Schematischer Schnitt der Erde, wie Geologen sich den Aufbau heute vorstellen.
Schematischer Schnitt von einem mittelozeanischen Rücken bis zu einer Subduktionszone. Am mittelozeanischen Rücken wird Ozeankruste gebildet und driftet von dort bis zur Subduktionszone. Hier dringt Wasser bis in den oberen Erdmantel ein. Dieses Wasser reduziert beim Abtauchen der Platte in den Erdmantel die Schmelztemperatur des Gesteins. Die aufsteigenden Schmelzen bilden große Vulkanbögen, zum Beispiel in den Anden. Erkenntnise über Prozesse erlangen die Wissenschaftler zum Beispiel mit dem weltweit größten Bohrschiff, der japanischen "Chikyu". Grafik: S. Kutterolf, GEOMAR
Der Ozeanboden besteht nicht nur aus vulkanischem Material. Meist liegt auf ihm noch eine dicke Schicht von Sedimenten. Sie kann bis zu einem Kilometer mächtig werden und besteht aus biologischen Partikeln - abgestorbenen Tieren und PFlanzen - sowie Gesteinsfragmenten, die im Laufe von Jahrmillionen auf den Meeresboden rieseln. Hier drei Bohrkerne, die während einer Expedition im Oktober 2009 mit dem japanischen Bohrschiff "Chikyu" vor der Küste Japans erbohrt wurden: (la) vulkanische Asche (schwarz), die zwischen Sedimente (grün-oliv) eingebaut und durch Bewegungen am Meeresboden umgelagert wurde; (b) vulkanische Bimse, die durch heftige Eruptionen an Land bis in die Tiefsee transportiert wurden; (c) Übergang zwischen magmatischer ozeanischer Kruste und den darüber liegenden Sedimenten. Foto: S. Kutterolf, GEOMAR
Dr. Steffen Kutterolf an der Mikrostruktursonde des GEOMAR. Mit ihr können Geologen die Zusammensetzung von Gesteinsproben ermitteln und so die Geschichte der Erde rekonstruieren. Foto: J. Steffen,GEOMAR

Warum ist die Erde ein "blauer Planet"?

Informationen über das Alter und die Entstehung der Ozeane

von Dr. Steffen Kutterolf, GEOMAR

Als ich gebeten wurde, etwas über die Geschichte der Weltmeere zu schreiben, dachte ich, na ja kein Ding, damit habe ich als Geologe und Vulkanologe ständig zu tun. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto schwieriger fand ich das Thema, denn es hat sehr viele Aspekte. Man begegnet den Begriffen „Weltmeer“ oder „Ozean“ ja beinahe tagtäglich im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung – auch wenn man nicht an einem meereswissenschaftlichen Institut arbeitet. Wo fängt man da an? Vielleicht mit diesen Fragen: Woher kommt das Wasser? Und sind die Ozeane so alt wie die Erde? Zunächst einige Zahlen und Wissenswertes: Die heutigen fünf Ozeane der Erde (Arktischer, Atlantischer, Indischer, Pazifischer und Antarktischer Ozean) bedecken zusammen mit ihren Nebenmeeren 71 Prozent der Erdoberfläche. Sie alle unterscheiden sich durch Volumen, Salzgehalt, Gezeitensysteme, Wellen und Meeresströme sowie ihre erdgeschichtliche Entwicklung. Und sie verändern sich ständig. Dieser Prozess prägt unseren Planeten. Aber wie funktioniert er?

Am Anfang war ein glühender Klumpen Sternenstaub

Zur Klärung dieser Frage muss man bis zur Entstehung der Erde zurückgehen – so, wie die Wissenschaft sie sich heute vorstellt. Da wir leider nicht in die Vergangenheit reisen können, beruhen diese Erkenntnisse auf einer Vielzahl von kleinen Puzzlestücken, die Forscher in den vergangenen Jahrhunderten zusammengesetzt haben. Demnach hat sich die Erde aus vielen kleinen Stücken „Sternenstaub“ zusammengefügt. Dabei wurde Wärme freigesetzt, was höchstwahrscheinlich dazu geführt hat, dass das Gestein der Erde schmolz und flüssig wurde. Die schweren Elemente wie Eisen und Nickel sanken in die Erdmitte zum Kern ab und es entstand ein schalenförmiger Aufbau. Leichte Elemente und vor allem Gase stiegen nach oben. Dank der Schwerkraft verschwanden nicht alle gleich ins All, sondern bildeten rund um die Erde eine Atmosphäre.

