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Allianz Schulte-Noelle tritt überraschend zurück

Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle legt im April des kommenden Jahres sein Amt nieder und wechselt in den Aufsichtsrat. Mit Michael Diekmann steht bereits sein Nachfolger fest.

München - Beim Versicherungskonzern Allianz  wird es einen Wechsel an der Spitze geben. Wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte, legt Henning Schulte-Noelle (60) sein Mandat als Vorstandsvorsitzender mit der Hauptversammlung am 29. April 2003 nieder.

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat demnach dem Rücktritt in der heutigen Sitzung zugestimmt und wird Schulte-Noelle zur Wahl in den 2003 neu zu bildenden Aufsichtsrat vorschlagen.

Schulte-Noelle begründete den Rücktritt mit seiner persönlichen Lebensplanung. Im nächsten Jahr werde er 61 Jahre alt und sei mit einer Ausnahme der derzeit dienstälteste unter den Vorstandschefs der im Dax notierten Unternehmen, sagte er am Mittwoch in München.

Als Nachfolger wurde Michael Diekmann (47) nominiert. Diekmann ist derzeit im Vorstand für die Versicherungsaktivitäten in Nord- und Südamerika zuständig und trägt gruppenweite Verantwortung für den Bereich Human Resources. Diekmann ist seit 15 Jahren bei der Allianz und seit fünf Jahren Mitglied des Vorstandes.

Diekmann darf alle Weichen anders stellen

Diekmann will in der Übergangszeit bis zur Hauptversammlung im April eng mit Amtsinhaber Henning Schulte-Noelle kooperieren. Er wolle bis zum offiziellen Amtswechsel "noch sehr viel enger" mit Schulte-Noelle zusammenarbeiten, sagte Diekmann.

Die Allianz will auch nach dem überraschenden Rücktritt von Schulte-Noelle an ihrem Konzept des integrierten Finanzdienstleisters festhalten. Der designierte Konzernchef Diekmann werde das Konzept gemeinsam mit seinen Kollegen mit Erfolg weiter führen, sagte Schulte-Noelle. Dennoch werde Diekmann frei sein, die Weichen in allen Bereichen des Unternehmens künftig anders zu stellen.

Schulte-Noelle steht seit 1991 an der Spitze der Allianz

Der gelernte Jurist Schulte-Noelle war 1975 zur Allianz gekommen, Anfang 1991 wurde er zum Chef der Allianz-Lebensversicherung und im Oktober desselben Jahres zum Chef des Gesamtkonzerns berufen. Unter seiner Führung expandierte die Allianz weltweit und übernahm die französische AGF, die Schweizer Elvia-Gruppe und die Vereinte Krankenversicherung.

In einem Interview mit dem manager magazin hatte Schulte-Noelle kürzlich bereits seine Rücktrittsgedanken angedeutet. "Zwischen 60 und 65 verlängern sich die Verträge jeweils um ein Jahr, wenn beide Seiten das so wünschen", orakelte der Allianz-Chef in dem Gespräch: "Wenn ich mich irgendwann aus meiner Funktion verabschiede, wird es jemanden geben, der dieses Konzept weiterführt - und zwar so wie heute, gemeinsam mit den Kollegen. Überlegungen nach dem Motto, ich muss jetzt erst noch etwas zu Ende bringen, bevor ich den Stab übergeben kann, sind mir völlig fremd."

Mit seiner überraschenden Demission will Schulte-Noelle, der in diesem Sommer 60 Jahre wurde, offenbar quälenden Nachfolge-Diskussionen vorbeugen. Zudem wird im kommenden April der Aufsichtsrat turnusmäßig neu gewählt. Dieses Ereignis findet nur alle fünf Jahre statt. Schulte-Noelle will womöglich die Chance nutzen, aus der Mitte der Kontrolleure zum neuen Vorsitzenden gewählt zu werden und Klaus Liesen an der Spitze des Aufsichtsrates abzulösen.

Corporate-Governance-Kodex wird vollständig umgesetzt

Zusätzlich zu der spektakulären Personalentscheidung hat der Aufsichtsrat der Allianz in seiner heutigen Sitzung erklärt, dass die Allianz sämtlichen Empfehlungen der Regierungskommission "Deutscher Corporate Governance Kodex" entsprechen werde. Der Vorstand des Konzerns hatte bereits in seiner Sitzung am Dienstag eine gleich lautende Entsprechungserklärung beschlossen.

Künftig hätten Vorstand und Aufsichtsrat einmal jährlich zu erklären, ob sie den Kodex-Empfehlungen folgen oder welche Empfehlungen nicht angewendet werden.

Liesen steht dem Audit Committee vor

Der Grundsatzbeschluss, den Deutschen Corporate Governance-Kodex für sich als verbindlich anzuerkennen, wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat der Allianz schon in den Sitzungen im September dieses Jahres gefällt. Dabei wurde auch die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, des so genannten Audit Committees, beschlossen. Zu den Hauptaufgaben dieses Gremiums zählen die Vorprüfung des Jahres- und Konzernabschlusses sowie der Quartalsberichte und die Erteilung des Prüfungsauftrages an den Abschlussprüfer.

Mit der Leitung des Ausschusses wurde Klaus Liesen, Vorsitzender des Aufsichtsrates, betraut. Ferner wurden die Aufsichtsratsmitglieder Diethart Breipohl, Gerhard Cromme, Rudolf Hickel sowie Horst Meyer zu Mitgliedern des Ausschusses gewählt.