgeliebt. Am 17. November 1934 starb Ringelnatz in Berlin.

[] Nachruhm, der

Ruhm, den jmd., etw. bei der Nachwelt genießt

Mao studierte ihn, in Militärakademien steht er auf dem Stundenplan, selbst Pazifisten beschäftigen sich mit seinen Ideen: Der Philosoph in Uniform, Carl v. Clausewitz, gilt als einer der einflussreichsten Militärtheoretiker überhaupt. Die preußische Armee, deren Reihen er entstammt, hat ihn dagegen erst spät gewürdigt. Als Reformer um Gneisenau wenig geschätzt wurde er oft auf einflusslose Posten abgeschoben, was ihm viel Zeit für sein Hauptwerk „Vom Kriege“ ließ. Es war seine Frau Marie, die die noch unvollendete Schrift postum – er starb am 16. November 1831 – auf eigene Kosten herausgab.

[] Scholastik, die

Philosophie des mittelalterlichen Katholizismus, deren Anliegen es war, die kirchlichen Dogmen vernunftmäßig zu begründen und sie mit der überlieferten Philosophie in Einklang zu bringen

Noch heute sitzen Studierende zu Füßen des Albert von Lauingen – besser bekannt als Albertus Magnus. Zwar sind jene Füße, wie der Rest seines Abbilds, aus Bronze, inspirierend wirken sie aber nach wie vor. Die jungen Kölner haben dem brillanten Scholastiker immerhin einiges zu verdanken: Unter seiner Leitung kam das Studium Generale der Dominikaner im 13. Jh. zu Weltruhm und dies ermöglichte der Stadt am Rhein nur wenig später die Gründung einer der ältesten Universitäten Europas. Immer reisend, blieb Albertus Magnus der Stadt Köln stets verbunden. Am 15. November 1280 starb er dort in hohem Alter.

[] Fahrgast, der

jmd., der ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt

Ein Tunnel zwischen England und Frankreich: Die Idee ist gut 250 Jahre alt und galt lange als Hirngespinst. War es zunächst die Unmöglichkeit der technischen Umsetzung gewesen, so scheiterte das Projekt ab Mitte des 19. Jahrhunderts trotz seriöser Initiativen an politischen Vorbehalten. Erst 1987 wurde dann tatsächlich mit dem Bau eines Eisenbahntunnels begonnen, im Dezember 1990 trafen sich die Bohrköpfe – 15,6 km von Frankreich, 22,3 km von Großbritannien entfernt – und heute vor genau 25 Jahren fuhren die ersten Fahrgäste unter dem Kanal hindurch.

[] traumhaft, Adj.

so, wie in einem Traum

„Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität“, so André Breton, Schriftsteller, Poet und Begründer des Surrealismus. Das Unbewusste, das Absurde und Phantastische, schon in der Romantik vereinzelt Gegenstand vor allem der Literatur und der bildenden Kunst, wurden zu den Kernkonzepten einer neuen, revolutionären Bewegung. Am 13. November 1925 eröffnete die erste Ausstellung in Paris mit Werken u. a. von Paul Klee, Max Ernst, Pablo Picasso und Joan Miró.

[] Wörterbuch, das

(...) Nachschlagewerk mit nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählten und erläuterten Stichwörtern, meist mit Informationen zu ihrer Form, ihrer Bedeutung und ihrem Gebrauch

Wer im Deutschland der Kaiserzeit ein deutsches Wort nachschlagen, eine orthografische Frage klären wollte, der griff meist zu einem Wörterbuch des jüdischen Lexikografen Daniel Sanders. Der Neustrelitzer Publizist schuf in einer fast unglaublichen Arbeitsleistung eine Fülle an Wörterbüchern, die in ihrer Konzeption zukunftsweisend waren: Jenseits puristischer Vorstellungen und sprachhistorischer Ansätze beschrieb er die Sprache in ihrem aktuellen Gebrauch und richtete sich damit an alle gebildeten Deutschen. So groß der Erfolg seiner Wörterbücher zu Lebzeiten war, der wachsende Antisemitismus verhinderte eine dauerhafte Fortführung. Heute vor 200 Jahren kam Daniel Sanders zur Welt.

[] Martinsgans, die

Gans, die für das Festtagsessen am Martinstag gemästet, geschlachtet, küchenfertig ausgenommen zum Verkauf angeboten wird

„Martini … da fängt bey uns Teutschen das Fressen und Sauffen an“, wusste schon Grimmelshausen zu berichten. Im Mittelpunkt der Völlerei: die gut gebratene Martinsgans. Mit dem Hl. Martin hat der Brauch aber nur indirekt zu tun. Der Martinstag war im bäuerlichen Deutschland bis zum Anfang des 19. Jhs. großer Zahltag: Gesinde wurde entlassen oder eingestellt, Löhne ausbezahlt. Und fällig waren auch Abgaben an Kirche und Grundherren, die oft in Form von Naturalien, besonders Gänsen – eben den Martinsgänsen – geleistet wurden, welche dann überall auf den Tischen endeten.

[] desillusionieren, Vb.

jmdn. ernüchtern, enttäuschen

Der am 10. November 1928, 10 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, erschienene Roman „Im Westen nichts Neues“ war von Anfang an ein Welterfolg. Anders als die zahllosen Fronterzählungen ehemaliger Soldaten traf Erich Maria Remarque den richtigen Ton, fand die passenden Worte für eine verlorene Generation, die vom Hurra-Patriotismus desillusioniert, aber dennoch vom Krieg gefangen blieb. Die aus der Perspektive eines Oberschülers erzählten Episoden sind in ihrer fast schon lakonischen Darstellung vom Sterben in den Materialschlachten des Ersten Weltkriegs bis heute zeitlos geblieben.

[] unverzüglich, Adj.

ohne Verzug, sofort, ohne zu zögern

Der Fehler liegt in der Eile, heißt es. Doch 1989 profitierte ganz Deutschland ungemein davon. Die Regelung zur Ausreise, mit der das unzufriedene Volk der DDR beruhigt werden sollte, passierte am 9. November erst in Windeseile das Politbüro und wurde dann auch noch auf der abendlichen Pressekonferenz von Günter Schabowski falsch interpretiert. Auf Nachfrage erklärte er, dass diese Regelung „ab sofort, unverzüglich“ in Kraft trete (wovon allerdings weder Grenztruppen noch Passkontrolleinheiten informiert waren). Daraufhin gab es kein Halten mehr.

[] Eskorte, die

(militärisches) Geleit, Bedeckung

400 km lagen zwischen ihm und dem Nächsten seiner Art, für Jahrzehnte war der „Arbre du Ténéré“ – eine Akazie – das entlegenste Gewächs der Welt. Dieser Überlebenskünstler, der wie ein Leuchtturm aus dem Sand der nigrischen Wüste ragte, wurde von den Tuareg bewundert und gefürchtet. Als man 1973 entdeckte, dass er umgerissen worden war und nun verendet auf dem Boden lag, war die Trauer groß: Am 8. November desselben Jahres eskortierte man seine Überreste feierlich in die Hauptstadt Niamey, wo diese seither im Nationalmuseum ausgestellt sind.

[] Beharrlichkeit, die

Standhaftigkeit, Ausdauer

Marie Skłodowska Curie, geboren am 7. November 1867 in Warschau, musste ihre Heimat verlassen, um studieren zu können. Dies tat sie in Paris – und zwar mit Bravour. Ihre Beharrlichkeit und Intelligenz führten sie zu vielen weiteren Meilensteinen: Erste Frau, die den Nobelpreis verliehen bekam und einzige, die einen weiteren erhielt; erste Dozentin und Professorin an der Pariser Sorbonne; Mitentdeckerin der Elemente Polonium und Radium. Sie ist die Person, der wir den Ausdruck „Radioaktivität“ (und deren vertieftes Verständnis) verdanken.

[] pathetisch, Adj.

voller Pathos

Eine Programmsinfonie sollte es sein, die persönlichste unter seinen Werken: „Schwung, Zuversicht, Tätigkeitsdrang“ charakterisiere den ersten Satz, so der Komponist, „der zweite Satz ist die Liebe, der dritte Enttäuschung, der vierte endet mit Ersterben“. Tschaikowskis Leben folgte exakt diesem Aufbau: Frühe Hinwendung zur Musik, Entdeckung der eigenen Homosexualität, gescheiterte Scheinehe und Dürrejahre, Wiederaufstieg und plötzlicher Tod. Am 6. November 1893, nur wenige Tage nach der Uraufführung seiner berühmten 6. Sinfonie, der Pathétique, starb er ganz unerwartet im Alter von nur 53 Jahren.

[] verschwören, Vb.

sich (mit jmdm. gegen etw., jmdn.) verschwören: sich heimlich durch feierlichen Schwur (mit jmdm. gegen etw., jmdn.) zu gemeinsamem Vorgehen verbinden

Es fehlte nicht viel und am 5. November 1605 hätte das größte Attentat der englischen Geschichte stattgefunden. Ganze 1,2 Tonnen Schießpulver, gebunkert im Keller des House of Lords, sollten Westminster in die Luft jagen, König Jakob I., dessen Familie und das gesamte Parlament auslöschen. Doch die Clique um den Offizier Guy Fawkes, die auf diese Weise die Katholikenverfolgung beenden wollte, scheiterte durch Verrat. Bis heute erinnert jedes Jahr ein Feuerwerk an die Pulververschwörung, und das Gedicht „Remember, remember the fifth of November“ kennt in England jedes Kind.

[] schwindsüchtig, Adj.

(umgangssprachlich, veraltend) an Tuberkulose, Lungentuberkulose leidend

„Man müsste einmal eine Literaturgeschichte der Schwindsüchtigen schreiben (...) Sie tragen das Kainsmal der nach innen gewandten Leidenschaft.“ Klabund war 16-jährig an Tuberkulose erkrankt und erlebte das beginnende 20. Jh. (bis zu seinem frühen Tod) eher aus der Position des Beobachters. Stilistisch lässt sich sein umfangreiches episches, dramatisches und lyrisches Werk kaum verorten: Klabund („Klabautermann“ und „Vagabund“) wollte sich nicht festlegen, er wanderte zwischen Alt und Neu, zwischen Expressionismus, Romantik, Dada und anderen. Heute vor 129 Jahren kam er zur Welt.

[] Reiseführer, der

kleines, übersichtlich angelegtes Buch für Reisende über Sehenswürdigkeiten und Unterkünfte einer Stadt, eines Gebietes

„Zum Reisen gehört in erster, zweiter und dritter Linie Geld“, schmerzlich wahre Worte eines Geistes, dem wir nicht nur die Benennung, sondern in gewisser Weise auch die Minderung dieses Dilemmas zu verdanken haben. Seine Bücher mit dem bekannten roten Einband feierten schnell Erfolge, sein Name stand bald für eine ganze Gattung: Kulturabenteurer griffen zum „Baedeker“, machten sich unabhängig von Reisegruppen und professionellen Führern, erkundeten das Land auf eigene Faust. Der Autor und Verleger kam heute vor 218 Jahren in Essen zur Welt.

[] Gewerbefreiheit, die

(durch gesetzliche Bestimmungen teilweise beschränkte) Möglichkeit, überall und jederzeit einer (beliebigen) wirtschaftlichen Betätigung nachgehen zu können

Heutzutage entscheiden Neigung, Eignung und Qualifikation darüber, welches Gewerbe man ausüben darf, nicht aber Geburt oder Zugehörigkeit zu einer Zunft, wie dies im Deutschen Reich bis in die Neuzeit hinein Praxis war. Ausgangspunkt für die wirtschaftlich bedeutsame Veränderung bildete die Niederlage gegen Napoleon. In einer gewaltigen Reformanstrengung schüttelte der preußische Staat die Relikte des Mittelalters ab: 1807 die Leibeigenschaft und drei Jahre später, am 2. November 1810, den Zunftzwang. Die Freiheit der Berufswahl zählt heute zu den Grundrechten.

[] erschüttern, Vb.

in eine heftig bebende, rüttelnde Bewegung versetzen; (übertragen) die sichere Grundlage von etw. in Frage stellen

Ein Gott, der „mit vollen Händen Übel auf [die Menschen] gießt?“ (Voltaire) – 1755 blickte ganz Europa voller Entsetzen auf Lissabon. Ein gigantisches Seebeben und ein nachfolgender Tsunami hatten am 1. November gewaltige Zerstörungen angerichtet. Die Katastrophe, der bis zu 100 000 Einwohner zum Opfer fielen, erschütterte das Weltbild vieler gläubiger Menschen und vieler Philosophen: Manche begannen nun, wie Immanuel Kant, Überlegungen zu den natürlichen Ursachen von Erdbeben anzustellen, andere zogen auf einmal, wie Voltaire, die Gottesgewissheit in Zweifel.

[] heischen, Vb.

etw. gebieterisch fordern, verlangen

„Trick or treat!“, in der deutschen Version „Süßes oder Saures!“ – der mit diesem geisterhaften Ausruf verbundene Heischebrauch kommt ursprünglich aus Irland, wanderte über den Atlantik in die USA und setzt sich nun weltweit mehr und mehr gegen andere Traditionen durch (in Deutschland z. B. gegen das 10 Tage später stattfindende Martins- oder Martinisingen). In der Nacht vor Allerheiligen, an Halloween, kommen die Geister der Verstorbenen, getarnt als verkleidete Kinder (oder ist es doch umgekehrt?), ins Diesseits zurück und müssen mit kleinen Gaben besänftigt werden.

[] Rekonstruktion, die

das Nachbilden, Wiederaufbauen; das Nachgebildete, Wiederaufgebaute

Nach den verheerenden Fliegerangriffen auf Dresden 1945 blieb auch von der barocken Frauenkirche nur ein Trümmerhaufen zurück. Versuche der DDR-Regierung, diesen zu beseitigen, scheiterten ebenso wie die Idee eines Wiederaufbaus – die nach der Wende erneut Gestalt annahm: In einer weltweiten Spendenaktion wurden über 115 Mio. Euro gesammelt und am 30. Oktober 2005, 11 Jahre nach Grundsteinlegung, konnte die Frauenkirche erneut geweiht werden. Baugesetzlich gilt sie zwar als Neubau, aber es konnten immerhin über 3500 alte Trümmerstücke lokalisiert und wieder eingesetzt werden.

[] Köbes, der

Kellner (mit besonderer Berufskleidung) in einem altkölnischen Bierlokal

Niemand weiß so ganz genau, wie und warum aus Kölner Brauhauswirten „Köbes“ wurden. Das Rheinische Wörterbuch gibt mögliche Hinweise: Es definiert Köbes u. a. wie folgt: 1. Kurzform für „Jakob“, 2. übertragen: „vierschrötiger, eigensinniger Mensch“. Tatsächlich ranken sich Ursprungslegenden um beide Lesarten: Waren die Köbes Rückkehrende vom Jakobsweg, die, angestellt in Wirtshäusern, von ihren abenteuerlichen Reisen erzählen sollten? Oder bekamen die traditionell dickköpfigen, zum Kellnern eigentlich zu stolzen Brauknechte ob eben jener Eigenschaften diesen Namen?

[] Interview, das

für die Publikation bestimmtes Gespräch zwischen einer (meist bekannten) Persönlichkeit und einem Reporter, bei dem Fragen des Reporters beantwortet werden

Dieses Interview, das am 28. Oktober 1908 im Daily Telegraph erschien, hätte den deutschen Kaiser Wilhelm II. fast den Thron gekostet. Was Wilhelm in diesem Gespräch von sich gab, war eine Mischung aus skurrilen Ausrufen („Ihr Engländer seid verdreht wie Märzhasen!“), Halbwahrheiten (Bündnisse gegen England habe er nicht unterstützt) und haltlosen Prahlereien (nur sein Schlachtplan habe zum Sieg der Engländer im Burenkrieg geführt). Die Tiraden ließen die Bürger in Deutschland einmal mehr an der Eignung des Monarchen zweifeln; zurücktreten musste jedoch am Ende nur der Reichskanzler.

[] Geigenvirtuose, der

Virtuose im Geigenspiel

„Vielleicht hätte Goethes Mephisto die Violine so gespielt.“ mutmaßte ein bedeutender Berliner Musikkritiker. Goethe konterte, Mephistopheles sei dafür eine zu negative Figur. Das Dämonische aber, das sich in Künstlern in der Tat oft positiv äußere, zeige sich in Niccolò Paganini in ganz besonderer Weise. Der genuesische Teufelsgeiger und Komponist hatte zu diesem Zeitpunkt mit seinem düsteren Äußeren, mit seiner ungewöhnlichen Spieltechnik und der daraus erwachsenden „verhexten“ Virtuosität bereits die Bühnen Europas im Sturm erobert. Am 27. Oktober 1782 kam er zur Welt.

[] Neutralität, die

ständige Neutralität: völkerrechtlich festgelegter Status eines Staates, der sich dazu verpflichtet hat, an keinem Krieg teilzunehmen (…)

„Insel der Seligen“ (Papst Paul VI.), „Musterbeispiel friedlicher Koexistenz“ (Chruschtschow) – beide Zitate aus der Zeit des Kalten Krieges verweisen auf die erstaunliche Entwicklung Österreichs in der Nachkriegszeit. Das nach 1945 von den Alliierten besetzte Land wurde – wie in Graham Greens „Drittem Mann“ anschaulich geschildert – Schauplatz erbitterter, von politischer Einflussnahme begleiteter Auseinandersetzungen. 1955 schließlich die Wende: Mit sowjetischer Zustimmung erklärte sich Österreich neutral. Der „Neutralitätstag“ am 26. Oktober ist seit 1965 nationaler Feiertag.

[] anfeuern, Vb.

jmdn., etw. anspornen

„We few, we happy few, we band of brothers“: König Heinrich V. ruft sein kläglich dezimiertes Heer zur Schlacht gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Franzosen und verbrüdert sich überaus nobel auch mit den einfachen Soldaten. Zumindest tut er dies in Shakespeares dramatischer Bearbeitung der Schlacht von Azincourt, die sich real am 25. Oktober 1415 ereignete und die unerwartet zugunsten der Engländer ausging. Shakespeares berühmte St. Crispins-Tag-Rede schaffte es ins kulturelle Gedächtnis der Briten – und wurde immer wieder von Politikern für eigene Zwecke ge- oder missbraucht.

[] Ausnahmemensch, der

Mensch mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, besonderen Lebensgewohnheiten

Er erschloss der Menschheit die Welt des Mikrokosmos, doch blieben seine Erkenntnisse ungenutzt. Dem am 24. Oktober 1632 in Delft geborenen Antoni van Leeuwenhoek gelang mit seinen selbstgebauten Mikroskopen Erstaunliches: Als erster Mensch sah und beschrieb er Protozoen, Spermien, selbst Bakterien in ihren vielfältigen Formen. Eine Fortsetzung seiner Forschungen blieb der Wissenschaft jedoch verwehrt, denn das Geheimnis seiner Konstruktionen nahm der leidenschaftliche Naturforscher mit ins Grab. Erst 200 Jahre später gelang es wieder, Mikroskope in gleicher Stärke zu bauen.

[] Freundschaft, die

Verhältnis zwischen Menschen oder zwischen menschlichen Gemeinschaften, das auf gegenseitiger Neigung und auf gegenseitigem Vertrauen beruht

Drei Romanfragmente und zahlreiche Erzählungen bilden das Werk Franz Kafkas, die Fachliteratur über ihn füllt ganze Bibliotheken. Möglicherweise hätte es nichts davon gegeben, wäre es nicht am 23. Oktober 1902 in der Prager Lese- und Redehalle der deutschen Studenten zum Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Kafka und Max Brod gekommen. Brod wurde zum Mentor, der den Zweifelnden stets ermutigte und in seinem Schreiben bestärkte. Und er rettete seinen literarischen Nachlass für die Nachwelt – entgegen Kafkas letztem Willen.

[] Durchbruch, der

1. das Durchbrechen, die gewaltsame Überwindung eines Hindernisses; 2. Stelle, wo etw. durch etw. durchgebrochen ist

Es war zwar beileibe nicht der einzige Unfall dieser Art, bei dem ein Kopfbahnhof eine Rolle spielte, mit Sicherheit aber der bekannteste: Am 22. Oktober 1895 überfuhr ein zu schnell einfahrender Zug nach Bremsversagen den Prellbock und durchbrach die Außenwand des Pariser Gare Montparnasse (wobei leider eine Passantin ums Leben kam). Das Foto mit der fast vertikal auf den tiefer gelegenen Bürgersteig gestürzten Lokomotive ging um die Welt und wurde (ähnlich wie die Titanic) zum Symbol für den Geschwindigkeitsrausch und die Hybris des Technikzeitalters.

[] Zufallsfund, der

zufällig gemachter Fund

„Heit haw ich de Adam g'funne!“ Und tatsächlich: Der fossile Unterkiefer, den der Sandgräber Daniel Hartmann am 21. Oktober 1907 in einer Grube südlich von Heidelberg auf seiner Schippe hatte, war alt, sehr alt. Und er gab Rätsel auf. Die Parabelform des Kieferbogens entsprach der des modernen Menschen, doch seine mächtige Größe und das fliehende Kinn wiesen auf eine urtümliche Menschenart hin. Der Paläontologe Otto Schoetensack (1850-1912), der ihn zuerst beschrieb, ging korrekt von einem Vorläufer des Neandertalers aus und taufte ihn „Homo heidelbergensis“.

[] legendär, Adj.

nach Art der Legende; die Merkmale einer Legende aufweisend; erstaunlich, unwahrscheinlich, unglaublich; zu einer Legende geworden

Alles an ihm ist legendär und nur sehr wenig historisch gesichert: War er ein Schlägertyp aus Wismar oder ein Danziger Kaufmann in Fehde mit der Hanse? War sein Name wirklich Störtebeker oder erhielt er ihn in Anerkennung seiner Fähigkeit, vier Liter Bier in einem Zug auszutrinken (Niederdeutsch: „Stürz den Becher“)? Und wurde der den Hansekoggen stets entwischende Seefahrer und Pirat wirklich am 20. Oktober 1401 im Hamburger Hafen enthauptet? Gewiss ist wenig. Aber eins ist unumstritten: Für Literatur, Kunst und Folklore bleibt der berüchtigte Freibeuter einfach unsterblich.

[] Schallplatte, die

runde Scheibe aus Kunststoff mit einer spiralförmigen Rille, die die akustische Aufzeichnung enthält

Heute vor sechzig Jahren kam es zu einem Novum im deutschen Amüsierbetrieb: Erstmals spielte im Aachener Tanzlokal »Scotch-Club« keine Live-Band, sondern die Musik kam von Schallplatten. Bei dem Publikum des Abends fiel diese Art der Darbietung erst einmal durch. Doch als der anwesende Reporter Klaus Quirini spontan das Auflegen und lockere Ansagen der Platten übernahm, zündete das Format doch, und Westdeutschland hatte seinen ersten DJ und seine erste Diskothek. In dem Club sollten später Udo Jürgens und Peter Maffay ihre Karrieren beginnen.

[] göttlich, Adj.

von Gott kommend

C/1618 W1 erregte die Gemüter, sein langer Schweif und die helle Farbe wirkten gleichsam imponierend und angsteinflößend, und so hielten die einen den Kometen für einen Vorboten göttlichen Unglücks, die anderen für ein wissenschaftlich beschreibbares kosmisches Phänomen. Ein Kolloquium in Ulm, das am 18. Oktober 1619 einberufen wurde und an dem unter anderem René Descartes teilnahm, sollte Klärung bringen – nicht gerade mit schlagendem Erfolg. Man ging in gegenseitigem Respekt „als christliche Brüder“, jedoch offenbar weiterhin uneins auseinander.

[] Expedition, die

Forschungsreise (in unbekannte Gebiete)

Alexandrine Tinné: Sie war die reichste Erbin der Niederlande und genoss somit ungewöhnliche Freiheiten. Ihren Kindheitstraum konnte sie sich daher schon früh erfüllen: eine Expedition zu den Quellen des Nils. 26-jährig machte sie sich luxuriös ausgestattet auf den Weg, erkundete den noch weitgehend unbekannten Kongo, beobachtete Tiere und Pflanzen, notierte, was sie sah, und befreite immer wieder Sklaven von ihren geldgierigen Händlern. Sie war sogar die erste Europäerin, die versuchte, die Sahara zu durchqueren. Am 17. Oktober 1835 kam sie in Den Haag zur Welt.

[] Narkose, die

besonders bei einer Operation angewandte vorübergehende allgemeine Betäubung mit Ausschaltung des Bewusstseins, der Schmerzempfindung und der Bewegung, die durch Zufuhr von Narkotika bewirkt wird

Operiert wurde, wie Knochenfunde zeigen, seit der Steinzeit. Die Römer entwickelten Operationsbesteck, im Mittelalter wurden Gallensteine entfernt und unter den Bedingungen moderner Kriege wurde tausendfach amputiert. Das Hauptproblem bei diesen Eingriffen blieb stets gleich: Die Patienten erlitten entsetzliche Schmerzen. In ihrer Not griffen die Ärzte zu Giften wie Schierling oder Tollkirsche. Erst im 19. Jh. gelang der Durchbruch: Am 16. Oktober 1846 führte der amerikanische Zahnarzt William T. G. Morton erstmals öffentlich eine Operation unter Vollnarkose mit Äther durch.

[] Trümmer, nur im Plural

Bruchstücke, Überreste eines zerstörten größeren Ganzen, besonders von Gebäuden, Flugzeugen, Schiffen, Eisenbahnzügen

Es war ein Bruch mit der Vergangenheit: Während die nationalsozialistische Propaganda noch mit seichten Komödien vom Krieg abgelenkt hatte, zeigte der Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ die bittere Realität der „Stunde Null“ mit ihren Trümmerlandschaften und der massenhaften Armut. Zugleich zwang er den Zuschauer über die Figur des Massenmörders und Kriegsgewinnlers Ferdinand Brückner zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nazizeit. Am 15. Oktober 1946 hatte das oft als „Trümmerfilm“ abgewertete Werk im sowjetischen Sektor Berlins, im Admiralspalast, Premiere.

[] poetisch, Adj.

dichterisch, stimmungsvoll

Seine Lyrik ist ebenso schwer zu verorten wie er selbst: Er lebte abwechselnd in New York und Paris, bereiste verschiedene Kontinente, machte wegweisende Bekanntschaften, so beispielsweise mit Gertrude Stein oder Pablo Picasso, und ließ sich von der Romantik ebenso beeinflussen wie von der europäischen Avantgarde und vom amerikanischen Blues. Seine Lyrik mäandert entsprechend zwischen Tradition und Moderne. Ein Markenzeichen verbindet aber alle seine Gedichte: die höchst poetische, affektreiche Missachtung syntaktischer Standards. Am 14. Oktober 1894 kam E.E. Cummings zur Welt.

[] Browser, der

Software, mit der andere Rechner im Web angesteuert, Daten, Programme und Mediendateien von diesen Rechnern heruntergeladen, Verknüpfungen rechnerübergreifend verfolgt und die heruntergeladenen Daten angezeigt oder abgespielt werden können

Für die Geschichte des Internets war der 13. Oktober 1994 ein wichtiger Meilenstein, denn mit der Veröffentlichung des grafikfähigen Browsers Netscape Navigator, als kostenloses Programm millionenfach an Privatpersonen ausgegeben, wurde das Internet endgültig massentauglich. Nun konnte jedermann das bislang eher Universitäten vorbehaltene Internet „sehen“ und unkompliziert durchs Netz navigieren. Ein Erfolg, dem keine Dauer beschieden war. Im sogenannten Browserkrieg gegen den Explorer von Microsoft verlor Netscape stetig Marktanteile, bis 2008 die endgültig letzte Version erschien.

[] Ermittler, der

jemand, der polizeiliche Untersuchungen bei Verdacht einer Straftat anstellt; jmd., der Nachforschungen zu einem bestimmten Sachverhalt tätigt

Ein normaler Detektiv wäre längst in Rente, doch diese drei Privatermittler sind ewig jung geblieben und seit Jahrzehnten im Geschäft. Noch immer leben sie in einer amerikanischen Kleinstadt, noch immer lüften sie mysteriöse Geheimnisse oder legen Bösewichten das Handwerk. Was 1964 als Buchserie mit dem Reihentitel „Die drei ??? und ...“ begann, fand seine Fortsetzung in einer Hörspielserie, deren deutschsprachiger Ableger mit über 200 „Fällen“ und insgesamt 50 Millionen verkauften Tonträgern alle Erwartungen übertraf. Heute vor 40 Jahren startete das Erfolgsprojekt mit „Die drei ??? und der Superpapagei“.

[] Solidarität, die

auf das Wissen um gemeinsame Interessen und Ziele oder das Zusammengehörigkeitsgefühl sich gründendes Zusammenhalten von Personen oder Personengruppen und ihr Eintreten füreinander sowie die darauf beruhende gegenseitige Unterstützung

In immer mehr Städten Deutschlands versammeln sich Menschen vor Synagogen zu Mahnwachen und gedenken der Opfer des Anschlags in Halle. Sie bekunden Solidarität mit einer Religionsgemeinschaft, die über Jahrhunderte ausgegrenzt worden ist und sich wieder zunehmend antisemitischen und rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sieht. Und sie stehen offen zu einer Kernerfahrung der letzten sieben Jahrzehnte: Zusammenhalt, offenes und solidarisches Zusammenleben und positive Neugier führen zu Sicherheit, kultureller Vielfalt und sind Bausteine für ein friedliches Zusammenleben.

[] Komplott, das

Verschwörung, Verabredung zu einer gemeinsamen, meist schlechten Handlung

War es Mord oder doch nur eine Krankheit? Für die antike römische Öffentlichkeit war der Fall klar: Nero Claudius Germanicus, der beliebte General, war vergiftet worden – und zwar im Auftrag des Kaisers Tiberius. Germanicus selbst hatte zuvor berichtet, im Haus des syrischen Statthalters Piso auf schwarze Magie gestoßen zu sein: Er fand seinen Namen „Germanicus“ in Fluchtafeln eingeritzt. Kurz danach, am 10. Oktober vor 2000 Jahren, starb er. Piso wurde als Verschwörer angeklagt, Tiberius, den viele für den eigentlichen Drahtzieher hielten, blieb ungeschoren.

