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50 Mächtigste Chaostage in der Königinstraße

Nach Allianz-Lenker Henning Schulte-Noelle gerät nun auch Nachbar Hans-Jürgen Schinzler in die Bredouille. Der Chef der Münchener Rück kämpft gegen miese Zahlen und einen dramatisch eingebrochenen Aktienkurs.
Von Andreas Nölting

Welch Pein! Hans-Jürgen Schinzler (62) erlebt derzeit die wohl schwärzesten Tage seiner Karriere. Was auf den Chef der einst so stolzen Münchener Rück, dem weltweit größten Rückversicherer, momentan einprasselt, das ist für einen strengen und ehrgeizigen Konzernchef wie Schinzler wohl kaum zu ertragen: Seine Aktie schmilzt wie ein New-Economy-Papier dahin und notiert auf einem Zehnjahrestief, das operative Ergebnis im Versicherungsgeschäft bricht dramatisch ein und die Analysten senken enttäuscht den Daumen über dem einfallenden Assekuranz-Imperium.

Dabei sah es lange so aus, dass Schinzler ein ähnlich hartes Schicksal erspart bliebe wie seinem prominenten Nachbarn und Kollegen Henning Schulte-Noelle (60). Der Allianzchef, der wie Schinzler in der Münchener Königinstraße residiert, plagt sich schon seit Monaten mit dem miserablen Geschäft und den blassen Bilanzen, die ihm sein "Allfinanz-Konzept" und die Übernahme der Dresdner Bank beschert haben.

Den uneitlen Schinzler hingegen ("Man kann sich nicht unwichtig genug nehmen") traf der Bann der Finanzmärkte vergleichsweise schwach - er hatte sich eben keine teure Fehlakquisition wie die Dresdner Bank geleistet, mit einem Paket (rund 25 Prozent) an der HypoVereinsbank begnügt und das Kerngeschäft weiter ausgebaut. Nur die 1996 erworbene US-Tochter American Re und die Ergo-Gruppe bereiten ihm Probleme.

Doch nun wird Schinzler genau das zum Verhängnis, was jahrelang als Stärke der Münchener Rück gefeiert wurde: die Überkreuzbeteiligungen. Die Münchener Rück, die Allianz und die HypoVereinsbank halten untereinander große Aktienpakete. Zudem sind beide Versicherungsgiganten an Dutzenden anderen börsennotierten Großkonzernen beteiligt.

In guten Tagen sorgte dies für einen hohen Börsenwert und satte stille Reserven. Doch mit dem Crash auf dem Parkett brach auch der Wert der Beteiligungen ein, erforderte Milliarden-Abschreibungen und zog selbst einen einst so kapitalstarken Konzern wie die Münchener Rück in den Abwärtsstrudel.

Nun wollen sich Münchener Rück und Allianz "entflechten" und ihre jeweiligen Beteiligungen aneinander auf deutlich unter 20 Prozent senken. Auch aus den gegenseitigen Aufsichtsräten haben sich Schinzler und Schulte-Noelle verabschiedet. Doch wie lange sich Schinzler das Münchener Drama noch anschaut (oder anschauen darf), ist offen.

Womöglich eifert er seinem Kollegen Schulte Noelle nach und wechselt demnächst aus dem Tagesgeschäft in den eigenen Aufsichtsrat. Formal gesehen könnte Schinzler sein Amt schnell abgeben. Gemäß der Satzung seines Hauses kann bei allen Vorständen ab dem 60. Lebensjahr die Bestellung jährlich überprüft werden.

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