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Merkur-Reporterin: Mein Tag als Wiesn-Bedienung

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Merkur-Reporterin Andreas Steiler Hackerzelt
Ein strahlendes Lächeln kommt gut an: Merkur-Reporterin Andrea Steiler bediente einen Tag lang im Hackerzelt. © Marcus Schlaf

München - Sie drängen sich durch volle Gänge, schleppen zig Masskrüge gleichzeitig und legen viele Kilometer im Bierzelt zurück: Wiesn-Bedienung ist ein harter Job. Wir haben den Selbstversuch gewagt.

Eigentlich habe ich einen Grundsatz: Zum Dirndl trägt man nie, wirklich niemals, Turnschuhe. Heute habe ich diese Regel schon um 8.40 Uhr verworfen, als ich mich an der Schwanthalerhöhe aufmache in Richtung Theresienwiese. In gut 14 Stunden werden meine Füße es mir danken, denn ich erlebe heute einen Tag als Wiesn-Bedienung.

Vor dem Hacker Festzelt treffe ich Bella, Susi und Philipp. Sie bedienen im Mittelschiff, bei ihnen darf ich heute mitarbeiten. Von Wiesn-Koller – immerhin stehen sie seit über einer Woche jeden Tag im Zelt – keine Spur. Die Stimmung ist bereits am Morgen gut. Dann geht es auch schon an die Arbeit.

Jedes Dreier-Team ist für zehn Tische verantwortlich. Bis um 11 Uhr alle Servicekräfte auf ihren Stationen sind, übernimmt der Frühdienst mehrere Reihen. Doch statt Massen schleppen heißt es erstmal: putzen. Jeder hat seine eigene Methode, die Tische zu säubern – mit Schwamm, Wischmob oder Lappen. Und obwohl das leere Zelt noch ganz schön kalt ist, wird mir mit den ersten Schrubbbewegungen warm. „Hilfst du mit beim Ausrichten?“, fragt eine Stimme hinter mir, der Kollege hat eine Schnur in der Hand, die an der Stirnseite der Tische entlang bis zur anderen Zeltseite gespannt ist. „Äh, ja...“, kurz blicke ich nach rechts und sehe eine Bedienung, wie sie die Bänke und Tische an der Schnur entlang aufreiht. Ich mache es ihr nach. Und dann ist auch noch kurz Zeit für ein Frühstück.

Mit unserem Wiesn-Ticker sind sie immer dabei

„Machen wir es an einem Montag, da ist es ruhiger“, hatte Wirtin Christl Roiderer gesagt, als ich sie gefragt habe, ob ich einen Tag als Wiesn-Bedienung mitarbeiten darf. Ruhig ist relativ, stelle ich schnell fest. Denn kaum sind die Türen um kurz vor zehn einen Spalt geöffnet, füllen sich die Reihen. Mit Bella gehe ich zu Schänke 1. Sie drückt mir Biermarken in die Hand – kleine runde Chips, die blauen fürs Bier, die grünen für Wasser, Spezi, Limo und Apfelsaftschorle. Sie zeigt mir, wie man die Henkel dreier Krüge ineinander verhakt. So können sie nicht kippen, auch wenn man sechs davon in einer Hand trägt. Mit der anderen Hand kann man dann von unten stützen. Kann man, aber das ist jetzt noch Zukunftsmusik. Stolz gehe ich mit drei Masskrügen an den Tisch. Die Touristen dort freuen sich – der Anfang ist geschafft.

„Kommst du mit? Wir brauchen Essen“, fragt mich Susi. Wir bonieren die Weißwürste, schnell erklärt sie mir: Vorne gibt es das warme Essen, am zweiten Eingang Suppen und Würstel, Hendl werden an der hinteren Theke ausgegeben. Dann gilt es abzuwägen, stellt man sich zuerst bei der längeren Hendl-Schlange an oder bei den Käsespätzle? Schließlich könnten die derweil kalt werden. 

Bedienungen brauchen also nicht nur Kondition und gute Rechenfähigkeiten, sondern auch Organisationstalent. Und: Kommunikativ sollte man sein. Da ich auch im wahren Leben selten etwas gegen einen kleinen Ratsch einzuwenden habe und nicht auf den Mund gefallen bin, habe ich sehr schnell viel Spaß an der Arbeit. Und ich bilde mir ein, dass man es am Trinkgeld merkt, das in der Teamkasse landet. Die Wege und Handgriffe werden zur Routine: Schnell schlängle ich mich durch die Tischreihen, schütte die Bierreste mit einem Handgriff durch das Gitter im Boden am Schänkeneingang, sortiere Teller und Besteck auseinander.

„Warte mal kurz“, sagt dann die Schankkassiererin, als ich gerade wieder an die Tische eilen will. Sie erklärt mir, dass ich mich zum Gehen linksrum drehen muss. So könne sie noch einmal überprüfen, ob die Zahl der Marken und der Krüge übereinstimmt. „Ich habe schon gemerkt, dass du neu bist“, meint die Dame. Da ist sie nicht die Einzige. „Für wen bist du denn da? Dein Gesicht hab’ ich noch nicht gesehen hier“, werde ich gefragt. Und als ich erkläre, wer ich bin, und warum das, was ich tue, noch etwas dilettanisch wirken mag, meint die Kollegin: „Ist doch super. Willkommen bei den Engeln.“

Abwechselnd machen wir Pause. Beim Weg aus dem Zelt blendet mich die Sonne. Irgendwie ist es schon ein erhabenes Gefühl, im Bedienungs-Dirndl durch die Wirtsbudenstraße zu laufen. Bei einer Kaffeepause genieße ich es, auch einfach mal nichts zu sagen. Als ich zurückkomme, sagt Philipp: „So jetzt geht’s noch mal rund“. Die Stimmung bei den Gästen ist ausgelassen. Mit Bierkrügen in Händen kämpfe ich mich durch die vollen Gänge. Ich hätte es mir aber schlimmer vorgestellt. Auch unter den Kollegen geht es harmonisch zu. Gegenseitig helfen sich die Servicekräfte, und auch gefrotzelt wird hin und wieder. Als ich beim Anstehen an der Schänke stolz von sieben getragenen Masskrügen erzähle, sagt ein Kollege: „Bis halt doch nur ein schlechter Hobbykellner.“ Na klar, und Recht hat er. Denn die meiste Zeit laufe ich doch nur mit höchstens vier Mass herum.

Merkur-Reporterin als Wiesn-Bedienung: Bilder

Es ist 22.19 Uhr, die Band singt „Weus’d a Herz hast wia a Bergwerk“. „Noch zwei Lieder, dann hast du’s geschafft“, sagt Philipp. „Geht’s dir gut?“ Ja, erstaunlich gut sogar. „Ich hätte gedacht, du streichst spätestens um 18 Uhr die Segel“, sagt er. Ich strahle. Dann putzen wir die Gäste im wahrsten Sinne des Wortes nach draußen, stellen die Bänke hoch und gehen noch auf ein Feierabendweißbier. Lange gefeiert wird nicht, die anderen müssen morgen schließlich wieder ran. Auch ich liege kurz darauf im Bett – mit viel Respekt vor der Leistung der Wiesn-Bedienungen und ein bisschen Stolz, dass ich zumindest einen Tag mitgehalten habe.

Andrea Steiler

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