Entführung der Block-Kinder :
„Das Kindeswohl wird von elementarer Bedeutung sein“

Lesezeit: 3 Min.
Christina Block im Jahr 2019
Die mutmaßliche Entführung der Kinder einer Hamburger Steakhouse-Erbin wirft Fragen auf. Dürfen die beiden bei der Mutter bleiben? Und was wäre, wenn Christina Block in die Rückholaktion verwickelt ist? Ein Jurist liefert Antworten.
Herr Marko Oldenburger, Sie sind Fachanwalt für Familienrecht in Hannover. Zwei Kinder der Steakhouse-Erbin Christina Block wurden in der Silvesternacht aus der Obhut des ­Va­ters aus Dänemark mutmaßlich entführt. Der Junge und das Mädchen sollen bei ihr in Hamburg sein. Dürfen sie dort auch bleiben?

Es wird sich in diesem Fall wohl ein sorgerechtliches Verfahren anschließen. Das Oberlandesgericht hatte Frau Block das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. Das könnte nun überprüft werden, aufgrund der unklaren Abläufe der Rückführung in der Silvesternacht. Das Kindeswohl wird für diese sorgerechtliche Frage von elementarer Bedeutung sein.

Welche Chancen hat der Vater, die Kinder wiederzubekommen?

Wenn die Kinder zunächst in Hamburg gelebt haben, aber schon seit 2021 ein Leben in Dänemark führen und eine Bindung zum Vater und dessen dortigem Leben aufgebaut haben, kann das Gericht mög­licherweise eine Sorgeentscheidung zugunsten des Vaters treffen. Ob es zu einer solchen für die gerichtliche Entscheidung bedeutsamen Bindung zum Vater gekommen ist, wird aufzuarbeiten sein.

Was wäre, wenn Frau Block in die mutmaßliche Entführung verwickelt war?

Wenn es so sein sollte, dass die Mutter in einer Form Initiatorin für das Zurückbringen der Kinder gewesen ist und dabei auch Gewalt angewendet worden sein sollte, welche die Kinder belastet oder trauma­tisiert haben könnte, dann ist dieses Vorgehen der Mutter, aus meiner Sicht, mit hoher Wahrscheinlichkeit Bestand­teil der Er­wägungen des Ge­richts und Gegenstand der Verhandlung. Damit könnte die Mutter gegen ihre ei­genen sorgerecht­lichen Verpflichtungen verstoßen haben, weil sie die Kindes­interessen möglicherweise hier nicht ausreichend berücksichtigt hat. Das könnte für den Vater unterstützend sein.

Im August 2021 waren die Kinder zu Besuch bei ihrem Vater und sollten nach Hamburg zu ihrer Mutter zurückkehren. Das geschah aber nicht. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht liegt nach deutschen Entscheiden bei Christina Block. Warum konnte sie diesen Titel nicht durchsetzen?

Aktuell gilt die sogenannte Brüssel-IIb-Verordnung. Laut dieser europarecht­lichen Verordnung sind Entscheidungen eines Mitgliedstaats bezüglich des Sorge- oder Umgangsrechts in allen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen. Das ist ein Automatismus. Solche Entscheidungen sind auch in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar. Das Problem ist, dass Dänemark der Verordnung nicht beigetreten ist und von daher nicht als Mitgliedstaat gilt. Eine Entscheidung aus Deutschland wird in Dänemark daher nicht anerkannt und ist somit auch nicht vollstreckbar. Das hat zur Folge, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Frau Block in Deutschland erwirkt hat, aufgrund des Aufenthalts des Kindesvaters und der Kinder in Dänemark nur ein stumpfes Schwert ist.

Marko Oldenburger ist Fachanwalt für Familienrecht und wissenschaftlicher Autor familienrechtlicher Fachbeiträge.
Marko Oldenburger ist Fachanwalt für Familienrecht und wissenschaftlicher Autor familienrechtlicher Fachbeiträge.privat
Ein dänisches Gericht hatte den Antrag der Mutter abgelehnt, die Kinder nach Hamburg zurückzuschicken. Angesichts des nun schon langen Verbleibs in Dänemark sei von einem „inzwischen ernsthaften Risiko für die körperliche und geistige Gesundheit der Kinder“ auszugehen.

Das Haager Kindesentführungsabkommen sagt, dass, wenn ein Elternteil ohne die Zustimmung des anderen Elternteils ein Kind in ein anderes Land bringt oder das Kind entgegen der Planung nicht aus einem Urlaub zurückbringt, der Elternteil am ursprünglichen Aufenthaltsort einen Antrag auf Rückführung der Kinder stellen kann. Dieses Übereinkommen hat auch ­Dänemark unterzeichnet. Demnach soll eine Rück­führung in der Regel innerhalb von sechs Wochen nach Antragstellung erfolgen. Wenn sie nicht innerhalb eines Jahres erfolgt, dann müssen besondere Feststellungen getroffen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kinder dann schon in das neue Land und Leben eingebunden sind. Unabhängig davon kann ein Rückführungsantrag zurückgewiesen werden, wenn damit für das Kind eine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens verbunden wäre. Das hat das dänische Gericht offensichtlich angenommen.

Welchen Einfluss hat der Wille der Kinder bei solchen juristischen Entscheidungen?

Der spielt kaum eine Rolle. Das Haager Kindesentführungsabkommen geht von der Vermutung aus, dass eine sofor­tige Rückführung des Kindes dem Kindeswohl grundsätzlich am besten entspricht, weil die Kontinuität der Lebensbedingungen er­halten bleibt. Demnach soll der Fall in dem Staat geklärt werden, wo der Elternteil lebt, dem die Kinder rechtswidrig entzogen oder vorenthalten wurden. Ist das Kind zurückgeführt worden, soll es seine Interessen in dem sich regelmäßig anschließenden sorgerechtlichen Verfahren natürlich äußern dürfen, gegebenenfalls mittels eines Verfahrensbeistands.