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Versicherungen Ratenzahlung kommt Riester-Sparer teuer

Millionen Riester-Sparer entrichten ihre Prämie monatlich. Versicherer lassen sich das teuer bezahlen - mit versteckten Zinsen von bis zu 15 Prozent. Laut BGH müssen sie diese wohl auch künftig nicht ausweisen. Verbraucherschützer laufen Sturm.
Verlust auf Raten: Die meisten Kunden zwacken vom Gehalt monatlich Geld für die Riester-Rente ab. Die monatliche Prämienzahlung ist deutlich teurer als der einmal überwiesene Jahresbeitrag - das gilt nicht nur für Riester-Policen.

Verlust auf Raten: Die meisten Kunden zwacken vom Gehalt monatlich Geld für die Riester-Rente ab. Die monatliche Prämienzahlung ist deutlich teurer als der einmal überwiesene Jahresbeitrag - das gilt nicht nur für Riester-Policen.

Foto: Corbis

Hamburg - Lebens-, Hausrat-, Haftpflicht-, Kfz-Versicherung. Viele Kunden zahlen ihre Beiträge halbjährlich, quartalsweise oder monatlich. Was die meisten nicht wissen oder ignorieren: Wegen des höheren Verwaltungsaufwandes erheben die Versicherer je nach Zahlungsweise dafür einen Ratenzuschlag zwischen 2 und 5 Prozent. Zumeist sind es "nur" ein paar Euro mehr im Monat, aufsummiert über alle Policen und die Zeit kann das aber viel ausmachen.

Verbraucherschützern sind die Ratenzahlungszuschläge schon länger ein Dorn im Auge. Weniger wegen der Tatsache als solcher, sondern vielmehr, weil kaum ein Versicherer über die Zuschläge informiere und erst recht nicht über den effektiven Jahreszins, der sich aus den Raten und den darauf entfallenden Ratenzuschlägen ergibt.

Agierten die Versicherer hier transparenter, wären viele Kunden schwer überrascht und würden ihre Zahlweise wohl umstellen.

Ein Rechenbeispiel: Der Jahresbeitrag für eine Lebensversicherung beträgt 1200 Euro, der Anbieter erhebt für die halbjährliche Zahlweise einen Ratenzahlungszuschlag von 2 Prozent. Der Kunde überweist im Voraus je Halbjahr also 612 Euro an seinen Versicherer. Tatsächlich lässt sich der Anbieter die halbjährliche Überweisung mit einem Effektivzinssatz von 8,33 Prozent "vergüten".

Entrichtet der Kunde seine Lebensversicherungsprämie nun monatlich (100 Euro), erhebt der Versicherer einen üblichen Ratenzuschlag von 5 Prozent, die Monatsrate klettert damit auf 105 Euro, und der effektive Zinssatz klettert auf stolze 11,35 Prozent.

"Solche Taschenspielertricks im Kreditgeschäft längst verboten"

Mitunter langen Versicherer noch kräftiger zu, liegen die effektiven Zinssätze deutlich höher, wie einzelne Anbieter im Streit mit aufgeklärten Kunden offenbar selbst einräumen. In einem Blog zitiert ein Kunde aus dem Antwortschreiben seines Kfz-Versicherers wie folgt: "Bei Inanspruchnahme der möglichen Ratenzahlung wird ein Zuschlag in Ihrem Vertrag berücksichtigt. Dieser entspricht einem effektiven Jahreszins von 12,37 Prozent bei halbjährlicher Zahlung und 14,04 Prozent bei vierteljährlicher Zahlung."

Der "Preis" für die Prämienzahlung in Raten liegt also deutlich höher als besagte Zuschläge von 2,3 oder 5 Prozent. "Nur klärt kein Versicherer darüber auf, wie man es im Zuge seiner Informationspflichten eigentlich erwartet. Wir haben es mit Taschenspielertricks zu tun, die bei Verbraucherkrediten schon längst verboten sind seit es Preisangabenverordnungen gibt", ärgert sich Hajo Köster vom Bund der Versicherten (BdV).

Der Verweis auf die verpflichtende Preisangabenverordnung im Kreditgeschäft kommt nicht von ungefähr. Juristische Kommentatoren und einzelne Landgerichte sind der Auffassung, dass es sich bei Prämienzuschlägen für unterjährige Zahlung bei zugleich jährlicher Versicherungsperiode um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub handelt - diese Praxis also der Darlehensvergabe rechtlich gleich steht.

Verbraucherschützer verlangen Rückzahlung und Widerrufsrecht

Aus dieser Perspektive müsse ein Versicherer als "Darlehensgeber" seine Kunden über den effektiven Jahreszins präzise informieren - wie es Kreditinstitute auch tun, argumentieren Verbraucherschützer. Tut er dies nicht, könne der Versicherte seinen Vertrag rückwirkend widerrufen, ist die Verbraucherzentrale Hamburg überzeugt.

Zumindest aber könne der Kunde eine Anpassung des effektiven Zinssatzes auf die dann gesetzlich festgelegten 4 Prozent fordern und "zuviel" bezahlten Beitrag zurückverlangen - rückwirkend wohlgemerkt.

Bestärkt sehen sich Verbraucherschützer in dieser Auffassung, weil sie entsprechende Prozesse auf Langerichtebene bislang für sich entscheiden konnten. Zwar verlor die Verbraucherzentrale Hamburg die Verfahren vor den jeweils nächst höheren Oberlandesgerichten, leitete in mehreren Fällen aber die Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Dort liegen die Fälle und harren ihrer Entscheidung.

