Das Urgestein Hans-Ulrich Doerig

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Hans-Ulrich Doerig (Bild: Reuters)

Hans-Ulrich Doerig (Bild: Reuters)

bb. Die Chefs konnten kommen, verweilen oder bald wieder gehen, einer war im Imperium von Kreditanstalt/Credit Suisse immer zur Stelle, wenn es galt, in die Bresche zu springen und heikle Aufgaben unerschrocken zu lösen: das Appenzeller Urgestein Hans-Ulrich Doerig. Geboren 1940 doktorierte er in St. Gallen in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und trat 1968 seine erste Stelle bei der Investmentbank J. P. Morgan an. Nach fünf Jahren wechselte er zur Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich und wurde 1982 Mitglied der Generaldirektion.

1993 zog Doerig, in den Rainer E. Gut grosses Vertrauen setzte, in den Verwaltungsrat der Schweizerischen Kreditanstalt ein und wurde dessen Vizepräsident. In dieser Phase konnte Doerig auch wieder verstärkt seinen wissenschaftlichen Interessen nachgehen, wovon eine an dieser Stelle im Juni 1996 publizierte ausführliche quantitative Analyse über die 1000 grössten Banken der Welt zeugt. Er vertrat darin die Ansicht, die Profitabilität der meisten Banken in Europa müsse entscheidend verbessert werden. Hier sah man in der Folge in der Tat beträchtliche Fortschritte.

Der Feuerwehrmann

Wer nun geglaubt hat, der breit interessierte Doerig habe sich damit vom Tagesgeschäft verabschiedet, musste sich schnell eines besseren belehren lassen. Kaum war der Artikel erschienen, warf der damalige CEO der Kreditanstalt, Josef Ackermann das Handtuch. Begründet wurde dies damals mit «unterschiedlichen Auffassungen» über die strategische Ausrichtung der CS-Holding. Sein Nachfolger, der der damalige Schweizer-Rück-Chef Lukas Mühlemann, war indessen noch nicht sofort verfügbar war. So war es gleichsam natürlich, dass Doerig, die einmal mehr neu positionierte Credit Suisse in ruhigere Fahrwasser zu führen hatte. Mühlemann konnte dann übernehmen.

Zum Wiedereintritt Doerigs in den Verwaltungsrat kam es indessen (noch) nicht. Der zuweilen verschmitzt dreinblickende Doerig wurde auf anderen Grossbaustellen im Credit-Suisse-Verbund dringend benötigt. 1997 wurde er Chairman und Executive Officer der Credit Suisse First Boston, Zürich und spielte in dieser Funktion eine entscheidende Rolle bei der Restrukturierung der Credit Suisse Group und bei der Fusion der früheren Credit Suisse International mit der Credit Suisse First Boston.

1998 wurde Doerig Vizepräsident der Geschäftsleitung der Credit Suisse Group Zürich und deren Chief Risk Officer (CRO). Gerade diese letzte Funktion bescherte Doerig im Gefolge von 9/11 eine Bewährungsprobe erster Güte. Verwaltungsratspräsident und CEO Lukas Mühlemann gehörte damals noch dem Verwaltungsrat der SAir-Group an. Doerig übernahm bereits am 12. September, und damit einen Tag nach der Terrorattacke innerhalb der Bank die Federführung im Swissair-Dossier – und gab sie nicht mehr her. Die hektische und komplexe Arbeit an Rettungsversuchen, erschwert durch immer neue Hiobsbotschaften, war auf ihn zugeschnitten. Und es war dann auch an ihm als CRO, dafür zu sorgen, dass ungeachtet zahlreicher anders lautender Erwartungen die Risikoposition Swissair in den Büchern der Bank nicht «toxischen» Charakter annahm. Konsequenterweise übernahm die UBS und nicht die Credit Suisse den Lead bei der Finanzierung.

2002 gab Doerig die CRO-Funktion auf und wurde unter Beibehaltung des Vizepräsidiums in der Geschäftsleitung Leiter des Corporate Centers. Ein Jahr später avancierte er zum vollamtlichen Vizepräsidenten des Credit-Suisse-Verwaltungsrats und innerhalb dieses Gremiums zum Vorsitzenden des Risk Committee. 2004 erschien unter seiner Federführung ein Buch über neue Wege zur Hochschulfinanzierung. Doerig konnte auch hier auf gute interne Kenntnisse bauen: Der Hochschule hatte er nie den Rücken zugekehrt. Während mehr als zehn Jahren wirkte er als Lehrbeauftragter der Universität Zürich und der Swiss Banking School. Neben Bildungsfragen haben ihn immer auch die Schwellenländer-Problematik und die internationale Konkurrzenfähigkeit interessiert.

Für wie lange?

Wenn er nun, mit 69 Jahren, das Verwaltungsratspräsidium der Credit Suisse übernimmt, so beweist er erneut seine vielfältigen Fähigkeiten. Allerdings sonderlich viel Zeit bleibt ihm nicht: Die «Board of Directors Charter», vom Verwaltungsrat am 8. Februar 2008 verabschiedet, hält unmissverständlich fest, dass «VR-Mitglieder (...) spätestens auf die in dem Jahr stattfindende ordentliche Generalversammlung zurück (treten), in dem sie ihr 70. Altersjahr vollenden.» Doch sind solche Reglemente nicht in Stein gemeisselt. Vielmehr ist dem Vernehmen nach eine Anpassung der Klausel auf das Datum der Generalversammlung vom 24. April in Vorbereitung. Doch auch wenn dem nicht so wäre: Einem Mann, der «Lebensfreude dank Leistungslust» propagiert, ist auch in knapp bemessener Zeit viel zuzutrauen.