1. ovb-online-de
  2. Mühldorf
  3. Region Neumarkt-St. Veit

Schildbürgerstreich in Neumarkt-St. Veit? – Teure Brücke über Bahngleise, die keiner mehr braucht

Kommentare

Noch leuchtet das Signal der Weiche auf Rot auf der Strecke von Frontenhausen Marklkofen in Richtung Neumarkt-St. Veit. Gefahren ist dort schon seit sieben Jahren kein Zug mehr, die Natur holt sich allmählich das Gleisbett zurück.
Noch leuchtet das Signal der Weiche auf Rot auf der Strecke von Frontenhausen, Marklkofen in Richtung Neumarkt-St. Veit. Gefahren ist dort seit sieben Jahren kein Zug mehr. © Jan Dalhoff

Das Ende der Bahnlinie von Neumarkt-St. Veit nach Marklkofen ist eingeläutet: Mit dem Rückbau der Weiche „39W09“ im Nordosten der Rottstadt wird die stillgelegte Bahnstrecke vom Netz der Deutschen Bahn abgetrennt. Was im Bauausschuss nun für Kopfschütteln sorgte – aus einem ganz bestimmten Grund.

Neumarkt-St. Veit – Es war der letzte Tagesordnungspunkt im öffentlichen Teil des Bau- und Umweltausschusses der Stadt Neumarkt-St. Veit. Für den „Rückbau der Weiche 39W09 mit Lückenschluss im Bf Neumarkt-St. Veit“ sollte die Plangenehmigung durch die Stadt erteilt werden. Was durch ein einfaches Handzeichen dann den Bauausschuss passiert hat, ist nichts anderes als das offizielle Ende der Bahnstrecke von Neumarkt-St. Veit nach Marklkofen und Frontenhausen. Diese Strecke wurde zwar schon vor einigen Jahren auf Eis gelegt. Doch mit dem Rückbau der Weiche im Nordosten von Neumarkt-St. Veit wird diese Strecke nun auch offiziell vom Netz der Deutschen Bahn genommen.

Man musste handeln

Auch wenn der schrittweise Rückbau der Bahnstrecke absehbar war, konnten die Mitglieder des Bau- und Umweltausschuss in Neumarkt-St. Veit bei der jüngsten Sitzung nur noch die Köpfe schütteln. Zumal die Stadt noch während der Corona-Pandemie viel Geld in die Hand genommen hatte, um die Bahnüberführung bei Hofthambach komplett neu zu bauen. „Wir haben es zwar gewusst, doch wir mussten zu der damaligen Zeit einfach handeln“, so der Tenor in der Sitzung des Bau- und Umweltausschuss.

Brücke war Schwerverkehr nicht mehr gewachsen

Schon vor einigen Jahren war der alte Brückenbau in Hofthambach immer wieder Thema in den Gremien der Stadt Neumarkt-St. Veit, weil er marode war, die Standfestigkeit nicht gegeben war und dringender Handlungsbedarf gegeben war. Es musste eine Lösung für den Schwerverkehr, in erster Linie landwirtschaftliche Geräte, gefunden werden, um ein gefahrloses Passieren der Traktoren und Mähdrescher zu bewerkstelligen.

Der Lack ist ab:Für die marode Brücke in Hofthambach gilt eine Tonnagebegrenzung. Wie mit ihr weiter verfahren wird, ist in erster Linie davon abhängig, ob die Bahnstrecke weiter betrieben wird oder nicht. Doch darüber ist noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Betreiber der Bahnstrecke war bisher die Rhein-Sieg-Bahn. je
Der Lack war einfach ab: Für die marode Brücke in Hofthambach galt zuletzt eine Tonnagebegrenzung. Im Coronajahr 2020 wurde sie durch einen Neubau ersetzt. Innerhalb eines halben Jahres stand die neue Brücke. © DC-X

Und das über ein Gleis, dass eigentlich seit 2017 nicht mehr genutzt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 29 bis 31 Container pro Woche auf der Schiene unterwegs, um Müll von Marklkofen zur Verbrennungsanlage nach Burgkirchen zu befördern. Selbst dieser Transport war zuvor bereits im Schneckentempo erfolgt, weil das Schienensystem dringend sanierungsbedürftig war. Vor sieben Jahren kam dann das Aus auch für die Müllzüge, nachdem der Betreiber der Bahnstrecke, die Rhein-Sieg-Eisenbahn in Bonn, die Nutzung der Gleise eingestellt hatte, weil die Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet war