[] Antiheld, der

Hauptfigur, die als Gegenentwurf zum traditionellen, aktiv handelnden, positiven Helden oft passive, resignative, mutlose Züge trägt, aber sich trotz dieser Schwächen auch unter ihren (ungünstigen, widrigen) Lebensumständen (oft auf tragikomische Weise) bewähren kann und die Sympathie des Rezipienten gewinnt

„Dans ma pipe je brûlerai/Mes souvenirs d'enfance/Mes rêves inachevés/Mes restes d'espérance“ (In meiner letzten Pfeife werde ich/all meine Kindheitserinnerungen/meine unerreichten Träume/meine letzten Hoffnungen verbrennen). Wie Liebe ist das Sterben ein zentrales Themen in den Liedern Jacques Brels. Um den erfolgreichen belgischen Chansonnier wurde schon zu Lebzeiten ein Mythos gesponnen: Außenseiter, Nonkonformist, Misanthrop; man bewunderte ihn als tragischen Antihelden. Sein Leben endete ebenso tragisch: Die „letzte Pfeife“ rauchte er im Alter von nur 49 Jahren, am 9. Oktober 1978.

[] Herzschrittmacher, der

(in den Körper implantiertes) durch Batterien betriebenes Gerät, das bei schweren Störungen der Herztätigkeit die elektrischen Impulse zur periodischen Reizung der Herzmuskulatur liefert

Bradykardie, das dauerhaft zu langsame Schlagen des Herzens, ist eine verbreitete, lebensgefährliche Krankheit. Nach Vorversuchen mit Geräten, die bei akuten Zuständen das Herz durch Stromimpulse wieder in Takt bringen sollten, kam am 8.Oktober 1958 der erste dauerhaft implantierbare Herzschrittmacher in Schweden zum Einsatz. Hatten die Pioniere selbst auch nicht an den Erfolg dieser Technik geglaubt, entpuppte sie sich als Erfolgsmodell. Heutzutage werden weltweit jedes Jahr viele Hunderttausend der kleinen Lebensretter implantiert.

[] Teilung, die

Trennung, Gliederung einer Sache in mehrere Teile, einer Anzahl von Menschen in Gruppen

Vor 70 Jahren wurde durch Zusammentreten der verfassungsgebenden „Provisorischen Volkskammer“ die DDR gegründet. Wenige Monate nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland war damit die Trennung in zwei deutsche Staaten endgültig vollzogen, nachdem sich Westen und Ostblock im beginnenden Kalten Krieg nicht auf eine gesamtdeutsche Lösung einigen konnten. Der „Tag der Republik“ wurde jedes Jahr mit einer Parade der Nationalen Volksarmee begangen, zuletzt 1989. Da war bereits das Volk auf den Straßen, um schließlich der Teilung ein Ende setzen.

[] Erdkugel, die

die Erde als kugelförmiger Planet

Der erste bekannte Globus, den der heute vor 560 Jahren geborene Kaufmann Martin Behaim 1493 dem Nürnberger Rat präsentierte, vermittelt einen faszinierenden Blick auf das mittelalterliche geografische Weltbild mit seiner eigentümlichen Melange aus altem und neuem Wissen. Im Wesentlichen basierte jener „Erdapfel“ auf dem Kartenwerk des Ptolemäus (2. Jh. n. Chr.), es flossen aber auch Erkenntnisse zeitgenössischer Kartografen ein. Aktuell war er nicht mehr: Bereits im Jahr zuvor hatte Kolumbus Amerika genau dort entdeckt, wo sich auf Behaims Globus nur eine Wasserwüste fand.

[] universell, Adj.

alles umfassend, weltumspannend, allgemein; (schöpferisch) vielseitig, die verschiedensten Fachgebiete umfassend

Sie war die erste moderne universelle Enzyklopädie mit dem Anspruch, die nachfolgenden Generationen „nicht nur gebildeter, sondern zugleich tugendhafter und glücklicher“ zu machen. Zwischen 1751 und 1780 arbeiteten 142 Personen sorgfältig und methodisch überlegt an dem Mammutwerk, das aus 35 Bänden besteht und neben der Wissenschaft und der Kunst auch Handwerk und Technik beschreibt. Der geistige Kopf dieses Unterfangens war niemand anderes als der Belletrist, Übersetzer und Philosoph Denis Diderot, der heute vor 306 Jahren zur Welt kam.

[] inspirieren, Vb.

jmdn. zu etw. geistig anregen, anspornen, begeistern

Er habe sich geweigert, seinen „berühmten Pinsel den Regeln zu unterstellen“, ungebildet sei er gewesen und nicht sehr charakterstark. Nach Rembrandts Tod am 4. Oktober 1669 meldeten sich einige Kritiker zu Wort. Dabei war der Künstler auch schon zu Lebzeiten höchst erfolgreich und geachtet, verkaufte seine Gemälde an Königshäuser und bildete in seiner Werkstatt rund 50 Schüler aus, die, obwohl sie weder Kost noch Logis erhielten, über Jahre bei ihm blieben und für ihn arbeiteten. Seine Malerei im Besonderen inspirierte auch in den folgenden Jahrhunderten viele Künstlerkollegen, so Delacroix, van Gogh und Picasso.

[] Einheit, die

die ein Ganzes bildende Verbundenheit, Unteilbarkeit, Ganzheit

Das Wort „Einheit“ taucht zuerst im 15. Jh. als eine der vielen Möglichkeiten auf, das lateinische „ūnitās“ zu übersetzen. Von Anfang an besitzt es annähernd die heutigen Hauptbedeutungen, „das Einssein“ (als Einheitlichkeit, geschlossenes Ganzes usw.) und „die Einzelgröße, das Element“ (z.B. in den Naturwissenschaften). Zunächst auf die theologisch-philosophische und mathematisch-technische Literatur beschränkt, orientiert sich seine Verwendung seit dem 18. Jh. stärker am Vorbild des französischen „unité“. Auf der heute dominierenden Bedeutung (wie oben nachzulesen), sie ist seit etwa dem 17. Jh. zu erkennen, basiert auch der Begriff „Tag der deutschen Einheit“.

[] horribel, Adj.

veraltet: schauderhaft, entsetzlich

Vordergründig dreht sich alles um die Liebe, um Schein und Sein. Und doch spielt in dem barocken Lustspiel „Horribilicribrifax“ die Sprache die Hauptrolle. Personen wie der eingebildete Schulmeister oder zwei Hauptleute überbieten sich in ihren Streitreden mit lateinischen und griechischen Zitaten, werfen mit falsch gewählten Fremdwörtern nur so um sich. Die gestiftete Sprachverwirrung dient nicht nur der Komik: Die „defekte Sprache“ sollte beim Hörer den Wunsch nach „Puritas“, nach einem reinen Deutsch wecken. Der Autor Andreas Gryphius wurde heute vor 403 Jahren geboren.

[] pünktlich, Adj.

zur festgesetzten, verabredeten Zeit, auf die Minute genau

„Pünktlichkeit“ und „Bahn“ gehen in Europa nicht immer Hand in Hand. Außer man spricht von der „Konkurrenz“, und da ist der japanische Shinkansen (eigentlich die Bezeichnung des Streckennetzes, nicht der zahlreichen Zug-Versionen) uneinholbares Vorbild. Er trumpft mit hoher Reisegeschwindigkeit und Verspätungen nur im Sekundenbereich. Der Branchenprimus hat allerdings auch einen großen Vorteil: Er muss sich seine Gleise nicht mit Nah- oder Güterverkehr teilen. Am 1. Oktober 1964 wurde der erste Abschnitt des nun über 2300 km langen Netzes eröffnet.

[] Intrige, die

heimliche, hinterlistige Machenschaften, durch die man sein Ziel zu erreichen sucht, Ränkespiel

Schon der junge Ludwig XIV. war Meister im politischen Ränkespiel: Als am 30. September 1661 der neue schwedische Botschafter in London einzog, wies der 22-Jährige seine Diplomaten an, einen Eklat anzuzetteln: Sie sollten sich an die Spitze des Begleitzuges setzen – und zwar vor die spanische Delegation, die diesen Platz für sich beanspruchte. Schüsse fielen, es gab Tote. Zwar blieben die Spanier in diesem „Kutschenstreit“ Sieger, doch Ludwig nutzte den Skandal, um die militärisch geschwächte Großmacht unter Druck zu setzen. Sie musste seine Dominanz am Ende anerkennen.

[] Dunkel, das

Dunkelheit; Undurchsichtigkeit, Geheimnis

Er war ein Ausnahmetalent, bewundert und gehasst, arbeitete für Fürsten und kirchliche Würdenträger, erlangte ihr Protektorat. Vielleicht nicht ganz unparteiische Quellen beschreiben ihn als promisk und unberechenbar – um die Künstlerperson Michelangelo Merisi da Caravaggio wurde ein dunkler Mythos gewebt. Licht und Dunkelheit prägen aber nicht nur sein Leben, sie charakterisieren auch sein Werk: Er gilt als Meister des dramatischen Chiaroscuro, der Helldunkelmalerei, des Spiels mit Licht, Schatten und Räumen. Am 29. September 1571 kam er in Mailand zur Welt.

[] optimistisch, Adj.

von zuversichtlicher und bejahender Lebensauffassung

Er muss eine sehr vorausschauende Persönlichkeit gewesen sein. Der (vermutlich) am 28. September 1725 geborene Arthur Guinness pachtete, nachdem er sich einige Jahre zuvor als Bierbrauer selbständig gemacht hatte, direkt in der irischen Hauptstadt Dublin eine Brauerei. Das dunkle, obergärige „Dry Stout“, das er hier kreierte, sollte ihn weit über die Grenzen Irlands hinaus berühmt machen. Dass der umtriebige Bierbrauer von Anfang an große Pläne verfolgt hatte, beweist der Pachtvertrag, den er unterschrieb: Er war auf 9000 Jahre angelegt und endet am 31. Dezember 10759.

[] märchenhaft, Adj.

in der Art des Märchens, wunderbar und phantastisch wie im Märchen

Ihre vermeintliche Großmutter ist eine Hexe, sie eine schöne Gänsemagd. Im Wald begegnet sie dem Königssohn. Beide verlieben sich, doch wegen des Banns der betrügerischen Zauberin kann sie ihm nicht folgen. Der König stirbt, das Land ist ohne Herrscher, die Magd kann sich befreien, sucht und findet ihren Geliebten. Dieser wird jedoch vom Volk nicht als Thronfolger erkannt, das Paar wird verlacht und verjagt. Sie fliehen in den Wald und sterben dort in Liebe vereint. Heute vor 98 Jahren starb auch der Schöpfer dieser verkannten Oper „Königskinder“, Engelbert Humperdinck.

[] Vielfalt, die

Verschiedenartigkeit, Mannigfaltigkeit

Heute wird der „Europäische Tag der Sprachen“ volljährig. Initiiert 2001 durch den Europarat soll er uns an den Schatz erinnern, den die Vielfalt unserer Sprachen und der darin ausgedrückten Kulturen bedeutet. Dies gilt nicht nur für die 24 Amtssprachen der EU, sondern auch für die vielen Dutzend anderer Sprachen des Kontinents und die tausenden Sprachen der Welt. Als Projekt, das sich die Darstellung und den Erhalt der deutschen Sprache zur Aufgabe macht, sind wir an diesem Tag natürlich auch aktiv und laden Sie ein, einfach einmal durch unser Wörterbuch zu blättern.

[] abstrakt, Adj.

losgelöst von der Gegenständlichkeit, begrifflich, unanschaulich

Er nannte sie „self-contained units of human expression“ (in sich geschlossene Einheiten menschlichen Ausdrucks). Die großen, unklar abgegrenzten, bisweilen ineinander übergehenden Farbflächen auf meist riesigen Leinwänden, die sein Spätwerk charakterisieren, wurden zum Markenzeichen für Mark Rothko. Begeisterte Kritiker tauften sie „Multiforms“, er selbst nutzte diesen Begriff nie. Der Amerikaner, der am 25. September 1903 in Russland zur Welt kam, war über seinen Erfolg nur bedingt glücklich: Er wollte nicht, dass seine Kunst modisch ist, er wollte, dass sie verstanden wird.

[] Skaldendichtung, die

kunstvolle, nach strengen metrischen Gesetzen abgefasste, nordgermanische, besonders an Höfen vorgetragene Dichtung des 9. bis 14. Jahrhunderts, die vor allem Preislieder auf Fürsten, bäuerliche Helden, auf Heilige oder auf historische Ereignisse umfasst

„Hér skal heyra, hvé skáldin hafa kennt skáldskapinn eftir þessum heitum, er áðr eru rituð“ – „Hier kann man hören, wie die Skalden das Dichten mit diesen Stilmitteln, die aus alten Zeiten überliefert sind, gelehrt haben.“ Diese Worte stammen aus der Snorra-Edda, einer isländischen Poetik des Dichters Snorri Sturluson, der im September 1241 verstarb. Sie sprechen von den Kenningar, den für die altnordische Dichtung typischen, der Metapher ähnlichen Vergleichen. Sein Handbuch der Skaldendichtung lehrt nicht nur isländische Verskunst, es ist zudem ein Hort altnordischer Mythologie.

[] Idyll, das

Bild, Bereich eines friedlichen, einfachen, beschaulichen, meist ländlichen Lebenszustandes

Ironie und Idylle, Humor und Beschaulichkeit halten sich in den Bildern Carl Spitzwegs stets die Waage. Seine Bilder zeichnen eine Welt der engen, verwinkelten Städtchen, der beschaulichen Landschaften, zugleich eine Welt, in der schrullige Bücherwürmer und Kakteenliebhaber ihren Steckenpferdchen nachgehen. Politisches fehlt fast völlig, weshalb er oft als der Maler des Biedermeier verkannt wird. Spitzweg selbst war jedoch kein weltfremder Künstler. Der studierte Apotheker war ein cleverer Geschäftsmann, der erfolgreich mit Währungen spekulierte. Er starb heute vor 134 Jahren.

[] Umzug, der

das Umziehen in eine andere Wohnung, Wohnungswechsel, Übersiedelung

Jeder zieht mal um – Studenten, Haustiere, Lexikographen und manchmal sogar Tempel. Die beiden Tempel beim südägyptischen Abu Simbel waren im 13. Jh. v. Chr. für Pharao Ramses II. und seine Frau Nefertari als Verbindungsstelle zwischen Götter- und Menschenwelt und so als himmlische Legitimation weltlicher Macht errichtet worden. Sie mussten in der Neuzeit aufwändig gut 60 Meter höher versetzt werden, um nicht in den Fluten des neu aufgestauten Nassersees zu versinken. Am 22. September 1968 wurde der letzte Block dieser beeindruckenden Anlage an seinen neuen Ort verbracht.

[] Backpulver, das

pulverförmiges Treibmittel für den Teig

Ob Sauer- oder Hefeteig, beim Backen ist das Grundprinzip seit Jahrtausenden unverändert geblieben: Bakterien bzw. Pilze produzieren als kleine Helferlein CO₂, das den Teig aufgehen lässt. Ein Prozess, der freilich seine Zeit braucht. Und so verfolgten seit dem 19. Jh. Chemiker unabhängig voneinander die Idee, chemisch gebundenes CO₂ in den Teig zu geben. Durchschlagenden kommerziellen Erfolg hatte allerdings nur August Oetker. Sein Kniff: Er verkaufte sein Backtriebmittel portionsweise in kleinen Tütchen. Heute vor 116 Jahren meldete Oetker sein Backpulver zum Patent an.

[] Natur, die

alle außerhalb und unabhängig vom Bewusstsein existierenden Dinge und Erscheinungen, die nicht durch die Tätigkeit des Menschen geschaffen wurden; (unberührte) Landschaft mit ihrer Pflanzenwelt und Tierwelt

„Die Natur muss gefühlt werden“ schrieb Alexander von Humboldt und tat genau dies während seiner Forschungsreisen: Er „fühlte“ (in Form zahlreicher Experimente), dokumentierte die Ergebnisse und fasste sie für die Nachwelt zusammen. Am heutigen Humboldt-Tag wird das Leben und Werk eines Ausnahmewissenschaftlers gefeiert, der die Erforschung der Natur nicht nur für Gleichgesinnte betrieb, sondern sie popularisierte, für Laien zugänglich machte. Er setzte damit ein Zeichen, das auch viele der Menschen anerkennen, die heute in über 2000 Städten weltweit für den Klimaschutz auf die Straße gehen.

[] kupfern, Adj.

aus Kupfer; von der Farbe des Kupfers, kupferfarben

Er ist ein, wenn auch trauriger, Sensationsfund: Ötzi wurde heute vor 28 Jahren genau an der Stelle entdeckt, wo er vor etwa 5300 Jahren gerade satt geworden ist, wo er angeschossen, frostgetrocknet und mumifiziert wurde. Die Pfeilspitze im Rücken lässt Tragisches vermuten. Für die Wissenschaft heute ist der kupferzeitliche, mit kupfernem Beil bewaffnete und mittlerweile kupferfarbene Ötzi aber ein Schatz zahlreicher neuer Erkenntnisse: Ob Herkunft, Garderobe, Speiseplan oder Krankenakte, dieser Mann im Eis hat viel über sich preisgegeben – und über die Zeit, in der er lebte.

[] rotieren, Vb.

sich im Kreis (um etw. oder um die eigene Achse) drehen

Es war nicht der erste Nachweis der Erdrotation, aber sicher der spektakulärste: Der Autodidakt León Foucault, heute vor 200 Jahren geboren, hatte zunächst in seinem Keller experimentiert, nun hängte er ein 67 Meter langes Pendel im Pariser Panthéon auf und ließ es schwingen. Eine Spitze am Gewicht zeichnete die Bewegung in ein Sandbett. Was zeigte sich? Keine gerade Linie, sondern eine sich langsam auffächernde, engmaschige Rosette. Auf das Pendel selbst aber wirkten keinerlei Kräfte ein. Es musste also der Boden selbst sein, der sich unter ihm bewegte.

[] Gewerkschaft, die

Vereinigung von Arbeitern oder Angestellten (einer bestimmten Berufsgruppe) zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen oder sozialen Interessen

„Za naszą i waszą wolność“ – „Für unsere und eure Freiheit“. Der Kampf gegen eine unterdrückende Obrigkeit, ob Besatzer oder ein eigenes autoritäres Regime, hat in Polen eine lange Tradition. Und so verwundert es nicht, dass mit der Gründung der Solidarność (Solidarität), der ersten unabhängigen Gewerkschaft in einem realsozialistischen Land, am 17. September 1980 genau dort in unserem östlichen Nachbarland der erste Dominostein fiel, der innerhalb von zehn Jahren zur Erosion des Ostblocks führte und auch die Wiedervereinigung Deutschlands als freies Land ermöglichte.

[] Entwicklung, die

Reifeprozess des Menschen; Bildung, Entstehung

Als Jean Piaget am 16. September 1980 starb, verlor die Welt einen Pionier der Entwicklungsforschung und einen innovativen Erkenntnistheoretiker. Der Genfer, der schon als Kind wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichte, erforschte die kognitiven Fähigkeiten von Säuglingen und Kleinkindern – wie sie sich z. B. Raumkonzepte aneignen – und schuf so nicht nur die Grundlagen einer wissenschaftlich fundierten Entwicklungsforschung, sondern übertrug die Empirie auch auf die Erkenntnisforschung als solche, indem er die Erkenntnis biologisch als aus der Wechselwirkung mit der Umwelt entstanden zu erklären suchte.

[] Zusammenbruch, der

durch äußere, innere Einwirkungen bewirktes plötzliches Ende, Aufhören der Existenz, Ruin

Es war das Symbol der Finanzkrise von 2008: Tausende entlassene Banker, in der linken Hand den Pappkarton mit ihren persönlichen Habseligkeiten, in der rechten den „pink slip“, den rosafarbenen Entlassungsbescheid. Die Ursachen der Krise waren komplex: Auslöser waren faule Hypothekenkredite, die zu Wertpapieren gebündelt als lohnendes Investment auf den Finanzmärkten platziert worden waren. Der tiefere Grund lag jedoch in den ungleichen Vermögensverhältnissen in den USA, die einen gewissen Lebensstandard nur noch über Kredite zuließen. Heute vor elf Jahren meldete die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an und erklärte somit ihren Zusammenbruch.

[] Zusammenhang, der

wechselseitige Beziehung, Verbindung zwischen Dingen oder Sachverhalten

Der preußische König soll – einer Anekdote zufolge – den jungen Alexander von Humboldt gefragt haben, ob er denn wie sein (Vor-)Namensvetter die Welt erobern wolle. Dessen Antwort: „Ja, Sire, aber mit dem Kopf!“ Dies ist ihm mit Sicherheit gelungen. Er erkannte als erster die Zusammenhänge zwischen Beschaffenheit der Erde, Klima, Flora und Fauna. Und wer seine spannenden Vorträge nachliest, in denen er zwischen Physik, Astronomie, Biologie und Geografie einen Bogen spannt, meint, einem Zeitalter beim Denken zuhören zu können. Heute vor 250 Jahren war sein Geburtstag.

[] Wunderkind, das

Kind, das für sein Alter ungewöhnlich begabt ist und Ungewöhnliches leistet

Fünf Jahre nach ihrer Geburt am 13. September 1819 begann ihre Ausbildung zum Wunderkind, mit neun Jahren konzertierte sie vor großer Öffentlichkeit, mit elf Jahren komponierte sie eigene Werke. Ihr strenger Vater trainierte jeden ihrer Griffe, schrieb ihr Tagebuch, kontrollierte jeden Schritt. Um ihren Verlobten Robert Schumann heiraten zu können, musste Clara Wieck durchbrennen. Ihrer Karriere tat dies zunächst keinen Abbruch, als Clara Schumann spielte sie erfolgreich Tourneen. Ihre Rolle als Ehefrau und Mutter drängte sie jedoch zunehmend hinter die Kulissen.

[] Staatsoberhaupt, das

jmd., der an der Spitze des Staates steht und ihn nach innen und außen repräsentiert

Er hat politisch wenig mitzureden, seiner Wahl geht häufig ein Parteiengeschacher voraus. Und doch genießt der Bundespräsident allgemein hohes Ansehen. Das ist sicher auch ihm zu verdanken: Theodor Heuss (1884–1963), der am 12. September 1949 zum Staatsoberhaupt gewählt wurde, war ein politisches Schwergewicht. Dem Publizisten und Politikwissenschaftler, der als FDP-Abgeordneter maßgeblich am Grundgesetz mitgewirkt hatte, gelang es, im In- und Ausland Vertrauen für die junge Republik zu wecken. Und bei der Bevölkerung war der Schwabe mit der sonoren Stimme ausgesprochen beliebt.

[] Fürsorge, die

Sorge um jmdn., jmdn. umsorgende Hilfe, Pflege; historisch: öffentliche Einrichtung zur Hilfe, Betreuung wirtschaftlich, gesundheitlich, sittlich in Not oder Gefahr befindlicher Personen

Schon in der Gründungsurkunde vom 11. September 910 steht: Es sei die Pflicht der Benediktiner in der neuen Abtei Cluny, sich den Armen zu widmen, für sie zu sorgen – vor Ort und im benachbarten Weiler. Dies wurde mit der für Cluny charakteristischen Pflicht des Totengedenkens verknüpft: Jährlich an jedem Todestag eines Mönchs sollte in dessen Namen ein Armer gespeist werden. Eine schöne Geste, jedoch: 250 Jahre nach der Gründung standen bereits 18.000 Verstorbene im Totenbuch – die Abtei konnte sich das nicht mehr leisten; so wurde das Prinzip gezwungenermaßen überdacht.

[] Autorengruppe, die

Vereinigung, Kreis von Autoren, die sich für gemeinsame Ziele einsetzen; mehrere Autoren, die etwas gemeinsam tun

Sie war weder Club noch Verein, sie hatte weder Satzung noch Programm: Die Treffen der „Gruppe 47“ waren unprätentiös, fast schon improvisiert: Die Autoren – darunter Alfred Andersch, Günter Grass, Heinrich Böll, Ilse Aichinger und andere –, die sich im September 1947 auf Einladung Hans Werner Richters zusammenfanden, wollten sich aus der Erfahrung des Krieges heraus von der Vergangenheit absetzen, eine Schule der Demokratie sein. Trotz ihrer lockeren Organisationsform sollte die Gruppe für die Literatur der Bundesrepublik zur einflussreichsten Institution werden.

[] Liedermacher, der

(gesellschaftskritischer) Künstler, der Lieder mit eigenen Texten komponiert, vorträgt und in der Regel mit einem Instrument begleitet

Im Jahr 1963 schlossen sich 14 Künstler, vor allem Dichter und Sänger, zusammen, um eine Bewegung zu gründen, die musikalische Folklore und politisches Engagement vereinen sollte: Die Nueva canción, erst in Argentinien, dann in ganz Lateinamerika, getragen von Liedermachern des Volkes, bewaffnet mit Gitarre und Mikrofon. Unter ihnen Größen wie Mercedes Sosa (Argentinien) und Víctor Jara (Chile). Viele Lieder handelten vom Wunsch nach Frieden und Freiheit und von der Schwere des kolonialen Erbes – der weiten Rezeption in Nordamerika und Europa tat dies jedoch keinen Abbruch.

[] beamen, Vb.

mittels einer entsprechenden Vorrichtung Stoffliches (Gegenstände, Personen o. Ä.) von einem Ort oder Zeitpunkt an einen anderen Ort oder Zeitpunkt befördern, ohne den dazwischen liegenden (Zeit)raum zu durchqueren

Als am 8. September 1966 die erste Folge der Serie Star Trek, „The Man Trap“, in den USA erschien, erblickte auch eine der neben Phasern und Warpantrieb ikonischen Techniken dieses Serienuniversums das Licht der Welt: Während Teleportation schon länger im Phantasy-Bereich bekannt war, erhielt hier das Beamen erstmals eine „wissenschaftliche“ Grundlage – auch wenn wir uns immer noch fragen, wie Heisenberg-Kompensatoren eigentlich funktionieren. Der Grund für dieses Element ist simpel: Serienschöpfer Roddenberry wollte teure und langweilige Shuttle-Landesequenzen einsparen.

[] gleichberechtigt, Adj.

mit gleichen Rechten

„Die Frau hat das Recht, auf das Schafott zu steigen; sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen“: Die berühmten Worte aus der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ von 1791 forderten gleiche Pflichten, gleiche Strafen, aber eben auch gleiche Rechte für die Frau. Die Autorin: Olympe de Gouges, Tochter einer Wäscherin, Theaterautorin, politische Aktivistin. Ihr Engagement brachte ihr 1793 – ohne je gleichberechtigte Bürgerin gewesen zu sein – den Tod auf der Guillotine. Das Frauenwahlrecht wurde in Frankreich erst 151 Jahre später Realität.

[] treffen, Vb.

mit einem Schuss, Wurf, Stoß, Schlag, Stich, Hieb, ein Ziel erreichen

Schon Mark Twain zog die Realität der Literatur vor, da erstere sich nicht nach Wahrscheinlichkeiten zu richten habe. Am 6. September 1951 wurde in Berlin das nach dem Krieg wiederaufgebaute Schillertheater mit einer Aufführung von Wilhelm Tell eröffnet. Zur gleichen Zeit erschoss der amerikanische Schriftsteller William S. Burroughs in Mexiko-Stadt betrunken seine Frau, als er versuchte, die berühmte Apfel-Szene daraus nachzuspielen – was sein Sohn, Augenzeuge des „Unfalls“, später literarisch verarbeitete. In Berlin wurde besser gezielt.

[] Leidensdruck, der

aus einer schwierigen, als ausweglos empfundenen Lebenssituation resultierende seelische Belastung, die bei der darunter leidenden Person die Bereitschaft erzeugt, zur Änderung der Situation aktiv beizutragen

Die Patentschrift Nr. 110888 vom 5. September 1899 legitimierte nicht nur eine höchst nützliche Erfindung, sie entpuppte sich gleichsam als, wenn auch stilles, Medium der Emanzipation. Das darin angemeldete „Frauenleibchen als Brustträger“ machte nämlich schnell Karriere. Es ersetzte eine Funktion des äußerst unbeliebten Korsetts, welches die Frauen so einschnürte, dass sie darin kaum atmen oder sich frei bewegen konnten. Es ist folglich auch kein Wunder, dass dieser erste verstellbare BH von einer Frau, der Dresdnerin Christine Hardt, entwickelt wurde.

[] Freiheit, die

politische Unabhängigkeit im Hinblick auf Staat und Gesellschaft; Unabhängigkeit von äußerer, innerer Unterdrückung; Möglichkeit, Recht, etw. ungehindert tun zu können, sich ungehindert entfalten, betätigen zu können

Es begann 1982 in der Leipziger Nikolaikirche mit wöchentlichen Friedensgebeten gegen das Wettrüsten, doch mehr und mehr wurden Forderungen nach persönlicher Freiheit laut, mehr und mehr ging man auf die Straße – am 4. September 1989 erstmals als große „Montagsdemonstration“ mit 1200 Teilnehmern. In anderen Städten der DDR zog man nach. Innerhalb weniger Wochen kamen (diesmal wieder in Leipzig) über 300 000 Aktivisten zusammen und damit eine ungeheure Kraft zivilen Ungehorsams. Der signifikante Ruf „Wir sind das Volk!“ wurde die Parole der Friedlichen Revolution.

[] freikaufen, Vb.

⟨jmdn., sich freikaufen⟩ jmds., seine eigene Freiheit (mit Geld) erkaufen

Auch im Mittelalter galt, man sieht sich immer zweimal: Der vielbewunderte Richard Löwenherz, am 3. September 1189 zum englischen König gekrönt, glaubte während des Kreuzzuges die vom österreichischen Erzherzog Leopold erhobenen Ansprüche auf Ehre und Beute ignorieren zu können. Doch der drehte den Spieß um. Als sich Richard 1192 bei der Rückreise verkleidet durch Leopolds Lande schleichen wollte, flog er auf, wurde vom frohlockenden Herzog eingekerkert und dem deutschen Kaiser übergeben. Es floss ein wahrhaft königliches Lösegeld: 100.000 Mark Reinsilber, insgesamt über 23 Tonnen!

[] Sopran, der

hohe Singstimme; höchste menschliche Stimmlage; Sopranistin

„Sie hat ein sehr gutes Urteilsvermögen, um schlechte von guter Musik zu unterscheiden (…) und daher kommt es auch, dass sie absolut beherrscht, was sie singt, und den Sinn der Wörter vollkommen ausspricht.“ Die lobenden Worte waren kein Einzelfall: Die Sopranistin Leonora Baroni (1611–1670) gilt als einflussreichste Gesangssolistin des 17. Jahrhunderts, die mit ihrem umfassenden musikalischen Talent Kardinäle, Päpste, selbst den französischen König in ihren Bann zog und als Künstlerin ein für die Zeit bemerkenswert selbstständiges, auch politisch aktives Leben führte.

