Frauen und Mädchen leisten täglich über 12 Milliarden Stunden unbezahlte Hausarbeit, Pflege und Fürsorge (Care-Arbeit), ohne dass der Wert dieser Arbeit gesellschaftlich und ökonomisch anerkannt wird. Was das mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun hat? Eine Menge!

Weltweit wird rund drei Viertel der Care-Arbeit von Frauen geleistet, während sie dafür kein Geld erhalten oder nur zu wenig. Dadurch verstärken sich Unterschiede im Einkommen, Vermögen und dem Einfluss von Männern und Frauen. Care-Arbeit ist somit ein zentraler Faktor für andauernde Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Doch es geht auch anders!

Unterschiede bei Einkommen und Vermögen von Frauen und Männern

Weltweit verdienen Frauen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer und sie müssen häufiger prekäre oder schlecht bezahlte Arbeiten verrichten. Zugleich verfügen Männer über 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Frauen sind zudem deutlich schlechter sozial abgesichert und haben seltener Anspruch auf eine Rente – fast zwei Drittel aller Menschen, die im Rentenalter keine Bezüge bekommen, sind Frauen.

Was ist die Ursache für die Einkommens- und Vermögensunterschiede zwischen Frauen und Männern? Häufig werden diese damit erklärt, dass Frauen seltener oder weniger arbeiten. Doch das stimmt nicht: Frauen arbeiten im globalen Durchschnitt und in fast jedem Land der Welt mehr Stunden pro Tag als Männer. Allerdings werden Frauen im Unterschied zu Männern für mehr als die Hälfte ihrer Arbeit nicht bezahlt.

Care-Arbeit, was ist das eigentlich?
Care-Arbeit beschreibt unbezahlte und bezahlte (re-)produktiven Tätigkeiten des Sorgens und Sich-Kümmerns, ist Fürsorge und Selbstsorge. Sie beginnt mit der Begleitung und Versorgung Neugeborener und Gebärender, reicht über die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern im Vor- und Grundschulalter, die familiäre und professionelle Pflege und Unterstützung bei Krankheit oder Behinderung, über die Hilfe zur Selbsthilfe, unter Freund*innen, Nachbar*innen, im Bekanntenkreis, bis zur Altenpflege, Sterbebegleitung und Grabpflege. „Care“ meint nicht nur die körpernahe Care-Arbeit, sondern schließt auch Kochen, Putzen, Reparaturen und alle Arbeiten im Haushalt mit ein. In vielen Ländern des Globalen Südens beginnt sie bereits mit dem Besorgen von sauberem Trinkwasser oder Brennholz.

Bezahlte und unbezahlte Arbeit

Männer arbeiten im weltweiten Durchschnitt 6 Stunden und 44 Minuten pro Tag und werden für 5 Stunden und 21 Minuten bezahlt – also für mehr als 80 Prozent ihrer Arbeitszeit. Frauen arbeiten hingegen durchschnittlich 7 Stunden und 28 Minuten am Tag, erhalten aber nur für 3 Stunden und 3 Minuten Lohn – also für rund 41 Prozent ihrer Arbeitszeit.

Ein zentraler Faktor für die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen ist, dass unbezahlte Hausarbeit, Pflege und Fürsorge – sogenannte Care-Arbeit – weltweit zu drei Vierteln von Frauen geleistet werden. Frauen und Mädchen arbeiten jeden Tag mindestens 12 Milliarden Stunden unbezahlt. Wenn man für diese Arbeit den Mindestlohn ansetzt, entspricht das 11 Billionen US-Dollar im Jahr – 24 Mal mehr als der Umsatz der Tech-Riesen Apple, Google und Facebook im Jahr 2018 zusammen.

Ob Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder für den Haushalt sorgen – für das Wohlergehen von Gesellschaften und das Funktionieren der Wirtschaft ist Care-Arbeit unerlässlich. Doch für die unbezahlte Arbeit zahlen Frauen einen hohen Preis: So können 42 Prozent aller Frauen, aber nur 6 Prozent der Männer im erwerbsfähigen Alter wegen Fürsorge- und Pflegeaufgaben keiner Erwerbsarbeit nachgehen.

Benachteiligung bei Bildung und Macht

Besonders hart trifft es Frauen, die bereits in Armut oder in Gebieten leben, in denen öffentliche Infrastruktur wie Wasser- oder Stromversorgung fehlt. Sie wenden mehr Zeit für Pflege- und Fürsorgearbeit auf. In ländlichen Gegenden und in Ländern des globalen Südens verbringen Frauen schon jetzt bis zu 14 Stunden täglich mit Pflege- und Fürsorgearbeit – fünfmal mehr Zeit als Männer. Auch Mädchen müssen bei diesen Arbeiten oft schon mithelfen. Vielen bleibt dadurch weniger Zeit für die Schule, sodass ihr Bildungsstand vergleichsweise niedrig bleibt.

