Stadthistorie

Bilderbuch-Karriere: Wilhelm Klink und das Horber Rathaus

Würdigung zum 150. Geburtstag: Er war das Genie, das die Fassade des Horber Rathauses zu einer der schönsten in ganz Deutschland machte. Trotz Schicksalsschlägen schaffte er es wie nur wenige, sich durch seine Kunst in der Neckarstadt zu verewigen. Ein Gastbeitrag.

19.01.2024

Von Agnes Maier

Wilhelm Klink schnitzte unzählige Kruzifixe in allen Größen. Auf einem seiner letzten Porträtfotos 1952 arbeitet er in seinem Atelier am eigenen Grabkreuz. Es fand erneut Verwendung auf dem Friedhof inTübingen-Bühl für seinen Enkel. Bild: Viktor Steinwand, Repro: privat

Wilhelm Klink schnitzte unzählige Kruzifixe in allen Größen. Auf einem seiner letzten Porträtfotos 1952 arbeitet er in seinem Atelier am eigenen Grabkreuz. Es fand erneut Verwendung auf dem Friedhof in
Tübingen-Bühl für seinen Enkel. Bild: Viktor Steinwand, Repro: privat

In diesem Jahr sollte man sich an den 150. Geburtstag des Kunstmalers und Bildhauers Wilhelm Klink erinnern. Wie kaum ein anderer Künstler hat er in Horb Spuren hinterlassen. Aber hatte der Schöpfer der beeindruckenden Rathausfassade, die als „Horber Bilderbuch“ bekannt ist, selbst eine Bilderbuchkarriere? Dieser Frage wird im Stadtmuseum Horb bald eine Ausstellung nachgehen, die für Frühjahr und Sommer 2024 geplant ist.

Bildhauerlehrling statt künftiger Priester

Als Wilhelm Klink am 19. Januar 1874 in Untertalheim zur Welt kam, gehörte das Dorf noch zum Oberamt Nagold. Er war das älteste von acht Kindern des Steinbildhauers und Sonnenwirts Franz Xaver Klink. Die Mutter Elisabeth, geborene Bühler stammte aus dem Weiler Unterkirneck bei Lorch und konvertierte erst 1882 zum katholischen Glauben. Die Veteranenrente des Vaters sollte dem Erstgeborenen die Ausbildung zum katholischen Priester ermöglichen. Nach der Volksschule in Untertalheim besuchte Wilhelm Klink deshalb die Lateinschule in Horb, lernte Latein und Griechisch.

Als am 7. Juni 1888 sein Vater erst 40-jährig an „Schwindsucht“ starb, konnte sich die Witwe mit damals noch fünf Kindern die Schulausbildung ihres Ältesten nicht mehr leisten. Keine zehn Tage später begann der 14-jährige Wilhelm Klink in der Werkstatt von Franz Vollmer in Rottenburg eine Bildhauerlehre. Zum Jahresbeginn 1890 wechselte Klink als Lehrling nach Horb in die Kunstwerkstätte von Peter Paul Hausch, der im Stuben’schen Schlössle die Tradition seines Lehrmeisters Johann Nepomuk Meintel weiterführte. Neben zahlreichen Schreinern, Schnitzern, Fassmalern und Vergoldern gehörten dem vielbeschäftigten Betrieb auch die beiden Hausch-Söhne Pius und Franz als Lehrlinge an.

Künstlerische Ausbildung

Nach der am 17. März 1892 bestandenen Gesellenprüfung schickte Peter Paul Hausch zuerst Wilhelm Klink und ab November 1893 auch den gleichaltrigen Sohn Pius Hausch auf die Königlich Bayrische Kunstgewerbeschule nach Nürnberg. Bei den Professoren Heinrich Schwabe, Hans Rößner und Carl Fleischmann belegten sie Bildhauerei, ornamentales Modellieren und figürliches Zeichnen. Sie wurden fundiert in Ikonographie und Stilkunde unterrichtet und erlernten künstlerische Techniken. Die wohlhabende Stadt mit Werken alter Meister wie Albrecht Dürer, Veit Stoß und Adam Kraft in Kirchen und Museen übte prägenden Einfluss auf die Nachwuchskünstler aus.

