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Tirol: Unterwegs im Tannheimer Tal

Foto: TMN/ TVB Tannheimer Tal

Tirol Weiße Weitläufigkeit

Das "schönste Hochtal Europas" nannte der Schriftsteller Ludwig Steub einst das Tannheimer Tal. Wer das überprüfen will, muss nicht weit fahren. Aus Ulm oder Augsburg kommen die Wintersportler selbst für einen Tag. Und wer es gemütlich liebt, kann sich am Schneeschuhwandern versuchen.

Tannheim - Endlich geht es hinauf. Wenigstens ein paar Schritte. Gästeführer Elmar Rief hat die Schneeschuhe untergeschnallt und macht vor, wie man damit eine zwei Meter hohe Schneewehe hinaufstapft und dann im Tiefschnee weiter vorankommt. "Den Schuh ganz anheben, vorwärts bewegen und nicht abrollen." Sieht einfach aus, aber so mancher Einsteiger verheddert sich beim Einsatz der Teleskopstöcke und tellerförmigen Untersätze. Die große Plastikfläche sorgt dafür, dass niemand im Tiefschnee versinkt - und genau das ist ungewohnt. "Nicht so viel nachdenken, lieber genau hinschauen und Natur einatmen", mahnt Elmar.

Natur haben wir schon reichlich eingeatmet auf Wanderwegen rund um Tannheim und das Naturschutzgebiet Visalpsee: In dichtem Schneetreiben sind wir in tiefster Winternacht angekommen im Tannheimer Tal und im gleißenden Sonnenlicht wieder aufgewacht. Zum Visalpsee fahren wir mit dem "Alpenexpress". Die Bimmelbahn ist neben Pferdekutsche und Langlaufskiern eines der wenigen zugelassenen Transportmittel in das 16 Quadratkilometer große Natur- und Vogelschutzgebiet.

Ein Rundweg soll Wanderer in 90 Minuten um den See führen, doch schon nach 10 Minuten ist Schluss. Der Weg ist gesperrt, "Lawinengefahr", warnt ein schwarz-gelbes Schild. Die Vilser Alpen sind ein Sommerwandergebiet, lernen wir, und schlagen den Rückweg ein. Der Schriftsteller Ludwig Steub nannte das Tannheimer Tal das "schönste Hochtal Europas". Der Tourismusverband zitiert das gebetsmühlenartig auf allen Prospekten und Karten, abgemildert durch den Zusatz "wohl".

Weiß und weitläufig liegt es da, eingerahmt von markanten Berggipfeln, die aber längst nicht so schroff wie in anderen Alpenregionen wirken. Wir befinden uns auf bereits 1100 Metern Höhe. Da scheinen die Gipfel der Zweitausender im Osten oder der isolierte Aussichtsgipfel im Norden Tannheims, der Einstein auf 1866 Meter Höhe, gar nicht so weit entfernt.

Eiskletterturm und Ballonfestival

"Wir sind die ersten Alpen", sagt Michael Keller, Geschäftsführer des Tourismusverbands, über das Stück Tirol im Allgäu. Den Zusatz "für Gäste aus dem Norden" lässt er weg. Das Tal ist sowieso das ganze Jahr über fest in deutscher Hand. Die Übernachtungszahlen der sechs Gemeinden im Tourismusverband sind im Sommer wie im Winter fast gleich hoch, nur kommen im Winter noch viele Tagesskifahrer aus Ulm oder Augsburg dazu. Für sie ist die Anreise viel einfacher als für Besucher aus der Landeshauptstadt Innsbruck.

Jungholz, die westlichste Gemeinde im Verbund, kann sogar nur über deutsches Gebiet angefahren werden. "Wir galten früher als deutsches Wirtschaftsgebiet mit österreichischem Hoheitsgebiet. Davon sind noch die beiden Postleitzahlen, eine österreichische und eine deutsche, übrig geblieben", erklärt Hans Hatt. Und eine stattliche Zahl von Banken. Aber die sind nicht Hatts Thema, er ist Geschäftsführer der Bergbahnen Jungholz und Erfinder des "Kinderlands": So heißt das 20.000 Quadratmeter große, eingezäunte Gebiet mit Indianerdorf, fußbodenbeheizten Iglus und Schnee-Karussell: "Wir wollen die Kinder spielerisch und ganz langsam an das Skifahren gewöhnen", sagt der Geschäftsführer.

Das Jungholzer Skigebiet ist so klein wie das 300-Seelen-Dorf selbst: Es hat zehn Kilometer Skipiste, davon sind 70 Prozent blau - und damit kinderleicht. Weil das für Jugendliche, Snowboarder oder geübte Fahrer langweilig ist, setzte Hatt vor zehn Jahren auf die Kinder und gewann damit die Familien: "Weil wir auch an das Budget denken", sagt er und verweist auf die Selbstversorger-Brotzeitstuben, wo man mitgebrachte Speisen und Getränke verzehren darf.

Zwei Stunden pro Tag steht der 64-Jährige noch selbst auf den Ski, schaut nach dem Rechten und ist damit keinesfalls der Älteste: "Sie glauben gar nicht, wie viele Best Ager bei uns wieder zum Abfahrtslauf finden." Das mag an den Lifttarifen liegen, die ab 60 Jahren ermäßigt sind - ab dem 80. Geburtstag fahren Besucher gratis. Das hat aber vielleicht auch mit der Breite des Angebots im Tal zu tun: Es gibt Rodelbahnen, einen Eiskletterturm und ein Ballonfestival.

Deike Uhtenwoldt, dpa