Der Ur-Ozean entsteht

Bevor Lebewesen mit Photosynthese den Planeten zu verändern begannen, bestand die Atmosphäre vermutlich vor allem aus Wasserdampf, vermischt mit Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefel, Stickstoff, „Salzsäure-Dampf“, Wasserstoff, Helium und nur sehr wenig Sauerstoff. Als sich die Temperaturen auf der Oberfläche vor etwa vier Milliarden Jahren weit genug abgekühlt hatten, kondensierte der Wasserdampf und es begann zu regnen. Dieser Regen war durchmischt mit Salz- und Schwefelsäure und zerfraß die gerade erkalteten Gesteine an der Erdoberfläche (chemische Verwitterung). Es entstanden Becken, in denen sich das Wasser sammelte. Aufgrund des zunehmenden chemischen Verwitterungsprozesses lösten sich auch Mineralien im Wasser, das bald einen Salzgehalt wie den der heutigen Meere (35 Promille) ereichte. Der Urozean war entstanden. Er nahm – wie übrigens die heutigen Ozeane auch – Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf. Dadurch dürfte der Anteil dieses Gases in der Atmosphäre gesunken sein. Seither hat sich der Kohlenstoffdioxid-Anteil in der Luft nicht mehr wesentlich geändert – bis der Mensch mit der Industrialisierung begann.
Vor rund 3,5 Milliarden Jahren war also schon die charakteristische Einteilung in Kontinente, Ozeane, Berge, und Täler auf der Erde vorhanden. Aber in den folgenden Jahrmillionen haben sich diese ständig verändert. Ozeane entstanden und verschwanden, die Erde hatte zusammenhängende Landmassen (Kontinente), sah der heutigen Erde mehrmals schon sehr ähnlich und veränderte sich dann doch wieder völlig. Seit wann also gibt es die heutigen Ozeane? Die Antwort: Auf jeden Fall sind sie jünger als 200 Millionen Jahre, im Durchschnitt sogar „nur“ 80 Millionen Jahre. Im Gegensatz zu den Kontinenten, die bis ungefähr vier Milliarden Jahre zurück datiert werden können, also wirklich geologische Kids. Warum das so ist? Das lässt sich eigentlich mit einem einzigen Wort erklären: Plattentektonik! Dieses geologische Konzept beschreibt wunderbar, wie sich der Boden unter unseren Füßen ständig zueinander, gegeneinander und miteinander bewegt.

Alte Kontinente – junge Ozeane

Was steckt hinter dem Begriff? Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts glaubten die Menschen, dass die Gestalt der Erde fest und unveränderlich sei. Der deutsche Geowissenschaftler und Polarforscher Alfred Wegener (1880-1930) publizierte 1915 ein Buch, welches die Sichtweise über die Entstehung von Kontinenten und Ozeanen revolutionierte. Er behauptete, dass es in der früheren Erdgeschichte einen Superkontinent gab, in dem alle Landmassen vereint waren. Dieser sei bei der Bildung des Atlantiks auseinander gebrochen. Die Erdkruste wäre demnach nicht starr. Die Fachwelt reagierte empört. Wegeners Konzepte wurden lange kontrovers diskutiert, zumal ein Beweis zunächst fehlte. Dieser folgte erst in den 1960er Jahren. Geologen wie die Amerikaner Harry H. Hess (1906-1969) oder Bruce C. Heezen (1924-1977) hatten in den 1940er und 1950er Jahren angefangen, die Ozeanböden genauer zu untersuchen. Hess hatte beispielsweise als Schiffskommandant der US-Marine während des Zweiten Weltkriegs Gelegenheit, mit unzähligen Echolotmessungen Teile des Pazifikbodens zu vermessen. 1962 veröffentlichte er ein Buch über die Geschichte der Ozeanbecken und bestätigte Wegeners Theorie: Entlang der großen unterseeischen Gebirgszüge, der mittelozeanischen Rücken, bildet sich ständig neue Erdkruste und drückt die  ältere auseinander. Der Atlantik wird so jedes Jahr zwei bis vier Zentimeter breiter.