In dieser kunstsinnigen Umgebung kam offenbar der Impuls, zuhause in den Sommerferien im August 1894 gemeinsam mit gleichgesinnten Werkstattkollegen den „Alterthums-Verein Horb“ zu gründen. Der 20-jährige Wilhelm Klink wurde dessen erster Vorsitzender. Er lieferte auch die grafischen Vorlagen für die Mitgliedsausweise und das Titelblatt des ersten Inventarbuchs der Altertümersammlung.

Der Grundstock zum nachfolgenden Kultur- und Museumsverein Horb a. N. e.V. und zur Sammlung des Stadtmuseums Horb war gelegt.

An die Ausbildung in Nürnberg schloss sich für den talentierten Wilhelm Klink 1895 eine weitere künstlerische Privatausbildung in München an.

Ein Horber Kreativkopf: 150 Jahre Wilhelm Klink

Seine Werke sind in Horb bis heute an zahlreichen Stellen zu bewundern. Bekannt ist er vor allem für die wunderbare Rathausfassade. Doch hinter der Person Wilhelm Klink steckt noch sehr viel mehr.
Kolorierter Entwurf für die Bemalung des Horber Wacht- und Rathauses, angefertig...
Kolorierter Entwurf für die Bemalung des Horber Wacht- und Rathauses, angefertigt im Juni 1925 als Beschlussvorlage zur Auftragsvergabe. Eine Kommission beriet über kleinere Änderungsvorschläge. Bild: Stadtmuseum Horb

© NC

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Werkstattleiter im Atelier Hausch

Im Juli 1897 kehrte er in die Horber „Werkstätte für kirchliche Kunst“ von Peter Paul Hausch als gereifter Bildhauer und Maler zurück und übernahm zunehmend die künstlerische Leitung des Ateliers. Wilhelm Klinks eigenhändige Arbeiten in dieser Zeit sind oft mit „Atelier Hausch“ signiert und mit einer Art persönlichem Signet im Stil mittelalterlicher Steinmetzzeichen versehen.

Als der verehrte „Herr Prinzipal“ Peter Paul Hausch am 28. Februar 1899 infolge eines Sturzes im Hof des Stuben’schen Schlössles unerwartet starb, übernahm der ältere Sohn Pius Hausch die Geschäftsführung, der jüngere der Brüder Franz arbeitete still und bescheiden als Ornamentschnitzer weiter. Für die künstlerischen Konzepte, die figürlichen Bildhauerarbeiten und die Malereien war Wilhelm Klink zuständig. Die arbeitsteilig ausgeführten Aufträge aus jener Zeit sind zwar mit dem Namen „Pius Hausch“ bezeichnet, doch tragen sie sowohl im Entwurf als auch in der Umsetzung die künstlerische Handschrift von Wilhelm Klink. Augenfälliges Beispiel dieser Firmenetikettierung ist der im spätgotischen Stil gestaltete Beweinungsaltar von 1904 in der Horber Stiftskirche, ebenso der nur wenige Meter entfernt aufgestellte Josefsaltar von 1912 (siehe Bild 1).

Der Traum vom Familienglück

Am 16. Mai 1904 heiratete Wilhelm Klink Sophie Bareis, die älteste Tochter des Horber Metzgers und Goldadlerwirts. Trauzeuge war sein Arbeitgeber und Freund Pius Hausch. Es war eine Zeit der privaten Höhen und Tiefen. Im Jahr zuvor war auch das letzte seiner Geschwister, der Bruder Albert in Untertalheim gestorben. Die Mutter Elisabeth und die betagte Großmutter Ernestine zogen bei dem jungen Paar in der kleinen Wohnung über dem Goldenen Adler ein. 1905 mussten sie nach nur zweimonatigem Elternglück ihre kleine Marie zu Grabe tragen, zwei Monate später starb auch Wilhelm Klinks Mutter.

Vom Verkaufserlös des Untertalheimer Erbes kaufte das Paar ein Hanggrundstück an der Ihlinger Straße. Als sein eigener Architekt begann der Fantasiebegabte, ein Atelierhaus für sich und die wachsende Familie zu entwerfen. 1907 bis 1915 kamen die Kinder Hedwig, Katharina, Elisabeth, Paul Wilhelm, Josef und Sophie zur Welt. Die Kleinste wurde nur vier Monate alt, aber die fünf Großen wuchsen heran. Um den Traum vom eigenen Heim zu erfüllen, arbeitete Wilhelm Klink fleißig und unermüdlich, doch am Ende vergeblich. Neben der umfangreichen Arbeit für das Atelier Hausch nahm er einige kleinere Aufträge an, die nicht in Konkurrenz zu seinem Arbeitgeber standen. Mal entwarf er eine Ehrenbürgerurkunde für die Stadt oder ein Jubiläumsblatt für einen Horber Verein, fertigte Werbegrafiken und Illustrationen. Nebenher dokumentierte er in reizvollen Zeichnungen die zerfallende Horber Ringmauer oder rekonstruierte abgegangene Baudenkmäler der Neckarstadt, wie die Stadttore, den Spital oder das Adelsgut Hornau.

