Im Nordwesten - Die Fahrt dauert schon lange an, die Lichter vor den Augen verschwimmen – und irgendwann sackt der Kopf Richtung Lenkrad: Übermüdung und Sekundenschlaf im Straßenverkehr werden oft unterschätzt. Dabei passieren deshalb täglich Unfälle: 2022 registrierte das Statistische Bundesamt allein 2009 Unfälle im Zusammenhang mit Übermüdung, bei denen Menschen verletzt wurden.
Falsche Selbsteinschätzung
Was in der Statistik fehlt, sind die Fälle, in denen Menschen gerade nochmal Glück gehabt haben – und das dürften einige sein: Einer Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) unter 1000 Autofahrenden zufolge, sind rund 26 Prozent schon mindestens einmal hinter dem Steuer eingeschlafen. Das ist jeder Vierte. Für Bus- und Lkw-Fahrende kommen Studien zu ähnlichen Ergebnissen. Besonders fatal: Viele glauben, den Zeitpunkt des Einschlafens sicher vorhersehen zu können. Bei einer Umfrage des DVR und der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin unter Lkw-Fahrenden waren 85 Prozent dieser Auffassung.
Sekundenschlaf kündigt sich laut ADAC auf vielfältige Weise an. Ein Anzeichen kann sein, wenn man Probleme hat, die Spur zu halten. Auch wenn die Straße sich immer enger anfühlt oder der Blick starr auf der Fahrbahn haftet, ist Vorsicht geboten. Weitere Signale: An die letzten gefahrenen Kilometer kann man sich kaum noch erinnern, man übersieht ein Straßenschild, verpasst die Ausfahrt oder fährt plötzlich ungewollt langsamer oder schneller.
Schläfrigkeit äußert sich auch durch ein geringeres Reaktionsvermögen. Laut Deutscher Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin ist die Beeinträchtigung nach 17 Stunden ohne Schlaf vergleichbar mit 0,5 Promille Alkohol im Blut. Bei 22 Stunden gleicht die Wirkung 1,0 Promille. Umgekehrt kann auch Alkohol müde machen – ebenso wie manche Medikamente – oder die Müdigkeit verstärken.
Pausen am Rastplatz sollte man bei einem oder mehreren Anzeichen unbedingt einlegen – am besten kombiniert mit einem Kurzschlaf von 15 bis 20 Minuten. Ein starker Kaffee vor dem Einschlafen kann helfen, hinterher besser wach zu werden; das wach machende Koffein wirkt erst nach rund 30 Minuten. Kurzschlaf-Episoden können jedoch nicht den normalen Nachtschlaf ersetzen. Nur äußerst kurzfristig oder gar nicht sinnvoll sind laut ADAC Hausmittel wie laute Musik, offene Fenster oder Kaffee bzw. Energydrinks ohne zusätzlichen Kurzschlaf.
Wer nachweislich sehr müde oder wegen Einschlafens einen Unfall baut, kann dafür laut Strafgesetzbuch mit einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Laut ADAC wird in solchen Fällen meist auch ein Fahrverbot verhängt oder die Fahrerlaubnis entzogen.
Zu wenig Pausen
Die Ursachen für die Übermüdung können vielfältig sein. In einer DVR-Umfrage gaben mehr als 50 Prozent der Befragten an, erst nach drei bis vier Stunden Fahrt oder später zu pausieren. Eine Pause sollte man jedoch grundsätzlich etwa alle zwei Stunden und speziell bei ersten Müdigkeitsanzeichen einlegen, heißt es beim DVR. Lange Fahrtzeiten können ein weiterer Grund sein – sie kommen gerade bei Lkw-Fahrenden häufig vor. An sie appelliert der DVR, die gesetzlich geltenden Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten.
Auch ältere Autofahrer sind laut DVR gefährdet, in den Sekundenschlaf zu fallen. Sie schliefen insgesamt weniger und seien daher am Tag öfter müde. Daher seien für sie ausreichend Schlaf vor jeder Fahrt und Kurzschlafphasen am Tag bzw. regelmäßige Pausen während der Autofahrt zur Kompensation längerer Wachphasen in der Nacht wichtig.