[] Überfall, der

überraschender Angriff von militärischen Kräften auf einen unvorbereiteten Gegner, Staat

Der völkerrechtswidrige Angriff auf Polen am 1. September 1939 hatte ein zynisches Vorspiel: Um einen polnischen Übergriff vorzutäuschen und damit der deutschen Propaganda einen Vorwand zu liefern, überfielen SS-Männer am Vorabend den schlesischen Radiosender Gleiwitz und setzten auf Polnisch einen fingierten Aufruf zum Aufstand ab. Tatsächlich war der Angriffskrieg längst vorbereitet. Das Geheimprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vom 23. August sah die Zerschlagung Polens vor, bereits am 22. August hatte Hitler den versammelten Militärs seine Eroberungspläne verkündet.

[] Groschen, der

Münze im Wert von zehn Pfennigen, Zehnpfennigstück

„Die Bettler betteln, die Diebe stehlen, die Huren huren. Ein Moritatensänger singt eine Moritat.“ Alltag im Londoner Soho: Hier treibt der Dieb Mackie Messer sein Unwesen und von ihm handelt nicht nur die besagte Moritat, sondern die gesamte Oper, die am 31. August 1928 im gerade eröffneten Berliner Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt wurde. Die Proben standen unter keinem guten Stern, es kam zu Un- und Ausfällen, nur wenige glaubten an einen Erfolg. Die Premiere von Brechts „Dreigroschenoper“ jedoch zerschlug nicht nur die Zweifel, sie übertraf sogar alle Erwartungen.

[] Gänsehaut, die

grobkörnige Haut, die man vor Kälte, Schreck, Furcht bekommt und die der Haut einer gerupften Gans ähnlich ist

Die Entstehungslegende hat selbst fantastische Züge: Von Regen und Donner eingeschlossen saßen sie im Haus beisammen, fünf dichtende Freigeister, für ihr Lotterleben verschrien, nach Kurzweil dürstend, dem Grusel zugetan. Man erzählte sich Schauergeschichten: Byron, Polidori, Clairmont und die Shelleys – Mary Shelley blieb zunächst ohne Idee, des Nachts jedoch träumte sie von einem „bleichen Schüler unheiliger Künste neben dem Ding knien⟨d⟩, das er zusammengesetzt hatte.“ So kamen in dieser Nacht Frankenstein und sein Monster zur Welt. Mary Shelley selbst 19 Jahre zuvor, am 30. August 1797.

[] atmen, Vb.

Luft holen und ausstoßen; Sauerstoff gegen Kohlendioxid austauschen

Auch wenn die größtenteils illegale Brandrodung seit langem ein Problem für den Amazonas-Regenwald darstellt, sind die aktuellen Großfeuer dort anders als früher ins Blickfeld nicht nur einer breiten Öffentlichkeit, sondern auch führender Staatsleute geraten und somit zum internationalen Politikum geworden. Das liegt zum einen an der schieren Menge – seit Jahresbeginn waren es über 75 000 Brände – und zum anderen an der gestiegenen Sensibilität für Klimafragen. Der Amazonas-Regenwald ist einer der wichtigsten CO₂-Speicher der Welt.

[] Hochkultur, die

Soziologie: bei den gebildeten (oberen) Schichten einer Gesellschaft als beispielhaft geltende kulturelle, speziell künstlerische Ausdrucksformen einschließlich der sie pflegenden Institutionen wie Museen, Theater, Orchester o. Ä.

Als Johann Wolfgang v. Goethe geboren wurde, arbeitete Bach noch an seiner „Kunst der Fuge“, als er starb, verkehrten in England regelmäßig Züge. Seine Zeit – eine Ära wissenschaftlicher Umwälzungen, politischer Revolutionen, entfesselter Kriege – hat er in einem Œuvre ohnegleichen dichterisch, wissenschaftlich und philosophisch verarbeitet. Doch seine geistige Offenheit, seine Idee, Brücken zwischen den Religionen und Weltanschauungen zu schlagen, haben in der Mit- und Nachwelt nur wenige verstanden. Bis heute wird Goethe mehr verehrt als gelesen. Vor 270 Jahren kam er zur Welt.

[] Aktfotografie, die

Bereich der Fotografie, der die Aktdarstellung zum Gegenstand hat

„Dada kann nicht in New York leben. New York ist Dada und wird keinen Rivalen dulden.“ So wurde er ein Amerikaner in Paris und Teil der europäischen Avantgarde, erst als wenig erfolgreicher bildender Künstler, dann als gefragter Fotograf: „Ich wollte ja“, so sein ironisches Resümee, „Geld machen – nicht auf Anerkennung warten“. Seine mutigen, progressiven Experimente mit den Grenzen von Subjekt, Objekt und Licht, vor allem in seiner Porträt- und Aktfotografie, haben Man Ray am Ende beides eingebracht. Am 27. August 1890 kam er in Philadelphia zur Welt.

[] Typoskript, das

maschinengeschriebenes Manuskript

Als 1974 in der DDR postum Brigitte Reimanns unvollendeter Roman um die Protagonistin Franziska Linkerhand und ihr Leben im Spannungsfeld von Idealismus und sozialistischem Alltag erschien, wurde bald gemunkelt, es seien viele der Zensur unliebsame Passagen gestrichen worden. Das Buch schlug dennoch wegen seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit im Osten hohe Wellen. 1998 konnte dann eine ungekürzte Ausgabe erscheinen; es hatte sich herausgestellt, dass aus dem Typoskript tatsächlich rund 4 % des Textes entfernt worden waren.

[] unausgegoren, Adj.

abwertend: noch nicht bis zur Vollendung ausgeprägt, ausgereift und daher unfertig, unklar wirken

Als der englische Kaufmann Peter Durand erstmals Fleisch und Gemüse in eine Metalldose einlötete, hatte er die Welt um eine geniale Methode bereichert, Lebensmittel dauerhaft haltbar zu machen. Doch war die am 25. August 1810 patentierte Erfindung noch unausgegoren: Durch Hitze sterilisiert und fest in dickes Weißblech verschweißt, hielten Lebensmittel zwar ewig, zugleich war das Behältnis aber praktisch „unkaputtbar“. Ohne Dosenöffner, er wurde erst 60 Jahre später erfunden, musste man sich mit Hammer, Meißel oder Schere behelfen, was selten ohne Blessuren ablief.

[] Schrifttafel, die

kleine bis mittelgroße Platte, meist aus Ton, auf die mithilfe eines Griffels o. Ä. Symbole und Schriftzeichen eingeritzt wurden, altes Schriftzeugnis

Raub, Mord und Brände brachten das jüdische Leben in Köln während eines der blutigsten Pogrome der Stadtgeschichte zum Erliegen. Die Bartholomäusnacht 1349 wurde lange verschwiegen, sie hinterließ aber ihre Spuren. Diese werden seit den 1950er Jahren von Archäologen sorgsam ans Licht gebracht: Eine Synagoge, rituelle Bäder, Wohnhäuser und Gruben. Außerdem ein ganz besonderer Befund: Etwa 100 000 Schrifttafelfragmente mit eingeritzten Graffitis, Grammatikübungen, ja sogar mit einem Stück eines mittelhochdeutschen Romans in hebräischer Schrift.

[] Wahrzeichen, das

etw., das charakteristisch für etw. ist, Zeichen, das symbolhaft für etw. ist, besonders als charakteristisches Merkmal einer Stadt, Landschaft

Das Brandenburger Tor ist 26 m hoch, der Eiffelturm sogar 324 m. Das Wahrzeichen Dänemarks bringt es gerade mal auf 1,25 m – und ist doch nicht weniger bekannt. Jedenfalls knipsen täglich unzählige Touristen ein Selfie mit der von Bildhauer Edvard Eriksen (1876–1959) geschaffenen und am 23. August 1913 aufgestellten Skulptur der Kleinen Meerjungfrau. Ihre Prominenz brachte allerdings auch Ungemach: Sie war Ziel von Sprengstoff- und Farbanschlägen und 2010 setzte ein Spaßvogel gar ein menschliches Skelett an ihren Platz, komplett mit anatomisch „korrekten“ Fischgräten und Flosse.

[] Synkope, die

(Musik) rhythmische Verschiebung durch Bindung eines unbetonten Wertes an den folgenden betonten

Die Inspiration für Claude Debussys 2. Satz der „Suite Bergamasque“ war wohl Verlaines Gedicht „Clair de Lune“, das die Seele als melancholisch-romantisierte, im Mondlicht entrückte Landschaft verklärt. Gerade jene Entrückung charakterisiert auch Debussys gleichnamige Komposition: verschleierte Rhythmen (9/8-Takt mit Synkopen), Beginn in hohen Oktaven mit erst spät einsetzender Basslinie – „Clair de Lune“, 1890 komponiert, gibt einen Vorgeschmack auf den von Debussy später geprägten musikalischen Impressionismus. Am 22. August 1862 kam der Franzose zur Welt.

[] eingekeilt, Adj.

von allen Seiten beengt, umdrängt

„Ich kann so nicht arbeiten!“ Der Stoßseufzer Adelbert von Chamissos war nicht unberechtigt. Wie Schlemihl, Held seines Märchens, ging auch der Literat und Botaniker auf Weltreise – als wissenschaftlicher Begleiter auf einer kleinen Brigg, unter beengten Verhältnissen: Für den eigenen Bedarf gab es zwei Schubladen, um einen Arbeitsplatz am Esstisch musste er sich mit den Offizieren balgen und das Pflanzensammeln sah der Kapitän gar nicht gern. Am Ende hatte er dann doch ein Herbarium und wissenschaftliche Studien en masse im „Gepäck“. Der 21. August 1838 ist sein Todestag.

[] Klima, das

für ein bestimmtes geografisches Gebiet durchschnittlicher Zustand der Atmosphäre, typische Art und wiederkehrender Ablauf der Witterung

Alles begann am 20. August 2018, ein Teenager lässt die Schule sausen und stellt sich auf die Treppen des Stockholmer Reichstags, in den Händen ein großes Plakat mit der Aufschrift: „Skolstrejk för klimatet“ („Schulstreik für das Klima“). Dieser Teenager heißt Greta Thunberg und mit jenem solitären Akt begründete sie die mittlerweile global gewordene Streikbewegung „Fridays for Future“. Seither bereist sie (gerade mit dem Segelboot über den Atlantik) die Welt und kämpft für einen Paradigmenwechsel in der Politik – und einen Geisteswandel in der Gesellschaft.

[] kopflos, Adj.

ohne Kopf, unüberlegt, unbesonnen

Zeitzeugen beschrieben sie als ausgesprochen intelligent, nach ihrer Rückkehr aus Frankreich am 19. August 1561 zeigte sich aber, dass die 18-jährige, jüngst verwitwete und streng katholische Maria Stuart mit den schwierigen politischen Verhältnissen im von der Reformation gebeutelten Schottland überfordert war. Vieles geschah nun kopflos: Ehen, Bünde, Thronansprüche, Zusammenschlüsse, Trennungen. Es kam zu Aufständen gegen sie und sie wurde gefangen gesetzt, sie floh nach England, wo sie, nach erneuten 19 Jahren Haft, im wahrsten Sinne des Wortes kopflos den Tod fand.

[] zwiespältig, Adj.

in sich zerrissen, uneins, voller Widerspruch

Seine Reiterheere eroberten für ihn zwischen 1206 und 1227 ein Weltreich, verbreiteten mit einer auf nacktem Terror basierenden Kriegsführung Angst und Schrecken. Und doch bleibt das Bild, das Zeitgenossen von Dschingis Khan zeichnen, widersprüchlich. So schilderte der spätere Erzbischof von Split, Rogerius von Torre Maggiore, neben den Gräueltaten auch die Bedingungen unter mongolischer Herrschaft: „Wir hatten Frieden und geregelte Verhältnisse, jedem wurde sein Recht zuteil.“ Am 18. August 1227 starb Dschingis Khan. Nicht jeder dürfte geweint haben.

[] Individuum, das

Mensch als Einzelwesen (in seiner jeweiligen Besonderheit)

Gleich nach der Premiere am 17. August 1979 in New York hagelte es starke, sehr gegensätzliche Kritiken: Die einen bemerkten anerkennend, der Film sei „das unflätigste Bibelepos aller Zeiten, ebenso wie das bestgelaunte“, die anderen beklagten den in ihren Augen „abscheulichen und widerlichen Angriff auf religiöse Gefühle“. 40 Jahre später ist Brian von Nazareth vielen ans Herz gewachsen – und Monty Pythons nicht immer subtile Gags haben Wiedererkennungswert. Wer kennt nicht die richtige Antwort auf das Postulat „Ihr seid alle Individuen!“? Es ist ganz eindeutig: „Ich nicht!“.

[] Zukunftswerkstatt, die

Methode, die (...) die kreative Teilhabe aller Menschen an den sie betreffenden Entscheidungsprozessen und zukunftsweisenden Fragestellungen fördert

Die Gründung der Universität zu Berlin am 16. August 1809 nahm sich bescheiden aus. Ein Unigebäude gab es nicht, die Finanzierung war ungeklärt. Doch diese Universität war so etwas wie eine Zukunftswerkstatt, der eine bahnbrechende Idee zugrunde lag: Sie sollte völlig unabhängig und Teil einer Wissenschaftsgemeinschaft sein, in der Institutionen und Disziplinen, Professoren und Studenten zusammenwirken. Kaum zu glauben, dass ihr Schöpfer und späterer Namenspatron Wilhelm von Humboldt dieses Konzept in nur einem Jahr auf die Beine stellte.

[] prangen, Vb.

Schönheit, Glanz, Prunk zeigen

Es ist mit seiner zarten, nur sechs Töne umfassenden Melodie als Gute-Nacht-Lied in den deutschen Kanon eingegangen. Kaum ein Kind hat vor dem Einschlafen nicht schon einmal von den prangenden, gold’nen Sternlein gehört. Liest man aber den Text von Matthias Claudius (geb. am 15. August 1740) in seiner Gesamtheit – gemeinhin bekannt sind nur vier der sieben Strophen –, so zeigt sich eine ganz andere Lesart: Das „Abendlied“ wird zum sanften, unverzagten Todesgedicht, das Schlafen zum Entschlafen, das Nachtgebet zur Bitte um die Aufnahme ins Himmelreich.

[] menschenwürdig, Adj.

der Menschenwürde entsprechend, dem Menschen angemessen

Die Weimarer Republik hat heute den zweifelhaften Ruf einer Demokratie, die im Schraubstock extremistischer Bewegungen zugrunde ging. Diese Sichtweise verdeckt die vielen positiven Ansätze, insbesondere die der Weimarer Verfassung. Sie legte erstmals das Frauenwahlrecht fest, sicherte Grundrechte zu wie Gleichheit vor dem Gesetz, Versammlungs- und Religionsfreiheit. Und sie stand für soziale Verantwortung: Das Recht auf ein „menschenwürdiges Dasein“ für alle war ausdrücklich als Verfassungsziel festgeschrieben. Heute vor 100 Jahren, am 14. August 1919, trat sie in Kraft.

[] Mitgefühl, das

Teilnahme am Leid des anderen

Sie vereine die „Zartheit und Güte ihres Geschlechts“ mit der „kühlen Klarheit des Mathematikers“, sie schrecke vor keinem Hindernis zurück und begegne doch den Bedürftigen mit Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Florence Nightingale wurde zeitweise wie eine Heilige verehrt. Dabei war sie sehr irdisch, pragmatisch, analytisch und kalkulierend, sie nutzte ihre Popularität als Druckmittel gegenüber Entscheidern und Geldgebern – und erreichte so eine Reformbewegung im Gesundheitswesen, die weltweit ihresgleichen sucht. Am 13. August 1910 verstarb sie 90-jährig in ihrem Londoner Haus.

[] Nachschrift, die

das Nachgeschriebene, die Nachschrift der Vorlesung, des Vortrages

Von den weltberühmten „Kosmos-Vorträgen“, die Alexander von Humboldt 1827/28 in der Berliner Sing-Akademie hielt, gibt es keine von ihm autorisierte Fassung. Den genauen Wortlaut kennen wir also nicht. Aber: Unter den 1000 Zuhörern saß „Frau Geheimräthin Henriette Kohlrausch“, ihres Zeichens bewanderte Botanikerin. Sie notierte seine Worte mit viel Sachverstand. Ihr Skript, das sie später in einer Nachschrift ausformulierte, gilt als einzige zuverlässige Überlieferung der Vorträge. Wer darin blättern möchte: Im Deutschen Textarchiv ist sie frei zugänglich – und ab heute auch als Buch erhältlich.

[] Abenteuer, das

a) ungewöhnliches, spannendes Erlebnis; b) gefahrvolles, verwegenes Unternehmen

Kaum jemand war so produktiv wie sie: Unermüdlich schrieb die Kinderbuchautorin Enid Blyton auf, was eine unerschöpfliche Imaginationskraft ihr zuflüsterte. Und wer kennt sie nicht, die Reihen um „Hanni und Nanni“, die „Fünf Freunde“ oder die „Abenteuer“. Trotz der eher einfachen Sprache und vorhersehbaren Handlungsstränge ist diese Welt, in der sich hinter jeder Hecke Geheimgänge und Verstecke auftun, bis heute ein literarischer Abenteuerspielplatz für Kinder geblieben, in dem es spannend, aber selten gefährlich zugeht. Der 11. August 1897 ist ihr Geburtstag.

[] Murks, der

salopp: fehlerhaft oder nachlässig ausgeführte Arbeit

Es hätte das furchterregendste Kriegsschiff seiner Zeit werden sollen. Tatsächlich übertraf die Galeone, die der schwedische König Gustav Adolf in Auftrag gegeben hatte, an Größe und Feuerkraft alles bislang Dagewesene. Allerdings erwies sich das Megaprojekt als peinliche Fehlkonstruktion: Das Gewicht der 64 Bronzekanonen drückte die Geschützpforten sehr nah an die Wasserlinie und die zwei Kanonendecks machten das Schiff gefährlich toplastig. Am Ende reichte eine harmlose Windböe – und die stolze Vasa ging auf ihrer Jungfernfahrt am 10. August 1628 sang- und klanglos unter.

[] neigen, Vb.

etw., sich aus der senkrechten oder waagerechten Stellung in eine schräge Lage bringen, etw., sich schräg stellen

Als am 9. August 1173 der Grundstein dieser berühmten Kampanile gelegt wurde, wussten die Bauherren noch nichts von der Besonderheit ihrer Stadt: Pisa war in der Antike – moderne Grabungen legen dies nahe – eine Venedig vergleichbare Insel gewesen. Entsprechend verhielt sich der sandige Boden unstet und konnte das Gewicht des neuen Baus nicht halten. Es dauerte keine fünf Jahre, gerade wurde die zweite Etage aufgesetzt, da begann sich der „Turm von Pisa“ langsam zu neigen. Heute steht er in stabiler Schieflage – und sorgt genau deshalb für einen stabilen Tourismus.

[] Hethiter, der

Volk, das im Altertum in einigen Regionen Kleinasiens siedelte; Angehöriger dieses Volkes

Die imposanten Ruinen des hethitischen Heiligtums Yazılıkaya aus dem 13. Jh. v. Chr. zählen zum Weltkulturerbe. Doch um ihre eigentliche Bedeutung weiß man erst seit diesem Sommer. Folgt man archäologischen Erkenntnissen, war die Kultstätte ein Mond-/Sonnenkalender, der es den Hethitern erlaubte, sich im Jahreslauf mit seinen immerhin 165 Feiertagen zurechtzufinden. Die Erkenntnis verweist einmal mehr auf die beeindruckenden Wissensstand der Hethiter, deren zum Indogermanischen zählende Sprache heute von einer jungen, engagierten Forschergemeinde untersucht wird.

[] Sklaverei, die

historisch: Zustand der Unfreiheit und Rechtlosigkeit, vollständige Abhängigkeit des Sklaven vom Sklavenhalter, besonders in der Sklavenhaltergesellschaft

Sie selbst musste die Schrecken der Sklaverei nicht mehr erleben. Aber die 1931 geborene Afroamerikanerin Toni Morrison wuchs in einer von Rassismus geprägten Gesellschaft auf: Beide Erfahrungshorizonte verarbeitete sie in ihren Romanen, Kurzgeschichten und Essays, untersuchte die verschiedenen Facetten einer das Leben und die Psyche bedrohenden, unfreien Existenz und öffnete damit einer Weltöffentlichkeit die Augen. Für „Menschenkind“ erhielt sie den Pulitzer-Preis, für ihr Gesamtwerk 1993 den Literaturnobelpreis. Und sie schrieb bis zuletzt. Am Montag verstarb sie friedlich in New York.

[] Kranich, der

großer, hochbeiniger Stelzvogel mit langem, walzenförmigem Leib, langem Hals und spitzem, geradem Schnabel

Als am 6. August 1945 die erste jemals in einem Krieg eingesetzte Atombombe auf Hiroshima fiel, war die kleine Sadako Sasaki gerade einmal zwei Jahre alt. Sie überlebte die Katastrophe, erkrankte aber zehn Jahre später an der „Atombombenkrankheit“ Leukämie. Einer japanischen Legende zufolge sollte das Falten von 1000 Origami-Kranichen den Tod abwenden können, also tat sie ihr Bestes, verstarb am Ende aber leider doch. Im Andenken an sie gelten Kraniche heute als Symbol für den Kampf gegen nukleare Waffen und für die Hoffnung auf weltweiten Frieden.

[] Spritztour, die

umgangssprachlich: kurze Reise, kleine Vergnügungsfahrt

1886 hielt Carl Benz das Patent für das erste Automobil in den Händen, doch niemand wollte einen seiner „pferdelosen Wagen“ haben. In dieser kritischen Lage „entführte“ seine Ehefrau Bertha Benz am 5. August 1888 das dreirädrige Gefährt und „raste” mit 20 km/h bei 2,5 PS in das 106 km entfernte Pforzheim. Kraftstoff besorgte sie sich in der Apotheke, für verstopfte Leitungen und blanke Drähte mussten Haarnadel und Strumpfband herhalten. Die 12-stündige Pionierfahrt ging in die Geschichte ein, und Carl konnte in den folgenden sechs Jahren immerhin 25 Exemplare verkaufen.

[] Nonsens, der

Unsinn, Sinnlosigkeit

Die Geschichte gilt als apokryph, aber sie ist erzählenswert: Als Louis Armstrong 1926 für Okeh Records die Jazznummer „Heebie Jeebies“ aufnahm, fiel, während die Aufzeichnung schon lief, sein Notenblatt zu Boden. Er wollte nicht unterbrechen, also sang er einfach weiter, hielt die Harmonien, aus dem Text aber wurde ein Konfetti aus Nonsens-Silben – Armstrong hatte damit ungewollt ein Musterbeispiel für den bis dahin noch kaum gehörten Scat geschaffen. Er wurde später Meister dieser Art der Improvisation. Heute wäre sein 108. Geburtstag.

[] Wassernixe, die

weiblicher Wassergeist

E.T.A. Hoffmann war nicht nur ein großer Dichter, er war ein Universaltalent: Jurist, Zeichner, Karikaturist, und, was vielen nicht bekannt ist, ein herausragender Musiker. Seine von Zeitgenossen hochgelobte romantische Oper „Undine“ basiert auf einer Erzählung (und letztendlich dem Libretto) Friedrich de la Motte Fouqués und handelt von der tragisch-magischen Liebe zwischen dem Ritter Huldbrand und einer Wassernixe. Am 3. August 1816 wurde sie im Königlichen Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt (heute das Konzerthaus, direkt gegenüber dem DWDS) uraufgeführt.

[] Kettenreaktion, die

Physik, Chemie: Abfolge von physikalischen oder chemischen Prozessen, bei der der jeweils vorangehende Prozess bzw. dessen Produkt einen oder mehrere gleichartige Folgeprozesse auslöst

Großflächige Zerstörung, radioaktive Verseuchung: Der von Albert Einstein unterzeichnete Brief an den US-Präsidenten vom 2. August 1939 ließ kein Szenario aus, das von einer Nuklearexplosion zu erwarten war. Bedrohlich wirkte vor allem der Hinweis auf Carl Friedrich von Weizsäcker, deutscher Physiker und Sohn eines hochrangigen NS-Diplomaten, signalisierte dieser doch den Amerikanern: Die Deutschen arbeiten an der Bombe! Gab der Brief tatsächlich den Ausschlag für das „Manhattan-Projekt“? Einstein selbst bezeichnete das Schreiben später als einen großen Fehler.

[] ablenken, V.

übertragen: jmdn. von etw. abbringen; jmdn., sich zerstreuen, auf andere Gedanken bringen

Prokrastination hat manchmal ihr Gutes: Weil Otfried Preußler mit seinem Hauptwerk „Krabat“ nicht weiterkam, beschloss er, etwas Lustiges für Kinder zu schreiben, und erfand den Kaffeemühlen stehlenden, mit Pfefferpistole und sieben Messern bewehrten Räuber Hotzenplotz. Gemeinsam mit illustren Figuren wie Kasperl und Seppel, dem bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann, der Fee Amaryllis sowie dem schrulligen Wachtmeister Dimpfelmoser erfreut er bereits die dritte Kindergeneration. Am 1. August 1962 erschien die Erstausgabe des Kinderbuchklassikers „Räuber Hotzenplotz“.

[] Schatzsuche, die

(systematische) Suche nach verborgenen Schätzen

Für Spaniens Staatskasse war der 31. Juli 1715 ein Debakel. Zerschmettert vom Hurrikan sank südlich von Cape Canaveral eine Flotte von 11 Schiffen – an Bord 14 Mio. Peso in Silber und Gold. Der Schatz, der das kriegsgebeutelte Land vor dem Bankrott hätte bewahren sollen, lag nun unerreichbar auf dem Meeresgrund. Man verdrängte die Katastrophe. 250 Jahre später aber weckten Silberfunde die Gier professioneller Schatzsucher. Taucher plünderten und zerstörten die meisten Wracks. Immerhin gibt es nun ein Museum in Sebastian, Florida, das die ganze Geschichte erzählt.

[] kauzig, Adj.

wunderlich, schrullig

Spröde und kauzig soll sie gewesen sein, die zurückgezogenste unter den Geschwistern Brontë. Emilys einziger Roman, „Wuthering Heights“, scheint dies zu spiegeln: Der misanthropische Sozialeremit Heathcliff, wenn man so will Protagonist und Antagonist zugleich, fühlt sich zum nordenglischen Moor stärker hingezogen als zu den Menschen, seine bis zum Wahnsinn geliebte Stiefschwester ausgenommen. Ob der Roman damit etwas über seine Autorin preisgibt oder nicht, müssen wir den Vermutungen der Biografen überlassen. Was wir aber sicher wissen: Heute ist ihr 201. Geburtstag.

[] Gefährte, der

jmd., der jmdm. stets zur Seite steht, Kamerad

Am 29. Juli 1954 erschien der erste Band der Tolkien’schen Trilogie „Der Herr der Ringe“. Die Rezeption war zunächst gespalten, die einen sprachen von einem nur schwer lesbaren Text mit wenig psychologischer Tiefe, die anderen von einem – im doppelten Wortsinn – phantastischen schöpferischen Meisterwerk. Heute zählt der Roman um den Halbling Frodo, den Zauberer Gandalf und den „einen Ring, sie alle zu knechten“ zu den meistverkauften aller Zeiten. Die in ihm realisierte, hochkomplexe fiktionale Welt fasziniert immer noch Millionen Fans auf allen Kontinenten.

[] Mythos, der

mündliche oder auch schriftliche, sagenhafte Überlieferung der Vorstellungen eines Volkes aus seiner Vorzeit, besonders über die Welt, Götter und Menschen

Tour de France – der Philosoph Roland Barthes beschrieb sie in einem Essay als modernen Mythos, einer Heldenreise vergleichbar, bei der die Pedalisten wie die Protagonisten der Odyssee ausziehen, Schmerzen erdulden, Hindernisse überwinden und Gegner bezwingen müssen. Doping, dass es 1957 natürlich schon gab, betrachtete er als Verrat an der Sache. Das sah Peter Sloterdijk 2008 etwas nüchterner und verwies darauf, dass es schließlich unmöglich sei, über 6 Stunden eine Leistung von 280 Watt und mehr auf die Pedale zu bekommen. Heute endet die diesjährige Tour der Schmerzen.

[] Exil, das

aufgrund von (staatlicher, religiöser) Verfolgung, Ausbürgerung, Verbannung erzwungener oder wegen als unerträglich empfundener politischer Verhältnisse freiwillig gewählter langfristiger Aufenthalt außerhalb des Heimatlandes

Sie war „eine Sterbende, die gegen das Sterben anschrieb“ – so reflektierte Hilde Domin den eigenen Schaffensprozess. Nach der Flucht vor den Nationalsozialisten, erst in das italienische, dann in das englische, und schließlich in das dominikanische Exil, wandte sich die Jüdin und Sozialdemokratin der Schriftstellerei zu und machte sich vor allem als Lyrikerin einen Namen. Ihre Gedichte, hochkonzentriert, bildreich, mit einem starken lyrischen Ich, verarbeiten Themen wie Trauer und Weltschmerz ebenso wie Mut, Liebe und Hoffnung. Heute vor 110 Jahren kam sie zur Welt.

[] Esperanto, das

künstliche Weltsprache, die den Verkehr zwischen den Völkern erleichtern soll

Es bedurfte der finanziellen Unterstützung durch den Schwiegervater, um den Traum des jüdischen Augenarztes L. L. Zamenhof wahr werden zu lassen: Nach Jahren der abgeschiedenen Arbeit an einem Idiom, das allen Völkern eine Verständigung auf neutraler Basis ermöglichen sollte, konnte er 1887 in Warschau die für Russland bestimmte erste Broschüre über seine „Internationale Sprache“ drucken lassen. Die Zensurfreigabe trägt das Datum 26.07. (julianisch 14.07.) und gilt als Geburtstag des Esperanto, das den pseudonymen Namen seines Erfinders (Esperanto = „der Hoffende“) trägt.

