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G7-Gipfel Elmau: Ein Polizist erinnert sich an Heiligendamm

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G7 Gipfel 2015 Schloss Elmau
Schloss Elmau aus der Vogelperspektive: Hier treffen sich Anfang Juni die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten zum G7-Gipfel. © dpa

Murnau/Bad Doberan – Vor dem G7-Gipfel 2015 auf Schloss Elmau erinnert sich Klaus Schürgers von der Polizeidiensstelle in Murnau an Heiligendamm - dort fand 2007 der G8-Gipfel statt. Im Vorfeld sah er im Fernsehen, wie Vermummte bei einer Straßenschlacht in Rostock 400 Polizisten verletzten. Vier Tage später waren die Demonstranten in seinem Einsatzgebiet.

Von dem Häuschen im Ferienpark „Seepferdchen“ schwärmt Klaus Schürgers (53). Von der Idylle an der Ostsee. Vor genau acht Jahren war der Murnauer dort. Das Erste, was ihm dazu einfällt: „Eine wunderschöne Gegend.“

Nein, mit diesem Einstieg ins Gespräch war nicht zu rechnen. Immerhin sprechen wir von Schürgers’ Einsatz beim Gipfel der acht mächtigsten Industrienationen der Welt in Heiligendamm, am berühmtesten Zaun Deutschlands, der das Grand Hotel Kempinski und seine tagenden Politiker vor Störenfrieden schützen sollte. Stoff für einen spannenden Krimi gäben seine Erfahrungen her. Einen Krimi, der im Urlaubsparadies spielt. Denn Schürgers, seit 37 Jahren im Polizeidienst und Leiter der operativen Ergänzungsdienste in Murnau, erlebte zwar „intensive Tage voller Anspannung“. Ansonsten aber „war alles ein Traum“. Unterbrochen von einem Alptraum, der am 2. Juni 2007 begann. Vor dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau erinnert er sich.

An diesem Tag eskalierte in Rostock eine Großkundgebung der Gipfelgegner. 2000 Autonome lieferten sich Straßenschlachten mit 5000 Polizisten. Bilder von brennenden Autos und Mülltonnen, vermummten Demonstranten und Beamten mit Schutzschild und Schlagstöcken gingen um die Welt. Über 400 Polizisten wurden verletzt.

Schürgers hat die Bilder auch gesehen. Mit Kollegen saß er in der Einsatzzentrale im 14 Kilometer entfernten Bad Doberan und starrte auf den Bildschirm. Was er dachte? Schürgers legt die Stirn in Falten. „Ich habe mich gefragt, ob das Leben eines Polizisten nichts wert ist.“ Und noch eine Frage ging ihm durch den Kopf: „Was passiert, wenn genau diese Leute auch zu uns kommen?“ Vier Tage später waren sie da...

G7-Gipfel auf Schloss Elmau: Schürgers wollte beim G8-Gipfel in Heiligendamm unbedingt dabei sein

Unbedingt wollte Schürgers beim Gipfel dabei sein. „Ich dachte, das sei meine einzige Chance“, sagt er. Deshalb hatte er sich intern für die „besondere Aufbauorganisation Kavala“ beworben. Am 2. April 2007 fuhr er die 900 Kilometer Richtung Heiligendamm. Was ihn erwarten würde, davon hatte der damalige Pressesprecher der Direktion Weilheim keine Vorstellung.

Schnell wurde ihm klar: „Die Dimension ist atemberaubend.“ Das gibt er nun den Kollegen mit, mit denen er beim Gipfel in Elmau arbeitet (siehe Kasten). „Ich sage allen, die so etwas noch nicht erlebt haben: Das wird ein Tsunami.“ Damit meint er nicht das Ausmaß der Demonstrationen – „niemand weiß, was passiert“ –, sondern generell das Ausmaß der Veranstaltung und die Herausforderung.

