Kolumne

Zverevs Zukunft, oder: Wer ahnt, was er bald schon weiss?

Die Sportwoche

Benjamin Steffen 3 min
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«Das war bodenlos. Um ehrlich zu sein»: Der Tennisspieler Alexander Zverev ist nach einer frühen Niederlage gegen den 18-jährigen Holger Rune schwer enttäuscht.

«Das war bodenlos. Um ehrlich zu sein»: Der Tennisspieler Alexander Zverev ist nach einer frühen Niederlage gegen den 18-jährigen Holger Rune schwer enttäuscht.

Imago

Am 7. Januar 2022 postete Alexander Zverev, Tennis-Olympiasieger, 24 Jahre alt, auf Instagram ein Bild aus Sydney.

Am 8. Januar 2022 kam aus Berlin die ARD-Sendung «Klein gegen Gross», mit einem Duell zwischen Zverev und Marco, 12 Jahre alt. Ein Spiel vor Publikum in Deutschland, es ging darum, wer mit Tennisschläger und Ball mehr Bowling-Kegel trifft. Vorher fragte der Moderator, was Zverev fehle, um die Nummer 1 zu werden. Zverev wusste, was er sagen sollte: «Sechs Monate Zeit.» Er sei «auf einem guten Weg. Es fehlt mir eine Sache, und das ist die Nummer 1.» Er hoffe, dass er es «dieses Jahr» schaffen könne. Die Aussage «dieses Jahr» betonte Zverev, als habe er den Ernst der Lage verstanden. Denn Aufnahmedatum war der 24. Oktober 2021, aber Zverev schien zu wissen, dass die Sendung erst Anfang 2022 ausgestrahlt würde. Er wirkte heiter und fröhlich wie sowieso die ganze Sendung, wie es halt so ist nach dem Jahreswechsel, wenn die Vorsätze noch jung sind – und gut, wie der Weg, auf dem man ist.

Nun ist ein halbes Jahr vorbei, sechs Monate Zeit, Zverev hat 2022 noch kein Turnier gewonnen. Am Mittwoch schied er, mittlerweile 25 Jahre alt, in München früh aus, gegen Holger Rune, 18 Jahre alt. Danach sagte er innert 20 Sekunden: «Um ehrlich zu sein: Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Das war bodenlos. Um ehrlich zu sein: Ich war unglaublich nervös vor dem Match, erstmals wieder vor Publikum in Deutschland zu spielen seit drei Jahren. Um ehrlich zu sein, ich weiss gar nicht, was ich sagen soll.» Und später: «Um ehrlich zu sein: Aus dem Hauptfeld hätte ich heute gegen jeden verloren. Manchmal muss man ehrlich sein, und das war einfach bodenlos von mir.»

Wie viel Ehrlichkeit ist auszuhalten?

Und welche sechs Monate Zeit meinte Zverev, als er im Oktober über etwas redete, das er erst im Januar sagen sollte? Sechs Monate ab Oktober – oder ab Januar? Da hätte er ja noch Zeit. Um ehrlich zu sein.

Den Buben Marco fragte der ARD-Moderator damals: «Paris, New York, Wimbledon oder Australian Open – welches Turnier wirst du als erstes gewinnen?» Marco sagte: «Das erste, das ich spiele.» Wie gesagt: Die Stimmung vom 24. Oktober wirkte heiter und fröhlich am 8. Januar, bodenlos heiter.

Rune, der 18-jährige Zverev-Bezwinger vom Mittwoch, ist nun 19 Jahre alt, am Freitag feierte er Geburtstag. Ein paar Tage machen ein ganzes Jahr aus. Und wie viel denn erst zwei Monate. Oder all die Jahre, die bleiben, bis Marco in Paris oder so spielt.

Wer weiss schon, ob Zverev am Mittwoch in München war. Berlin? Sydney? Was ist echt und ehrlich? Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Und ob mir nur eine Sache fehlt.

Haben Sie schon überlegt, ob Sie heute wissen, dass Sie im Juli ehrlich sagen möchten, Sie wähnten sich auf einem guten Weg?