Vom Auf- und Abtauchen der Ozeankruste

Aber wenn sich kontinuierlich neue Erdkruste bildet, dann muss sie auch irgendwo wieder zerstört werden. Sonst würde sich die Erde mit der Zeit aufblähen wie ein Luftballon. Tatsächlich wird Erdkruste an anderen Stellen wieder in den Erdmantel verschluckt. Das geschieht an sogenannten „Subduktionszonen“, die sich entlang der Tiefseegräben erstrecken.
Die Ursache für diese Bewegungen der Erdoberfläche sind Prozesse im Erdinneren: Radioaktive Zerfallsprozesse sorgen dort dafür, dass der Kern unseres Planeten auch nach vier Milliarden Jahren noch immer extrem heiß ist – ca. 4.000 bis 5.000 Grad Celsius. Wie heiße Wasserdampfblasen in einem Kochtopf nach oben steigen, steigt an einigen Stellen der Erde erhitztes und verformbares Material aus dem Erdinneren in Richtung Erdoberfläche. Nahe der Erdoberfläche kühlt das meiste Material wieder ab und sinkt zurück zum Erdkern. Der Kreislauf, der dabei entsteht, bewegt auch die großen Platten der Erdkruste. Gleichzeit tritt ein Teil des geschmolzenen Gestein als Magma an die Oberfläche, kühlt am Meeresgrund ab und bildet die neue Kruste. Diese neue Kruste ist allerdings anfänglich noch immer heiß und damit weniger dicht. Wenn das nachdrängende Material sie zur Seite schiebt, kühlt sie immer weiter ab. Sie wird dichter, schwerer und sinkt tiefer in den Erdmantel ein. Das erklärt die tiefen Ozeanbecken, die im Mittel rund 3.800 Meter unterhalb der Meeresoberfläche liegen. Trifft nun alte, verdichtete Ozeankruste auf eine Erdplatte aus leichterer Kontinentalkruste oder relativ neu gebildeter, leichter Ozeankruste, so gleitet sie unter die leichteren Platten und sinkt zurück in den Mantel. Da sich die Platten ineinander verhaken, sind diese Regionen extrem erdbebengefährdet – so wie beispielsweise Indonesien oder die Westküste Südamerikas. Im Erdinneren schmilzt die versinkende Platte wieder, was hinter der Subduktionszone häufig zu Vulkanismus führt – so wie rund um den Pazifik, dessen Ränder als „pazifischer Feuerring“ bekannt sind. Der Kreislauf von der Entstehung der Ozeankruste am mittelozeanischen Rücken bis zu ihrer Zerstörung an Subduktionszonen bedeutet also, dass die Ozeane ihre Größe und Form ständig ändern. Deshalb gibt es keinen Ozeanboden auf der Erde, der älter ist als 200 Millionen Jahre.

Insgesamt ist der Meeresboden ein sehr aktives, sich ständig veränderndes Gebilde. Dieser Prozess ist Ursache für Naturkatastrophen, aber mit seinen chemischen und biologischen Stoffkreisläufen auch Grundlage für das Leben auf unserem Planeten. Deshalb glauben viele Wissenschaftler, dass in unseren Ozeanen auch das größte Potential für zukünftige Energie, Rohstoffe und Nahrungsquellen liegt und die Erforschung dieser großen Bereiche einer der wichtigsten Aufgaben des 21. Jahrhunderts ist.

Dr. Steffen Kutterolf hat Geologie und Paläontologie in Stuttgart studiert. Seit 2001 arbeitet er im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 574 Volatile und Fluide an Subduktionszonen als Vulkanologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seine Spezialgebiete sind bisher die hochexplosiven Vulkaneruptionen Lateinamerikas, ihre Vulkangefahren und marinen Ablagerungen sowie der daraus berechnete Ausstoß klimarelevanter Gase. Dabei verbindet er zwei Wissenschaftsgebiete, die sonst oft getrennt voneinander betrachtet werden: die Feldgeologie und die marinen Wissenschaften.

Schematischer Schnitt der Erde, wie Geologen sich den Aufbau heute vorstellen.
Schematischer Schnitt von einem mittelozeanischen Rücken bis zu einer Subduktionszone. Am mittelozeanischen Rücken wird Ozeankruste gebildet und driftet von dort bis zur Subduktionszone. Hier dringt Wasser bis in den oberen Erdmantel ein. Dieses Wasser reduziert beim Abtauchen der Platte in den Erdmantel die Schmelztemperatur des Gesteins. Die aufsteigenden Schmelzen bilden große Vulkanbögen, zum Beispiel in den Anden. Erkenntnise über Prozesse erlangen die Wissenschaftler zum Beispiel mit dem weltweit größten Bohrschiff, der japanischen "Chikyu". Grafik: S. Kutterolf, GEOMAR
Der Ozeanboden besteht nicht nur aus vulkanischem Material. Meist liegt auf ihm noch eine dicke Schicht von Sedimenten. Sie kann bis zu einem Kilometer mächtig werden und besteht aus biologischen Partikeln - abgestorbenen Tieren und PFlanzen - sowie Gesteinsfragmenten, die im Laufe von Jahrmillionen auf den Meeresboden rieseln. Hier drei Bohrkerne, die während einer Expedition im Oktober 2009 mit dem japanischen Bohrschiff "Chikyu" vor der Küste Japans erbohrt wurden: (la) vulkanische Asche (schwarz), die zwischen Sedimente (grün-oliv) eingebaut und durch Bewegungen am Meeresboden umgelagert wurde; (b) vulkanische Bimse, die durch heftige Eruptionen an Land bis in die Tiefsee transportiert wurden; (c) Übergang zwischen magmatischer ozeanischer Kruste und den darüber liegenden Sedimenten. Foto: S. Kutterolf, GEOMAR
Dr. Steffen Kutterolf an der Mikrostruktursonde des GEOMAR. Mit ihr können Geologen die Zusammensetzung von Gesteinsproben ermitteln und so die Geschichte der Erde rekonstruieren. Foto: J. Steffen,GEOMAR