Vor G7-Gipfel 2015: Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den Gipfeln in Heiligendamm und Elmau

Von der Einsatzstärke her gleichen sich die zwei deutschen Gipfel: 2007 waren etwa 16.000 Polizisten vor Ort, etwa 17.000 sollen es in Elmau werden. Schürgers arbeitete damals in einem Führungsstab aus 52 Beamten. Ihr Auftrag: „Schutz der technischen Sperre und der zwei Durchlassstellen ins Sperrgebiet“. Soll heißen: Niemand sollte den zweieinhalb Meter hohen Zaun samt Stacheldraht, Überwachungskameras und Bewegungsmeldern überwinden, der das Seebad Heiligendamm abschirmte.

Das Wort „Zaun“ gehört jedoch nicht zum Polizei-Jargon. „Ein Schimpfwort, zu negativ belastet.“ Deshalb: „technische Sperre“. Sie war am 6. Juni, Gipfelbeginn, Ziel von 10.000 Demonstranten.

Erlebte Tage voller Anspannung in Heiligendamm: Doch Klaus Schürgers, hier bei einer Bootstour 2007, denkt vor allem an die "wünderschöne Gegend" zurück.
Erlebte Tage voller Anspannung in Heiligendamm: Doch Klaus Schürgers, hier bei einer Bootstour 2007, denkt vor allem an die "wünderschöne Gegend" zurück. © fkn

Wieder saßen Schürgers und seine Kollegen in ihrer Containeranlage in Bad Doberan. Auf den Bildschirmen sahen sie, wie – trotz Demonstrationsverbot – Tausende Richtung Sicherheitszone zogen. „Unglaublich, welche Dynamik sich da entwickelt“, sagt Schürgers heute. Damals „hatte ich nicht viel Zeit, mir Gedanken zu machen. In so einem Moment funktionierst Du einfach.“ Alle Abläufe waren einstudiert. „Es ist faszinierend, wie ein Team da zusammenarbeitet.“ Was es gemacht hat? „Viel gefunkt und telefoniert.“ Schürgers lächelt vielsagend. Das macht er oft. Immer, wenn es viel zu sagen gäbe – er aber im Sinne der Sicherheit verschwiegen bleibt. Der Gipfel der Mächtigen im Allgemeinen ist nicht das richtige Thema, um unverfänglich zu plaudern. Die Camps der Demonstranten im Besonderen auch nicht.

Etwa 5000 von ihnen waren in dem 800-Einwohner-Dorf Reddelich untergebracht, in der Nähe von Schürgers’ Einsatzzentrale. Ob er dort war? „Ja. Bin mal vorbeigeradelt.“ Wieder das Lächeln. Was er gesehen hat? Welcher Eindruck geblieben ist? „Ach, das ist ein schwieriges Thema…“ Der Medienprofi vertritt die Meinung der Polizeiführung, wonach Camps „einen Nährboden der Gewalt“ darstellen. Punkt. Themawechsel.

Erinnerungen vor G7-Gipfel 2015: "Das war wie im Krieg"

Schürgers ist wichtig festzustellen: „Unser Auftrag war der Schutz der technischen Sperre. Den haben wir erfüllt.“ Kein Demonstrant gelangte in den inneren Sicherheitsbereich. Und immerhin verlief der 6. Juni 2007 „ungleich friedlicher ab“ als die Proteste in Rostock.

Von friedlich will Schürgers ansonsten nicht sprechen. „Wenn Wasserwerfer und Tränengas zum Einsatz kommen, Steine fliegen, dann ist’s nicht friedlich.“ Doch er weiß: Im Polizeiberuf „geht es nicht immer freundlich zu“. Er hat’s erlebt. Vor 29 Jahren bei den Demonstrationen gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf. Steine und Stahlkugeln flogen auf Polizisten, „Das war wie im Krieg.“ Schürgers’ Hoffnung: Dass Elmau anders wird, gewaltfrei. Dass die „wunderschöne Gegend“ in Erinnerung bleibt. Und die Leute wiederkommen. Zum Urlaubmachen.

G7-Gipfel 2015 auf Schloss Elmau: News-Blog und die wichtigsten Fakten

Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir bereits zusammengefasst. In unserem News-Blog zum G7-Gipfel erfahren Sie die aktuellsten Nachrichten rund um das Großereignis auf Schloss Elmau.

Katharina Bromberger

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