BGH: "Unterjährige Zahlungsweise ist keine Kreditgewährung"

Das Drängen der Verbraucherschützer, eine höchstrichterliche Entscheidung zu erwirken, dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass eine Verbandsklage des Bundesverband Verbraucherzentralen (Vzbv) gegen Ratenzahlungsklauseln im Juli 2009 zu einem aus Sicht der Verbraucherschützer positiven Anerkenntnisurteil (I ZR 22/07) führte.

Das heißt: Nach mündlicher Verhandlung vor dem BGH anerkannte der Lebensversicherer Huk Coburg ein für ihn negatives Urteil des Landgericht Bamberg. Dies untersagte dem Anbieter, die Ratenzahlungsklauseln aus seinen Versicherungsbedingungen weiter in Verträge einzubeziehen ohne einen Effektivzinssatz anzugeben. In der mündlichen Verhandlung hatte der erste Senat des BGH klar durchblicken lassen, dass er die erhobenen Ratenzuschläge als kreditähnliches Geschäft interpretierte.

In der Sache hatte der BGH aber nicht entschieden, ein Grundsatzurteil zu der umstrittenen Frage stand damit bislang noch aus.

Die Rechtsauffassung der Verbraucherschützer und damit fünf in dieser Frage beim Bundesgerichtshof anhängige Verfahren haben jetzt einen empfindlichen Dämpfer erlitten. Denn in einer Individualklage hat das höchste Gericht gegen einen Verbraucher entschieden (IV ZR 230/12). Der BGH sieht die unterjährige Zahlung von Versicherungsprämien mit Ratenzuschlägen nicht als Kreditgewährung im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches.

BGH: "Unterjährige Zahlungsweise keine Kreditgewährung"

Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Der Senat misst dem Fall aber "erhebliche Bedeutung" für noch anhängige Verfahren zu, weil sich damit die grundsätzliche Frage verknüpft, ob Regeln, die bei Verbraucherkreditverträgen gelten, auch auf Policen Anwendung finden müssen. Ob Versicherer also konkret den effektiven Jahreszins angeben müssen und wenn dies nicht geschieht, nur der gesetzliche Zinssatz gefordert werden darf. Und ob zweitens dem Versicherten ein Widerrufsrecht nach den für Verbraucherkreditverträgen geltenden Vorschriften zusteht.

Zumindest den ersten Punkt verneint das Gericht in seiner Mitteilung klar und lässt wenig Zweifel , dass es sich dabei um ein Grundsatzurteil handeln dürfte:

"Bei der vertraglich vereinbarten unterjährigen Zahlungsweise der Versicherungsprämien handelt es sich nicht um eine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs nach § 1 Abs. 2 VerbrKrG, § 499 Abs. 1 BGB a.F. ( …) Ein solcher läge nur vor, wenn die Fälligkeit der vom Versicherungsnehmer geschuldeten Zahlung abweichend vom dispositiven Recht gegen Entgelt hinausgeschoben würde, um ihm die Zahlung der vereinbarten Prämien zu erleichtern. Das ist aber nicht der Fall."

Für die Verbraucherschützer ist die klare Positionierung des BGH wegen der dort fünf anhängigen eigenen Verfahren ein Schlag ins Kontor - womöglich auch finanziell. Schließlich kostet ein Verfahren durch die Instanzen schnell bis zu 20.000 Euro, wie die Verbraucherzentrale Hamburg selbst vorrechnet. Geht es verloren, ist das Geld weg.

"Alle müssen wissen, welche Mehrkosten die Ratenzahlung verursacht"

Die Verbraucherzentrale Hamburg zeigt sich folglich "enttäuscht" von dem Richterspruch und will zunächst die Urteilsbegründung abwarten. Ihr Anwalt Joachim Bluhm, der die Verbandsklagen für die Verbraucherschützer vor den BGH gebracht hat, ist "überrascht". Schließlich weiche der vierte Senat mit seiner Entscheidung von der Einschätzung des ersten Senats ab.

Der BGH hätte die Sache auch aussetzen und dem Europäischen Gerichtshof zur Vorentscheidung vorlegen sollen, ist Bluhm überzeugt. Im Gespräch äußert der Anwalt die Vermutung, dass der BGH europarechtliche Fragen bei seinem Urteil außen vor gelassen hat.

Bluhms Interpretation zufolge lasse die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates nämlich nicht den Schluss zu, dass Versicherte, die Ratenzahlung mit Zuschlägen wählen, "schlechter behandelt" werden dürfen als Käufer von Kühltruhen.

"Sie alle müssen wissen, welche Mehrkosten die Ratenzahlung verursacht, nur dann können sie sachgerecht darüber entscheiden, ob sie die Ratenzahlung überhaupt wollen - oder sie die Jahresprämie besser von ihrem Sparbuch abheben", sagt der Anwalt. Genaueres ließe sich erst nach Urteilsbegründung sagen.

Ebenso wie der Bund der Versicherten empfiehlt der Verbraucherschutzanwalt den Versicherten, ihren Vertrag auf jährliche Zahlweise umzustellen. Auf jeden Fall sollten sich die Verbraucher erkundigen, wie viel mehr sie die monatliche Zahlweise etwa ihrer Riester-Rente auf Jahressicht kostet.

"Diese Information müssen die Versicherer auf Nachfrage rausrücken. Und sie müssen auf jährliche, zuschlagsfreie Zahlweise umstellen, wenn es der Kunde wünscht", sagt Anwalt Bluhm.