Christian Bale: Hungerkünstler oder Schauspiel-Ass?
von Christoph Petersen & Jan Hamm ▪ Montag, 4. April 2011 - 00:00

Seine mit einem Oscar prämierte Rolle in David O. Russells Boxer-Drama „The Fighter“ ist nun schon die dritte in der Karriere von Christian Bale, für die sich der „The Dark Knight“-Star vorab etliche Kilos abhungerte. Aber haben diese exzessiven Diäten eigentlich überhaupt noch etwas mit Schauspielerei zu tun? Unsere Redakteure Christoph Petersen und Jan Hamm vertreten zu diesem Thema völlig gegensätzliche Meinungen.

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Hungrig nach Schauspiel!

 

Von Jan Hamm


Blicken wir zunächst noch einmal auf die Geschichte Hollywoods zurück: In den 1940ern prägte der amerikanische Schauspiellehrer Lee Strasberg den Begriff des „Method Acting“ – und damit eine Darsteller-Schule, die uns unvergessliche Leinwand-Momente beschert hat. Wo wäre das Kino heute ohne die fleißigen Lehrlinge Strasbergs, ohne Robert De Niro und Al Pacino, ohne Marlon Brando und James Dean, ohne Dustin Hoffman und Paul Newman? „Method Acting“, das ist kein Dogma der körperlichen Marter oder gar der zerstörerischen Metamorphose, sondern ein besonderer Rollenzugang: Die portraitierte Figur soll nicht bloß mimisch und gestisch simuliert, sondern emotional durchdrungen, von innen heraus begriffen werden. Kein Regisseur, kein Drehbuchautor kann den Spielern das abnehmen. Statt sie dafür zu verspotten, sollten wir den emotionalen – nicht körperlichen – „Method Acting“-Kraftakt würdigen!

Radikaldiät? Mut zur Hässlichkeit? Nein, den Oscar für „The Fighter“ hat Christian Bale mehr als verdient gewonnen, weil er sich Hals über Kopf in die hochanspruchsvolle Rolle des Dicky Eklund gestürzt hat. Die fliehende Stirn, der abgemagerte Leib, das sind Bauernopfer eines leidenschaftlichen Schauspielers. Deswegen werden wir uns an diese Figur erinnern: Selten hat eine derart abstoßende Gestalt so berührt, selten war ihr Schicksal wider alle Abscheu so ergreifend. Was schert es uns, über welche Umwege Bale seine darstellerische Erleuchtung erreicht? Wir gehen ins Kino, um uns mitreißen zu lassen – und nicht, um unsere verhohlenen Fitnessberater-Ambitionen auszuleben. Außerdem, Hand aufs Herz: Sieht so etwa ein gesundheitliches Wrack aus:


Mysteriös: Christian Bale, halb zu Tode geschunden in "The Fighter" (links) und kurz darauf putzmunter beim Oscar-Sieg 2011 (rechts).

 

Müssen Schauspieler saufen, um Säufer darzustellen? Natürlich nicht! Aber sei es drum, begeben wir uns für einen Moment in die tiefsten Tiefen des Hollywood-Boulevard: Charlie Sheen hat seine Schauspielkarriere und seinen Ruf gegen die Wand gefahren, weil er mit dem Teufel um die Wette gebechert hat. Ist Christian Bale am Set von „Terminator: Die Erlösung“ etwa ausgetickt, weil er den Schädel voller Stoff hatte? Ganz im Gegenteil: Er war zum Bersten angespannt, weil er den Film und seine Figur – anders als sein Regisseur McG – ernst genommen hat und seinem Publikum ein intensives Kinoerlebnis bescheren wollte. Bale hat sich nicht nur auf dem Fuße bei Kameramann Shane Hurlbut, dem unglückseligen Ziel seiner Schimpfkanonade, sondern auch noch in aller Öffentlichkeit entschuldigt:

 

 

Das hat Stil! Und damit dürfen wir seinen Freidreher, ganz anders als die Eskapaden des Herrn von und zu Sheen, guten Gewissens als eine der brüllkomischsten Choleriker-Sternstunden seit Klaus Kinski – und kontextbewusst als Zeugnis seiner Passion – feiern! Gleichwohl kann man es manchen eben nie recht machen. Sicher, James Franco musste sich keinen Arm abschmirgeln, um als Aron Ralston in „127 Hours“ zu begeistern. Doch ebenso wenig musste Bale zum Heroin-Besteck greifen, um „The Fighter“ zu vergolden. Vielmehr verdienen beide gleichermaßen Respekt für ihre Leistung.

