Ein Banker für alle Fälle

Als Hans-Ulrich Doerig (Jahrgang 1940) im April 2011 als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse (CS) zurücktrat, ging mit ihm der dienstälteste Spitzenmann der Grossbank. Fast vier Jahrzehnte lang hatte der Appenzeller rund um die Welt in einer Vielzahl von Aktivitätsfeldern und

Ermes Gallarotti
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Hans-Ulrich Doerig an der Credit-Suisse-GV im April 2011. (Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Hans-Ulrich Doerig an der Credit-Suisse-GV im April 2011. (Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Als Hans-Ulrich Doerig (Jahrgang 1940) im April 2011 als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse (CS) zurücktrat, ging mit ihm der dienstälteste Spitzenmann der Grossbank. Fast vier Jahrzehnte lang hatte der Appenzeller rund um die Welt in einer Vielzahl von Aktivitätsfeldern und Führungsfunktionen für «seine» CS gewirkt – er war so etwas wie der Mann für alle Fälle.

Fünf Jahre nach dem Beginn seiner beruflichen Karriere bei JP Morgan in New York trat der promovierte Ökonom 1973 in die damalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) ein und wurde 1982 in deren Generaldirektion berufen. Es folgten Chargen als Vizepräsident des Verwaltungsrats, Präsident der Generaldirektion, operativer Chef der konzerneigenen Investmentbank Credit Suisse First Boston sowie Vizepräsident der Geschäftsleitung und Chief Risk Officer der CS. 1993 wurde Doerig erneut in den Verwaltungsrat gewählt und avancierte 2009 zum Präsidenten dieses Gremiums.

Doerig war nicht nur ein gestandener Universalbanker; ausgestattet mit einer beeindruckenden Schaffenskraft engagierte er sich auch in Wissenschaft, Kunst und Bildung. Er wirkte mit Herz und Seele als Lehrbeauftragter der Universität Zürich und an der Swiss Banking School, war Mitglied des Universitätsrats, Verwaltungsrat des Internationalen Rot-Kreuz-Museums in Genf, Präsident der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde. Und er war ein passionierter Denker und Schreiber, der sich mit der Zukunftsfähigkeit der Schweiz und der Welt auseinandersetzte.

In seinem letzten Buch, «So gewinnt die Schweiz», schälte Doerig zwölf entscheidende Erfolgsfaktoren heraus und versinnbildlichte sie mit den zwölf Ecken des Schweizerkreuzes – eines Symbols der Mitte und Balance, das sich nach allen Seiten richtet und gleichzeitig an die Viersprachigkeit des Landes erinnert. Zu den Grundüberzeugungen Doerigs zählten Werte wie Weltoffenheit, Leistungsbereitschaft, Selbstverantwortung, Exzellenz – in dieses Bild fügt sich sein Einstehen für die Personenfreizügigkeit ein, für die bilateralen Verträge mit der EU oder für ein nachhaltig finanziertes Sozialsystem, das nicht auf Kosten künftiger Generationen einer «Rentnermentalität» Vorschub leistet. Doerig beschäftigte sich nicht nur mit der Schweiz, sondern auch seit einem Vierteljahrhundert mit China. Er dürfte der einzige Schweizer Banker gewesen sein, dessen Bücher ins Mandarin übersetzt wurden. Zeitgenössische chinesische Gemälde zieren denn auch die Wände des Hotels Bären im appenzellischen Gonten, das Doerig nach seiner Pensionierung gekauft hatte und aufwendig renovieren liess.

Mit Doerig ist am Sonntag, nur ein Jahr nach dem Tod seiner Ehefrau, nach schwerer Krankheit ein Innerrhoder Kosmopolit gestorben, der beides war – einerseits bodenständig, schlau und zäh, aber anderseits auch grosszügig, weltoffen und fortschrittlich. Mit ihm ist ein Urgestein der CS und des Schweizer Finanzplatzes gegangen.