Selbständiger Bildhauer und Maler

Im November 1915 kam es zum Bruch zwischen den Freunden. Pius Hausch hatte sich von seinem Angestellten Wilhelm Klink immer öfter Geldbeträge geliehen, um den aufwändigen Umbau des Stuben’schen Schlössles zu finanzieren und trotzdem die Gehälter der Werkstattmitarbeiter bezahlen zu können. Es kam zu einer Machtumkehrung im Abhängigkeitsverhältnis, zu Vorwürfen und Bezichtigungen. Ein Rechtsstreit über unbezahlte Schuldscheine folgte. Wilhelm Klink verließ die Firma Hausch und machte sich in denkbar ungünstiger Lage zu Kriegsbeginn als Bildhauer und Kunstmaler selbstständig. Er bedauerte, diesen Schritt nicht früher gegangen zu sein. 1916 wurde Franz Hausch an die Front geschickt und Pius Hausch leistete Kriegsdienst beim Horber Bezirkskommando. Wilhelm Klink konnte zunächst eine Rückstellung von der Einberufung erwirken, weil seine Frau Sophie wegen einer psychischen Erkrankung in die Heilanstalt Rottenmünster eingeliefert werden musste.

Ins Jahr 1916 datieren die Ausmalung des Chors seiner Heimatkirche in Untertalheim und erste Entwürfe für eine – letztlich nie ausgeführte – Friedhofs- und Kriegsgedenkkapelle für die Stadt Horb. Mit wenigen Einzelaufträgen für weit umliegende Orte konnte er 1917 und 1918 für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgen. Der lange Vollbart wurde zu seinem Erkennungsmerkmal.

Ein großer Glücksmoment für ihn und für Horb war, als er am 27. August 1917 im Steinhaus 35 Bruchstücke einer Steinskulptur entdeckte, die er zu einer lebensgroßen Gottesmutter aus dem frühen 15. Jahrhundert zusammenfügen konnte. Er hatte wohl die originale „Liebe Frau“ aus der Liebfrauenkapelle gefunden. Nach dem Krieg wurde die Figur in einem Ulmer Restaurierungsatelier neu zusammengefügt und um fehlende Gliedmaßen ergänzt. Sie kam als gekrönte „Horber Madonna“ zurück und steht bis heute in der Stiftskirche.

Im Juli 1918 wurde Wilhelm Klink doch noch zur Landwehr nach Ulm eingezogen. Die fast täglichen Briefe an seine Kinder bezeugen ihn als strengen, aber liebevollen und fürsorglichen Vater. Nach vier Monaten konnte er zurückkehren.

Arbeitsreiche Zwischenkriegsjahre

Eine 1917 für das Dorf Sechtenhausen auf der Ostalb entworfene Weihnachtskrippe konnte er kriegsbedingt erst 1918 fertigstellen. Dabei hatte er seine Wahlheimat Horb fantasievoll im Flachreliefhintergrund als himmlisches Jerusalem porträtiert. Seinem Freund Franz Hausch diente diese Idee 1930 als Gestaltungsvorbild für die bekannte Horber Krippe. Weitere große Weihnachtskrippen lieferte Wilhelm Klink auch nach Rottweil, Wellendingen und Wäschenbeuren (Bild 2).

Ein erster Kleinauftrag nach Kriegsende war im Dezember 1918 die Zeichnung einer pflügenden Bäuerin als Druckmotiv für das Horber Notgeld.

Hauptbroterwerb bis weit in die 1920er-Jahre waren jedoch in erster Linie Gefallenendenkmäler. Unzählige Entwürfe blieben in seinem Nachlass erhalten und nicht nur einige der heutigen Horber Ortsteile wurden mit einer individuell gestalteten Variante für die Dorfkirche, ein schönes Beispiel in Dettingen, oder einer eigens errichteten Gedenkkapelle ausgestattet, wie etwa in 1921 in Rexingen. Feldkreuze und Grabkreuze gehörten ebenso zu seinem Sortiment. Auch gab es wieder zunehmend kirchliche Aufträge, so fertigte er Altäre unter anderem für Ahldorf und Altheim. Mitten in der Hyperinflation 1923, bei einem Altarauftrag für Weilen bei Schömberg, reichte der Lohn für sechs Monate Arbeit aber gerade mal für die Bahnfahrkarte zurück von Rottweil nach Horb.