 


Musste einen obszönen Kilo-Stunt vollführen, um bei den Oscars 2008 überhaupt zugelassen zu werden: Daniel Day-Lewis als gertenschlanker Adonis (links) und als Schwergewicht Daniel Plainview in „There Will Be Blood“ (rechts).

 

Wo wir gerade dabei sind: Was hat es eigentlich mit diesem verächtlichen Zungenschnalzen auf sich, der Academy gelte das Schinden mehr als das Spielen? Blicken wir zurück: Jeff Bridges („Crazy Heart“), Sean Penn („Milk“), Daniel Day-Lewis („There Will Be Blood“) und Forest Whitaker („Der letzte König von Schottland“) – alles bloß oscargeile Masochisten und Körperfeinde? Wohl kaum! Unter diesen Männern ist Christian Bale in bester Gesellschaft. Und wem seine mutigen Methoden tatsächlich zu sehr aufs Gemüt schlagen, für den hält die weite Welt des Films ja garantiert diätfreie Schauspiel-Großtaten bereit:


 

Fazit: Christian Bale hat den Oscar verdient, weil er das Schauspielkino unschätzbar bereichert. Was er mit seinem Körper anstellt, um sich in seine Rollen einzufühlen, ist seine Privatangelegenheit. Wer sind wir, über die Risikobereitschaft unserer Entertainer zu richten? Wir lassen uns schließlich auch nicht von deutschen Autobahnen vertreiben, nur weil hinter jeder Kurve Schicht im Schacht sein könnte.

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Kommentare

  • Thawyer

    Ich muss dem Jan Hamm zustimmen. Sich gegen solche Preisrichter aufzulehnen ist wie ... sich über Politiker aufzuregen. Nützt doch nichts. Auch wenn ich Black Swan und The Figher noch nicht sehen durfte, sehe ich keinen Grund da etwas anzuzweifeln...

  • Fain5

    Ich gebe beiden Recht. Christian Bale ist ein herausragender Schauspieler und hat in mehreren Rollen bewiesen dass er zu den ganz großen gehört. Deswegen ist es ihm auch hoch anzurechnen was er alles für seine Rollen auf sich nimmt.

  • PaddyBear

    sehr gutes und interessantes spezial. Ich sehe das ähnlich. Was er mit seinem Körper anstellt ist natürlich schon sehr extrem aber ich halt bale (deswegen ist er auch mein lieblingsschauspieler) für einen großartigen schauspieler der teilweise super intensiv und überzeugend spielt. Die Kritik an der Academy unterstütze ich.

  • Fain5

    Ich denke nach den diesjährigen Oscarverleihungen kann die Kritik an der Academy nicht groß genug sein.

  • Padrino90

    Tolles Special!

  • bestsimon

    also ich gebe jan hamm recht, bale ist ein klasse schauspieler und hat seinen oscar für the fighter völlig verdient. und die academy zu kritisieren finde ich auch nicht gut, da sie es ja nie allen recht machen kann, außerdem sitzen da ja nicht nur idioten, die keine ahnung haben!

  • LeonardBlondieTyler

    klasse special...tendiere zu jan hamm,ohne solche leistungen wie sie uns bale usw bietet wäre kino en stück langweiliger...

  • Loconut

    super, mehr von solchen spezial-specials!
    die abgemagerte darstellung bale's verkommt nie zum selbstzweck, sie ist vielmehr eine unterstützung in der glaubwürdigkeit seiner rolle. daher eine hoch anzurechnende leistung seinerseits.

  • Jack-ONeill

    das problem ist eben, dass man sich alles verbauen kann, wenn so eine abnehm-zunehm-sache schief geht

  • Luphi

    Das Special ist eine tolle Idee. Bitte mehr davon! Ich persönlich stehe da eher hinter Jan Hamm. Wenn man seinen Körper "nur" wegen einer einzelnen Rolle so auf die Probe stellt, kann man das einem Schauspieler nicht zum Vorwurf machen, ganz im Gegenteil. Das ist eine unglaubliche Leistung und da steckt auch im Schauspieler selbst der Wunsch dahinter, seine Rolle glaubwürdig präsentieren zu können. Das ist vor allem bei "Darstellerfilmen" wichtig, die eben von der Präsenz ihrer Protagonisten leben.