[] Lehrplan, der

Plan, der den Lehrstoff, nach Jahrgängen gegliedert, enthält

„Sei gegrüßt Schar der Hohenburger Jungfrauen (…) Herrad, deine frömmste Mutter und Dienstmagd, singt dir dies Lied“. Dies sind die an die Klostergemeinschaft gerichteten Eingangsverse des „Hortus Deliciarum“ (Garten der Köstlichkeiten). Der faszinierende Kodex, den die Äbtissin Herrad von Landsberg (gest. 25. Juli 1195) selbst verfasste und mit prächtigen Miniaturen ausstattete, ist ein umfassendes Curriculum: In Texten und wohlkomponierten Schaubildern über das Heilsgeschehen und den Aufbau des Universums fasst er das mittelalterliche Weltwissen zusammen.

[] Tonsprache, die

Art und Weise des musikalischen Ausdrucks, der Melodik

Die Musik Ernest Blochs ist schwer zu kategorisieren: Vor allem in jungen Jahren komponierte er im Stil der Spätromantik, ließ sich von Debussy und dem Impressionismus beeinflussen, ganz besonders aber von der jüdischen Tradition und ihrer charakteristischen Tonsprache. Für europäische Ohren war das zu Beginn des 20. Jh. noch zu viel, Kritiker bewerteten seine Musik als dissonant und chaotisch. In den USA feierte er jedoch schnell Erfolge, konzertierte viel, wurde ausgezeichnet, erhielt Stipendien, große Lehraufträge und wurde letztendlich 1924 Amerikaner. Heute ist sein 139. Geburtstag.

[] Monokel, das

vergrößerndes Glas für nur ein Auge, Einglas

Das letzte Selbstporträt der Anna Dorothea Therbusch ist zugleich ihr originellstes. Denn mittels eines raffinierten Kniffs verschafft sie sich Zutritt in unser Langzeitgedächtnis: Es ist das Monokel, ein großes Einglas, das den Blick des Betrachters auf ihr vergrößertes (rechtes) Auge – das künstlerische Medium – lenkt. Das meisterliche Gemälde ist krönender Abschluss einer ebenso schwierigen wie glanzvollen Künstlerinnenkarriere im Rokoko-Preußen. Ihre Bilder hängen in vielen großen Museen. Der 23. Juli 1721 ist ihr Geburtstag.

[] Hängematte, die

aufgespanntes, geflochtenes Netz oder Segeltuch, das als Liegestatt dient, besonders für Matrosen

Man weiß nicht, ob es nur ein Trick der Hersteller war, denn die Anfänge lassen sich nicht mehr zurückverfolgen, doch seit vielen Jahren wird in den USA der „National Hammock Day“ gefeiert, den man nun auch hierzulande kennt und am besten auch in einer solchen verbringt. Zum Glück kann man das DWDS auf dem Smartphone auch dort verwenden und so in unserem Artikel des Tages über eines der schönsten Beispiele von volksetymologischer Umdeutung eines Fremdworts nachlesen, denn die Hängematte war ursprünglich gar kein Kompositum aus ‘hängen’ und ‘Matte’.

[] Fußspur, die

Spur, die der Fuß hinterlässt

Der Schritt, der ein kleiner für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit war, wurde heute vor genau 50 Jahren getan: Mit Apollo 11 gelang der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA die erste bemannte Mondlandemission in der Geschichte der Menschheit. Am 20. Juli 1969 setzte die Fähre Eagle auf dem Boden des der Erde zugewandten Mare Tranquillitatis auf, einige Stunden später, nach UTC (koordinierter Weltzeit) bereits am Morgen des 21. Juli, entstieg ihr der Astronaut Neil Armstrong – und hinterließ die ikonischen Fußspuren im Staub des Erdtrabanten.

[] Tyrannenmord, der

Tötung, Ermordung eines Tyrannen

„Der Tyrannenmord gilt den Griechen nicht als Verbrechen, sondern als die höchste und edelste Tat des Bürgers.“ (Eduard Meyer) – tatsächlich wurde aber schon damals wie heute in Ethik und Politikwissenschaft die Frage diskutiert, ob die individuelle Schuld eines Mordes an einem Gewaltherrscher geringer wiegt als der Schutz der Gesellschaft vor dessen Taten. Auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg und die Mitverschwörer des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 mussten sich dieser Frage stellen – und bejahten sie.

[] Inferno, das

katastrophenartiges, Entsetzen und Schrecken verbreitendes Geschehen (Großbrand, Naturkatastrophe, grausames Kriegsgeschehen, nukleare Verseuchung o. Ä.)

Die Brandkatastrophe, die Rom vom 19. bis 26. Juli 64 n. Chr. heimsuchte, ist untrennbar mit einem Namen verbunden: Nero. Schon für antike Zeitgenossen wie Plinius stand er als Schuldiger fest. Tacitus kolportiert das Gerücht, Nero habe das Inferno überdies als Anlass genutzt, den Brand Trojas zu besingen (eine Steilvorlage für die Hollywood-Verfilmung 2000 Jahre später). Tatsächlich wird die Brandstiftertheorie heute eher bezweifelt, überdies agierte der Kaiser bei der Brandbekämpfung und Bewältigung der Folgen eher umsichtig und effizient.

[] Kapellmeister, der

Leiter einer Kapelle, Dirigent

„Ich will Musik für alle Menschen machen“ – Kurt Masur ließ sich an keine andere Maxime binden, schon gar nicht an eine politische. Stattdessen überwand der prominente Gewandhauskapellmeister immer wieder Grenzen – physische (die der DDR) und abstrakte: Während der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989 rief er öffentlich zum Gewaltverzicht auf und wurde gehört, gezwungenermaßen auch von der Polizei. Ein historischer, humanistischer Akt. Nach der Wende erhielt er Engagements weltweit, unter anderem in New York und Boston. Am 18. Juli 1927 kam er zur Welt.

[] Kriegsverbrecherprozess, der

gerichtliches Verfahren gegen jmdn., der eines Kriegsverbrechens verdächtig ist, oft gegen eine Mehrzahl von Personen geführt

Mit ihm soll die Welt ein Stück gerechter werden: Am 17. Juli 1998 beschlossen 120 Staaten die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs zur Ahndung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Im Unterschied zu den UN-Kriegsverbrechertribunalen, die jeweils auf bestimmte Konflikte beschränkt sind, besteht der Internationale Strafgerichtshof dauerhaft. Und es gibt auch Erfolge: Erst zuletzt wurde der kongolesisch-ruandische Rebellenchef Bosco Ntaganda wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen.

[] Mondjahr, das

Zeitraum von 354 Tagen, in dem der Mond die Erde zwölfmal umkreist

Mit der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina, der Hidschra, beginnt die islamische Zeitrechnung. Sie richtet sich nach dem Mondzyklus, ein Jahr besteht aus 12 Monaten à 29 oder 30 Tagen und ist 354 oder 355 Tage lang (auch Muslime haben einen Schalttag). Somit ist es 10 bis 12 Tage kürzer als ein Jahr im gregorianischen Kalender. Dies erklärt, warum religiöse Ereignisse wie der Ramadan oder das Opferfest jedes Jahr etwas früher stattfinden. Der erste Muharram (der erste islamische Kalendermonat) überhaupt fällt nach christlicher Zeitrechnung auf den 16. Juli 622.

[] Hieroglyphe, die

Zeichen der altägyptischen Bilderschrift

Als der griechisch-ägyptische Pharao Ptolemaios V. im Jahr 196 v. Chr. eine Stele mit einem Dekret für die Priesterschaft errichtete, konnte er nicht ahnen, dass die darauf eingemeißelte Inschrift in Ägyptisch und Griechisch später einmal den entscheidenden Schlüssel für eine wissenschaftliche Meisterleistung liefern würde: Anhand eines Bruchstücks dieser Stele, das am 15. Juli 1799 im Nildelta gefunden und unter dem französischen Namen des Fundorts als „Stein von Rosette“ weltberühmt geworden ist, gelang 1822 die Entzifferung der Hieroglyphen.

[] Revolution, die

die bestehende politische und soziale Ordnung grundlegend verändernder, oft gewaltsamer Umsturz oder Umwälzungsprozess

Die Französische Revolution von 1789 ist ohne Zweifel eines der Schlüsselereignisse der Neuzeit. Gewaltsamer Auftakt war die Erstürmung der Bastille, eine als Gefängnis genutzte Stadttorbefestigung in Paris, in der schon prominente Gefangene wie Voltaire und Marquis de Sade eingesessen hatten. Der Abriss dieses Symbols für den verhassten Absolutismus begann gleich nach der Einnahme der Festung durch die revolutionären Massen am 14. Juli. Seit 1880 ist dieser Tag Nationalfeiertag in Frankreich – zu dem wir unseren Lesern dort cordialement gratulieren.

[] Duftwasser, das

schwachkonzentrierte, wohlriechende parfümähnliche Flüssigkeit

Tabaksdosen, Perücken, Seide – alles, was der galante Adelige im Zeitalter des Barocks eben so benötigte: Bei der italienischstämmigen Familie Farina, seit dem 13. Juli 1709 in Köln ansässig, war es zu haben. Berühmt wurde das Handelshaus allerdings, weil eines der Familienmitglieder, Johann Maria Farina, ein Duftwasser kreierte, das an die geliebte italienische Heimat erinnerte: „Ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Frühlingsmorgen erinnert, an Bergnarzissen, Orangenblüten kurz nach dem Regen. Er erfrischt mich, stärkt meine Sinne und Phantasie.“

[] Sommerloch, das

1. Zeit der politischen Sommerpause, die durch eine geringe Zahl medial verwertbarer Ereignisse charakterisiert ist; 2. Phase in den Sommermonaten mit niedriger wirtschaftlicher Aktivität

Wer erinnert sich nicht an Kuno, den dackelverspeisenden Wels, oder an Sammy, das Baggersee-Krokodil: Immer wenn Politik Urlaub macht und den Zeitungsredaktionen das Material ausgeht, bevölkert eine „Problem“-Fauna die Schlagzeilen. Ursprünglich stand der Ausdruck „Sommerloch“ in der Autoindustrie für den Absatzrückgang in den Sommermonaten. Später griff ihn die Presse als „Bonner Sommerloch(-Theater)“ auf. Gemeint waren Politiker, die die Nachrichtenflaute nutzten, um sich in Szene zu setzen. Die Boulevardpresse setzte dagegen erfolgreich auf publikumswirksame Tiere.

[] Rhapsodie, die

freie Instrumentalkomposition, der Volksliedmelodien zugrunde liegen

Musical-Nummern, die mittlerweile zu den viel gespielten Jazz-Standards zählen, wie „I’ve got a crush on you“, abendfüllende Opern wie „Porgy and Bess“, Orchesterwerke wie die berühmte „Rhapsody in Blue“: George Gershwins Erbe ist vielseitig und für seine nur kurze Lebenszeit bemerkenswert groß. Der New-Yorker Sohn russisch-jüdischer Immigranten wurde schon früh entdeckt und schnell zu einem der erfolgreichsten Pianisten, Komponisten und Dirigenten seiner Zeit. Leider starb er am 11. Juli 1937, im Alter von nur 38 Jahren, (scheinbar) ganz plötzlich an einem Hirntumor.

[] Prädestination, die

(besonders von Calvin als Lehre vertretene) göttliche Vorherbestimmung hinsichtlich der Seligkeit oder Verdammnis des einzelnen Menschen

Seit Beginn der Schöpfung gibt es, so Johannes Calvin, die Einen und die Anderen: die Auserwählten, deren Handlungserfolg von Gott vorbestimmt ist, und die Verdammten, denen Gott ein solches Schicksal verweigert. Seine Lehre von der „doppelten Prädestination“ beeinflusste die Gesellschaft vor allem des 17. Jahrhunderts grundlegend: Calvins Anhänger strebten vermehrt nach wirtschaftlichem Erfolg, weil sie in diesem Gottes Segen verwirklicht glaubten (Max Weber betrachtete daher den Calvinismus als die Wurzel des Kapitalismus). Heute vor 510 Jahren kam der Theologe zur Welt.

[] digital, Adj.

auf der Umwandlung von Signalen in Folgen binärer Zeichen beruhend; die entsprechende Technik verwendend; nicht real, virtuell, vom Computer oder im Internet simuliert

Man hat früh in der Entwicklung der Digital Humanities erkannt, dass digitale Editionen ganz neue Perspektiven auf Texte ermöglichen: Mit ihnen können z. B. sämtliche Überlieferungen (auch schwer zugängliche) eines Werks faksimiliert, die Texte automatisch auf Unterschiede hin verglichen, Editionen untereinander vernetzt und Fehler auch nach der Publikation korrigiert werden. Digitale Editionen entstehen in vielfältigen Formen und Formaten, für ganz unterschiedliche Nutzergruppen – und sie können prinzipiell für jeden zugänglich gemacht werden.

[] Empathie, die

Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen

„Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“. Für Käthe Kollwitz war Kunst immer auch politisches Medium: In Grafiken wie „Brot!“ klagte sie soziale Missstände an, setzte sich mit Plakaten wie „die Überlebenden“ für Pazifismus ein. Zugleich war ihr gesellschaftliches Engagement mit tiefer Empathie verknüpft. Ihre Kunst zeigt Menschen in all ihrer Not und Trauer, stets aber auch in ihrer ganzen Würde. Der 8. Juli 1867 ist ihr Geburtstag.

[] feuerspeiend, Adj.

Flammen ausstoßend

Sie ist nur 12,6 km² groß, aber sie hat es in sich: die Insel Stromboli. Gerade versprüht ihr gleichnamiger Hauptbewohner so viel Energie, dass er zur Gefahr für Leib und Leben wird. Der Vorgänger des derzeit massiv feuerspeienden, ständig aktiven Vulkans entstand bei einer ersten Eruption vor etwa 40 000 Jahren. Vor 5000 Jahren ersetzte ihn nach seinem Einsturz der heutige Stromboli. Explosionen, herabfallende Lapilli und zwei große Lavaströme sorgen derzeit für Aufregung auf der Mittelmeerinsel. Es kommt zu Evakuierungen und leider gab es schon einen Todesfall.

[] Palette, die

ovale oder rechteckig geformte Holzplatte oder Metallscheibe, die mit einem Loch versehen ist und dem Maler zum Anrichten und Mischen der Farben dient; übertragen: reiche, detaillierte Auswahl

„Ich male keine Träume oder Albträume, ich male meine eigene Realität.“ – Dass diese nicht traumhaft oder albtraumhaft, statt dessen aber zutiefst traumatisch ist, wird vor allem in ihren Selbstporträts offenbar: Viele verarbeiten Schicksalsschläge, spiegeln Erlebnisse von Schmerz, Verlust und Krankheit wider. Zugleich sind Frida Kahlos Gemälde von einer bemerkenswerten Ausdrucksstärke und Farbigkeit, integrieren viele Naturelemente und hier und da schimmert sogar Selbstironie durch. Am 6. Juli 1907 kam die heute bedeutendste Malerin Lateinamerikas in Mexiko zur Welt.

[] Mechanik, die

Wissenschaft von der Bewegung der Körper und den diese Bewegung bewirkenden Kräften

Nein, es war wohl nicht der berühmte Apfel, der Isaac Newton inspirierte – eher Keplers Gesetze der Planetenbewegung, Diskussionen mit Gelehrten und eigene Beobachtungen. Aber die von ihm erkannten Gesetzmäßigkeiten der Mechanik, mit denen er Bewegung von festen, flüssigen und gasförmigen Körpern unter dem Einfluss von Kräften beschrieb, fügten sich zu einem universal gültigen Weltbild, das erst im 20. Jh. durch die Relativitätstheorie erweitert wurde. Am 5. Juli 1686 erhielt sein epochales Werk „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ die Druckerlaubnis.

[] Sonnenwende, die

Zeitpunkt im Verlauf eines Sonnenjahres, an dem die Sonne ihre höchste bzw. tiefste Mittagshöhe über dem Horizont erreicht

Hätte sie unter idealen Bedingungen – erneut – das Licht der Welt erblickt, wüssten wir viel mehr über ihr „Vorleben“. So bleibt das Hypothetische noch hypothetischer: Heute vor genau 20 Jahren bargen zwei Raubgräber eine bronzene Platte aus dem Mittelberger Erdboden. Was sie nicht wussten: Sie hatten eines der wertvollsten je in Deutschland gefundenen archäologischen Objekte, die einzigartige „Himmelsscheibe von Nebra“, entdeckt. Was sie leider ignorierten: Ein metallener Fund ganz ohne Fundkontext ist leider kaum zu datieren und nur sehr schwer zu interpretieren.

[] kafkaesk, Adj.

in der Art der Schilderungen Kafkas; auf rätselvolle Weise bedrohlich

Vaterkomplex, Abgrenzung vom Bürgerlichen, religiöse Desorientierung, Existenzialismus: Dem Werk des am 3. Juli 1883 geborenen Prager Autors Franz Kafka werden viele Subtexte zugeschrieben, Einigkeit wird es unter seinen Exegeten niemals geben. Erstaunlicherweise ist aus der Kafka-Rezeption aber ein Attribut mit ziemlich eindeutiger Semantik hervorgegangen: Als „kafkaesk“, oder englisch „Kafkaesque“, gilt spätestens seit den 1930ern das rätselhaft Unheimliche, das unsichtbar Bedrohliche – sei es in einem Text, sei es im „realen“ Leben.

[] Matchball, der

Ballspiel: über den Sieg entscheidender Punkt beim Ballwechsel in einem Rückschlagspiel wie Tennis oder Badminton

Es war ein findiger Kopf, der den „Weißen Sport” im 19. Jh. revolutionierte: Walter Clopton Wingfield wollte das altehrwürdige, in Hallen gespielte „Real”-Tennis ins Freie holen. Neuartige gummierte Bälle machten das Spiel auf Rasen möglich und Cricket-Felder gab es in England reichlich. Zwischen 1874 und 1875 konnte Wingfield über 1000 selbstentwickelte Sets mit Bällen, Schlägern, Netz und Regelbuch für sein „Lawn-Tennis“ verkaufen. 1877 wurde dann der erste Matchball in einem Turnier geschlagen – in einem kleinen Städtchen namens Wimbledon.

[] Pseudonym, das

angenommener, nicht der wirkliche Name

Sie rauchte Zigarren und trug Anzüge, sie war geschieden, hatte Affären, schrieb sozial engagierte Romane und regimekritische Artikel – Amandine Aurore Lucile Dupin war keine Frau, die den Erwartungen der französischen High-Society im 19. Jh. entsprach. Die selbstbewusste, arbeitswütige Feministin schrieb dennoch unter männlichem Pseudonym: Als George Sand veröffentlichte sie um die 180 Bände, darunter weltweit erfolgreiche Romane wie „Lélia“, „Mauprat“ und „Consuelo“. Heute vor 215 Jahren kam sie in Paris zur Welt.

[] Ungeheuer, das

großes, hässliches, wildes, grauenerregendes Tier des Volksaberglaubens

Sie war das erste Opfer: die erst 14-jährige Jeanne Boulet, die am 30. Juni 1764 grausam entstellt aufgefunden wurde – „getötet von der wilden Bestie“, wie das amtliche Protokoll trocken vermerkte. Der Schrecken, der in der Folgezeit die abgelegene Region Gévaudan im französischen Zentralmassiv heimsuchte, kostete annähernd 100 Menschenleben und endete abrupt 1767. War es ein Wolf, eine Hyäne oder – wie ein Biologe kürzlich vermutete – gar ein aus einer Menagerie ausgebrochener Löwe? Die Identität des mörderischen Ungeheuers ist bis heute unklar.

[] zurückgezogen, part. Adj.

zurückgezogen leben: den Kontakt mit den Menschen seiner Umgebung, gesellschaftlichen Umgang meiden, ganz für sich leben

„Deiner Seele Schritt / war leise neben mir, o leis, und glitt / leis zwischen mich und das was niederhing / in meinen Tod.“ Die in ihrer Zeit lebhaft rezipierte, hoch gefeierte englische Sonett-Dichterin Elizabeth Barrett Browning hatte viel zu sagen, nicht nur über Liebe und Vergänglichkeit. Zeitlebens litt sie an einer unbekannten Krankheit, wodurch sie früh zum Rückzug, aber auch zu dichterischen Marathon-Leistungen inspiriert wurde – sie schrieb und schrieb; und blickte dabei auf Welt und Menschheit wie durch die „vierte Wand“. Der 29. Juni 1861 ist ihr Todestag.

[] Feuerwaffe, die

Waffe, bei der zur Beschleunigung des Geschosses die Energie von Pulvergasen ausgenutzt wird

Mit der Schlacht von Nagashino, dem Durchschnittseuropäer ist diese – wenn überhaupt – nur durch Akira Kurosawas Film (Kagemusha ‚Schattenkrieger‘) ein Begriff, brach im Japan des 16. Jh. eine neue Zeit an. Am 28. Juni 1575 endete die Kavallerieattacke von Elitekriegern des Provinzfürsten Takeda im Kugelhagel tausender Arkebusen. Der Gegenspieler Takedas, Fürst Oda Nobunaga, hatte seine Truppe mit erst kürzlich eingeführten Feuerwaffen ausgerüstet. Das Gefecht leitete in Japan die Edo-Zeit ein, erstaunlicherweise eine eher friedliche Epoche, in der Gewehre keine Rolle mehr spielten.

[] ausschlafen, Vb.

bis zur Genüge schlafen

„Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag”, so heißt es in der Bauernregel. Tatsächlich stellt sich diese Wettersingularität Anfang Juli durchaus häufig ein. Seinen Namen schuldet der Siebenschläfertag nicht dem pelzigen, viele Monate winterschlafenden Nagetier, sondern einer ganz und gar wunderlichen Heiligenlegende: Am 27. Juni des Jahres 446 n. Chr. entstiegen sieben junge Christen nach langem, gottgegebenem Schönheitsschlaf einer Höhle in Ephesos. Sie waren dort ihres Glaubens wegen von römischen Verfolgern eingemauert worden – ganze 200 Jahre zuvor.

[] Buckel, der

ein durch Wirbelsäulenverkrümmung verwachsener, krummer Rücken, Ast

Shakespeare stellte ihn als hinkenden Krüppel dar, Thomas Morus bezeichnete ihn als bucklige Kröte. Bei Richard III. – am 26. Juni 1483 zum englischen König gekrönt – waren es seine körperlichen Gebrechen, die als Beweis für seine vermeintliche Verderbtheit herhalten mussten. Vieles war allerdings maßlos übertrieben. Als man 2012 seine Überreste entdeckte, stellte sich heraus, dass Richard zwar an einer seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule, einer Skoliose, litt, nicht jedoch an einem Buckel. Und gehinkt hat er auch nicht.

[] promovieren, Vb.

die Doktorwürde erlangen; jmdm. die Doktorwürde verleihen

Es sei Frauen nicht erlaubt, im Gottesdienst zu sprechen, so heißt es in den Korintherbriefen (1 Kor. 14,34). Elena Lucrezia Cornaro Piscopia, dem Ausnahmetalent, das im Kindesalter bereits sieben Sprachen beherrschte und antike Schriften studierte, verwehrte dieses Bibelwort zunächst – auf Geheiß des Bischofs von Padua – die verdiente Lehrerlaubnis und Doktorwürde der Theologie. Nach einer brillanten Disputation, welche die anwesenden venezianischen Gelehrten tief beeindruckte, erlangte sie aber am 25. Juni 1678, als erste Frau der Welt, den Doktortitel in Philosophie.

[] Glockenspeise, die

Legierung aus Kupfer und Zinn zur Herstellung von Glocken, Glockengut

Sie erklingt nur an Hochfesten und zu besonderen Anlässen, denn sie ist ein ganz besonderes Artefakt: Die im Katharinenturm der Bad Hersfelder Stiftsruine aufgehängte Lullusglocke ist die ältest-datierte Bronzeglocke Deutschlands. Die Inschrift ist nicht leicht zu deuten, doch dürfte sie vermutlich der Maria geweiht und am 24. Juni 1038, also vor fast 1000 Jahren, aus einer für den Glockenguss typischen Legierung aus Zinn und Kupfer gegossen worden sein. Benannt wurde sie nach dem Erzbischof Lullus von Mainz, zu dessen Ehrenfest sie alljährlich geläutet wird.

[] Höhenkrankheit, die

durch eine geringere Sättigung des Blutes mit Sauerstoff in der dünnen Luft großer Höhen hervorgerufenes Unwohlsein

„Wir fingen nun (...) an, alle an grosser Ueblichkeit zu leiden. Wir bluteten aus dem Zahnfleisch und aus den Lippen.” Es folgten schwere Atemnot und Ohnmacht. Die Besteigung des Chimborazo in Ecuador am 23. Juni 1802 erwies sich als unerwartet große Herausforderung für Alexander von Humboldt und seine Begleiter. Was die Gelehrten auf ca. 5600 Metern Höhe erlitten, war ihnen (und anderen Forschern der Zeit) keineswegs unbekannt, niemand zuvor aber hatte die Symptome einer Höhenkrankheit vergleichbar präzise, detailliert und anschaulich beschrieben.

[] tagesaktuell, Adj.

von diesem Tag stammend und daher ganz aktuell

Die Aufregung in der Bundesrepublik war groß, als am 12. Mai 1971 mit Wibke Bruhns erstmals eine Frau als Nachrichtensprecherin an die Öffentlichkeit trat. Doch als sie nach 380 Sendungen den heute-Nachrichten Lebewohl sagte, war sie längst akzeptiert. In ein Schema pressen ließ sie sich ohnehin nie. Tagesaktuelle Texte vorzulesen genügte ihr schon bald nicht mehr. Fortan schrieb sie als freie Journalistin aus Jerusalem und Washington, produzierte Sendungen für WDR und Arte. Und sie hatte als Buchautorin großen Erfolg. Vorgestern ist Wibke Bruhns im Alter von 80 Jahren gestorben.

[] Etymologie, die

Herkunft und ursprüngliche Bedeutung eines Wortes, einer Wortfamilie

Wer sich für die Geschichte von Wörtern interessiert, für den ist „der Kluge“ ein fester Begriff. Dass das inzwischen in 25. Auflage erschienene „Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache” auch heute noch gerne gelesen wird, liegt am breit gefächerten Interesse seines Begründers Friedrich Kluge. Für ihn war Wortgeschichte stets auch Kulturgeschichte der Ideen und Sachen. So konnte der am 21. Juni 1856 in Köln geborene Germanist durch seine Studien zeigen, dass auch Sondersprachen wie das Rotwelsch, die Seemanns- oder die Studentensprache unseren Wortschatz bereichern.

[] aufziehen, Vb.

eine Feder von etw. anspannen, straffen

„La chanson d’Olympia, ah! Ah! Ah! Ah! Ah! Ah! Aah!“ Nicht gerade ein Lied mit Tiefgang singt die hinreißende Olympia, und doch verliebt sich der Dichter E.T.A. Hoffmann unsterblich in sie. Was dieser, eine magische Brille tragend, jedoch nicht sieht: Olympia ist kein Mensch – sie ist eine Aufziehpuppe; der arme Dichter liebt ein Uhrwerk; und dieses muss erst in Trümmern vor ihm liegen, bis er die Wirklichkeit erkennt. Jacques Offenbach, der Schöpfer der berühmten Oper „Hoffmanns Erzählungen“, in der diese Geschichte musikalisch verarbeitet wird, feiert heute seinen 200. Geburtstag.

[] gefräßig, Adj.

sehr aufs Essen bedacht, unersättlich im Essen

Er kennt weder Bodyshaming noch Burn-out. Auch will er nicht etwa die ganze Torte, sondern gleich die ganze Bäckerei. Der fette – pardon: untergroße –, orange-gestreifte Comic-Kater Garfield lebt ungeniert all das aus, was sich der Normalmensch täglich verkneifen muss. Seinem Schöpfer Jim Davis, der sich selbst in den Strips als unterbelichtetes Herrchen auf die Schippe nimmt, bescherte er weltweit eine riesige Fan-Gemeinde. Am 19. Juni feiert das Katzenvieh seinen 41. Geburtstag – vermutlich mit reichlich Lasagne. Herzlichen Glückwunsch, Garfield!

[] Multitalent, das

auf unterschiedlichsten Gebieten, äußerst vielseitig begabter Mensch

Er schrieb immergrüne Hits wie Yesterday, Penny Lane, Blackbird und Let it be, komponierte ein Oratorium, wurde in den Ritterstand erhoben, erhielt unzählige Musikpreise, unter anderem mehrere Grammys, und die Ehrendoktorwürde der Universität Yale. Er ist ein kreatives Multitalent. Und zweifelsohne einer der erfolgreichsten Songwriter aller Zeiten. Zudem lebt er als Vegetarier, kämpft für den Tierschutz und engagiert sich in verschiedenen karitativen Projekten. Der ehemalige Beatle Paul McCartney wurde heute vor 77 Jahren in Liverpool geboren. Wir singen Happy Birthday!

[] Aufstand, der

Rebellion einer größeren Volksmenge gegen die Staatsgewalt, Empörung

17. Juni 1953 – weder die SED-Führung noch westliche Beobachter hatten damit gerechnet: In Ostberlin und vielerorts in der DDR streikten die Arbeiter und demonstrierten gegen die verordneten Erhöhungen der Arbeitsnormen. Doch es ging um mehr. Unter Rufen: „Wir wollen freie Bürger sein“ wurden auch Forderungen nach freien Wahlen laut. Der Aufstand wurde noch am selben Tag blutig niedergeschlagen, aber die Welt hatte gesehen: In Deutschland gingen die Menschen – acht Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur – für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße.

[] erzählen, Vb.

ein Geschehnis oder etwas Erdachtes ausführlich, auf unterhaltsame Weise mündlich oder schriftlich wiedergeben

Als der Schwarze Tod im Frühjahr 1348 auch Florenz heimsucht, fliehen zehn Stadtbewohner gemeinsam auf ein Landgut, um dort der drohenden Gefahr zu entgehen. Zehn Tage bleiben sie, zehn Geschichten erzählen sie sich, und zwar Tag für Tag. Diesem fiktiven Arrangement entspringen die 100 legendären, teils sehr eindeutig zweideutigen Novellen des Dekameron: Sie handeln von Bauern und Königen, von Jungfrauen und Bösewichten, von Freundschaften, Geschäften, Intrigen … und Schäferstündchen. Giovanni Boccaccio, ihr Autor und Sammler, kam heute vor 706 Jahren zur Welt.

