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Zur Suche nach einem Generalmusikdirektor

Was macht eigentlich ein Dirigent?

Münster

Wenn einer allein ein Stück spielt, kann er selbst darüber entscheiden, wie laut oder leise er tatsächlich wird. Wenn aber zwei oder mehrere zusammenspielen, muss einer sagen, wo es langgeht: der Dirigent. Pünktlich zu Suche nach einem neuen Generalmusikdirektor für Münster hier die Erklärung: Was genau macht eigentlich ein Dirigent?

Harald Suerland

Fabrizio Ventura ist Münsters ranghöchster Dirigent, hier mal ohne Taktstock. Er bekleidet das Amt des Generalmusikdirektors noch bis Ende der Saison 2016/17.
Fabrizio Ventura ist Münsters ranghöchster Dirigent, hier mal ohne Taktstock. Er bekleidet das Amt des Generalmusikdirektors noch bis Ende der Saison 2016/17. Foto: Gunnar A. Pier

„Sehen Sie diesen Ton der Harfe“, sagt Fabrizio Ventura und deutet auf eine Notenstimme in der Partitur, „da hat der Komponist Forte drangeschrieben – beim gleichen Ton der Kon­trabässe aber nur Piano. Jetzt fragt man sich: Wie soll das klingen?“

Wenn mehrere zusammenspielen, müssen sie sich abstimmen

Wer selbst Musik macht, der weiß: Wenn einer allein ein Stück spielt, kann er selbst darüber entscheiden, wie laut oder leise er tatsächlich wird. Wenn aber zwei oder mehrere zusammenspielen, müssen sie sich abstimmen. Und bei einem Ensemble, einem großen Orchester gar, braucht es einen, der das koordiniert: Das ist der Dirigent. Einer wie Fabrizio Ventura, Münsters Generalmusikdirektor. Der muss sich überlegen, welchen Klang der Komponist Gustav Mahler an dieser Stelle wohl haben wollte.

Manch kleinere Kammerorchester verzichten auf Dirigenten

Spielen können sie auch alleine, die gut ausgebildeten Geiger, Trompeter und ihre Kollegen. Manch kleinere Kammerorchester verzichten sogar auf Dirigenten. Doch nur scheinbar: Denn elementare Dinge wie das gemeinsame Einsetzen und Aufhören müssen trotzdem passen, und dafür sorgt dann in der Regel, etwa mit einem Nicken, der Konzertmeister am ersten Pult der Geigen. Und der Weg, den die musikalische Interpretation gehen soll, die Frage etwa, wie aggressiv ein Anfang und wie sanft ein langsames Thema klingen soll, muss auch geregelt werden, damit nicht bloß ein zufälliges Dahinplätschern entsteht. Dazu könnten sich die Musiker in einem mühsamen Abstimmungsprozess einigen – sie können es aber auch, wie bei größeren Besetzungen unumgänglich, an den Mann oder die Frau mit dem Taktstock delegieren.

Dirigent errichtet ein Interpretationsgebäude

Dieser Mensch leistet einen Großteil seiner Arbeit in den Proben: Hier wird nicht etwa „geübt“, hier wird vielmehr das Fundament für die Aufführung gelegt, wird etwa geklärt, ob der Anfang des Mahler-Stücks eher zart oder eher heftig tönen soll. Im Konzert kann der Dirigent es „abrufen“ – und wird im Idealfall auf diesem Fundament ein Interpretationsgebäude errichten, wie es nur an diesem Abend zu hören ist – und morgen schon wieder ein bisschen anders.

GMD-Kandidaten

Das Theater Münster sucht gerade einen neuen Generalmusikdirektor (GMD). Fünf Kandidaten sind noch im Rennen. Es sind Jonas Alber, Golo Berg, Carlos Dominguez-Nieto, Moritz Gnann und Benjamin Reiners.

Als Instrument steht ihm lediglich der Taktstock zur Verfügung, und manche Dirigenten wie Kurt Masur oder Pierre Boulez verzichten sogar auf ihn. Wesentlich ist die klare Gestik, ist die Strenge, die die rechte (Taktstock-)Hand vorschreibt und die Freiheit, die die linke Hand gewährt. Was allerdings nur Theorie ist: Während der eine Dirigent mit kunstvoll in die Luft „gepinselten“ Gebilden ein Höchstmaß an Spannung erreicht, überträgt der andere seinen Willen mit kargem Tic-Tic-Tic auf die Musiker. Und natürlich gibt es auch jene bemühten Dirigenten, die in den Proben wortreich ihre Ideen kundtun und vor dem Orchester hingebungsvoll tanzen – aber trotzdem klingt es blass. Es sind diese Rätsel, die den „Mythos ­Maestro“ begründen.


Neujahrskonzert am 1. Januar 2015 mit Götz Alsmann, der Sopranistin Henrike Jacob, Fabrizio Ventura und dem Sinfonieorchester der Stadt Münster im Theater Münster.
Neujahrskonzert am 1. Januar 2015 mit Götz Alsmann, der Sopranistin Henrike Jacob, Fabrizio Ventura und dem Sinfonieorchester der Stadt Münster im Theater Münster. Foto: Gunnar A. Pier

Er muss „den Laden zusammenhalten“

Wer zudem, wie Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura, Opernaufführungen leitet, der muss noch viel koordinieren, muss aufpassen, dass das Orchester nicht die Sänger übertönt, dass der Chor nicht sein eigenes Tempo anschlägt, dass die Darsteller auf der Bühne sich auf seine Hilfe verlassen können, wenn sie komplizierte Einsätze haben und dazu noch schauspielern müssen. Er muss „den Laden zusammenhalten“ – und erst, wenn er das richtig gut kann, interessiert sich das Publikum auch dafür, wie er etwa eine Sinfonie von Gustav Mahler gestaltet. So hat es mal Will Humburg, ein Vorgänger Fabrizio Venturas, formuliert. Und genau das wird von ihrem Nachfolger erwartet, wenn er im Jahr 2017 sein Amt antritt.

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