Durch die ungleiche Verteilung und systematische Abwertung von Pflege- und Sorgearbeit haben Frauen zudem weniger Zeit, sich politisch zu beteiligen. Neben den materiellen Unterschieden entsteht so auch eine Ungleichheit beim gesellschaftlichen Einfluss. In der Folge sind Frauen erheblich seltener in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen vertreten. Im Durchschnitt von 153 Ländern waren nur 21 Prozent der Ministerposten von Frauen besetzt und nur 25 Prozent der Parlamentarier*innen waren Frauen. In den Ländern, für die Daten vorliegen, sind nur gut ein Drittel aller wirtschaftlichen Leitungspositionen von Frauen besetzt.

Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland

Auch in Deutschland ist die soziale Ungleichheit zwischen Männern und Frauen erschütternd hoch, und auch hier hängt diese Ungleichheit zu einem großen Teil mit der unbezahlten Pflege- und Sorgearbeit zusammen:

  • Gender Pay Gap: Frauen erhalten für ihre bezahlte Arbeit 21 % niedrigere Bruttostundenlöhne als Männer.
  • Gender Lifetime Earnings Gap: Im Verlauf ihres Lebens erreichen Frauen 49 % weniger Gesamterwerbseinkommen.
  • Gender Pension Gap: Die Renten von Frauen liegen um 53 % niedriger als die von Männern.
  • Gender Care Gap: Frauen leisten um 52 % mehr unbezahlte Fürsorgearbeit als Männer.

Kümmern ist Mehrwert! Lösungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit

Soziale Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist keine Naturgewalt. Sie ist Ausdruck eines Wirtschaftssystems, das nur bezahlte Arbeit auf dem Markt anerkennt. Die gesellschaftlich unverzichtbare unbezahlte Care-Arbeit, die vor allem von Frauen geleistet wird, taucht hingegen in keiner Wirtschaftsstatistik auf. Wir können Geschlechtergerechtigkeit erreichen, wenn wir Fürsorgearbeit neu wertschätzen und Wirtschaft und Politik entsprechend anders ausrichten.

Auch die Bundesregierung muss dazu beitragen, weltweit unbezahlte Pflege- und Fürsorgearbeit zu reduzieren, fair zu verteilen und gerecht zu finanzieren.

Wir fordern von der Bundesregierung:

  • Mehr in öffentliche Kinderbetreuung und soziale Absicherung in Ländern des Globalen Südens investieren: Es muss mehr Entwicklungshilfe in öffentliche Kinderbetreuung fließen. Derzeit werden nur zwei Prozent der gesamten Gelder der deutschen Entwicklungszusammenarbeit für Kitas und Grundschulen eingesetzt. Die Quote muss auf zehn Prozent erhöht werden! Auch hierzulande muss mehr in die Kinderbetreuung und Bildung investiert werden.
  • Frauenrechte und -organisationen weltweit stärken: Derzeit fließt nur rund ein Prozent der deutschen Entwicklungshilfe in Programme, mit denen vor allem Frauen und Frauenorganisationen unterstützt werden – Tendenz fallend. Dieser Anteil muss auf zehn Prozent steigen!
  • Einen globalen Fonds für soziale Sicherheit unterstützen: Insbesondere die ärmsten Länder sind derzeit nicht in der Lage, das Menschenrecht auf soziale Sicherheit zu gewährleisten. Die Bundesregierung muss sich für einen globalen Fonds für soziale Sicherheit einsetzen, der durch Renten, Kindergeld und Unterstützung für Menschen ohne Einkommen – insbesondere Frauen – eine eigenständige Absicherung ermöglicht

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Mehr Informationen

  • Warum Care-Arbeit systemrelevant ist und wie sie neu bewertet werden kann, beleuchtet in unserem Podcast zeitgerecht die Folge 3 – und wie eine feministische Wirtschaft aussehen kann, erzählen Unternehmerinnen in Folge 2.
  • Das Equal Care Manifest, das Oxfam gemeinsam mit vielen anderen entwickelt hat, beinhaltet 18 Forderungen für Anerkennung und Wertschätzung, faire Verteilung sowie strukturelle Unterstützung von Care-Arbeit.

Hinweis: Aufgrund der diskriminierenden Praxis, bei statistischen Erhebungen häufig nur binäre Zuordnungen (männlich/weiblich) abzufragen, gibt es kein statistisches Material, das alle Geschlechter angemessen berücksichtigt. Geschlechter, die nicht der binären Norm entsprechen, werden in der Regel einfach der Kategorie „Frau“ zugezählt. Daher wird auf dieser Seite nur von „Männern“ und „Frauen“ gesprochen.