Die Stimme aus dem Rangierbahnhof

Es seien «unzutreffende Aussagen publiziert und falsche Schlussfolgerungen gezogen» worden, teilte der Schindler-Patron am Freitag in einem Zehn-Punkte-Communiqué mit.

Giorgio V. Müller
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Alfred N. Schindler, Hauptaktionär des Aufzugs- und Fahrtreppenherstellers Schindler.

Alfred N. Schindler, Hauptaktionär des Aufzugs- und Fahrtreppenherstellers Schindler.

Urs Flüeler / Keystone

Alfred N. Schindler ist ein besonderer Unternehmer. Als langjähriger Konzernchef und Verwaltungsratspräsident sowie Hauptaktionär, Verwaltungsrat und «Chairman Emeritus» ist der bald 71 Jahre alte Innerschweizer die Galionsfigur des gleichnamigen erfolgreichen Schweizer Aufzugs- und Fahrtreppenherstellers. Ein Markenzeichen ist aber auch seine Empfindlichkeit, wenn er sich falsch verstanden fühlt oder etwas nicht ganz korrekt ist. Journalisten, die in ihrer Berichterstattung die Initiale seines zweiten Vornamens (Niklaus) weglassen, können ein Lied davon singen.

Ewiger Patron

Im Rahmen der diese Woche angekündigten Umschichtungen innerhalb des Aktionärspools von der vierten zur fünften Generation der Besitzerfamilien war das offenbar wieder einmal der Fall. Es seien «unzutreffende Aussagen publiziert und falsche Schlussfolgerungen gezogen» worden, teilte der Patron am Freitag in einem Zehn-Punkte-Communiqué mit. Darin hielt er fest, dass alle Verschiebungen von Anteilen ausschliesslich innerhalb des Aktionärsbindungsvertrags stattfinden würden, über den die Besitzerfamilien (Schindler, Bonnard, Vischer, Staehelin «und andere») 71,1% der Stimmen, aber nur 44,2% des Konzerns kontrollieren.

Das grösste Paket hält Alfred N. Schindler; wie gross dieses genau ist, will er nicht verraten. Hingegen werde er sicher noch bis zum 150-Jahre-Jubiläum des Unternehmens im Verwaltungsrat bleiben – wenn er wieder gewählt werde und es seine Gesundheit zulasse, fügt er bei. Wenn das Unternehmen feiert, wird der Patron 75 Jahre alt sein. Im Geschäftsleitungsreglement der Holding ist zwar eine Amtszeitbeschränkung bis zum Alter von 73 Jahren vorgesehen, die aber «vom Verwaltungsrat in besonderen Fällen» erhöht werden kann. Falls es dazu kommt, ist der Ausgang absehbar. Auch in seiner Funktion als einfacher Verwaltungsrat und «Berater für Schindler» wird Alfred N. Schindler also noch lange ein gewichtiges Wort mitreden.

Im Aktionärsbindungsvertrag seien die Interessen von rund 30 Familienmitgliedern vereint. Nach aussen wird der Pool von Alfred N. Schindler und seinem drei Jahre älteren Cousin Luc Bonnard repräsentiert. In den letzten 44 Jahren sei innerhalb dieses Gremiums nicht ein einziges Mal abgestimmt worden, stets habe Einstimmigkeit geherrscht und die Qualität der Argumente, nicht die Höhe der Beteiligung habe entschieden, heisst es im Schreiben von Alfred N. Schindler weiter.

Zur kolportierten «fortschreitenden Abnabelung» der Familie werde es nie kommen; gelänge es nicht, die Mehrheit zu behalten, werde die Firma «sauber» verkauft, jeder Aktionär werde also den gleichen Preis erhalten. Zudem sei es nicht ausgeschlossen, dass Vertreter der fünften oder sechsten Generation einst wieder in der obersten Führungsspitze Einsitz nähmen. Derzeit sind mit Carole Vischer, einer Tochter eines Cousins, und Tobias B. Staehelin, einem Neffen von Luc Bonnard, zwei Familienmitglieder im Verwaltungsrat präsent. Die Chancen stünden gut, dass Bonnards Tochter Marion bald hinzustosse, sagte Alfred N. Schindler an einer Telefonkonferenz.

Am Schalthebel

Der laut eigener Aussage «mit Abstand grösste Aktionär» will seine Beteiligung sogar erhöhen, aber keine alleinige Mehrheit anstreben. Seine Aufgabe sei der Zusammenhalt des Aktionärsbindungsvertrags. Er spiele die Rolle eines «Rangierbahnhofs», der bei Bedarf die Aktienpakete verkaufswilliger Mitglieder übernehme und innerhalb des Pools zu identischen Konditionen wieder placiere. Den Schalthebel der Schindler-Bahn gibt Alfred N. Schindler nicht aus der Hand.

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