Nord Stream 2: Manuela Schwesig wird die von Russland finanzierte Pseudostiftung nicht los

Mit Tricksereien wollte das ostdeutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern US-Sanktionen umgehen. Eigentlich sollte die «Klimastiftung» längst aufgelöst sein. Aber jetzt wird sie privatisiert. Die Regierungschefin aus dem Norden ist blamiert.

Susann Kreutzmann, Berlin 4 min
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Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig.

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig.

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Das Gezerre um die mit russischem Geld finanzierte Klimastiftung nimmt kein Ende. Bisher wollte die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ihr einstiges Prestigeprojekt so schnell wie möglich loswerden. Ziel sei, die Klimastiftung abzuwickeln, betonte die Sozialdemokratin mehrfach. Schon vor zwei Jahren stimmte der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern für die Auflösung der Scheinstiftung, mit deren Hilfe die russische Gaspipeline Nord Stream 2 fertiggestellt werden sollte.

Doch zu einer Abwicklung wird es jetzt nicht kommen. Die landeseigene Stiftung steht kurz vor der Privatisierung. Der Vorsitzende der Stiftung und Schwesigs Vorgänger an der Landesspitze, Erwin Sellering, triumphiert, die Landesregierung steht brüskiert da. Und die Ministerpräsidentin ist beschädigt.

Nachdem die amerikanische Regierung 2019 Sanktionen gegen Russland verhängte, wollte Schwesig Nord Stream 2 unbedingt fertigstellen. Es war das grösste Infrastrukturprojekt in ihrem Bundesland. So dachte sich die Landesregierung aus SPD und CDU einen Trick aus: Sie gründete die Klimastiftung MV, mit der die Sanktionen umgangen und der Weiterbau der Ostsee-Pipeline gesichert wurde.

Bis zum Überfall von Russland auf die Ukraine war Schwesig eine der lautesten Befürworterinnen von Nord Stream 2. Danach geriet sie zunehmend wegen ihrer Russland-Nähe in Erklärungsnot. Zwischen dem Vorstand der Stiftung und der Ministerpräsidentin entbrannte ein öffentlicher Streit über die Auflösung der Stiftung – deren Zweck ja nicht mehr bestand. Sellering, Schwesigs politischer Ziehvater, wehrte sich vehement gegen das Aus. Er wollte aber Landesregierung und Landesparlament aus der Stiftung drängen. Das hat er jetzt erreicht.

Gutachten hält Auflösung der Stiftung für nicht möglich

Die Privatisierung der Klimastiftung ist bemerkenswert, auch weil der Stiftungstopf mit rund 20 Millionen Euro gut gefüllt ist. Das Geld stammt von dem staatlich kontrollierten russischen Konzern Gazprom. Der Vorstand der Stiftung kann nach einer Privatisierung ohne öffentliche Kontrolle bestimmen, wohin das Geld gehen soll. Das trifft auch für den Eigenanteil des Landes zu, der allerdings nur 200 000 Euro beträgt. Sellering will damit «endlich Klimaschutzvorhaben» finanzieren.

Hintergrund für den erstaunlichen Kursschwenk der Landesregierung ist offiziell ein umfangreiches Gutachten. In der im Februar veröffentlichten Stellungnahme wird festgestellt, dass die Stiftung nicht rechtssicher aufgelöst werden könne. «Stiftungen sind grundsätzlich auf Ewigkeit angelegt. Deshalb braucht es besondere Gründe, um eine Stiftung zu beenden», sagte der Gutachter Andreas Urban. Der von der Landtagspräsidentin beauftragte Jurist regte an, den politischen Einfluss der Landesregierung auf die Stiftung abzuschaffen und diese ganz in private Hände zu geben. So soll es jetzt geschehen.

Zuvor hatte Sellering, der selbst Jurist ist, aus der Satzung alle Bezüge zu Russland und Nord Stream 2 entfernen lassen. Das war ein cleverer Schachzug, um die politische Angriffsfläche zu verringern.

Die regierenden Sozialdemokraten legten nach dem Gutachten eine Kehrtwende hin. Eine Privatisierung der Stiftung wurde plötzlich als «sachgerechte Lösung» beklatscht. Keine Rolle spielte mehr ein vom Land erstelltes Gutachten, das zu einem gegenteiligen Schluss kam und eine Auflösung der Stiftung für möglich hielt. Laut Satzung hätte Schwesig beispielsweise den Vorstand der Stiftung absetzen oder neu benennen können.

Opposition wirft Schwesig schwere Versäumnisse vor

Auch deshalb werfen die oppositionellen Grünen und Christlichdemokraten Schwesig vor, sie hätte sich schon längst der ungeliebten Stiftung entledigen können. «Die Stiftung wird jetzt das politische Altersheim von Herrn Sellering. Bei einer Privatisierung kann er dort schalten und walten, wie er will», sagt Hannes Damm, Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss zur Klimaschutzstiftung, der NZZ. Schwesig mache sich unglaubwürdig. Die Grünen sprechen von Verschleierungstaktik. Die Hälfte des Stiftungskapitals komme aus dem Bau von fossiler Infrastruktur eines Staatskonzerns, der auch den Angriffskrieg gegen die Ukraine mitfinanziere, betont Damm.

«Eine Auflösung wäre der bessere Weg gewesen, auch aus moralischer Sicht», sagte auch der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Sebastian Ehlers, der NZZ. Es sei unnötig Zeit vertrödelt worden. Die Christlichdemokraten sind allerdings in der Zwickmühle. Das Landesparlament hatte im Januar 2021 mit den Stimmen der damaligen Regierungskoalition aus SPD und CDU für die Einrichtung der Klimastiftung gestimmt. Die Grünen waren dagegen.

Seit rund zwei Jahren versucht ein Untersuchungsausschuss im Landtag, Licht in die Auffälligkeiten der Russland-Verbindungen der Landesregierung zu bringen. Nur stückchenweise rückte Schwesig beispielsweise mit ihren Kontakten zu dem Putin-Vertrauten und langjährigen CEO von Nord Stream 2, Matthias Warnig, und anderen Gazprom-Vertretern raus. Der Grünen-Politiker Damm ist überzeugt, dass bei einer Privatisierung der Klimastiftung die Aufklärungsarbeit erheblich erschwert werde.

Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich auch vor einem Jahr. Eine Finanzbeamtin verbrannte laut eigener Aussage drei Steuererklärungen der Stiftung im häuslichen Kamin, aus Angst vor persönlichen Konsequenzen. In den Steuererklärungen ging es darum, ob die Stiftung 9,8 Millionen Euro Schenkungssteuer zahlen muss. Darüber entbrannte ein Rechtsstreit. Sellering und sein Vorstand sind überzeugt, dass für die Stiftung eine Steuerbefreiung gilt. Anfang des Jahres entschied ein Gericht in Greifswald jedoch zugunsten der Landesregierung. Der Entscheid ist aber noch nicht rechtskräftig.

Bislang hat Schwesig alle Vorwürfe ausgesessen. Eigenes Fehlverhalten konnte sie nicht erkennen. Sie gab lediglich zu, «mit dem Wissen von heute ist die Entscheidung für Nord Stream 2 und die Klimastiftung falsch gewesen». Mit der Privatisierung der Stiftung möchte die Ministerpräsidentin jetzt ein für sie unangenehmes Kapitel beenden. Die Hoffnung, dass Schwesig dann nicht mehr mit dem unter ihrer Führung erdachten Täuschungsmanöver in Verbindung gebracht wird, dürfte sich aber nicht erfüllen. Dafür gibt es zu viele Ungereimtheiten.