  • Loconut

    dieses problem hat uns aber nicht anzugehen. es ist schlicht seine sache, wie es jan hamm bereits ausgeführt hat. das einzige was wir machen können ist diese leistung zu würdigen oder eben nicht.

  • ach-herr-je

    wirklich sehr gutes special.

  • Sortus

    Gutes Special danke. Hat ja schon was Essayhaftes :D

  • Philosoph

    Mir egal. Ich will gute Leistungen sehen und die Oscars gehen mir sonstwo vorbei. Bale macht es freiwillig und wird zu nichts gezwungen, also ist das komplett seine Sache.

  • digital-bath

    An sich eine interessante These, aber Christian Bale ist da der falsche Buhmann.

  • P14INVI3VV

    Jan Hamm bringt es auf den Punkt

  • FrancisMcJoe

    ...und das sollte eigentlich "verunstaltet" heißen

  • FrancisMcJoe

    unterstütze auch die meinung von jan hamm (toller name, will ein interview zwischen ihm und jon hamm sehen :D)... es ist häufig einfach notwendig, dass schauspieler dermaßen in ihre rolle eintauchen, dass man die eigentliche person nicht mehr erkennt, besonders zu zeiten wo man alles über jeden einzelnen restaurantbesuch eines stars erfährt. ich weiß persönlich oft einfach zu viel über den darsteller und seh einfach nur ihn - wenn er sich quasi "verunstellt", fällt es mir leichter, ihm die rolle abzukaufen. aber bale steht grundsätzlich außen vor, den respektiere ich :)

  • Stazzmatazz

    Klasse Special! Die Auszeichnung von Bale war sowieso schon lange überfällig..jetzt mal nur so nebenbei erwähnt. Insgesamt muss ich sagen, dass ich vor dem Lesen darüber nachdachte was ich so sagen würde ohne die Meinungen der beiden Redakteure zu lesen und ich war etwas unsicher. Nach dem Lesen von Christoph Petersens Kommentar dachte ich: "Yep! Da ist was dran!" Nach dem Lesen von Jan Hamms Kommentar dachte ich wiederum: "Yep! Hat auch Recht!" (Die Entschuldigung Bales hatte ich zum ersten mal gehört. Fand ich großartig! Der Mann hat wirklich Größe!) Zum Abschluss würde ich aber sagen dass ich im Endeffekt die Meinung von "digital-bath" teile. Deswegen war ich mir auch unsicher. Den Bale hat so oder so den Oscar schon längst bekommen sollen.

  • Cinergie

    Wie die meinsten hier finde ich auch, Bale hat eine Auszeichnung schon lange verdient. Er ist halt ein Vollblut-Schauspieler, der sich auch physisch voll der Sache widmet. Für mich gehört er sowieso zu den charismatischsten und beeindruckendsten Mimen in Hollywood. Möglicherweise hat er den Hang zum Extremen, aber genau diese Intensität verleiht seine Rollen eine unglaubliche Tiefe! Und einen besseren, innerlich zerisseneren Batman gabs noch nie. Ich freue mich auf noch viele Filme mit ihm!

  • Da HouseCat

    ich ärger mich heute noch ,was die aus terminator gemacht haben. bale war die perfekte besetzung für einen düsteren ernsten terminator film in einem szenario wie in teil2.

  • KittyBale

    Christian Bale ist für mich der beste Schauspieler Hollywoods weil er sich so in seinen Rollen einlebt. Früher gefielen mir Schauspieler die *NUR* gut aussahen. Aber dann fiel mir Christian Bale auf. Seine Rollen wirken echt und wenn er dafür abnimmt soll er das tun. Er tut das aus einem Bauchgefühl heraus, ist Perfektionist. Ich nehme Ihm seine Darstellung ab.. Selbst in Blockbustern wie Terminator oder Batman.. Charaktere die vorgezeichnet sind und seinem Können wenig Spielraum lassen...

  • stonyrue

    mysteriös: die oscar verleihung 2011 war also "kurz nach" seinem auftritt in the fighter? der mann muss ein haarwachstumsmittel sondergleichen besitzen :D

  • Laotse

    Die Bildunterschriften sind selbstredend mit einem Augenzwinkern zu lesen - siehe "There Will Be Blood"-Bildunterschrift. ;)

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