Humanistische Grundbildung, Bibelfestigkeit sowie breites Natur- und Geschichtsinteresse waren die Basis, auf der er komplexe Bildkonzepte selbständig entwickelte.

Die Formensprache des Jugendstils floss in einige seiner Illustrationen und grafisch gestalteten Dekormalereien ein. Genauso konnte er naturalistische bis nahezu impressionistische Landschaftsbilder; Interieurs, Stillleben und Porträts malen. Deckengemälde in Kirchen sind beispielsweise in Grünmettstetten, Börstingen und auf Schloss Roseck bei Tübingen erhalten.

Seinen geschnitzten Figuren konnte er je nach Bedarf glatte, idealisierte oder ausdrucksvoll-realistische Züge geben. Beim Ausarbeiten seiner Entwürfe war ihm von Nutzen, dass er ein herausragender, flinker und sicherer Zeichner und versierter Modelleur war. Leider blieben nur wenige seiner kleinen plastischen Tonmodelle erhalten. Sie wurden nach der Umsetzung als Holzskulptur ungebrannt recycelt und zu neuer Tonmasse verrieben.

Horber Bilderbuch-Maler

Im Februar 1925 musste Wilhelm Klink seine seit Langem erkrankte Ehefrau zu Grabe tragen. Der Witwer hatte fünf halbwüchsige Kinder im Alter zwischen elf und achtzehn Jahren zu versorgen. Mitten in Trauer und Sorgen musste der Auftrag für die Horber Rathausfassade für ihn wie ein schöpferischer Befreiungsschlag gewesen sein. Am 2. Juli 1925 wurde im Horber Gemeinderat der Umsetzung seines Entwurfs zur Bemalung von Wachthaus und Rathaus zugestimmt, zu einem Festpreis von nur 2500 Reichsmark (Bild 3).

Bevor Wilhelm Klink mit der dekorativen und figürlichen Bemalung mit Keim’schen Mineralfarben beginnen konnte, führte er die dreifache Oberflächengrundierung selbst aus, um der Stadt die gescheuten Mehrkosten eines neuen Fassadenverputzes zu ersparen.

Ein dreiteiliger Bericht in der Schwarzwälder Volkszeitung vom 9., 11. und 12. September 1925 meldete das rasche Fortschreiten der Arbeiten. Nach nur zwei Sommermonaten waren die Bemalung des Wachthauses und die Malereien zwischen den Obergeschossen des Hauptgebäudes bereits fertiggestellt. Ohne dabei den kreativen Kopf und die ausführende Hand zu nennen, erklärte die Artikelserie derart kenntnis- und detailreich die ausgeführte Konzeption der Porträtmedaillons mit Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte, dass nur der eine logische Schluss gezogen werden kann, dass Wilhelm Klink selbst der ebenfalls ungenannte Verfasser dieser Werkbeschreibung sein kann. Der zu diesem Zeitpunkt noch fehlende Figurenfries über den Türbögen mit Hochzeits- und Handwerkerzug sollte ergänzt werden, sobald es die Witterung zuließe.

Die endgültige Fertigstellung der Bemalung verzögerte sich jedoch um fast zwei Jahre. Erst am 1. September 1927 hielt das Ratsprotokoll fest, dass „Malermeister Klink“ die Rathausbemalung „nunmehr vollendet“ habe. Die Verwendung hochwertiger Materialien und die Umsetzung gewünschter Änderungen rechtfertigten Klinks Forderung nach Erhöhung der Akkordsumme um 500 Reichsmark. Abzüglich seiner Ausgaben käme er dabei „kaum auf den Taglohn eines Anstreichergehilfen“. Am Ende erhielt er eine Summe, die einer heutigen Kaufkraft von etwa 12000 Euro entspräche. Das war für die Stadt Horb aus damaliger wie aus heutiger Sicht gewiss eine lohnende Investition.