[] Strandkorb, der

am Badestrand aufgestellter großer Korbstuhl mit Dach, der als Windschutz und Sonnenschutz dient

Die an Rheuma leidende Elfriede Maltzahn wollte nicht auf ihr Strandbad verzichten, also gab sie beim Rostocker Korbmacher Wilhelm Bartelmann eine vor Wind und Sonne schützende Sitzgelegenheit in Auftrag, die dieser prompt aus Rohr und Weiden für sie anfertigte und am 15. Juni 1882 am Warnemünder Strand aufbaute. Der zunächst noch einsitzige Korbstuhl zog bald neidische Blicke auf sich. Bartelmann reagierte schnell: Er ergänzte einen weiteren Sitzplatz sowie Fußstützen und Markisen, ging in Serienproduktion und schuf damit die Möbel-Ikone des Nordens: den Strandkorb.

[] Alzheimerkrankheit, die

hirnorganische Demenzerkrankung, die mit Störungen bis zum fast vollständigen Verlust des Gedächtnisses und der Orientierung sowie starker Persönlichkeitsveränderung einhergeht

Mit ihm hielt etwas Menschlichkeit Einzug in die Psychiatrie. In einer Zeit, in der psychisch Kranke und geistig Behinderte verschämt weggesperrt, angebunden und mit zweifelhaften Methoden mehr gequält als therapiert wurden, vermied er Zwang, setzte auf Gespräche und Spaziergänge. Bekannt wurde der Psychiater Alois Alzheimer allerdings durch die nach ihm benannte demenzielle Erkrankung. Er hatte als erster die von Eiweißablagerungen und massenhaftem Absterben von Nervenzellen begleiteten krankhaften Veränderungen im Gehirn beschrieben. Geboren wurde er am 14. Juni 1864.

[] Justizmord, der

Vollstreckung der Todesstrafe an einem unschuldig Verurteilten

Das Verfahren gilt als Justizmord und zugleich als letzter Hexenprozess. Dabei fiel das Wort Hexerei im Urteil kein einziges Mal. Die Schweizer Dienstmagd Anna Göldi, die am 13. Juni 1782 enthauptet wurde, hatte unter Folter gestanden, die Tochter ihres Dienstherrn mit einem Schadzauber belegt zu haben. Tatsächlich hatte das Kind Nadeln erbrochen – allerdings lange, nachdem die Magd das Haus verlassen hatte. Man verurteilte sie offiziell „nur” als Giftmörderin, im Grunde aber als Hexe, da sie nach realistischen Maßstäben die Tat niemals hätte begehen können.

[] Gewitterfront, die

vordere Linie von Luftmassen, deren Durchzug von Gewittern begleitet ist

„Der Sturm spielt auf zum Tanze, / Er pfeift und saust und brüllt; / Heisa! wie springt das Schifflein! / Die Nacht ist lustig und wild.” Was „Klaus” und „Jörn” während der letzten Tage angerichtet haben, war ausgesprochen wild, aber vor allem im Süden alles andere als lustig: Anders als die Gewitterfront in Heines Gedicht wüteten diese beiden auf dem Festland, warfen walnussgroße Hagelkörner auf Windschutzscheiben, rissen an Fassaden und – laut donnernd – an unseren Trommelfellen. Den Vorhersagen nach hat der Juni noch einiges dieser Art zu bieten. Bleiben Sie sicher!

[] Rassismus, der

Theorie, Ideologie, allgemeine Vorstellung von der Höher- oder Geringerwertigkeit bestimmter Gruppen von Menschen aufgrund gewisser körperlich-biologischer oder ethnischer Merkmale

Am 11. Juni 1963 machten sich Vivian Malone und James Hood auf den Weg zur University of Alabama, um dort ihre Einschreibung abzuschließen. An der Pforte des Foster-Hörsaals aber versperrte ihnen Gouverneur George Wallace – von Pressekameras umzingelt – den Weg; er hatte seinen Wählern bei Amtsantritt versprochen, entschieden für „Rassentrennung jetzt und in Zukunft” einzustehen. Erst auf Befehl des Präsidenten J.F. Kennedy höchstpersönlich wich er widerwillig zur Seite und gewährte den beiden afroamerikanischen Studierenden den Zugang.

[] Kugelschreiber, der

Schreibgerät mit einer auswechselbaren Mine, die mit einer pastenartigen, schnell trocknenden Masse gefüllt ist und an der Spitze eine kleine Stahlkugel hat

Es war ein ermüdender, lästiger Rhythmus, jedem Schreiber vertraut – jahrtausendelang, vereinzelt bis ins 20. Jh. hinein: eintauchen der Feder in das Tintenfass, schreiben, eintauchen, schreiben ... Abhilfe schaffte erst der Ungar László József Bíró: Anstelle der Feder verwendete er eine Schreibspitze mit einer Stahlkugel, die die Tinte gleichmäßig verteilte – die Tinte war eine zähflüssige Paste, die in der Mine nicht eintrocknete, auf dem Papier aber nicht schmierte. Am 10. Juni 1943 erhielt er das Patent auf seinen Kugelschreiber.

[] Pfingstochse, der

nach einem Brauch mit Blumen und Zweigen geschmückter Ochse, der so auf die Sommerweide getrieben wird

In der Bibel haben Pfingstereignis und Ochse eigentlich nichts gemein. Weder taucht der Paarhufer dort als Verkörperung des Heiligen Geistes auf (diese Rolle übernimmt die Taube), noch wird er anderswo in der Pfingstgeschichte erwähnt. Gleichwohl hat es der Pfingstochse sowohl in die bäuerliche Tradition als auch in den Schatz sprichwörtlicher Redewendungen geschafft: Bunt geschmückt ist das Tier, das am Pfingstsonntag die Festtagsprozession anführt. Entsprechend etikettiert man den übermäßig fein gemachten Schönling gerne einmal als „herausgeputzt wie ein Pfingstochse”.

[] Anstoß, der

Fußball: erster Stoß, Schuss

Heute, 15:00 Uhr: Anstoß für die deutschen WM-Kickerinnen. Die großen Erfolge des Teams lassen vergessen, dass sich Deutschland mit seinen Fußballerinnen immer schwertat: Unvergessen sind das Verbot des DFBs von 1955, Frauenmannschaften überhaupt zuzulassen; oder das unsägliche Kaffeeservice, das als Belohnung für den gewonnenen WM-Titel 1989 überreicht wurde. Herausforderungen bleiben zwar, aber immerhin hat der DFB bei der Siegprämie dazugelernt: Beim Sieg winken jeder Spielerin 75 000 Euro.

[] Rücktritt, der

1. das Zurücktreten, die Amtsniederlegung, besonders von Mitgliedern einer Regierung; 2. das Rückgängigmachen eines Rechtsgeschäfts o. Ä. und der daraus folgenden Verpflichtungen

In der Politik finden derzeit spektakuläre „Rücktritte“ statt. Abseits des politischen Tagesgeschäfts verweist das Wort auf einen interessanten Aspekt der deutschen Wortbildung: Man fordert jemanden auf, „zurück-zutreten“, es folgt u. U. der „Rück-tritt“, nie jedoch ein „Zurück-tritt“. Das Phänomen findet sich ebenso bei Paarungen wie etwa „zurückbilden“ – „Rückbildung“. Oft tragen die Substantive dabei eine abstraktere Bedeutung. Tatsächlich existiert die Form „rück-“ erst seit dem 16. Jahrhundert und war damals vor allem in Fachsprachen beliebt.

[] D-Day, der

1. Zeitpunkt, an dem eine militärische Operation beginnt; 2. allgemeiner: Tag, an dem etwas Entscheidendes, das schon länger geplant ist, geschehen soll; Tag, der als verbindlicher Termin für etw. gilt

Der D-Day – die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie – er leitete das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft ein. In der deutschen Öffentlichkeit war die Erinnerung an diesen Tag dagegen lange Zeit kaum präsent, das Wort „D-Day“ eher ein Fachausdruck für Geschichtsbücher. Dass sich aber spätestens seit den 1990er Jahren ein Wandel der Erinnerungskultur abzeichnet, lässt sich auch an den Textkorpora des DWDS ablesen, wie ein Überblick über die gesteigerte Verwendung des Ausdrucks und verwandter Begriffe veranschaulicht.

[] Umweltzerstörung, die

Zerstörung der natürlichen Umwelt, besonders durch Raubbau und Verschmutzung

Die Ziele waren hoch gesteckt: Der Mensch als Geschöpf und Gestalter seiner Umwelt sollte Verantwortung übernehmen. Über 109 Empfehlungen zum Schutz der Umwelt und der Menschheit legte die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen (5.–16. Juni 1972) vor. Erstmals bekannten sich die teilnehmenden Staaten zu einer grenzübergreifenden Umweltpolitik. Doch nicht nur Insektensterben in den Industriestaaten, Luftverschmutzung in den Metropolen, Plastikmüll in den Weltmeeren und die globale Erwärmung machen heute, am Tag der Umwelt, den Ernst der Lage deutlich.

[] Ewiggestrige, die oder der

umgangssprachlich, abwertend: jmd., der in seinen Ansichten nicht mit der Zeit geht

Der zur Abdankung gezwungene Kaiser Wilhelm II. flüchtet im November 1918 in die Niederlande ins Exil. Auf dem kleinen Schlösschen Doorn richtet sich der prominente Asylbewerber einen Hofstaat en miniature ein, befördert, verleiht Orden, wettert gegen die Weimarer Republik, hetzt gegen Juden – und hackt Holz, begafft von Schaulustigen und Touristen. Über zwei Jahrzehnte hofft der entthronte Monarch auf seine Wiedereinsetzung – ein Ewiggestriger, den auch die Nationalsozialisten nicht mehr ernst nehmen. Am 4. Juni 1941 stirbt er im Alter von 82 Jahren.

[] Venus, die

Astronomie: der von der Sonne aus gesehen zweite Planet unseres Sonnensystems, der als glänzender Stern am Morgenhimmel oder Abendhimmel erscheint, Morgenstern, Abendstern

Der Venustransit, also das Vorbeiziehen des Planeten vor der Sonne, sollte am 3. Juni 1769 ein großes Rätsel lösen: Von mehreren weit entfernten Punkten aus wollte man über Messung von Durchgangszeit und Winkelbestimmung die genaue Distanz Erde-Sonne ermitteln. James Cook war eigens mit der Endeavour nach Tahiti entsandt worden. Doch: „Wir sahen deutlich eine Atmosphäre oder einen düsteren Schatten um den Körper des Planeten, was große Verwirrung (...) verursachte“. Tatsächlich hatte die Qualität der Instrumente für eine genaue Bestimmung nicht ausgereicht.

[] Jubelperser, der

1. Mitglied einer Gruppe aus Geheimdienstmitarbeitern und regimetreuen Iranern, die dem Schah bei seinem Besuch in Berlin im Juni 1967 zujubelten und z. T. mit Gewalt Demonstrationen gegen den Schah zu verhindern versuchten; 2. salopp, abwertend: Person, die jmdm. auf Bestellung zujubelt, zu etw. Beifall klatscht

Am 2. Juni 1967 besucht der Schah von Persien West-Berlin. Auf der Tagesordnung steht: Eintrag in das Goldene Buch der Stadt. Eine Gruppe (wohl eingekaufter) Iraner steht mit Plakaten, Porträts und Schlagstöcken vor dem Rathaus, um dem Monarchen zuzujubeln und um die äußerst kritischen 400 Gegendemonstranten (nicht nur stimmlich) zu überwältigen. Was folgt, ist Geschichte: Eine Schlägerei eskaliert, die Polizei schützt die Schläger eher als die Geschlagenen, es folgen Proteste, in deren Folge die „westdeutsche Studentenbewegung” ihren Anfang nimmt.

[] kindgerecht, Adj.

einem Kind entsprechend; kindgemäß

Es begann mit einer humanitären Krise. Erschüttert vom Elend osteuropäischer Flüchtlingskinder nach dem Ersten Weltkrieg gründete die englische Grundschullehrerin Eglantyne Jebb das Hilfskomitee „Save the Children“. Ihr Engagement mündete 1928 in der „Genfer Erklärung“ des Völkerbundes, die die Verantwortung der Menschheit für das Wohl der Kinder festschrieb. Es waren Minimalforderungen, die vorwiegend dem Schutz der Kinder dienen sollten. Doch eingelöst sind sie in vielen Gebieten der Erde bis heute nicht. Der heutige Internationale Kindertag soll daran erinnern.

[] Ausgrabung, die

Freilegung geschichtlicher, vorgeschichtlicher Funde

Die lange geplante, archäologisch höchst umstrittene Kampagne auf dem türkischen Hügel Hisarlık Tepe hatte – er war sich ganz sicher – das antike Troja zum Vorschein gebracht. Als Heinrich Schliemann am 31. Mai 1873 dann eigenhändig die berühmten 8000 Goldgegenstände, den „Schatz des Priamos”, aus den Trümmern zog, erreichte seine Ausgräber-Euphorie ihren Höhepunkt. Archäologen wissen heute, dass der Goldhort nie in den „Händen des Priamos” lag: Schliemann barg ihn aus einer Schicht, die rund 1000 Jahre älter war als die des vermeintlichen mythologischen Troja.

[] Rückschritt, der

Entwicklung zu einem schlechteren, (längst) überwundenen Zustand

Sie war der letzte Triumph des ersten frei gewählten deutschen Parlaments in Frankfurt: die Paulskirchenverfassung von 1849. Ein demokratischer Staat mit einklagbaren Grundrechten sollte entstehen, mit einem konstitutionellen Monarchen an der Spitze. Doch der Widerstand war stärker: Friedrich Wilhelm IV. lehnte die ihm angebotene Kaiserkrone ab. Die gewaltsame Parlamentsauflösung drohte. Am 30. Juni 1849 dann das Ende: Viele Abgeordneten resignierten. Ein Rest tagte noch für kurze Zeit in der württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart.

[] tragisch, Adj.

Trauer, schweres Leid hervorrufend, erschütternd, voller Tragik

„Ich kann nichts im Leben – aber alles auf der Leinwand.“ Dieses verletzliche Selbstbild spiegelt sich im komplexen Mythos wider, der schon zu Lebzeiten um sie herum entstand: erst kindliche Kaiserin, dann Enfant terrible, dann Femme fatale, dann Grande Dame – ungemein talentiert und erfolgreich, bildschön, geliebt, geehrt und gefeiert, aber immer wieder verfolgt von privaten Tragödien. Als die große Romy Schneider am 29. Mai 1982 unerwartet in ihrer Pariser Wohnung verstarb, konnte die Presse nicht anders: Sie sprach vom „Tod am gebrochenen Herzen”.

[] Thriller, der

Roman oder Film, der beim Leser oder Zuschauer über den gesamten Handlungsverlauf Spannung und Nervenkitzel hervorruft

Ian Fleming, Schöpfer der Pop-Ikone James Bond, die sich seit über 60 Jahren in Film und Fernsehen für den britischen Geheimdienst ins Zeug legt, hat selbst ein bewegtes Leben hinter sich. Als Journalist spionierte er in Moskau für den britischen Geheimdienst und im Zweiten Weltkrieg war er Geheimdienstoffizier der Marine. Die waghalsigen Kommandoaktionen, die er dort plante (aber nicht eigenhändig ausführte), die Persönlichkeiten, die ihm dort begegneten: Sie bildeten den Stoff, aus dem er seine Thriller schuf. Am 28. Mai 1908 wurde er in London geboren.

[] Sonnenfinsternis, die

teilweise oder völlige Verfinsterung der Sonne, die dann eintritt, wenn der Mond zwischen Sonne und Erde steht

Ein babylonischer Astronom, der am frühen Morgen des 27. Mai 669 v. Chr. auf den Horizont blickte, wurde Zeuge einer äußerst seltenen ringförmigen Sonnenfinsternis. Penibel notierte er, was er sah – Himmelszeichen waren Staatsangelegenheit. Und so kommentierte der Schreiber Rasil der Ältere das Ereignis in einem Brief an den König: „Wenn die Sonne nach ihrem Aufgang wie eine Sichel aussieht und am Ende eine Krone trägt wie der Mond, wird der König das feindliche Land erobern. Das Böse wird weichen. Und dem Land wird Gutes widerfahren.”

[] Europawahl, die

Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

Zum neunten Mal treten heute rund 400 wahlberechtigte Bürger der Europäischen Union an die Urnen, um über ihre Vertretung in der EU, das Europäische Parlament, zu entscheiden. Gewählt werden 751 Abgeordnete aus 28 Staaten. Das Europäische Parlament hat verschiedene zentrale Aufgaben: Es verhandelt über die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen EU-Gesetze, es kontrolliert alle Organe der EU und es trifft Entscheidungen über den Haushalt. Mit der Stimmabgabe bei der Europawahl kann jeder Bürger eines Mitgliedstaats die europäische Politik aktiv beeinflussen.

[] Handtuch, das

Tuch zum Abtrocknen der Hände, des Gesichts

„Ein Handtuch (...) ist so ungefähr das Nützlichste, was der interstellare Anhalter besitzen kann”, konstatiert der findige Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis”, und in der Tat rettet ein solches dem Erdling Arthur Dent und seinem Freund Ford Prefect auf ihrer Irrfahrt durch das Universum wiederholt die Haut. Als ihr literarischer Schöpfer Douglas Adams Anfang Mai 2001 plötzlich verstarb, reagierten seine Fans äußerst betroffen; und erklärten den 25. Mai zum internationalen „Towel Day” – ist Ihnen heute schon ein „Adamsianer” mit auffälligem Frottee-Accessoire begegnet?

[] Genealogie, die

Forschungsgebiet, das sich mit der Herkunft u. den Verwandtschaftsverhältnissen bestimmter Personen, Familien, Sippen, mit Ursprung, Folge und Verwandtschaft der Geschlechter befasst; Geschlechterkunde

Woher stammen meine Vorfahren? Welchen Beruf hatte mein Ururgroßvater? Bin ich mit der gleichnamigen Berühmtheit verwandt? Oder fließt vielleicht blaues Blut in mir? Mit historischem Scharfsinn machen sich Genealogen auf die Suche nach Antworten auf diese Fragen. Sie studieren alte Fotos, wälzen sich durch Familien- und Kirchenbücher, entwerfen Stammbäume und stellen geschichtliche Zusammenhänge her. Sie sind Forscher und Erzähler zugleich – aber sie dürfen keine Phantasten sein: Denn auch für die Genealogie gilt das Prinzip höchster Wissenschaftlichkeit.

[] Schildkröte, die

als Landtier oder Wassertier lebendes Reptil mit kurzer, gedrungener Körperform und zwei den Rücken und Bauch bedeckenden, seitlich zusammengewachsenen Hornplatten, zwischen die Kopf, Schwanz und Beine zurückgezogen werden können

Schildkröten können nicht nur ein hohes Alter erreichen (über 200 Jahre), sie sind auch entwicklungsgeschichtlich sehr „alte” Tiere. Im Verlauf der Evolution haben sich die Testudines (so der wissenschaftliche Name) über 220 Millionen Jahre durch Anpassungsfähigkeit und Genügsamkeit immer wieder behaupten können. Ihr charakteristisches Merkmal, um das sie viele beneiden, ist der schützende Panzer, hervorgegangen aus zusammengewachsenen Wirbeln und Rippenbögen. Der heutige Welttag der Schildkröte erinnert daran, dass ihre Bestände vielerorts gefährdet sind.

[] Erbfolgestreit, der

Streit um die Erbfolge

Im Streit ums Erbe haben sich schon ganze Familien hoffnungslos zerstritten. Immerhin können Konflikte heute meist zivil(gerichtlich) beigelegt werden. Die Erbfolgestreitigkeiten antiker Herrschergeschlechter verliefen dagegen oft weniger gütlich: „Geschlichtet” wurde nach dem Tod Konstantins des Großen am 22. März 337 auf eine Weise, die eher an eine besonders blutige Folge von „Game of Thrones” erinnert. Um den für die Regentschaft vorbestimmten Söhnen Erbe und Herrschaft zu sichern, meuchelten Militärs kurzerhand den restlichen Konstantin’schen Familienclan.

[] Friedhofsstille, die

Stille, die auf einem Friedhof, wie sie auf einem Friedhof herrscht

Adélaïde Paillard de Villeneuve war erst fünf Jahre alt, als sie am 21. Mai 1804 in die Geschichte einging – leider nur postum: Mit ihrer Beerdigung begann die Existenz des legendären Pariser Friedhofs Père Lachaise. Um die 1 Mio. Menschen wurden seitdem hier beigesetzt, darunter Berühmtheiten wie Frédéric Chopin, Alfred de Musset, Edith Piaf, Oscar Wilde und Jim Morrison. Sie ziehen jährlich bis zu 3,5 Mio. Besucher an. Der Friedhof ist zwar nach dem Jesuitenpater François d’Aix de Lachaise benannt, konfessionell ist er aber völlig ungebunden.

[] Indigo, der oder das

tiefblauer Farbstoff

Tausende versuchten während des Goldrauschs von 1848 bis 1854 ihr Glück als Goldgräber in Kalifornien. Gute, stabile Arbeitskleidung war heiß begehrt und so kam der Schneider Jacob Davis auf die Idee, die Hosentaschen der damals verbreiteten Hosen aus braunem Segeltuch mit Nieten zu verstärken. Zusammen mit Levi Strauss, einem wohlhabenden kalifornischen Großhändler, ließ er diese Hose am 20. Mai 1873 patentieren. Wenig später wurde das Segeltuch durch den indigoblauen Baumwollstoff Denim ersetzt: Die legendäre Blue-Jeans war geboren.

[] Salon, der

regelmäßig stattfindende Gesellschaft eines literarisch und künstlerisch interessierten geselligen Kreises, besonders im 18., 19. Jahrhundert

Der Einfluss der Rahel Varnhagen von Ense auf die Berliner Bildungselite zur Wende des 18. auf das 19. Jh. ist kaum zu überschätzen. In ihrem Salon trafen sich zuerst Größen wie Humboldt, Tieck und Schlegel, dann – in der Spätphase – von Arnim, Hegel und Heine. Letzterer verlieh ihr sogar den Titel der „geistreichste(n) Frau des Universums”. Ihr umfangreicher Briefwechsel und die Sammlungen kleinerer Schriften, in denen sie die Kultur und Politik ihrer Zeit reflektiert, zeugen von ihrer intellektuellen Brillanz. Am 19. Mai 1771 wurde sie in Berlin geboren.

[] Rasenmäher, der

handbetriebene oder mit einem Motor ausgerüstete kleine Mähmaschine zum Mähen des Rasens

Gras ist eine wildwuchernde Pflanze. Und wer bis ins 19. Jahrhundert hinein auf einen gepflegten Rasen nicht verzichten wollte, dem blieb nur die Sense. Diese kam immer häufiger zum Einsatz, denn Sportarten wie Cricket machten den Bedarf an gemähtem Grün zunehmend zu einer Lebensnotwendigkeit. So kam die Erfindung des Handrasenmähers gerade recht. Dessen Funktionsprinzip mit den waagrechten, zylindrisch angeordneten Klingen hat sich bis heute kaum verändert. Am 18. Mai 1830 unterzeichnete der (natürlich englische) Erfinder Edwin Budding den Produktionsvertrag.

[] Karussell, das

in Vergnügungsparks, bei Volksfesten aufgestellte, meist horizontale, große Scheibe, die durch Menschen, Pferde oder Kraftmaschinen bewegt wird und auf der hölzerne oder metallene Pferde, Autos, Wagen zur Aufnahme von Fahrgästen angebracht sind

„Und das geht hin und eilt sich, dass es endet, / und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel“. Das Karussell, von Rilke im gleichnamigen Gedicht so zeitlos schön besungen, fasziniert noch immer. Es gehört wohl zur kollektiven Kindheitserinnerung, stolz auf einem Pferd, einem Feuerwehrauto (oder einem weißen Elefanten) von dannen zu ziehen, um den winkenden Eltern doch immer wieder zu begegnen. Wann sich das erste Kinderkarussell drehte, ist unbekannt. Ein Reisebericht, der das Fahrgeschäft erstmals in Bulgarien erwähnt, stammt vom 17. Mai 1620.

[] Farbenlehre, die

Lehre von den Farben, ihrer Zusammensetzung, Ordnung und Messung

Goethe gegen Newton – Dichterfürst gegen Physik-Genie: Als Goethe nach Jahrzehnten der Vorarbeit am 16. Mai 1810 seine „Farbenlehre“ veröffentlichte, war dies auch eine polemische Breitseite gegen Newton, an dessen Theorie vom Licht er sich in den drei Bänden abarbeitete. Dass sich weißes Licht, durch ein Prisma geleitet, in Spektralfarben aufspalten ließ, wies er zurück. Licht war ihm zufolge unteilbar und Farben verstand er als „Mischung von Licht und Schatten“. Bei Malern stieß er damit auf Gegenliebe, bei Naturwissenschaftlern mehrheitlich auf Ablehnung.

[] Homo Faber, der

der Mensch mit seiner Fähigkeit, für sich Werkzeuge u. technische Hilfsmittel zur Bewältigung u. Kultivierung der Natur herzustellen

„Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal“, proklamiert Walter (Homo) Faber und erlebt einen bedeutungsschwangeren Zufall nach dem anderen: Er stößt auf den verlorenen Jugendfreund, er verliebt sich in eine junge, lebenslustige Studentin, die sich als seine Tochter entpuppt – Zufälle oder Schicksal? Homo Faber, der Rationale, in die Zukunft Blickende, muss mit diesen widersprüchlichen Konzepten ringen, sich seiner Vergangenheit stellen und schwer erträgliche Wahrheiten begreifen. Sein Schöpfer, der Schweizer Schriftsteller Max Frisch, kam heute vor 118 Jahren zur Welt.

[] Geflüchtete, die oder der

jmd., der aus seiner Heimatregion (wegen eines Kriegsgeschehens, wegen seiner politischen oder religiösen Einstellung o. Ä.) geflüchtet ist oder von dort vertrieben wurde

Als er Deutschland 1849 mit 20 Jahren verlassen musste, umfasste sein Wortschatz des Englischen gerade einmal zwei Wörter: „beefsteak“ und „sherry“. Dennoch legte der in Preußen steckbrieflich gesuchte Revolutionär Carl Schurz in seiner neuen Heimat Amerika eine einmalige Erfolgsgeschichte hin, wurde Journalist, machte Wahlkampf für Abraham Lincoln, kämpfte als General im Bürgerkrieg, wurde Senator und schließlich Innenminister. Während in Deutschland der Nationalismus die Agenda bestimmte, kämpfte er bis zu seinem Tod am 14. Mai 1906 gegen den Imperialismus.

[] figurbetont, Adj.

die Figur betonend

War sie Talisman, Fruchtbarkeitssymbol oder doch Pin-up-Girl? Die Venus vom Hohlefels lässt die Forscher rätseln. Eine Antwort wird uns die Geschichte wohl schuldig bleiben, denn der Schnitzmeister (oder die Schnitzmeisterin) schuf die opulente Dame aus Mammut-Elfenbein vor 35 000–40 000 Jahren, im jungpaläolithischen Aurignacien. Die nur 6 cm hohe Figur ist damit eine der ältesten bisher bekannten Menschendarstellungen weltweit. Im September 2008 wurde sie in der Karsthöhle Hohlefels in Baden-Württemberg entdeckt und am 13. Mai 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt.

[] Musikalität, die

musikalisches Empfindungsvermögen, Begabung für Musik

Erst 19-jährig gewann er mit seiner „Cantique de Jean Racine” schon den ersten Preis in einem Pariser Kompositionswettbewerb. Das Stück für Chor und Orgel wird häufig zusammen mit seinem Requiem aufgeführt und spiegelt eine tiefe, von Hoffnung getragene Religiosität wider. Dabei hielten ihn viele für einen heimlichen Atheisten. Nicht nur im Leben, auch musikalisch bewegte sich Gabriel Fauré zwischen Tradition und Innovation: Sein Stil lässt sich, obwohl sehr charakteristisch, nur schwer einer bestimmten Epoche zuordnen. Am 12. Mai 1845 kam er in Südfrankreich zur Welt.

[] Doppelagent, der

Agent, der für zwei sich bekämpfende, gegnerische Staaten arbeitet

Er war britischer Aristokrat, Cambridge-Absolvent, Agent ihrer königlichen Majestät – und Maulwurf. Harold Adrian Russell – besser bekannt als „Kim“ – Philby hatte sich in den 1930er Jahren als glühender Kommunist für den sowjetischen Geheimdienst anwerben lassen und machte zugleich beim britischen Secret Intelligence Service Karriere. Seine Tätigkeit als Doppelagent ist bis heute beliebter Stoff für Romane und Filme. Anders als seine fiktionalen Abbilder starb Philby in der Sowjetunion aber – im Jahr vor dem Mauerfall, am 11. Mai 1988 – eines natürlichen Todes.

[] Kulturbarbarei, die

abwertend: barbarischer Umgang mit Kulturgütern; Kulturlosigkeit

10. Mai 1933: Vor den Augen Tausender Schaulustiger werfen Studenten Bücher ins Feuer. Bücher, die sie als „undeutsch“ diffamieren – liberale und sozialistische Schriften ebenso wie Werke von Dichtern und Wissenschaftlern. Die Aktion auf dem Berliner Opernplatz war kein einmaliger Exzess: Über 100 Verbrennungen folgten, 4175 Titel wurden verboten, Bibliotheken „gesäubert“, Autoren mit Schreibverbot belegt. Viele mussten, wie Stefan Zweig, emigrieren oder wurden, wie Carl von Ossietzky, umgebracht; andere verstummten endgültig, ihre Werke sind heute vergessen.

[] postulieren, Vb.

fordern, unbedingt verlangen, für notwendig, unabdingbar erklären

„Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen”, diese ersten Zeilen des Schuman-Plans, der heute vor 69 Jahren veröffentlicht wurde, leiten eine Ära des Friedens und der Zusammenarbeit in Europa ein: Der Plan führte 1951 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dem Grundstein der Europäischen Union. Im Gedenken daran wurde der 9. Mai zum Europatag erklärt; in vielen Ländern gibt es Feste und Vorträge, im Kosovo und in Luxemburg haben heute sogar alle frei.

[] Paradies, das

Zustand, Ort des ungetrübten Glücks

Das Gemälde „Nafea faa ipoipo“ ist 2015 für eine unbekannte Summe verkauft worden, Spekulationen zufolge für imposante 300 Mio. US-Dollar. Es zeigt zwei Tahitianerinnen in einer farbenfrohen Südseelandschaft. Seinem Schöpfer Paul Gauguin war ein solcher Reichtum nicht beschert: Er rang zeit seines Lebens mit Armut, Krankheit und einer, wie er es nannte, „Marotte zu fliehen”, die er – stets auf der Suche nach einer paradiesischen Lebensutopie – niemals aufgab. Er starb am 8. Mai 1903 auf Hiva Oa in Französisch-Polynesien.

