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Bezos, Cook und Co. US-Konzernchefs fordern radikales Umdenken in der Wirtschaft

Bekenntnis zur Verpflichtung gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten: Amazon-Gründer Jeff Bezos ist Mitglied des Business Roundtable.

Bekenntnis zur Verpflichtung gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten: Amazon-Gründer Jeff Bezos ist Mitglied des Business Roundtable.

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Es könnte eine Zeitenwende in der US-Wirtschaft sein - doch noch gilt es abzuwarten, ob den Worten auch Taten folgen: In den USA haben beinahe 200 Chefs großer Unternehmen, die sich in der Vereinigung "Business Roundtable" zusammengeschlossen haben, ein Bekenntnis zu ihrer Verantwortung für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und die gesamte Gesellschaft abgegeben. Das Statement ist beachtlich, weil die gleiche Vereinigung in vorherigen Verlautbarungen jahrelang lediglich ihre Shareholder, die Anteilseigner also, im Blick hatte.

Unter den Unterzeichnern des neuen Schreibens, welches der Business Roundtable auf seiner Website veröffentlichte , befinden sich zahlreiche prominente CEOs amerikanischer Großkonzerne, wie etwa Amazon-Gründer Jeff Bezos, Apple-Chef Tim Cook oder JP-Morgan-Frontmann Jamie Dimon. Auch SAP-Chef Bill McDermott sowie Lisa Davis, die Chefin von Siemens  in den USA, und Philip Blake, der den US-Arm des Chemiekonzerns Bayer  lenkt, haben ihre Unterschriften unter die Erklärung gesetzt.

"Wir wissen, dass viele Amerikaner kämpfen müssen", heißt es auf der Website der Lobbyorganisation. "Zu häufig wird harte Arbeit nicht belohnt, und es wird zu wenig getan, damit Arbeitnehmer mit dem raschen Wandel in der Wirtschaft Schritt halten können." Wenn Unternehmen nicht erkennen würden, dass Erfolg von langfristigem Wachstum aller Beteiligten abhänge, kämen berechtigte Fragen zur Rolle großer Unternehmen in der Gesellschaft auf. Der Business Roundtable erneuere vor dem Hintergrund seine Prinzipien.

In der Neufassung bekennt sich die Vereinigung ausdrücklich zur Verpflichtung seiner Mitgliedsunternehmen gegenüber sämtlichen Stakeholdern, von den Kunden über die Mitarbeiter und Lieferanten bis hin zur gesamten Gesellschaft. Erst im letzten Punkt des Statements werden auch die Investoren als Interessengruppe genannt.

Wenden sich Amerikas Konzernlenker also tatsächlich vom traditionellen Kapitalismus ab? Fest steht: Der Schwenk kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem große Unternehmen in den USA sowie deren Verantwortliche verstärkt unter Druck geraten, wenn es um gesellschaftliche Probleme geht, von der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen über Arbeitsbedingungen bis hin zu Fragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. Die "New York Times " beispielsweise macht darauf aufmerksam, dass verschiedene Präsidentschaftsanwärter der Demokratischen Partei die Großkonzerne im beginnenden US-Wahlkampf bereits ins Visier genommen haben. Große Tech-Unternehmen wie Amazon  oder Facebook  sitzen in Washington ohnehin seit geraumer Zeit auf der virtuellen Anklagebank.

Abzuwarten bleibt, inwieweit die Unternehmer und Topmanager des Business Roundtable ihren Worten nun Taten folgen lassen. Konkreter Handlungsbedarf besteht beispielsweise zweifellos beim Thema Einkommensgefälle. Laut "NYT" verdienten die 100 Top-CEOs in den USA zuletzt 254-mal so viel wie der Durchschnitt ihrer Mitarbeiter. Unter den Unterzeichnern des Business-Roundtable-Statements befinden sich zahlreiche Großverdiener und einige der reichsten Männer des Landes, inklusive Amazon-Chef Bezos. Bezos gilt mit einem Vermögen von laut "Forbes" etwa 113 Milliarden Dollar bekanntlich als reichster Mensch der Welt. Ein Hinweis auf etwaig geplante Gehaltsverzichte der Manager findet sich in dem Statement allerdings nicht.

Eine gewisse Skepsis ist also womöglich angebracht. Ken-Hou Lin etwa, Soziologieprofessor aus Austin, Texas, der sich viel mit der Behandlung von Mitarbeitern durch Unternehmen beschäftigt hat, sagte laut Nachrichtenagentur AP, das Bekenntnis des Business Roundtables habe vor allem symbolische Bedeutung. Es sei unklar, ob es reale Auswirkungen haben werde.

"Reden ist billig", kommentierte auch Adam Seth Litwin, Professor an der Cornell University's School of Industrial and Labor Relations. "Die Frage ist, wie werden diese CEOs reagieren, wenn die Lage schwierig ist und Shareholder ihre üblichen Forderungen nach hohen Quartalsergebnissen äußern?"

Die Antwort darauf werden die Manager möglicherweise schon bald geben können. Wie vielerorts auf der Welt verdüstern sich auch in den USA die Wolken am Konjunkturhimmel. Laut AP glauben inzwischen 34 Prozent der Ökonomen der Vereinigung National Association for Business Economics, dass die USA 2021 in eine Rezession rutschen werden. Im Februar waren es noch 25 Prozent, so die Nachrichtenagentur.

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