Dass Wilhelm Klink aus begeistertem Idealismus, aus der Freude am Schaffen, aus Liebe zur Kunst und in frommer Bescheidenheit sich und sein Können oft unter Wert verkaufte, zieht sich wie ein roter Faden durch diese „Horber-Bilderbuch-Karriere“. Den Mangel an selbstbewusster Geschäftstüchtigkeit glich er durch rastlosen Fleiß aus.

Kolorierter Entwurf für die Bemalung des Horber Wacht- und Rathauses, angefertigt im Juni 1925 als Beschlussvorlage zur Auftragsvergabe. Eine Kommission beriet über kleinere Änderungsvorschläge. Bild: Stadtmuseum Horb

Kolorierter Entwurf für die Bemalung des Horber Wacht- und Rathauses, angefertigt im Juni 1925 als Beschlussvorlage zur Auftragsvergabe. Eine Kommission beriet über kleinere Änderungsvorschläge. Bild: Stadtmuseum Horb

Festzugsgestalter und Innenarchitekt

In diesen Jahren sorgten neben größeren kirchlichen Projekten die Innenausstattungen von Horber Gasthäusern für Einkünfte. Das Hotel Lindenhof, die Schlossbrauerei in Mühringen, das Haus der Landwirte, das Café Wetzel und das Hotel Raible erhielten Wand- und Deckengestaltungen. Weitgehend erhalten ist noch die gediegene Raumgestaltung im Gasthaus Schiff mit Wandvertäfelung, historisierender Ahnengalerie und geschnitztem Schiffsmodell.

Ein aufwändiger städtischer Auftrag war die künstlerische Gestaltung der 700-Jahrfeier für Juni 1929 mit Veranstaltungsplakat und einer stadtgeschichtlichen Ausstellung im Rathaus. Der historische Festumzug wurde von ihm minutiös konzipiert und spannte den geschichtlichen Bogen von den adeligen Stadtgründern bis zum letzten Neckarfloß und der Eisenbahn. Mit Requisiten und Modellbauten zogen 23 kostümierte Gruppen durch die Innenstadt (Bild 4).

Im Vorlauf auf dieses große Fest hatte Wilhelm Klink die arg heruntergekommenen Horber Brunnen hergerichtet. Für den verwaisten Brunnen in der Altheimer Straße schuf er, im Wissen um die dort einst benachbarte Leonhardskapelle, die Figur des segnenden Heiligen.

In den 1930er-Jahren kamen größere Aufträge vor allem von außerhalb der Horber Grenzen. Lieferungen gingen ins Fränkische, nach Hohenlohe und ins Badische, Richtung Schwarzwald, Baar und Alb, bis in die Schweiz und nach New York. Die drei für Horb 1933 von ihm gemalten klappbaren Fronleichnamsaltäre werden noch bis heute alljährlich am Prozessionsweg aufgestellt. Der kleine Schönstatt-Marien-Altar in der Ottilienkapelle auf der Schütte trägt die Jahreszahl 1935. Wer aufmerksam durch die hiesigen Kirchen und Kapellen geht, kann noch mehr seiner Arbeiten, Heiligenfiguren, Gemälde, Gedenktafeln, Leuchter, Beichtstühle oder Kanzeln entdecken.

Niemals den Hitlergruß gemacht

Mit Wissbegier und Sachverstand, dabei bestens vernetzt, betrieb er umfangreiche Heimatforschungen, hielt darüber Vorträge fürs Volksbildungswerk, schrieb Artikel für die Lokalpresse und Fachzeitschriften. Er engagierte sich in verschiedenen Horber Institutionen und regionalen Kulturvereinen, übte bürgerliche und kirchliche Ehrenämter aus und blieb bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten Kreisvorsitzender der Zentrumspartei.

Nachdem sein Schwiegersohn, Juwelier Josef Reinhardt, 1936 die sanierungsbedürftige Kirchberger Schaffnerei (heute Schmuck am Aischbach) als Familiendomizil erwerben konnte, kümmerte sich Wilhelm Klink um die Außenrenovierung des Baudenkmals mit Lüftlmalerei. Er bezog dort eine Atelierwohnung im Obergeschoss, wurde von seiner unverheirateten Tochter Katharina und in der Familie seiner Tochter Elisabeth umsorgt.

Bekannt ist die Begebenheit, dass 1938 sein Dreifaltigkeitsfresko an der Neckarstraßenfront von Nazi-Marodeuren mit Teerfarbe bespritzt wurde, so dass er es im Grunde neu malen musste. Der überzeugte Katholik und Demokrat widerstand allen Anfeindungen. Er soll niemals den Hitlergruß gemacht haben. Der Respekt vor seiner Person schützte ihn in der Kleinstadt.