Erst einmal Rückbau der Weiche

Bürgermeister Erwin Baumgartner (UWG) hatte in der Sitzung darüber informiert, dass das Eisenbahn-Bundesamt in einer E-Mail die Verwaltungsgemeinschaft Neumarkt-St. Veit als öffentlicher Träger über den Rückbau der Weiche informiert habe. Laut Verwaltungsverfahrengesetz ist mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, das Benehmen herzustellen, so die Begründung.

Ende September rollte der letzte Zug mit ZAS-Containern auf den Gleisen zwischen Neumarkt-St. Veit und Marklkofen. Dass der Bahnbetrieb jemals wieder aufgenommen wird, bleibt fraglich. je
Ende September 2017 rollte der letzte Zug mit ZAS-Containern auf den Gleisen zwischen Neumarkt-St. Veit und Marklkofen. Dass der Bahnbetrieb jemals wieder aufgenommen wird, bleibt fraglich. © OVB

Nachdem Bürgermeister Baumgartner das Prozedere vorgestellt hatte und anhand einer Präsentation den Standort der Weiche klargelegt hatte, erklärte der Bau- und Umweltausschuss einstimmig sein Einvernehmen zum „Rückbau der Weiche 39W09 mit Lückenschluss im Bf Neumarkt-Sankt Veit“ Bahn-km 79,510 bis 79,610.

Bürgermeister Baumgartner spricht auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen von einer „insgesamt eigenartigen Situation“. Freilich stellt sich die Frage, ob der Bau einer neuen Brücke beziehungsweise einer Überführung über die marode Bahnstrecke überhaupt sinnvoll war, wenn die Gleise nun allem Anschein nach nicht wieder genutzt werden wird. „Aber wir hätten nicht abwarten können“, meint Baumgartner. „Der Zustand der Brücke war bedenklich. Wir mussten handeln.“ Hintergrund: Die Brücke, die 1897 errichtet worden war, musste aufgrund ihres Alters auf zwölf Tonnen beschränkt werden, folglich wäre sie für den landwirtschaftlichen Verkehr nicht mehr uneingeschränkt zu nutzen gewesen. Zum Vergleich: Die neue Brücke hält einer Belastung von 100 Tonnen stand.

Kommt nun die Radweg-Idee zurück?

Auch für Baumgartner ist der nun folgende Ausbau der Weiche nur der erste Schritt, bevor irgendwann mal auch die Gleise ausgebaut würden. Baumgartner erinnert daran, dass irgendwann mal die Rede davon gewesen sei, eine stillgelegte Bahnstrecke als Radweg zu nutzen. Er kann sich aber nicht vorstellen, dass etwaige Planungen zeitnah diskutiert oder gar umgesetzt würden. „Es werden irgendwann im nächsten Schritt wohl auch die Gleise ausgebaut. Doch wann das sein wird, ist noch völlig unklar! Das kann sich über Jahre hinziehen“, mutmaßt er.

Die Strecke müsse erst noch entwidmet werden. „Das kann ein längerer Prozess werden. Ich habe damit keine Erfahrung, hab so etwas noch nicht mitgemacht, aber ich kann mir vorstellen, dass da in den nächsten Jahren nicht viel passieren wird.“

Kein Geld zum Fenster rausgeworfen

Hat die Stadt Neumarkt-St. Veit das Geld für die neue Brücke zum Fenster rausgeworfen? Hätte man dann nicht auch einen Wall aufschütten können? Darüber zerbricht sich Baumgartner nicht den Kopf. „Es hätte Jahre gedauert, bevor wir für ein anderes Konzept die Freigabe erhalten hätten!“ Er verweist darauf, dass für die rund 810.000 Euro teure Brücke immerhin großzügige Zuschüsse geflossen seien, insgesamt rund 495.000 Euro. Den Rest, um die 315.000 Euro, habe die Stadt zu tragen gehabt.

Auch interessant

Kommentare