[] kapitulieren, Vb.

die Waffen strecken, sich ergeben

„Kapitulieren“ wurde bis ins 19. Jh. neutral im Sinne von ‚aushandeln von Bedingungen‘ gebraucht. Im Zeitalter der Weltkriege wandelte sich die Bedeutung zu ‚sich ergeben‘, steht damit für das demütigende Eingeständnis der militärischen Niederlage. Hindenburg konnte sich am Ende des 1. Weltkriegs noch aus der Verantwortung stehlen und ließ Zivilisten das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen. Zum Kriegsende 1945 achteten die Alliierten darauf, dass die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai von den verantwortlichen Generälen unterschrieben wurde.

[] Nasobem, das

(von Christian Morgenstern erdachtes) Fabeltier (in den »Galgenliedern«), das auf seinen Nasen schreitet

Das Nasobem, oder auch der Nasenschreitling, hat die Wissenschaft inspiriert: Dr. Harald Stümpkes „Bau und Leben der Rhinogradentia”, ein Bestseller unter Zoologen, widmet sich dem auf seinen Nasen wandernden Wesen in aller Ausführlichkeit. Lebendig erblickt hat das Nasobem aber nicht einmal sein Schöpfer, der einzigartige Dichter und Übersetzer Christian Morgenstern, der am 6. Mai 1871 zur Welt kam. Er selbst gestand: „Es steht noch nicht im Meyer. / Und auch im Brockhaus nicht. / Es trat aus meiner Leyer / zum ersten Mal ans Licht.”

[] Seifenspender, der

Behälter, dem man durch Drücken, Drehen oder einen anderen Mechanismus flüssige oder zerkleinerte Seife entnimmt

„Nicht in die Finger schnäuzen!“, das forderten Benimmbücher im 17. Jahrhundert. Auch wenn sich die Tischsitten im frühmodernen Europa langsam besserten, die Bedeutung der Körperhygiene für die Vermeidung von Krankheiten blieb lange verborgen. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als man um die Übertragung von Krankheiten durch Keime wusste, setzte sich das Händewaschen durch und sollte heute – im Zeitalter automatischer Seifenspender, Papierhandtücher und Lufttrockner – (eigentlich) eine Selbstverständlichkeit sein. Der 5. Mai ist der Tag der Handhygiene.

[] Deduktion, die

Ableitung des Besonderen aus dem Allgemeinen

4. Mai 1891, Meiringen, Schweiz: Bis auf den brillant bösen Kopf der Bande, die seit einiger Zeit in London ihr Unwesen treibt, hat er alle dingfest gemacht. Jetzt liegen sich er und der Schurke in den Armen, ringend und raufend, in einem Kampf auf Leben und Tod. Plötzlich stürzen beide, Sherlock Holmes und sein Antagonist Professor Moriarty, in die Tiefen des Reichenbachfalls und sterben ... Arthur Conan-Doyle hatte dies zumindest so geplant. Holmes Ende erntete bei seinen Fans aber einen derartigen Shitstorm, dass der Autor ihn wiederbeleben musste.

[] Machiavellismus, der

rücksichtslose Machtpolitik

Marx bekannte einmal, kein Marxist zu sein, Darwin lehnte den Sozialdarwinismus ab und Machiavelli war kein Machiavellist. Auch wenn von Eigennamen abgeleitete Abstrakta präzise Begriffskonzepte vermitteln, so rücken sie die Namensgeber oft in ein falsches Licht. Der Staatstheoretiker Niccolò Machiavelli war kein Befürworter skrupelloser Gewaltherrschaft, vielmehr legte er in seinen Schriften die Mechanismen fürstlicher Machtpolitik bloß und entkleidete sie so ihrer vorgeschobenen göttlichen Legitimation. Der 3. Mai 1469 ist sein Geburtstag.

[] antithetisch, Adj.

gegensätzlich, Gegensätze enthaltend

Die Person Gottfried Benns ist von irritierender Gegensätzlichkeit: Er zählt zu den bedeutendsten Lyrikern des 20. Jahrhunderts, seine frühen Gedichte sind expressionistisch und – im wahrsten Sinne des Wortes – sezierend, die späteren wortstark und avantgardistisch. Der Mensch hinter dem Werk wirkt jedoch wie dessen Antithese: politisch konfus, konservativ, dem Nationalsozialismus zunächst explizit zugeneigt, erst spät, unter anderem auch wegen des gegen ihn verhängten Schreibverbots, sein (wenn auch nicht kämpferischer) Gegner. Am 2. Mai 1886 kam er zur Welt.

[] Wonnemonat, der

gehoben, scherzhaft: Mai

‚Ausländische‘ Monatsnamen wie „Februar“ oder „Mai“ waren dem Sprachpuristen Friedrich Justus Runde ein Gräuel. 1781 schlug er daher vor, den Kalender mit aus dem Althochdeutschen abgeleiteten Monatsnamen wie „Hornung“ oder „Wonnemonat“ patriotisch aufzuhübschen. Der „gemeine Mann“ würde doch lieber lesen, was er auch verstünde. Abgesehen davon, dass F. J. Runde schon die Herkunft von „Hornung“ nicht recht zu deuten wusste, lag er auch bei beim „Wonnemonat“ falsch. Denn der alte „Winnimanod“ hatte mit „Wonne“ wenig zu tun und bedeutete einfach ‚Weidemonat‘.

[] Italowestern, der

Western mit besonderen, durch italienische Regisseure entwickelten Stilmerkmalen

Der Vater Regisseur, die römische Filmstadt Cinecittà sein Abenteuerspielplatz: Sergio Leone, der heute vor 20 Jahren starb, verdiente sich dort schon früh seine ersten Sporen als Regieassistent und Kleindarsteller. Er wirkte bei neorealistischen Filmen („Fahrraddiebe”) ebenso mit wie bei US-Monumentalschinken („Quo Vadis”, „Ben Hur”). Seine geballte Filmerfahrung floss in seine Western ein, denen er mit einer Mischung aus hartem Realismus und stilisiert theatralischen Revolverduellen seine ureigene Handschrift verlieh und so das Genre für Jahrzehnte prägte.

[] affrontieren, Vb.

durch einen Affront herausfordern

Dreimal traf ihn der Fliegenwedel, dann wurde er vom Herrscher Dey Hussein aus dem Palast gejagt. Zwar schuldete seine Regierung algerischen Händlern eine horrende Summe Geld, deren Rückzahlung er, der Konsul, soeben rundheraus verweigert hatte, trotzdem konnte er diese Demütigung nicht auf sich sitzen lassen. Was am 29. April 1827 geschah, sollte weitreichende Folgen haben: Der Geschlagene kehrte nach Frankreich zurück. Dort wurde gegen Algerien aufgerüstet und ein Jahr später der Krieg erklärt. Die Franzosen besetzten das Land – und blieben ganze 135 Jahre.

[] meutern, Vb.

eine Meuterei begehen

Heute vor 230 Jahren nahmen Fletcher Christian, der vierte Wachhabende eines englischen Dreimasters, und mehrere Kameraden den Kapitän ihres Schiffs wegen angeblicher Ungerechtigkeiten fest und setzten ihn mit anderen Seeleuten auf dem Meer aus. Während der von der Nachwelt denkbar schlecht behandelte William Bligh in nautischer Meisterleistung seine Restbesatzung in Sicherheit brachte, ließen sich Christian und seine Leute auf der Südseeinsel Pitcairn nieder und gingen mit der Bounty in die Geschichte ein.

[] expressionistisch, Adj.

im Stil des Expressionismus

Dieses Werk hat sie, so die Legende, in nur einer Nacht zu Papier gebracht. Else Lasker-Schülers sehr eigenwilliges Drama „Die Wupper” wurde 1909 veröffentlicht, aber erst zehn Jahre später, am 27. April 1919, im Deutschen Theater Berlin uraufgeführt. Es spielt wechselnd im Wuppertaler Arbeiter- und Industriellenmilieu, somit in zwei einander völlig fremden, bis zum Ende unvereinbaren Welten. Es geht um naive Liebe und kalte Lust, um soziale Aspiration und deren Beugung, um Lebensentwürfe ohne Konsistenz: ein wahrhaft expressionistisches Stück.

[] Philologie, die

Wissenschaft, die sich mit Texten historischen, literarischen oder kulturgeschichtlichen Inhalts in einer bestimmten Sprache beschäftigt und sie sprachlich, historisch, kulturgeschichtlich und gesellschaftlich interpretiert

Er war Jurist und Politiker, trat als Sprecher der Landesstände in Stuttgart und später als Abgeordneter im ersten deutschen Parlament hervor, seine Biographen beschrieben ihn als fleißig, zuverlässig und volksnah. Ludwig Uhlands Leidenschaft galt aber der Literatur. Früh widmete er seine freie Zeit dem Studium alter Handschriften und schrieb Monographien über Werke und Autoren des Mittelalters. Mit seinen Gedichten und Balladen machte er sich schon zu Lebzeiten als Literat einen Namen. Uhland wurde am 26. April 1787 in Tübingen geboren.

[] Petrarkismus, der

Richtung der europäischen Liebesdichtung vom 14. bis zum 17. und 18. Jahrhundert, die auf den italienischen Dichter Petrarca zurückgeht

„Je vis, je meurs, je me brûle et me noie", „ich lebe, sterbe, brenne und ertrinke”, das achte und an Oxymoron-Figuren sehr reiche Sonett der Louise Labé ist wohl das bekannteste aus ihrem 24 Gedichte umfassenden Zyklus. Die „Schöne Seilerin” aus Lyon folgt eindeutig dem Vorbild des großen Italieners Petrarca, ihre Texte sind aber viel direkter, persönlicher und stärker dem Irdischen verbunden. Labé war emanzipiert, sie führte einen literarischen Salon und galt als Inspiration für viele Kulturschaffende im Frankreich der Renaissance. Der 25. April 1566 war ihr Todestag.

[] Legende, die

Person oder Sache, die so bekannt geworden ist, einen solchen Status erreicht hat, dass sich bereits zahlreiche Legenden um sie gebildet haben; Mythos

Johnny Griffin, der „schnellste Saxophonist der Welt”, spielte schon im zarten Alter von 15 Jahren mit Jazzgrößen wie T-Bone Walker und Ella Fitzgerald. Wenige Tage nach seinem Schulabschluss bekam er sein erstes Engagement, wechselte von Alt- zu Tenorsaxophon und eroberte erst Chicago, dann New York im Flug. Seine herausragende Spieltechnik zeigte sich vor allem im Bebop, er liebte es, aus verschiedenen musikalischen Genres zu zitieren, er hatte außerdem den Ruf, stets stilvoll gekleidet und ein sehr zuvorkommender Kollege zu sein. Am 24. April 1928 kam er zur Welt.

[] zurückbauen, Vb.

ein allzu großes, überflüssig gewordenes o. ä. Bauwerk, bes. eine zu großzügig ausgebaute Straße durch geeignete Maßnahmen verkleinern, beseitigen

„Erichs Lampenladen“ wurde er genannt, oder „Palazzo Prozzo“: Der Palast der Republik, das „Volkshaus“ gegenüber dem Berliner Lustgarten, sollte das politische und kulturelle Zentrum Berlins und der gesamten DDR werden. Dort, wo sich vor dem Krieg (und jetzt wieder) das Berliner Schloss erhob, wurde aus Glas, Stahl und 5000 Tonnen Spritzasbest ein Haus für die Arbeiterklasse errichtet und am 23. April 1976 feierlich eröffnet. 2003 beschloss der Bundestag seinen Abriss, ein Jahr später gab die Band „Einstürzende Neubauten“ ein letztes Konzert vor Ort.

[] kategorisch, Adj.

unbedingt, ohne Vorbehalt

Mit seiner erst nach seinem erkenntnistheoretischen Hauptwerk „Kritik der reinen Vernunft“ bekannt gewordenen Forderung von 1785 „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ hat Immanuel Kant die Basis für jedes ethische Handeln beschrieben. Dieser „kategorische Imperativ“, den er in seiner „Kritik der praktischen Vernunft“ ausführlich diskutiert, und sein umfangreiches Gesamtwerk machen den Philosophen zu einem der größten Denker aller Zeiten. Heute vor 295 Jahren wurde er in Königsberg geboren.

[] Osterhase, der

Hase, der nach einem Brauch in der Vorstellung der Kinder zu Ostern die Ostereier bringt

Kein Fest der Auferstehung ohne Osterhase und bunte Eier. Dies war jedoch nicht immer und überall so: In Thüringen beispielsweise war der Storch der Eierlieferant, in der Schweiz der Kuckuck, in Niedersachsen der Fuchs. Die Mär, dass ein Osterhase die Eier bringt und des Nachts versteckt, wurde erstmals 1682 erwähnt. In vorchristlicher Zeit galten sowohl Ei als auch Hase als Fruchtbarkeitssymbol und somit als Zeichen des Lebens. Somit konnten sie leicht in die Bräuche rund um das Osterfest integriert werden, das mit der Wiederauferstehung ja auch das Leben feiert.

[] vieldeutig, Adj.

viele Deutungen zulassend, nicht eindeutig

Am 20. April 1970 schied Paul Celan in seiner Wahlheimat Paris durch Freitod aus dem Leben. Geboren als Paul Antschel 1920 in Czernowitz in der Bukowina, gilt Celan als einer der wichtigsten Vertreter der deutschsprachigen Poesie des 20. Jahrhunderts. Seine Werke, die inhaltlich vom nie verarbeiteten Trauma des Holocausts geprägt sind, wie die bekannte Todesfuge, bedeuten sprachlich eine Herausforderung für den Interpretierenden, seine Wortkunst ist nicht plakativ und eindeutig, sondern geradezu ein Lehrbuchbeispiel für Vieldeutigkeit.

[] Stille, die

Zustand des Ungestörtseins, äußere, durch keinen Lärm gestörte Ruhe

Der Karfreitag ist in Deutschland ein stiller Tag: In vielen Bundesländern müssen Nachtvögel ihrem Tanzbein 24 Stunden Ruhe gönnen, sportliche Wettkämpfe sind untersagt und Musik darf nur aufgeführt werden, wenn sie zum Anlass passt. Auch Cineasten müssen auf zu Tollkühnes verzichten: Filme mit dem Freigabezusatz NF (nicht feiertagsfrei) dürfen nur im eigenen Wohnzimmer laufen. Dazu gehören z. B. Monty Pythons „Das Leben des Brian“ und die „Ghostbusters“-Filme – auf der Liste findet sich aber auch Subversives wie „Heidi“ und „Louis, der Spaghettikoch“.

[] helfen, Vb.

jmdn. bei einer Tätigkeit, einem Vorhaben unterstützen, jmdm. behilflich sein

„Nach "lieben" ist "helfen" das schönste Zeitwort der Welt” sagte Bertha von Suttner und formulierte damit einen ganz und gar zeitlosen Satz. Die aus verarmtem Adel stammende Österreicherin ging in vielerlei Hinsicht drastische Wege: Erst schickte sie kritische Kriegsberichte an deutschsprachige Zeitungen, dann verfasste sie mit „Die Waffen nieder!“ einen radikal pazifistischen Roman und kämpfte seit 1890 offen und engagiert für die Friedensbewegung. Am 18. April 1906 nahm sie dafür, als erste Frau der Geschichte, den Friedensnobelpreis in Empfang.

[] erobern, Vb.

fremdes Land durch Gewalt in seinen Besitz bringen

17. April 1492: Das spanische Königspaar gibt klein bei, nach zähen Verhandlungen stimmt es der „Capitulación de Santa Fe” zu. Dieser Vertrag garantiert dem Eroberer Christoph Kolumbus einzigartige Privilegien, sollte dieser neue Länder entdecken: Er erhielte den Posten eines Admirals, die Funktion eines Vizekönigs und obersten Richters sowie das Anrecht auf zehn Prozent aller eroberten Bodenschätze und Handelswaren. Dieser Vertrag wäre beinahe gescheitert – und sollte doch die Geschichte verändern: Denn ohne ihn wäre Kolumbus nicht „nach Indien” aufgebrochen.

[] kühn, Adj.

keine Gefahr scheuend, wagemutig

Es hätte DIE Sensation sein sollen, jedoch: Am Tag zuvor versank die Titanic auf hoher See. Harriet Quimbys mutige Tat ging im Rauschen der Katastrophenmeldungen unter. Dabei hatte sie, die erste Amerikanerin mit einem Flugschein, es geschafft, von den Wellen verschont zu bleiben. Ihr Freund und Kollege Louis Blériot hatte ihr sein selbst entworfenes 50-PS-Eindecker-Flugzeug geliehen und mit diesem landete sie am 16. April 1912 um 6:30 Uhr sicher an einem Strand nahe Calais. Quimby war die erste Frau, die im Alleinflug den Ärmelkanal überquerte.

[] androgyn, Adj.

männliche und weibliche Merkmale aufweisend, in sich vereinigend; äußere Zeichen des anderen Geschlechts tragend

Ist sie die Frau eines Florentiner Kaufmanns? Oder die Geliebte eines von Medici? Oder stand für die Mona Lisa eigentlich ein Jüngling Modell, da Vincis Assistent und – so die Legende – langjähriger Geliebter Andrea Salaí? Silberblick, mokantes Lächeln und ein androgyn geschwungenes Kinn bergen ein großes Geheimnis. Sie haben Kaiser und Könige, Kunsthistoriker und Wissenschaftler über Jahrhunderte fasziniert und zu teils recht wilden Thesen inspiriert. Leonardo da Vinci hätte seine Freude daran gehabt. Am 15. April 1452 kam er in Anchiano zur Welt.

[] sterblich, Adj.

dem Tode unterworfen, vergänglich

Graf Fosca nimmt einen Trank zu sich, der ihn und seinen Vorkoster, eine weiße Maus, unsterblich macht. Was als heilsbringender Akt geplant war und zunächst eine erregte Phase der Hybris einleitet, entpuppt sich schon bald als unendlicher Schrecken: Fosca sieht seine Lieben altern und sterben, er erlebt die Bedeutungslosigkeit des Einzelnen im historischen Ganzen, er verliert alle Hoffnung und allen Lebenssinn. Simone de Beauvoir, die Autorin dieses düsteren Romans, ist selbst aber sterblich geblieben. Der 14. April 1986 ist ihr Todestag.

[] Verdammung, die

scharfes Verurteilen von jmdm., etw.

Hatschepsut zählt mit Sicherheit zu den stärksten Frauen der Weltgeschichte. Nach dem Tod ihres Gatten übernahm sie für den minderjährigen Thronfolger die Regierung. Zwei Jahre später der revolutionäre Schritt: 1477 v. Chr. setzt sich Hatschepsut die ausschließlich Männern vorbehaltene Krone auf. Sie wird der erste weibliche Pharao. Ägypten blüht während ihrer Regentschaft. Doch den folgenden Generationen wird die Vorstellung eines weiblichen Herrschers unheimlich. Ihr Andenken fällt der Verdammung anheim, die Spuren ihrer Existenz werden getilgt.

[] Abdankung, die

Amtsniederlegung, Rücktritt

Kaum jemand lässt freiwillig von der Macht. Napoleon ist dafür das beste Beispiel: 1814 hatte sich das Schicksal gegen ihn gewandt. Paris war von feindlichen Truppen besetzt, die Armee in Auflösung. Doch erst als ihm auch seine Generäle den Gehorsam aufkündigten, kam er zur Vernunft: „Der Thron ist nicht mehr als ein Stück Holz, an das ich mich nicht klammere.“ Im Vertrag von Fontainebleau, den er wohl am 12. April 1814 unterzeichnete, verzichtete er tatsächlich auf denselben – nur um ein knappes Jahr später, wenn auch nur für eine „Herrschaft von 100 Tagen“, zurückzukehren.

[] Gravitation, die

Physik: Eigenschaft von Massen, sich gegenseitig anzuziehen, Schwerkraft

Ein Schwarzes Loch ist ein Ort im Weltall, an dem die Gravitationskraft so groß ist, dass nicht einmal Licht entweichen kann. Gestern hat die Menschheit zum ersten Mal, sozusagen mit eigenen Augen, ein Schwarzes Loch gesehen, bisher gab es nur Simulationen. Wie ähnlich das von acht Radioteleskopen gemeinsam aufgenommene Bild diesen Simulationen tatsächlich ist, hat selbst die Wissenschaftler erstaunt. 55 Millionen Lichtjahre ist das Objekt von uns entfernt und seine Masse wird auf das Sechsmilliardenfache unserer Sonne geschätzt.

[] Trost, der

etw., das im Leid aufrichtet, das Leid vermindert, erleichtert

Mit „Selig sind, die da Leid tragen” beginnt das Deutsche Requiem von Johannes Brahms und mit „Selig sind die Toten” endet es. Es folgt keiner Liturgie und ist so keine Totenmesse im traditionellen Sinne, erinnert eher an ein Oratorium, jedoch ohne dramatische Komponente. Brahms komponierte es nicht als Werk der Trauer für die Toten, sondern als Werk des Trostes für die Lebenden. Die erste Version, die er zur Aufführung brachte, bestand aus nur drei Sätzen, die erste Langfassung (sechs Sätze) wurde am 10. April 1868 im Bremer Dom mit großem Erfolg uraufgeführt.

[] Schallwelle, die

Schwingung der Materie in einem Frequenzbereich, der vom menschlichen Ohr wahrgenommen wird

Am 9. April 1860 gelang dem Franzosen Édouard-Léon Scott de Martinville eine Tonaufzeichnung mit dem von ihm erfundenen Phonautographen: An einer Membran befestigte Schweinsborsten schrieben Schallwellen auf einen rußbedeckten Glaszylinder und machten sie so sichtbar. Töne wiedergeben konnte das Gerät aber noch nicht. Erst knapp 150 Jahre später gaben Wissenschaftler der Aufzeichnung auch eine Stimme: Scott de Martinville höchstpersönlich hatte das Lied „Au clair de la lune“ gesungen – und damit unwissentlich die bisher älteste Tonaufnahme überhaupt geliefert.

[] Impfstoff, der

abgetötete oder geschwächte Krankheitserreger oder deren Stoffwechselprodukte, die den Organismus veranlassen, Abwehrstoffe zu bilden

Die englische Schriftstellerin Lady Montagu berichtete im 18. Jh. Erstaunliches von ihren Reisen: In der Türkei wurden Kinder absichtlich mit Pocken infiziert – minimalst und dadurch ohne schwere Folgen. Sie waren danach ein Leben lang immun. Neuigkeiten über dieses Verfahren brachte sie ins pockengeplagte England, wo der Arzt Edward Jenner ein halbes Jahrhundert später eine sichere Methode der Schutzimpfung entwickelte. Diese wurde Schritt für Schritt in verschiedenen Ländern Europas eingeführt; am 8. April 1874 mit dem Reichsimpfgesetz auch im Deutschen Reich.

[] Reibung, die

der Bewegung von Körpern entgegengesetzte Kraft, die an zwei sich berührenden und gegeneinander bewegten Flächen auftritt

Die Chinesen haben sie erfunden. Seit dem Mittelalter lagen die in Schwefel getränkten kleinen Holzspäne, die Schwefelhölzchen, auch in europäischen Küchenschubladen. Sie erleichterten das Feuermachen, konnten sich aber noch nicht selbst entzünden. Erst Anfang des 19. Jh. gelang es einem Engländer, diesen Mangel zu beheben. Am 7. April 1827 verkaufte der Apotheker John Walker die ersten modernen Streichhölzer: Ihre in einen Mix aus Chemikalien, Gummi und Stärke getauchten Köpfe fingen durch simple Reibung Feuer.

[] gewaltlos, Adj.

ohne Anwendung von Gewalt

Es war eine revolutionäre Tat und dabei ein schlichter Akt: Ein alter, hagerer Mann klaubt ein paar Körner Salz von der Erde auf und erschüttert damit ein mächtiges Empire. Die Tat vom 6. April war Höhepunkt des 24-tägigen Salzmarsches, mit dem Mahatma Gandhi und Hunderttausende Inder gewaltlos gegen das Salzmonopol des britischen Regimes protestierten. Die Kolonialherren fanden kein Gegenmittel: Allen Massakern und Massenverurteilungen zum Trotz. Der von Gandhi ins Leben gerufene gewaltlose Widerstand ließ sich nicht aufhalten.

[] olympisch, Adj.

die Olympischen Spiele: die alle vier Jahre im großen Rahmen veranstalteten internationalen sportlichen Wettkämpfe

Manchmal dauert es etwas länger, bis eine gute Idee wieder aufgegriffen wird. So auch hier: Am 5. April 1896, über 1500 Jahre nach dem Verbot durch den römischen Kaiser Theodosius, fanden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen statt. Der französische Historiker Pierre de Coubertin wollte den olympischen Geist in die Neuzeit retten und konnte Sportverbände in der ganzen Welt für seine Vorstellung begeistern. Deutsche Turnerverbände rieten (erfolglos) von der Teilnahme ab. Der Wettkampfgedanke erschien ihnen gesundheitsgefährdend, unästhetisch und unsozial.

[] Brieffreundschaft, die

Freundschaft aufgrund eines regelmäßigen Briefwechsels

Ihre Familie nannte sie Kobold, Goethe eine Tollhäuslerin, diese klein gewachsene, aber große Persönlichkeit hinterließ einen bleibenden Eindruck in der Gesellschaft des frühen 19. Jh. Sie war emanzipiert und sozial engagiert, führte ein Armenbuch und trat für die politische Gleichstellung von Frauen ein. Heute kennt man Bettina von Arnim vor allem als Dichterin. In gut bestückten Bücherschränken stehen z. B. ihre viel gelesenen Werke „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ und „Die Günderode“. Am 4. April 1785 wurde sie in Frankfurt a.M. geboren.

[] Jazz, der

durch synkopenreiche Rhythmik und Improvisation gekennzeichnete Musikrichtung, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in den USA vorwiegend von afroamerikanischen Musikern durch Verschmelzung von afroamerikanischen und europäisch-amerikanischen Elementen geschaffen wurde

Sie ließ sich nicht festlegen, sang Jazz, Blues und Bebop, sie war ein Wunder der Improvisation, außergewöhnlich kreativ und virtuos, ihre tiefe Altstimme fächerte sie spielend über drei Oktaven auf und stellte mit ihrer perfekten Intonation jedes Stimmgerät in den Schatten. Vielen gilt sie noch heute als die größte Jazzsängerin aller Zeiten. Berühmt wurde sie mit Songs wie „Send in the Clowns”, „It’s Magic” oder „Broken-Hearted Melody”. Als Sarah Vaughan am 3. April 1990 in ihrem Haus in Kalifornien starb, hatte sie eine glänzende, fast 50 Jahre währende Karriere hinter sich.

[] Fantasie, die

Kraft, Vermögen, sich aus dem Erfahrungsschatz heraus neue, noch nicht erlebte Vorstellungen zu bilden, Einbildungskraft

Ein Kinderbuch? Hätten man einem fliegenden Buchhändler des 16. oder 17. Jahrhunderts diese Frage gestellt, er hätte wohl (kopfschüttelnd) eine billige ABC-Fibel oder bestenfalls Luthers „Kleinen Katechismus“ aus seiner Kiepe hervorgekramt. Erst mit Campes „Robinson der Jüngere“, den Märchen der Brüder Grimm, vor allem aber mit „Alice im Wunderland“ hielt fantasievoller Lesespaß Einzug in die Kinderzimmer. Diesen Platz hat das Kinderbuch, aller digitalen Ablenkung zum Trotz, bislang behaupten können. Heute ist der „Internationale Tag des Kinderbuchs“.

[] Aprilscherz, der

Interesse hervorrufende, glaubhaft wirkende, aber erfundene Geschichte oder falsche Information, mit der jmd. am 1. April seine Mitmenschen zum Spaß und in meist harmloser Weise in die Irre zu führen, zum Narren zu halten versucht

War der 1. April ursprünglich im Volksglauben ein Unglückstag, wandelte er sich schon zu Beginn der Neuzeit in weiten Teilen Europas zu einem Tag, an dem man seine Mitmenschen mit erfundenen, übertriebenen oder besonders missverständlichen Nachrichten zum Narren halten kann, wobei oft eine hohe Kreativität an den Tag gelegt wird. Nicht allen gefallen aber diese Aprilscherze, besonders jenen, die sie erst auf ein „April, April!“ hin verstanden haben. Mit welcher Seite Sie sich auch identifizieren mögen, kommen Sie gut in den April!

[] Chromatik, die

Veränderung der sieben Grundtöne (durch ein Versetzungszeichen) um einen halben Ton nach oben oder unten

Vielen gilt er als der bedeutendste Komponist aller Zeiten. Er schrieb Oratorien, Messen, Motetten, Kantaten, Konzerte und Kammermusik, war Cembalist, Organist und Thomaskantor; und er verhalf einer damals neuen Art, Musikinstrumente zu stimmen, zum Durchbruch: In seinem Wohltemperierten Klavier demonstrierte er, wie mit dieser Stimmung Kompositionen in bis dahin kaum genutzten Dur- und Moll-Tonarten möglich waren – ein wahrer Augen-(oder Ohren-)öffner. Heute vor 334 Jahren wurde Johann Sebastian Bach geboren.

[] Sternenmeer, das

die Menge der Sterne am nächtlichen Himmel

„Möge die Nacht mit uns sein” ist das Motto des heutigen Tags der Astronomie. Sobald es dunkelt, ziehen Sternbegeisterte auf Wiesen, Dächer und Berge, zücken Fernrohre und Spiegelteleskope, um dem Universum seine Geheimnisse zu entlocken. Viele Sternwarten laden Interessierte zu gemeinsamen Himmelsbeobachtungen ein. Damit auch Städter einen Blick in den Kosmos werfen können, ruft der WWF dazu auf, zwischen 20:30 Uhr und 21:30 Uhr das Licht auszumachen. Für eine Stunde gibt es dann weniger Lichtverschmutzung, zugleich sieht man mehr vom Sternenmeer.