In der Nachkriegszeit übernahm er grafische und bildhauerische Kleinaufträge, gerne auch gegen Naturalien in der schlechten Versorgungslage. Für eine Werkezusammenstellung durch Dr. Paul Meintel für das Künstlerlexikon Thieme-Becker-Vollmer (das bedeutete den künstlerischen „Ritterschlag“) nannte er selbst unter anderem noch ein Deckenbild für die Taberwasenkapelle bei Nordstetten von 1942 und ein Votivbild mit Rosenkranzmadonna für Obertalheim. 1947 konnten im Schaufenster des Juweliergeschäfts Reinhardt die 14 neu gemalten Kreuzwegstationen für Wäschenbeuren vor ihrer Lieferung ausgestellt werden.

Noch am 26. Januar 1952 verfasste er auf städtische Anfrage eine kompakte Zusammenstellung zur Horber Stadtgeschichte, in die seine Heimatforschungen aus sechs Jahrzehnten einflossen.

Auf einem seiner letzten Porträtfotos sitzt er schnitzend an einem Kruzifix. Es war für sein eigenes Grabkreuz gedacht. Am 2. April 1952 schlief er friedlich für immer ein. Fünf Tage später wurde er unter großer Anteilnahme auf dem Horber Friedhof beigesetzt.

Ohne sein rückblickendes und zugleich vorausschauendes Zutun gäbe es viel Schönes und Einzigartiges in Horb nicht oder nicht mehr. Denkmalpflegerisch engagiert und verantwortungsvoll war nicht sein künstlerischer Entfaltungsdrang entscheidend, sondern er verstand sich, letztlich vielleicht doch zu demütig, als Kunsthandwerker in dienender Funktion. Seine Arbeiten sollten sich harmonisch in das erhaltenswerte Alte einfügen und doch neue Akzente setzen. Den künstlerischen Spielraum begrenzten der Zwang zum Broterwerb, die damit verbundene Erfüllung von Kundenwünschen und die knappen Budgets der Auftraggeber. Was hätte er ohne diese wirtschaftlichen Zwänge aus seinem Talent machen können? Seine wenigen freien Arbeiten, die meist in Familienbesitz blieben, strahlen große Schaffenslust und Leichtigkeit aus. Die geplante Ausstellung im Stadtmuseum Horb wird einige dieser Schätze erstmals öffentlich zeigen. Sein runder Geburtstag bietet Anlass, Werk und Wirken von Wilhelm Klink neu zu entdecken und angemessen zu würdigen.

Der Bilderbogen auf der Südfassade des Horber Rathauses ist das bekannteste Werk des Horber Künstlers. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Wilhelm Klink schnitzte unzählige Kruzifixe in allen Größen. Auf einem seiner letzten Porträtfotos 1952 arbeitet er in seinem Atelier am eigenen Grabkreuz. Es fand erneut Verwendung auf dem Friedhof in
Tübingen-Bühl für seinen Enkel. Bild: Viktor Steinwand, Repro: privat

Wilhelm Klink schnitzte unzählige Kruzifixe in allen Größen. Auf einem seiner letzten Porträtfotos 1952 arbeitet er in seinem Atelier am eigenen Grabkreuz. Es fand erneut Verwendung auf dem Friedhof in
Tübingen-Bühl für seinen Enkel. Bild: Viktor Steinwand, Repro: privat

Die Autorin

Agnes Maier ist die Leiterin des Horber Stadtmuseums. In ihrer Funktion hat sie bereits zahlreiche namhafte Ausstellungen in Horb kuratiert. Unter anderem die Alamannen-Ausstellung „Röhrenhenkelkrug und Pferdchenfibel, Ostgermanen und Alamannen“ zu historischen Funden in der Nähe von Altheim und die Caspar-Kaltenmoser-Ausstellung zu einem weiteren überregional bedeutenden Maler aus der Neckarstadt. Außerdem machte sich Maier um die Gestaltung des Mahnmals und der Resolution zur Hexenverfolgung auf dem sogenannten Galgenfeld verdient.

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Erstellt:
19.01.2024, 18:30 Uhr
Lesedauer: ca. 9min 37sec
zuletzt aktualisiert: 19.01.2024, 18:30 Uhr

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