[] Held, der

jmd., der auf seinem Gebiet Hervorragendes leistet

Kay, ein Ritter der Artus’schen Tafelrunde, ist in der mittelalterlichen Literatur eine komplexe Figur. Vor allem in den späteren französischen und deutschen Epen ist er schon einmal vorlaut und unterwandert gerne die steifen höfischen Regeln. Die Walliser im 10. Jh. aber hielten ihn hoch, hier steht er Artus am nächsten, er kämpft besser und trinkt mehr als andere, er besiegt wilde Biester, überlebt neun Tage unter Wasser, neun Nächte ohne Schlaf, nichts kann ihn kleinkriegen. Kay ist ein interessanter Charakter: Querkopf, Workaholic – aber ein wahrer Held.

[] Unkraut, das

zusammenfassende Bezeichnung für alle wildwachsenden Pflanzen, die die Kulturpflanzen in ihrem Wachstum hindern und schädigen

Ob Un-mensch, Un-geheuer oder un-bedarft: Steht einem Wort das Präfix un- vor, erwächst daraus häufig nichts Gutes. So wird auch das Kraut, zum Un-kraut, wenn es sich unter die Nutzpflanzen mischt und diese zu verdrängen droht. Früher gar als „Böskraut“ bezeichnet, stand es bildlich für den sündigen Menschen, wenn nicht für den Teufel. Heute, im Zeitalter schwindender Artenvielfalt, fällt das Urteil milder aus, bietet es doch Bienen und anderem „Un“-geziefer Nahrung und Schutz. Der heutige Tag des Unkrauts ist ein guter Anlass, das vielgeschmähte Gewächs zu würdigen.

[] Untertan, der

abwertend: dem Obrigkeitsstaat gegenüber kritikloser, devoter, untertäniger Staatsbürger

Nur wenige haben das wilhelminisch geprägte Bürgertum mit seiner Mischung aus Obrigkeitshörigkeit und nationalistischer Großmannssucht so eindringlich geschildert wie Heinrich Mann. Auf Gegenliebe stieß dies zunächst nicht. Von seinem als Fortsetzungsroman geplanten Werk „Der Untertan“ erschien bei Kriegsausbruch 1914 nur das erste Kapitel. Man könne, so die Zeitungsredaktion, im gegenwärtigen Augenblick nicht in satirischer Form Kritik üben. Nach dem Krieg stieg die Auflage des gedruckten Buchs auf 100 000. Der 27. März 1871 ist Heinrich Manns Geburtstag.

[] Babylon

Stadt am Euphrat; gehoben, übertragen: Ort der Verworfenheit

„Hure Babylon!“, „Sündenbabel!“: Kaum jemals dürfte eine Stadt eine Imagepolitur so nötig gehabt haben wie diese Metropole des Altertums. Archäologie und Geschichtsschreibung konnten indes die Dominanz der negativen Zuschreibungen zumindest relativieren – spätestens seit im vorigen Jahrhundert Kisten um Kisten mit glasierten Ziegeln nach Berlin gelangten, aus denen das herrliche Ischtar-Tor mit seinen wunderbaren Reliefs rekonstruiert werden konnte. Am 26. März, genau heute vor 120 Jahren, setzte Robert Koldewey den ersten Spatenstich zur Ausgrabung.

[] Verriss, der

harte, vernichtende Kritik, besonders an einem Kunstwerk

„Und so sehen wir betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen“, mit diesem Brecht-Zitat beendete der so bezeichnete „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki um die 80 Mal eine der berühmtesten und berüchtigtsten Debattierrunden der deutschen Fernsehgeschichte: das Literarische Quartett. Sigrid Löffler, Helmuth Karasek, Reich Ranicki und ein stets wechselnder Gast unterzogen neu erschienene Werke einer strengen Prüfung. Mit bissigen, bisweilen geradezu hämischen Kritiken sorgten sie gemeinsam für viel Kurzweil. Heute vor gut 40 Jahren, am 25. März 1988, wurde die Sendung erstmals ausgestrahlt.

[] Märzgefallene, die oder der

1. im Zusammenhang mit der Märzrevolution von 1848 bei Kämpfen oder Demonstrationen umgekommener Mensch; 2. ironisch, abwertend: Person, die nach der Machtübernahme Hitlers, insbesondere nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933, in die NSDAP eintrat, oft verbunden mit der Hoffnung auf berufliche und persönliche Vorteile

24. März 1933 – der schwärzeste Tag des deutschen Parlamentarismus: Die demokratischen Parteien stimmen mit Ausnahme der SPD dem eingebrachten Ermächtigungsgesetz und damit ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit zu. Dem politischen Druck von oben entspricht eine Willfährigkeit von unten: Tausende, die sich zuvor von den Nationalsozialisten ferngehalten haben, versuchen auf den fahrenden Zug aufzuspringen und treten noch schnell in die Partei ein. Man verspottet sie in bitter-ironischer Anspielung auf die Toten der gescheiterten Revolution von 1848 als die „Märzgefallenen“.

[] Kleidervorschrift, die

(in einem bestimmten Bereich) Vorschrift über die Art der zu tragenden Kleidung

23. März 1766: In Madrid tobt der Aufstand. Die Regierung hatte, angeblich um im Schatten der Krempen und Falten verübte Straftaten zu unterbinden, das Tragen ausladender Hüte und Mäntel verboten. Die Madrider aber vermuteten andere Gründe: König und Minister wollten das Land zumindest äußerlich modernisieren und an die Pariser Mode anpassen. Etwa 50 000 traditionsbewusste Spanier gingen dagegen auf die Straße. Der Madrider Hutaufstand endete ohne Blutvergießen, aber der König musste dem Getümmel entfliehen, der verantwortliche Minister zurücktreten.

[] Cineast, der

begeisterter Kinogänger, besonders Liebhaber künstlerischer Filme

Diese Filmhandlung ist schnell erzählt: Die Werkstore einer Fabrik öffnen sich, Männer und Frauen strömen hinaus, zu Fuß, mit dem Fahrrad, auf dem Pferdewagen. Was man heute als avantgardistische Nischenkunst belächelte, war 1895 eine viel bestaunte Sensation. Am 22. März projizierten die Brüder Lumière erstmals mit ihrem Cinématographen bewegte Bilder auf die Leinwand. Mit der Erfindung riefen sie auch eine neue Wortfamilie ins Leben: Denn aus Cinématograph (zu griechisch kínēma ‚Bewegung‘ und gráphein ‚schreiben‘) entstanden „Cineast“ ebenso wie „Kino“.

[] Lehnwort, das

Wort, das in lautlich angeglichener Form aus einer fremden Sprache entlehnt ist

Was haben Zucker, Matratze, Laute und Algebra gemein? Und wie sieht es mit Kiosk, Spinat und Paradies aus? Dies alles sind deutsche Wörter, alltäglich und vollkommen vertraut. Ursprünglich stammen sie aber aus dem Arabischen und Persischen, es handelt sich also um Lehnwörter, die durch Handel und kulturellen Austausch, oft über andere Sprachen, ins Deutsche gelangten. Die Kulturen der Welt haben über die Jahrhunderte immer wieder viel voneinander gelernt. Der heutige Welttag gegen Rassismus ist ein schöner Anlass, sich daran zu erinnern.

[] Artikel, der

selbstständiger (bezifferter) Abschnitt innerhalb eines fortlaufenden Textes

„Lies die folgenden Artikel ernsthaft und urteile hinterher.“ Mit diesem Appell beginnen die eigentlichen Forderungen der berühmten Zwölf Artikel der süddeutschen Bauern vom 20. März 1525: Wahl des Pfarrers durch die Gemeinde, Abgabe des Zehnten nur für Pfarrer und Kommune, Reduzierung belastender Frondienste – um nur einige zu nennen. Aus Sicht der Bauern sollten die Forderungen drückendes Unrecht beenden. Doch die weltliche und geistliche Obrigkeit sahen sich in ihrer Existenz bedroht. Die Erhebung wurde im sogenannten Bauernkrieg blutig niedergeschlagen.

[] Ohrwurm, der

Musikstück mit einer eingängigen, einprägsamen Melodie, das einem Hörer für einen längeren Zeitraum in Erinnerung bleibt

Eigentlich glaubte er nicht, dass sich das Cello als Soloinstrument für ein Konzert eigne, das hohe Klangregister sei dafür zu näselnd, das tiefe zu murmelnd. Als Antonín Dvořák aber die Komposition seines Kollegen Victor Herbert zu hören bekam, ließ er sich vom Gegenteil überzeugen. Am 19. März 1896 dirigierte er die Uraufführung seines eigenen Cellokonzerts in h-Moll, Opus 104 in der Queen's Hall in London. Das Meisterwerk mit seinem ohrwurmstarken Anfangsmotiv gehört seitdem zum Repertoire vieler bekannter Cellisten und sorgt regelmäßig für volle Häuser.

[] postum, Adj.

nach jmds. Tod erschienen

Am 18. März 1893 kam der wahrscheinlich bedeutendste englische Poet des Ersten Weltkriegs, Wilfred Owen, zur Welt. Er fiel im Alter von nur 25 Jahren, im November 1918, tragischerweise eine Woche vor Waffenstillstand. Aus seiner Feder stammt unter anderem das Gedicht Dulce et Decorum est, das von der Hilflosigkeit blutjunger, von der Kriegspropaganda geblendeter Soldaten und dem letztendlichen Fronttod eines solchen handelt. Es wurde postum 1920 veröffentlicht. Owens Lyrik gilt als außergewöhnlich poetisch, gleichzeitig als realistisch und absolut schonungslos.

[] Gummiring, der

dünner Ring aus Gummi, der etw. (Eingewickeltes) zusammenhalten soll

Ob für Fitness- oder Freundschaftsbänder, für Einmachgläser oder Schülerstreiche. Die Gummilitze scheint in unserer modernen Zivilisation unverzichtbar: Selbst Kate Bush sang 1993 vom Gummibandmädchen (Rubberband Girl) und in Amerika wickelten Enthusiasten für den Guinness-Weltrekord 700 000 Gummibänder zu einem Ball von zwei Metern Durchmesser zusammen. Tatsächlich ist der Gummiring eine vergleichsweise junge Erfindung: Am 17. März 1845 erhielt der Engländer Stephen Perry das Patent auf das flexible, kreisförmige Gummistück.

[] Kugelsternhaufen, der

kugelförmige, zum Zentrum hin sich verdichtende Ansammlung zahlreicher sehr alter, durch gegenseitige Massenanziehung aneinander gebundener Sterne

Ihr Leben als Weißnäherin zu verbringen, das konnte sie sich nicht vorstellen. Stattdessen zog Caroline Herschel mit ihrem Bruder Wilhelm von Hannover nach Bath (England), wo dieser als Organist eine Anstellung fand, und sang die Soli in seinen Konzerten. Nebenbei erforschten beide den Nachthimmel. Nachdem Wilhelm den Planeten Uranus entdeckt hatte, wechselten beide die Profession: Er wurde Astronom, sie seine Assistentin. Mit der Zeit machte Caroline eigene Entdeckungen, erfuhr große Anerkennung und gewann wichtige Wissenschaftspreise. Der 16. März 1750 ist ihr Geburtstag.

[] Tyrann, der

Gewaltherrscher, Despot

„Cave Idus Martias“ („Hüte dich vor den Iden des März“) sagte – so der Dichter Plutarch – ein römischer Augur warnend zum Tyrannen Caesar; doch dieser machte sich unerschrocken auf den Weg zum Senat, wo ihn Brutus und seine Gefolgsleute schon erwarteten und mit mehreren Dolchstößen niederstreckten. „Auch Du, mein Sohn?" waren der Legende nach Caesars enttäuschte letzte Worte. Iden ist der Plural von lat. Idus, die Monatsmitte im römischen Kalender. Die „Iden des März" gelten – in Anlehnung an die Geschichte von Caesars Ermordung – als Metapher für bevorstehendes Unheil.

[] Pi

Mathematik: Zahl, die das Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser angibt; Ludolfsche Zahl

Weil die internationale Datumsschreibweise 3/14 ihren ersten Ziffern 3,14 entspricht, gilt der heutige Tag als Pi-Tag. Die Zahl, die das Verhältnis von Durchmesser zum Kreisumfang beschreibt und nicht durch einen Bruch natürlicher Zahlen darstellbar ist, fasziniert die Menschheit seit der Antike. Versuche, sie immer weiter auszurechnen, finden sich bei den Ägyptern ebenso wie bei Leibniz oder Gauß. Die unendliche Ziffernfolge hat auch zahlreiche Gedächtniskünstler auf den Plan gerufen: Der Rekord liegt bei unglaublichen 70 000 auswendig gelernten Nachkommastellen.

[] Fehde, die

historisch: rechtlich zugelassene Form der bewaffneten Selbsthilfe zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen einzelner Städte oder Feudalherren im Mittelalter

War er legitimer Widerstandskämpfer gegen erlittenes Unrecht oder Querulant, der aus verletztem Stolz zur Selbstjustiz griff? Der Fall Hans Kohlhase scheint beide Deutungen zuzulassen. Was 1532 mit der Entwendung zweier Pferde durch einen Junker begann, eskalierte bis zur Katastrophe: Nachdem Versuche einer rechtlichen Einigung gescheitert waren, erklärte Kohlhase am 13. März 1534 dem Kurfürstentum Sachsen die Fehde, brannte Häuser nieder, setzte Kaufleute gefangen, überfiel sogar einen Silbertransport. Am Ende verlor er Besitz und Leben.

[] erfinderisch, Adj.

um eine geschickte Lösung nie verlegen, einfallsreich

Er beschrieb die Nutzbarkeit von Naturgewalten, erfand eine Wärmekraftmaschine, eine windbetriebene Orgel und einen Weihwasserspender, er schlug mathematische Verfahren vor und entwarf raffinierte Kriegsmaschinen. Wann genau Heron von Alexandria aber gelebt hat, kann nur vermutet werden. Es gibt ein recht eindeutiges Indiz: In seinem Werk Dioptra beschreibt er eine Mondfinsternis, von der vermutet wird, dass es sich um die vom 12. März 62 handelt. Heron muss also zwischen 1 und 100 n. Chr. gelebt haben – seiner Zeit war er jedoch um Jahrhunderte voraus.

[] Perestroika, die

Umbildung, Neugestaltung des sowjetischen politischen Systems bes. im innen- u. wirtschaftspolitischen Bereich (im Zusammenhang mit grundlegenden Änderungen bei Führungsgremien u. bestimmten Institutionen)

Michail Gorbatschow: Nach der „Herrschaft der Alten“ setzte er mit seinem Temperament, seinem Reformwillen und einem untrüglichen Instinkt für öffentliche Auftritte einen deutlichen Kontrapunkt zu seinen Vorgängern. Dass seine Wahl zum Generalsekretär der KPdSU am 11. März 1985, dass Glasnost und Perestroika eine Entwicklung anstießen, die den Zerfall des sowjetischen Imperiums einleiten, den Kalten Krieg beenden und geradewegs zur deutschen Einheit führen würde, hätte sich dennoch keiner vorstellen können.

[] Wetterwolke, die

Gewitterwolke

Verse von Kleist, Skulpturen von Schadow, Theaterstücke und nicht wenige Biografien sind ihr gewidmet. Tatsächlich grenzte der Kult, der um den „Stern in Wetterwolken", um Königin Luise von Preußen (1776-1810), betrieben wurde, zeitweise an Heiligenverehrung. Nationalistischer Kitsch hat denn auch lange den Menschen hinter dem Mythos verschwinden lassen: eine interessante, im besten Sinne unkonventionelle Persönlichkeit, die ihrem Land in schwerer Zeit wichtige Dienste leistete. Der 10. März ist ihr Geburtstag.

[] Entschädigung, die

Ausgleich für einen Schaden

1832 war kein gutes Jahr für den Franzosen Monsieur Remontel. Seine Bäckerei im mexikanischen Tacubaya wurde von Offizieren geplündert. Also bat er König Louis-Philippe in der Heimat um Hilfe. Dieser reagierte und verlangte vom Präsidenten Mexikos 600 000 Pesos Entschädigung. Als der sich weigerte, sah sich Louis-Philippe nach einigem diplomatischen Hin und Her im Jahre 1838 doch gezwungen, eine Flotte nach Mexiko zu schicken: Der sogenannte Kuchenkrieg brach aus. Am 9. März 1839 fand dieser wieder ein Ende, Mexiko gab endlich klein bei.

[] Frauentag, der

internationaler Aktionstag, an dem die Forderung nach der Gleichberechtigung der Frauen ins Bewusstsein gehoben werden soll

Seit 1921 wird am 8. März der Internationale Frauentag gefeiert. An diesem Tag steht die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im öffentlichen Fokus. Menschen weltweit gehen unter anderem für gleiche Ausbildungs- und Berufschancen, für gleiche Bezahlung und für mehr Sicherheit vor sexueller Gewalt auf die Straße. In vielen Ländern der Welt ist der 8. März ein gesetzlicher Feiertag. Seit 2019 – erstmals in der Bundesrepublik – auch in Berlin.

[] crescendo, Adv.

an Tonstärke wachsend, anschwellend

„Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Boléro; leider enthält er keine Musik“ soll Ravel über eine seiner berühmtesten Kompositionen gesagt haben. Es scheint entsprechend bemerkenswert, dass ein nicht zu verachtender Teil seiner Uraufführungen von Buh-Rufen begleitet worden ist, der Boléro hingegen sofort auf Begeisterung stieß. Als Ballett angelegt, inspirierte vor allem das fortlaufende Crescendo zahlreiche Choreografen zu wild sensuellen Interpretationen. Damals wie heute. Am 7. März 1875 kam Maurice Ravel in Südfrankreich zur Welt.

[] Schmerzmittel, das

schmerzstillendes Mittel

Schmerz lass nach: Schon Hippokrates, wohl auch die Kelten und Germanen, kochten Weidenrinde aus, um an eine Substanz zu gelangen, bei der es sich, wie man heute weiß, um Salizin handelt. Als Medikament (seit 1874 in Form der Salizylsäure industriell hergestellt) wirkte es gegen Krämpfe, wurde bei Epilepsie eingesetzt, half gegen Rheuma – und verursachte heftigste Magenprobleme. Abhilfe schaffte erst die chemisch reine Synthese der Azetylsalizylsäure, die 1899, genau heute vor 120 Jahren, den Markennamen Aspirin erhielt.

[] Köpenickiade, die

der Tat des Hauptmanns von Köpenick vergleichbarer Gaunerstreich

Am 16. Oktober 1906 stürmte der mehrfach vorbestrafte Schustergeselle Friedrich Wilhelm Voigt zusammen mit einem Trupp Soldaten, den er auf der Straße zufällig requiriert hatte, das Rathaus des Städtchens Cöpenick (heute Berliner Stadtteil) und erbeutete 3557 Mark und 45 Pfennige – und das, ohne auf den geringsten Widerstand zu treffen. Seine Legitimation: einzig eine Secondhand-Hauptmannsuniform. Eine Fülle von Theaterstücken und Filmen entstand nach dem Schelmenstück, so auch Carl Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“, uraufgeführt am 5. März 1931 – knapp 25 Jahre nach der Tat.

[] Minnesang, der

lyrische Dichtung der höfisch-ritterlichen Gesellschaft des 12. bis 14. Jahrhunderts

Zwar sind seine Methoden mittlerweile nicht mehr ganz zeitgemäß, dennoch hat die Altgermanistik Karl Lachmann einiges zu verdanken. Er erfand das sogenannte normalisierte Mittelhochdeutsch und gab erstmals historisch-kritische Editionen mittelalterlicher Texte heraus. Zum Beispiel die berühmte Sammlung höfischer lyrischer Dichtung mit Namen „Des Minnesangs Frühling“, deren gleichnamiger Nachfolger noch heute ins Gepäck eines jeden Germanistikstudenten gehört. Am 4. März 1793 wurde Karl Lachmann geboren.

[] Gedächtnis, das

Speicher der aufgenommenen Sinneseindrücke, des Erlernten, Erinnerung

3. März 2009: Kurz vor 14 Uhr stürmten U-Bahn-Bauarbeiter in das Historische Archiv der Stadt Köln, jagten die Insassen ins Freie, wenige Sekunden später stürzte das Gebäude ein und begrub Tausende historischer Handschriften, Dokumente und Fotografien unter seinen Trümmern. Die Presse sprach von der Zerstörung des kulturellen Gedächtnisses der Stadt. Zum Glück konnten aber 95 % der Archivalien, wenn auch in sehr schlechtem Zustand, geborgen werden. Für die zwei einzigen Verschütteten kam jedoch leider jede Rettung zu spät.

[] schunkeln, Vb.

aus Vergnügen mit untergehakten Armen im Rhythmus der Musik, bei fröhlichem Gesang

Wieder einmal stecken die Gebiete Deutschlands mit historisch stärkerer katholischer Prägung tief in der sogenannten Fünften Jahreszeit. Egal ob mit „Alaaf“, „Helau“ oder „Ahoi“, von Weiberfastnacht bis Faschingsdienstag wird getanzt, gebützt, gesprungen und geschunkelt. Jecke und Narren sind verkleidet und in so mancher Hinsicht kaum wiederzuerkennen. Vor allem kurz vor Aschermittwoch. Mit jenem findet der Karneval sein offizielles Ende; die Fastenzeit vor Ostern beginnt.

[] Straßenbeleuchtung, die

künstliche Erhellung, Beleuchtung von Straßen und Plätzen

Berlin als Zentrum der Innovation: Heute vor 140 Jahren installierte Werner von Siemens die von seinem Unternehmen weiterentwickelte Kohlebogenlampe vor seinem Haus, der Startschuss für die elektrische Straßenbeleuchtung: Wenige Wochen später – anlässlich der Industrieausstellung – ließen in Reihe geschaltete Lampen mit zentraler Stromversorgung die Kaisergalerie in künstlichem Licht erstrahlen. Und schon bald konnten Motten und Nachtschwärmer das neuartige Licht auch auf dem Potsdamer Platz und in der Leipziger Straße genießen.

[] Siegesstimmung, die

gehobene Stimmung nach einem Sieg

Am vergangenen Sonntag wurde in Los Angeles wieder einmal der Academy Award, der Oscar, verliehen. Diesmal unter anderem an zwei Königinnen: Die Britin Olivia Colman gewann die Trophäe für ihre Darstellung der Queen Anne und der Amerikaner Rami Malek für die des Freddy Mercury (Queen). Warum der Oscar Oscar heißt, ist nicht ganz klar. Einer Legende zufolge soll der Onkel einer Academy-Mitarbeiterin der Taufpate gewesen sein, eine andere behauptet, Walt Disney habe den Namen geprägt. Erst seit 1979 ist „Oscar“ eine feste Marke.

[] faszinieren, Vb.

eine fesselnde Wirkung auf jmdn. ausüben

Der am 27. Februar 2015 verstorbene Leonard Nimoy wird wohl stets mit der Figur des vernunftgesteuerten Vulkaniers Spock und sicher auch mit diesem Wort verbunden bleiben: „faszinierend!“. Noch bis ins 19. Jahrhundert hatte jenes aber eine ganz andere Bedeutung als heute: Eine „faszinierte“ Person war nicht freudig ergriffen, sie war im wörtlichen Sinne ganz und gar „verhext“.

[] Genbank, die

Einrichtung zur Sammlung, Erhaltung und Nutzung des Genmaterials bestimmter Pflanzenarten

Ihr Eingang mutet fast an wie das Tor zu einer Gruft. Tatsächlich dient diese von der norwegischen Regierung 800 km vom Nordpol entfernt in den Permafrostboden von Spitzbergen getriebene Genbank aber dem Leben. Denn in dem oft als Arche Noah für Pflanzen bezeichneten Svalbard Global Seed Vault werden die Samen von Kultur- und Wildpflanzen aus der ganzen Welt gesammelt (über eine Million sind es inzwischen). So dass es im Fall von überstandenen Natur- und Kriegskatastrophen wieder möglich sein soll, Nahrungspflanzen in ausreichender Zahl anzubauen. Seit der feierlichen Eröffnung am 26. Februar 2008 kann jedes Land der Erde hier seine Pflanzensamen wie bei einer Bank „ansparen“ und im Notfall auch wieder „abheben“. Die Kosten übernimmt der norwegische Staat.

[] Foliant, der

Buch in Folioformat, altes, großformatiges Buch

Walther von der Vogelweide, Heinrich von Morungen, Wolfram von Eschenbach, dies sind nur einige der berühmten Dichter, deren Texte im Codex Manesse, der Großen Heidelberger Liederhandschrift, verewigt sind. Der Foliant gilt als die umfangreichste Sammlung mittelalterlicher deutscher Lyrik. Er entstand im frühen 14. Jh., wahrscheinlich in Zürich, und enthält in 140 Dichtersammlungen etwa 6000 Liedstrophen. Ihnen vorangestellt sind sogenannte Miniaturen, ganzseitige Bilder, die meist die Dichterpersönlichkeit darstellen und ein Thema aus dem jeweiligen lyrischen Werk aufgreifen. Der Codex Manesse wird der Öffentlichkeit kaum noch gezeigt, aber er ist komplett digitalisiert worden und kann online jederzeit eingesehen werden.

[] Klagelied, das

Schmerz ausdrückendes, klagendes Lied

„Heute siegen in der Hölle Mitleid und Liebe“ singt der Chor der Geister, als der hocherfreute Orfeo, gefolgt von seiner kurz zuvor verstorbenen Eurydice, aus der Unterwelt dem Leben wieder entgegeneilt. Doch Orfeo tut das Verbotene, er dreht sich zu seiner Geliebten um und verliert sie damit endgültig an den Tod. Es folgt ein untröstliches Klagelied, in welches die Nymphe Echo, selbst an der Liebe zugrunde gegangen, mitfühlend einstimmt. Monteverdis L'Orfeo wird von vielen als die erste Oper bezeichnet. Zumindest ist sie die älteste, die noch heute regelmäßig auf den Spielplänen steht. Sie wurde am 24. Februar 1607 in Mantua uraufgeführt.

[] Tagebuch, das

Buch, Heft für tägliche Eintragungen persönlicher Erlebnisse, Gedanken

Gleich ob Liebschaft, Hofklatsch, Ehekrach: Nichts schien ihm zu heikel oder zu trivial, um es nicht in seinen Tagebüchern zu verewigen. Dank des am 23. Februar 1633 geborenen Samuel Pepys entfaltet sich vor dem heutigen Leser ein buntes Panorama des frühbarocken London, erlebt er Stadtbrand, Pestepidemie und Glaubenskampf fast hautnah mit. Pepys war vorsichtig: Seine Beobachtungen notierte er stets in Geheimschrift. Die Journale versteckte er zwischen den Büchern seiner Bibliothek und vermachte dieselbe der Universität Cambridge. Wo die Bände – wie vom Autor beabsichtigt – erst lange nach seinem Tod entdeckt wurden.

[] Billigheimer, der

umgangssprachlich: Billiganbieter

Er ist wohl der Urahn der Warenhäuser und Discounter, der Ein-Euro-Shops und Grabbeltische: Winfield Woolworth. Am 22. Februar 1879 eröffnete der umtriebige Kaufmann in Utica im Staat New York seinen „5-Cent-Store“ und eroberte mit einer bahnbrechenden Geschäftsidee die halbe Welt: Nicht nur, dass alle Waren (zunächst) zum gleichen Preis zu haben waren. Erstmals konnten die Kunden die Waren selbst anfassen, prüfen und auswählen. Überall in Amerika entstanden riesige Warenhäuser mit Angeboten auch für den kleinen Geldbeutel, ab 1926 auch in Deutschland. In Amerika ist die Marke Woolworth längst Geschichte. In Deutschland hat der inzwischen selbstständige Konzern mit 300 Filialen überdauert.

[] indigen, Adj.

einheimisch, eingeboren; die eingesessene Bewohnerschaft eines Gebietes (besonders vor einer Eroberung oder Kolonialisierung durch andere Völker) bildend

Die Sprache Eyak gilt als schlafend. Denn am 21. Februar 2008 verstarb die letzte indigene Sprecherin, Mary Smith Jones, in Anchorage (Alaska). Es war nicht primär das Englische, das diese indianische Sprache verdrängte, vielmehr konnte sich das gleichermaßen indigene Tlingit des benachbarten Stammes über die Generationen hinweg durchsetzen. Noch vor ihrem Tod half Mary Smith Jones dem Linguisten Michael Krauss dabei, ein Wörterbuch und eine Grammatik des Eyak zu erstellen. Seitdem gibt es Forschungsprojekte, die versuchen, diese Sprache wiederzubeleben.

[] Mozartzopf, der

früher üblicher, am Hinterkopf mit einer Schleife zusammengebundener Zopf

Die Mode war sein Leben, denn, wie Karl Lagerfeld einmal selbst bemerkte: „… der Mode entkommt man nicht. Denn auch wenn Mode aus der Mode kommt, ist das schon wieder Mode.“ Auch wenn es für den einen oder anderen nicht überraschend kam: Sein Tod hat die Welt – so scheint es – kalt erwischt. Denn der Selbstdarsteller und Exzentriker mit dem schlohweißen Mozartzopf, dem Vatermörder-Kragen, mit dem Fächer und Rennfahrer-Handschuhen schien so unverwechselbar zum öffentlichen Leben zu gehören wie der Eiffelturm zu Paris. Nicht nur die Haute Couture verliert mit ihm, der über ein halbes Jahrhundert die Modeszene prägte, viel. Die ganze Welt ist um einen schillernden Charakterkopf ärmer geworden.

[] Kabeljau, der

im Meer lebender, gefräßiger Raubfisch von olivgrüner oder blauer Farbe mit dunklen Flecken, der als Speisefisch verwendet wird

Erst waren es 12, dann 50, dann 200 Seemeilen, die Island für sich beanspruchte. Vor allem die Briten waren darüber „not amused". Mehrfach hatte die isländische Küstenwache die Netze britischer Fischfangboote gekappt. Am 19. Februar 1976 führte der dritte Kabeljaukrieg sogar zum kurzzeitigen Abbruch aller diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Island. Der Konflikt konnte glücklicherweise ohne Blutvergießen gelöst werden: Nach langen Verhandlungen erkannte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Island 1977 die 200 Meilen-Grenze zu.

[] Zivilcourage, die

Mut, unter schwierigen Umständen seine Meinung, seinen Standpunkt offen zu äußern, zu vertreten, durchzufechten

„Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk!“ Am 18. Februar 1943 füllten Hans und Sophie Scholl eine Aktentasche und einen Koffer mit regime- und kriegskritischen Flugblättern der Weißen Rose und gingen damit zur Münchner Universität. Gerade hatten sie die letzten Zettel vor den Hörsälen verteilt, als der Pedell Jakob Schmid sie entdeckte, festhielt und der Gestapo übergab. Vier Tage später wurden sie verurteilt und hingerichtet. Heute gelten die Geschwister Scholl und ihre Mitstreiter der Weißen Rose als Vorbilder eines friedlichen Widerstands gegen ein totalitäres Regime.

[] Insekt, das

zu den Gliederfüßern gehörendes Tier mit einem in Kopf, Brust und Hinterleib gegliederten Körper, meist mit sechs Beinen und vier Flügeln, Kerbtier

Insekten: Im Mittelalter zählte man sie zusammen mit Schlangen und Drachen noch zum „Gewürm“. Den Ausdruck „Insekt“ übernahm man erst im 16. Jahrhundert aus dem Lateinischen, meist gleichbedeutend mit ‚Schädling‘. Vor allem aber hielt man ihre Zahl für unerschöpflich: Wie Aristoteles glaubte man, sie entstünden im fauligem Schlamm. Andere meinten, sie würden in den Wolken „ausgebrütet“, um mit dem Regen auf die Erde zu fallen. Die Erkenntnis, dass Insekten für unser Ökosystem eine entscheidende Rolle spielen und dass ihre Zahl eben nicht unendlich ist, ist dagegen vergleichsweise jung. Seit Donnerstag steht fest: Das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ hat 1?745?383 Unterschriften gesammelt – 18,4 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern.

[] Grabesluft, die

feuchtkalte, moderige Luft (wie in einem Grab)

Ägypten 1922 – ein denkwürdiger Augenblick der Archäologie und ein ikonischer Moment der Popkultur: Der Ägyptologe Howard Carter steht vor der versiegelten Tür eines offenbar unversehrten Grabes. Als er die obere Ecke der Steintür erbricht, lässt die entweichende Luft die hochgehaltene Kerze flackern. Auf die Frage seines Förderers, Lord Carnarvon, was er sehe, raunte er nur: „Wonderful things“. Sein Blick fällt auf die Statuen, die den Eingang zum eigentlichen Grab bewachen. Am 16. Februar 1923 wird auch dieses geöffnet und gibt einer staunenden Weltöffentlichkeit Schrein, Sarkophag, Totenmaske und die Mumie Tutanchamuns frei.

[] Weltbild, das

Wissen, Vorstellung von der Welt als Ganzem, das besonders ein Individuum, eine Gesellschaft, ein bestimmter Kulturkreis, eine Geistesrichtung, eine wissenschaftliche Disziplin besitzt

„Eppur si muove!“, „Und sie bewegt sich doch!“ soll der Astronom und Philosoph Galileo Galilei gemurmelt haben, als er 1633 das Inquisitionsgericht verließ. So gerade war er der Hinrichtung entkommen, doch dem kopernikanischen Weltbild, nach dem sich die Erde um die Sonne, nicht die Sonne um die Erde dreht, hatte er öffentlich abschwören müssen. Dabei war er davon überzeugt, es endlich beweisen zu können. Heute gilt dieses Zitat als nachträgliche Erfindung, es muss ihm aber noch zu Lebzeiten in den Mund gelegt worden sein. Der 15. Februar ist Galileo Galileis Geburtstag.

[] frankofon, Adj.

Französisch als Muttersprache sprechend, französischsprachig

„Pro Deo amur et pro christian poblo“ – „In godes minna ind in thes christanes folches“: Mit dieser feierlichen Anrufung Gottes und des christlichen Volkes beginnen die Schwüre, die Ludwig der Deutsche im romanischen und Karl der Kahle im rheinfränkischen Dialekt (also jeweils in der Volkssprache des anderen) ablegten. Die berühmten Straßburger Eide vom 14. Februar 842, mit denen die beiden Enkel Karls des Großen ihr Bündnis gegen den gemeinsamen Bruder Lothar bekräftigten, dokumentieren erstmals die sprachliche Trennung von West- und Ostfrankenreich, zugleich gelten sie als das erste schriftliche Zeugnis des Altfranzösischen.

[] Achtundvierziger, der

Teilnehmer, Anhänger der bürgerlichen Revolution von 1848

Am 13. Februar 1849 fährt die Goddefroy in Melbourne ein. Von Bord kommen deutsche Flüchtlinge, gescheiterte März- und Septemberrevolutionäre, die im Jahr zuvor im Zuge der Deutschen Revolution 1848 für Demokratie und Nation auf die Straße gegangen sind. Viele von ihnen werden in der Heimat politisch verfolgt. Diese Flüchtlinge sind die ersten „Forty Eighters" oder „Achtundvierziger", die australisches Land erreichen und hier siedeln. Viele von ihnen werden Winzer oder gründen Kirchen.

[] Evolution, die

allmähliche, von Generation zu Generation stattfindende Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen derselben Art, insbesondere die stammesgeschichtliche Entwicklung von niederen zu höheren Lebensformen

Eigentlich sollte er, wie sein Vater, Arzt werden, dann Pastor. Viel lieber aber stopfte er Vögel aus, sammelte Käfer, ging auf geologische Expeditionen, las Herschel und Humboldt. Als er 1831 das Angebot erhielt, auf der HMS Beagle in See zu stechen, nahm sein Leben endgültig andere Wege: Fünf Jahre lang vermaß und erforschte er Südamerika, dann kehrte Charles Darwin mit Büchern voller Notizen und mit Tausenden Präparaten nach England zurück. Zwei Jahrzehnte später entstand daraus „Die Entstehung der Arten", das fundamentale Werk der Evolutionstheorie. Der 12. Februar ist Darwins Geburtstag.

[] eisern, Adj.

übertragen: fest; a) unerschütterlich, unwandelbar, nicht nachlassend; b) unerbittlich hart, streng

„Eiserner Schlaf“, „eiserne Disziplin“, „eiserne Ration“: Auch wenn das Adjektiv mit dem robusten Markenkern in übertragener Bedeutung nicht mehr ganz so vielfältig verwendet wird wie noch im 19. Jahrhundert; diese Frau hat sich den Spitznamen „Eiserne Lady“ („Iron Lady“) wohl redlich verdient. Am 11. Februar 1975 erreichte die Karriere der Margaret Thatcher einen ersten Höhepunkt. In einer Kampfabstimmung zur Wahl des Parteivorsitzenden der britischen Konservativen setzte sie sich gegen Amtsinhaber Edward Heath durch. Ihr geflügelter Beiname wurde offenbar 1976 von Radio Moskau geprägt.

[] Hypochondrie, die

übertriebene Neigung, seinen eigenen Gesundheitszustand zu beobachten, zwanghafte Angst vor Erkrankungen, Einbildung des Erkranktseins (begleitet von Trübsinn oder Schwermut)

Vorhang auf für den Hypochonder: Am 10. Februar 1673 wird Molières Theaterstück „Der eingebildete Kranke“ uraufgeführt, das einem eigentümlichen Leiden ein zweifelhaftes Denkmal setzt. Manche sehen im Hypochonder eine wehleidige Person, die mit ihren eingebildeten Gebrechen ihrer Umgebung auf die Nerven geht. Tatsächlich ist Hypochondrie aber eine behandlungsbedürftige Erkrankung, die international unter der Chiffre F45.2 als psychische Störung klassifiziert ist. Für Molière wurde das Leiden auf tragische Weise fatal: Schon am 17. Februar brach er in der Hauptrolle des Hypochonders Argan auf der Bühne zusammen und starb wenig später.

[] Pilzkopffrisur, die

rund geschnittene, scheitellose Frisur, bei der das Haar Stirn u. Ohren bedeckt

„Let's bring them on!" rief der Moderator Ed Sullivan, bevor John, Paul, George und Ringo die Bühne betraten. Am 9. Februar 1964 eroberten die Beatles die USA im Sturm. 73,7 Millionen Fernsehzuschauer verfolgten live den ersten Auftritt der Band im amerikanischen Fernsehen. Das Publikum im Saal konnte sich vor Begeisterung nicht halten. Es schrie so laut und so langanhaltend, dass sich Ed Sullivan dazu gezwungen sah, eiskalt mit dem Frisör zu drohen.

[] Meteorit, der

kleiner, außerirdischer Körper aus Stein oder Metall, der beim Eindringen in die Erdatmosphäre infolge Reibung ganz oder teilweise verdampft und dessen restliche Stücke gelegentlich die Erdoberfläche erreichen

Nur knapp verfehlte am 8.2.1969 ein Meteoriten-Brocken das Postamt in einer mexikanischen Kleinstadt. Der deshalb nach dieser Allende benannte, geschätzt fünf Tonnen schwere Steinmeteorit zerplatzte noch in der Atmosphäre und regnete auf einer Fläche von 500 Quadratkilometern nieder. In seinen Bruchstücken wurden Mikrodiamanten gefunden, die vermutlich vor der Entstehung unseres Sonnensystems bei der Explosion einer Supernova entstanden sind.

[] Union, die

durch Vertrag geschaffene, zur Wahrung und Durchsetzung gemeinsamer Interessen gebildete Vereinigung

12 Staaten rücken zusammen: Am 7. Februar 1992 unterzeichnen die Mitgliedsstaaten des Europäischen Rats den Vertrag zur Gründung der Europäischen Union. Die Auswirkungen sowohl auf das Miteinander der Staaten als auch auf das Leben ihrer Bürger sind gewaltig: Mit der Wirtschafts- und Währungsunion wird der Binnenmarkt geschaffen und der Grundstein für den Euro gelegt. Das EU-Parlament erlangt deutlich mehr Mitspracherechte und die Bürger können über die neu eingeführte Unionsbürgerschaft das passive und aktive Kommunalwahlrecht im Wohnstaat ausüben.

[] Reggae, der

aus Jamaika stammende Spielart der Popmusik, deren Rhythmus durch die Hervorhebung unbetonter Taktteile gekennzeichnet ist

Der 6. Januar 1945 sollte einen bedeutenden Einfluss auf die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts haben. An diesem Tag wurde Robert Nesta Marley, kurz Bob Marley, in Jamaika geboren. Als Mitbegründer des Reggae und als Friedensaktivist prägte er seine und folgende Generationen. Sein Lied „Get Up, Stand Up" wurde zu einer Hymne der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Bob Marley starb im Alter von nur 36 Jahren an Hautkrebs.

[] Fließband, das

mechanisch vorwärtsbewegtes Band, das bei arbeitsteiliger Fließfertigung oder Montage von Industrieprodukten die einzelnen Werkstücke nacheinander an die Arbeitsplätze der unterschiedlichen Arbeitsgänge befördert

Moderne Zeiten, einer der erfolgreichsten Filme Charly Chaplins, feiert am 5. Februar 1936 in New York Premiere. In ihm versucht seine unverwechselbare Filmfigur „The Tramp“ erfolglos, mit den bis zur Unmenschlichkeit hin optimierten Prozessen am Fließband und den Regeln der modernen Produktionsgesellschaft zurechtzukommen. Sein wiederholtes Scheitern führt zur endgültigen Entfremdung von der Entfremdung. Er entflieht der neuen Welt – Hand in Hand mit seiner Liebsten.

[] Limit, das

nach oben oder unten festgelegte Grenze, Begrenzung

Wenn aktuell wieder über Tempolimits diskutiert wird, steht mit „Limit“ ein Wort im Mittelpunkt, das eine typisch europäische Wortgeschichte hinter sich hat: Das Ende des 19. Jahrhunderts entlehnte „Limit“ wurde zunächst aus dem englischen „limit“ übernommen, das seinerseits auf französisch „limite“ und zuvor auf italienisch „limito“ zurückgeht. Es war ein Wort der Kaufmannssprache, das sich ursprünglich auf die Festlegung einer Preisgrenze bezog. Zugrunde liegt lateinisch „limes“ (‚Grenze‘). Man bezeichnet diese Ausdrücke deshalb auch als „Eurolatein“.

[] Tulpe, die

Liliengewächs mit aufrechten, endständigen, kelchförmigen Blüten und langen, ungestielten Laubblättern, das als Zierpflanze in unterschiedlichen Farben gezüchtet und als Schnittblume zur Dekoration verwendet wird

3. Februar 1637: Bei einer Versteigerung von Tulpen in Haarlem zur Zeit der sog. Tulpenmanie können die erwarteten Preise nicht mehr erzielt werden. In der Folge verfallen die Preise rapide und die Spekulationsblase platzt.

[] Murmeltier, das

auf Hochgebirgswiesen der Alpen und Karpaten lebendes, relativ großes, zu den Erdhörnchen gehörendes Nagetier mit gedrungenem Körper und kurzem buschigem Schwanz

2. Februar: Murmeltiertag in den USA und in Kanada (engl. „Groundhog Day“), bekannt u. a. durch den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

[] Wörterbuch, das

(gedruckt, auf einem elektronischen Medium oder im Internet publiziertes) Nachschlagewerk mit nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählten und erläuterten Stichwörtern, meist mit Informationen zu ihrer Form, ihrer Bedeutung und ihrem Gebrauch

Der 1. Februar 1884 – ein wichtiger Tag der Lexikographie: Unter der Redaktion von James Murray erscheint knapp 27 Jahre nach Arbeitsbeginn die erste Lieferung des „English Oxford Dictionary“. Murray war bereits der dritte Herausgeber: Der erste – Richard Trench – starb zwei Jahre nach Arbeitsbeginn, der nachfolgende Herbert Coleridge sah sich von der Aufgabe überfordert. Murray erlebte das Erscheinen des letzten Bandes 1928 nicht mehr, er starb 1915.

[] Flut, die

strömende, stark bewegte Wassermasse

In der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 1953 werden die Küsten Südenglands und der Niederlande von einer schweren Sturmflut heimgesucht. In Norfolk wurde ein Anstieg des Meeresspiegels um 2,97 Meter gemessen, in Zeeland auf bis zu 5,25 Meter. Vor allem durch Deichbrüche kamen bei der Katastrophe insgesamt 2400 Menschen ums Leben. Die „Hollandsturmflut" gilt als die schwerste des 20. Jahrhunderts. Sie führte zu umfangreichen Küstenschutzmaßnahmen in allen betroffenen Gebieten, zum Beispiel zum Bau großer Flutwehranlagen wie der Thames Barriers und des Oosterscheldekering.

[] Gendersternchen, das

typografisches Zeichen (*), das bei Personenbezeichnungen zwischen der männlichen Form bzw. dem Wortstamm und der zusätzlich angefügten weiblichen Endung gesetzt wird, um neben Männern und Frauen auch Menschen mit anderer geschlechtlicher Identität miteinzubeziehen und sichtbar zu machen

„Gendersternchen“ ist der Anglizismus des Jahres 2018: Die Jury, die den Ausdruck am 29. Januar kürte, sieht in dem Neologismus eine klare Bereicherung der deutschen Sprache: „denn ob man den eingeschobenen Asterisk und die Absichten dahinter gutheißt oder nicht, darüber reden muss die Sprachgemeinschaft – und das Wort Gendersternchen stellt einen gut verständlichen Ausdruck dafür bereit.“

[] Auftakt, der

Einleitung für ein besonderes Ereignis, Beginn

Anfang Januar 2019 hat das Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache (ZDL) seine Arbeit aufgenommen. Ziel des auf lange Sicht angelegten lexikographischen Großprojektes ist es, ein digitales Informationssystem zu entwickeln und zu betreiben, das den deutschen Wortschatz und seine fortwährenden Veränderungen umfassend und verlässlich beschreibt. Das ZDL wird als zentrale Instanz der allgemeinsprachlichen Internetlexikographie künftig Maßstäbe setzen. Heute feiert das ZDL seinen Auftakt.

[] Humor, der

gelassene Heiterkeit, die den Menschen befähigt, in schweren Situationen eigene und fremde Schwächen zu belächeln und den Mut zu bewahren

Humoristische und satirische Gesellschaftsanalyse gehören zu den herausragenden Elementen in der Romanliteratur einer Autorin, die ihre ersten Werke noch anonym veröffentlichte. Am 28. Januar 1813 erschien Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ in einer Auflage von nur 1500 Exemplaren. Heute, 200 Jahre später, zählt der Roman zu den bedeutendsten literarischen Vertretern des 19. Jahrhunderts in England und wurde weltweit etwa 20 Millionen Mal verkauft.

[] Talkshow, die

Fernsehen: Unterhaltungssendung, in der ein Gesprächsleiter (bekannte) Personen durch Fragen zu Äußerungen über private, berufliche u. allgemein interessierende Dinge anregt

Nicht auf den Mund gefallen: Am 29. Januar 1954 wird Oprah Gail Winfrey geboren. Die wohl bekannteste Talkshow-Moderatorin des US-Fernsehens lud in ihre Oprah-Show nicht nur Prominente ein, sie gab auch den weniger Privilegierten eine Stimme und entfaltete ein breites soziales Engagement. Ähnlich populär wie Michelle Obama, war sie immer wieder als Präsidentschaftskandidatin im Gespräch, lehnte aber, ebenso wie jene, stets ab.

[] Diamant, der

aus modifiziertem Kohlenstoff bestehender, wertvoller, meist farblos klarer, das Licht stark brechender Edelstein mit der größten Härte unter den natürlichen Stoffen, der überwiegend für Schmuck oder industriell für Bohr-, Schneid- und Schleifwerkzeuge verwendet wird

Diamantenfieber: Am 26. Januar 1905 wird in Südafrika mit einem Gewicht von 3106,75 Karat der größte jemals gefundene Rohdiamant ans Tageslicht gefördert. Der berühmte „Cullinan-Diamant“ wird in insgesamt 105 Teile gespalten. Neun der größten Steine sind heute Teil der britischen Kronjuwelen.

[] Brotkarte, die

Schein, der in Notzeiten ausgegeben wird, um den Bezug von Brot für den einzelnen Käufer zu rationieren

Niemand hatte 1914 mit einem langen Krieg gerechnet. Viele deutsche Bauern waren an der Front und konnten nicht mehr für die Produktion von Lebensmitteln sorgen. Deshalb kam es schon im ersten Jahr zu großen Knappheiten. Vor allem Getreide und Brot wurden immer teurer. Am 25. Januar 1915 übernahm das Reich die Kontrolle über den Getreideverkehr und gab erstmals Brotkarten an die Bevölkerung aus.

[] Katz-und-Maus-Spiel, das

Verhalten, bei dem man jmdn. hinhält u. über eine (letztlich doch für ihn negativ ausfallende) Entscheidung im Unklaren lässt

Moderner Romantiker: Der Jurist, Komponist, Musiker und Schriftsteller E. T. A. Hoffmann wird am 24. Januar 1776 geboren: Mit der „Herausgabe“ der Lebensansichten des Katers Murr hat sich das Multitalent nicht nur bei allen Katzenfreunden beliebt gemacht. Rund 170 Jahre vor Erfindung des World-Wide-Webs nahm er einen Trend vorweg, der heute unter dem Stichwort „Cat-Content“ auf Videokanälen die Menschen weltweit von der Arbeit abhält.

[] Künstler, der

jmd., der (beruflich) Kunstwerke schafft oder künstlerisch interpretiert

Heute vor 30 Jahren starb der spanische Maler, Graphiker und Bildhauer Salvador Dalí. Er gilt als einer der Hauptvertreter des Surrealismus. Mit beinahe fotorealistischer Genauigkeit malte er Traumlandschaften und Szenen des Unterbewussten. In seinen Bildern schmilzt die Zeit, Abstraktes wird verdinglicht und – im wahrsten Sinne des Wortes – greifbar gemacht.

[] Holocaust, der

zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft: Verfolgung, Gettoisierung u. insbesondere Massenvernichtung der Juden in Deutschland u. Europa

22. Januar 1979: Die US-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ schreibt Fernsehgeschichte: Die erstmals im deutschen Fernsehen ausgestrahlte Serie erzählt das Schicksal der fiktiven jüdischen Arztfamilie Weiss, die zur Zeit des Nationalsozialismus in Berlin lebt. WDR-Direktor Jörg Schöneborn, der die Serie erstmals als Schüler sah, beschreibt die damaligen Reaktionen: „Vielen der 20 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer brannten sich damals Bilder und Wahrheiten ins Gedächtnis, die man sich bis dahin trotz allen Wissens einfach nicht vorstellen wollte oder verdrängt hatte.“

[] Lausbub, der

frecher kleiner Bursche, Schlingel

21. Januar 1867: Der Satiriker, Schriftsteller und Redakteur der Zeitschrift „Simplicissimus“ Ludwig Thoma wird geboren. Seine Erzählung „Ein Münchner im Himmel“, vor allem aber seine autobiographisch gefärbten „Lausbubengeschichten“, die 1964 von Helmut Käutner verfilmt wurden, sind bis heute populär.

[] Hochverrat, der

Verbrechen gegen den inneren Bestand oder die verfassungsmäßige Ordnung eines Staates

Am 20. Januar 1649 beginnt der Hochverratsprozess gegen den englischen König Karl I., der im selben Jahr mit dessen Verurteilung und Hinrichtung endet. Das Verfahren hat auch Auswirkungen auf die deutsche Sprache: Im Zuge der allgemeinen medialen Beachtung bürgern sich die ersten Anglizismen wie „Parlament“ (parliament) oder „Debatte“ (debate) dauerhaft im Deutschen ein. Auch das Wort „Hochverrat“ ist eine Lehnübersetzung des englischen „high treason“.

[] Pudel, der

kleiner bis mittelgroßer Hund mit sehr dichtem, krausem, meist auf bestimmte Art geschorenem Fell

Des Pudels Kern: Am 19. Januar 1829 wird mit Goethes „Faust – Eine Tragödie“ das wohl meistzitierte Werk der deutschen Literatur uraufgeführt. Wörter wie „faustisch“ oder „mephistophelisch“, Redewendungen wie „des Pudels Kern“ oder „die Botschaft hör ich wohl ...“ gehören seither zum festen Inventar des deutschen Sprachschatzes.

[] Pickelhaube, die

Helm mit Metallspitze

Deutschland unter der Pickelhaube: Mit einer Proklamation im Spiegelsaal von Versailles beginnt am 18. Januar 1871 das Deutsche Kaiserreich. Das Wort „Pickelhaube“ hat trotz der typischen Metallspitze ursprünglich nichts mit dem Pickel zu tun. Im Frühneuhochdeutschen war es vielmehr die „Beckelhaube“, eine mit einem Becken verglichene, unter dem Topfhelm getragene Blechhaube. Mit ihrer Entwicklung zu einer spitzzulaufenden selbständigen Helmform wird der Ausdruck volksetymologisch an „Pickel“ angelehnt.

[] Misstrauensvotum, das

Mehrheitsbeschluss eines Parlaments, einem Mitglied der Regierung oder der Regierung insgesamt das Vertrauen zu entziehen und so den Rücktritt zu erwirken

Anders als in England ist in Deutschland nach dem Grundgesetz nur ein „konstruktives Misstrauensvotum“ möglich: Wird einem Bundeskanzler, einer Bundeskanzlerin mehrheitlich das Misstrauen ausgesprochen, muss zugleich ein neuer Regierungschef gewählt werden, ansonsten ist das Misstrauensvotum gescheitert.

[] erhaben, Verb

1. auf der Oberfläche hervortretend, reliefartig; 2. gehoben von (feierlicher) Größe erfüllt; 3. überlegen

Am 16. Januar 27 v. Chr. verlieh der römische Senat Gaius Octavius den Ehrentitel Augustus, was mit „der Erhabene“ oder „der Erhöhte“ übersetzt werden kann, und den fortan alle römischen Kaiser im Namen führten. In der Übersetzung „Mehrer“ (Augustus leitete man von der lateinischen Wortgruppe augere „mehren, vermehren“ ab) findet sich der Beiname auch in der mittelalterlichen römisch-deutschen Kaisertitulatur – Semper Augustus: „allzeit Mehrer des Reichs“.

[] Vogelschlag, der

heftiger Aufprall eines Vogels auf ein fliegendes Flugzeug

Am 15. Januar 2009, heute vor zehn Jahren, landete Flugkapitän Chesley B. Sullenberger seinen Airbus A320 in einem spektakulären Manöver direkt auf dem Hudson River. Durch Vogelschlag waren beide Triebwerke ausgefallen. Alle Menschen an Bord überlebten die Notwasserung.

[] Klarinette, die

Holzblasinstrument mit zylindrisch gebohrter Röhre und schnabelförmigem Mundstück, das mit einem Blatt versehen ist

Der Überlieferung zufolge war es der 14. Januar 1690, an dem der Nürnberger Johann Christoph Denner mit der Ausführung der von ihm erfundenen Klarinette zufrieden war. Die Bezeichnung ital. clarinetto, frz. clarinette, dt. Clarinett(Campe) ist ein Deminutivum von ital. clarino ‘hohe Solotrompete’, eigentlich ‘die hell Tönende’.

[] Ergebenheitsadresse, die

an eine führende Persönlichkeit gerichtete Adresse, mit der jmd. oder ein Personenkreis seine Ergebenheit bekunden will

Diese Ergebenheitsadresse war ein tödlicher Fehler, zugleich markiert sie einen Wendepunkt im Dreißigjährigen Krieg: Am 13. Januar 1634 ließ der kaiserliche Generalissimus Wallenstein seine Generäle ein Papier unterzeichnen, in dem sie ihm die Treue schworen. Die als „Pilsener Revers“ bekannt gewordene Ergebenheitsadresse wertete Kaiser Ferdinand II. als offenen Verrat. Wallenstein wurde all seiner Ämter enthoben und schließlich am 25. Februar in Eger ermordet.

[] Ritter, der

dem Lehnsherrn zu Kriegsdienst und Treuedienst verpflichteter Angehöriger des Standes, der vornehmlich militärische Funktionen erfüllte und zur herrschenden Klasse der mittelalterlichen europäischen Feudalgesellschaft gehörte

Am 12. Januar 1519, heute vor 500 Jahren, starb der römisch-deutsche Kaiser Maximilian I. (geb. 1459). Der Habsburger, der sich als Modernisierer, Kunstmäzen und Humanist in die Geschichtsbücher einschrieb, ließ gleichwohl in prunkvollen und kostspieligen Turnierveranstaltungen das mittelalterliche Rittertum wiederaufleben, ein kostspieliges Hobby, das ihm den Beinamen „der letzte Ritter“ eintrug.

[] schachmatt, Adj.

der gegnerische König, der Gegner ist schachmatt: der gegnerische König ist in einer Position, aus der es für ihn keinen Ausweg gibt

Am 10. Januar 1908 gewann der Mathematiker Emanuel Lasker (1868 bis 1941) als erster und bislang einziger Deutscher die Schachweltmeisterschaft. Als Jude von den Nationalsozialisten ausgebürgert, emigrierte Lasker 1937 nach Aufenthalten in England und in der Sowjetunion in die Vereinigten Staaten, wo er 1941 starb. Gefürchtet war Lasker für seine Fähigkeiten im Endspiel: Das „Lasker-Mannöver“ ist Schachliebhabern bis heute ein fester Begriff.

[] Urheberrecht, das

Recht, über die eigenen schöpferischen Leistungen, Kunstwerke o. Ä. (persönlich oder durch Vertretung) zu verfügen

Am 10. Januar 1491 erschien das Gedächtnistraining „Phönix oder das künstliche Gedächtnis“ (Phoenix, sive artificiosa memoria) des italienischen Rechtsgelehrten Petrus von Ravenna (um 1448 bis 1508). Das Werk erhielt von der Republik Venedig ein Privileg, das den unerlaubten Nachdruck verbot. Es gilt damit als erstes urheberrechtlich geschütztes geistiges Erzeugnis.

[] Francium, das

radioaktives, schnell zerfallendes Alkalimetall (chemisches Element)

Am 9. Januar 1939 gibt die Physikerin Catherine Perey (1909–1975) der französischen Académie des sciences die Entdeckung eines neuen Elements, Actinium-K, bekannt, das 1946 in Francium umbenannt wird.

[] Borax, das

in der Natur selten vorkommendes, meist weißes, graues oder farbloses kristallisierendes Mineral

8. Januar 1856: Der Wissenschaftler John Allen Veatch entdeckt als Erster ein großes Borax-Vorkommen in den USA.

[] Kamera, die

Aufnahmegerät für stehende Bilder, für Filme, Fernsehübertragungen

7. Januar 1894: Der schottische Erfinder William K. L. Dickson, beschäftigt in den Laboratorien von Thomas Alva Edison, erhält in den USA ein Patent für die Erfindung der „Kinetograph“ genannten, ersten brauchbaren Filmkamera.

[] Dreikönigstag, der

volkstümliche Bezeichnung für den katholischen Feiertag Epiphanie (6. Januar), an dem der Sichtbarwerdung Jesu als Gottheit unter anderem durch die Anbetung der drei, später zu Königen umgedeuteten Weisen gedacht wird

6. Januar: Dreikönigsfest, Heilige Drei Könige

[] Fachjournal, das

regelmäßig erscheinende Publikation zu Themen eines bestimmten Forschungs-, Sach- oder Tätigkeitsgebietes

5. Januar 1665: In Paris erscheint das „Journal des Sçavans“, das erste wissenschaftliche Fachjournal in Europa.

[] Blindenschrift, die

System von Schriftzeichen, die typischerweise aus einem Raster von aus der Schreibfläche hervorstehenden Punkten bestehen und von Blinden mit Hilfe des Tastsinns gelesen werden können

4. Januar: Der Welttag der Braille-Schrift wird alljährlich am Geburtstag von Louis Braille (geb. 1809) begangen, dem Erfinder des nach ihm benannten Systems der Blindenschrift.

[] Pendel, das

an einem festen Punkt aufgehängter Körper, der um eine feste Achse unter dem Einfluss einer Kraft, besonders der Schwerkraft, hin- und herschwingen kann

3. Januar 1851: Der französische Physiker Léon Foucault führt erstmals ein Experiment mit dem „Foucaultschen Pendel“ durch, durch das ihm der Nachweis der Erdrotation gelingt.

[] Zeitfunk, der

Programmbereich des Rundfunks, der Informationsendungen über tagesaktuelle Ereignisse umfasst

2. Januar 1979: Die „Berichte von heute“, eine Zeitfunk-Sendung des WDR und NDR, werden zum ersten Mal ausgestrahlt.

[] Königreich, das

Staat mit einer monarchischen Regierungsform, an dessen Spitze ein König oder eine Königin steht

1. Januar 1806: Aufgrund des Friedens von Pressburg werden die Herzogtümer Bayern und Württemberg zu Königreichen.